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Herausforderungen und Entwicklungschancen für Dorfkerne und Ortsmitten in Nordrhein-Westfalen Eine Hilfestellung für die Akteure vor Ort www.umwelt.nrw.de

Herausforderungen und Entwicklungschancen für Dorfkerne ......handel, Schulen und zunehmend auch Kirchen sind da-von betroffen. Dadurch ist es zu weiteren einschneiden-den Verlusten

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Herausforderungen und Entwicklungschancen für Dorfkerne und Ortsmitten in Nordrhein-Westfalen

Eine Hilfestellung für die Akteure vor Ort

www.umwelt.nrw.de

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Herausforderungen und Entwicklungschancen für Dorfkerne und Ortsmitten in Nordrhein-Westfalen

Eine Hilfestellung für die Akteure vor Ort

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4 Inhalt

Vorwort ................................................................................. 6

1. Dörfer im Wandel – neue Herausforderungen ........... 8 und Entwicklungschancen

2. Entwicklungspotenziale und Entwicklungsfragen ... 15 der Dörfer – eine lokale Einschätzung

3. Handlungsfelder ......................................................... 22

3.1 Ortskerne als attraktive Wohnstandorte ............. 22gestalten

3.2 Zukunftsfähige Arbeitsplätze erhalten ................ 34 und neue schaffen

3.3 Nahversorgung erhalten ....................................... 44

3.4 Anpassung infrastruktureller Angebote ............... 51

3.5 Medizinische Versorgung gewährleisten – .......... 56wohnortnahe Gesundheitsversorgung

3.6 Ehrenamtliches Engagement stärken – .............. 60Grundlage für ein lebendiges Dorf

4. Entwicklungs- und Umbauprozesse erfolgreich ...... 70steuern – von der Initiative zur Realisierung

4.1 Strategie der Innenentwicklung ............................ 70

4.2 Formelle Steuerungsinstrumente ......................... 73

4.2.1 Planung .......................................................... 73

4.2.2 Flächenmanagement ................................... 78

4.2.3 Gestaltung .................................................... 82

4.2.4 Erhaltung ....................................................... 83

4.2.5 Natur- und Landschaftsschutz ................... 85

Inhalt

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5 Inhalt

4.3 Informelle Steuerungsinstrumente ........................ 86

4.3.1 Organisation des Planungs- ........................... 86 und Umbauprozesses

4.4 Finanzierung und Förderung ................................... 88

4.4.1 Integrierte ländliche Entwicklung (ILE) ......... 88 und LEADER

4.4.2 Weitere Fördermöglichkeiten ......................... 91

4.4.3 Steuerliche Abschreibungsmöglichkeiten ... 94

5. Fazit ................................................................................ 95

Ansprechpartner ................................................................. 98

Impressum ......................................................................... 102

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8 Dörfer im Wandel

Rund ein Drittel der nahezu 18 Mio. Einwohner Nordrhein-Westfalens lebt in den etwa 4.000 Dörfern unseres Bun-deslands. Besonders für Familien mit Kindern bietenDorfgemeinschaften ein attraktives und stabiles sozialesUmfeld. Zahlreiche ursprünglich landwirtschaftlichgeprägte Dörfer haben sich daher zu beliebten Wohn-standorten entwickelt. Diese Entwicklung brachte esallerdings mit sich, dass die Siedlungsflächen seit den1960er Jahren durch die Ausweisung neuer Wohngebieteüber die historischen Ortskerne hinausgewachsen sind.Dem Wachstum an den Ortsrändern stehen heute viel-fach Schrumpfungsprozesse in den Ortskernen gegen-über.

Gleichwohl prägen die Ortskerne mit ihren oft historischenGebäuden – Kirchen, Schulen, Läden, landwirtschaft-lichen Hofstellen und Wohnhäusern – rund um den Dorf-platz nach wie vor die Gestalt und Identität der Dörfer.Ursprünglich bildeten sie als zentrale Treffpunkte auchden Mittelpunkt des Gemeinschaftslebens. Vielerorts haben die Ortskerne jedoch heute ihre Bedeutung für das Gemeinschaftsleben durch den wirtschaftlichen unddemografischen Strukturwandel der letzten Jahrzehnteverloren. Ihre traditionell vielfältige Funktion als Stättezum Wohnen und Arbeiten, zur Daseinsvorsorge und Nahversorgung gehört der Vergangenheit an.

Die Ursachen hierfür sind vor allem in den tiefgreifendenVeränderungen zu suchen, die sich in drei inhaltlicheBereiche und zeitliche Phasen zusammenfassen lassen:Es waren zunächst die agrarstrukturellen Veränderungen,die in einer ersten bis heute andauernden Phase zu Hof-aufgaben in der Landwirtschaft, Arbeitsplatzverlust undLeerständen von ortsbildprägenden Gebäuden im Orts-

1. Dörfer im Wandel – neueHerausforderungen undEntwicklungschancen

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9 Dörfer im Wandel

kern führten. Eine unzureichende Auslastung, wirtschaft-liche Tragfähigkeitsprobleme sowie der Trend zur Zusam-menfassung zu größeren Einheiten hat in der zweitenPhase vielerorts zur Schließung für das Zusammenlebenwichtiger Einrichtungen im Ortskern geführt: Der Einzel-handel, Schulen und zunehmend auch Kirchen sind da-von betroffen. Dadurch ist es zu weiteren einschneiden-den Verlusten an bedeutsamen Angeboten der Daseins-vorsorge gekommen, mit der die Dorfkerne auch einenTeil ihrer Funktionsvielfalt und Identität verloren haben.Hinzu kommt schließlich der aktuelle demografische

Abbildung 1: Bevölkerungsprognose 2010-2020,

Quelle: Professur für Städtebau und Bodenordnung, Daten: IT.NRW

prognostizierte Bevölkerungsentwicklung 2010-2020

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Wandel als dritte Phase der strukturellen Veränderungen.Bevölkerungsrückgang und Alterung betreffen vor allemzunächst die Ortskerne und wirken sich hier besondersgravierend aus. Weitere Gebäudeleerstände sowieInstandsetzungs- und Modernisierungsstaus sind vieler-orts die Folge.

Diese Veränderungen verlaufen allerdings räumlich sehrunterschiedlich: Kleinräumig betrachtet sind es diegegensätzlichen Entwicklungen von wachsenden Neubau-gebieten und verödenden Ortskernen. Großräumig ste-hen den Wachstumsprozessen in den Gebieten mit guterVerkehrsanbindung und Erreichbarkeit die Schrump-fungsprozesse in den regional unzureichend erschlosse-nen Räumen abseits größerer Städte gegenüber. Diegegenseitige Überlagerung und Verstärkung der agrar-strukturellen, wirtschaftlichen, infrastrukturellen unddemografischen Veränderungen führen zu neuen struktu-rellen Herausforderungen für die Dorfentwicklung. Dörferund ihre Ortskerne in NRW sehen sich daher mit folgen-

Abbildung 2: Ortsbildprägender Gebäudeleerstand

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den aktuellen und zukünftigen zentralen Entwicklungs-fragen konfrontiert:

n Struktureller Gebäudeleerstand: Der Leerstand vonGebäuden – darunter besonders viele ehemalige land-wirtschaftliche Wirtschafts- und Wohngebäude –nimmt zu. Insbesondere in den Ortskernen befindensich inzwischen oftmals neben modernisierten Wohn-häusern auch leerstehende Gebäude. Eine Verödungder Ortsinnenbereiche zeichnet sich ab – mit negati-ven Auswirkungen auf das Image dieser Bereiche.

n Tragfähigkeitsprobleme der Infrastruktur: Der Bevöl-kerungsrückgang und eine weiter zunehmende indivi-duelle Mobilität der Einwohnerinnen und Einwohnerbewirkt eine kritische Unterauslastung von öffent-lichen und privaten Infrastruktureinrichtungen und -anlagen in den kleineren Ortschaften und Dörfern.Ökonomische Tragfähigkeitsprobleme führen letztlichzur Schließung von Einrichtungen und zu einem Rück-zug aus der Fläche. Mit dem Verlust von Schulen, Kin-dergärten, Dorfläden und sonstigen für das Gemein-schaftsleben relevanten Einrichtungen verlieren dieDörfer zugleich wichtige Kommunikationspunkte unddamit auch einen wichtigen Teil ihrer Identität.

n Daseinsvorsorgeeinrichtungen als Standortfaktor:Die Aufrechterhaltung der Daseinsvorsorge stellt eineder größten Herausforderungen dar. Familien mit Kin-dern werden sich nur für solche Dörfer als Wohnstand-ort entscheiden, in denen eine ausreichende Bildungs-infrastruktur vorhanden oder in zumutbarer Entfer-nung erreichbar ist. Für das Altern auf dem Dorf sindAngebote der medizinischen Versorgung und Pflegeerforderlich.

n Gefährdung des baukulturellen Erbes: Sowohl dieneuen Baugebiete an den Ortsrändern als auch dievielfältigen Modernisierungen, An- und Umbauten vonWohn- und Nebengebäuden mit neuen, teilweise orts-

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untypischen Baustoffen haben die äußere Strukturund Gestalt der Dörfer bereits erheblich verändert. Dasbaukulturelle Erbe wurde dadurch überprägt oder garverdrängt.

n Siedlungsflächenwachstum und Infrastrukturkosten:Die oftmals angebotsorientierte Ausweisung von Bau-land hat vielerorts zu einer erheblichen Ausdehnungder Siedlungs- und Verkehrsfläche geführt. Hierdurchwurden bislang unverbaute Landschaftsräume inAnspruch genommen und die Bewohnerinnen undBewohner mit langfristigen Folgekosten für die Auf-rechterhaltung der Ver- und Entsorgungsnetze belastet.

Der überwiegende Teil dieser Probleme hängt mit der Ent-wicklung der Ortskerne und Dorfmitten zusammen. Des-halb rückt die Innentwicklung der Dörfer als strategischeZukunftsaufgabe in den Fokus. Bereits das wesentliche

12 Dörfer im Wandel

Abbildung 3: Zukunftsaufgabe: Dorfkerne stärken!

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Ziel der Landesplanung, gleichwertige Lebensverhältnissein allen Teilräumen zu schaffen, erfordert die Stärkungder Dörfer als Wohn- und Wirtschaftsstandorte undbedingt eine Mindestausstattung mit Einrichtungen derDaseinsvorsorge.

Die bisherigen Ansätze und die veränderten Rahmenbe-dingungen eröffnen zugleich auch neue Chancen undEntwicklungspotenziale. So sind bereits zahlreiche bei-spielhafte Lösungen für regionale Konzepte der Nahver-sorgung, Altenpflege und öffentliche Mobilitätsangeboteetabliert worden. Dadurch entstehen auch neue Arbeits-plätze in ländlichen Räumen. Günstige Voraussetzungenfür eine erfolgreiche Bewältigung der bestehenden Her-ausforderungen bietet zudem die Dorfentwicklung imRahmen der Integrierten Ländlichen Entwicklung (ILE)und der LEADER-Prozesse1) mit ihren sehr bürger- undmitwirkungsorientierten Planungsansätzen.

Für zahlreiche Dörfer Nordrhein-Westfalens liegen bereitsEntwicklungskonzepte vor, auf denen erfolgreich aufge-baut werden kann. Neue Situationen bringen jedoch stän-dig neue Herausforderungen mit sich, für die jeweils pas-sende Lösungen benötigt werden. Dafür müssen dieTrends und Risiken realistisch abgeschätzt, aber zugleichauch die sich bietenden Potenziale und Chancen erkanntund genutzt werden. Den größten Handlungsbedarf aufder Agenda der dörflichen Entwicklung weisen gegen-wärtig zweifellos die Ortskerne auf. Ihre Aufwertung,Sicherung und qualitative Weiterentwicklung als Wohn-standorte mit umfassenden Angeboten der Daseinsvor-sorge sind die wesentlichen aktuellen Aufgaben für dieZukunft.

1) LEADER (frz. Liaison entre actions de développement de l’économierurale; dt. Verbindung zwischen Aktionen zur Entwicklung der ländlichenWirtschaft) ist ein Förderprogramm der Europäischen Union, mit demseit 1991 modellhaft innovative Strategien lokaler Akteure im ländlichenRaum gefördert werden.

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14 Dörfer im Wandel

Die Broschüre beruht auf den Ergebnissen einer Studiedes Instituts für Geodäsie und Geoinformation (Professurfür Städtebau und Bodenordnung) der Rheinischen Fried-rich-Wilhelms-Universität Bonn, die durch das Ministeri-um für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- undVerbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen inAuftrag gegeben wurde.1) Sie gibt Hinweise zu weitrei-chenden und regional abgestimmten Ansätzen für einezukunftsfähige Entwicklung der Ortsmitten und Dorfker-ne. Die Empfehlungen weisen auf innovative und erfolgrei-che Fallbeispiele aus Nordrhein-Westfalen hin und zeigenbeispielhafte Lösungen und Strategien auf. In der Analysewird deutlich, dass eine erfolgreiche örtliche Entwicklungvor allem eine Frage der Beteiligung der Bevölkerung unddes Regionalmanagements ist.

Als wesentliche Erfolgsfaktoren haben sich dabein die Förderung des örtlichen bürgerschaftlichen

Engagements und der privaten Initiativen,n der Ausbau von Netzwerken mit privaten und öffent-

lichen Akteuren sowie n die Intensivierung der regionalen und interkommu-

nalen Kooperationenherausgestellt.

Die beteiligten Akteure aus Politik, Verwaltung und Bevöl-kerung sind dazu aufgerufen, sich bewusst mit ihren Dör-fern auseinanderzusetzen und den neuen Herausfor-derungen offensiv zu begegnen.

1) KÖTTER, T., B. OP'T EYNDE UND J. LANGER (2009): ZukunftsfähigeDorfkerne und Ortsmitten – Revitalisierung durch Innenentwicklung –Intelligente Flächennutzung im Ort – Konsequenzen für Planung undBodenordnung, Baukultur, Ökologie, Flächenverbrauch, Zusammenhän-ge mit demographischen und soziokulturellen Entwicklungen – Erarbei-tung von Konzepten und Strategien. Landwirtschaftliche Fakultät derUniversität Bonn, Schriftenreihe des Lehr- und Forschungsschwerpunk-tes USL, 88 Seiten.

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15 Entwicklungspotenziale und Entwicklungsfragen der Dörfer

Es bedarf wirksamer Strategien zur Innenentwicklung der Dörfer und Revitalisierung der Ortskerne, damit diesich abzeichnenden Problemlagen – Gebäudeleerstand,Schließung von Nahversorgungseinrichtungen, Verödungöffentlicher Räume und damit einhergehender Imagever-lust – sich nicht weiter gegenseitig verstärken. Deshalbsind sowohl ein Problembewusstsein als auch verläss-liche Informationen über die Situation und die Entwick-lungstrends erforderlich.

Die Gemeinden verfügen einerseits über sehr detaillierteKenntnisse über die Ausstattung der Dörfer mit Gemein-bedarfs- und privaten Wohnfolgeeinrichtungen sowieüber Vereinsaktivitäten vor Ort. Es fehlt ihnen jedochandererseits an aussagefähigen Struktur- und Entwick-lungsdaten, z. B. zur aktuellen Sozial- und Baustrukturauf Dorfebene, an verlässlichen Informationen etwa überaktuelle Gebäudeleerstände und Leerstandsrisiken sowieüber Umnutzungspotenziale. So können die Auswirkun-gen des demografischen und wirtschaftlichen Struktur-wandels nur qualitativ abgeschätzt, aber kaum quantifi-ziert werden. Die frühzeitige Erkennung von Problemla-gen in den Ortskernen, die Identifizierung von Handlungs-feldern und das rechtzeitige Ergreifen von Initiativen fürstrategische Maßnahmen werden dadurch oftmals erheb-lich erschwert.

Aus Sicht der Gemeinden in Nordrhein-Westfalen beste-hen in den Dörfern ein erheblicher Handlungsbedarf, abergleichzeitig auch umfassende Entwicklungspotenziale. In der erwähnten Befragung nennen nahezu 95 % der Gemeinden den demografischen Wandel und seine Aus-

2. Entwicklungspotenzialeund Entwicklungsfragender Dörfer – eine lokaleEinschätzung

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16 Entwicklungspotenziale und Entwicklungsfragen der Dörfer

wirkungen vor Ort als wichtigstes Handlungsfeld undZukunftsaufgabe für die Dorfentwicklung. Gleichzeitigwird deutlich, dass die Probleme weiter zunehmen. Sobestehe dringender Handlungsbedarf in den BereichenErwerbsmöglichkeiten, Wohnen, Baustruktur undDaseinsvorsorge.

Zur Bewältigung der neuen Aufgaben und Herausforde-rungen haben fast alle Gemeinden folgende Ziele formu-liert:n Familien- und seniorenfreundliche Ortsentwicklung, n Stärkung der Kooperationen in der Region zur Siche-

rung der Daseinsvorsorge, vor allem der Bildungsein-richtungen,

n Mobilisierung innerörtlicher Baulandpotenziale, Brach-flächen und Baulücken sowie

n intensivere Beteiligung der Bürger an lokalenPlanungs‐ und Entscheidungsprozessen.

Abbildung 4: Wesentliche Entwicklungsbereiche und Maßnahmen, Mehr-

fachnennungen möglich; Quelle: Ergebnisse einer repräsentativen Befra-

gung aller Gemeinden in ländlichen Räumen in NRW in 2010,

Professur für Städtebau und Bodenordnung

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Insgesamt besteht eine ausgeprägte Sensibilität für dieaktuellen Herausforderungen, die mit den demografi-schen Veränderungen einhergehen. Die Innenentwicklungder Dörfer wird als wichtigste Zukunftsaufgabe mit stra-tegischem Handlungsbedarf angesehen. Für eine erfolg-reiche Verwirklichung der Ziele sind in der Regel inhalt-

lich, regional und zeitlich abgestimmte Maßnahmenkom-binationen erforderlich.

So verfügen bisher weniger als die Hälfte der befragtenGemeinden über Erfahrungen mit Maßnahmen der Dorf-innenentwicklung. Wesentliche Ansätze wie beispielsweiseLeerstandsmonitoring, Brachflächenmobilisierung sowieHaus- und Hofbörsen werden eher selten eingesetzt. Deraktuelle Fokus liegt eher auf innerörtlichen Freiflächen, derUm- und Nachnutzung von Gebäuden und auf der Schlie-ßung von Baulücken. Vielfach werden diese Einzelmaß-nahmen zudem nicht strategisch miteinander verknüpft.

17 Entwicklungspotenziale und Entwicklungsfragen der Dörfer

Abbildung 5: Erfahrungen mit einzelnen Maßnahmen der Innenentwick-

lung; Mehrfachnennungen möglich; Quelle: Ergebnisse einer Befragung

2010, Professur für Städtebau und Bodenordnung

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18 Entwicklungspotenziale und Entwicklungsfragen der Dörfer

Für die Steuerung der siedlungsstrukturellen, baulichenund gestalterischen Entwicklung der Dörfer stehen denGemeinden zahlreiche formelle und informelle bodenpoli-tische Instrumente zur Verfügung. Als wichtigstes Steue-rungsinstrument der Ortentwicklung gilt immer noch derBebauungsplan. Diese Vorliebe der Stadtplanung istgeprägt durch die für Wachstumsphasen typische städte-bauliche Aufgabe, nämlich die Entwicklung neuen Bau-lands. Zur Verwirklichung bevorzugen zahlreiche Gemein-den den freihändigen Zwischenerwerb der zu entwickeln-den Bauflächen. Dieser bietet den Planern umfassendeHandlungs- und Steuerungsmöglichkeiten: So können dieneuen Bauflächen zeitnah veräußert, an ausgewählteZielgruppen (z. B. unter sozialpolitischen Gesichtspunk-ten) vergeben sowie ein Teil der Infrastrukturkosten durchdie Einnahmen refinanziert werden. Sofern ein Bodenord-nungsverfahren nach dem Flurbereinigungsgesetz(FlurbG) durchgeführt wurde, haben die einbezogenenOrtslagen in ihrer Siedlungsentwicklung davon meist sehrprofitieren können. Angesichts der veränderten Aufga-

Abbildung 6: Wesentliche Maßnahmen der Innenentwicklung, Mehrfach-

nennungen möglich; Quelle: Ergebnisse einer Befragung 2010,

Professur für Städtebau und Bodenordnung

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19 Entwicklungspotenziale und Entwicklungsfragen der Dörfer

benschwerpunkte gelangen auch die auf die Weiterent-wicklung und Qualifizierung des baulichen Bestands aus-gerichteten Instrumente wie die Innenbereichssatzungnach § 34 Baugesetzbuch (BauGB) und der Dorfentwick-lungsplan zunehmend in das Blickfeld der Gemeinden.Auch für die neuen Herausforderungen können dieGemeinden ihre Erfahrungen mit den bewährten Instru-menten des Baugesetzbuchs und des Flurbereinigungs-gesetzes nutzen. Dazu kommen weitere, informelle Ent-wicklungskonzepten, insbesondere die Innenentwick-lungskonzepte.

Die neuen Herausforderungen und Aufgaben der Innen-entwicklung werden bestandsorientierte Strategien erfor-dern. Erfolgreiche Ansätze zeichnen sich durch kooperati-ve und konsensorientierte Verfahren aus, die eine frühzei-tige und intensive Beteiligung der Bewohner und Eigentü-mer vorsehen. Besonders bewährt haben sich die – recht-lich unverbindlichen – Dorfentwicklungskonzepte. DieGemeinden erlegen sich hierbei eine Selbstbindung auf,

Abbildung 7: Eingesetzte Planungs- und Bodenordnungsinstrumente für

die Dorfentwicklung; Quelle: Ergebnisse einer Befragung 2010,

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20 Entwicklungspotenziale und Entwicklungsfragen der Dörfer

die zugleich die Fördergrundlage für öffentliche und private Baumaßnahmen bilden. Um die Planungszieleabzusichern und effizient zu verwirklichen, sind formelleRechtsinstrumente indessen weiterhin unverzichtbar.

Die Popularität des Wettbewerbs „Unser Dorf hatZukunft“1) ist ungebrochen. Trotz seines im Wesentlichenideellen Charakters bleibt der Dorfwettbewerb ein wichti-ges „Förderinstrument“: Er mobilisiert umfangreichesehrenamtliches Engagement und gibt langfristige Impulsefür die dörfliche Entwicklung – auch ohne finanzielle För-derung. Finanzielle Förderinstrumente stehen innerhalbdes Förderschwerpunktes Integrierte Ländliche Entwick-lung (ILE) im Rahmen des NRW Programms „LändlicherRaum 2077-2013“ vor allem durch die Maßnahmen derDorferneuerung, Dorfentwicklung, Umnutzung und derFlurbereinigung zur Verfügung.

Fördermittel aus anderen Quellen werden bedauerlicher-weise kaum genutzt. So hat beispielsweise mehr als einDrittel der Gemeinden bislang keine Förderung aus Mit-teln der Wasserrahmenrichtlinie oder der Städtebauför-derung beantragt, obwohl vielfach Handlungsbedarfbesteht. Als Gründe hierfür kommen neben Informations-defiziten und der Abgrenzung der Förderkulisse vor allemfehlende Verwaltungskapazitäten und zunehmend auchknappe Haushaltsmittel für die Kofinanzierung der erfor-derlichen Eigenanteile in Betracht.

1) Mehr Informationen unter:http://www.dorfwettbewerb.de/

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21 Entwicklungspotenziale und Entwicklungsfragen der Dörfer

Abbildung 8: Wichtige Fördermöglichkeiten der Dorfentwicklung aus der

Sicht der befragten Gemeinden, Quelle: Ergebnisse einer Befragung 2010,

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22 Handlungsfelder

3.1 Ortskerne als attraktive Wohnstandorte gestalten

Die Dorfkerne und Ortsmitten prägen das Bild der Ort-schaften und haben eine hohe Bedeutung für die Identifi-kation der Bewohnerinnen und Bewohner mit ihrem Dorf.Künftig werden die Dorfkerne mehr und mehr dem Woh-nen dienen. Deshalb müssen die Ortskerne als Wohn-standorte weiterentwickelt werden. Daraus ergeben sichdrei zentrale Fragestellungen:n Welche Ansprüche stellen wir an die Ortskerne als

Wohnstandorte?n Welche Wohnungsformen und Wohnungsangebote

werden wir in Zukunft benötigen? n Wie können wir das Umfeld im Ortskern für das

Wohnen aufwerten?

Wohnqualität in den OrtskernenDas Wohnen im Ortskern muss als echte Alternative zuden Neubaugebieten aufgewertet werden. Innerhalb derOrtslage können durch Neubauten und zeitgemäß sa-nierte Altbauten sehr gute Wohnbedingungen geschaffenwerden, die sich vor allem durch das fußläufig erreichbareNahversorgungsnetz und weitere infrastrukturelle Ange-bote auszeichnen. Die besondere Qualität des Wohnensergibt sich hier zunächst aus der historischen Funktions-vielfalt im Ortskern: Kirche, Schule, Einzelhandel, Gast-stätte sind nicht weit und bieten viele Möglichkeiten derBegegnung und sozialer Kontakte.

Im Ortskern konzentriert sich meist auch das baukulturel-le Erbe mit dorftypischer Bausubstanz. Dorfkerne unter-scheiden sich damit ganz wesentlich von den Neubau-gebieten an den Ortsrändern und verleihen dem gesam-ten Dorf seine Identität.

3. Handlungsfelder

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23 Handlungsfelder

Neue Wohnformen erforderlichDen sich abzeichnenden demografischen Veränderungenfolgend, muss der Wohnungsbestand in den kommendenJahren und Jahrzehnten nach und nach an die neuenAnforderungen der Gesellschaft angepasst werden. Oftorientieren sich die Entscheidungsträger in den Dörfernund Gemeinden bislang noch an den Wohnbedürfnissender klassischen Zielgruppe Familien mit Kindern. DieÜberschaubarkeit und der soziale Zusammenhalt desdörflichen Umfelds machen kleinere Ortschaften nachwie vor zu bevorzugten Wohnstandorten dieser Zielgrup-pe, sofern entsprechende Bildungseinrichtungen undArbeitsplätze vor Ort oder zumindest in zumutbarer Ent-fernung erreichbar sind. Die Pluralisierung der Lebens-stile führt indessen auch in ländlichen Räumen zu einemgrößeren Bedarf an kleineren Wohnungseinheiten – fürkleinere Familien, Alleinerziehende mit Kindern und Singlehaushalte junger und älterer Dorfbewohnerinnenund -bewohner.

Abbildung 9: Baukulturelles Erbe im Dorfkern, umgenutztes landwirt-

schaftliches Gebäude in Petershagen-Frille

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24 Handlungsfelder

Wohnungsangebote müssen daher künftig stärker aufdiese individualisierten Wohnansprüche ausgerichtet undneue innovative Wohnmodelle erprobt werden. Eigen-tums- und Mietwohnungen, sind bislang in zahlreichenDörfern kaum vorhanden, besonders in den Orten in derNähe größerer Städte ist jedoch ein wachsender Bedarf,zum Beispiel bei Berufspendlern, zu erkennen. Auch älte-ren, alleinstehenden Menschen sollte eine Alternative fürihr oft viel zu großes Einfamilienhaus im Neubaugebietoder für ihr sanierungsbedürftiges Altgebäude im Orts-kern angeboten werden.

Durch ein vielfältiges und den sozialen Gegebenheitenangepasstes Wohnungsangebot können Abwanderungenvermieden und den älteren Menschen ein Verbleiben inihrem vertrauten Wohnumfeld ermöglicht werden. Dafürverfügen viele Ortskerne über hervorragende Potenziale.Die Umnutzung erhaltenswürdiger Gebäude im Ortskernund die Aufteilung in kleinere Wohneinheiten kommen alswichtige Maßnahmen ebenso in Betracht wie Neubautenauf freigelegten und gegebenenfalls neu zugeschnittenenGrundstücken im Ortskern.

Familiengerechte Wohnungen anbietenAber auch für Familien mit Kindern sollten Dorfkerne wie-der attraktiv werden. Dies setzt zunächst entsprechende

Abbildung 10: „neues“ Wohnen im „alten“ Dorf

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25 Handlungsfelder

Wohnungsangebote mit ausreichender Größe und auchNeubaumöglichkeiten für Einfamilienhäuser mit einerwohnungsnahen Freifläche voraus. Die Potenziale dafürsind vielerorts vorhanden. Zum einen können alteBestandsimmobilien für diese Zwecke mobilisiert, umge-nutzt, baulich angepasst und modernisiert werden, soweitdies baulich möglich und ökonomisch sinnvoll ist. Zumanderen muss für Bereiche mit nicht mehr anpassungs-und umnutzungsfähiger Bausubstanz geprüft werden, wieeine grundstücksübergreifende Neuordnung möglich ist.Wenn der Abriss und die Neubebauung mit dorfgerechtenEinfamilienhäusern mit privater Freifläche planungs- undbauordnungsrechtlich zulässig ist, können qualitativhochwertige neue Baugrundstücke im Innenbereich ent-wickelt werden, die als Alternative für einen Neubau amOrtsrand in Betracht kommen. Eine Nachfrage für solcheAngebote ist durchaus gegeben.

Wohnungsanforderungen älterer Menschen berücksichtigenEin weiteres wichtiges Handlungsfeld in den Dorfkernensind die Wohnsituation und die besonderen Wohnbedürf-nisse älterer Menschen, deren Anteil an der Gesamtbe-völkerung weiter ansteigen wird. Das in der Vergangenheitauf dem Lande immer noch übliche Zusammenlebenmehrerer Generationen unter einem Dach, verbunden miteiner sozialen Versorgung der älteren Generation in derFamilie, existiert heute kaum noch. So überwiegt dieGruppe der allein wohnenden, älteren Menschen in denhistorischen Gebäuden der Ortskerne. Diese Entwicklungist zunehmend auch schon in den Neubaugebieten der70er und 80er Jahre zu beobachten.

Viele ältere Menschen können jedoch aus gesundheitli-chen Gründen und aufgrund ihrer finanziellen Situationdie erforderlichen Unterhaltungs-, Instandsetzungs- undModernisierungsarbeiten nicht mehr bewältigen. Zudem ist der Anpassungsaufwand oft erheblich: Alten-gerechte Wohnungen sollten barrierefrei sein und übereine senioren- oder sogar behindertengerechte Haus-

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technik, Sanitäreinrichtung und Energieversorgung verfü-gen. Gerade der Energiebedarf ist für die langfristige Nut-zung von Gebäuden zu einer zentralen Kosten- und damitWertfrage geworden. Eine frühzeitige Umstellung auf effi-ziente, regenerative und regionale Energieträger schafftKosten- und Nutzungssicherheit angesichts der absehbarweiter ansteigenden Energiepreise.

Dazu kommt oft noch ein grundlegender Sanierungs-bedarf an den Gebäuden im Bereich der Fassaden, derDächer und der Grundrissgestaltung. Es ist daher im Einzelfall sorgfältig zwischen Modernisierung und Abrissmit nachfolgendem Neubau abzuwägen.

Altengerechte Wohnungen im Ortskern schaffenNeuere Umfragen der Professur für Städtebau undBodenordnung an der Universität Bonn zeigen, dass sichdie Bindung an das Eigentum gewandelt hat und dassauch bei älteren Menschen eine gewisse Bereitschaftzum Umzug in eine kleine Eigentums- oder Mietwohnungbesteht. Über 90 % der Seniorinnen und Senioren möch-ten allerdings möglichst lange eigenständig und selbst-bestimmt in ihrem bestehenden sozialen Umfeld wohnen. Diese neuen Chancen sollten die Gemeinden nutzen!Zusammen mit Investoren und Wohnungsbaugesellschaf-ten können entsprechende Angebote vor Ort geschaffenwerden. Damit werden sowohl in den Ortskernen als auchin den Neubaugebieten Umzugsketten in Gang gesetzt,die Leerstände präventiv vermeiden, Wertverfall der Immo-bilien aufhalten sowie frühzeitig Nach- und Umnutzungenermöglichen. So können den Familien die frei werdendenBestandsimmobilien im historischen Umfeld des Ortskernszu angemessenen Konditionen angeboten werden.

ServicewohnenWeitere vielversprechende Ansätze für die zukünftige Ent-wicklung des Wohnens im Dorfkern stellen die neuenModelle des familiengerechten und Mehrgenerationen-wohnens sowie das Servicewohnen dar. ZusätzlicheBetreuungs-, Pflege- oder Servicedienstleistungen können

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den Bewohnerinnen und Bewohnern bei zunehmendemPflegebedarf noch über einen langen Zeitraum ermögli-chen, selbstständig in der eigenen Wohnung zu verblei-ben. Für die altersgerechte Anpassung von Gebäuden bie-tet der Förderschwerpunkt „Dorferneuerung“ des NRWProgramms „Ländlicher Raum 2007-2013“ in Verbindungmit anderen Förderprogrammen zum Beispiel der Kredit-anstalt für Wiederaufbau (KfW) den Bauherren umfassen-de Hilfen an. Auch Kommunen können unterstützend tätigwerden, wie örtliche Förderinitiativen – zum Beispiel inBurbach (Kreis Siegen-Wittgenstein) – zeigen.

Wohnumfeld aufwertenFür die Wohnqualität der Bewohnerinnen und Bewohnerim Ortskern sind Gestaltung und Nutzbarkeit der öffent-lichen Räume einschließlich der Straßen von hoherBedeutung.

Starker Durchgangsverkehr mit entsprechendem Ver-kehrslärm, leerstehende Bausubstanz und ungepflegteBrachflächen können den Wohnwert erheblich beein-trächtigen. Verkehrsberuhigung, behutsame Neuordnungin Teilbereichen und Wohnumfeldverbesserung – zumBeispiel durch die Erhaltung ortsbildprägender Bausub-stanz und Sicherung dorftypischer Bauweisen im histori-schen Ortskern – sind daher wichtige flankierende Maß-nahmen und tragen wesentlich zur Stärkung der Identitätdes gesamten Dorfes bei.

Abbildung 11: familienfreundliche Wohnumfeldgestaltung

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Beispiel 3.1.1 Bauernhausbörse Minden-LübbeckeIm Mühlenkreis Minden-Lübbecke befasst sich derArbeitskreis „Umnutzung“ mit der Vermarktung ehe-mals landwirtschaftlich genutzter und derzeit leerste-hender Bauernhäuser, Höfe und Wirtschaftsgebäude.Unter Beteiligung zahlreicher regionaler Experten,darunter der Ämter für Denkmalpflege des Land-schaftsverbandes Westfalen-Lippe, der Bauämter derkreisangehörigen Gemeinden, der zuständigenBezirksregierung sowie der IHK und der Kreishand-werkerschaft, werden Interessenten beraten. Ziel istdie Vermarktung leerstehender, aber erhaltenswerterGebäude. Die Interessengemeinschaft Bauernhaus e. V. betreibt zu diesem Zweck eine Internet-Portalsei-te, auf der zu vermarktende Immobilien vorgestelltwerden. Zahlreiche Beispiele für erfolgreiche Umnut-zungen zu Wohn-, Gewerbe-, gastronomischen undBeherbergungszwecken sowie Informationen zu bau-rechtlichen Rahmenbedingungen, Fördermöglichkei-ten und Denkmalschutzbelangen ergänzen das Inter-netangebot.

Die Bauernhausbörse im Müh-lenkreis Minden-Lübbecke ist einvorbildliches Beispiel für einezukunftsweisende Strategie zumUmgang mit dem ProblemGebäudeleerstand – mit demZiel, alte Gebäude wieder mit neuem Leben zu füllen.

Kontakt:Kreis Minden-LübbeckeDaniela BredemeierPortastraße 13, 32423 MindenTelefon: 0571 807-2450E-Mail: [email protected]: http://bauernhausboerse.minden-luebbecke.de

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Abbildung 12: Umnutzung eines ehemals landwirtschaftlichen

Gebäudes in Dankersen/Hasenkamp

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Beispiel 3.1.2 Bioenergiedorf EbbinghofDas Dorf Schmallenberg-Ebbinghof hat eine klimage-rechte CO2-neutrale Erzeugung der benötigten Wär-meenergie und Elektrizität konsequent verwirklicht.Die Windenergie nutzt der Ort bereits seit 1994; in denfolgenden Jahren kamen Photovoltaik sowie Wär-meenergienutzung aus Holz und Biogas hinzu. Mit derInbetriebnahme einer Biogasanlage im Jahr 2009 zurVerwertung von Gülle und der bei der landwirtschaftli-chen Produktion anfallenden Reststoffe erreichte dasDorf die CO2-neutrale Energieautarkie. Ein Nahwärme-netz versorgt sämtliche Gebäude mit der nicht zumBetrieb der Biogasanlage erforderlichen Restwärme.Lastspitzen werden über eine Holzhackschnitzelfeue-rung abgesichert. Ein mit Methangas aus der Biogas-anlage betriebenes Blockheizkraftwerk deckt –zusammen mit den Erträgen aus Windenergie undPhotovoltaik – den gesamten Strombedarf der 28 Einwohner einschließlich der 3 landwirtschaftlichenBetriebe und eines Gastronomiebetriebs. Die mittelsWindkraft, Photovoltaik und Blockheizkraftwerkzusätzlich erzeugte elektrische Energie wird in dasöffentliche Netz eingespeist.

Für die Energiegewinnung werden ausschließlich diein landwirtschaftlichen Betrieben des Ortes und derunmittelbaren Umgebung erzeugten land- und forst-wirtschaftlichen Stoffe verwendet. So ist es denEbbinghofern gelungen, eine zumindest regional aut-arke Energieversorgung aufzubauen und sich von derPreisentwicklung fossiler Energieträger abzukoppeln.Das Beispiel beweist eindrucksvoll die Praktikabilitätinnovativer energetischer Konzepte auf regionalerEbene.

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Kontakt:Dorfgemeinschaft EbbinghofJohannes TiggesEbbinghof 557392 SchmallenbergTelefon: 02972 9755-14Internet: http://www.bioenergiedorf-nrw.de/energiedorf/bioenergiedorf_ebbinghof.php

Abbildung 14: Luftaufnahme Ebbinghof, Oktober 2010

Abbildung 13: Photovoltaikanlagen

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Beispiel 3.1.3 Lebens-WERTE Dörfer; Burbacher Förderprogramm „Bauen in den Ortskernen“Im Rahmen der Initiative „Lebens-WERTE Dörfer“ derGemeinde Burbach soll die Lebensqualität in denOrtskernen dauerhaft gesichert und gefördert wer-den. Eine deutliche Reduzierung ursprünglich geplan-ter Gewerbe- und Wohnbauflächen im Rahmen derNeuaufstellung des Flächennutzungsplanes, die Akti-vierung von Baulücken und Brachflächen, die Umset-zung eines Leerstandsmanagements und verschiede-ne Dorfumbaumaßnahmen sind Bestandteile derStrategie zur Anpassung der Ortsentwicklung an denBevölkerungsrückgang. Als weitere begleitende Maß-nahme hat die Gemeinde das „Burbacher Förderpro-gramm“ aufgelegt, das private Maßnahmen unter-stützt, die der Innenentwicklung dienen. So gewährtdie Gemeinde bei Kauf und Neubau, dem barrierefrei-en Umbau und bei der energetischen Sanierung vonGebäuden in den Ortskernen finanzielle Zuschüssezwischen 250 € und 1250 €. Gefördert werden außer-dem Maßnahmen des Hochwasserschutzes und diedorfgerechte Bepflanzung von Freiflächen. Für dieRealisierung konnten örtliche Architekten gewonnenwerden, die ihre Beratungsleistungen kostenloserbringen.

Das Burbacher Förderprogramm begegnet dadurch invorbildlicher Weise den zentralen Herausforderungendes demografischen, wirtschaftlichen und agrarstruk-turellen Wandels und seinen Folgen für die Ortskerne.

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Kontakt:Gemeinde BurbachChristian FeigsEicher Weg 1357299 Burbach Telefon: 02736 45-67 E-Mail: [email protected]: http://www.burbach-siegerland.de

Abbildung 15: Gemeinde Burbach

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3.2 Zukunftsfähige Arbeitsplätze erhalten und neue schaffen

Der agrarstrukturelle und wirtschaftliche Wandel hat denStandort Dorf tiefgreifend verändert. Durch Diversifizie-rung, Netzwerkbildung und Verbesserung der Standort-voraussetzungen können jedoch örtliche Potenziale undChancen optimal genutzt werden. Vielfach sind bereitsneue Beschäftigungsangebote innerhalb der Landwirt-schaft und im landwirtschaftsnahen Bereich entstanden.Auch die Anzahl der Berufspendler hat in großen Teilender ländlichen Räume zugenommen. In Gebieten mit peri-pherer Lage zeichnen sich allerdings bei fehlenden Aus-bildungs- und Arbeitsplatzmöglichkeiten auch Abwande-rungen aus den Dörfern ab. Deshalb besteht ein vorrangi-ges Ziel darin, bestehende Arbeitsplätze zu erhalten undneue zu schaffen. Die wichtigsten Ansätze werden nach-folgend erläutert.

LandwirtschaftIn zahlreichen Dörfern konnten in der Landwirtschaftbestehende Arbeitsplätze gesichert werden, indem neueGeschäftsfelder und Aktivitäten mit Beschäftigungsmög-lichkeiten zum Beispiel in den folgenden Bereichen ent-wickelt wurden:n Direktvermarktung und Weiterverarbeitung eigener

und sonstiger regionaler Produkten Kulturlandschaftspflege und Vertragsnaturschutz, n Umstellung auf ökologische Landwirtschaft,n Ländlicher Tourismus, Wochenendurlaub, Urlaub auf

dem Bauernhof, Wochenendwohnsitze, Heuhoteln Biomasseanbau zur Energieerzeugung und stofflichen

Verwertung.

Damit werden häufig willkommene Doppeleffekte erzielt:So können die Hofläden außer der Direktvermarktung derErzeugnisse auch die Funktion des örtlichen Nahversor-gers übernehmen, wenn die Produktpalette entsprechendausgeweitet wird.

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Zusätzliche Erwerbsmöglichkeiten entwickeln sich auchdurch den Anbau nachwachsender Rohstoffe für einestoffliche oder energetische Verwertung. Mit dem ver-stärkten Ausbau der erneuerbaren Energien ergeben sichneue Entwicklungspotenziale. Außerdem werden inner-halb der Wertschöpfungskette „Energieerzeugung“ quali-fizierte Dienstleistung- und Handwerksarbeiten nachge-fragt, die von der Konzeption der Anlagen über die Errich-tung und den Betrieb bis hin zu Service- und Wartungs-arbeiten reichen.

Gewerbliche ClusterIn Nordrhein-Westfalen sind die ländlichen Räume undihre Dörfer traditionell nicht nur Standort für die Land-wirtschaft, sondern weisen besonders in der Nähe vonBallungsräumen einen hohen Anteil von gewerblichenArbeitsplätzen auf. Es ist eine bemerkenswerte Besonder-heit, dass gemessen an der Zahl der sozialversicherungs-pflichtigen Beschäftigten in diesem Bereich die höchstenAnteile nicht in den Kernstädten zu finden sind, sondernin den ländlichen Räumen, vor allem des Sauer- und Sie-

Abbildung 16:

Direktvermarktung

regionaler Produkte

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ger- sowie des Münsterlandes. Als erfolgreiche wirt-schaftliche Entwicklungen sind die innovativen Cluster inOstwestfalen-Lippe zu nennen. Neue Wertschöpfungsket-ten in den Bereichen Haushaltsgeräte, Lebensmittel, Klei-dung, Möbel, Maschinen und Konzepte für industrielleProdukte sowie in der Gesundheitswirtschaft haben hierzusätzliche Arbeitsplätze und neue Einkommensmöglich-keiten geschaffen und so zur Stabilisierung ländlicherRäume, der Dörfer und auch ihrer Dorfkerne beigetragen.

Haushaltsnahe DienstleistungenWenigstens ein positiver Impuls für den ländlichenArbeitsmarkt ist aufgrund des demografischen Wandelszu erwarten: So werden von den älteren Bewohnerinnenund Bewohnern immer mehr haushaltsnahe Dienstlei-stungen von Essen auf Rädern bis hin zur umfangreichenBetreuung und Pflege nachgefragt. Von dieser Nachfrageauf dem Arbeitsmarkt werden insbesondere die Pflegebe-rufe profitieren. Ein wachsender Bedarf zeichnet sich beiden ambulanten Pflegediensten ab, die künftig die pflege-rische Versorgung ganzer Dörfer übernehmen könntenund dabei von einem ärztlichen Zentrum unterstützt wer-den. Als Standorte solcher Modelle eignen sich die Orts-kerne.

Abbildung 17: Umnutzung eines Bauernhofs zu Wohn- und Arbeitszwecken

(Motorradwerkstatt) in Minden-Päpinghausen

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Gebäudeumnutzung als Chance Chancen für die Ansiedlung von Betrieben und damitneuen Arbeitsplätze bieten ehemals landwirtschaftlichgenutzte Gebäude. Erfolgreiche Umnutzungen zu Ferien-wohnungen, Ladenlokalen, Gastronomie- oder Kulturbe-trieben sowie landwirtschaftsnahen Funktionen beweisendas erhebliche Potenzial. Günstige Voraussetzungen fürtouristisch orientierte Umnutzungen (Agrotourismus,naturnahe Erholung, Heuhotel etc.) bieten sich vor allemin den landschaftlich attraktiven Regionen.

Die Verfügbarkeit gewerblich zu nutzender Gebäude ehemaliger landwirtschaftlicher Betriebe ermöglicht esden örtlichen Wirtschaftsförderern, Unternehmen in derGründungsphase entsprechende Räumlichkeiten zur Ver-fügung zu stellen und diese damit bei der Unternehmens-entwicklung zu unterstützen. Günstige Mieten und erwei-terbare Raumangebote schaffen dafür günstige Voraus-setzungen.

Regionale Wertschöpfungsketten Die Regionalentwicklung profitiert von den örtlichen Pro-dukten immer dann, wenn es gelingt, die gesamte Kettevon der Rohstoffbereitstellung über die Produktentwick-lung und die Herstellung bis zur Vermarktung mit heimi-schen Unternehmen vollständig abzudecken. Dies wirdbeispielsweise im Ernährungsbereich dadurch besondersbegünstigt, dass das Bewusstsein der Verbraucher fürregionale Erzeugnisse, für Bioprodukte und eine gesundeErnährung mit frischen, vollwertigen Lebensmitteln stetigzunimmt. Das Verbraucherinteresse richtet sich dabeisowohl auf die Produkte als auch auf den Produktionspro-zess. Dies sind beste Voraussetzungen für einen Verbleibder gesamten Wertschöpfung in der Region – von derErzeugung über die Weiterverarbeitung bis zum fertigenEndprodukt.

Einheitliche Dachmarke Die Möglichkeiten für die Innenentwicklung der Ortskernesind eng verknüpft mit einer prosperierenden regionalen

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Entwicklung. Eine einheitliche Dachmarke mit einer Por-talseite im Internet ist ein unverzichtbarer Marketingbau-stein für eine erfolgreiche Regionalentwicklung, die daherauch die Innenentwicklung der Dörfer unterstützt. Sieerleichtert die Erschließung neuer Absatzmärkte fürregionale Produkte und Spezialitäten, dient zur Informa-tion über regionale Angebote in den Bereichen Gewerbeund Dienstleistungen, Tourismus und Wellness sowie überdie damit zusammenhängenden Produkte. Damit könnenletztlich die gewünschten arbeitsmarktpolitischen Effek-te erzielt und die Ortskerne als Arbeitsstandorte erhaltenwerden.

Breitbandanschluss als Standortfaktor Außer einer guten Verkehrsanbindung ist ein schnellerund leistungsfähiger Internetzugang ein wichtiger Stand-ortfaktor für Betriebe in ländlichen Räumen. Besondersfür Dienstleistungsbetriebe wie kleinere Planungs- und

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Abbildung 18: Breitbandanschluss ist heute auch in ländlichen

Räumen ein wichtiger Standortfaktor und unverzichtbarGeorg Schierling/pixelio.de

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Ingenieurbüros werden damit günstige Voraussetzungengeschaffen. Die derzeit noch bestehenden Lücken in derBreitbandversorgung in NRW können durch leistungsfähi-ge neue Technologien auch ohne Erdkabel erschlossenwerden. Gebäude in den Ortskernen können auf dieseWeise kostengünstig angebunden werden. Neuen Techno-logien, wie beispielsweise LTE-Datenfunknetze, könnenauch für innovative Bildungsangebote (e-Learning) unddie medizinische Versorgung (Telemedizin) genutzt werden.

Die Breitbandförderung des Landes unterstützt Kommu-nen mit bislang unterversorgten Gebieten (Datenübertra-gungsrate im Download unter 2 Mbit/s) beim Ausbau derBreitbandinfrastruktur, wenn die Telekommunikations-unternehmen diesen Ausbau aus Wirtschaftlichkeits-erwägungen nicht durchführen.

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Beispiel 3.2.1 Gesundheitsdorf Winterberg-ElkeringhausenDie Region um die Stadt Winterberg im Sauerlandgenießt als Wintersportregion überregionale Bekannt-heit. Allein der Ortsteil Elkeringhausen weist mit sei-nen knapp 400 Einwohnern jährlich etwa 30.000Übernachtungen auf. Die touristische Infrastrukturumfasst 2 Hotels, 3 Gasthäuser, etwa 10 Pensionen,23 Ferienwohnungen und ein Familienferienheim. Umden staatlich anerkannten heilklimatischen Luftkurortkünftig auch außerhalb der Wintersportsaison optimalzu vermarkten, haben die Elkeringhauser einenArbeitskreis zur Entwicklung und Verwirklichung desKonzepts „Gesundheitsdorf“ gegründet. Damit sollenweitere touristische Potenziale genutzt, bestehendeArbeitsplätze gesichert und neue geschaffen werden.Derzeit umfasst das Angebot ein breites Spektrum anKuranwendungen; hervorzuheben ist die künstlichangelegte Salzgrotte zur Behandlung von Atemwegs-erkrankungen.

Neben der Entwicklung neuer ist auch die Qualitäts-sicherung bestehender touristischer Angebote einentscheidender Faktor. Deshalb lassen sich die Betrie-be von der Initiative „ServiceQualität Deutschland“zertifizieren, die vom Deutschen Tourismusverbandkoordiniert wird. Das Qualitätssiegel bescheinigt denBetrieben einen garantierten Standard hinsichtlichder Qualität ihres Angebots. Daraus resultieren einehohe Kunden- und Mitarbeiterzufriedenheit, aberauch bessere Vermarktungs- und Finanzierungs-möglichkeiten.

Kontakte:Verkehrsverein Elkeringhausen e. V.Im Orketal 259955 Winterberg-ElkeringhausenTelefon: 02981 6581

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E-Mail: [email protected]: www.elkeringhausen.de

Deutscher Tourismusverband Service GmbHMandy HermannBertha-von-Suttner-Platz 1353111 BonnTelefon: 0228 98522-17E-Mail: [email protected]: www.deutschertourismusverband.de

Abbildung 20: Salzgrotte und Kosmetikraum

Abbildung 19: Hof

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Beispiel 3.2.2 Naturhof BeyenDer Naturhof Beyen liegt im Kerkener Ortsteil Rahmam Niederrhein. Neben Mutterkuhhaltung, Kälber-zucht und -mast wurden bis 2005 auch 50 Hektarlandwirtschaftliche Nutzflächen mit Feldgras, Mais,Rüben und Kartoffeln bewirtschaftet. Auf der Suchenach zukunftssicheren Erwerbsmöglichkeiten erwiessich der Ausbau der bereits seit 1980 betriebenenDirektvermarktung eigener und regionaler Erzeugnis-se als vielversprechender Ansatz. Das Angebot desbereits gut besuchten Hofladens wurde kontinuierlicherweitert.

Der Umsatz stieg in den letzten Jahren rasant an, sodass die Produktionsräume erweitert und zusätzlicheParkplätze bereitgestellt werden mussten. Zu diesemZweck wurde der alte Kuhstall umgenutzt und dieangrenzende Wiese in die Hofladensituation einbezo-gen. Mit den Beratern der Landwirtschaftskammerund der Bezirksregierung Düsseldorf wurden die Fördermöglichkeiten erörtert.

Mit Fördermitteln aus der Dorferneuerung und demDiversifizierungsprogramm der Landwirtschaftskam-mer wurde der Hof bis November 2005 umgebaut. ImJahr 2008 wurden die Produktions- und Lagerräumeerweitert, 2010 kam ein Wintergarten hinzu. Die In-vestitionen belaufen sich seit 2005 auf insgesamtrund 400.000 €.

Der Naturhof Beyen umfasst heute ein Café mit 110Sitzplätzen sowie einen Verkaufsraum. Neben Gemü-se und Obst, Backwaren, Torten und Konfitüren wirddort auch Rindfleisch aus eigener Produktion ver-marktet. Der Hof beschäftigt heute drei Mitarbeiter/-innen in Vollzeit- und weitere in Teilzeitarbeitsverhält-nissen. Der landwirtschaftliche Betrieb wird auf 30Hektar Nutzfläche und mit 30 Kühen fortgeführt.

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Kontakte:Naturhof BeyenFriedhelm & Christel BeyenHülser Straße 1647647 KerkenTelefon: 02833 4561E-Mail: [email protected]: http://naturhof-beyen.deFotos: Friedhelm Beyen, Naturhof Beyen

Abbildung 21: Eingangsbereich

Café und Hofladen des Natur-

hofes Beyen

Abbildung 22: Umbauarbeiten

Abbildung 23: Verkaufsraum

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3.3 Nahversorgung erhalten

Nahversorgung beinhaltet unter anderem, dass sichDienstleistungen und Waren, die mehrmals und regelmä-ßig pro Woche benötigt werden, in zumutbarer fußläufi-ger Entfernung zur Wohnung befinden. Sie umfasst einöffentliches und privates Güter- und Dienstleistungsange-bot, das eine gleichberechtigte Teilhabe der gesamtenBevölkerung garantiert. Nahversorgung ist daher einwesentlicher Teil der Lebensqualität; das tatsächlicheKaufverhalten der Bevölkerung stützt indessen diesenwichtigen Bereich der Daseinsvorsorge häufig nicht. DieNahversorgung in den Dörfern ist dadurch zunehmendgefährdet. Konzentrationsprozesse und der Rückzug desEinzelhandels aus der Fläche, die demografische Entwick-lung und das veränderte Verbraucherverhalten spielendabei eine Rolle. Die Nachfrage hat einen wesentlichenEinfluss auf die Versorgungsangebote am Wohnort.

Dorfläden – denn einkaufen ist mehr als „sich versorgen“Nach der Aufgabe von Lebensmittelläden im Familienbe-trieb bleiben ganze Ortschaften oft ohne Nahversorgung,denn diese Standorte sind für die größeren Ketten in derRegel nicht attraktiv. Neue Chancen können sich ergeben,wenn lokale Akteure sich in örtlichen Initiativen zusam-menschließen und die Lücken in der Nahversorgungdurch kleine Dorfläden schließen. Dorfläden sichern nichtnur die Grundversorgung der Dorfbewohnerinnen und -bewohner, sondern entwickeln sich vielfach zum Mittel-punkt für die Dorfgemeinschaft und schaffen darüberhinaus Arbeitsplätze im Ort. Vor allem für viele ältereBewohnerinnen und Bewohner erfüllen Dorfläden auchwichtige soziale Funktionen, denn der Einkauf bedeutetfür sie zugleich Teilhabe am örtlichen Leben. Für sie istder Dorfladen mitunter die einzige Möglichkeit selbstän-dig einzukaufen und beim Treffen mit anderen Dorf-bewohnerinnen und -bewohnern Neuigkeiten auszutau-schen.

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Als Einrichtungen der örtlichen Nahversorgung müssenDorfläden aber realistischerweise wirtschaftlich tragfähigzu betreiben sein. Hierdurch ergeben sich angesichts dermeistens geringen Einwohnerzahlen besondere konzep-tionelle Ansätze.

Zielgruppenorientierung des Angebotes: Das Waren-angebot in einem Dorfladen muss aus Wirtschaftlich-keitsüberlegung naturgemäß konzentriert und auf die tatsächliche Nachfrage im Dorf ausgerichtet werden. DieZielgruppen und deren Bedürfnisse sind dafür sorgfältigzu ermitteln, um daraus die Warensortimente nachUmfang und Qualität abzuleiten. Bewährt hat sich hierbeiein entsprechendes Grundsortiment an Lebensmittelnmit einem großen Frischeanteil, denn erfahrungsgemäßwerden vor allem die alltäglichen Frischeeinkäufe (Obstund Gemüse, Frischwurst, Molkereiprodukte sowie Brotund Backwaren) regelmäßig im Dorfladen erledigt.

Während das Grundsortiment auf die wichtigsten Grund-nahrungsmittel beschränkt werden kann, sollten im Fri-schebereich Spezialitäten und Neuheiten angeboten wer-den. Attraktiv für die Kundschaft ist auch eine „regionaleEcke“ mit heimischen Produkten wie beispielsweiseHonig, Senf, Essig, Raps- oder Sonnenblumenöl, Marme-lade und Obst.

Nahversorgung in regionalen Wertschöpfungsketten:Äußerst beliebt sind Dorfläden, die durch kleinere Betrie-be aus der Region und von Direktvermarktern beliefertwerden, denn die Frischeprodukte solcher Lieferantensind erfahrungsgemäß sehr bedeutsam sowohl für dieAkzeptanz der Läden als auch für die Wertschöpfung inder Region. Ein Dorfladen kann als letztes Glied die regio-nale Wertschöpfungskette „Aus der Region für die Regi-on“ schließen und bietet eine Absatzschiene für Land-wirte und regionales Handwerk. Die Listung regionalerProdukte erhöht die Akzeptanz und zugleich die Wert-schöpfung in der Region. Eine Vernetzung mit entspre-chend leistungsfähigen landwirtschaftlichen Betrieben

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und Lieferanten ist daher ein erfolgversprechenderAnsatz.

Bewusstsein für Nahversorgung fördern: Das Verbrau-cherverhalten ist ein wesentlicher Faktor für den Rückzugder Nahversorgung. Daher muss ein Bewusstsein für dieNahversorgung und die damit verbundene Lebensqualitätgefördert werden. Wichtige Grundlage ist eine aktiveÖffentlichkeitsarbeit und Beteiligung der späteren Kun-den an der Planung. Ein Konzept für den Einzelhandelmuss daher mit den Bürgern erarbeitet und beschlossenwerden. Die Betroffenen sollten Ziele und Qualitätsstan-dards gemeinsam entwickeln, damit die Ergebnisse aufgrößtmögliche Akzeptanz stoßen. Das Bewusstsein kannweiterhin durch positive Beispiele in anderen Ortsteilenund Dörfern gestärkt werden. Zur Motivation der Bürgersollte die Gemeinde das bürgerschaftliche Engagementunterstützen. Menschen die sich an ihrem Wohnort wohl-fühlen, gehen dort auch gerne einkaufen.

Organisationskonzepte und AlleinstellungsmerkmaleFür die Nahversorgung sind inzwischen zahlreiche Kon-zepte entwickelt worden. Kleinflächenkonzepte, Laden-gemeinschaften und Integrationsläden sind überwiegendwirtschaftlich tragfähig.

Hofläden haben eine geringe Sortimentstiefe und eignensich deshalb als Nahversorger weniger gut. Bei allen Kon-zepten sind ein Bewusstsein für die Nahversorgung undeine ausgeprägte Akzeptanz bei den Bewohnerinnen undBewohnern im Ort wichtige Erfolgsfaktoren. Eine beson-dere Stärke von Dorfläden in Abgrenzung zu den her-kömmlichen Supermärkten sind Nähe, Frische der Produkte, Flexibilität, persönlicher Kontakt und einumfassenderer Service.

Das umfassende Angebot wird häufig ergänzt um Ser-vicedienstleistungen, wie etwa einen Abhol- oder Bring-service gegen geringe Aufpreise. Die Idee des DORV(Dienstleistungen und Ortsnahe RundumVersorgung)

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beispielsweise basiert auf insgesamt fünf Säulen: Grund-versorgung, Dienstleistung, soziales Leistungsangebotund medizinische Versorgung sowie Kommunikation undKultur. So dienen Dorfzentren und Dorfläden nicht nurder Versorgung mit Lebensmitteln, sondern sie verfügenhäufig über Postagenturen, Geldautomaten, Lotto-Annah-mestellen, Reinigungsannahmen sowie eventuell auchüber eine Haltestelle für das Anrufsammeltaxi (kurz: AST)vor der Tür. Daneben bieten sie häufig einen Cafébereich,um sich als Treff- und Kommunikationspunkt zu präsen-tieren. Das Sortiment, das zum größten Teil aus Stan-dardartikeln besteht, wird in der Regel nach Kunden-wünschen aufgefüllt und um Non-Food-Artikel ergänzt.

KleinflächenkonzepteIm Gegensatz zu konventionellen Supermärkten bedarfes für die Nahversorgung kleiner Orte angepasster Klein-flächenkonzepte, bei denen folgende Mindestanforde-rungen zu beachten sind:n Mindesteinwohnerzahl: 1.000–1.500 Einwohnern kein Wettbewerber am Ort oder entsprechende Kauf-

kraft am Ort und im Einzugsbereichn zentrale Lage im Ortskern und gute Erreichbarkeit zu

Fuß, mit dem Fahrrad, mit öffentlichen Verkehrsmittelund auch mit dem privaten Pkw, 5–10 Stellplätze

n ergänzende Dienstleistungsangebote im näherenUmfeld oder im Laden

n Verkaufsfläche von 100–300 m² möglichst unter Nutzung bestehender (Laden-)Leerstände

n fachliche und persönliche Eignung des Betreiberssowie ausgereifte Konzepte und Unterstützungsmaß-nahmen

So können Dorfläden dazu beitragen, die Qualität derNahversorgung auch in Zukunft zu gewährleisten.

Marketing und Finanzierung Nahversorgungseinrichtungen müssen dauerhaft bewor-ben werden, um die öffentliche Wahrnehmung zu errei-chen. Dazu eignet sich eine offensive Werbung in der lo-

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kalen Presse, Mitteilungsblätter, Internetpräsenz undMund-zu-Mund-Propaganda.

Die Struktur der Nahversorgung muss auf die absehbare,regionale Nachfrageentwicklung ausgerichtet werden.Maßstäbe sind die zukünftigen Bevölkerungs-, Kaufkraft-und Altersstrukturen. Nachhaltige Strukturen setzen in

Beispiel 3.3.2 DORV-Zentrum VöllinghausenIm Jahr 2007 wurde die letzte Einrichtung derNahversorgung in Möhnesee-Völlinghausengeschlossen. In der Folgezeit fanden sich auch keinInvestor und keine Handelskette als Betreibereines neuen Geschäftes. Deshalb entschloss sichdie Dorfgemeinschaft im Jahr 2009 zur Gründungeines Trägervereins, der die notwendigen Investi-tionen durchführt und das DORV-Zentrumbetreibt. Das Warenangebot orientiert sich konse-quent an den spezifischen Bedürfnissen der Dorf-bewohnerinnen und -bewohner.

Das Konzept des Ladens umfasst drei Säulen:Grundversorgung, Dienstleistungen und Sozialleis-tungen. Neben Gütern des täglichen Bedarfs imBereich Nahrungsmittel sind im DORV-ZentrumVöllinghausen seit seiner Eröffnung im April 2010auch Zeitschriften und weitere Non-Food-Artikelerhältlich. Das Dienstleistungsangebot umfasstneben Paket- und sonstigen Postdienstleistungenauch einen Lieferdienst, bestimmte gemeindlicheDienstleistungsangebote sowie ein Stehcafé. AlsSozialleistungen werden Hol- und Bringdienste, einApotheken-Bringservice, eine Anlaufstelle derCaritas sowie ärztliche Sprechstunden angeboten.Dass darüber hinaus auch eine Kegelbahn zur Ver-fügung steht, geht auf die frühere Nutzung alsGaststätte zurück.

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49 Handlungsfelder

jedem Einzelfall eine wirtschaftliche Tragfähigkeit voraus.Es bedarf einer plausiblen Machbarkeitsstudie, um dieökonomische Entwicklung nach der Phase der Anschub-finanzierung nachzuweisen. Mobile Versorgung schließtVersorgungslücken dort, wo Dorfläden nicht tragfähigsind, oder dient zur Ergänzung des Angebots.

Kontakt:DORV-Zentrum VöllinghausenRainer NorbisrathSyringer Straße 2559519 MöhneseeTelefon: 02925 971300

Abbildung 24:

DORV-Zentrum

Völlinghausen

Abbildung 25:

Frischetheke im

Dorfladen

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50 Handlungsfelder

Integrierte Nahversorgungsangebote in der Region abstimmen Die langfristige Sicherung der Nahversorgung kann nur inregionaler Zusammenarbeit der Gemeinden gelingen. DieGemeinden müssen für die örtliche Nahversorgungbegünstigende planerische Voraussetzungen schaffenund unterstützend eingreifen. Es bedarf eindeutiger poli-tischer Beschlüsse für die Erhaltung und den Ausbau derNahversorgungsstrukturen. Die planungsrechtlichenInstrumentarien zum Schutz von Angebots- und Stand-ortstrukturen müssen dazu ausgeschöpft werden. Soempfiehlt sich daher die Aufstellung eines regionalen Ein-zelhandelskonzepts auf Basis eines Zentrenkonzepts undinsbesondere die Steuerung des großflächigen Einzelhan-dels. Solche Konzepte bedürfen der räumlichen undinhaltlichen Integration. So müssen die Einzelhandels-situation auf regionaler Ebene analysiert und die Vor-schläge für die Städte, Gemeinden und Dörfer abge-stimmt werden. Zudem müssen dabei die Wechselwirkun-gen mit den Bereichen Arbeitsplatzentwicklung, Einwoh-nerentwicklung, Infrastrukturentwicklung, ÖPNV-Entwick-lung etc. beachtet werden. Eine inhaltlich integrierteSichtweise fördert die Erfolgsaussichten von Nahversor-gungskonzepten in kleinen Orten erheblich.

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51 Handlungsfelder

3.4 Anpassung infrastruktureller Angebote

Dörfer mit einem guten Wohnumfeld und qualifiziertenBildungsangeboten entfalten ein hohes Maß an Identifika-tion und Bindung der Bevölkerung. Diese Aspekte sindvon erheblicher Bedeutung für die Zukunft eines Ortesoder einer Region. Die Daseinsvorsorge im Bereich Bil-dung ist ein zentraler Standortfaktor für die ländlichenRäume und stellt daher eine herausragende Aufgabe fürdie Entwicklung der Ortsmitten dar. Die Anzahl der Schü-lerinnen und Schüler in NRW wird bis zum Jahr 2019 umetwa ein Sechstel zurückgehen und stellt die politischVerantwortlichen in ländlichen Räumen vor erheblicheHerausforderungen. Bildung und Qualifikation sind diewichtigsten Faktoren für die wirtschaftliche, soziale undgesellschaftliche Entwicklung der einzelnen Ortschaften– und des ländlichen Raumes insgesamt.

Um der Bevölkerung ländlicher Räume die Teilhabe ander Bildung – und auch der Gesundheitsfürsorge – wei-terhin zu garantieren, bedarf es neuer Konzepte und An-passungsstrategien. Dabei muss jeweils ein tragfähigerAusgleich zwischen der Erreichbarkeit der Einrichtungenund der Qualität des Angebots einerseits sowie der wirt-schaftlichen Tragfähigkeit andererseits gefunden werden.

Für die Bereiche Bildung, Mobilität und medizinische Ver-sorgung kann die erforderliche Anpassung zum Beispielanhand folgender Konzepte erfolgen:n Verkleinerung und Dezentralisierung des Schulange-

bots: einzügige Grundschulen, jahrgangsübergreifen-der Unterricht, Grundschulverbund.

n Grundschule mit Ganztagsbetriebn Mobilisierung von Angeboten: E-Learning, Telemedizin n Verbesserung der Angebotsqualität durch Konzentra-

tion: Dorfzentrum mit Bündelung von Bildungs-,Gesundheits- und Sozialversorgung; Ärztehaus; Familienzentrum.

n Einrichtung von ärztlichen Zweitpraxen mit einge-schränkten Öffnungszeiten

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n Sicherung der medizinischen Versorgung durch Ärzte-netzwerke, Kooperationen von Kliniken und ambulan-ter Versorgung, Telemedizin

n Verbesserung der Erreichbarkeit: angepasste Formendes Öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV), diffe-renziertes Bedienungsmodell, Anrufsammeltaxi (AST),Bürgerbus

n Selbstorganisation des Angebots: Bürgerbusse durchbürgerschaftliches Engagement

Standortfaktor Bildung Der Begriff Bildung wird heute für sämtliche Lebenspha-sen definiert – von frühkindlicher Betreuung und Kinder-tagesstätte, über die verschiedenen Schulformen, bis zurberuflichen Ausbildung, Fort- und Weiterbildungsangebo-ten. Ein gutes Bildungsniveau ist ein wichtiger Beitrag,um eine ausgewogene Sozialstruktur in den Gemeindenund Städten der ländlichen Räume zu gewährleisten. Sieist Grundvoraussetzung zur Teilnahme am Arbeitsmarktund zur Schaffung von qualifizierten Arbeitsplätzen. Einegute schulische und berufliche Ausbildung sind imArbeitsleben sowohl für den Berufseinstieg als auch fürspätere Karrierechancen entscheidend.

Das Angebot an Bildungseinrichtungen beeinflusst Famili-en und Unternehmen bei der Wahl ihres Lebensmittel-punktes bzw. Unternehmensstandortes. Zur Aufnahmeeiner Berufsausbildung oder eines Hochschulstudiumswandern immer noch viele junge Menschen aus den länd-lichen Räumen ab. Deshalb ist es für die Entwicklung derländlichen Räume entscheidend, neben den vorhandenenAngeboten im Bereich der Betreuung und der Schulen,das Angebot und die Qualität der berufsbildenden Schu-len, Hochschulen, Fort- und Weiterbildungseinrichtungenzu steigern und gleichzeitig eine Vernetzung mit regiona-len Unternehmen und Wirtschaftsbetrieben zu fördern.

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Angesichts eines drohenden Fachkräftemangels ist einauf die Bedürfnisse der Wirtschaft abgestimmtes,zukunftsfähiges Bildungsangebot für alle Bevölkerungs-gruppen entscheidend. Bildungsangebote dürfen nichtallein auf die dicht besiedelten Räume konzentriert wer-den. Besonders in den ländlichen Gebieten können durchdie Stärkung und Verknüpfung von Bildungseinrichtungenmit den lokalen Wirtschaftsbranchen erhebliche Poten-ziale erschlossen werden.

Bestehenden Betreuungsangebote und die Angebote imschulischen Bereich müssen, wo immer es geht, erhaltenund punktuell auch ausgebaut und verbessert werden.

Abbildung 26:

Steigende Bedeutung

des Schülerverkehrs

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Angepasste Bildungsangebote Ein unzureichendes Schulangebot in der Region mindertdie Attraktivität von Dörfern für junge Familien. DieAbwanderung bildungsorientierter Familien ist in derFolge nicht auszuschließen. Schulische Angebote vor Ortsind für die Chancengleichheit von zentraler Bedeutung.Weite Wege können zur Folge haben, dass sich Kinder undJugendliche in ländlichen Räumen nicht ihrer schulischenLeistung entsprechend, sondern aufgrund der räumlichenNähe für eine Schulform entscheiden. Eine kurze Distanzzwischen Wohnort und Schule lässt dagegen mehr Zeitzum Beispiel für außerschulisches Lernen und Engage-ment in Vereinen.

Die örtliche Schule hat eine zentrale Bedeutung als inte-grativer Bildungs- und Kulturraum für das Gemeinde-leben. Deswegen bieten Angebote für Bildung und lebens-langes Lernen „vor Ort“ auch Chancen für die Entwick-lung der Ortsinnenbereiche. Dabei müssen die kommuna-le und regionale Ebene eine aktive Rolle übernehmen.Wohnungsnahe Bildungsangebote im Primarbereich sindzentral für die dörfliche Entwicklung und für die Wohn-qualität. Durch jahrgangskombinierte Klassen könnenauch kleinere Grundschulen und damit auch die dezen-trale Struktur des Grundschulangebots gesichert werden.Sie gewährleisten ein qualitätvolles und wohnortnahesBildungsangebot im ländlichen Raum.

Für Grundschulkinder sollte der Grundsatz gelten: KurzeBeine, kurze Wege. Rückläufige Schülerzahlen in den wei-terführenden Schulen führen meist zur räumlichenZusammenlegung mehrerer Schulen. Aber auch die Ein-richtung schulübergreifender Kurssysteme ist eine dis-kussionswürdige Alternative, bei der Schülerinnen undSchüler zwischen den Schulen pendeln. So könnenbedarfsgerechte Bildungs- und Ausbildungsinfrastruk-turen erhalten werden.

Um gute Berufs- und Lernperspektiven für alle Kinderund Jugendliche in ländlichen Räumen zu gewährleisten,

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sind vielfältige, flexible und kreative Lösungen gefragt.Hierzu müssen zukunftsweisende Konzepte verwirklichtwerden, beispielsweise eine Verlängerung der gemeinsa-men Schulzeit, schulartübergreifende Lösungen, Bil-dungskooperationen unterschiedlicher Schulen bzw. Trä-ger oder das Lernen in altersheterogenen Gruppen. Dieindividuelle Förderung und Differenzierung muss dabeijedoch gewährleistet bleiben. Auch Ganztagesangebotekönnen das Angebot verbessern und für eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie sorgen.

Erreichbarkeit des schulischen Angebots sichernDie Entfernung zwischen Wohnort und Schule sollte dieWahl der Schule nicht beeinflussen. Alle Schulabschlüssesollten auch in ländlichen Regionen wohnortnah gewähr-leistet sein und Lücken in dem flächendeckenden Ange-bot von weiterführenden Schulabschlüssen vermiedenwerden. Einen begrenzten Beitrag zur Erreichbarkeit und Angebotsergänzung können innovative Ansätze wieE-Learning oder E-Teaching leisten.

Da auch die Nutzung des Internets inzwischen zum Stan-dard des Bildungsangebots gehört, ist eine breitbandigeInternetanbindung ein wichtiges Element der Bildungs-infrastruktur.

Die grundsätzliche Erreichbarkeit des schulischen Ange-bots ist durch einen lückenlosen Schülerverkehr sicher zustellen, der oftmals das Rückgrat der Verkehrsbedienungin ländlichen Räumen bildet. Kostenoptimierung lässtsich durch Entzerrung erreichen, indem der Schulbeginnim Versorgungsgebiet der zuständigen Verkehrsbetriebegestaffelt wird. So kann der Einsatz von Personal undFahrzeugen zur Schülerbeförderung reduziert werden.

Kooperationen von Schulen und VereinenKooperationen zwischen Vereinen und Schulen können inländlichen Räumen zahlreiche Vorteile bieten. Die Einbin-dung von externen Angeboten kann das Bildungsangebotder Schulen insgesamt bereichern: Schüler lernen neue

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Berufsbilder und Möglichkeiten für Praktika kennen, kom-munale und regionale Themen werden in den Unterrichtintegriert. Umgekehrt können auf diese Weise Schülerin-nen und Schüler im günstigsten Fall auch für ein Engage-ment in der Gemeinde oder in Vereinen gewonnen wer-den.

Konzept MedienbusEin bereits bewährtes Beispiel für die Mobilisierung vonbildungsrelevanten Angeboten ist das Konzept desMedien- oder Bücherbusses, das kostenintensive Stand-ortbibliotheken ersetzen kann. Es handelt sich um einAngebot für die gesamte Bevölkerung, unabhängig vomAlter. Sämtliche Medien aus dem Bibliothekskatalog kön-nen vorab über das Internet vorbestellt werden und liegendann zur Abholung im Bus bereit.

3.5 Medizinische Versorgung gewähr-leisten – wohnortnahe Gesundheits-versorgung

Der demografische Wandel mit steigendem Anteil ältererMenschen führt zu Einschränkungen bei der Mobilitätund zu einem zunehmenden Bedarf an medizinischerVersorgung und Pflege. Bereits heute leben in Nordrhein-Westfalen rund 460.000 pflegebedürftige Menschen; 70 % der Pflege wird im häuslichen Umfeld erbracht. DieAnzahl der Pflegebedürftigen wird bis zum Jahr 2040 aufrund 700.000 ansteigen. Zugleich verringert sich dieAnzahl der Ärzte und Pflegekräfte in ländlichen Räumenaufgrund der schwierigeren Rahmenbedingungen. Umden älteren Menschen möglichst lange ein selbstbe-stimmtes und eigenständiges Leben in den Dörfern zu er-möglichen, werden die Themen medizinische Versorgungund Pflege in den ländlichen Räumen erheblich an Bedeu-tung gewinnen.

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Für die Gesundheitsversorgung und die Pflegeangebotestellt die Wohnortnähe ein zentrales Qualitätskriteriumdar. Es bedarf frühzeitiger Vorkehrungen zur Erhaltungder medizinischen Versorgung, um Praxisschließungen inländlichen Räumen vorzubeugen. Dazu müssen auch dieRahmenbedingungen verbessert werden, etwa dieBedarfsberechnung der Versorgung für ländliche Räume,die Honoraranreize und Umsatzgarantien für Landärzte,die sich in ländlichen Gemeinden niederlassen, die Bedin-gungen zur Gründung von Zweig- oder Zweitpraxen sowiedie Vergütung von Hausbesuchen.

TelemedizinNeuere Entwicklungen und Erfahrungen mit der Telemedi-zin lassen vielversprechende Ansätze erkennen, um dieQualität der medizinischen Versorgung in den ländlichenRäumen aufrecht zu erhalten und zu verbessern. Diehohe Akzeptanz bei der Patientenversorgung in einigenmedizinischen Fachgebieten hat die Telemedizin bereitsnachweisen können (u. a. in der Telekardiologie und Tele-neurologie). Weitere dringende Anwendungsmöglichkei-ten bestehen in der Notfallversorgung und vor allem inder hausärztlichen Versorgung. Es zeichnen sich beim E-Care interessante Anwendungen ab – etwa bei derBesprechung der persönlichen Gesundheitswerte übersInternet mit Hilfe von Bildtelefonie oder per Videokonfe-renz. Für zahlreiche andere medizinische Maßnahmen istindessen der persönliche Kontakt zwischen Arzt oderPfleger und Patient unerlässlich. Eine hilfreiche Unter-stützung für Ärzte und Patienten können Gemeinde-schwestern bieten, die mit einer speziellen Ausbildung eingroßes Spektrum medizinischer Grundversorgung über-nehmen dürfen.

Gesundheitshäuser für den ländlichen Raum Für eine differenzierte fachärztliche Versorgung vor Ortsollten auch die organisatorischen Möglichkeiten, wie die Einrichtung einer Filialpraxis, eines fachärztlichenZentrums oder die regionale Kooperation mit Kranken-häusern, stärker genutzt werden. Eine bessere Flächen-

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deckung des Angebots kann beispielsweise mit Gesund-heitshäusern erreicht werden, wo Teams von Fachärztenund Allgemeinmedizinern tageweise mehrere, räumlichverteilte Standorte versorgt. Solche Einrichtungen solltenin den zentralen Orten der Region innerhalb einer Erreich-barkeit von 20 bis 30 Minuten mit dem ÖPNV liegen. Das Konzept der Gesundheitshäuser ermöglicht Haus-

Beispiel 3.5.1 Modellregion Telemedizin OWL In der Region Ostwestfalen-Lippe (OWL) werden dieinnovativen Möglichkeiten der Telemedizin in denländlichen Räumen im Rahmen eines Modellversuchseingeführt.

Es soll damit das bestehende Angebot ergänzt undeine möglichst flächendeckende medizinische Versor-gung aufrechterhalten werden.

Mit Förderung desMinisteriums fürGesundheit, Emanzi-pation, Pflege undAlter NRW (MGEPA)sowie der Europäi-schen Union (aus demEFRE-Fonds) imple-mentieren das Zen-trum für Telematik imGesundheitswesen(ZTG) und das Zen-

trum für Innovation in der Gesundheitswirtschaft(ZIG) die Modellregion Telemedizin OWL. Dabei kom-men alle derzeit verfügbaren Möglichkeiten der Tele-medizin zum Einsatz, die den gesamten Versorgungs-prozess von der Prävention über die Diagnostik undTherapie bis hin zur Rehabilitation der Patientenunterstützen können. Durch Fortbildungsmaßnahmen

Abbildung 27: Konzept Telemedizin,

Grafik: ZTG

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besuche bei den Patienten, einen Notfalldienst bei höhe-ren Patientenzahlen z. B. in der Tourismussaison und dieSicherung eines höheren technischen Standards. Soerhalten die Bewohnerinnen und Bewohner ein umfassen-des fachärztliches und wirtschaftlich tragfähiges Betreu-ungsangebot vor Ort.

für Ärzte, Evaluation telemedizinischer Fragestellun-gen und gezielte Kommunikation der neuen Technolo-gien gegenüber den beteiligten Patienten, Ärzten undKostenträgern soll eine breite Akzeptanz der Teleme-dizin geschaffen werden.

Kontakte:Zentrum für Telematik im Gesundheitswesen GmbH,Anna WewerUniversitätsstraße 14244799 BochumTelefon: 0234 973517-34E-Mail: [email protected]: http://www.ztg-nrw.de/content/index_ger.html

Zentrum für Innovation in der Gesundheitswirtschaft OWLUwe BorchersJahnplatz 533602 BielefeldTelefon: 0521 329860-00E-Mail: [email protected]: http://www.zig-owl.de/ccms/start.php

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60 Handlungsfelder

3.6 Ehrenamtliches Engagement stärken –Grundlage für ein lebendiges Dorf

Ehrenamtliches Engagement ist seit jeher ein wichtigerEntwicklungsfaktor für ländliche Räume und eine tragen-de Säule für das Gemeinschaftsleben in Dörfern. Freiwil-lige und unentgeltliche Tätigkeiten in Vereinen, im kirch-lichen Umfeld, in sozialen Einrichtungen sowie für denNaturschutz und die Dorfentwicklung belaufen sich bun-desweit jährlich auf 4,6 Milliarden Stunden. Davon wirdein überproportional hoher Anteil in ländlichen Regionengeleistet.

Ehrenamt in der DaseinsvorsorgeSoll die Daseinsvorsorge künftig in der bestehenden Qua-lität aufrechterhalten werden, so bedarf es angesichts derderzeitigen Entwicklung der öffentlichen Haushalte nochmehr bürgerliches Engagement und ehrenamtlicher Betä-tigung. Aufgrund wirtschaftlicher Tragfähigkeitsproblemelassen sich vielerorts bereits heute der öffentliche Nah-verkehr, die Grundversorgung mit Gegenständen des täg-lichen Bedarfs, das kulturelle Angebot sowie die Aufrecht-erhaltung sozialer Einrichtungen oft nur durch Freiwilli-geninitiativen aufrecht erhalten.

Hier liegen erhebliche Chancen des demografischen Wandels. Der wachsende Anteil gesundheitlich noch fitterMenschen im Ruhestand wird das Potenzial für ehren-amtliche Tätigkeiten in Zukunft wesentlich vergrößern.Davon könnten gerade Familien mit Kindern profitieren,denn schließlich wird ehrenamtliches soziales Engage-ment häufig generationenübergreifend durchgeführt. DasEhrenamt trägt dadurch zu einem besseren Verständnisund Miteinander der Generationen und zu einem besse-ren Generationenzusammenhalt innerhalb der Dorfbevöl-kerung bei. Es stellt auch eine wichtige Voraussetzung fürdie erfolgreiche Auseinandersetzung mit den Herausfor-derungen des demografischen Wandels dar. Diese wichti-gen Leistungen sollen die staatliche Daseinsvorsorge fürden ländlichen Raum jedoch lediglich ergänzen – nicht

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ersetzen. In Zukunft wird es immer stärker um die Fragegehen, wie die Bewohnerinnen und Bewohner aller Alters-gruppen auch in peripheren ländlichen Räumen amgesellschaftlichen Leben teilhaben können.

Bürgerschaftliches Engagement erfordert eine institutionelle VerankerungZu seiner dauerhaften Entfaltung braucht bürgerschaft-liches Engagement zunächst verlässliche Rahmenbedin-gungen. Die steuerliche Berücksichtigung ehrenamtlicherTätigkeit ist dazu ein erster Schritt. Es lebt von der Wert-schätzung in der Bevölkerung und es entsteht vor allemdort, wo es erlebt werden kann. Im besten Fall beginnt dieMotivation zum Ehrenamt bereits in der Schule. Wichtigsind darüber hinaus auch konkrete Anreize und Würdi-gungen für die ehrenamtliche Arbeit, denn meistens ruhtbürgerschaftliches Engagement auf wenigen Schulternund viele Freiwillige engagieren sich neben ihren beruf-lichen Verpflichtungen in mehreren Vereinen und Initia-tiven.

Diese aktiven und engagierten Bürger bedürfen einerUnterstützung bei der Vernetzung mit anderen Gruppen,der Informationsgewinnung und Veranstaltungsplanung.Kooperationen mit Schulen, Kindergärten und Senioren-einrichtungen, regelmäßige Angebote für Senioren, Kin-der und Jugendliche helfen, das Engagement zu versteti-gen. Eine intensive Öffentlichkeitsarbeit und Informatio-nen über gelungene Beispiele sind sowohl für die sozialeAnerkennung als auch für die öffentliche Bewusstseins-und Meinungsbildung von großer Bedeutung. Die Tradi-tion der politischen Mitwirkung, die lokale Vereinskulturund die institutionellen Rahmenbedingungen haben seitjeher das freiwillige Engagement in den ländlichen Räu-men gefördert. In vielen ländlichen Regionen bilden diefreiwillige Feuerwehr und der Sportverein die organisato-rische Basis für die Bewältigung gemeinschaftlicher Auf-gaben vor Ort und sind ein Anlaufpunkt für die Vernet-zung in der gesamten Region.

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Beste Voraussetzungen für ein freiwilliges Engagementbieten kleine Gemeinden und Dörfer mit ihrem dichtenund überschaubaren Netz von Sozialbeziehungen.

Bürgerschaftliches Engagement braucht BegegnungsorteBürgerschaftliches Engagement bedarf tatsächlicher undvirtueller Begegnungsmöglichkeiten in den Orten. DieseRolle haben bisher Schulen, Dorfläden und Kirchen über-nommen. Werden diese Einrichtungen geschlossen, dannbestehen im öffentlichen Raum kaum noch über denZufall hinausgehende Gelegenheiten für Begegnungen. Es fehlt an Orten für die öffentliche Kommunikation. DieUmnutzung leerstehender Gebäude als Treffpunkt in derOrtsmitte und das Angebot allgemein zugänglicher Kom-munikationsmedien (z. B. Dorfzeitung, Internetportal)können hier zumindest teilweise Ersatz bieten. Auch

Abbildung 28: Freiwillige Feuerwehr als Ansatzpunkt für Engagement

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Spielplätze, ausgebaute Feuerwehrhäuschen oder umge-nutzte Kirchen können diese Funktion übernehmen.

Allerdings bedarf es stets besonderer Initiativen undgezielter Aktivitäten, um die neuen Räume und Orte mitLeben zu füllen, denn ihr bloßes Vorhandensein alleinreicht nicht aus, um die Kommunikation in Gang zu set-zen und das bürgerschaftliche Engagement zu fördern.

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Beispiel 3.6.1 Bürgerbusvereine in NRWDieses Konzept zur Erhaltung der Mobilität aufdem Lande hat in Nordrhein-Westfalen eine rasan-te Entwicklung genommen. Bislang haben sich 101Bürgerbus-Vereine gegründet, mindestens 13 wei-tere befinden sich in Vorbereitung (Stand: Oktober2011). Die Fahrer auf den Bürgerbuslinien versor-gen dabei Bereiche mit Leistungen des ÖPNV, dievon klassischen Verkehrsunternehmen nicht wirt-schaftlich zu versorgen wären und daher auchnicht bedient werden. Dadurch hat sich der Bür-gerbus vielerorts als ganz normaler Linienverkehrauf einer konzessionierten Linie mit Fahrplan, Hal-testellen und einem genehmigten Tarif etabliert.Betrieben wird der Bürgerbus von ehrenamtlichenFahrerinnen und Fahrern. Ein Verkehrsunterneh-men übernimmt die verkehrsrechtliche Verantwor-tung und die technischen Aufgaben. Die Anschaf-fung der Fahrzeuge wird vom Land NRW mit

Abbildung 29: Bürgerbusse in Schmallenberg

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öffentlichen Mitteln umfassend gefördert.Das Beispiel der populären Bürgerbusvereinezeigt, wie sich durch ehrenamtliches EngagementMobilität in ländlichen Räumen mit zeitlich undräumlich geringer Nachfrage auch in Zukunft wirt-schaftlich tragfähig gestalten lässt. Dabei sind dierechtliche Absicherung der ehrenamtlichen Leis-tungen und der Abbau bürokratischer Hürden vongrundlegender Bedeutung für den Erfolg des Bür-gerbus-Konzeptes.

Kontakt:Pro Bürgerbus NRW e. V.Franz HeckensStormstraße 1347623 KevelaerTelefon: 02832 5053055E-Mail: [email protected]: http://www.pro-buergerbus-nrw.de

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Beispiel 3.6.2 Dorfumbau mit bürgerschaft-lichem EngagementNach der Schließung des kleinen Verbraucher-marktes in Wenden-Hünsborn fand sich keineadäquate Nachnutzung für das Wohn- undGeschäftshaus. Deshalb entschied sich die Dorfge-meinschaft dazu, das Haus in Eigenleistung abzu-reißen und die Fläche in die Umgestaltung des Kir-chenvorplatzes einzubeziehen. Durch die effizienteöffentlich-private Kooperation gelang eine sehrzeitnahe Verwirklichung des Vorhabens. So konntebereits knapp drei Monate nach dem Einreichendes Zuwendungsantrages bei der BezirksregierungArnsberg und der Erteilung zum vorzeitigen Bau-beginn mit dem Abriss und den weiteren Bauarbei-ten begonnen werden. Lediglich weitere drei Mona-te später wurde die Maßnahme bereits nahezuzeitgleich mit der Ausstellung des endgültigenBewilligungsbescheids fertig gestellt. Der neue Kirchenvorplatz wurde schließlich im September2008 eingeweiht. Die freiwilligen Abrissarbeitenund die anschließenden Maßnahmen zur Platz-gestaltung durch die Dorfbewohnerinnen und -bewohner wurden mit den finanziellen Mitteln derGemeinde Wenden, des Bundes und der EU unter-stützt. Die Maßnahme dokumentiert die Leistungs-fähigkeit ehrenamtlichen Engagements der Bürger,ohne die der Abriss der abgängigen Bausubstanzund die nachfolgende Umfeldgestaltung des Kir-chenvorplatzes nicht hätten vollzogen werden können.

Kontakt:Gemeinde WendenAndreas NiklasHauptstraße 7557482 WendenTelefon: 02762 406609

E-Mail: [email protected]:http://www.wenden.de

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Abbildung 30: Bürgerschaftliches Engagement beim Abriss des

Gebäudes

Abbildung 31: Kirchenvorplatz während und nach den Baumaß-

nahmen

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Beispiel 3.6.3 Freiwilligenakademie Ostwestfalen-Lippe

Die Freiwilligenakademie Ostwestfalen-Lippe, eineInitiative der Arbeiterwohlfahrt Ostwestfalen-Lippee. V., ist eine Diskussionsplattform zur Entwicklungneuer Ideen für soziale Arbeit. Sie bietet und ent-wickelt Freiwilligenprojekte für und mit Kindern,Frauen, Männern, behinderten Menschen, Senio-rinnen und Senioren sowie Migrantinnen undMigranten. Wer sich ehrenamtlich engagierenmöchte, kann aus derzeit über 200 Projekten wäh-len. Diese Projekte beziehen sich auf drängendegesellschaftliche Fragen – etwa die Verwirklichungder Rechte von Kindern auf Bildung, Gesundheitund Schutz, die Verbesserung der Situationbenachteiligter Gruppen in der Gesellschaft, dieArmut von Kindern und Familien, das Engagementgegen Rassismus und die Verbesserung des Allta-ges von Seniorinnen und Senioren.

Daneben bietet die Freiwilligenakademie denehrenamtlichen Helfern in etwa 30 verschiedenenKursangeboten den Erwerb zusätzlicher, für diegewählte Ehrenamtsaufgabe benötigter Qualifika-tionen an. Die Teilnahme an diesen Fortbildungs-kursen ist freiwillig, überwiegend kostenlos undwird den Teilnehmenden bescheinigt, um sie bei-

Abbildung 32: Logo der Freiwilligen Akademie

Ostwestfalen-Lippe

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spielsweise bei späteren Bewerbungen im Beruf zuunterstützen. Die Freiwilligenakademie zeigt, dassehrenamtliches Engagement keine Einbahnstraßesein muss. Das Fortbildungsangebot für ehrenamt-liche Helfer ist eine hilfreiche Ergänzung desEhrenamtes und bestätigt diese zusätzlich inihrem Tun.

Kontakt:AWO Ostwestfalen-Lippe e. V.Sandra SommerfeldElfriede-Eilers-ZentrumDetmolder Straße 28033605 BielefeldTelefon: 0521 9216-444

Abbildung 33: Einblick in die Aktivitäten (Vorlesen)

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70 Entwicklungs- und Umbauprozesse erfolgreich steuern

4.1 Strategie der Innenentwicklung

Die Innenentwicklung der Dörfer und die Revitalisierungder Ortskerne sind kein Selbstläufer, sondern erfordernein strategisches Vorgehen. Dafür können die in den Dör-fern Nordrhein-Westfalens bereits vorliegenden Dorfent-wicklungskonzepte genutzt werden. Sie beinhalten trag-fähige Ansatzpunkte und Entwicklungschancen für dieInnenentwicklung der Dörfer, müssen aber angesichts derfortlaufenden demografischen und wirtschaftlichen Ver-änderungen vertieft und erweitert werden. Zugleich abersollten sie auch den jeweiligen örtlichen Bedingungenangepasst werden, denn es empfiehlt sich, die jeweiligenlokalen und regionalen Rahmenbedingungen, Stärkenund Schwächen eines Ortes zum Ausgangspunkt allerÜberlegungen zu machen. Um den jeweiligen Ortskern instruktureller, funktionaler und gestalterischer Hinsichtaufzuwerten, bedarf es eines partizipativen Planungs-und Verwirklichungsprozesses mit den Bewohnerinnenund Bewohnern.

Der Prozess der Konzeptentwicklung und Maßnahmen-planung kann sich an folgenden Verfahrensschritten orientieren:

n Erfassung und Bewertung der Problemlagen und EntwicklungspotenzialeUm rasch einen ersten Überblick über die vorhande-nen Probleme und Entwicklungspotenziale des Orts-kerns zu gewinnen, ist eine Auswertung und soweiterforderlich eine Aktualisierung des bestehenden Dorf-

4. Entwicklungs- undUmbauprozesse erfolg-reich steuern – von derInitiative zur Realisierung

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71 Entwicklungs- und Umbauprozesse erfolgreich steuern

entwicklungskonzepts sinnvoll. Eine enge Zusammen-arbeit mit der Gemeindeverwaltung, den Ortsvorste-hern, den Vereinen und Bewohnerinnen und Bewoh-nern ist unabdingbar. Ein Dialog vor Ort führt zumeinen dazu, dass die Situation differenzierter beurteiltwerden kann und bewirkt zum anderen eine frühzeitigeEinbeziehung der Dorfbevölkerung in den Prozess. Zuerfassen sind die Bereiche Demographie, Gebäudenut-zung, Arbeitsplatzsituation, Daseinsvorsorge, Ortsge-staltung und Dorfgemeinschaft. In die Beurteilung derLage sollte auch die Situation in den benachbartenDörfer und der Region einbezogen werden. Dies giltinsbesondere für die Bevölkerungsentwicklung und dieDaseinsvorsorge.

n Formulierung eines Leitbildes und wesentlicher EntwicklungszieleIm Fokus steht die Verbesserung der Lebensqualität inden Dörfern, insbesondere in den Ortskernen. Es gehtalso um die Erhaltung und Aufwertung der Dorfinnen-bereiche als Wohn- und Arbeitsstandort. Erst die Klar-heit über die wesentlichen mittel- und langfristigenZiele erlaubt es, die Strategien und Einzelmaßnahmenfür die Innenentwicklung schlüssig zu erarbeiten. Zurlangfristigen und grundsätzlichen Orientierung ist dieEntwicklung eines dorfspezifischen Leitbildes hilfreich,das die jeweiligen historischen, sozialen, baulichen,ökonomischen und ökologischen Besonderheitenberücksichtigt. Dieses sollte konkrete und erreichbareZiele berücksichtigen, mit denen sich die Bevölkerungidentifizieren kann.

n Mitwirkungsbereitschaft der Bevölkerung ermittelnDorfinnenentwicklung kann nur mit und von denBewohnerinnen und Bewohnern erfolgreich bewältigtwerden. Der aktiven Teilhabe an der Planung und Ver-wirklichung im Sinne eines kommunikativen Prozesseskommt daher eine zentrale Bedeutung zu. Der gesam-te Prozess von der Erfassung der Probleme bis zurUmsetzung der erarbeiteten Lösungen ist auch eine

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Kommunikationsaufgabe. Wesentlich für eine umfas-sende Mitwirkung ist die Schaffung eines Problembe-wusstseins bei den Bewohnerinnen und Bewohnern.Dabei haben vor allem Bürgermeister, Ortsbürger-meister oder Ortsvorsteher und Vereinsvorsitzende alsInitiatoren und Multiplikatoren eine Schlüsselfunktion.Es kommt wesentlich auf eine direkte und klareAnsprache der Bewohnerinnen und Bewohner an.

n Abgrenzung des HandlungsspielraumsDie Chancen zur Umsetzung der formulierten Zielehängen von den örtlichen Handlungsspielräumen ab.Diese werden von dem Engagement der örtlichen Be-völkerung, der Mitwirkungsbereitschaft der Grund-stückseigentümer, dem Engagement örtlicher Betrie-be, der Nachfrage nach Grundstücken, Wohnungenund Gebäuden, dem Angebot und der Verfügbarkeitvon Baulücken und leerstehenden Gebäuden sowie vonden finanziellen Möglichkeiten der Gemeinde und derEigentümer bestimmt. Ziele und Handlungsfelder soll-ten daher realistischerweise so formuliert werden,dass sie unter den bestehenden Rahmenbedingungenverwirklicht werden können.

n StrategieentwicklungWesentlicher Erfolgsfaktor der Innenentwicklung isteine schlüssige Gesamtstrategie mit Klarheit hinsicht-lich der angestrebten Ziele und Maßnahmen – als„Zwei-Ebenen-Modell“ mit strategischem Entwick-lungskonzept und operationellem Handlungskonzept.Auch über die Organisation des Prozesses, die erfor-derlichen (formellen und informellen) Steuerungsin-strumente sowie die voraussichtlich entstehendenKosten und die Möglichkeiten zur Finanzierung sollteim Rahmen der Gesamtstrategie Einigkeit erzielt wer-den. Regionale wirkende Entwicklungstrends undknappe öffentliche Finanzmittel schränken vielfach dieörtlichen Gestaltungsspielräume erheblich ein. Zudemergeben sich zunehmend Aufgaben, die lediglich aufder Ebene der Region oder zumindest in Abstimmung

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benachbarter Orte sinnvoll und wirtschaftlich bewältigtwerden können. Dazu gehören vor allem die Daseins-vorsorge, das Flächenmanagement und die Gebäude-leerstandsproblematik. Deshalb sind für diese Hand-lungsfelder interkommunale Strategien sorgfältig zuprüfen.

Für die Umsetzung der Innenentwicklung bieten sich ver-schiedene formelle und informelle Steuerungsinstrumen-te an, die nachfolgend vorgestellt werden.

4.2 Formelle Steuerungsinstrumente

4.2.1 PlanungKonzept der InnenentwicklungFür die Innenentwicklung hat sich der rechtlich unver-bindliche und nicht normierte Dorfentwicklungsplan alsstädtebaulicher Rahmenplan bewährt. Als inhaltlich flexi-

Abbildung 34: Steuerungsinstrumente der Innenentwicklung,

Quelle: Professur für Städtebau und Bodenordnung

Flächen-management

Gestaltung

n Baulückenkatastern Umlegung (hoheitlich,

freiwillig, vereinfacht)n Flurbereinigungn Städtebauliche Verträgen Vorkaufsrechtn Gebote

n Gestaltungssatzungn Gestaltungsempfehlungn Einzelberatung

n Erhaltungssatzungn Denkmalschutzn Naturschutz

n Freiwillige Kooperationenn Synergieeffekte

n ILEKn Private Initiativen und

Investorenn Gemeinde

Planung

Interkommunale Zusammenarbeit

Finanzierung und Förderung

Erhaltung

Formell

Informell

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bler Arbeitsplan ermöglicht er eine Abstimmung überZiele und Maßnahmen mit allen Beteiligten und dient alsGrundlage für die Mittelbewilligung und Koordination derunterschiedlichen Maßnahmen im Zuge der Realisierung.Die Aufstellung erfolgt in einem partizipativen, gesetzlichnicht geregelten Verfahren. Dabei hat sich ein zweistufi-ges Planungsmodell als sinnvoll erwiesen:

– Es bedarf zunächst eines strategisches Entwick-lungskonzepts für den gesamten Ort mit Analyseund Bewertung der Innenentwicklungspotenzialeund einem regional abgestimmten städtebaulichenEntwicklungskonzept. Wichtige Einzelaufgaben sinddie Erfassung der Situation und der mittelfristigenEntwicklungstrends hinsichtlich der Sozial- undAltersstruktur der Bevölkerung sowie der Gebäu-denutzung, die Analyse der Flächen- und Gebäude-potenziale sowie der strukturellen Leerstandspoten-ziale, die Bedarfsermittlung für Wohnen und Arbei-ten sowie die Abschätzung der Möglichkeiten einerfunktionalen Anreicherung im Ortskern.

– Zugleich ist für die Umsetzung ein operationellesHandlungskonzept mit grundstücksbezogenenMaßnahmen erforderlich. Dazu gehören die markt-gerechte Bewertung der Um-, Nach- und Wiedernut-zungspotenziale und die Erarbeitung einer Strategiezur Revitalisierung der Grundstücke einschließlichihrer Gebäude. Die Durchführung, bauliche Realisie-rung und die Vermarktung bedürfen dabei ebensoeingehender Betrachtungen. In diese Phase der Pla-nung sollten die Eigentümerinnen und Eigentümerselbstverständlich beteiligt und eingebunden wer-den.

Die Gemeinde kann sich durch einen Ratsbeschlussselbst binden, so dass die Planungsinhalte bei der Flä-chennutzungsplanung und den entsprechenden Bebau-ungsplänen zu berücksichtigen sind. Denn zur Durchfüh-rung einzelner Ordnungs- und Erschließungsmaßnahmen(Bodenordnung, Gebäudeabrisse etc.) oder zur Siche-rung bestimmter Nutzungen im Ortsinnenbereich (z. B.

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landwirtschaftlicher Betriebe) können einfache Bebau-ungspläne oder andere Satzungen erforderlich sein.

BauleitpläneAngesichts der teilweise erforderlichen Ordnungsmaß-nahmen (Rückbau, Bodenordnung, Erschließung) und zurRegelung auftretender Konflikte kann es sinnvoll sein,Teilbereiche des Innenentwicklungskonzepts in die Bau-leitplanung aufzunehmen, um die Durchsetzungsmöglich-keiten zu stärken. Ein Planungserfordernis nach § 1 Abs. 3BauGB kann sich im Innenbereich aus folgenden Gründenergeben: n Freiflächen im Dorf, die sich für eine bauliche Nutzung

anbieten, weisen gelegentlich eine Größe auf, die nicht

Abbildung 35: Zwei-Ebenen-Modell Dorfumbau,

Quelle: Professur für Städtebau und Bodenordnung

Grundstücksbezoge-ne Handlungsfeldern Erhaltung,

Aufwertungn An-, Um- o. Neubaun Nutzungskonzeptn Renaturierung

Entwicklungsstrategien Potenzialanalyse

und -bewertungn Regionale

Abstimmungn Dorfentwicklungs-

konzept

Umsetzungn Bewertungn Planungn Bodenordnungn ggfs. Freilegungn Erschließung

Realisierungn Wettbewerbn Testentwürfen Objektplanungn Beratung

Mobilisierungn Haus- und

Hofbörsen Maklern Kleinanzeigenn neue Vermark-

tungswege

n Strategisches Entwicklungskonzeptn Operationelles Handlungskonzept

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von der Umgebungsbebauung geprägt werden. EinBebauungszusammenhang ist daher nicht gegebenund es kann nicht beurteilt werden, ob sich neue Bau-vorhaben in die Eigenart der näheren Umgebung einfü-gen. Deshalb sind in diesen Fällen die Vorhaben nach § 34 BauGB nicht genehmigungsfähig und es bestehtein Planerfordernis.

n Die Umgebung des Plangebietes ist in städtebaulicherHinsicht so heterogen, dass der Ermessenspielraumbei der Baugenehmigung aus gemeindlicher Sicht zugroß wäre. Zur Feinsteuerung der baulichen Nutzungenbietet sich daher ein Bebauungsplan an.

n Die Innenbereichsfläche verfügt über keine ordnungs-gemäße Erschließung – eine unabdingbare Vorausset-zung für die Genehmigung baulicher Anlagen. Zwarkann eine Erschließung auch ohne Bebauungsplanerstellt werden, bei Konflikten ist indessen die Aufstel-lung einer Baurechtsatzung zu empfehlen.

n Vom geplanten Vorhaben (Neubau oder Umnutzung)gehen möglicherweise Auswirkungen aus, die nur pla-nerisch bewältigt werden können. Im Rahmen einesförmlichen Bebauungsplanverfahrens mit umfassen-der Beteiligung können die Wirkungen abschließenduntersucht und planungsrechtlich geregelt werden.

Flächennutzungsplan (§ 5 BauGB)Der Flächennutzungsplan besitzt eine strategischeBedeutung für die beabsichtigte städtebauliche und son-stige Entwicklung der Gemeinde, ihrer Ortsteile und Dör-fer. Er ist aufgrund der Darstellung der beabsichtigtenBodennutzung in den Grundzügen ein wichtiges Steue-rungsinstrument für die Innenentwicklung. Insbesonderekann durch Reduzierung der neuen Bauflächen auf der„grünen Wiese“ in einer Gemeinde der Siedlungsdruck indie Innenbereiche gelenkt und die Nachfrage nach Grund-stücken und Gebäuden in den Ortskernen erheblich ver-stärkt werden. Zudem ist eine Koordination der Sied-lungsentwicklung mit dem Ausbau der Infrastruktur-standorte und -netze erforderlich, um zu dauerhaft trag-fähigen Lösungen zu kommen.

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Bebauungsplan (§ 13a BauGB)Der Bebauungsplan legt die bauliche und sonstige Nut-zung für Grundstücke in Teilgebieten der Gemeinderechtsverbindlich fest. Für die Aufgaben der Ortskernrevi-talisierung bietet sich der besondere Typ des Bebauungs-plans für den Innenbereich (§ 13a BauGB) an, der sich zurÜberplanung von bebauten Bereichen zum Zwecke derUmstrukturierung sowie zur Nutzung von innerörtlichenBauflächenpotenzialen im unbeplanten Innenbereich eignet. Damit lassen sich städtebauliche Ziele zur bauli-chen Nutzung und Wiedernutzbarmachung von Flächen,zur Nachverdichtung oder für andere Maßnahmen derInnenentwicklung in einem beschleunigten Verfahren ver-wirklichen. Eine Umweltprüfung und ein Umweltberichtist nur dann gesetzlich nicht vorgeschrieben, wenn diezulässige Grundfläche 20.000 m² nicht überschreitet. Einweiterer Vorteil besteht darin, dass das Entwicklungsge-bot nicht greift und der Plan bereits aufgestellt werdenkann, bevor der Flächennutzungsplan geändert wird.Dadurch kann die Gemeinde zeitnah auf entsprechendeNachfragen reagieren und das Planungsverfahrenbeschleunigen. Daher ist der Bebauungsplan gemäß § 13aBauGB ein effizientes Steuerungsinstrument für dieInnenentwicklung der Dörfer.

Für einfache Steuerungsaufgaben eignet sich auch dereinfache Bebauungsplan (§ 30 Abs. 3 BauGB). Er kannbeispielsweise für den Ausbau von Straßen oder die An-lage eines Dorfplatzes eingesetzt werden, wenn dafürzusätzliche private Grundstücksflächen in Anspruchgenommen werden müssen. Auch die planungsrechtlicheSicherung von landwirtschaftlichen Betriebsstandorten inder Ortslage kann durch Festsetzung als Dorfgebiet miteinem solchen Plan erfolgen. Zur Ortgestaltung bietetsich ein einfacher Bebauungsplan mit Festsetzungen zumMaß der Nutzung in Verbindung mit baugestalterischenFestsetzungen nach der Landesbauordnung an. Ein sol-cher Bebauungsplan kann auch nach § 13 a BauGBerstellt werden.

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Sonstige BaurechtsatzungenInnenbereichssatzungMit einer Innenbereichssatzung gemäß § 34 Abs. 4BauGB kann die Gemeinde bebaute Ortslagen eindeutigvom Außenbereich abgrenzen und einzelne Grundstückedem Innenbereich zuordnen. Sie hat insofern lediglichklarstellende Wirkung. Dadurch werden auch zusätzlichenGrundstücke innerhalb der Satzung erschließungsbei-tragspflichtig. Alle Vorhaben innerhalb des Geltungsbe-reichs der Satzung sind gemäß § 34 BauGB zu prüfen. EinVorhaben muss sich nach Art und Maß der baulichenNutzung, der Bauweise und der überbaubaren Grund-stücksfläche in die Eigenart der näheren Umgebung ein-fügen („Einfügungsgebot“). In Verbindung mit den Fest-setzungen nach § 9 BauGB kann die Innenentwicklungder Dörfer effizient gesteuert werden.

4.2.2 Flächenmanagement Die Innenentwicklung der Dörfer ist ein komplexes Hand-lungsfeld. Ortsinnenbereiche sind gekennzeichnet durchoftmals komplexe und kleinteilige Nutzungs- und Eigen-tumsstrukturen, unzweckmäßige Grundstückszuschnitte,fehlende oder unzureichende Erschließung der Grund-stücke, fehlende Verkaufsbereitschaft der Grundstücksei-gentümer, überhöhte Wertvorstellungen für Grundstückeund Gebäude, störende bauliche Anlagen und Nutzungensowie eine heterogene Interessenlage der Eigentümer,Nutzer und Bewohner. Daher ist zur Verwirklichung dergewünschten Ziele und Maßnahmen ein Flächenmanage-ment erforderlich, denn ausschließlich durch eine ange-botsorientierte Bauleitplanung und sonstige Konzeptelassen sich diese Problemlagen oftmals nicht bewältigen.Aufgaben für ein nachhaltiges Flächenmanagement zurInnenentwicklung sindn die Schließung von Baulücken,n die Mobilisierung von Baulandpotenzialen, n die Wiedernutzung von Brachflächen,n die Nachverdichtung von Innenbereichen sowien die Umnutzung von Gebäuden.

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Für eine umsetzungsorientierte Innenentwicklung kom-men die nachfolgenden städtebaulichen Instrumente inBetracht.

Baulücken- und GebäudeleerstandskatasterDie vollständige und aktuelle Erfassung der innerörtlichenBaulandpotenziale und Gebäudeleerstände ist eineunverzichtbare Informationsgrundlage für die strategi-sche Innenentwicklung und für den gezielten Einsatz desbodenpolitischen Instrumentariums. Wichtige Informatio-nen sind der Wert, der planungs-, erschließungsrechtlicheund bauliche Zustand des Grundstücks bzw. des Gebäu-des sowie die Verkaufsbereitschaft des Eigentümers. DasKataster ist dann besonders hilfreich, wenn sich mög-lichst viele Gemeinden und Ortsteile in der Region daranbeteiligen, ein gemeinsames Informationssystem erstel-len und die Ergebnisse bei der Baulandausweisung auchtatsächlich berücksichtigen, um Flächenkonkurrenzenund Überangebote zu vermeiden.

Städtebauliche UmlegungDie Umlegung nach § 44 ff u. § 80 ff BauGB bietet dieMöglichkeit für die Erschließung und Neuordnung derEigentums- und Rechtsverhältnisse an Grundstücken imOrtskern, auch wenn diese bereits bebaut sind. Diesgeschieht in einem gesetzlich geregelten Grundstücks-tauschverfahren hoheitlich unter Federführung derGemeinde. So können zur Innenentwicklung nach Lage,Form und Größe für die bauliche oder sonstige Nutzungattraktive Grundstücke im Ortskern geschaffen werden,die mit anderen Baulandangeboten auf dem Markt kon-kurrenzfähig sind.

Für kleine dörfliche Ortskerne mit geringerem eigentums-rechtlichem Regelungsbedarf eignet sich besonders dievereinfachte Umlegung. Dabei kann auch eine einseitigeZuteilung von Splittergrundstücken erfolgen, die nichtselbstständig bebaubar sind. Für die Aktivierung und Nut-zung innerörtlicher Brachflächen kann dieses Verfahrensehr effizient eingesetzt werden.

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Die Neuordnung kann auch privatrechtlich durch einennotariell beurkundeten Grundstückstauschvertrag durch-geführt werden (freiwillige Umlegung), die nach dem Sub-sidiaritätsprinzip Vorrang vor allen hoheitlichen Boden-ordnungsverfahren hat. Dies setzt einen Konsens zwi-schen allen Eigentümern und ggfs. der Gemeinde voraus,so dass das Verfahren nur bei einer geringen Anzahl vonGrundstückseigentümern aussichtsreich ist.

Flurbereinigung Die Bodenordnung nach dem Flurbereinigungsgesetz(FlurbG) ist in Nordrhein-Westfalen gesetzliche Pflichtauf-gabe und Instrument der Integrierten Ländlichen Ent-wicklung. Sie kann auch zur Innenentwicklung der Dörfereingesetzt werden. Die Hinzuziehung des bebautenInnenbereichs erfordert allerdings die Zustimmung allerGrundstückseigentümer. Typische Maßnahmen zurUnterstützung der Dorfinnenentwicklung sind die Neu-ordnung und Arrondierung landwirtschaftlicher Hofstel-len, die Anlage rückwärtiger Erschließungen zur Verbin-dung von Hofstellen mit dem landwirtschaftlichen Wege-netz in der Feldflur, die Regulierung der wasserwirtschaft-lichen Verhältnisse sowie sonstige Erschließungs- undGestaltungsmaßnahmen. Auch die Aussiedlung vonBetriebsteilen zum Beispiel der Tierhaltung kann unter-stützt werden. Insgesamt kann die einzelbetrieblicheSituation land- und forstwirtschaftlicher Unternehmendurch die Beseitigung struktureller Defizite erheblich ver-bessert und die Produktions- und Arbeitsbedingungengefördert werden. Diese strukturellen Maßnahmen dienendamit zugleich der Verbesserung der Umwelt- undLebensbedingungen aller Einwohner im Ortskern.

Städtebauliche Verträge Für die Innenentwicklung der Dörfer kommen vertragli-che Vereinbarungen hauptsächlich zur Bodenordnung,zur Kostenübernahme, für Bauverpflichtungen und zurErschließung in Betracht (§ 1 und § 124 BauGB). So kanndie Gemeinde die Erschließung durch einen Vertrag ganzoder teilweise auf einen Dritten (z. B. Eigentümergemein-

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schaft, Erschließungsträger) übertragen. Dann entfälltder ansonsten obligatorische kommunale Eigenanteil von10 %, so dass die Gemeinden zusätzlich finanziell entlas-tet werden. Für die Innenentwicklung ist ein Erschlie-ßungsvertrag hilfreich, wenn die innere Erschließung fürkleine Baugebiete (z. B. in der zweiten Reihe) durch einePrivatstraße anstelle einer öffentlichen Straße vorgese-hen wird. Die Herstellung und Unterhaltung der Straßeobliegt den Anliegern, in deren Eigentum die Straße steht,wenn diese Straße nicht von der Gemeinde nach Fertig-stellung übernommen wird.

VorkaufsrechtFür die Mobilisierung von unbebauten Brachflächen imInnenbereich kann die Gemeinde von ihrem gesetzlichenVorkaufsrecht nach § 24 BauGB Gebrauch machen,soweit diese vorwiegend mit Wohngebäuden bebaut werden können. Allerdings ist das Vorkaufsrecht in Dorf-gebieten gem. § 5 BauNVO ausgeschlossen. Für eine um-fassende Innenentwicklung und zum Erwerb sowie zuranschließenden Mobilisierung auch bebauter Grundstük-ke mit leerstehenden Gebäuden kann die Gemeinde nach§ 25 BauGB ein besonderes Vorkaufsrecht durch Satzungbegründen.

Städtebauliche GeboteFestsetzungen im Bebauungsplan lösen keine unmittelba-re Verpflichtung zu ihrer Verwirklichung aus. Dazu bedarfes vielmehr städtebaulicher Gebote, die in der Praxis –insbesondere in Dörfern – allerdings sehr selten ange-wendet werden. Möglicherweise führt allein die Existenzder Gebote in den Verhandlungen mit Eigentümern überstädtebauliche Maßnahmen bereits zu einer einvernehm-lichen Lösung. Aus diesem Grunde werden die Gebotenur kurz erläutert.

Bau- und Anpassungsgebot (§ 176 BauGB)Das Bau- und Anpassungsgebot wird ausschließlich imGeltungsbereich eines B-Plan oder in einem §34er-Gebietangewendet, das gemäß der Eigenart der näheren Umge-

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bung bebaut werden soll. Folgende städtebauliche Maß-nahmen lassen sich damit verfolgen: n Baulückenschließungn Bebauung eines Grundstücks n Aufstockung eines Gebäudesn Teilrückbau eines Gebäudes o. ä.

Modernisierungs- und Instandsetzungsgebot (§ 177 BauGB)Das Modernisierungs- und Instandsetzungsgebot kannim Rahmen der Innenentwicklung zur Beseitigung innereroder äußerer Missstände oder Mängel an Gebäuden ein-gesetzt werden. Diese liegen u. a. vor, wenn die baulicheAnlage das Straßen- und Ortsbild erheblich beeinträch-tigt.

Rückbau- und Entsiegelungsgebot (§ 179 BauGB)Die Anordnung eines Rückbau- und Entsiegelungsgebotesdient der Beseitigung einer baulichen Anlage oder dersonstigen Wiedernutzbarmachung von nicht mehr dauer-haft genutzten Flächen im Geltungsbereich eines Bebau-ungsplanes. Der Eigentümer muss die Maßnahmen nichtselbst ausführen, sondern hat Rückbau durch dieGemeinde lediglich zu dulden. Die Anwendungsvorausset-zung ist eng begrenzt. Hinsichtlich der Innenentwicklungist dieses Gebot möglicherweise hilfreich, wenn ortsun-typische, un- oder untergenutzte Gebäude das Ortsbilderheblich beeinträchtigen. Dabei hat die Gemeinde diewirtschaftlichen Nachteile für den Eigentümer zu ent-schädigen oder gegebenenfalls das Grundstück zu über-nehmen.

4.2.3 GestaltungGestaltungssatzung Mittels örtlicher Bauvorschriften nach § 86 BauO NRWkann die Gemeinde auf die Gestaltung der Gebäude (z. B.Dachform) und Grundstücke (z. B. Begrünung) sowie aufdie Wahl der Baumaterialien im Ortskern Einfluss neh-men. Dadurch können attraktive Ortskerne vor Verunstal-tung geschützt werden. Dies gilt beispielsweise hinsicht-

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lich Werbeanlagen, TV-Antennen oder unmaßstäblicherAn- und Umbauten an Gebäuden. Auch eine überzogeneFreiflächenversiegelung kann damit verhindert werden.Die Regelungen lösen indessen keinen unmittelbarenHandlungsbedarf bei den Eigentümern aus, sondern sindlediglich bei Neu- und Umbaumaßnahmen zu beachten.

Gestaltungs- und Erhaltungsempfehlungen Als eine Alternative zur rechtsverbindlichen Gestaltungs-satzung können auch Gestaltungshandbücher mit Emp-fehlungscharakter von der Gemeinde mit den Bürgern er-arbeitet werden. Dabei werden ortgestalterische Proble-me untersucht, dokumentiert und unter Beachtung derörtlichen Bautradition städtebauliche und baugestalteri-sche Empfehlungen für die Erhaltung und Gestaltung vonländlichen Gebäuden und baulichen Anlagen formuliert.Dies sollte mit kurzen Einführungen in die baugeschicht-lichen Zusammenhänge verbunden werden, denn darauslassen sich Bauformen und städtebauliche Entwicklungenoftmals ableiten und begründen. Gestaltungshandbü-cher sind zwar rechtlich unverbindlich, entfalten aber inder Regel positive Wirkungen durch die gemeinsame Erarbeitung von Gestaltungsregeln mit den betroffenenEigentümern, die für die Baukultur und für die gestalteri-sche Wertigkeit alter Gebäude sensibilisiert werden.

4.2.4 ErhaltungErhaltungssatzung (§ 172 Abs.1 Nr.1 BauGB) Erhaltenswerter Gebäudebestand im historischen Orts-kern, der seine städtebauliche Eigenart und die Gestaltprägt, kann von der Gemeinde durch eine Satzung gesi-chert und erhalten werden (§ 172 Abs. 1 Nr. 1 BauGB). Allebaulichen Maßnahmen wie Abriss, Nutzungsänderung,Modernisierung oder Umbau stehen dann unter Geneh-migungsvorbehalt der Gemeinde.

Zu den erhaltenswürdigen städtebaulichen Merkmalenkönnen der Dorfgrundriss, die Dorfsilhouette, die Bau-struktur im historischen Ortskern und auch sonstige bau-liche Ensembles gehören. Mit einer Satzung kann der Ver-

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lust von städtebaulich bedeutsamen, jedoch nicht denk-malgeschützten Objekten weitgehend verhindert werden.Das Instrument sollte daher stärker genutzt werden!Denkmale im Sinne des Gesetzes zum Schutz und zurPflege der Denkmale im Land NRW (DSchG) sind bei-spielsweise Gebäude und Freiflächen, an deren Erhaltungund Nutzung aus geschichtlichen, wissenschaftlichen,künstlerischen oder städtebaulichen Gründen ein öffent-liches Interesse besteht. In zahlreichen Dorfkernen Nord-rhein-Westfalens existieren neben solchen bereitsgeschützten Gebäuden auch noch weitere denkmalwerteGebäude, Plätze oder Straßenzüge für die ebenfalls eineErhaltungspflicht besteht. Mit Satzungen kann dieGemeinde als untere Denkmalbehörde zusammen mitder Denkmalfachamt zusätzlich erhaltenswerte Bereicheunter Schutz stellen (Denkmalbereichssatzung § 5 Abs. 1DSchG). Geschützte Ensemble dürfen wie Einzeldenkmä-ler grundsätzlich nicht abgerissen oder verändert werden.

Abbildung 36: Eingangsbereich eines umgenutzten Denkmals zu einem

Café in Petershagen-Windheim

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Für die Eigentümer von Denkmälern besteht im Gegen-satz zur Erhaltungssatzung nach § 172 Abs. 1 Nr. 1 BauGBeine aktive Erhaltungspflicht. Bei der Instandsetzung undModernisierung der Substanz oder des Erscheinungsbil-des (z. B. für den Einbau neuer Fenster) bedarf es einerErlaubnis der unteren Denkmalschutzbehörde (Erlaubnis-pflichtige Maßnahmen § 9 DSchG).

4.2.5 Natur- und LandschaftsschutzEine große Vielfalt schützenswerter Naturräume undgroßflächiger Kulturlandschaften prägen das Bild Nord-rhein-Westfalen mindestens ebenso sehr wie die indus-triellen Zentren. Dem Schutz von Natur- und Landschaftkommt dadurch eine hohe Bedeutung zu. Der Erhalt wert-vollen Naturerbes für die künftigen Generationen ist einewichtige Aufgabe für die Akteure auf allen politischenEbenen. Das Landschaftsgesetz NRW fordert daher,„Natur und Landschaft [.] auf Grund ihres eigenen Wertesund als Lebensgrundlagen des Menschen auch in Verant-wortung für die künftigen Generationen im besiedeltenund unbesiedelten Bereich [.] zu schützen, zu pflegen, zuentwickeln und, soweit erforderlich, wiederherzustellen[…]“ (§ 1 Abs. 1 LG NRW). Die Steuerungsmöglichkeitender Landschaftsplanung beschränken sich allerdings aufden Außenbereich nach § 35 BauGB. Zu erhaltende Land-schaftsbestandteile im Ortskern sind daher durch einenBebauungsplan zu sichern.

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86 Entwicklungs- und Umbauprozesse erfolgreich steuern

4.3 Informelle Steuerungsinstrumente

4.3.1 Organisation des Planungs- und UmbauprozessesKommunikative PlanungDie Entwicklung der Ortskerne bedarf einer starken Initia-tive – der Politik, der Verwaltung oder im Idealfall einzel-ner Grundstückseigentümer – und der Mitwirkung derdirekt Betroffenen. Planungsprozesse sollten sich daherauch an den Interessen und Bedürfnissen der Eigentü-mer und Bewohner orientieren. Um die Motivation unddie Mitwirkungsbereitschaft der Grundstückseigentümerzu stärken und die Akzeptanz der Ziele und letztlich auchden Umsetzungsgrad der Maßnahmen zu erhöhen, ha-ben sich bereits in der klassischen Dorfentwicklung parti-zipative Organisationsformen bewährt (vgl. Abb. 37).

Abbildung 37: Kommunikationsformen,

Quelle: Professur für Städtebau und Bodenordnung

Stammtische

Start-Workshop

Visions-Workshop

Leitbild-Workshop

Gemeinschafts-Aktionen, Dorffeste

Fragebogenaktion

Bürgerversamm-lungen

Dorfzeitungen, Schaukästen

Fortbildungen, Seminare

Runde Tische

Arbeitskreise

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Arbeitskreise haben bei der Innenentwicklung als örtli-ches Planungsgremium, Multiplikator und als Vermittlerzwischen den verschiedenen Interessen zentrale Aufga-ben. Die stetige Kommunikation zwischen der Dorfbevöl-kerung und den „Aktiven“ ist während der Planung undVerwirklichung unerlässlich. Für die komplexen Aufgabender Innenentwicklung hat sich zudem die Mitwirkung vonexternen Planungsexperten und neutralen Moderatorenbewährt.

Für die Innenentwicklung sind die Mitwirkungsbereit-schaft und die Kreativität der Bewohnerinnen undBewohner unverzichtbar. Es gilt, eine positive Atmosphä-re zu schaffen, die motiviert und persönliche Netzwerkebegünstigt. Ebenso sollten in regelmäßigen Abständendie bisherigen Ziele, Maßnahmen und Erfolge kritischüberprüft und Erfahrungen ausgetauscht werden. Einesolche Selbstevaluierung ist ein wichtiger Erfolgsfaktorfür die Gestaltung dörflicher Prozesse. Alle Beteiligtensollten sich regelmäßig Klarheit über die Ergebnisse ihresHandelns verschaffen.

Interkommunale Zusammenarbeit und NetzwerkbildungUnter den – weiter oben beschriebenen – verändertenRahmenbedingungen sind die Handlungsspielräume dereinzelnen Dörfer und Gemeinden auch hinsichtlich derOrtskernentwicklung eingeschränkt. Deshalb sollten Synergien durch Zusammenarbeit von Gemeindenund/oder privater Institutionen gesucht und die Möglich-keiten optimal ausgeschöpft werden. Synergieeffekte füh-ren zur Entlastung öffentlicher Haushalte, zur Aufrechter-haltung der Daseinsvorsorge und zu Marketingvorteilen.

Für die Innenentwicklung ist eine regionale Kooperationfür die Bereiche Daseinsvorsorge, Baulandausweisung,Gebäude- und Brachflächenrevitalisierung, Tourismussowie Umweltschutz sehr zu empfehlen. Sie ermöglichtim besten Fall

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n die optimale Nutzung bestehender Nachfragepotenzia-le, insbesondere für die Um- und Wiedernutzung vonfreigesetzten Flächen und Gebäuden,

n die Gewährleistung einer wirtschaftlich tragfähigenSiedlungs- und Infrastrukturentwicklung,

n die Sicherstellung sonstiger freiwilliger oder pflichtigerkommunaler Aufgaben und

n den Abbau von Konkurrenzen.

Regionale Kooperationen sind für die Lebensqualität derländlichen Räume in NRW bedeutsam, weil nur dadurchlangfristig die Aufrechterhaltung von Mindeststandardsbei Bildungseinrichtungen (Kindergärten, Schulen), beimedizinischen Einrichtungen und bei der Nahversorgungmöglich sein wird.

Netzwerke als Kooperationen privater und öffentlicherAkteure haben sich auch hinsichtlich der Etablierungneuer Wertschöpfungsketten mit sehr positiven regional-wirtschaftlichen Effekten bewährt. Eine wichtige Voraus-setzung für eine erfolgreiche Kooperation ist die Forde-rung, dass alle beteiligten Akteure sich auf Augenhöhebegegnen.

Die Bildung von Kooperationen und Netzwerken kann imRahmen von Integrierten ländlichen Entwicklungskonzep-ten (ILEK) sowie in LEADER-Prozessen erfolgen. DasRegionalmanagement begleitet die lokalen Akteure beider Initiierung von regionalen Projekten und gibt Hilfe-stellungen bei der Vernetzung, Bündelung und Institutio-nalisierung regionaler Kräfte.

4.4 Finanzierung und Förderung

4.4.1 Integrierte ländliche Entwicklung (ILE) und LEADERDie ländlichen Räume in Nordrhein-Westfalen sollen alsLebensraum sowie als Wirtschaftsstandort für die dortlebende Bevölkerung gesichert und entwickelt werden.Mit dem NRW-Programm „Ländlicher Raum“ wurde die

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Förderpolitik des Landes für die EU-Förderperiode 2007-2013 neu ausgerichtet. Die Integrierte Ländlichen Ent-wicklung (ILE) wird mit dem bewährten LEADER-Konzeptverknüpft und verfolgt einen integrativen Ansatz. Damitsollenn die ländlichen Räume als Wirtschafts-, Lebens- und

Erholungsraum gestärkt,n die im ländlichen Raum lebenden Menschen weiter-

qualifiziert undn die natürlichen Lebensgrundlagen, die Biodiversität

und das Natur- und Kulturerbe erhalten, regeneriertund gesichert werden.

Maßnahmen der Ortskernentwicklung werden als Teil derDorferneuerung und -entwicklung – mit Ausnahme derUmnutzung landwirtschaftlicher Bausubstanz – in ersterLinie dann gefördert, wenn die Maßnahmen auf einemRegionalen Entwicklungskonzept (REK) einer der zwölfLEADER-Region oder einem ILEK beruhen. Damit soll dieerforderliche regionale Einbindung und Abstimmung derMaßnahmen sichergestellt werden. Für private Maßnah-men ist dies eine zwingende Voraussetzung.

Die Regionalen Entwicklungskonzepte werden von Loka-len Aktionsgruppen (LAG) für die LEADER-Regionen erarbeitet, die sich aus kommunalen Vertretern der Ver-waltung, der Wirtschaft und der Gesellschaft zusammen-setzen.

Der Vorstand der beispielsweise als eingetragene Vereineoder Gesellschaften konstituierten lokalen Aktionsgrup-pen besteht zur Hälfte aus Wirtschafts- und Sozialpart-nern. Aufgabe ist es, die eigenen Kräfte der Region zuaktivieren, die regionalen Projekte zu koordinieren undMaßnahmen zu bündeln.

Die Förderung baulicher Maßnahmen erfolgt auf Basisder bestehenden Richtlinie des Landes in folgenden Fällen:

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1. ÖffentlicherBereich:

2. Öffentlicher undprivater Bereich:

3. Umnutzung

n Maßnahmen zur dorfge-rechten Gestaltung vonDorfstraßen durch Instand-setzung und Verkehrs-beruhigung,

n Anlage von Plätzen undWegen

n Grün- und Freiraum-gestaltung im Dorf

n Konzepte und Planungen für die Dorfentwicklungen

n Erhaltung, Instandsetzungund Gestaltung ländlicher Bausubstanz mit ortsbild-prägendem Charaktersowie der

n begründete Innenausbau

n Investitionen zur Umnut-zung der Bausubstanz vonland- und forstwirtschaft-lichen Betrieben– für gewerbliche

Nutzungen– zu Wohnzwecken

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91 Entwicklungs- und Umbauprozesse erfolgreich steuern

Maßnahmen auf Basis von LEADER oder eines ILEKerhalten einem Förderbonus von 20 % bzw. 10 %. Grund-sätzlich haben Gemeinden und private Zuwendungsemp-fänger einen Eigenanteil als Kofinanzierung zu erbringen.Für eine optimale Finanzierung ist daher die Suche nachinteressierten Partnern oder Investoren unerlässlich.

Die Innenentwicklung der Dörfer umfasst allerdings weitmehr Maßnahmenfelder als das NRW-Programm „Länd-licher Raum“. Deshalb ist es sinnvoll, die Dorfentwick-lungsmaßnahmen mit anderen Maßnahmen der länd-lichen Entwicklung zu flankieren und die Fördermöglich-keiten verschiedener Ressorts des Landes für die Zweckeder Innenentwicklung zu kombinieren.

4.4.2 Weitere FördermöglichkeitenDenkmalschutzFür den Denkmalschutz bestehen mehrere direkte undindirekte Fördermöglichkeiten. So werden u. a. Maßnah-men durch das Bund-Länder-Programm „Städtebauli-cher Denkmalschutz“ finanziell unterstützt. Dabei sinddie Kommunen Antragssteller und Fördermittelempfän-ger. Die Mittelbewilligung liegt im Zuständigkeitsbereichdes Ministeriums für Wirtschaft, Energie, Bauen, Wohnenund Verkehr NRW (MWEBWV) und setzt den Erlass einerErhaltungssatzung nach § 172 Abs. Nr. 1 BauGB voraus.Private Eigentümer eines Gebäudes in einem Förderge-biet können Zuschüsse für die Erhaltung ihrer Häusererhalten.

Unabhängig vom „Städtebaulichen Denkmalschutz“ för-dert das Land auch die Erhaltung von Denkmälern undBestandteilen von Denkmalbereichen nach Maßgabe derDenkmalschutzrichtlinien1). Förderfähig sind grundsätz-lich die Maßnahmen, die zur Sicherung, Erhaltung undInstandsetzung der denkmalwerten Substanz einer

1) Richtlinien über die Gewährung von Zuwendungen zur Erhaltung undPflege von Denkmälern (Förderrichtlinien Denkmalpflege) Rd.Erl. d.Ministeriums für Städtebau und Wohnen, Kultur und Sport v. 5.6.2003 -V B 3 – 42.19rurale

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Sache erforderlich sind. Dabei müssen denkmalrechtlicheAnforderungen und Auflagen eingehalten werden. Dem-nach ist den Eigentümerinnen und Eigentümern zu raten,sich im Vorfeld einer Baumaßnahme an die Denkmalbe-hörde zu wenden und die Pläne dort zu erläutern undabzustimmen.

Programm StadtsanierungGrundsätzlich sind städtebauliche Sanierungsmaßnah-men zur Beseitigung städtebaulicher Missstände auch inDörfern zulässig. In der Praxis stellen die Anwendung desSanierungsrechts und damit auch die diesbezüglichenFördermöglichkeiten eher eine Ausnahme dar. Angesichtsder teilweise erheblichen Missstände sollte die Einbezie-hung auch kleiner ländlicher Orte in die Städtebauförde-rung in jedem Einzelfall sehr sorgfältig geprüft werden. Införmlichen Sanierungsgebieten können dann Mittel derStädtebauförderung gemäß der Landesrichtlinie für dieInstandsetzung und durchgreifende Modernisierung vonGebäuden gewährt werden, die auf Grundlage derErneuerungsziele den Gebrauchswert der Gebäude undderen Umfeld nachhaltig erhöhen.

Programm Stadtumbau Das Stadtumbauprogramm stellt Mittel für Aufwertungs-und Rückbaumaßnahmen zur Verfügung. Es ermöglicht,den Rückbau leerstehender und dauerhaft nicht mehrbenötigter Wohngebäude oder -teile zu fördern. Zu diesenStadtumbaumaßnahmen gehörenn Aufwendungen für die Freimachung von Wohnungen,n Aufwendungen für den Rückbau (Abrisskosten)

sowien Aufwendungen für eine einfache Herrichtung des

Grundstücks zur Wieder- und Zwischennutzung.

Das Stadtumbauprogramm konzentriert sich bislangnoch auf Städte aller Größenordnungen, erfasst jedochnicht die Dörfer.

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Programm Kleinere Städte und Gemeinden –überörtliche Zusammenarbeit und NetzwerkeZusätzliche Fördermöglichkeiten bietet das im Jahr 2010aufgelegte Förderprogramm von Bund und Ländern vorallem für kleinere Städte und Gemeinden in ländlichen,dünn besiedelten Räumen als Ankerpunkte der Daseins-vorsorge. Ihre zentralörtliche Versorgungsfunktion solldauerhaft, bedarfsgerecht und auf hohem Niveau für dieBevölkerung der gesamten Region gesichert und gestärktwerden. Die überörtliche Zusammenarbeit spielt hierfüreine wesentliche Rolle.

EnergieeinsparungZur Förderung erneuerbarer Energien und einer effizien-ten Energienutzung stellen Bund und Länder vielfältigeProgramme bereit. Die energetische Gebäudesanierungist dabei ein wichtiger Baustein der Klimaschutzpolitik.Beispielhaft sei an dieser Stelle auf die KfW-Programmezur energieeffizienten Gebäudesanierung verwiesen1).Danach sind Einzelmaßnahmen wie Dämmung, Fenster,Heizungs- und Lüftungstechnik seit dem 01.03.2011 för-derfähig, um eine schrittweise energetische Modernisie-rung zu ermöglichen. In diesem Zusammenhang werdendie technischen Anforderungen künftig im Durchschnittum etwa 20 % erhöht. Im Sinne der Qualitätssicherungund zur Unterstützung eines ganzheitlichen Konzepts füreine energetische Gebäudesanierung verbindet die KfWdiese höheren Anforderungen mit der Einbindung vonSachverständigen bei den Einzelmaßnahmen. Mit einemKredit oder Zuschuss werden der Ersterwerb einessanierten Gebäudes (auch Eigentumswohnung) sowiealle Maßnahmen zur Erreichung eines KfW-Effizienzhau-ses gefördert. Förderfähig sind Gebäude für die vor dem01.01.1995 der Bauantrag gestellt oder die Bauanzeigeerstattet wurde.

1) Energieeffizient Sanieren – Investitionszuschüsse und Kredite (KfW-Pro-gramme 430/151)

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4.4.3 Steuerliche AbschreibungsmöglichkeitenAngesichts der begrenzten direkten Fördermöglichkeitenim Denkmalschutz gewinnen die steuerlichen Abschrei-bungsmöglichkeiten für private Denkmaleigentümer alsindirekte Förderung an Bedeutung. Das Steuerrecht siehtfür die Eigentümer von Denkmalen oder von Gebäuden inSanierungsgebieten mehrere Wege vor, Steuervergünsti-gungen geltend zu machen. Gemäß Einkommensteuerge-setz § 7h EStG (für Gebäude im Sanierungsgebiet) und § 7i EStG (für denkmalgeschützte Gebäude) sind von denModernisierungs- und Instandsetzungskosten für alleMaßnahmen bei vermieteten Gebäuden, die nach dem 31. Dezember 2003 begonnen wurden, acht Jahre lang je9 % jährlich (72 %) sowie weitere vier Jahre lang je 7 %jährlich (28 %), insgesamt also 100 % von der Steuerabsetzbar. Bei einem vom Eigennutzer selbst zu Wohn-zwecken genutzten Gebäude können zehn Jahre langjeweils 9 % der Modernisierungs- und Instandsetzungs-kosten abgesetzt werden. Denkmaleigentümer solltendaher eine fachkundige Beratung von Steuerexperten inAnspruch nehmen.

Zusammenfassend ist festzustellen, dass für die kom-plexe Aufgabe der Ortskernentwicklung umfangreicheFördermöglichkeiten bestehen, die kreativ genutzt undkombiniert werden sollten. So ist bereits bei der Planungvon Um- und Ausbaumaßnahmen, Instandsetzung undModernisierung von Gebäuden das gesamte Spektrumder direkten und indirekten Fördermöglichkeiten zu son-dieren. Doppelförderungen sind grundsätzlich ausge-schlossen, eine Kombination unterschiedlicher sektoralerProgramme für verschiedene Maßnahmen an einemObjekt ist jedoch ohne Weiteres möglich. Wichtige Wei-chenstellungen müssen bereits auf der Ebene der Regiondurch die LAG und das Regionalmanagement erfolgen.Auch die Gemeinde beeinflusst die Fördermöglichkeitendurch ihre Entscheidung über den Einsatz bestimmterstädtebaulicher Instrumentarien und Programme.

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Innenentwicklung der Dörfer bewirkt eine erhebliche Ver-besserung der Lebensqualität für die Menschen in denländlichen Räumen. Deshalb stellt die revitalisierendeEntwicklung der Dorfkerne und Ortsmitten eine wichtigeZukunftsaufgabe dar, die Ressourcen schont, vorhandenePotenziale optimal nutzt und die nur gemeinsam mit denBewohnerinnen und Bewohnern erfolgreich bewältigtwerden kann. Der Planungskultur mit kommunikativenund partizipativen Planungsprozessen kommt daher einezentrale Bedeutung zu. Eine erfolgreiche Entwicklung derDorfkerne beruht wesentlich auf den folgenden konzep-tionellen und planerischen Ansätzen:

n Dorfkerne und Ortsmitten als Standorte für Woh-nen und Daseinsvorsorge: Es bedarf noch einerintensiven Öffentlichkeitsarbeit und weiterer vorbild-licher Beispiele bis der Gedanke, dass das Wohnen inhistorischer Umgebung im Ortskern eine ebensohohe Qualität hat wie das Wohnen am Ortsrand ineinem Neubaugebiet, im Bewusstsein der Öffentlich-keit verankert ist. Dabei ist es von entscheidenderBedeutung, die öffentlichen Räume im Wohnumfeldaufzuwerten, Verkehrsbelastungen zu vermindernund Freiflächen multifunktional zu gestalten. Moder-nisierung und Umnutzung, Abriss und Neubau müs-sen die veränderten Lebensstile und Wohnansprücheeiner pluralistischen und alternden Gesellschaft inden ländlichen Räumen berücksichtigen.

n Kommunikative Planungs- und Entwicklungspro-zesse: Innenentwicklung erfordert eine strategischausgerichtete kleinteilige Vorgehensweise. Erfolg-reich werden solche Entwicklungen nur dann sein,wenn es gelingt, die Grundstückseigentümer undBewohnerinnen und Bewohner zur Mitwirkung zugewinnen, so dass sie an der Entwicklung des Orts-kerns aktiv mitwirken. Prozesse der Planung und

5. Fazit

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96 Fazit

ihrer Verwirklichung sind daher offen für alle Betrof-fenen zu gestalten und sollen deren Engagementwecken. Sie sollten in die Lage versetzt werden, ander Formulierung von Zielen und Maßnahmen ver-antwortlich mitzuwirken und diese auch zu verwirk-lichen.

n Regionale Kooperationen: Veränderte Rahmenbe-dingungen auf regionaler, nationaler und auch globa-ler Ebene schaffen neue Einflüsse und Abhängigkei-ten und wirken unverkennbar auf die Entwicklungder Dorfkerne. Zudem können zahlreiche Funktionenkaum noch wirtschaftlich auf örtlicher Ebene erfülltwerden. Deshalb muss anstelle einer ortszentriertenEntwicklung eine Kooperation mit den benachbartenOrten der Region vor allem in den Bereichen derBaulandstrategien und Daseinsvorsorge treten. Nurso lassen sich die Impulse für die Innenentwicklungverstärken und Synergien durch regional abge-stimmte Infrastrukturangebote zur Verbesserung der Lebensqualität nutzen.

n Balance zwischen Entwicklung und Erhaltung: DieInnenentwicklung soll einerseits eine zukunftsorien-tierte und bedarfsgerechte Entwicklung von Ortsker-nen ermöglichen und andererseits das baukulturelleErbe als Grundlage der örtlichen Identität und alsEntwicklungsressource bewahren. Die Qualitäts-sicherung bei allen baulichen und gestalterischenMaßnahmen ist daher eine zentrale Herausforde-rung. Ein unvermeidbarer Rückbau muss immer miteinem qualitativ hochwertigen Konzept für die Nach-nutzung oder die Neubebauung des Grundstückseinhergehen.

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Ortskernrevitalisierung und Innenentwicklung sind neueAufgaben und Herausforderungen für die Dorfentwick-lung. Sie verlangt Kreativität auf allen Ebenen und die Be-reitschaft von allen Beteiligten, auch neue, bisher nichterprobte Wege zu beschreiten. Die zahlreichen gelunge-nen Modellvorhaben und Pilotprojekte zeigen, dass sichdie Dorfkerne auch unter den veränderten Rahmenbedin-gungen zukunftsfähig entwickeln lassen. Dazu bedarf esguter Ideen, innovativer Ansätze und vor allem des Enga-gements der Bewohnerinnen und Bewohner.

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Ansprechpartner

Universität Bonn Institut für Geodäsie und GeoinformationProfessur für Städtebau und BodenordnungProf. Dr.-Ing. Theo KötterNußallee 1, 53115 BonnTelefon: 0228 732610E-Mail: [email protected] Internet: http://www.igg.uni-bonn.de/psb/

Ansprechpartner zu Förderschwerpunkten der Integrierten ländlichen Entwicklung:

Bezirksregierung ArnsbergDez. 33 – Ländliche Entwicklung, BodenordnungSeibertzstraße 1, 59821 ArnsbergTelefon: 02931 82-0E-Mail: [email protected]: http://www.bezreg-arnsberg.nrw.de

Bezirksregierung DetmoldDez. 33 – Ländliche Entwicklung, BodenordnungLeopoldstraße 15, 32756 DetmoldTelefon: 05231 71-0E-Mail: [email protected]: http://www.bezreg-detmold.nrw.de

Bezirksregierung DüsseldorfDez. 33 – Ländliche Entwicklung, BodenordnungCecilienallee 2, 40474 DüsseldorfTelefon: 0211 475-0E-Mail: [email protected]: http://www.brd.nrw.de/index.jsp

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Bezirksregierung KölnDez. 33 – Ländliche Entwicklung, BodenordnungZeughausstraße 2-10, 50667 KölnTelefon: 0221 147-0E-Mail: [email protected]: http://www.bezreg-koeln.nrw.de/brk_internet/index.html

Bezirksregierung MünsterDez. 33 – Ländliche Entwicklung, BodenordnungDomplatz 1-3, 48143 MünsterTelefon: 0251 411-0E-Mail: [email protected]: http://www.bezreg-muenster.nrw.de/startseite/index.html

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Notizen

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Notizen

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Impressum

HerausgeberMinisterium für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft,Natur- und Verbraucherschutz des Landes NRWReferat Öffentlichkeitsarbeit

FachredaktionReferat II-6 Integrierte ländliche Entwicklung

FachtextUniversität Bonn Institut für Geodäsie und GeoinformationProfessur für Städtebau und BodenordnungProf. Dr.-Ing. Theo Kötter, Bernd Op't Eynde, Julia Langer

Gestaltungdot.blue – communication & designwww.dbcd.de

BildnachweisAWO Ostwestfalen-Lippe (Abb. 32, 33), BauernhausbörseMinden-Lübbecke (Abb. 9, 12, 17, 36), Christoph Junge(Abb. 30, 31), Dorfgemeinschaft Ebbinghof Johannes Tigges (Abb. 13, 14), DORV-Zentrum Völlinghausen (Abb. 24, 25), © Michael Faust – Fotolia.com (S. 97), Dr.-Ing. Michael Schaloske (Titelseite, Rückseite),Gemeinde Burbach (Abb. 15), Georg Schierling/pixelio.de(Abb. 18), Initiative Pro Bürgerbus NRW e.V. (Abb. 29),Naturhof Beyen (Abb. 21, 22, 23), Professur für Städtebauund Bodenordnung (Abb. 1, 2, 3, 4, 5, 6, 7, 8, 10, 11, 16, 26,28, 34, 35, 37), Verkehrsverein Elkeringhausen e. V. Edouard Leenaert (Abb. 19, 20)

DruckGutenberg Druckerei GmbH, Bottrop

StandMärz 2012

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Ministerium für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen

Schwannstraße 340476 Düsseldorf

www.umwelt.nrw.de