24
KÖLN STADT UND BISTUM IN KIRCHE UND REICH DES MITTELALTERS Festschrift für Odilo Engels zum 65. Geburtstag Herausgegeben von Hanna Vollrath "und Stefan Weinfurter Sonderdruck im Buchhandel nicht erhältlich 1993 BÖHLAU VERLAG KÖLN WEIMAR WIEN

Herausgegeben von - MGH-Bibliothek · ders., Local and Regional Cartography in Medieval Europe, in: The History of Cartography, Vol. 1: Cartography in Prehistoric, Ancient and Medieval

  • Upload
    others

  • View
    4

  • Download
    0

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: Herausgegeben von - MGH-Bibliothek · ders., Local and Regional Cartography in Medieval Europe, in: The History of Cartography, Vol. 1: Cartography in Prehistoric, Ancient and Medieval

KÖLN STADT UND BISTUM

IN KIRCHE UND REICH DES MITTELALTERS

Festschrift für Odilo Engels zum 65. Geburtstag

Herausgegeben von

Hanna Vollrath "und

Stefan Weinfurter

Sonderdruck im Buchhandel nicht erhältlich

1993

BÖHLAU VERLAG KÖLN WEIMAR WIEN

Page 2: Herausgegeben von - MGH-Bibliothek · ders., Local and Regional Cartography in Medieval Europe, in: The History of Cartography, Vol. 1: Cartography in Prehistoric, Ancient and Medieval
Page 3: Herausgegeben von - MGH-Bibliothek · ders., Local and Regional Cartography in Medieval Europe, in: The History of Cartography, Vol. 1: Cartography in Prehistoric, Ancient and Medieval

KÖLN, DAS REICH UND DIE ÖKUMENE (800-1475)

ANNA-DOROTHEE V. DEN BRINCKEN

1. MITTELALTERLICHE UNIVERSALKARTOGRAPHIE IM REICH

Die mittelalterliche Karte, für die seit dem 9. Jahrhundert die Be- zeichnung mappa munde' gebräuchlich ist, hat im frühen wie im hohen Mittelalter den Raum als Ganzes zum Gegenstand, denn mundus, Welt, ist in der Vulgata stets die Übersetzung für Kosmos, Welt im weitesten Sinne. Erst im 12. Jahrhundert beginnt man im. Abendland, einzelne Regionen für die Detaildarstellung auszusondern2. Praktische Weg- begleitung und Reiseführung waren ebensowenig Aufgabe der Karte, wie sie auch keinerlei Vermessung unterlag; vielmehr diente sie vor allem dazu, die Lage der Orte zueinander zu skizzieren und dies vor- nehmlich für Schulzwecke. Insofern entwickelte sich die Kartenkunst unabhängig und war nicht an besondere landschaftliche Voraussetzun- gen gebunden.

Dennoch lassen sich im mittelalterlichen Europa durchaus Länder ausmachen, in denen die Kartographie besondere Pflege erfuhr. Hierzu rechnen im Frühmittelalter vorrangig die Iberische Halbinsel von Isidor von Sevilla über Beatus von Liebana und Theodulf von Orleans bis zu Petrus Alfonsi, im Hochmittelalter England von der Cottoniana über Heinrich von Mainz als Maler zu Honorius Augustodunensis, der Oxforder Karte des St. John's College, Matthaeus Parisiensis, der

1 Erste Belege sind aufgelistet bei P. Lehmann, Mittelalterlicht Bibliotheks- kataloge, Deutschland und die Schweiz, Bd. 1: Die Bistümer Konstanz und Chur; Mün- chen 1918, Repr. 1969, Nr. 49, Reichenau 821/822, S. 82 Zeile 13 und Nr. 19, St. Gallen 883, S. 87 Zeile 23.

2 P. D. A. Harvey, The History of Topographical Maps. Symbols, Pictures and Surveys, London 1980, hat sich als erster Kartographiehistoriker eingehend mit der Regionalkarte des Mittelalters befaßt vgl. ders., Local and Regional Cartography in Medieval Europe, in: The History of Cartography, Vol. 1: Cartography in Prehistoric, Ancient and Medieval Europe and the Mediterranean, ed. by J. B. Har1ey and D. Woodward, Chicago/London 1987,464-501; A: D. v. den Brincken, Karto- graphische Quellen. WWWelt-, See- und Regionalkarten (Typologie des Sources du Moyen Age occidental, Fasc. 51), Turnhout 1988.

Page 4: Herausgegeben von - MGH-Bibliothek · ders., Local and Regional Cartography in Medieval Europe, in: The History of Cartography, Vol. 1: Cartography in Prehistoric, Ancient and Medieval

702 Anna-Dorothee v. den Brincken

Psalterkarte, der Hereford-Kane bis u. a. zu Ranulf Higden sowie im hohen und späten Mittelalter Italien von Guido von Pisa bis zu den zahlreichen Großkarten des 15. Jahrhunderts. Die Vorrangstellung die- ser Regionen hängt zweifellos mit ihrer Abhängigkeit vom Meer zusam- men und wird auch nicht von der höchst bescheidenen nautischen Akti- vität des abendländischen Mittelalters eingeschränkt.

Das Reich hatte wenig Anteil an der Kartenkunst. Da die mittelalter- liche mappa mundi nie politisch orientiert war, war auch das Ansehen des Reiches kein spezielles Motiv für die Kartenherstellung. Daher hat das Reich nur wenige Gemälde aufzuweisen. Vorrangig möchte man hier die Ebstorfer Karte erwähnen. Aus Randzonen des Reiches kom- men im frühen und hohen Mittelalter sonst nur der Palimpsest aus St. Gallen und die Karten des Liber Floridas, im 14. und 15. Jahrhundert wären das Wiener Kompendium, Simon Marmion, Andreas Walsperger und die Borgia-Karte zu nennen3. Alle diese Werke stammen aus be- deutsamen Schulen. Darüber hinaus aber konnte das Reich keinerlei Führungsrolle in dei Kartenproduktion beanspruchen, es war nur zwei- fellos begünstigt von den Möglichkeiten, früh an einer Rezeption teilzu- haben.

2. KARTOGRAPHIE UND KÖLN

Fragt man nach der Kartographie in Köln, so stellen sich hier die Verhältnisse ganz analog denjenigen im übrigen Reich dar.

Als Verkehrsknotenpunkt mit einer in die Römerzeit reichenden Vergangenheit blühte in der geschichtsträchtigen Metropole wiederholt ein beachtliches Bildungswesen; es hinterließ auch Spuren in der Pflege der Kartographie; aber ausgesprochene Kartographieschulen gab es in Köln ebensowenig wie im übrigen Reich.

Betrachtet man zunächst einmal das umgekehrte Verhältnis, nämlich Köln auf Karten, auch auf Weltkarten, so schneidet Köln über- durchschnittlich gut ab4: Es ist häufiger belegt als Mainz, von Trier ganz

3 Neuere Zusammenstellungen von mittelalterlichen Karten u. a. bei D. Woodward, Medieval Mappaemundi, in: The History of Cartography (wie Anm. 2), 359-367; v. dcnBrincken, Kartographische Quellen (wie Anm. 2), 54-57; dies., Fines Terrae. Die Enden der Erde und der vierte Kontinent auf mittelalterlichen Welt- karten (MGH Schr. 36) Hannover 1992, XV-XXVI.

4 K. Mi 11 e r, Mappae Mundi. Die ältesten Weltkarten, Bde. 1-6, Stuttgart 1895- 1898, legte die erste umfassende Sammlung und Darstellung der lateinischen Karten des Mittelalters vor, die auch heute noch von großem Wert ist; denn sie entstand aus dem Bestreben des Verfassers, die antike Kartographie aus ihren mittelalterlichen Resten zu

Page 5: Herausgegeben von - MGH-Bibliothek · ders., Local and Regional Cartography in Medieval Europe, in: The History of Cartography, Vol. 1: Cartography in Prehistoric, Ancient and Medieval

Köln, das Reich und die Ökumene 703

zu schweigen, häufiger auch als Paris und London, rangiert gleich hinter Rom und Konstantinopel. Der Grund hierfür liegt einzig und allein in der Verankerung der mittelalterlichen Kartographie in der Vor-

stellungswelt der Antike, wie sie offenbar in bestimmten gängigen Ver-

sionen der römischen Straßenkarten festgehalten war; hingegen dürfte die Heiligkeit Kölns noch keine Rolle gespielt haben, schon gar nicht die Eigenschaft einer Kaiser- oder Reichsstadt5.

Ein eigenes Selbstverständnis entwickelt Köln hier erst am Ausgang des Mittelalters, wovon unten die Rede sein wird. Diese Beobachtung

gilt für die Städte im Spätmittelalter generell, weil sie sich ihrer Bedeu-

tung bewußt werden. Um den Standort Kölns in der Rezeptionsgeschichte ausfindig zu

machen, wird man zunächst einmal Marcel Destombes Repertorium

mittelalterlicher Weltkarten6 konsultieren; man findet 'im Verzeichnis der Lagerungsorte von mappae mundi Köln nur ein einziges Mal nach- gewiesen mit einer noch vorzustellenden frühen Macrobius-Karte. Den-

noch ist die Ausbeute bei näherem Hinsehen nicht so armselig, wie dies im ersten Augenblick erscheint. Köln verfügte stets über ein funktions-

tüchtiges Schulwesen; zumindest seit der Karolingerzeit galt der Dom

als Zentrum des geistigen Lebens. Da bei vielen älteren Bänden der Dombibliothek die Zugehörigkeit zum Bestand des Erzbischofs Hilde- bald in den Handschriften eingetragen ist, kann man daraus das lebhafte

rekonstruieren. Für die Legenden der Karten sind Vorlagen aus der Literatur und Kartographie namhaft gemacht worden in den Nomenklaturen der einzelnen Karten. Einen tabellarischen Überblick dazu liefert A. -1). v. denBrincken, Mappa Mundi

und Chronographia. Studien zur imago mundi des abendländischen Mittelalters, in: DA 24,1968,164, Tabelle IV.

5 Hier hat D. Lccoq, La Mappemonde du Liber Floridus ou La Vision du Monde de Lambert de Saint-Omer, in: Imago Mundi 39,1987,34, die Funktion des mittelalterli- chen Köln um 1112-1115 doch sehr überschätzt und fehlgedeutet: Et Cologne - pourquoi Cologne? - la grande metropole religieuse des fiords du Rhin, avec ses abbayes, ses eglises, Saint-Gideon (1), Sainte-Ursule, Saint-Severin, Saint-Cunibert, Sainte-bfarie du Capitole, Saint-Andre... Cologne, la cite imperiale oti sont couronnes les empereurs germaniques, oft ä cinquante ans de lit Rainald de Dasse4 diancelier imperial et archeveque, fera transferer les reliques des Rois Mages. Vgl. auch dics. entsprechend: La Mappamonde d'Henri de

Mapence ou l'image du monde au XIIP siecle, in: Iconographie medievale. Image, Texte,

Contexte. Sous la direction de G. Duche t- Suchaux, Paris 1990,194: De la

Genmanie reduite ä sa plus simple expression, il ne reste que 1 Alemanie et les deux grandes

villes imperiales de Cologne et de Mayence..., bezogen auf die Zeit 1109-1110. Zu Beginn des 12. Jahrhunderts kann mit dem Begriff einer Reichsstadt noch gar nicht gearbeitet werden, aber auch den einer Kaiserstadt kann man nicht vertreten, da weder Köln noch Mainz Krönungsort sind. Eher handelt es sich um die Renaissance of the 12th Century"

(Haskins). 6 M. Destombes, Mappemondes A. D. 1200-1500 (Monumenta Cartographica

Vetustioris Aevi I), Amsterdam 1964.

Page 6: Herausgegeben von - MGH-Bibliothek · ders., Local and Regional Cartography in Medieval Europe, in: The History of Cartography, Vol. 1: Cartography in Prehistoric, Ancient and Medieval

704 Anna-Dorothee v. den Brincken

Interesse der Kölner gelehrten Welt an Geographie und Kosmographie ablesen. Die heute noch verfügbaren rund 100 Handschriften der Bi- bliothek aus dem ersten Jahrtausend bzw. der Zeit der Jahrtausend- wende legen eine beredtes Zeugnis vom geistigen Leben im Kölner Raum ab7.

3. DIE KAROLINGISCHE SCHULTRADITION

Die erste Blüteperiode mittelalterlicher Bildung und Schultradition ist mit dem Schlagwort

�Karolingische Renaissance", mit der Hofschule Karls des Großen und ihrer Ausstrahlung durch Erzbischof Hildebald8 in den Kölner Raum verbunden. Hildebald, bereits vor 787 in Köln nachweisbar, ist vor der Jahrhundertwende maßgeblich an der Neu- organisation der Kirchenprovinz beteiligt und regiert bis 818. Seit 791 wirkt er als Nachfolger Angilrams von Metz an der Spitze der Hof- kapelle Karls und gehört damit zum engsten Beraterkreis als Führer der Geistlichkeit im Reich, eine Stellung, die er auch unter Ludwig dem Frommen zu wahren versteht. Zeugnis seiner vielseitigen geistigen In- teressen gibt der Handschriftenschatz der Kölner Dombibliothek, deren besonderer Förderer er war: Zwölf Handschriften tragen noch heute den Hinweis auf ihn9, weitere wurden im unmittelbaren Umfeld erstellt.

Eines dieser Manuskripte mit dem Vermerk Codex Sancti Petri scriptus sub pio patre Hildebaldo archiepiscopo ist der Codex 831110, eine

7 P. Jaffe et G. (=W) Watte nbach, Ecclesiae Metropolitanae Coloniensis Codices Manuscripti, Berlin 1874.

8 Vgl. Die Regesten der Erzbischöfe von Köln im Mittelalter, Erster Band 313-1099, bearb. von F. W. 0ediger, (Publ. d. Ges. f. Rheinische Geschichtskunde XXI), Bonn 1954-1961, Nrn. 82-139,35-47; auch W. Schäfke, Hildebald, in: LexMA 5,1991, Sp. 10 f. mit Literaturhinweisen.

9 Vgl. Jaff e/ Wattenbach (wie Anm. 7) passim; über die Hildebald-Bibliothek eingehender zuerst A. D ecke r, Die Hildebold'sche Manuskriptensammlüng des Köl- ner Domes, in: Festschrift der dreiundvierzigsten Versammlung deutscher Philologen und Schulmänner, Bonn 1895,215-251; jüngst W. Schmitz, Die mittelalterliche Biblio- theksgeschichte Kölns, in: Ornamenta Ecclesiae. Kunst und Künstler der Romanik in Köln. Katalog zur Ausstellung des Schnütgen-Museums, hg. von A. Legner, Bd. 2, Köln 1985,137-148, bes. 138 ff.; I. Jeffre, Handschriftliche Zeugnisse zur Geschichte der Kölner Domschule im 10. und 11. Jahrhundert, in: Kaiserin Theophanu. Begegnung des Ostens und Westens um die Wende des ersten Jahrtausends. Gedenkschrift des Kölner Schnütgen-Museums zum 1000. Todesjahr der Kaiserin Theophanu, hg. von A. v. Euw und P. Schr einer, Bd. 1, Köln 1991,165-171 mit Literaturangaben, 165 Anm. B.

10 Jaffe/Wattenbach(wie oben Arun. 7)29ff.; dazuA. v. Euw, Liturgische Handschriften, Gewänder und Geräte, in: Ornamenta Ecclesiae (wie oben Anm. 9) Bd. I, 392 und 421; Jeffre(wie oben Arun- 9), 165.

Page 7: Herausgegeben von - MGH-Bibliothek · ders., Local and Regional Cartography in Medieval Europe, in: The History of Cartography, Vol. 1: Cartography in Prehistoric, Ancient and Medieval

Köln, das Reich und die Ökumene 705

Sammelhandschrift zur Komputistik, Chronologie und Astronomie mit Auszügen aus den Schriften des Hieronymus, Isidor, Beda und Aratos, reich bebildert, u. a. auch mit Diagrammen und kunstvollen Schautafeln ausgestattet.

Die Handschrift bietet ab fol. 126 einen Traktat unter dem Titel Liber rotarum, ganz offensichtlich eine Verschreibung von Isidor, Liber de natura reru1n, vielleicht wegen der vielen kreisförmigen Graphiken sogar bewußt als n Buch der Räder" bezeichnet. Auf fol. 130v findet sich eine auch sonst aus dem Bildprogramm von De natura rerum bekannte, arg mißlungene Zonenkartell, auf der die als quinque circuli bezeichne- ten Klimagürtel der Erde nicht als Segmente auf dem Planiglob erschei- nen, sondern gleichsam als fünf runde Knöpfe aufmontiert wirken.

Eindrucksvoller ist eine andere Isidor-Karte derselben Handschrift, die sich fol. 82 bei den Osterzyklen findet und die einen Begleittext illustriert, der fast wörtlich mit Etymologiae XIII, 6 übereinstimmt und gleichfalls die fünf Klimagürtel zum Gegenstand hat12. Hier ist bei der Gestaltung des Bildes der Versuch unternommen, die Sphärik unseres Planeten zum Ausdruck zu bringen. Die Karte ist vielfach zum gleichen Text belegt13. Zugleich liefert das Blatt ein originelles Zeugnis über den Geographie-Unterricht an einer deutschen Domschule im karolin-

gischen Zeitalter, weil die Handschrift sich wegen historischer und chronologischer Notizen sicher in die Zeit zwischen 798 und 805 datie-

ren läßt' , andererseits die Karte von einer weiteren Hand Zusätze

erhielt, die ihrem Charakter nach gleichfalls noch in die Karolingerzeit

gehören15. Diese originelle Zonenkarte ist nicht in der üblichen Art als Planiglob

in die fünf Segmente für die Zonen zerlegt, sondern macht den Betrach- ter glauben, er studiere die Erdkugel von einem erhabenen Punkt hoch über dem nördlichen Polarkreis. Unter sich nimmt er die vollständige Kuppe der Arktis ins Visier, die unwirtliche und unbewohnbare Zone am unteren Rand des gesüdeten Bildes

11 Entsprechend auch in Dis. 99 der Dombibliothek aus dem 11. Jh., das an vierter Stelle, fol. 53 ff., De natura rerum liefert, bes. Abb. fol. 61v, dazu J'a ffe/ Wattenbach(wie oben Anm. 7), 37f.

12. Abb. 1. 13 Vgl. z. B. Paris, Bibliotheque Nationale, Ms. Lat. 4860 fol. 166v und Basel, Öffent-

liche Bibliothek der Universität, Dis. F. III. 15k fol. 64, verzeichnet bei Destombes (wie oben Anm. 6) sect. 3,13 und 3,1, S. 32 und 31, beide dem 10. Jh. zugehörig; Abb. bei Y. Kama1, Monumcnta Cartographica Africac et Aeg}pti, Cairo 1926-1951, verkleinerter Nachdruck hg. von F. Sezgin, Frankfurt 1987, fol. 551 und 515.

14 Vgl. v. Euw(, wie oben Anm. 10), 421. 15 1effre (wie oben Anm. 9), 165.

Page 8: Herausgegeben von - MGH-Bibliothek · ders., Local and Regional Cartography in Medieval Europe, in: The History of Cartography, Vol. 1: Cartography in Prehistoric, Ancient and Medieval

706 Anna-Dorothee v. den Brincken

CIRCULUSFRIGORE INHABITABILIS, QUTA VERTICE POLT SEXTO MOHERCHRUM (! ) SPACIO DISTAT SECUNDUM ASTRALOGUS (! ), darüber die nördliche gemäßigte und mithin bewohnbare Zone CIRCULUS INTER FRIGOREM ET CALOREM HABITABILIS, dann die heiße Äquatorialzone CIRCULUSARDORE TORRENS ETINHABITABILIS, darüber die südliche gemäßigte Zone CIRCULUS INTER FRIGOREM ET CALOREM HABITABILIS und ganz am oberen Rand die antarktische Zone CIRCULUSAUSTRALIS QUEM (! ) FRIGORE INHABITABILIS.

Aus der Sicht des Betrachters annähernd mitten auf der Kugel, mit- hin auf der nördlichen Halbkugel, findet sich eine im Bild kreisrund gestaltete Fläche aufgeheftet, an deren oberem Rand - die Karte unter- liegt der Südung! - Aethiopes, in deren Norden am unteren Rand Rifei Montes ausgewiesen sind. Ganz offensichtlich symbolisiert dieser Fest- landsflecken die bekannte Ökumene in gesüdeter Form, denn Aethiopes bilden stets das südlichste bekannte Volk auf mittelalterlichen Karten, Rifei Montes aber sind das Gebirge im hohen Norden, das nach den heftigen, dort üblichen Windstößen benannt ist und hinter dem sich die Sonne bei Nacht vom Westen zurück in den Osten bewegt, von dem auch alle großen Flüsse, die nach Süden fließen, ihren Ursprung neh- men, so angeblich die Donau und der Rheintb.

Der das Bild begleitende Text ist eine Variante von Etymologiae XIII, 6 und lautet: In hac rota sunt quinque circuoi. Inde Isidorus tractavit, ait: Zona (! ) caeli quinque sunt. Quaedam partes temperatas, quaedam immanitate frigoris auf caloris existent, quae ideo zonae (! ) circul appellamus eoque in circumdectione spere existunt. Primus circ ulus araicus ab Araon side- re dicitur septentrionalis frigides inhabitabilis. Secundus exinerinus (eximerinus? ), hoc est bestialis (hestialis? ) tem- peratus habitabilis, qui solisticialis estualis dicitur. Tercius eximerinus, quod latine a die diurnus dicitur,

equinoctialis torridus inhabitabilis. Quartus antarcticus, id est contrarius circulo, qui antarcticus (! ) nominates, et hic dicitur eximerinus temperatus habita- bilis. Quintus hiemerinus, id est hiemalis sive brumalis, quia hie-

16 F. L ass err e, in: Kleiner Pauly 4, dtv-Ausgabe 1979, Sp. 1417-1419.

Page 9: Herausgegeben von - MGH-Bibliothek · ders., Local and Regional Cartography in Medieval Europe, in: The History of Cartography, Vol. 1: Cartography in Prehistoric, Ancient and Medieval

m %NIM

a

;. V l"r. ýl. rrna: l'1: "picaýer. i. r. -ý rýý .

ý' "r.

V

7111 iMtt's'. sG('st. r-f»: s ýa CtT. CV ...

r. -

yi ý+. '"

r't": u"rL. ntý". lttýYir" . ýu: -j. '1C7GCT. f __

rw " ' ýtr u., ti"ý.. ý ^ý"

TýlýAbý'S=ý"1b711K ý' .`ý :5t,

ris" i"' Ip.. cr d. ýý ý .-ý-" r'yi, { , ýý SCn " "ýý . -. "! w ýt7lalttýi"lLt'ý+oýt

_ ",. "

ýfý1luý"d: i Psi;., ol.. -`^'' 1TOm iS aUýe-lCýý, 7cv .r <i_

"2"lliýuotlKý^7. itcýýl rAGr1U`T1T

Yý\: "

tlil"T1u.

ýýi b9unto.: taýh'-; ýtýt-t 2%YTX- SC-CON `ýtý-: =, r"ýs-ý.. ttý-, dý- ý. ýý-fu ýü-ýý qu

t-. -niurnm>ýnctut- G. i, telutiuT- &-im ejý! nýi. rýýº`t``ntr', ti

illy u,

ýaqutl-a�ý, ºý_ý-utý":. ä

t,. 1"tý ý. corn -may, -c9? TrAr-

.. - 1'

... j.

_ -; ".

-" '- ... '� ,

Abb. 1: Sphärische Karte zu Isidor, Etymologiae XIII, 6, Dom- bibliothek Köln, Ms. 8311 fol. 82, um 800

Page 10: Herausgegeben von - MGH-Bibliothek · ders., Local and Regional Cartography in Medieval Europe, in: The History of Cartography, Vol. 1: Cartography in Prehistoric, Ancient and Medieval

ý-----�

0-

0-

0N= = 4

--

O= (ýi--

S= VJ =

O=

O= Ö=

O= 0-

O= 0=

n_1ý=. " i_ i+ý =-'ý- --i+a ; tr'ä-; i"" ý. ýLý, (ý ,; :t ýý, iorrý-v ý .... ý

5Y=; r-- r -°w> ý- - ?ý "K ýtr7 - ý_. *

"1 .. j^yg' r" . r`ý . ?^ "^ ýtrý" ; ý1_ s:.. ýýi^tý=

i ý. _ /"-ýr? -''T _ -t a. '-

ii,? -.. ý.. r

ý..... Ls.. j. -.

jýa Y2. v. s. ý_ý -"ý1 ws. J... °?? ' "i ý p-ý`fjý'ýý,.. "^. 3.7. nat. ý ýý 7i . 1ý. ., a. ý".. Lw«. ýLý ) "4"ý. ý ". '

ý

=ýw. +«"ý_'t. ýw . ýý: ý. ~ý, rr"y. ` 3ax,.. yfr. "iý ,. w. ýwlý : +. - v -_ .. _i, i... ai'ý..,.... ý?. is). 4, -kw".,,..

7ý. .... SýTý`li.. ^. -w.;,

y "a, =' aýy"" = f°". . _.,.., yit<, i. zuJ ý. ý7". ý1j üs -' ±" v ; . =sýºulý-_7ý ý.. ýýý .. aýý2ý"pýý.. ýrý. ýi ý..: ý ý_ý ý

. : r=. ý. ýý'-t

,T ýý , iP_ ýi.

i, "_ r

, _. r�f.,..,.: - =i... .... w...... _, 1.. -c. «- "` -ýf.....:.... "'! "f'( .iy...... ýýh:. r.,.. ý ix? r". _r V'-- ý o-

'. "_ ;:.. _?., ý Zý" ý". Ifn. , wn. j. ý-"i3^-... wý..? G}ni. r; . n+ý^p.. rt p,. ^. r..

',... V ý_-_'S.?

irlir" ý.. _ . wy... «. ý_ . -. a; ýTll.. -... I... r". '

g

.Q_ ý^Y:.

7. iý. +r. -"_`-ý«ý''t"-ý =?.... r+-.... ý.. ý^. " -ai .: J. ý.. .+ .... _ -. 'ý. ('ý..... ... . _. _. _)_.

. a.... ý. vý 4

0

Ka. V r. i"K"[: J-. rt J+ ý Ji ". .- --. 1 ý,..... .. ýy. V.. jsý"s`. ýr`-r 11ý..

ý.. rý

rý, äf. J!

"3--"r,. ý.. _t"}.; _wL"""n7"ci: ''' °'t' 9.7.4'ýl.. ýr_. JJ.,. `1.

+i. ý '"ýýä.. Jrn. rl. ý. c }"ý,.. iý 1' ý ary .. aae"n. 'ý. ' --'ý'

=4a. ri. "c: P-tvr". Ld. _rJCý.. týý". L "`n` ý.

wJ7 Z '-1"ý"ý {ý't"ri. jr. _a. s ý.. . .. Y eR. r_'ýL `+ml. ý ýrlrý-'a'«c.. E, _`ýý. <i: Viii . irvý. _ ""((}f..

n J. ý ý.. i{t _ý - :,

ý. ý; ý. ý, r ý, �.. i ý, tro>ýi_ . ,. ý. ý. ý, J., i. ý. _. u _r. a.. rý ý" ___'ý_ ýý'`r--ý'ý '¢sý . s. «uý. ý". - . 'ýi,.:. -'ý2r:. _ .ý'. ^-. ''t- `ry"^+" {T'". ý.

ý .:.. u cýý+''i}°iY"ü: "n. c>rý; ýi

ý". n..; {, aiw. Ji'1J'"ýJJ +cLCýncý . s-ý. ýý.. ý,. ýaJ"iý.. y. ý", J/ rV . -[v).. cl . +c+"""ý-i. rrytl"twr: J2t-r?. ýcý. ". ýý Iý

"ll. aMý 1"

1 +ýv, "ý ý''x"ý

JJ''ý" ý"ýVJýý: iJ; jif`Lw. w.

T-. _Lf

V ý. 'ýj''", ýýI. ý

ý

tr. l. ý1°tRCýýý 4ýy.

{y. fýL )) ,.. tý,. cVC ar_+ýrý..

""I`7'-'L ýý1'T"ý+LSCý ý""1-`"lý: cs^`'ý.,.

W r�r

aK-'"ýy. "ryrýý., lýý. t1.7".. ti., H... ý ,. Jt ]c y Le , Rlr.

ýý ý . iL; {'F+r_iL: " '°'9, J 's+tý"""-

`y ý«ý. rU .. ý, a... ýv. K, Jý L`ýr J. "1. " o. _c,

" ^ =ti' S ll"' 1 ýý,. '*-+7.15; IfýL uCr. y_byJ {fýýu. c....,..; "i'"+; ý ýla °J-sýr" ol. n ý. rýrr S.

ZF yv i«ý `v' . ý`ýS±v ""r. L1. ' 4ý rJ. ýýa�n{: -ý rj "+l'`: "`

ýý^'ý,, A ý "ý

w'bJrvý. " "! N"^ý-Mi.. ýý. ýxa.

ýý J., Jr. `yÄ{9ml"". +ýý' , '6f"-i5it L4)ýyý.... "ZLL, ""y ý

J °. ý .ý1

j"w. ýýý"°'.

" ., a"vý11-6r. v1jJ""t. +ý "'ý. -" r....,.... v. ý _" ý

ý"e-ý'r"r_1KH 1y ltl: "L' yý 7T . Y^="w'ý'c'ri1,,...... UiL ý {f.. n ý,, 'ý0

" ý. ý'ý

J ^ti: s... +. r�ý. ". nJ `. "T. {ýý... "`y"ýý"..?.. «c"

ý. u":. ': 'il ""

1"ýý`+'ý-ý '}. 'Y.: '"yýJ ýi ý'7r"ý"eý-Jý' W°j""_. ys{. ýe.. w.

.. "af"ý° "L_"i. +.. tS ýý . "iý ý. J. r"e', ý, {ý J.... "Cýý

ýr'. ý. +. r"ýwca,,.... ýit . ýj... y _'^ýS"ý"°]"J.. 1ý1.. ý" . w. w, uL''ý. '"4_"

.

ý..

ýý

. ". výA. tl u. l)""s_aý-

" "' ""_ ;ýý =ý. ýYt. u" ýY ""i""'.. Lf r. Fý '^f. t :

ý"wFl. u`wF

... ýS_....

_". ý. ý..

. ýýL ..

1a+.. w1Y V""1 r- ----ý-- , ý: ý-. -- - -- -M -- ýýýý

"- '-`-' "' : '_'7 ý _S-ý"_"-. `. 1. ý. 4. ý

-- ýýý .

ýrt` :" 3ý �'ý', i: > aý +ý, _. j . ý. i. ý-; 'T-'ý-".? K: ,. ý. ýM-tý.; ti

ý ... ._ wp_ f. ýY-,.:. ý.. xý-3ýt-. yr., i�h.. L""ýLU ý"^`ýt

.. ýiýs.

-ýa... s..: r,. ý. "ý. 1t,... ý:

ýrsý7. +a. ý.... ýc.. r. a}, i�w. ýrn. ýý, rn . : t. ,---.. _ -, Fsa ý+. 71ýi... L = .., , ý. "1tý ä wý "ý-_ý a . c1

w ..... ýL_

ý. trýt ýý"-äi'ýyw. ir

". -ý ýj r"e.. 'iu-"+`. 3z.. 'sy`ý+-L1Lý,

ca.. r .. snt «s. ý:. k. Mýa ýs. "üA aýJ "ý' =7 : 17 t"ti, ` ^`ý l: 7 "" ý", ý^ýZ. ý..

'-i">, jý

. ý..., )7. ý.. s.: ý . ýý ta..,... _.. ý. _ ý a. srýs_"1eY-^^ýý"r'a"7, I:

I -.

-- ý- --., ýý,.. -- a- ý -ý_ýýý, --" - -, r. - ý..., c: ".. _ý. K±.:., t-ý.,.... c-zx. tr. .... ý ýý. y.; ý... 1 ý, tortr4ý. ý-

Abb. 3: Albertus Magnus, De natura loci, Autograph mit Kartenskizze, Wien, Österreichische Nationalbibliothek, Ms. 273 fol. 151v

Page 11: Herausgegeben von - MGH-Bibliothek · ders., Local and Regional Cartography in Medieval Europe, in: The History of Cartography, Vol. 1: Cartography in Prehistoric, Ancient and Medieval

Abb. 2: Macrobius-Karte, Köln, Dombibliothek, Ms. 186 fol. 74v, 9jh.

Abb. 4: T-Karte des Heinrich van Beeck im Autograph der �Agrip-

pina", Historisches Archiv der Stadt Köln, Ms. Chron. u. Darstl. 19 fol. 9v, 1469

Page 12: Herausgegeben von - MGH-Bibliothek · ders., Local and Regional Cartography in Medieval Europe, in: The History of Cartography, Vol. 1: Cartography in Prehistoric, Ancient and Medieval

/Iý1 ` )) ýýýKHý a. usj iý cvyk i'V.

ýtýa: 1v- 1ar t.

L. q. y,

o, n'iýr"., f, ý. M't ýjýfý'gzuyfnýfw... ýKco.. s. "ý.. d. Fý.

ý

' L')11 ý

1hý4 / ý. '1 ýýv tºa.:

i.. ý

,.. cº eýýfi... iu'ro. 1

.... ý ýNh.. Nd. ý. u

7J=W 7uAlý'Net tutý

-- --- ------ ý-"-ý / ti+ ýrK äN hcvac ý-

. ul: ýl.. Nq ýiO` r. i" ý"ajný! ý+lär. a`)wi'c v+N9asL'q"

. ¼1/% t rNS: &P eC6, < ý- n

, \n.. ' Fvw Na+vNatt, ý A.. -A... ä C-s ']' "'M`/ý ORK lý'ýý/ iWC: l-

`.. t. u .,, NSc uro: Ni1 ,,, UýFýt%iýin9sy(ý. öu

M' ? V. %t J{ýI+

ýM \it<y t"a(1'. K T'+ ý'3y+.. ru !

h7v+l"K . Lz

y rvvl'r! �N/&ü

,h Yth,. / } v{r,.. t, t ýi+N a VPtt., 'C

;,.: k: ificlt, '

ý.... 5. ' ý .

ýC, y ýs, tý. r, <. ý h. ý*t,

-. /ý`b;,,,,.. 4- "c. ý ýi -. . 7.,

c.

vk%w iýcqir

frvvrrý.. ý

ý%.: v. f. yi.:, siy =ýý.. ýN. t, ý`tb1ý+/"aroºý ýti.

ry9c.

v+a.. `t

"'X I

`.. J ., -.. ý IIr

^

'ý`ý"ý-- ý

ýp. ý ý.. I,. < ... F. e, }.. r,.. r 1.. ý :. ý..... " Irý`"i G. ýj. ý-.

ý Jý},:., . r. l,. "" ,

: r. (.

't.. ',.: e 1. ý. --[.

.ý r«»..... ý e... ý - ve. .. ? 4r-; -

ýý . ro-,... ý" Y.:.:: aý4. wfýi1ýý1

: ýr.....,. U:. ,.....::. 1: « .. t "f r. »ui. _. . «....... 1k

,. _Ll '_ý ý,. _ýý.,. ýýý 7 : ýý "w rº---: 7-Y ^ý: -r; ýýý ýi.

. ý--- W L.

*. " .. r..

ý aýf rd. ý

..:. I.. c 60i+1 p -{1t-" "7+ -r

i4i1 ýý . s.. w 1..... .. -ýr-30 6

....: ý.. F . ,.. ý. t-ý. < ý.

,..:. ý. r, . ý... > w "- ý+"" ,,., '.

". ý.

... ý-ý r. "býýýpý.... ý. ý.

ýý. 6_. ý. 11

MOST ly -uff aklý4+. tiM }17 . "«A^^ý

J. l Y<ý rýý.

(Qn_<. 1i 0. ºfnl'l ý<t_(f( <... ýs.. ý/ß. ý"ý

Abb. 5: Ökumene-T-Karte des Heinrich van Beeck zur Besiedlung Eu- ropas in seiner Chronik Agrippina", Historisches Archiv der Stadt Köln, Ms. Chron. u. Darst. 20 fol. 9,1469-72

Page 13: Herausgegeben von - MGH-Bibliothek · ders., Local and Regional Cartography in Medieval Europe, in: The History of Cartography, Vol. 1: Cartography in Prehistoric, Ancient and Medieval

Köln, das Reich und die Ökumene 707

mein non (! ) facit, qui ad aquilonem sunt, estatem autem his, qui ad austrum commorantur.

Man irrt gewaltig, wenn man diese nicht immer verständliche, auch von Fehlern entstellte Lehrbuchseite für erstarrte Tradition hält, die gewissermaßen versehentlich in einen Prachtcodex geriet. Erläuternde Zusätze von einer anderen Hand der Karolingerzeit unten links auf der Kugel belegen vielmehr, daß diese Schautafel im Unterricht benutzt und interpretiert wurde. Das 13. Buch von Isidors Etymologiae hat mundus zum Gegenstand, die Kosmographie, während das 14. Buch mit terra, der bewohnten Welt, bekanntmacht: In XIV, 5,14-16 sind zwei Aethio- piae als Ende der Ökumene im Süden vorgestellt, gefolgt von dem vielzitierten Satz'7: Extra tres autem partes orbis quarta pars trans Oce- anumn interior est in ineridie, quae solis ardore incognita nobis est; in cuius finibus Antipodes fabulose inhabitare produntur. Im gleichen Buches erscheinen Riphaei 7nontes nach den Hyperborei montes Scythiae, sie stoßen an die äußersten Enden Germaniens und wurden nach den andauernden Windstößen benannt. Auf der Karte hat besagte Hand daher nachgetragen: Riphei inontes in capite Germanie sunt a perpetuo ventorum flatu no- minati, nam rifen grece impetus; Germania propter gignen- dorum populorumn dicta sequitur in Isidoro in ethimologiarum...

Auch die hier vorgetragene etymologische Deutung von Germania ist natürlich Isidor entnommen19. Ein Lehrer der Domschule zu Köln in der Karolingerzeit erstarrte mithin keineswegs vor Respekt bei Benut- zung dieser Handschrift und Interpretation der Karte, sondern versah sie ungeniert mit Kommentaren, die dem geographischen und ethno- logischen Verständnis dienen sollten, damit die Schüler oder Benutzer den eigenen Standort in Ökumene und Kosmos erkennen sollten.

Während das Bildmaterial der Handschrift 8311 die Karto- graphiehistoriker noch kaum beschäftigte, findet sich im Repertorium der Weltkarten von Destombes eine andere Weltkarte der Karolingerzeit als einziges Kölner Zeugnis, eine Macrobius-Karte aus

17 Etymologiae XIV, 5,17 ed. W. M. Lindsay, Oxford 1911. 18 Ebd. XIV 8,8. 19 Isidor, Etymologiae XIV, 4,4, ed. Lindsay: Terra dives virum ac populis

numerosis et inmanibur unde et propter fecsmditatem gignendortun populorum Germania dicta est.

Page 14: Herausgegeben von - MGH-Bibliothek · ders., Local and Regional Cartography in Medieval Europe, in: The History of Cartography, Vol. 1: Cartography in Prehistoric, Ancient and Medieval

708 Anna-Dorothee v. den Brincken

dem 9. Jahrhundert20 in der Domhandschrift 186 fol. 74v, die auch sonst in der Literatur bereits bekannt ist21, erstellt offenbar in der unmittelbar auf Hildebald folgenden Zeit22. Der Codex enthält die Arithmetik des Boethius und den Kommentar des Macrobius zu Ciceros Somnium Scipironis. Die Zeichnung wirkt unfertig, sie gehört zu den ältesten Macrobius-Karten schlechthin. Sie zeigt eine Erdkugel als genordeten Planiglob, dessen Durchmesser 15,7 cm beträgt. Während eine Gestal- tung der südlichen Hälfte völlig fehlt, kann man auf der nördlichen gemäßigten Zone im kalten Polargebiet Eurasien ausmachen, auch das Mittelmeer im Westen und eine Meeresbucht im Osten, von der man nicht weiß, ob sie das Kaspische Meer oder den Persischen Golf reprä- sentiert, denn diese waren seit den Vorsokratikern feste Bestandteile des kartographischen Weltbildes, jeweils als Einbuchtungen des umgeben- den Ozeans; als viertes Meer gehörte das Rote Meer im Süden dazu, das man auf der angesprochenen Karte aber noch nicht ausgeführt findet. Legenden fehlen auf dieser Karte noch vollständig, auch die Vorlage war möglicherweise unzureichend.

Die Macrobius-Karte geht auf den Pergamener Krates von Mallos (2. Jh. v. Chr. ) zurück, einen Stoiker, der sich die Erdkugel durch zwei sich in rechtem Winkel schneidende Ozeanringe - einen am Äquator und einen weiteren durch beide Pole - in vier Kontinente geteilt vorstellte. Die Zeichnungen präsentieren nur einen Planiglob mit zwei Kontinen- ten, durch das Äquatorialmeer voneinander geschieden und von einem durch die Pole verlaufenden Ozeanring eingefaßt. Sie erläutern die Hydrographie des Macrobius23. Im 11. und 12. Jahrhundert war diese Karte sehr populär im Abendland24.

Der Text des Kommentars von Macrobius ist heute in einem weite- ren Textzeugen des 11. Jahrhunderts ohne Zeichnungen überliefert, in Ms. 19925. Außerdem besitzt die Kölner Dombibliothek auch eine aus dem 10. Jahrhundert stammende Handschrift vom Artes-Lehrbuch des Martianus Capella De nuptiis Philologiae et Mercurii mit einer gleich-

20 Vgl. Destombes (wie oben Anm. 6), 301 mit dem Hinweis auf sect. 18,1 ebd., 43.

21 Abb. 2.; vgl. Kama 1(wie oben Anm. 13) fol. 514. 22 Jaffe/Wattenbach(wieobenAnm. 7), 77f.; vgl. Jeffrc(wieobenAnm.

9), 166. 23 Macrobius, Comentarii in Somnium Scipionis II, 9, cd. J. Wi 11 is, Leipzig 1970,

122-124. 24 Dcstombes (wie oben Anm. 6) sect. 20-21,43-45, wo 16 bzw. 41 Karten

nachgewiesen sind. 25 Jaffe /Wattenbach (wie oben Anm. 7), 86; der Text findet sich in der

Handschrift fol. 26v-38v.

Page 15: Herausgegeben von - MGH-Bibliothek · ders., Local and Regional Cartography in Medieval Europe, in: The History of Cartography, Vol. 1: Cartography in Prehistoric, Ancient and Medieval

Köln, das Reich und die Ökumene 709

falls zu Beginn des 5. Jahrhunderts in lateinischer Sprache verfaßten Kosmographie auf der Basis griechischer Naturphilosophie, nämlich Ms. 19326. Dieses Werk, dem keine erhaltenen Karten gesichert zuzu- weisen sind, informierte textlich recht ausführlich über Kosmos und Ökumene und war gleichfalls ein beliebtes Lehrbuch in mittelalterlichen Schulen. Die Kölner Dombibliothek darf mithin seit der Karolingischen Epoche als hervorragend ausgestattet gelten; geographisch und karto- graphisch interessierte Studierende der Domschule fanden die gängige Literatur hier vor.

4. KOSMOGRAPHIE IM GREGORIANISCHEN ZEITALTER

Geht man von den skizzierten Bibliotheksbeständen in der Dom- schule zu Köln aus, so nimmt es gewiß nicht wunder, daß ein von Manegold von Lautenbach angegriffener \Volfhelm von Brauweiler Verfechter des Weltbildes des Macrobius ist. Eher erstaunt das Verhal- ten seines literarischen Widersachers Manegold, wenn er im Zeitalter des Investirurstreites um 108527 einen Liter contra Wolfelmum Colo- niensem28 verfaßt, um einem Wolfhelm-vermutlich ist dieser identisch mit dem gleichnamigen Abt von Brauweiler - unangebrachte Wert- schätzung heidnischer Gelehrsamkeit vorzuwerfen29. Anlaß zum Tadel lieferte Wolfhelm durch seine Zurückhaltung den Gregorianern gegen- über, denen Manegold zugehört. Macrobius wird nachhaltig wegen sei- ner Antipodenlehre verurteilt, die sich mit christlichem Denken nicht vereinbaren lasse, weil alle Menschen von Noe abstammten, dies aber für die Antipoden nicht nachweisbar sei30. Manegold ist da der Ansicht, daß Menschen auf allen vier untereinander unverbundenen Kontinenten völlig unvorstellbar seien, denn andernfalls bliebe den Menschen dreier Erdteile die Erlösung durch Christus vorenthalten. Er stützt sich auf das Wort aus Psalm 97,2: In conspectu gentium revelavit iustitiam_suam.

Wolfhelm hatte offenbar Macrobius verteidigt, in welcher Weise, das bleibt unklar, denn von ihm ist kein Zeugnis erhalten. Falls er, seine Bildung in Köln erhielt, fehlte es ihm nicht an Gelegenheiten, sich des

26 Jaffe/Wat tenbach(wieobenAnm. 7), 81. 27 W. H art mann, Manegold von Lautenbach und die Anfänge der

Frühscholastik, in: DA 26,1970,47-149, bes. 47-71. 28 W. H art man n, MGH Quellen zur Geistesgeschichte des Mittelalters 8,1972. 29 W. Hart mann, Manegold von Lautenbach, in: Verf-Lex2 5,1985, Sp. 1214-

1218. 30 Cap. IV, cd. Hart mann (wie oben Anm. 28), 51 f., dazu Hartmann (wie

oben Anm. 27), 67-69.

Page 16: Herausgegeben von - MGH-Bibliothek · ders., Local and Regional Cartography in Medieval Europe, in: The History of Cartography, Vol. 1: Cartography in Prehistoric, Ancient and Medieval

710 Anna-Dorothee v. den Brincken

Macrobius Lehre anzueignen, denn dieses Weltbild boten ihm minde- stens vier verschiedene Handschriften der Dombibliothek an, wie oben gezeigt wurde. So wußte er vermutlich recht wohl zwischen Erdkugel und Ökumene zu unterscheiden, und eine ausgefallene Ansicht vertrat er ganz sicher nicht, schon gar nicht im Köln des 11. Jahrhunderts. Eher verfolgte Manegold einen Irrweg, denn seine Ausfälle blieben ohne jedes Echo: Nur eine einzige Handschrift ist von seiner Streitschrift erhal- ten31, die sogar aus dem unmittelbaren Umfeld des Autors stammen könnte; auch eine Benutzung seiner Argumentation läßt sich nirgendwo nachweisen.

Köln war in karolingischer und romanischer Zeit kein schöpferisches Zentrum der Kartographie, denn dafür gab es keinen Bedarf. Aber es war stets vorbildlich in der Pflege der Schultradition, auch der Wissen-

schaft der Antike, die sich durchaus mit der Heiligen Schrift vertrug. Hier gab es zumindest seit dem apokryphen Decretum Gelasianum eine Abstufung, die der Bibel ihre absolute Sonderstellung sicherte, danach

aber eine Rangfolge von Kirchenvätern über Kirchenlehrer zu heid-

nischen Denkern akzeptierte32. Die Kölner Domschule steht da in einer allgemein anerkannten Haltung neben vielen vergleichbaren Studien-

zentren. Köln selbst freilich gerät als Hort geographischen Interesses

noch nicht ins Blickfeld, erst Albertus Magnus sollte es bescheiden

akzentuieren.

5. ALBERTUS MAGNUS UND DIE KARTOGRAPHIE DER SCHOLASTIK

Albertus Magnus (vor 1200-1280) als Universalkartograph - diese Aussage klingt zunächst verblüffend! Freilich ist die bescheidene Skizze der Erde, mit der Albertus seinen in Köln entstandenen Liber de natura loci ausgestattet hat, alles andere als augenfällig und auch keineswegs auf den ersten Blick als mappa mundi zu erkennen33. Köln war wiederholt durch längere Zeit der Sitz des Gelehrten, sogar schon bald- ald nach der Gründung des Dominikanerkonventes (1220), 1248 als Leiter des neu errichteten Studium Generale des Ordens, 1254/60 und ab 1270/71, bis Albertus 1280 verstarb34. Wenn er im Liber de natura loci aufzählt

31 Vgl. Hartmann im Vorwortder Edition (wie oben Anm. 28), 32 ff. 32 Vgl. Das Decretum Gelasianum de libris recipiendis et non recipiendis, in kriti-

schem Text hg. und untersucht von E. v. Dobsehütz (Texte und Untersuchungen zur Geschichte der altchristlichen Literatur 38,4) Leipzig 1912.

33 Abb. 3. 34 A. Fries in: Verf-Lex2 (wie oben Anm. 29) 1,1978, Sp. 124-129; W. Kübc1 in:

LexMA 1,1980, Sp. 294 f.; P. Simon, in: TRE 2,1978,177-179.

Page 17: Herausgegeben von - MGH-Bibliothek · ders., Local and Regional Cartography in Medieval Europe, in: The History of Cartography, Vol. 1: Cartography in Prehistoric, Ancient and Medieval

Köln, das Reich und die Ökumene 711

Agrippinam, quae nunc Colonia vocatur, in qua et istud volumen comnpilatum est35, so ist dies das einzige Zeugnis, das erlaubt, seine sonst wenig in der Literatur beachtete36 und in der Kartographiegeschichte bislang verborgen gebliebene Karte hier herauszustellen.

Die Schrift De natura loci entstand im Zusammenhang mit verschie- denen Kommentaren zu aristotelischen und pseudoaristotelischen Schriften37, an denen Albertus Magnus in seiner zweiten Kölner Periode arbeitete. Der volle Titel De natura loci ex latitudine et longitudine eiusdein proveniente basiert gleichfalls auf heute nicht mehr verfügbaren Schriften, die Platon und Aristoteles zugeschrieben wurden38; sie deutet

antikes Wissen unter Benutzung arabischer Kommentatoren aus christ- licher Sicht. In den gleichen Zeitraum gehören die Arbeiten an den Physica und De caelo et mundo, es folgen De causis proprietatum ele- mentorun: und De generatione et corruptione.

Von De natura loci sind neben dem Autograph 43 Handschriften erhalten. Der Titel der Schrift lautet - auch in Selbstzitaten - häufig De natura locorum, ein in dieser Form sonst im Mittelalter nirgends ver- gleichbar behandelter Gegenstand. Locus, der Ort, Geortetes, hat auch den Sinn von Raum. Behandelt Albertus in den ersten beiden Traktaten der Schrift das Verhältnis von physikalischem und geographischem Raum, Klimata, bewohnbare und unbewohnbare Räume sowie das Ge- ortete, so ist der dritte Traktat insofern von Interesse, als ihm die Kosmographie des Pseudo-Aethicus aus dem 5. Jahrhundert zugrunde liegt39, die fast wörtlich ausgeschrieben ist. Ihre Besonderheit ist eine Vierteilung der Ökumene nach den Himmelsrichtungen40 in der Ab-

35 Ed. P. Hoßfeld, Dc natura loci ad fidem autographi, tract. 3 cap. 2, in: Opera V, 2,1980, S. 33.

36 Die Ausnahme macht bisher nur Sr. J. P. TiI man n OP, An Appraisal of the Geographical works of Albertus Magnus and his Contributions to Geographical Thought (Michigan Geographical Publication 4), Ann Arbor 1971, mit englischer Obersetzung von De natura loci und Abbildung der Karte auf 111 und 112, vergrößert nach Cod. Vindob. 271 fol. 151v; vgl. Interpretation 166 ff.; vgl. auch U. Lindgren, Die Geographie als Naturwissenschaft?, in diesem Band S. 571 ff.

37 P. Ho Of eId, Albertus Magnus über die Natur des geographischen Orts, in: Zs. f. Religions- und Geistesgeschichte 30,1978,107-115, bes. 107 f.

38 Albert sagt De natura loci tract. 1 cap. 1, ed. Hoßfe1d (wie oben Anm. 35), 3: Et hunt librum in tres distinctiones dividimus... in tertia determinabimus particularia loca fluminum et civitatum et montium; hoc enim modo in hac scientia processerunt Aristoteles et Plato.

39 Ed. A. Riese, Geographi Latini minores, Heilbronn 1878,71-103; zu Julius Honorius vgl. auch C. Nicolet et P. GautierDaIche, Les quarre sages de Jules Cesar et is maure du monde scion Julius Honorius; realite antique et tradition m6dievalc, in: Journal des Savants 1978,157-218, bes. 205-207.

40 Ed. Ho6feld(wicoben Anm. 35), 29ff.

Page 18: Herausgegeben von - MGH-Bibliothek · ders., Local and Regional Cartography in Medieval Europe, in: The History of Cartography, Vol. 1: Cartography in Prehistoric, Ancient and Medieval

712 Anna-Dorothee v. den Brincken

folge Osten, Westen, Norden und Süden, für die Albertus einfach Mee-

re, Provinzen, Berge, Flüsse, Inseln, Städte und Bewohner aufzählt. Albertus schreibt seine Vorlage Augustus zu41, in Wahrheit handelt es sich wohl um einen auf den spätantiken Rhetoriklehrer Julius Honorius

zurückgehenden Unterrichtstext, der die Legenden einer Weltkarte auf- listet42. Seiner vermeintlich hehren Vorlage hat er 60 Namen jüngeren Datums hinzugefügt.

Die Karte des Albertus findet sich zu Beginn des dritten Traktates43

und bietet lediglich eine Skizze des Situs orbis, eine geostete, sphärisch zu verstehende Fläche, die an den Polen links und rechts beschnitten

und im Bild durch einen Meridian waagerecht geteilt ist. Außer den Richtungsbezeichnungen enthält sie keine Legenden44. Hat Albertus dem Text seines Buches eine Menge origineller und verwunderlicher Erscheinungen auf dieser Erde eingefügt, so begnügt er sich für die pictura mit einem reinen Schema. Außerdem ist zu De causis proprie- tatum elementorum eine aus zweiter Hand überlieferte Ökumene- Zeichnung aus arabischen Vorlagen erhalten45, die aber kaum als Welt- bild des Albertus gelten kann.

Vergleicht man die Arbeit des Albertus mit denjenigen in der Traditi-

on der Kölner Domschule, so ist das naturphilosophische Denken selb- ständiger geworden. Bei Beschreibung der Ökumene hingegen ist Albertus trotz vieler origineller Einschübe ganz von seinen Vorlagen bestimmt. Auch die Scholastik verlegt sich zunächst vorrangig aufs Sammeln von Material, ehe sie es neu deutet und gar harmonisiert. Im dritten Traktat von De natura loci zeigt sich Albertus ganz als Zeitge-

nosse eines Vincenz von Beauvais. Brauchbare Kartenbilder sind ihm

offenbar nicht zu Gesicht gekommen, so hat er sich in dieser Gattung

auch nicht ernsthaft geübt.

41 Ebd. tract. 3 cap. 1 S. 29. 42 Vgl. P. L. Schmid, Julius Honorius, in: Kleiner Pauly 2, dtv 1979, Sp. 1549. 43 Cod. Vindob. 273 fol. 151v. 44 Für die Vorstellungen des Albemu von der Gestalt der Erde vgl. auch Dc caelo et

mundo, bes. tract. II, 4,9-10, cd. Hoßfe1d, in: Opera V, 1,1971,196-201. 45 Vgl. Hoßfeld (wie oben Anm. 37), 108; J. Babicz und H. M. Nobis, Die

mathematisch-geographischen und kartographischen Ideen von Albertus Magnus und ihre Stelle in der Geschichte der Geographie, in: Die Kölner Universität im Mittelalter. Geistige Wurzeln und soziale Wirklichkeit. Miscellanea Mediaevalia 20,1989,97-110.

Page 19: Herausgegeben von - MGH-Bibliothek · ders., Local and Regional Cartography in Medieval Europe, in: The History of Cartography, Vol. 1: Cartography in Prehistoric, Ancient and Medieval

Köln, das Reich und die Ökumene 713

6. UNIVERSALE GESCHICHTSKARTOGRAPHIE

RHEINISCHER REICHSSTÄDTE UM 1475

Seit 1406 etwa ist die sogenannte Geographie des Ptolemäus, in Wahrheit eine Anleitung zum Kartenzeichnen, dem Abendland in latei-

nischer Sprache zugänglich, fristet aber zunächst ein relativ verborgenes Dasein, ehe sie 147746 im Druck erscheint und insbesondere 1482 durch den Ulmer Ptolemäus47 weite Verbreitung findet.

Auf der anderen Seite tritt in der spätmittelalterlichen Kartographie das kosmische Interesse nicht nur in Köln, sondern allenthalben eher zurück zugunsten historisch geprägter Ökumene-Karten, auch gerade im Bereich der Portolankarten. Zonenkarten werden seit dem 13. Jahr- hundert generell seltener, hingegen erregen regionale Details zuneh- mend Interesse. Diese Erscheinungen sind auch in Köln zu beobachten.

Die erste umfassende und ausführliche Stadtchronik erhielt Köln erst spät mit dem Agrippina genannten Werk um 1469-1472, das zugleich in der Form einer Universalgeschichte ein Zeugnis des Selbst-

verständnisses im Vorfeld der Priviligierung Kölns als Freie Reichsstadt 1475 durch Kaiser Friedrich III. ist; angesichts der Absetzung Kurfürst Ruprechts waren die Kontakte zwischen Kaiser und Stadt ausnahms- weise ungestört.

Über den Verfasser der Agrippina, Heinrich van Beeck, ließ sich bislang wenig Aufschlußreiches ermitteln, da der Name nicht ganz sel- ten ist, eine Identifizierung der Person aber noch nicht gelang. Erhalten ist von der Chronik das flüchtig entworfene Autograph48, eine vom Autor ergänzte kalligraphische Prachtausfertigung49, drei annähernd zeitgenössische Kopien, teils aufwendig erstellt50, sowie spärliche jünge-

re Textzeugen51. Die Wirkung der Agrippina war aus zwei Gründen insgesamt bescheiden: einmal endete sie bei den Geschehnissen von 1419 und mithin lange vor der eigenen Zeit, bot insofern wenig aktuelles Geschehen; der Grund dafür könnte die Abhängigkeit von der um die

gleiche Zeit endenden Chronik des Jakob Twinger von Königshofen

46 Vgl. Destombes(wie oben Anm. 6)sect. 57,3,252. 47 Ebd. 57,9,252 f. 48 Historisches Archiv der Stadt Köln (HAStK), Chroniken und Darstellungen 19. 49 Ebd. 20. 50 Ebd. 21-23. 51 Vgl. H. Cardauns, Die Chroniken der niederrheinischen Städte, Cöln Bd. 1

(Chr. dt. Städte 12), 1875, Allgemeine Einleitung LXXXI; Dcrs., ebd. Cöln Bd. 2 (Chr. dt. Städte 13), 1876,2-76-231; A. -D. v. den Brincken, Köln 1475 - des Heiligen Reiches Freie Stadt (Ausstellungskatalog), Köln 1975,66-71; H. Bcckers, Heinrich van Bceck, Verf-Lex2 3,1981,693-695.

Page 20: Herausgegeben von - MGH-Bibliothek · ders., Local and Regional Cartography in Medieval Europe, in: The History of Cartography, Vol. 1: Cartography in Prehistoric, Ancient and Medieval

714 Anna-Dorothee v. den Brincken

sein; zum anderen erschien mit der nach dem Drucker benannten Koelhoffschen Chronik, die ihr Material zu einem großen Teil aus der Agrippina schöpfte, 1499 die erste gedruckte Chronik Kölns, die rasche Verbreitung erlangte und damit den Druck der Agrippina unwichtig machte, wie diese auch nach dem Beginn des 16. Jahrhunderts keine Abschreiber mehr gefunden hat.

Im Autograph der Agrippina findet sich die älteste schlichte TO- Schema-Karte52, die aus Köln belegt ist. Sie steht bei der sehr frühen Geschichte, wo von den Anfängen der städtischen Siedlungen in Europa die Rede ist. Köln, im 14. und 15. Jahrhundert führend unter den Rhein- metropolen, trug schwer an dem Zeugnis der Geschichtsschreibung, die Trier das weitaus höhere Alter zubilligte. Die Gesta Treverorum, aus- gestaltet im 11. Jahrhunderts aus älteren Materialien, ließen Trier die Gründung des Ninus-Sohnes (von einer Chaldäerin) namens Trebeta sein, der vor den Nachstellungen seiner japhetitischen Stiefmutter Semiramis aus Babylon an die Mosel floh, etwa 2000 Jahre vor Christi Geburt gemäß den üblichen Berechnungen54. Trier war mithin wesent- lich älter als Rom, von Köln ganz zu schweigen.

Beeck benutzt sein Kärtchen zur Verdeutlichung der verschiedenen Städtegründungen, so auch der Kölns, im Zusammenhang mit dem Tun Trebetas, nachdem er sich seiner ihn bis Europa verfolgenden Stiefmut- ter entledigte55: Darna nam er zu ime dye forsten ind herren, die myt der

moeder kommen waren, ind deden ine sere goytlichen, dat sye yne gerne hatten zu eyme herren. Ind also sy zusamen waren kommen van verren landen und van mancherhande spraichen, do -geboyt hey under deine volcke, dat sye alleyne sulden dutzsche sprechen, dat oeven und halden, ind gheyn anderspraiche, want hey dye spraiche die lyeffste hatte. Darna quam auch zu ime vyle ander volks van uber mere, dye da van seyner groisser wyßheyt hoyrten sagen, van seyner fromcheyt und genoichlicheyt des lantz. Ind meyrden sich van dage zu dage myt yren kynderen und mit zukomendem folke, dat yre also viel wart, dat sie zu Tryer neyt ackerlantz genoich hatten, wyesen noch weyden, do bouweden und arbeyden sye dye lande von umbe sich ind machten von stede ind dorper bye deine Ryne naeynander, sunderlingen diese funf

52 HAStK, Chron. und Darst. 19 fol. 9v. 53 Vgl. \Vattenbach/Holtzmann/Schmale, Deutschlands

Geschichtsquellen im Mittelalter, 1939-1971, Bd. 1,172-175; Bd. 2,621-623; Bd. 3,170 f., ferner grundlegend H. Thomas, Studien zur Trierer Geschichtsschreibung des 11. Jahrhunderts, insbesondere zu den Gesta Treverorum (Rheinisches Archiv 68) 1968.

54 Gesta Treverorum ed. G. Waitz, in; \1GH SS 8 (1948), 130-191, bes. c. 1 und 5, 130 und 133.

55 HAStK Chron. u. Darst. 19, fol. 9v bzw. hier zitiert nach 20 fol. 8v f.

Page 21: Herausgegeben von - MGH-Bibliothek · ders., Local and Regional Cartography in Medieval Europe, in: The History of Cartography, Vol. 1: Cartography in Prehistoric, Ancient and Medieval

Köln, das Reich und die Ökumene 715

stede Collen zum ersten , darna Mentze, Wormnße, Strayßborch unnd

Baesel ind vyl dorper daby. Dyese funff stede waren kleyne ym begynne ind synt van jaeren zu jaeren gebessert unnd gemeyrt. Aver wye lange na dein begynne der statt Trier dyt gescheyt sy und zu wilcher zyt, vynden ich nyrgen beschreven. Doch vynt sich kuntlichen, dat sy vyl hundert jaere vur der geburt Christi gewest sint. Also ys Triere dye yerste und elste stat inn duytzschen landen van dem hertzogen Trebeta gebouwet, as vorgesacht ys, und vur synre zyt en was ghyen mynsche in dyesen landen, in Europa, genant des drytten deyls der werlt.

An dieser Stelle folgt im Autograph die TO-Schema-Karte, mit der das Symbol der Ökumene ins Gedächtnis gerufen werden soll56. Es geht um die Besiedlung des dritten Weltteils Europa, der auf der traditionell geosteten T-Karte das linke untere Viertel innehat. Schon Augustinus57 hatte die bekannten Erdteile in der Weise einander zugeordnet, daß Asien die östliche, d. i. obere Hälfte einnahm und Europa und Afrika

sich in die untere westliche Hälfte teilten. Dem die Ökumene umgeben- den 0 war auf diese Weise ein T einbeschrieben, dessen Balken Asien

von Europa und Afrika, dessen Schaft Europa von Afrika trennte. Spä- testens Isidor von Sevilla hat dann danach das Schemakärtchen gemalt, bei dem der Balken auch für Don und Nil, der Schaft für das Mittelmeer

stehen. Künftig ist dieses Kärtchen das konventionelle Zeichen für die bewohnte Welt, in der sich die Geschichte abspielt. Die Bibel benannte diese Erdteile nicht, kannte aber die Noachidenkontinente, von denen die Kontinente Sems Asien, Chams Afrika und Japhets Europa entspre- chen.

Heinrich van Beeck hat nun für seinen Bericht gar nicht einmal die Gesta Treverorum selbst"S zur Hand gehabt, sondern seine Vorstellun-

gen über die frühe Besiedlung des Rheinlandes aus der erwähnten Chro-

nik des Jakob Twinger von Königshofen, eines Straßburger Chronisten

um 142059, bezogen, wie er ausdrücklich am Rande vermerkt60. Dort fand er freilich keinerlei kartographische Skizzen, auch fehlt dort die

56 Abb. 4. 57 De civitate Dei XVI, 17. 58 Textnachweis vgl. oben Anm. 54. 59 Ed. C. Hcge1, Die Chroniken der oberrheinischen Städte, Straßburg Bd. 1-2

(Chr. dt. Städte 8-9) Leipzig 1870-71; hier Bd. 2,697 ff., bes. 700 wörtlich übernommen, wo die Aussagen auf das Alter von Straßburg bezogen sind. Twinger spricht allerdings nur von mehr als 1200 Jahren vor Christi Geburt. - Eine Handschrift der Twingerschen Chronik befand sich im Besitz des Heinrich van Beeck - vgl. Hegel im Vorwort der Edition Bd. 1,302, früher Stadtarchiv Nr. 39 - und liegt jetzt HAStK unter der Signatur Chron. und Darf. 330-

60 HAStk Chron. u. Darst. 19 fol. 8v bzw. 20 fol. B.

Page 22: Herausgegeben von - MGH-Bibliothek · ders., Local and Regional Cartography in Medieval Europe, in: The History of Cartography, Vol. 1: Cartography in Prehistoric, Ancient and Medieval

716 Anna-Dorothee v. den Brincken

Zuweisung von Japhetiten aus dem Gefolge der Semiramis an Europa. Beeck allein betont den dritten Erdteil nachhaltig. In der kalligra-

phischen Prachtausgabe seiner Chronik vermerkt er in einem größeren Nachtrag am Rande eigenhändig, daß alle Menschen von Adam und Eva

abstammten. Er beruft sich hierfür ausgerechnet auf die Böhmen-Chro- nik des Enea Silvio61, in der er fand, daß die Hebräer das älteste aller Völker seien, ferner daß viele Germanenstämme sich auf die Römer zurückführten, diese wiederum von den Trojanern abstammten ebenso wie die germanischen Franken, die Böhmen aber gar sich bis zum Turm- bau von Babel zurückverfolgten und damit auf Noe und die ersten Menschen; wahrer Adel aber bestimme sich sowieso nur durch Tugend.

Die Mitteilung über die Gründung Triers bereits rund 1900 Jahre vor Caesar findet sich bei Beeck auch am Beginn der Chronik zu einer Miniatur62, die Trebeta und seine Abstammung von Noe in einem Deszendenztafelausschnitt zeigt.

Die Abschriften des Autographs mit ihrem prachtvollen Beiwerk zeigen an Stelle der TO-Kane eine aussagekräftigere Ökumene-Form63 derselben mit einer Anzahl Legenden64. Im Brennpunkt des Interesses

stehen Ortsnamen in Europa, die man auf keiner anderen Karte in

gleicher Weise herausgestellt sieht und die auf den ersten Blick die Freien Reichsstädte des 15. Jahrhunderts oder die Städte, die um derarti-

ge Privilegien bemüht sind, benennen, nämlich neben Trier die fünf Rheinstädte Basel, Straßburg, Mainz, Worms und Köln direkt westlich von Trier, also nicht gerade besonders korrekt in der Abfolge. Alle übrigen Karteninschriften dienen der Einordnung Europas, und dies ist in hohem Maße auch zeitlich zu verstehen. Im T-Balken erscheint dat

groisse mere, die deutsche Form für Mare Magnum als (östliches) Mit- telmeer. Für Afrika ist lediglich die Kontinentzeichnung vermerkt. Asia hingegen ist der Ausgangskontinent der historischen Menschheit, daher liest man ganz oben Paradysß, darunter die Namen von Adam, und Eva, mittendrin Babilonia, Trebetas Herkunftsort, zudem nahe dem Karten-

mittelpunkt ein Kreuz und darunterJerusalem. Im übrigen neutralisiert die kartographische Gestaltung Europas die

schmerzende Zeitkomponente und verwischt zudem die zeitlichen Ab- stände zwischen den einzelnen Stadtgründungen. In den Gesta

61 AeneasSy1vius (Enea Silvio Piccolomini _ Pius II. papa), Historia Bohemica c. II, Coloniae apud Gothardum Hitt orpium 1532 (UB Köln Ei 303), 9f.

62 HAStK Chron. u. Darst. 19 fol. 3 bzw. 20 fol. 2v. 63 Abb. 5. 64 HAStK, Chron. u. Darst. 20 fol. 9, vgl. auch Chron. u. Darrt. 21 fol. 14 und 22 fol.

44v sowie 23 fol. 21 ohne Städte Europas.

Page 23: Herausgegeben von - MGH-Bibliothek · ders., Local and Regional Cartography in Medieval Europe, in: The History of Cartography, Vol. 1: Cartography in Prehistoric, Ancient and Medieval

Köln, das Reich und die Ökumene 717

Treverorum65 orientierte sich die Abfolge auch bereits rheinabwärts und mithin räumlich, während Twinger wie Beeck Köln direkt nach Trier aufführen. Da der Chronist anschließend auch berichten muß, wie die genannten Städte Trier zunächst tributpflichtig waren, sich aber dann davon zu befreien vermochten, ehe sie unter die Herrschaft Roms gerieten, brauchen sich alle genannten Städte nicht allzu sehr in ihrem Stolz getroffen fühlen.

Löst man die Karte aus dem historischen Zusammenhang, in den sie zweifellos primär gehört - mittelalterliche Karten illustrieren vorrangig Geschichtswerke, wie schon festgestellt wurde -, so zeigt die Ökomene-Karte natürlich auch nebenbei Plätze, die dem Autor gerade bedeutsam sind. Die Chronik entstand im unmittelbaren Vorfeld der Reichsstadtprivilegierung Kölns, und der Autor vermittelt eine Reihe Schaubilder, auf denen von Köln als Stadt im Verband des Heiligen Römischen Reiches die Rede ist, u. a. auf dem zweiten Blatt, auf dem Collen, dye krone boven allen rychsteden oben in einem Rund von 89 Städtenamen herausgestellt ist. Direkt neben Köln erscheinen auf der linken Seite Trier, Regensburg, und Basel, auf der rechten Mainz, Worms, Speyer und Straßburg, sämtlich Bischofsstädte mit Neigungen in Richtung Freier Reichsstadt und mit zwei Ausnahmen auch auf der Ökumene-Karte vertreten. Darin spiegelt sich natürlich auch ein Anteil des Selbstverständnisses der Kölner um oder vor 147566, auch wenn der

primäre Zweck Wiedergabe der historischen Verhältnisse lange vor der Gründung Roms, rheinische Städte im Verhältnis zum Paradies, Babylon und Jerusalem, den Vororten der Heiligen Schrift, sein sollte. Heinrich van Beeck verbindet in seiner Karte recht anschaulich ver- schiedene Zeiten in der für mittelalterliche Kartographie üblichen Wei-

se, daß Plätze verschiedener Zeiten auf einen Raum projiziert werden67. Eine wie immer geartete Vorlage der Kölner Weltkarte ließ sich

nirgendwo ausmachen. Als Typ ist sie jedoch nicht außergewöhnlich, gerade die TO-Karte wird im Mittelalter gerne benutzt, um Einzelaus-

sagen am Gesamtschema hervorzuheben. Die Namensformen auf der Beeckschen Karte sind bereits deutsch; auch dies ist eine Eigenheit, die

erst im 15. Jahrhundert üblich wird. Ein erwachendes bürgerliches Selbstbewußtsein paart sich mit dem Traditionssinn, der auf das heils-

geschichtliche Fundament nicht verzichtet.

65 Ed. Waitz (wie oben Anm. 54) c. 5,133. 66 Vgl. v. den Brincken, Köln 1475 (wie oben Anm. 51) Nr. 86,66 f. 67 VgLv. den Brincken, Mappamundi(wie oben Arun. 4), 186.

Page 24: Herausgegeben von - MGH-Bibliothek · ders., Local and Regional Cartography in Medieval Europe, in: The History of Cartography, Vol. 1: Cartography in Prehistoric, Ancient and Medieval

718 Anna-Dorothee v. den Brincken

7. ZUSAMMENFASSUNG

Köln lag nicht am Meer und gehörte daher nicht zu den Regionen, für die Kartographie ein vorrangiges Interessensgebiet war, soweit man dies im Mittelalter überhaupt unterstellen will; denn die Kartographie verfolgte kaum praktische Zwecke. Als angesehener Studienort verfügt aber bereits die Domschule über eine gediegene kosmographische Tra- dition als Fundament enzyklopädischen Wissens. Man bemüht sich hier auch durchaus um eine Bestimmung des eigenen Standortes, wie dies schon für die Karolingerzeit belegt ist. Im ausgehenden Mittelalter be- dient sich das Kölner Bürgertum der Ökumene-Karte, um darauf die eigenen Ansprüche einzutragen, wobei man sich mit Selbstverständ- lichkeit in einen frühen Verlauf der Heilsgeschichte einfädelt.