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aschinenintelligenz und Menschen- intelligenz. „Business Intelligence“ heißt das aktuelle Zauberwort, wenn es um elektronischen Handel geht. Dieser Begriff aus der Wirtschaftsinformatik meint soviel wie „Geschäftsintelligenz“ oder „Geschäftsaufklärung“ und steht im Gegensatz zu dem der „Human Intelligence“, zu deutsch etwa „menschliche Intelligenz“. Die sprachliche Nähe dieser Begrifflichkeiten (im anglophonen Sprachraum als „BI“ und „Humint“ abgekürzt) verschleiert den Kontrast, in dem sie tatsächlich zueinander stehen: Mit der Geschäftsintelligenz oder -aufklärung ist nicht etwa ein besonderes kaufmännisches Geschick oder fundiertes ökonomisches Wissen verbunden, sondern die com- putergestützte – ergo: algorithmische – und mittlerweile vollkommen automatisiert ablaufende Sammlung, Auswertung und Darstellung aller erdenklichen unternehmerischen Daten zum Zwecke der firmenstrate- gischen Entscheidungsoptimierung. Kurz gesagt: Erkenntnisgewinn und Entscheidungsfindung werden an eine Software delegiert. Die „Humint“ meint „human“ getroffene Entscheidungen – schlicht und ergreifend: den gesunden Menschenverstand, an dem es nicht nur den global operierenden Kapitalakteuren – man kann sich des Eindruckes nicht erwehren – mittlerweile mehrheitlich erheblich mangelt. Welche Folgen rein algorithmische Kauf- und Verkaufsentscheidungen haben können, führt uns nicht nur das Finanzsystem seit geraumer Zeit beeindruckend vor Augen. Daten sammeln, speichern und verknüpfen. Mögen auch die Entscheidungen einer Business-Intelligence-Software vermeintlich besser (erfolgreicher) und vor allem schneller sein, so sind diese Vorteile doch nur vorgebliche. Menschliche Fähigkeiten, die syste- matisch einer Maschine überlassen werden, degenerieren. Der Mensch verlernt – weil nicht gefordert – den Willen und die Fähigkeit, selbst zu entscheiden. Wie auch Navigationssysteme das Orientierungsvermögen und die Fähigkeit, Verkehrsnetze zu imaginieren und eigene Wege einzuschlagen, beeinträchtigen, so nimmt die Maschine dem Menschen die Möglichkeit, willentlich in das Handelsgeschehen einzugreifen. Internethändler lassen, wie man merkt, ihr Angebot zunehmend nur noch nach ausgeklügelten algorithmischen Verfahren anzeigen – will heißen, daß nicht nur verkauft wird, was sich am besten verkauft, sondern jedem Kunden sein „eigenes“ Angebot präsentiert, sein vermeintlich „persön- liches“ Produkt empfohlen wird. Die in den letzten Jahren vieldiskutierten Cookies, die aufgezeichnetes Kaufverhalten für die Angebotsbildung und (pseudo-)individuelle Kundenansprache nutzen, sind mittlerweile für sich genommen schon ein alter Hut. Inzwischen wird schon das Bewe- gungsverhalten auf einer Angebotsseite in Echtzeit festgehalten und interpretiert, werden passende Angebote blitzschnell generiert und die Inhalte, die der Nutzer zu sehen bekommt, nach Kaufwahrscheinlichkeit optimiert. Solche Empfehlungsdienste (englisch „Recommendation Engines“) können auch ein mögliches, zukünftiges Kaufinteresse sehr präzise einschätzen, bleiben aber für den Kunden intransparent. Auch das „Retargeting“, die Markierung und Rückführung des Kunden an ein Ziel durch Werbung (Sie betrachten zufällig einen Duschvorhang und sehen sogleich im Internet allenthalben Reklame für Duschvorhänge), oder die Preisstaffelung in Abhängigkeit von verwendeten Computern, Betriebs- systemen oder gar Browsern wird ohne datenschutzrechtliche Bedenken billigend in Kauf genommen. Wenn ein Apfel Ihren Computer schmückt, wird Ihnen ein Hotel teurer angeboten, als wenn Sie die Hotelwebsite von einem Gerät eines anderen Herstellers aufrufen. Diese Methode nennt sich ganz euphemistisch „personalisierte Preisgestaltung“. Gemäß der Devise „data is the new oil“ (Daten sind das neue Öl – ist das eigentlich eine Verheißung oder ein Menetekel?), die derzeit durch Internet und Fachvorträge schwirrt, sind Business-Intelligence-Systeme die Operatio- nalisierung dieses „Glaubensbekenntnisses“ – und entsprechend werden sämtliche Daten gesammelt, gepeichert und algorithmisch verknüpft, die sich irgendwie sammeln, speichern und verknüpfen lassen. Skepsis bewahren. Wir hegen eine skeptische Haltung zu dieser Daten-sind-wie-Öl-Parole und dem hemmungslosen Datensammeln, da die scheinbar harmlose und vermeintlich beruhigende Förderung von immateriellen Daten bei näherer Betrachtung anders gelagerte, aber möglicherweise ähnlich folgenreiche Probleme wie der Abbau einer natürlichen Ressource aufwirft. Zum einen, weil ein Mehr an quantitativem Wissen ein Weniger an wirklich individuellem Handlungsspielraum bedeutet (der nicht mit maschinellen Zielvorgaben übereinstimmen muß); zum anderen, weil auch hier abzusehen ist, daß nicht mehr die Großen die Kleinen oder die Schnellen die Langsamen fressen, sondern die Datenmächtigen die Datenabstinenzler. Amazon wickelt bekanntlich nicht mehr nur seine eigenen Geschäfte ab, sondern ist längst zur Zwangsheimat zahlloser Internethändler geworden, deren Angebot im Dschungel des WWW von niemandem mehr gefunden würde. Amazon wird sortimenterisch und preislich ohne eigene händlerische Leistung und eigenes Risiko attraktiv, der für sich unsichtbare Kleindealer wird plötzlich von allen Kunden im Netz gefunden. Als nächstes übernimmt Amazon auf Basis der erzeugten Daten die erfolgreichen Produkte der Drittanbieter ins eigene Angebot. Folge dieser sozusagen reziprok parasitären Beziehung: ein flüchtiger, weil endlicher Vorteil der Kunden und das absehbare Ende der schließ- lich ausgesaugten Dritthändler, die sich auf den verlockenden Handel mit dem allmächtigen Internetriesen eingelassen haben. Bewußt kaufen. Bewußt verkaufen. Manufactum sammelt keine umfangreichen Daten zu solchen Zwecken – weder von unseren Lieferanten noch von unseren Kunden. Wir betreiben keine algorithmische Angebotsbildung, versuchen nicht, Interessenten über Werbebanner von anderen Webseiten auf unsere eigene zurückzu- führen, und personalisieren nicht unsere Preise. Unsere Internetauftritt sieht für alle Interessenten gleich aus, ganz gleich, von wo im Lande und mit welchen Geräten und welchem Programm es Ihnen das weltweite Netz zu durchstöbern beliebt. Wir glauben, mit dieser Art der Datenhandhabung den für uns richtigen Weg eingeschlagen zu haben. Wir waren, sind und bleiben ein Unternehmen, dessen Angebot nicht virtuell von Maschinen, sondern von echten Menschen gemacht wird. Individuelles Urteilsvermögen und kaufmännische Intuition bilden die Grundlage unseres Handelns und finden gelegentlich, wenn wir es denn für sinnvoll und geschäftlich angemessen erachten, ihre Ergänzung im gezielten und begrenzten Einsatz analytischer Verfahren. So bekommen Kunden, die Bekleidung, Gartenartikel oder Ofenzubehör bestellen, unseren Bekleidungs-, Garten- oder Ofenkatalog. Und Kunden, die über einen bestimmten Zeitraum keine Bestellung aufgegeben haben, erhalten nicht mehr den Hauptkatalog, sondern die postalische Anfrage, ob noch Interesse an unserem Sortiment besteht. Die Zusammensetzung des Sortiments, die Bildung des Angebots und die Kommunikation mit unseren Kunden und Interessenten bleiben weiterhin Gegenstand unserer bewußten Entscheidung und werden weder an Maschinen noch an Käufer oder deren durch algorithmische Verfahren analysiertes Verhalten übergeben. Wir setzen unser Vertrauen weiterhin auf in unser händisch erstelltes und ohne Algorithmen erhandeltes Sortiment, das notwendig subjektiv ist und auch ganz anders zusammengesetzt sein könnte. Wir meinen, daß unser Sortiment die bewußte und subjektive Auseinandersetzung mit den einzelnen Produkten widerspiegelt, und sind guter Hoffnung, daß unsere Art des Handelns noch eine Weile Früchte tragen und den Menschen etwas bieten wird, das sie anderswo nicht bekommen. Postskriptum: Seit einiger Zeit sehen wir uns mit dem Phänomen konfrontiert, daß unsere IT-Abteilung in besorgniserregender Frequenz die hausinternen Fußball-Tiprunden gewinnt – ob und inwieweit auch hier Algorithmen im Spiel sind, werden wir überprüfen. Sollten sie nächstes Mal wieder gewinnen, schließen wir sie in der kommenden Saison von der weiteren Teilnahme aus. Herbst 2012 Hausnachrichten

Herbst 2012 Hausnachrichtenmanufactum.scene7.com/is/content/Manufactum/pdf/...Wie viele Menschen ihren Glauben an unseren Katalog auf diese Weise kundgetan haben, wissen wir nicht

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aschinenintelligenz und Menschen-intelligenz.„Business Intelligence“ heißt das aktuelle Zauberwort, wenn es um elektronischen Handel geht. Dieser Begriff aus der Wirtschaftsinformatik meint soviel wie „Geschäftsintelligenz“ oder „Geschäftsaufklärung“ und steht im Gegensatz zu dem der

„Human Intelligence“, zu deutsch etwa „menschliche Intelligenz“. Die sprachliche Nähe dieser Begrifflichkeiten (im anglophonen Sprachraum als „BI“ und „Humint“ abgekürzt) verschleiert den Kontrast, in dem sie tatsächlich zueinander stehen: Mit der Geschäftsintelligenz oder -aufklärung ist nicht etwa ein besonderes kaufmännisches Geschick oder fundiertes ökonomisches Wissen verbunden, sondern die com-putergestützte – ergo: algorithmische – und mittlerweile vollkommen automatisiert ablaufende Sammlung, Auswertung und Darstellung aller erdenklichen unternehmerischen Daten zum Zwecke der firmenstrate-gischen Entscheidungsoptimierung. Kurz gesagt: Erkenntnisgewinn und Entscheidungsfindung werden an eine Software delegiert. Die „Humint“ meint „human“ getroffene Entscheidungen – schlicht und ergreifend: den gesunden Menschenverstand, an dem es nicht nur den global operierenden Kapitalakteuren – man kann sich des Eindruckes nicht erwehren – mittlerweile mehrheitlich erheblich mangelt. Welche Folgen rein algorithmische Kauf- und Verkaufsentscheidungen haben können, führt uns nicht nur das Finanzsystem seit geraumer Zeit beeindruckend vor Augen.

Daten sammeln, speichern und verknüpfen.Mögen auch die Entscheidungen einer Business-Intelligence-Software vermeintlich besser (erfolgreicher) und vor allem schneller sein, so sind diese Vorteile doch nur vorgebliche. Menschliche Fähigkeiten, die syste-matisch einer Maschine überlassen werden, degenerieren. Der Mensch verlernt – weil nicht gefordert – den Willen und die Fähigkeit, selbst zu entscheiden. Wie auch Navigationssysteme das Orientierungsvermögen und die Fähigkeit, Verkehrsnetze zu imaginieren und eigene Wege einzuschlagen, beeinträchtigen, so nimmt die Maschine dem Menschen die Möglichkeit, willentlich in das Handelsgeschehen einzugreifen. Internethändler lassen, wie man merkt, ihr Angebot zunehmend nur noch nach ausgeklügelten algorithmischen Verfahren anzeigen – will heißen, daß nicht nur verkauft wird, was sich am besten verkauft, sondern jedem Kunden sein „eigenes“ Angebot präsentiert, sein vermeintlich „persön-liches“ Produkt empfohlen wird. Die in den letzten Jahren vieldiskutierten Cookies, die aufgezeichnetes Kaufverhalten für die Angebotsbildung und (pseudo-)individuelle Kundenansprache nutzen, sind mittlerweile für sich genommen schon ein alter Hut. Inzwischen wird schon das Bewe-gungsverhalten auf einer Angebotsseite in Echtzeit festgehalten und interpretiert, werden passende Angebote blitzschnell generiert und die Inhalte, die der Nutzer zu sehen bekommt, nach Kaufwahrscheinlichkeit optimiert. Solche Empfehlungsdienste (englisch „Recommendation Engines“) können auch ein mögliches, zukünftiges Kaufinteresse sehr präzise einschätzen, bleiben aber für den Kunden intransparent. Auch das „Retargeting“, die Markierung und Rückführung des Kunden an ein Ziel durch Werbung (Sie betrachten zufällig einen Duschvorhang und sehen sogleich im Internet allenthalben Reklame für Duschvorhänge), oder die Preisstaffelung in Abhängigkeit von verwendeten Computern, Betriebs-systemen oder gar Browsern wird ohne datenschutzrechtliche Bedenken billigend in Kauf genommen. Wenn ein Apfel Ihren Computer schmückt, wird Ihnen ein Hotel teurer angeboten, als wenn Sie die Hotelwebsite von einem Gerät eines anderen Herstellers aufrufen. Diese Methode nennt sich ganz euphemistisch „personalisierte Preisgestaltung“. Gemäß der Devise „data is the new oil“ (Daten sind das neue Öl – ist das eigentlich eine Verheißung oder ein Menetekel?), die derzeit durch Internet und

Fachvorträge schwirrt, sind Business-Intelligence-Systeme die Operatio-nalisierung dieses „Glaubensbekenntnisses“ – und entsprechend werden sämtliche Daten gesammelt, gepeichert und algorithmisch verknüpft, die sich irgendwie sammeln, speichern und verknüpfen lassen.

Skepsis bewahren.Wir hegen eine skeptische Haltung zu dieser Daten-sind-wie-Öl-Parole und dem hemmungslosen Datensammeln, da die scheinbar harmlose und vermeintlich beruhigende Förderung von immateriellen Daten bei näherer Betrachtung anders gelagerte, aber möglicherweise ähnlich folgenreiche Probleme wie der Abbau einer natürlichen Ressource aufwirft. Zum einen, weil ein Mehr an quantitativem Wissen ein Weniger an wirklich individuellem Handlungsspielraum bedeutet (der nicht mit maschinellen Zielvorgaben übereinstimmen muß); zum anderen, weil auch hier abzusehen ist, daß nicht mehr die Großen die Kleinen oder die Schnellen die Langsamen fressen, sondern die Datenmächtigen die Datenabstinenzler. Amazon wickelt bekanntlich nicht mehr nur seine eigenen Geschäfte ab, sondern ist längst zur Zwangsheimat zahlloser Internethändler geworden, deren Angebot im Dschungel des WWW von niemandem mehr gefunden würde. Amazon wird sortimenterisch und preislich ohne eigene händlerische Leistung und eigenes Risiko attraktiv, der für sich unsichtbare Kleindealer wird plötzlich von allen Kunden im Netz gefunden. Als nächstes übernimmt Amazon auf Basis der erzeugten Daten die erfolgreichen Produkte der Drittanbieter ins eigene Angebot. Folge dieser sozusagen reziprok parasitären Beziehung: ein flüchtiger, weil endlicher Vorteil der Kunden und das absehbare Ende der schließ-lich ausgesaugten Dritthändler, die sich auf den verlockenden Handel mit dem allmächtigen Internetriesen eingelassen haben.

Bewußt kaufen. Bewußt verkaufen.Manufactum sammelt keine umfangreichen Daten zu solchen Zwecken – weder von unseren Lieferanten noch von unseren Kunden. Wir betreiben keine algorithmische Angebotsbildung, versuchen nicht, Interessenten über Werbebanner von anderen Webseiten auf unsere eigene zurückzu-führen, und personalisieren nicht unsere Preise. Unsere Internetauftritt sieht für alle Interessenten gleich aus, ganz gleich, von wo im Lande und mit welchen Geräten und welchem Programm es Ihnen das weltweite Netz zu durchstöbern beliebt. Wir glauben, mit dieser Art der Datenhandhabung den für uns richtigen Weg eingeschlagen zu haben. Wir waren, sind und bleiben ein Unternehmen, dessen Angebot nicht virtuell von Maschinen, sondern von echten Menschen gemacht wird. Individuelles Urteilsvermögen und kaufmännische Intuition bilden die Grundlage unseres Handelns und finden gelegentlich, wenn wir es denn für sinnvoll und geschäftlich angemessen erachten, ihre Ergänzung im gezielten und begrenzten Einsatz analytischer Verfahren. So bekommen Kunden, die Bekleidung, Gartenartikel oder Ofenzubehör bestellen, unseren Bekleidungs-, Garten- oder Ofenkatalog. Und Kunden, die über einen bestimmten Zeitraum keine Bestellung aufgegeben haben, erhalten nicht mehr den Hauptkatalog, sondern die postalische Anfrage, ob noch Interesse an unserem Sortiment besteht. Die Zusammensetzung des Sortiments, die Bildung des Angebots und die Kommunikation mit unseren Kunden und Interessenten bleiben weiterhin Gegenstand unserer bewußten Entscheidung und werden weder an Maschinen noch an Käufer oder deren durch algorithmische Verfahren analysiertes Verhalten übergeben. Wir setzen unser Vertrauen weiterhin auf in unser händisch erstelltes und ohne Algorithmen erhandeltes Sortiment, das notwendig subjektiv ist und auch ganz anders zusammengesetzt sein könnte. Wir meinen, daß unser Sortiment die bewußte und subjektive Auseinandersetzung mit den einzelnen Produkten widerspiegelt, und sind guter Hoffnung, daß unsere Art des Handelns noch eine Weile Früchte tragen und den Menschen etwas bieten wird, das sie anderswo nicht bekommen.

Postskriptum: Seit einiger Zeit sehen wir uns mit dem Phänomen konfrontiert, daß unsere IT-Abteilung in besorgniserregender Frequenz die hausinternen Fußball-Tiprunden gewinnt – ob und inwieweit auch hier Algorithmen im Spiel sind, werden wir überprüfen. Sollten sie nächstes Mal wieder gewinnen, schließen wir sie in der kommenden Saison von der weiteren Teilnahme aus.

Herbst 2012

Hausnachrichten

Edel, bieder, pfiffig oder schrullig? Wie uns das Feuilleton sieht.Wo wird der Manufactum Katalog gelesen? Auf dem Klo! Das meinte jedenfalls vor Jahren schon die „Neue Zürcher Zeitung am Sonntag“, und was sollten wir dagegen haben? In einer Rezension der „Süddeutschen Zeitung“ sind wir einmal „eine schrullige Nischenfirma“ und sodann wenige Absätze später „eine der letzten Bastionen gegen den Billigwahn“, während die „Zeit“ uns als „das pfiffige Versandhaus der guten, alten Dinge“ beschreibt. Ganz gleich, ob Glosse, Essay, Rezension oder Reportage: Über die Jahre ist ein Panoptikum der Marke Manufactum entstanden, und wir sind erstaunt, so vielseitig einsetzbar zu sein. Interessant ist, daß häufig nicht von Manufactum selbst die Rede ist, sondern „Manufactum“ als Attribut auf bestimmte Gegebenheiten proji-ziert wird. Manufactum wird auf diese Weise als bedarfsgemäß negative oder positive Gewährsinstanz für Urteilsbildungen genutzt. Demgemäß berichtet ein Kritiker der „Zeit“, er habe (bei den Ruhrfestspielen) ein „Angebot der guten alten Dinge, Bühnenkunst wie von Manufactum“ gesehen. Auch spricht die „Zeit“ dem Handwerk einen „Hauch von Manufactum“ zu, die „Welt“ äußert über ein Buch: „Manufactum-Literatur, ein klarer Fall für die Reklamation“, die „F.A.Z.“ glaubt in einer Ausstellung gar „Manufactum-Muff“ zu spüren, und das „Zeit Magazin“ schreibt in einem Kulinarik-Artikel über Bärlauch, daß der Lauch „dieses Omahaft-altdeutsch-Bodenständige, den Manufactum-Touch“ habe. Dortselbst vergleicht uns ein Schriftsteller auch mit Sprichwörtern: „Sprichwörter propagieren eine seltsame bürgerliche Betulichkeit. Immer geht es darum, mit dem zufrieden zu sein, was man hat. Es ist die Warnung, nicht zu viel vom Schicksal zu verlangen. Das ist bieder. Solche Sprichwörter sind wie Einkaufen bei Manufactum.“ Sogar die Schlecker-Liquidation kommentiert die „F.A.Z.“ mit Bezugnah-me auf Manufactum: Schlecker sei „wie früher“, wird festgestellt. Aber: „Nicht das Manufactum-Früher.“ Über das Programm einer Sendeanstalt urteilt die „F.A.Z.“, es sei „die Manufactum-Version des Fernsehens: Es kommt uns ziemlich teuer; was produziert wird, ist ewig im Programm und sieht aus wie aus einem anderen Jahrhundert“. Und das „ZDF“ rapportiert aus unserem Frankfurter Warenhaus als einem „Nostalgie-Kaufhaus“. Die „Süddeutsche Zeitung“ ergänzt: „Ein Mittelaltermarkt ist gar nicht so anders als eine Manufactum-Filiale an einem Aktionssams-tag“, und glaubt uns auf der „Mission, die materialisierten platonischen Ideen der Dingwelt anzubieten“, während der Chef des „SZ“-Feuilletons in einer Internetkolumne zu bedenken gibt: „Mit seiner uniformen Lebenswelt für wertkonservative Besserverdienende bleibt Manufactum aber letztlich doch nur das Ikea für FDP-Wähler.“

Rot oder grün? Auge oder Gaumen?Rote Tomaten, so wußte „Spiegel Online“ unlängst zu vermelden, sehen perfekt aus, verstecken aber unter ihrer Schale „leider oft eine bloß mit-telmäßige Frucht“. Nun ja – wir sehen uns durch diese Meldung wieder einmal bestätigt. Denn was dort „klassische Züchtung“ genannt wird, ist uns seit den 15 Jahren, die unser Gartenkatalog jetzt schon erscheint, als rasante genetische Verarmung ein Dorn im Gaumen – und im Auge. Wir sehen nämlich nur noch rot. Rot und rund soll sie sein, die ideale Tomate, die ihren Reifegrad deutlich erkennbar signalisiert und sich nicht weniger gut verkauft. Deshalb orientiert sich die kommerzielle Züchtung seit den zwanziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts überwiegend an den optischen Bedürfnissen des Kunden. Diese rote Färbung ist durch eine zufällige Genmutation entstanden. Und ganz zufällig sind so auch das typisch tomatige Aroma und ein breites Geschmacksspektrum verschwunden. Daß wir in der 15. Ausgabe unseres Gartenkataloges die Tatsache als allgemein bekannt voraussetzen, daß es nicht nur rote Tomaten, sondern auch gelbe, orangefarbene, weiße, blau- und schwarzviolette, gar lachsfarbene und braune Tomatenfrüchte gibt, war wohl – siehe „Spiegel Online“ – etwas übertrieben. Und daß gerade die grünen Tomaten als besonders schmackhaft gelten, ist die ironische Pointe dieser ganz „klassisch“ überzüchteten Sorte.

Immerhin: der Rede wert.In einer Filmrezension fabuliert die „Süddeutsche Zeitung“ über „Ster-behilfe nach dem Manufactum-Prinzip“. Gemeint ist damit das „Ableben wie früher, im Kreis von Freunden und der Großfamilie“. Und die „Zeit“ merkt in einer Reportage über eine Kinderwunschklinik an, daß angeblich jene „Gesellschaftsschicht“ die Kundschaft stellt, „die auch bei Manu-factum einkauft – so lange und ausgiebig, bis es die guten Dinge in den eigenen Geschlechtsorganen nicht mehr gibt“. Des weiteren beschreibt der Schriftsteller Max Scharnigg sein neues Leben auf dem Land und zählt dabei „die seltsame Manufactum-Samenmischung mit längst vergessenen Dingsbumsrüben“ auf, die er in seinem Garten ausgesät hat, ein Musikkritiker phantasiert über den Versuch, „die Geschichte des Jazz in einer Manufactum-Urne überleben zu lassen“, und ein Kommen-tar zum Neubau eines Bahnhofs unkt gar: „Falls der neue Bahnhof in Stuttgart von Manufactum gebaut werden würde, im Stile der Kaiserzeit, gäbe es keine Proteste, egal, wie teuer er ist.“ Weiter behauptet die „F.A.Z.“: „Die Firma ‚Manufactum‘ hat gewissermaßen literarische Geschäftsgrundlagen“, und spekuliert munter über den „Mann, der die Manufactum-Kataloge dichtet“. In einem satirischen Rückblick auf das Kulturjahr 2011 bemerkt wiederum die „Zeit“: „Die Adelstitel bei Manufactum erzielen Höchstpreise.“ Obendrein zähle der Katalog zu den Requisiten der sogenannten Nuller-Jahre: Der Manufactum Katalog sei „ein Emblem dieses Jahrzehnts“ und eine „Bibel der Neuen Bürgerlich-keit“, „Zeit Online Kultur“ führt den Manufactum Katalog überdies an, wenn es darum geht, einen „Fünf-Minuten-Eignungstest für die schöne neue Bürgerwelt“ zu absolvieren: „An wen oder was glauben Sie?“ Eine von vier möglichen Antworten: „An den Manufactum-Katalog.“ Wie viele Menschen ihren Glauben an unseren Katalog auf diese Weise kundgetan haben, wissen wir nicht. Wie fragte doch die „SZ“ so schön: „Sind wir nicht alle ein bißchen Manufactum?“ Wir schon. Und freuen uns, daß Manufactum nach wie vor der Rede wert zu sein scheint – und inzwischen offenbar sogar als Etikett für vieles andere taugt. Einstweilen lassen wir uns aber trotzdem immer noch kein einzelnes anheften und bleiben schmunzelnd gespannt, was da wohl noch kommt.

Wir sprechen uns deshalb für weniger Klassizismus, aber mehr Geschmack aus. Was gut war, wird vielleicht doch wieder gut. Unsere Tomatensämereien und entsprechendes Zubehör wie ein Tomatenhaus oder Tomatenstäbe können selbstverständlich ganzjährig bestellt werden.

Einfach nur Milch? – Über halbleere und halbvolle Gläservon Kirsten Kohlhaw

Wann ist einfach einfach gut? Eine Einladung zu mündigem Schmecken.Es ist ein interessantes Phänomen, daß mit zunehmender industrieller Verarbeitung von Lebensmitteln Unverträglichkeiten zuzunehmen scheinen. Die Produkte sollen frisch schmecken und riechen, doch wo sich die Haltbarkeit der Dinge logistischen Vertriebsstrategien unterzuordnen hat, wird echte Frische oft als verdächtig gebrandmarkt. Fett als natürlicher Geschmacksträger wird zunehmend aus dem Verkehr gezogen und durch andere Stoffe ersetzt. Aus dem Versuch, sich vor eventuellen Gesundheitsrisiken zu schützen, sind neue Industrien gewachsen – und mit ihm ganz neue, in ihren Spätfolgen ebenso unkalkulierbare Risiken. Die Sehnsucht nach gutem Geschmack ist mehr als nur ein verhandelbares Gut. Und gute Produkte verderben schlechten Geschmack genauso wie umgekehrt. Vielleicht ist es genauso einfach?

Geschmack erleben.Auch wenn sich auf dem Weidenhof* alles um die Milch dreht, schlägt das Herz des familiengeführten Landwirtschaftsbetriebs in der großen, offenen Wohnküche. Mitarbeiter und Familienmitglieder begegnen sich hier, um Informationen auszutauschen, auf einen kleinen Plausch und einen Becher Kaffee, bevor sie wieder an die Arbeit gehen. Der warme, freundliche Geist des Hofes offenbart sich durch jeden, der mit den Tieren und Produkten hantiert. Lächelnd, als hätte ich laut gedacht, gießt mir Frau Müller ein Glas tagfrische Vorzugsmilch ein. Im Trinken nehme ich mit dem rahmigen, runden Geschmack auch den unverwechselbaren Duft in mich auf. Aus inneren Bildern von Schönwetterwolken, satten Weiden und lockerem Heu formt sich ein sinnliches, einfach vorzügliches Wohlgefühl. Und dann, für einen winzigen Augenblick, schiebt sich im Nachschmecken ein Hauch Wehmut mit in den Bauch. Wo kommt die denn plötzlich her? Diesem Impuls möchte ich nachgehen, lasse mir nachschenken und halte das Glas zur genaueren Betrachtung ins Licht.

Vorzugsmilch. Warenkunde.„Vorziehen“ heißt laut Herkunftswörterbuch auch „hervorholen“. Daraus entwickelte sich die Bedeutung für „lieber mögen“, „bevorzugen“ und auch „gute Eigenschaft“. Welch schöne Übereinstimmung zwischen Etymologie und Produkt. Auch Milch geht auf den alten Wortstamm von „melken“ zurück. Rohmilch bezeichnet „das unbearbeitete Gemelk von Nutztieren“, das nur direkt vom Erzeuger auf dem eigenen Hof an den Endverbraucher abgegeben werden darf. Milch, die abgemolken, gefiltert und mit ihrem natürlichen Fettgehalt gekühlt in die Direktver-marktung oder den Handel geht, wird als Vorzugsmilch bezeichnet. Auch die Auslieferung an Privathaushalte durch einen Lieferservice der Vorzugsmilchbetriebe ist ein wichtiger Vertriebsweg. Die Produktion der Vorzugsmilch unterliegt sehr strengen hygienischen Auflagen, die der zugelassene Erzeugerbetrieb gegenüber der zuständigen Veterinär-behörde kontinuierlich zu dokumentieren hat. Monatliche Proben zum Beweis der Unterschreitung der maximal zulässigen Zellzahl für die Milch bezeugen, daß die Tiere gesund sind und das Produkt somit einwandfrei ist. Eine durchgängige Kühlung unter +8 °C während Transport und Lagerung sowie eine klare Kennzeichnung der Milch mit Hinweis auf das Verbrauchsdatum von vier Tagen sichern die Qualität auf dem Weg zum Verbraucher. Daß es sein kann, daß man Rohmilch eines nicht dezidiert als Vorzugsmilch-Betrieb geführten und ausgewiesenen Hofes abkochen muß, die Vorzugsmilch eines Vorzugsmilch-Hofes hingegen roh trinken kann, ist also Teil der begrifflichen und juristischen Logik nach deutschem Lebensmittelrecht.Da die Vorzugsmilch in ihrer Struktur unverändert, weder erhitzt noch molkereitechnisch bearbeitet ist, ist sie besonders vollwertig, das heißt, Nährstoffe bleiben vollständig enthalten. Der Fettgehalt kann je nach Jahreszeit und Futter schwanken. Bei den Deutschen Holsteins beispielsweise liegt er zwischen 3,6 und 4,2%, bei der Jersey-Rasse „Royal Butter Cow“ kann er bis zu 5,8% betragen. Kühe haben es gerne kühl und ruhig. Sie liefern unter artgerechten Haltungsbedingungen – zu denen auch Kuhbürsten zur Massage und in heißen Sommern kalte Duschen gehören – um die 10.000 kg Milch pro Jahr. Der professionelle und liebevolle Umgang mit den Tieren trägt dazu bei, daß die Leistung und Qualität des Produkts so hoch sind.Glücklicherweise gibt es noch einige Landwirte, die diese einzigartige Milch direkt vertreiben. Da keine aktuelle, vollständige Liste der Betriebe

existiert, einige Bauern über den mehr auf Käse und Bioprodukte spezialisierten VHM (Verband für handwerkliche Milchverarbeitung im ökologischen Landbau e.V.) organisiert sind oder sich im BVDM (Bundes-verband der Vorzugsmilcherzeuger und Direktvermarkter von Milch- und Milchprodukten) engagieren, sind es insgesamt laut Schätzung von BVDM-Geschäftsführerin Antje Hassenpflug noch maximal 40.

Fragen nach der Zukunft der Milch.Täglich überwacht Frau Müller, die gemeinsam mit ihrem Mann Achim den eingangs erwähnten Weidenhof in Wächtersbach im Kinzigtal führt, sämtliche Produktionsschritte von der Verfassung der Tiere über die Melkvorgänge bis hin zur Abfüllung. Kontinuierlich stellt die studierte Agraringenieurin sicher, daß alle Anlagen und Gerätschaften in Ordnung sind, mit dem Ziel, mögliche Fehlerquellen aufzuspüren, bevor sie entstehen. Weil Vorzugsmilch eines der am strengsten kontrollierten Lebensmittel der EU ist und es immer schwerer für sie wird, in dem auf Gewinnmargen, Effizienz und Logistik ausgerichteten Einzelhandel ihren Platz zu finden, sind Transparenz und Aufklärungsarbeit ein wichtiger Teil der landwirtschaftlichen Arbeit. „Vorzugsmilch ist unser Herzensprodukt, Sorgenkind und Steckenpferd zugleich.“ Daher begrüßt sie ausdrücklich, daß regelmäßig Schulklassen, Radwanderer und andere interessierte Besucher auf den Hof kommen. Unlängst wurde der Weidenhof zudem in einer Zeitschrift für Direktvermarkter vorgestellt. Ob ihr in den langen, arbeitsreichen Tagen der Trubel nicht manchmal zuviel wird? „Ich bin ja nicht die einzige, die sich stark macht. Wir alle, die noch dabei sind, sind Botschafter für die Vorzugsmilch.“ Das zeige sich im Engagement der einzelnen Höfe, aber auch darin, daß die Jahresversammlungen des BVDM stets gut besucht sind. Dort findet Fach- und Erfahrungsaus-tausch statt, geben die Landwirte sich Rückhalt und planen gemeinsame Aktionen. Daß die Zahl der reinen Vorzugsmilch-Betriebe weiter rückläu-fig ist, wird mit wachsamer Sorge betrachtet. An einigen Höfen nagt der Zahn der Zeit samt Nachwuchssorgen, andere bewältigen den hohen zeitlichen und nervlichen Aufwand der immer strengeren Qualitätskon-trollen immer schlechter. „Ich bin froh, daß ich eine gewisse Affinität zu gesundheitlichen Themen habe, ohne Chemiekenntnisse, detektivischen Spürsinn und Intuition stünde man ganz schön allein auf weiter Flur“, stellt Frau Müller nüchtern fest.Wenn neue Nachrichten um Lebensmittelskandale die Bevölkerung in Sorge versetzen, schwappt die medial geschürte Unruhe fast ohne Umwege auf die Milch über. Frau Müller ist in solchen Phasen dazu übergegangen, die Milch – auch wenn keinerlei Grund zur Beunruhigung besteht – rein vorsorglich zu pasteurisieren. Denn neben dem Wohl der Tiere sind ihr das Vertrauen der Kunden und der gute Ruf der Vorzugs-milch das Allerwichtigste.Mit der Frage, wieso die Vorzugsmilch trotz ihrer vorzüglichen Eigenschaften und des unverwechselbaren Geschmacks um ihr gutes Image und, wie an der rückläu-figen Entwicklung der Höfe zu sehen ist, um ihr Überleben zu kämpfen hat, öffnet sich ein weites Feld.

*Der Weidenhof beliefert unter anderem den Manufactum brot&butter-Laden in Frankfurt am Main zweimal wöchentlich mit tagfrischer Vorzugsmilch.

www.milch-und-mehr.de www.weidenhof-online.de

Kirsten Kohlhaw lebt und arbeitet als freie Autorin, Publizistin und Kommunikations-beraterin in Berlin.

Neodym-Magnet. (K)ein gutes Ding?Seit dem Hauptkatalog Nr. 14 bieten wir Ihnen Neodym-Haftmagnete an. Weil Neodym eine der höchsten Koerzitivfeldstärken (Stabilität gegen externe Magnetfelder) aufweist und die höchste Energiedichte mit sich bringt – also die vom Magneten ausgehende Feldenergie –, priesen wir diese Ressource bis in den letzten Katalog (Nr. 24) zurecht als „Kraftwun-der“ an. Nun haben wir, wie zu erläutern sein wird, alle Neodym-Magnete aus unserem Sortiment genommen. Trotz vieler zufriedener Kunden. Neodym wird in Mobiltelefonen und Lautsprechern, Kernspintomo-graphen und Hybridautos oder auch Festplatten, Plasmabildschirmen und Windrädern verbaut. Viele technische Errungenschaften unserer Zeit kommen gar nicht mehr ohne neodymhaltige Magnete aus. Dabei ist der eigentliche Magnet zumeist eine Legierung aus Neodym, Eisen und Bor, denn die Zusammenführung dieser Metalle ergibt die stärkste Magnet-leistung. Nur wenige andere haben ähnliche Eigenschaften – Ferrit zum Beispiel. Das ist eine kristalline Eisenform, die bei gleicher magnetischer Leistung wesentlich mehr Masse erfordert als Neodym. Ferrit ist einer der meistverwendeten magnetischen Werkstoffe, die sowohl in industriel-len als auch kommerziellen Anwendungen benutzt werden. Ausgangspunkt für die Auslistung war der Hinweis eines (einzigen) Kunden auf einen Fernsehbericht über den Abbau und die Verwendung von Neodym. Vor allem die als besonders grün und sauber geltende Windkraftbranche ist in den Verdacht geraten, ein „schmutziges Geheim-nis“ zu tragen – nicht zuletzt durch die entsprechend titulierte Reportage der ARD. Namentlich der Einbau von Permanentmagneten mit Neodym in getriebelosen Direktwindrädern (der Rotor treibt den Generator ohne zwischenliegendes Getriebe an) ist in Verruf geraten.

Schäden an Mensch und Umwelt.Unsere daraufhin angestrengten Recherchen haben die Bedenklichkeit des Materials eher bestätigt als entkräftet. Neodym zählt zu den Metallen der Seltenen Erden. 97% des weltweiten Bedarfs an Seltenen Erden werden in China gefördert. Der Abbau des Gesteins und die Extraktion des Neodyms aus den abgebauten Rohstoffen gehen zumeist mit erheblichen Umweltschäden einher. Wie man sagt, enthalten die Flöze giftige Schwermetalle sowie radioaktives Thorium und Uran, die beim Abbau und der Weiterverarbeitung freigesetzt werden und Flora und Fauna kontaminieren können. Folge dieser Verseuchung sind, so wird vermutet, höhere Krebsraten und daraus resultierende Todesfälle in direkter Nähe zu den Minen und deren Auffangbecken und Abraumhal-den. Bei der Bemühung um striktere Umweltauflagen und die Schließung illegaler Minen ist bislang nicht viel Nennenswertes passiert. Der größte Seltene-Erden-Produzent wurde mit einem Exportverbot belegt. Wohl eher ein Tropfen auf den heißen Stein. Wir haben bei unseren Lieferanten die Herkunft des Neodyms in Erfahrung zu bringen versucht: China. Sodann haben wir bei einem chinesischen Magnetexporteur nachgefragt. Dieser trat zwar mit einem direkten Handelsangebot an uns heran, zu den Umständen der Gewin-

nung des von ihm eingesetzten Neodyms konnte oder wollte er jedoch keine nähreren Auskünfte geben. Nachdem wir schließlich eine Studie vom gemeinnützigen Freiburger „Öko-Institut e.V.“ über die Abtragung und Wiederaufbereitung von Seltenen Erden konsultiert hatten, sahen wir uns mit dem Befund konfrontiert, ein Produkt zu verkaufen, das unter Verwendung eines Rohstoffes fabriziert wird, dessen Gewinnung aller Wahrscheinlichkeit nach mit vermeidbaren und letztlich nur schwer zu vertretenden Schäden an Mensch und Umwelt einhergeht.

Seltene Erden. Selten kostbar. Selten nötig.Also klarer Fall, raus damit aus dem Sortiment? So einfach ist die Sache nicht. Letztlich verursacht jedes von uns angebotene Produkt einen Verbrauch von Energie und Rohstoffen und Beeinträchtigungen der Umwelt und ist insofern in Frage zu stellen. Am Ende geht es fast nie um eine schwarz-weiße Entscheidung, sondern um eine fallweise, oft graduelle Abwägung zwischen Sinnhaftigkeit und Schädlichkeit, um die Betrachtung von wirtschaftlich und technisch verfügbaren Alternativen und um die generelle Frage der Notwendigkeit oder Entbehrlichkeit. In diesem Entscheidungsprozeß gibt es nach unserer Erfahrung kaum starre Regeln und Kriterien. Ein Argument, das bei diesem Produkt zur Auslistung führen kann, wird bei jenem aus anderen starken, für eine Listung sprechenden Gründen vielleicht hingenommen. Die Frage, was ein gutes Produkt sein darf, ist eben keine einfache Frage. Wir verkaufen beispielsweise nicht nur zertifiziertes Holz oder nur Ökobaumwolle, arbeiten aber, wo immer sinnvoll machbar, darauf hin. Auch der Auffor-derung von Tierschützern, unser Entenschießspiel aus dem Programm zu nehmen, sind wir nach reiflicher Überlegung und Diskussion nicht nachgekommen. Aus diesen Gründen gibt es bei uns – weder intern noch veröffentlicht – so etwas wie eine „Checkliste“ zur Entscheidung über die Aufnahme oder Ablehnung von neuen (oder bestehenden) Produkten in unser Sortiment. Um zu gewährleisten, daß eine Listung gerechtfertigt ist, versuchen wir, die etwaigen Nachteile und Mißstände eines Produktes und dessen Hintergründe in Erfahrung zu bringen. Dies geschieht sorgfältig, aber eben auch subjektiv und individuell. Als wir aber vor vielen Jahren zum ersten Mal die Magnete ins Sortiment aufgenommen haben, waren uns weder Neodym noch die Seltenen Erden in Gänze verdächtig – ganz im Gegenteil: Wir waren von den physikalischen Eigenschaften begeistert und haben die Problematik nicht erkannt. Nun ist für uns die Verwendung von Neodym in Haftmagneten für Büroordnungssysteme im Hinblick auf die problematischen Produktionsbedingungen und den nur geringen, für unseren Einsatz nicht entscheidenden Produktmehrwert nicht mehr hinreichend zu rechtfertigen. Der Mehrwert erschöpft sich im Vergleich zu anderen Materialien lediglich in einer geringeren Masse, also Größe. Das mag bei anderen, technischen Anwendungen von Neodym entscheidend sein, für das Anbringen von Notizzetteln auf Kühlschranktüren ist es das nicht. Seien Sie uns bitte nicht böse, wenn wir Ihnen zukünftig dieses (fast) gute Produkt vorenthalten – auch wenn Sie in dieser Situation (verständlicherweise) vielleicht anders entschieden hätten.

V.i.S.d.P. Manfred Ritter und Dr. Christopher Heinemann. Manufactum GmbH & Co. KG, Hiberniastraße 5, 45731 Waltrop Redaktion: Markus Althaus, Franziska Baumgärtner, Ines Holz, Xaver Oehmen, Kirsten Kohlhaw.

Manufactum Herbsttage. Im Oktober in Waltrop.Pflanzen und Früchte stehen im Mittelpunkt unserer Herbsttage auf der Zeche Waltrop, die sich zu einer beliebten Veranstaltung in der Region entwickelt haben und längst auch Be-sucher von weit her anziehen. Vielleicht wollen ja auch Sie in diesem Jahr bei einem Gang über unseren Herbstmarkt die Vielfalt unserer Aussteller kennenlernen, von deren Wissen profitieren oder zum Beispiel Ihre Schuhe von unserem Schuhmacher reparieren lassen. Im Gasthaus Lohnhalle stehen jahres-zeitliche Gerichte aus der regionalen Küche oder frisch Zubereitetes von brot&butter auf der Speisekarte. Wie immer gibt es spannende Fachvor-träge, und auch für ein begleitendes Kinderprogramm ist gesorgt. Das ausführliche Veranstaltungsprogramm finden Sie ab Anfang Oktober im Internet unter www.manufactum.de/herbsttage Wir freuen uns, Sie in Waltrop zu begrüßen.

Freitag, 19. Oktober, 11–19 Uhr. Samstag, 20. Oktober, 10–18 Uhr

Umbau im Warenhaus Stuttgart.Zu Fuß nur einen Katzensprung vom Hauptbahnhof entfernt ist unser Stuttgarter Warenhaus, dessen augenfälligstes architekto-nisches Merkmal bislang der kubische Eingangsbereich aus Stahl und Glas war. Derzeit wird das gesamte Gebäude umgebaut, und so wie es äußerlich eine neue Gestalt bekommt, bauen wir auch im Innern um. Die Wohngemeinschaft mit MAGAZIN® bleibt indes erhalten – unsere Verkaufsfläche wird jedoch um einiges größer werden, und auch einen brot&butter-Laden wird es in Zukunft in Stuttgart geben. Die dadurch in den kommenden Monaten entstehenden Unannehmlichkeiten bitten wir zu entschuldigen und hoffen, daß das Resultat Ihre Geduld entlohnt. Bis dahin bieten wir Ihnen am gewohnten Ort eine gute, wenn auch platzbe-dingt nicht vollständige Auswahl aus dem Manu factum Sortiment an.