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Herkunft und Ursprung des Ortsnamens "Český Krumlov" © MAphil./ Ing.Arch. Regina Hadjio-Wieland Hamburg 2013 Der Inhalt dieser Arbeit ist im Ganzen sowie in Ausschnitten und Details durch die Urheberrechte der EU und der CR gesetzlich geschützt. Auszüge und Zusammenhänge dürfen ohne die vorherige Zustimmung der Autorin nicht verwendet werden.

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Herkunft und Ursprung des Ortsnamens "Český Krumlov"

© MAphil./ Ing.Arch. Regina Hadjio-Wieland

Hamburg 2013

Der Inhalt dieser Arbeit ist im Ganzen sowie in Ausschnitten und Details durch die Urheberrechte der EU und der CR gesetzlich geschützt. Auszüge und Zusammenhänge dürfen ohne die vorherige Zustimmung der Autorin nicht verwendet werden.

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HERKUNFT UND URSPRUNG DES ORTSNAMENS "ČESKÝ KRUMLOV"

1. Linguistischer und sprachgeschichtlicher Teil

a.) schriftliche Zeugnisse: Urkunden b.) grundlegende Untersuchung einer ahd. Herkunft "Krumlov", "Krumau" c.) linguistische Ableitung des Endungssuffixes -ov ( -au) aus dem Slavischen d.) geschichtspolitischer Zusammenhang: deutschnationalistische Auslegung - Kritik und Weiterenwicklung e.) linguistisch - geschichtlicher Ansatz f.) linguistische Untersuchung des Wortstammes Krum- aus dem Keltischen indoeuropäisches Substrat und geographisch- politische Einordnung

2. Archäologisch-geschichtliche Untersuchung (Begründung, Untermauerung) Keltische Besiedlung in der vorslavischen Zeit und vor der Völkerwanderung

a.) die Rolle der germanischen Stämme b.) die Rolle der keltischen Boier und ihr linguistisches Substrat c.) die Rolle der slavischen Tschechen und ihr linguistisches Adstrat 3. Schlussfolgerung und Ausblick auf einige Bereiche der tschechischen Toponymie

EINLEITUNG Die vorliegende Arbeit auf dem Gebiet der Onomastik befasst sich mit der Herkunft und ursprünglichen Bedeutung des Namens der Stadt "Český Krumlov" (Böhmisch Krumau) 28 km südwestlich von České Budějovice (Budweis) in Südböhmen gelegen. Gegenstand der Untersuchung ist der zweite Teil des Toponyms "Krumlov". Hierbei stehen uns klassischerweise die Methoden dreier Wissenschaften zur Verfügung: 1. die Historiographie mit der Bewertung schriftlicher Dokumente 2. die Linguistik mit der Untersuchung sprachgeschichtlicher und morphologischer Prozesse 3. die Archäologie mit Bodenfunden materieller Zeugnisse. Der Untersuchungszeitraum umfasst in etwa im Kern 1,5 - 4 Jahrtausende im groben Überblick, d.h. von der Mitte des 15. Jhds. zurück bis etwa 1500 v Chr. in die mittlere Bronzezeit. Aber noch darüber hinaus werfen wir einen kurzen Blick auf die Besiedlung des Gebiets Český Krumlov seit dem Paläolithikum um die Bedeutung der Besiedlung dieser Kulturlandschaft bis in die heutige Zeit nachzuvollziehen.

Seit Mitte des letzten Jahrhunderts bis heute, d.h. mit der touristischen Erschließung wird uns die Stadt "Cesky Krumlov" in jedem Reiseführer wie auf der Info-Internetseite von "Cesky Krumlov" oder "Böhmisch Krumau" in der Bedeutung einer "Krummen Aue" vorgestellt. Eine "Krumme Aue" = "Krivy luh" verstehe der Betrachter des Stadtplanes von allein! ? Selbstverständlich hat er sofort eine Wiese vor Augen, auf der fleißige Leute eine Stadt aufbauen und diese mit einem Schloss schmücken, als sie diese unberührte Aue vorfinden: Ähnlich dem Garten Eden, der Adam und Eva jungfräulich zu Füssen lag. Eine schöne Metapher. Zurückzuführen ist diese atemberaubende, simple Populäretymologie des Toponyms auf einen Absatz in Antonin Profous ´ Standartnachschlagewerk "Mistni jmena v Cechach,

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jejich vznik, vyznam a zmeny", Praha CSAV 1 (Antonin Profous: "Ortsnamen in Tschechien ihre Entstehung, Bedeutung und ihre Veränderungen", Prag CSAV 1959). Dieses wissenschaftliche Nachschlagewerk wurde 1959 herausgegeben. Antonin Profous hat es selbst nicht mehr zu Ende gebracht. Er starb 1953. - 1 -

Beginnen wir mit den schriftlichen Dokumenten und Urkunden um uns einer Spur zu nähern. Dabei können wir uns nur an die Urkunden des Schlossbaues der Stadt Krumlov halten. Über die Stadt selbst oder das Dorf oder eine Siedlung, aus dem die Stadt respektive das Schloss entstanden ist, haben wir keine schriftlichen Dokumente. Die Gründer des Schlosses Krumlov waren das tschechische Geschlecht der Vitigoner, genauer Vîtek II der Ältere, Sohn des Vîtek von Prčic. Krumlov gehörte zum Königreich Böhmen unter König Otakar II. Zum Königreich Böhmen gehörte auch der nördliche Teil der ehemaligen Panonia, heutiges Oberösterreich. In Oberösterreich gab es seit der Völkerwanderung neben dem illyrischen und dem germanischen einen erheblichen slawischen resp. serbischen, sorbischen und tschechischen Bevölkerungsanteil. Darauf soll zum gegebenen Zeitpunkt Bezug genommen werden. Krumlovs Bevölkerungsstruktur war zum Gründungszeitpunkt des Schlosses überwiegend historisch tschechisch, die Kolonisationswelle aus den nachbarlichen Ländern setzte mit der erfolgreichen Bewirtschaftung der Ländereien, die zum Cisterzienserkloster Zlata Koruna gehörten, ein. Im Jahr 1302 mit dem Tod des Vok von Krumlov, der ohne Nachkommen verschied, erhält Rožmberk als Kanzler des Königs das Schloss, die Stadt und die dazugehörenden Ländereien zum Eigentum. Mit dem Gründungsjahr des Schlosses 1253 haben wir zu Krumlov die erste Urkunde.

1. Linguistischer und sprachgeschichtlicher Teil a.) schriftliche Zeugnisse: Urkunden

Die Wissenschaften der Geschichte, Archäologie und Linguistik der 50er Jahre des 20. Jhds. waren noch durchwirkt vom deutsch-nationalsozialistischen Gedankengut, der Überhang jener Publikationen und die darauf basierenden wissenschaftlichen Überbauten noch nicht überarbeitet. Die tschechische Akademie der Wissenschaften war im Protektorat Böhmen und Mähren fremdgesteuert, archäologische Funde geraubt, die Herkunftsgeschichte umgeschrieben, die tschechischen Wissenschaftler entmündigt oder entlassen. So scheinen eine Vielzahl von germanisierten Umdeutungen bis in die heutigen Tage Gültigkeit zu haben. Wir lesen in deutscher Sprache im tschechisch geschriebenen Wissenschaftswerk von 1959 in vager Formulierung folgende unwissenschaftliche Etymologisierung:

"Boehmischkrummau, Krummau - Krumlow - leitet allem Anschein nach den Namen von den häufigen Auen ab, die man bei der Anlegung dieser Stadt an den vielfältigen Krümmungen des Moldaustromes hier angetroffen hatte." (Schaller XIII, 174. in: Antonin Profous a.a.O., S. 423.) Weiter heißt es: "Krumau, Krumlow - Schutz- und Municipalstadt, liegt 3 Meilen sw. von Budweis an der Moldau, deren oberhalb und unterhalb enges, felsiges Tal hier durch mehrere (!) starke Krümmungen des Flusses, wovon auch die Stadt ihren Namen haben soll, so wie durch den Einfluss des Kalschinger Baches beträchtlich erweitert wird … "(Sommer IX, 235 in A. Profous, ebenda). Dies postuliert Friedrich Schaller, ein deutscher Germanist in den 90er Jahren des 19. Jhds., ein Vertreter der pangermanischen Geisteshaltung, vorbereitend die Grundlagen der heroisierten Germanen, welche angeblich andere Völker an Kulturleistungen übertrafen. Deutschsein sollte heißen, sich zu beziehen auf die in Wirklichkeit der unterschiedlichsten Stämme um sich zu begreifen als "ein Blut, ein Volk". Konsequenz und Ziel dieser Verfälschungen war ein historisch zu begründender Territorialanspruch.

Schaller äußert sich weder wer die Stadt "gegründet" haben könnte, noch wann dies geschehen war. Die "häufigen Auen", die man angetroffen haben wollte, verwundern. Der dritte deutsche Germanist ebenjener Geisteshaltung, Friedrich Kluge (Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache, Berlin 1899) der mit der Ableitung des Toponyms Český Krumlov aufgerufen ist, liefert zur ins Tschechische übersetzten Eingliederung des Ortsnamens

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auch gleich eine linguistische Begründung, die in sich logisch wirkt, wenn man von der Tatsache absieht, dass er einen schlicht verfälscht Ortsnamen zu Grunde gelegt: "Dieser Stadtname ist aus dem Ausdruck krumben owe entstanden, in welchem das ahd. Adj. krump(b) "krumm, ge- krümmt" und das Substantiv Ouwe ( = nhd. Aue) "Fluß, Sumpf (Halb-)insel, enthalten ist. So hieß unsere MJ. "Krummer Strom (Fluss)" oder "Krumme Halbinsel". Doch der bloße Blick auf die Landkarte bestätige die erste Auslegung." Kluge setzt nur die Alternative zwischen diesen beide von ihm vorausgesetzten Möglichkeiten voraus.

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Vergleichen wir die Originalschreibweise der Dokumente der Stadt Český Krumlov mit der Schreib- weise Kluges (Kluge, a.a.O. 378):

Urkunden F. Kluges veränderte Schreibweise

Chrumbenowe 1253 Krumbenouwe von Kluge einge- schobenes "u" Crumlow 1258 im Originaldokument Krummenouwe kein "u" vorhanden 16. Juni 1258 (Sonntag) "...mus noticie fieri manifestum, quod ad peticionem dilecti nobis in Christo viri nobilis Witigonis de Crumlow (3) ecclesiam de Lichtenwerd(4), nostre dyocesis, in qua idem W. ius obtinet patronatus, quam cum ..." (Stiftsarchiv Schlägl, Prämonstratenser)

Crumlow 1259

1. Juni 1259 "... ecte preteriens metas et terminos uiilarum que fuerant Suatomiri, usque ad metas domini Witconis de Crumlow Predicto insuper cenobio piscaturas concessit et per has metas distinxit, et quod mete ..." (Archiv Višši Brod)

Krvmbenowe 1259 Krumnouwe

Krummenowe 1260 Krumau(e)

Crummenowe 1261 Krumau

Chrumnow 1274 Chrumnaw 1283 Chrumenow 1305 Krumau/Cesky Krumlov 1305

29. Mai 1305 (Samstag) "... Pfarrer (Pleban) einen Zehent zu Groß-Droßen und das Recht, in der Moldau zu fischen, Ĉeský Krumlov (Krumau) (Stiftsarchiv Schlägl) Crumlow 1307

Chrumpnaw 1312

Chrumpnau 1325

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Český Crumlow 1387 Krumlov 9. leden 1387 "..vůj dům sladovnu a přijmy z několika vsi na zřízení prebendy s jedním stálým kněžem. Český Krumlov (Crumlow) 9. leden (Národní archiv Praha)

Český Krumlov 1439

Český Krumlov

Český Krumlov

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"Krumau" lesen wir in den Wand- und Deckengemälden des im sehr viel später im Renaissancestil umgebauten Schlosses

Nirgendwo ist in den Originalurkunden der Stadt bzw. des Schlosses die Schreibweise Crumbenouwe Krummenouwe zu finden. Kluges Behauptung, "Crumbenowe" sei aus einem Adj. "crumben" und einem Substantiv "ouwe" zusammengesetzt - stamme also aus dem Althochdeutschen und bedeute nhd. Aue - somit sei der Name "unserer" (wessen?) Stadt eigentlich deutsch. "Krumlov " bedeute "Krumme Aue" beruht somit schlicht auf einer Fälschung. Zum zweiten ist weder im Ahd. noch im Mhd. ist ein Substantiv "owe" belegt. Nhd. "ouwe" müsste im ahd. auf -a enden, also "ouwa" heißen. ( persönliche Konsultation und eingehende Untersuchung mit Herrn Prof. Dr. Jochen Splett, Ordinarius an der Westfälischen Wilhelmsuniversität zu Münster, Institut für Germanistik, Autor und Herausgeber der Enzyklopädie: Deutsches Wortfamilienwörterbuches in 18 Bd. 2009.)

Prof. Splett verweist auf Es liegt hier aber weder "ouwa" noch "ouwe" vor. Somit scheidet die Deutung des Endungsmorphems "-owe/-ow" als ahd., mhd., nhd. Substantiv schon aus diesen beiden ersten Gründen aus.

Eine aussagekräftige Parallele zu Cesky Krumlov bilden 3 weitere Städte mit dem gleichlautenden Namen Krumlov/Krumau. Sie befinden sich alle 4 im nördlichen und südlichen Donaubereich. Ca. 200 km weiter westlich von C.Krumlov (1) liegt in ähnlicher topografischer Position, d.h. in einem Flußmäander gelegen, Moravsky Krumlov (2). Seine ersten schriftlichen Zeugnisse stammen ebenso aus dem 13. Jhd.: 1260 Siedlung Chrumnow 1289 "Hrad Chrumnow" (pani Obran) lat. Crumlovium 1354 Stadt "Criminaw" als "oppidum seu villa murata" (= ummauerte Stadt) 1363 Chromnaw phonetische Umbildung -ow(slav.) -- -aw -- -au (dtsch.) 1368 Kromau 1396 Krumpnau 1420 Krummlau man beachte die Umbildung des Fugengliedes "-n-" (stimmhafter alveolarer Nasal) zu "- l -" (stimmhafter lateraler alveolarer Aproximant) 1540 Sigillum Civium de Crumlov 1695 Sigillum Civitatis Krumloviensis 1816 Kromau Krummau heute M.Krumlov Auch hier ist in der Wortentwicklung Krumau/Kromau (als deutsche Version von

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Krumlov) keine Verbindung mit irgendeiner Wiese zu sehen. Die topografische Lage ist vergleichbar.

100 km südlich von C. Krumlov, im heutigen Oberösterreich liegt "Krumau am Kamp". Die keltischen Wurzeln sind hier sofort evident. "Kamp" (ebenso wie das Bayrische "Cham") stammt aus dem Keltischen: "kambo-s" = krumm, gebogen "kemb-" = winden "kambito-s" = Felge Die Burg "Krumau am Kamp" liegt in erhöhter Felsenlage am Fuß Kamp. Sie gehörte im 12. Jhd. und in der Folgezeit wie ganz Oberösterreich zum böhmischen Königreich unter Otakar II (verheiratet mit Margarete von Babensberg, Habsburgerin). Die Burg wurde noch vor der Burg in C.Krumlov errichtet.

1168 (erste namenskundliche Erwähnung: Burggrafen des Landesfürsten Prunricus de Crumpinowe 1171 Prunricus de Crumbenow und sein Sohn Azzo (eingetragene Burggrafen)

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Die gesamte Namenskonstruktion "Krumau am Kamp" ist eine hybride Mischbildung. Als Mischkomposita im engeren Sinn kann man die hybriden Bildungen bezeichnen, bei denen sich ein - in diesem Fall keltisches - Wortglied "Crum" = Substrat, mit einem fremden Bestandteil "-ow, -owe" = slawisches Adstrat bzw. Superstrat und dem Zusatz "am" = deutsches Superstrat und "Kamp" = keltisches Substrat in einem fremden morphologischen System verbunden hat. Crumpi/Crumbe als Wortstamm verbindet sich mit einem fremden (slavischen) Morphem: -ow, -owe.

Panonia - Karantanien - Oberösterreich ist seit der Völkerwanderung slavisiert, wovon benachbarte Gemeinden von Krumau am Kamp in ihrer Toponymie Zeugnis ablegen. Ihre Benennungen bilden im keltischen Siedlungsgebiet ein Adstrat: Zur Marktgemeinde Krumau/Kamp gehören noch heute die Katastralgemeinden "Preinreichs", "Idolsberg" "Eisenberg" (Eisen = von Kelten kultiviertes Gebiet) und "Dobra Untere Waldhütten" (eine hybride slavisch/deutsche/keltische Mischkomposition: "-hütten" lässt wieder eine auf die Kelten zurückgehende Eisenverhüttung vermuten).

Als (4). Krumau begegnet uns Krumau/Admont an der Eng im Admonttal in der Steiermark (heutiges Niederösterreich). Die ersten Siedler im Admonttal waren vermutlich Kelten. Sie erschlossen Salzquellen in Hall, schürften nach Eisen und Kupfererzen und waren als Jäger, Fischer und Holzfäller tätig. Während der Völkerwanderung ließen sich hier Germanen und Slaven nieder. Eine Urkundenchronik zu Krumau/Admontis ist nicht bekannt.

Als (5). Toponym zum Vergleich bietet sich die Stadt "Kromeriz" an, deren Vergangenheit ins frühe Mittelalter reicht und noch weiter zurück.

b.) Grundlegende Untersuchungen einer ahd. Herkunft "Krumlov" "Krumau" (HIER EINSCHUB HANDOUT: AHD) Es ist also wenig wahrscheinlich, dass "Krumbenowe" aus dem Germanischen respektive Althochdeutschen abzuleiten ist und aus einem Adjektiv und einem Substantiv bestehen soll. "Krumbenowe" ist also nicht eine irgendwie geartete "Aue" oder Wiese. Ebenso falsch ist es, aus den vorhandenen Urkunden die zeitliche und linguistische Nachordnung "Krumlov" vorzunehmen. Im Gegenteil, die frühesten Urkunden lauten auf "Crumbenowe", was eine Personenbezeichnung im Plural impliziert mit einem slavischen Endungsmorphem. Im 13. Jhd. überwiegen die Bezeichnungen Chrumbenowe/Crumbenowe/Krumbenowe, also

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mit dem Endungssuffix -owe. Erst im 14. Jhd. wird die Bezeichnung "Krumau" verwendet, und zwar parallel zu "Krumlov". D.h. eimal ist sie die Version für die tschechischsprachigen Bewohner Endungssuffix auf -ov ), das andere Mal mit dem Endungssuffix -au in der deutschsprachigen Variante.

c.) Linguistische Ableitung des Endungssuffixes -au und -ov aus dem Slawischen

Das Endungssuffix " - owe/ - ow" → " - aw/ - au" ist also weder ein germanisches Substantiv noch ein slawisches Substantiv. "-owe/ -ow" ist ein slavisches Endungsmorphem. Es handelt sich um das patronymische Suffix -ov, -ove, das den altslavischen Genitiv enthält, der die Zugehörig- keit zu etwas bezeichnet. Dabei müssen wir zwischen "-ov" und "-owe" noch genauer differenzieren: 1. Das Endungsuffix (Krum - l ) - ov ist in der Toponymie als Morphem gebräuchlich, wie z.B. in Ortsbezeichnungen wie z.B. "Zvíkov, Benešov, Havířov, Barandov, u.a. 2. die Endung -owe ist ein personenbezogenes patronymisches Morphem im Nom. Pl. wie z.B. "Kralové= (die) Könige, Rusové = (die) Russen, Italové = (die) Italiener, aber auch Bartošové(í) = die Familie der Bartošs; entsprechend die weibliche Namensendung : -ová z.B. pani Bartošová = Frau Bartoš ( -ová zu Herrn Bartoš gehörig) und eben "Crumben - owe" = die Leute aus/von Crumb(en) - die Crumb(aner) Crumlow/ Crumnow/ Crumnaw (im deutschen phonetischen System wird -ov zu -au also Krumau) : ist die Bezeichnug für den Ort. Das Endungsmorphem "ov" (entstanden aus dem altslav. Gen.) wird durch Assimilation im Deutschen über "aw" zu "au" phonetisch verändert, ohne den ursprüngl. in den slavischen Sprachen enthaltenen grammatischen Inhalt dabei zu übernehmen. - 5 -

Bei der Gegenüberstellung deutscher Germanisten derselben Generation sei an dieser Stelle auf Förstemann (Ernst Förstemann: Altdeutsches Namenbuch, Bd. 2, hrsg. v. Hermann Jellinghaus, Bonn 1913) verwiesen, der in seiner Enzyklopädie darauf hinweist, dass die slavische Endung -ovo, -owo, -owe in der Onomastik sehr zu beachten sei. (Förstemann, a.a.O. Sp. 294) Dort finden wir "Chrumpoove", "Krumau bei Admont" (heutiges Niederösterreich), "Krumau am Kamp" (heutiges Oberösterreich), Chrumbinove" (FA. IV n. 549 ca. a 1142) aber ohne den hier interessierenden Ortsnamen "Crumbenowe/Krumlov".

So ist "Chrumbenowe/Krumbenowe" am ehesten zu lesen als "die Leute von Chrumb", die "Krumbaner", tschech.: "Krumbenove". Die Endung -au im Toponym Krumau in der Bedeutung eines Substantivs lässt sich auch im Vergleich mit anderen Ortsnamen ähnlicher Beschaffenheit kaum verteidigen. Überaus häufig finden sich zwischen Dresden, Zwickau, Bautzen (ehem. Budisin) bis zur Ostsee östlich von Hamburg Ortsnamen auf -au: Zwickau, Werdau, Zwenkau, Crimmitschau, Gelenau, Netzschkau, Zschopau, Pegau, Roschau. Die Liste lässt sich beliebig fortsetzen. Ebenso häufig finden sich Ortsnamen auf -itz, wie z.B. Zschepplitz, Nekanitz, Luttewitz und viele andere.(Hier bleibt die das Suffix - ic, -ice = -itz in seiner phonetischen Gestalt erhalten.) Diese Toponyme gehen auf die elbslavische Bevölkerung (Lusiter, Sorben, Vinider u.a.) der frühen Völkerwanderungszeit im 6. Jhd. und später zurück. Dazu berichtet die Fredegarchronik über Nachbarschaftskonflikte zwischen Franken Vinidern und Awaren im Zusammenhang mit Samo. Das Suffix -au ist bis auf wenige Ausnahmen (Blumenau am Bodensee, hier wurde Blumengarten für das Fürstentum angelegt) die phonetische Umsetzung des slavischen Suffix -ov, -ova, -ovy auf germanisiertes -au. In keinem der Toponymie bedeutet -au eine Landschaftsbeschreibung im Sinne einer Wiese oder Aue. Den gleichen Lautgesetzen entsprechen auch die eingedeutschten tschechischen Ortsnamen. Aus -ov, -ova, -ava, -ovy wird -au im Deutschen. Nur um einige Beispiele zu nennen: Trocnov - Trotzau Tachov - Tachau Kajov - Gojau

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Cvikov - Zwickau Mlada Boleslav - Jung Bunzlau Ceska Trebova - Böhmisch Trübau Sobeslav - Sobieslau Ostrava - Ostrau Klatovy - Klattau Stachy - Stachau Bistre - Bistrau Litva - Litauen

Eine verwandte Problematik in der Onomastik finden wir in den tschechischen Flussnamen: Sazava - Sasau Oslava - Oslau Jihlava - Iglau Otava - Otau Olsava - Olschau Cezava - Zesau Litava - Litau (bei Beroun) Litava - Littau (bei Brno) Oskava - Oskau Doubrava - Dobrau Becva - Betschau Klabava - Klabau Uhlava (udice ?) - Angel Uhlavka - Auhlawa Bach Uslava - Amsel Svitava - Weißbach hier liegt eine Bedeutungsübertragung ins Deutsche vor: svitit = leuchten, hell sein

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Morava - March Bradava - Bradawa und: Vltava - Moldau

Eine besondere Betrachtung verdient die Etymologisierung des Fusses Vltava. Viele spekulative Hypothesen sind dazu aufgestellt worden. "Fuldaha" wird in den Fuldaer Annalen aus dem 9. Jhd. als ahd. Bezeichnung interpretiert, "Vultaha" als eine Variante, basierend auf dem ahd. Wort - aha, -aa = Wasser, der erste Wortteil "vult-"sei mit mhd. "wild" gleichzusetzen. Kosmos sieht in seiner Chronik den Wortteil "vlt-" als "vlyt"- an. Beide Interpretationen wären denkbar, sieht man davon ab, dass dieser Fuß schon in prähistorischer Zeit beschifft und seine Mäanderufer bewohnt waren. Annähernd 1000 Jahre lang prägte die keltische Sprache und Kultur diese Landschaft und ihre Bewohner. Viel wahrscheinlicher scheint die Ableitung aus dem Keltischen: "vel" (keltisch) = drehen, umgeben "ava, avo-s, avaro-s" = Fluss (gallischer Fluss "Avara" - heute franz. "Evre" bretonischer Fluss "Ava" sanskrit: avani = Strom, Fluss Im Ahd. gibt es das Wort "aha", "aa" für Wasser, Fluss neben einer Vielzahl anderer Bezeichnungen wie: wazzar, bah, fluz, flusk, gifloz, run, stroum, u.a. Ebenso reichhaltig ist die Lexik von Naturphänomenen im Keltischen, die hier nicht aufgeführt werden können. Das ahd. "aa" "aha" findet sich eher in Nordeuropa und bezeichnet eher einen kleinen Bach. "li" bedeutet auf Keltisch "fließen" (Zusammenhang mit dem Fluss "Li - t - ava" ?) Kompositionen mit -ava können hybride Mischbildungen eines keltischen Wortgliedes mit einem slavischen Morphem sein. Ein keltisches Substantiv ava, avo könnte in das tschechische Phonetiksystem geraten sein und ist vom tschechischen Suffix -ava kaum noch zu unterscheiden. Aus der Sicht der tschechischen Einwanderer aus der Völkerwanderung eine recht passende Adaptation. Denn auffällig ist das

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große Aufkommen von Flussnamen mit der Endung -ava. Labe - Elbe stammen aus dem Keltischen. "alban" (mit der Parallelform) "albin" bedeutet: weiß, hell. Keltisch "Albeis" sind die Alpen, (der weiße Schwan) = "labut" (asl. "lebedi", alttschech. "alebed") hat aus dem Keltischen seine Bezeichnung. der Albino = der weiße Mensch ohne Pigmente, enthält diese Information "Albanien" ist Weißland, ebenso wie "Albion" später "Britannia" Weißland ist und seine Bewohner die "Albiones". Der Fuß Jizera ist ursprünglich Keltisch: izarno = zelezny. Auch der Fluss Isar in Süddeutschland hat die gleiche Bedeutung, der Fluss Lech heißt auf Festlandkeltisch "Stein", nur um einige zu nennen. Auch Städtenamen haben sich bis heute erhalten: Mailand/Milan in Italien geht auf die keltischen Boiler zurück: Mediolanum - Medulan - Milan Wien/Viden - Vindobona Bologna ( Italien) - Bononia Trier - Augusta Treverorum (röm.) - Treveri ( Stamm der Treverer), heutiges Deutschland Bayeux (Frankreich, Stamm der Gallier=Kelten) - Baiocassium Mageburg - Magdunum (kelt.) - Magdunum (slav.) - Magadoburg (germ.) Belgien - (Stamm der kelt. Belger) Helvetia (Schweiz) - Helvetii (kelt. Stamm) Kempten (Deutschland) - Cambodunon Mogontiacum - Mainz Metelen (Mitteldeutschland) - Mediolanum Brühl (Schweiz) - Brogilon Brühl am Rhein (Deutschland) - Brogilon Cham (Bayern) - Kambo Die Liste liesse sich weiter verlängern, würde aber den Rahmen dieser Arbeit sprengen. - 7 -

d.) Geschichtspolitischer Zusammenhang deutschnationalistische Auslegung - Kritik und Weiterentwicklung

Nun nähern wir uns der anstehenden dringenden Frage, ob die hier zitierten drei deutschen Germanisten Schaller, Sommer und Kluge, Vertreter der deutschnationalen Sprachbewegung des Wilhelminischen Reiches, als Nicht-Slavisten einen tschechischen Ortsnamen erklären konnten oder wollten. Warum in Antonín Profous' Werk kein Slavist - kann bis ins Einzelne nicht behandelt werden, da es den Rahmen dieser Arbeit sprengen würde. Fr. Kluges Ableitungsversuch, der allerdings nur phonetische Zusammenhänge beschreibt und den Ortsnamen nicht wissenschaftlich etymologisiert, deutet die Herkunft durch verfälschte Zusammen- hänge, durch falsches Zitieren entsteht das Bild: " (Unser) Krumlov ist eigentlich von Beginn an eine deutsche Stadt!" Dennoch ist es angeraten, den Geist der Arbeiten jener Germanisten - deren Erbe ja in einigen Bereichen hartnäckig bis in die heutige Zeit Gültigkeit zu haben scheint - anzuleuchten: Deutschnationales Ziel - mit ihren Vertretern Kluge, Sommer, Schaller war, Territorialansprüche durch ältere Rechte zu legitimieren. Dieses Ziel wurde mit Verfälschungen und Behauptungen unter dem vermeintlichen Deckmantel der Wissenschaft vorgenommen, häufig im Vertrauen darauf, keinen qualifizierten Widerstand zu erwarten. ( Falsche linguistische Ableitungen wie in dem uns vorliegenden Fall) Eine weitere Tatsachenveränderung (die erste ist das nicht existente "u" in den Urkunden) besteht in der Behauptung, "Krumlov" habe sich aus dem Namen "Krumau" zeitlich nach- geordnet entwickelt. Dies ist mit dem Blick auf die Chronik schnell widerlegt. Besser als der Blick auf den Stadtplan, der keine Aussage darüber macht, ob hier einst Auen oder Bäume waren! Die Erwähnung der Stadt/Burg "Crumlow" gehört bereits in die allererste Zeit der Dokumentierung. "Krumau" wird in der etymologischen Entwicklungskette erst nachfolgend benutzt. "Crumbenowe" und "Krumlov" waren die ursprünglichen Erfassungen in den Urkunden. Mit einer vermeintlichen Etymologisierung der verfälschten Chronologie und der ver-

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fälschten Schreibweise des Toponyms erreichen Schaller und Sommer den Eindruck einer wissenschaftlichen linguistischen Deutung des Namens. "Krumbenouwe" sei durch Assimilation und andere Änderungen durch Abschwächung des ersten Gliedes zu "Krummenouwe" geworden. Richtig ist zwar, dass mb durch Assimilation zu m wird. Dies ist lediglich der Fachterminus jener phonologischen Gegebenheit, der Rest der Erklärung ist Unsinn in wissenschaftlichen Worten. Eine wissenschaftliche Etymologisierung liegt hier nicht vor. Andere Änderungen bleibt unverständlich. Den Zusammenhang zwischen -ov und -au ignoriert er und verfälscht stattdessen flink das Endungsmorphem zu einem Substantiv. Fertig ist ein ganz neues Toponym. Handgestrickt im wissenschaftlichen Kleid. (zu lesen in Profous Werk: Namen … Zitat : Schaler) Weiter heißt es, "Krumlov" sei nachfolgend entstanden: "… aus der Form "Krumbenouwe" ist dann die tschechische Bezeichnung entstanden und zwar durch die Dissimilation der Nasale ("m" ist ein Labio-Nasal und "n" ein Dental-Nasal) … " (Kluge 378, in A.Profous, ebenda). Diese linguistischen Grundbegriffe sind isoliert für sich gesehen richtig, stellen aber keine seriöse wissenschaftliche Erklärung dar, zumal sie auf veränderten Wortgliedern aufgebaut sind: Aus der deutschen "Ouwe" - welche "ouwa" im ahd. sein müsste - wurde flink eine "Aue" und daraus nach dem tschechischen Phonetiksystem ein "-au".

Eine umfassende Bearbeitung der Thematik der Geschichtsmanipulation zu politischen Propaganda bot die Ausstellung: "Graben für Germanien. Archäologie unterm Hakenkreuz" des Bremer Focke-Museums im Jahr 2013 unter der Leitung von Dr. Dirk Mahsarski und Dr. Uta Halle. Eine große Sonderausstellung, die erstmals das spannungsvolle Verhältnis von Politik und Archäologie im Nationalsozialismus beleuchtet. Der Schirmherr der Ausstellung, Kulturstaatsminister Bernd Neumann, betonte: "Die Ausstellung leistet einen Beitrag zur Aufarbeitung des dunkelsten Kapitels unserer Geschichte und verdeutlicht darüber hinaus den hohen Stellenwert der Freiheit von Wissenschaft und Forschung".

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Während des Nationalsozialismus waren Politik und Archäologie (und Sprachwissenschaften!) besonders eng mit einander verflochten. Beide haben sich gegenseitig stark beeinflusst und die Idee eines homogenen germanischen Volkes als Vorfahr der Deutschen, das auch noch Griechen und Römern überlegen gewesen sei, massiv verbreitet. Der daraus erwachsende Glaube an eine überlegene arisch-germanische Rasse führte in letzter Konsequenz mit zu den Verbrechen des Dritten Reiches. Der Mythos "Germanien" wurde geschaffen. Das Konstrukt Germanien und seine Wirkungs- weise wird von dem Bremer Wissenschaftsteam chronologisch beleuchtet. "Mit Germanien verbinden sich bis heute verschiedenste Vorstellungen und Assoziationen - dabei gab es kein Volk, das sich selbst Germanen nannte oder seine Heimat als Germanien bezeichnete", berichtet Dr. Karin Walter, Kuratorin und Kuratorin des Ausstellungsprojektes.

Die Römer hatten diese Bezeichnung für die auf der rechten Rheinseite lebenden Bevölkerungs- gruppen geprägt. Am ehesten ist der Begriff "Germane" eine Fremdbezeichnung und ein Sammelbegriff und von seinem Wesen her abwertend gemeint, wie Fremdbezeichnungen oft sind. Denkbar, dass sie von den keltischen Nachbarn stammt, die eine für sie unverständliche Sprache als "Geschrei" bezeichneten: keltisch: "garsmen-" = Geschrei, Rufen, "gari-" = Ruf; in den heute noch lebendigen keltischen Idiomen wie Irisch kennen wir: "gairm" = Ruf, Geschrei, Cornisch und Cymrisch: "garm" = Rufen, Geschrei, Bretonisch: "garm" = Klagen, lautes Jammern. Hieraus wurde französisch: "guermenter" = klagen, jammern. Das Französische hat ein erhebliches gallisches also keltisches Substrat. In einigen deutschen Dialekten heißt "greinen" = weinen, schreien. Diese Ähnlichkeit ist deswegen nicht überraschend, da im Sprachzustand der indoeuropäischen Sprachen zu diesem Zeitpunkt die indoeuropäische Verwandtschaft vielfach noch evident ist. (Die Bezeichnung "Nemec" = Deutscher ist ebenso eine abwertende Fremdbezeichnung und als Sammelbegriff zu verstehen: "Der Stumme" = also der, der nicht in der Sprache des Betrachters sprechen kann. Auch "Eskimo" hat diesen Ursprung: "Fleischfresser" in der Sprache der Nachbarn. Selbst nennt sich das Volk "Inuit".)

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"Dem Kuratorenteam des Focke-Museums ist es ein Anliegen, diese besondere Rolle der Archäologie (und Sprachwissenschaften) umfassend zu beleuchten," erklärt Dr. Frauke von der Haar, Direktorin des Focke-Museums. Seit 2010 forschen Wissenschaftler des Museums um Prof. Dr. Uta Halle und Dr. Dirk Mahsarski in Kooperation mit dem Institut für Geschichtswissenschaft der Universität Bremen im Projekt "Vorgeschichtsforschung".

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National und international wurden in den letzten Jahrzehnten Schaller, Sommer und vor allem Kluge stark in Frage gestellt. Eine kleine Auswahl an Buchtiteln soll uns eine Blick in die Entwicklungsgeschichte gewähren, um die Grundlagen der späteren politischen Anschauungen zu verstehen: Ein kurzer Überblick über seine sprachwissenschaftlich-politische Arbeit: Sommer, Johann Gottfried: "Das Königreich Böhmen, statistisch topographisch dargestellt. I - XVI, Prag 1833 1849." Wir befinden uns zeitlich gesehen mitten in den Revolutionsereignissen in Böhmen: dem Pfingstaufstand im Juni 1848 in Prag, Narodní Obrození = nationale Wiedergeburt - das Aufblühen eines lange Jahrhunderte unterdrückten Nationalbewusstseins findet seine Kulmination in Aufständen. Die Amtssprache Tschechiens ist seit dem 17.Jhd. unter der Herrschaft der Habsburger Monarchie immer noch Deutsch! Die Prager Universität ist deutsch dominiert. Es herrscht eine düstere politische Atmosphäre. Der tschechische Historiker František Palacký (1798 - 1876) und sein Schwiegersohn František Ladislav Rieger stehen an der Spitze der böhmischen Nationalpartei.

Schaller, Jaroslaus: "Topographie des Königreichs Böhmen I - XVI, Prag/Wien 1785 - 1797 Friedrich Kluge studierte ab 1874 vergleichende Sprachwissenschaft. 1883 erscheint das Etymologische Wörterbuch der deutschen Sprache, ein Standardnachschlagewerk zur deutschen Sprachgeschichte. Es folgen in Zehnjahresabständen immer neue Auflagen. Kluge, Friedrich: " Sprachreinheit und Sprachreinigung geschichtlich betrachtet." In: Zeitschrift des allgemeinen deutschen Sprachvereins 9 (1894), 20 - 211 Kluge, Friedrich: "Unser Deutsch. Einführung in die Muttersprache" Vorträge und Aufsätze. Leipzig 1907. Zwei Auszüge aus: "Der Kampf um die deutsche Sprache", S. 11: " ... auf die Pflege des Französischen ist man sorgfältig bedacht, die Unterhaltungen und Korrespon- denzen der Gebildeten sind französisch, Französisch ist die Sprache der Diplomatie und der Höfe." S. 12: " ... jedem wahren Patrioten mußte klar sein, wohin diese Bewertung führte. Noch lebte in aller Sinne der große Kampf, der den Deutschen die Stellung erobert hatte. Überall erheben sich warnende Stimmen, die auf die neue nationale Bedrohnis hinweisen, und zwei Motive sind es, die durch alle Anklagen und Warnungen ... "

Wir wissen aus dem Verlauf der Geschichte, wohin diese kämpfenden Stimmen, manipulativ und Sachverhalte umdeutend, den pangermanischen Geist hintrieben. Sie waren die Zulieferer für einen Deutschnationalismus, der im Nachfolgenden in Tschechien die tschechische Spache verbot! In der 10. Aufl. 1924 bis zur 12./13. Aufl. 1943 lautet die Widmung Kluges Etymologie auf dem Vorsatzblatt: "Dem deutschen Volke sein deutsches Wörterbuch"

In den 80er Jahren des 20. Jahrhunderts wuchs die Kritik am damaligen Zustand von Kluges Werk. Selbst die 21. Auflage von 1975 war gegenüber der vorhergehenden unverändert geblieben. Susan Milantchi Ameri bietet einen Beitrag zur Erneuerung der Sichtweise: "Die deutschnationale Sprachbewegung im wilhelminischen Reich" bei P. Lang 1991. Irene Doval Reixa veröffentlicht 2005 ihre Arbeit mit dem Titel: "La Lucha Contra Los Estranjerisimos En Alemaña de 1871 - 1945 (Der Kampf gegen Fremdwörter in Deutschland von 1871 - 1945 ) oder Anja Stukenbrock: "... Sprachnationalismus - Sprachreflexion als Medium kollektiver ... " im Walter de Gruyter Verlag 2005, um nur einige zu nennen. Seit 2004 gibt es eine vollständig überarbeitete Auflage. Auch andere führende etymologische

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Wörterbücher des Deutschen sind neu überarbeitet (zusammen mit dem Zentralinstitut für Sprachwissenschaften in Berlin), und läuten einen aufgeklärten linguistischen Zeitabschnitt ein.

Aus sprachgeschichtlicher Sicht können wir mit der Widerlegung der Wortdeutung Crumbenove/Krumlov/Krumau durch die deutschen Germanisten aus postwilhelminischer und nachfolgender deutsch-nationalistischer Zeit schließen und uns der Etymologisierung des ersten Wortteils "Krum" zuwenden

e.) Linguistisch-geschichtlicher Ansatz

Nun liegt uns das Toponym "Crumlov" / "Crumbenowe" vor, das ein slavisches patronymisches Endungssuffix "-ow" "-owe" enthält. Beleuchten wir nun den vorderen Teil, den Stamm des Wortes. Dazu müssen wir zunächst einen Blick in die Geschichte werfen und da, wo uns die Instrumente der schriftlichen Zeugnisse ausgehen und die Ergebnisse der Archäologie bemühen. Die schriftlichen Urkunden der Stadt Krumlov enden bzw. beginnen im 13. Jhd.. Im Jahr 1253 ist das "Castrum Crumlovium" erbaut. Es gehört der tschechischen Krone unter König Otakar II. Hier herrschen das Fürstengeschlecht der Vitigoner. In die Nachbarländer werden von der tschechischen Krone Einladungen ausgerufen, in Böhmen zu siedeln. Die Agrarwirtschaft, dank des Wissens der Klöster der Cisterziensierorden wie z.B. Zlatá Koruna, ist hochentwickelt. Es fehlen genügend Bauern. So ruft man nach ihnen ins benachbarte Bayern und nach Österreich. Eine allmähliche Zuwanderung deutschsprachiger Siedler setzt ein. Hier finden wir im Namen der Burggrafen "Crumpinowe/Crumbenow" das slavische patronymi- sche Suffix " -ow/ -owe" vor.

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2. Archäologisch-geschichtliche Untersuchung: Keltische Besiedlung in der Vorslavischen Zeit und vor der Völkerwanderung

a.) die Rolle der germanischen Stämme

Wenden wir uns zunächst noch einmal der Behauptung zu, das hier zu untersuchende Toponym Crumbenowe/Crumlov sei aus dem Althochdeutschen abzuleiten, d.h. ein germanisches Substrat könnte die Stammbildung des Namens dargestellt haben. Germanische Wanderungsbewegungen in der sogenannten Vor-Völkerwanderungszeit 200-100 Jahre vor und um die Zeitenwende haben nach bisherigen archäologischen Forschungen und Funden das Gebiet um Český Krumlov - d.h. oppidum Třísov mit Dívčí Kámen nördlich von Krumlov, westlich Křemže Blanský Les, der Berg Kleť , im Nordosten bis vor Budweis, im Süden Boletice bis in die Šumava/ Böhmerwald - nicht erreicht. Da Český Krumlov die Wetterscheide zum extremeren kalten Klima des Böhmerwaldes darstellt, mag dies die Anziehungskraft für Besiedlungen durch germanische Stämme negativ beeinflusst haben. Ihr Ziel war der mediterrane, reiche Süden Italiens. Als im Norden Europas das Klima kälter und härter wird, machen sich nach und nach verschiedene germanische Völker- schaften auf den Weg in den Süden. Sie treffen auf Kulturräume keltischer Stämme, die ihnen im Handwerk/Industrie, in der Agrarwirtschaft, im Geistesleben, in der Staatsorganisation weit überlegen sind. Mit einigen kommt es zu vernichtenden Kämpfen. Aber vielfach auch zur Akkulturation wie bei den Kimbern. Während ihrer langen Wanderungen müssen sie in fremden Siedlungsräumen überwintern. Dies geht nicht in der Einöde im Sumpf ohne Zugang zu Wasser und Nahrung, Weiden auch für mitgeführtes Vieh wie Schafe und Ziegen und ohne Schutz. Die Kimbern, die die Elbe aufwärts zogen Richtung Süden, hatten lange genetische und kulturelle Kontakte mit den im böhmischen Becken ansässigen keltischen Boiern. Einer ihrer Anführer, Boiorix, trägt einen keltischen Königsnamen, als die Kimbern 101 v. Cr. bei Aquae Sextiae (Aix en Provence) durch den römischen Feldherrn Gaius Marius vernichtend geschlagen werden. Die Römer zählen sie nicht zu den Germanen. Möglicherweise ist ihr Idiom durch die intensiven Kontakte mit den Boiern nachhaltig keltisiert worden. Die 100 Jahre später einsickernden Markomannen, die militärisch deutlich aggressiver auftreten, halten sich im nördlichen bis mittleren böhmischen Mittelgebirgsbecken zwischen den Flüssen Ohře und Berounka auf. Die südlicheren Siedlungsräume der Kelten im Großraum Krumlov werden von ihnen nicht berührt.

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Das Gebiet um Český Krumlov entlang der Moldau mit heute einschließlich Křemže (Oppidum Třísov) Burg Dívči Kámen, Berg Kleť in nördlicher Richtung, Boletice, Kajov südlich war vom Paläolitikum an schon von vor-indoeuropäischen Populationen bewohnt. Wir befinden uns hier vor allem - was die hier interessierende Thematik betrifft - in einem intensiv besiedelten Kulturraum der zentraleuropäischen Kelten, hier eben die Stammesgruppe der Boier, die Böhmen den Namen gaben. Das Oppidum Třísov, einen Steinwurf in nördlicher Richtung von Krumlov gelegen, an der Moldau, ist ein spätlatènezeitlicher Siedlungskomplex, bis zur Zeitenwende bewohnt. Man spricht hier von einem industriell dominierten Oppidum (Eisenproduktion, Graphitabbau, Töpferei, mit ca. 5000 Einwohnern). Die ländliche Umgebung war sowohl agrarwirtschaftlich genutzt und handwerklich entwickelt in verstreut liegenden autonomen Einzelgehöften. Wir können davon ausgehen, daß die keltische Elite in den oppida (meist in einer Arx wohnend, wo die spätere mittelalterliche Burg "Divčí Kamen" entstand. Im keltischen Oppidum Manching (das größte Oppidum der Boier aus der Latenezeit) unweit im heutigen Bayern gelegen und im keltischen Oppidum Třísov (ebenfalls Boier) war man sicher wohl informiert über die mörderischen Kämpfe der Römer gegen die Gallier (gallische Kelten im heutigen Frankreich) im Westen, das Nachrücken der Römer aus dem Süden über die Alpen bis an die Donau. Über die Donau hinaus ( Richtung Norden) gingen die römischen Heere nicht. Sie hielten das bewaldete Land für unbewohnt. Gleichzeitig drückten germanische Stämme aus dem Norden.

Denn so wie Amphoren, Wein, Gold, Bernstein, Glasschmuck, Grafit über weit verzweigte Handelsrouten transportiert wurden, waren Informationen unterwegs. Leicht zu befördern, kaum zu stehlen, nicht nachweisbar. Ein wichtiges Handelswegkreuz befand sich südlich vom Oppidum Třísov als Nord-Südachse und West-Nordostverbindung in der Šumava/Böhmerwald. Sicherlich schwebte die Angst vor den südlichen römischen Invasoren und den nördlichen germanischen Stämmen mehrere Generationen lang über den keltischen Boiern. Die Bauern arrangierten sich möglicherweise zum Teil mit dieser Angstvorstellung, die ja hier im abgelegen Bergvorland tat- sächlich nie Gestalt annahm, lebten weiter ihr gewohntes Leben und warteten einfach ab. Die Kelten waren sesshafte Bauern und Handwerker, die seit Generationen ihr Land bewirtschafteten. Angesichts des Germanendruckes und der Bedrohung durch die Römer mögen die Stammeselitenandere Vorkehrungen getroffen haben und die Bewohner des Oppidum Třísov genötigt haben, die Siedlung mit ihnen zu verlassen. In Gallien wurden manche Oppida beim Verlassen verbrannt, damit ihre Bewohner nicht zurückkehren konnten. Denn die Oberschicht war ja auf Grund der gesellschaftlichen Differenzierung auf die Versorgung durch die Bauern und Handwerker angewiesen. Und die Tatsache, dass die Bewohner an der Rückkehr behindert wurden, zeigt, dass sie gern bleiben wollten. Ein Bauer, der wie schon sein Vater und Großvater sein Land urbar gemacht hat und es seit Generationen bestellt, will es nicht gern verlassen. Der keltische Bauer kennt die 3-Felderwirschaft, ist sesshaft und mit seiner Heimat verbunden.

Die germanischen Volksgruppen sind aus Not aus ihren lang besiedelten Gebieten aufgebrochen. Sie sind Gesellschaften der Selbstversorger. Trotz aller Anstrengung kommen sie über das Ziel, mit der Nahrungsherstellung ihr Leben zu erhalten, kaum hinaus. Ihre Produktivität in der Landwirtschaft reicht nicht aus, um das Überleben einer größeren Population zu sichern. Sie haben zwar eine Stammesorganisation, den Rink, eine Versammlungs- und Entscheidungs- plattform in politischen, sozialen und Kriegsfragen. Es fehlt aber eine ökonomische Sicherheit durch Agrarwirtschaft, die eine längere Bevorratung einer größeren Bevölkerung gewährleistet. Somit waren sie in Folge davon auch keine Städtebauer. Sie hinterließen keine Toponymie, die auf eine dauerhafte Besiedlung basierte. Keine große Siedlung wurde von ihnen organisiert. Außerdem befanden sie ja auch nur auf der "Durchreise". Und damit kommen wir zum Schlüsselfaktor dieser Wanderungsbewegung: Sie kannten im Gegensatz zu den Kelten die 3-Felderwirtschaft nicht. Eine Fruchtfolge, also eine Aufeinanderfolge bestimmter Feldfrüchte, um der Ermüdung des Bodens und der Verbreitung von Schädlingen oder Bodenkrank- heiten vorzubeugen, kannten die Völkerschaften der Germanen nicht. Sie konnten ihre Äcker nur kurzfristig bewirtschaften und mussten sie dann längere Zeit brach liegen lassen. Damit ist erklärt, warum die Germanen trotz geringer Bevölkerungsdichte ständig an Landmangel litten und auf der Suche nach neuen Äckern immer weiterzogen. Als sie die Kunde erreicht, dass es im warmen Süden Europas im Römischen Reich leichter zu leben ist, machen sie sich auf den Weg, angetrieben von der Sehnsucht nach mediterranen Schätzen. Erst 3 Jahrhunderte später, als die Hunnen von Asien unterwegs sind und Ströme von Völkerscharen der Germanen und Slaven vor sich hertreiben, gerät ganz Europa in Bewegung. Die Konklusionskette ist relativ einfach: Die Germanenstämme kennen die 3-Felderwirtschaft nicht, als Folge davon müssen sie halb-nomadisch leben, können keine große Bevölkerungsgruppe ernähren und keine Städte gründen. Und deshalb hinterlassen sie bis zum Ende des 9. Jhds. auch weitgehend keine Toponymie, sondern übernehmen Auch bis über das Ende der 2. germanischen Völkerwanderung (6.Jhd.) kennen sie die 3-

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Felderwirtschaft nicht. Erst unter Karl dem Großen im 9. Jhd. ändert sich allmählich die Ackerbauwirtschaft. Aber Städte bauen die Stammesverbände noch nicht. Karl der Große hat keine Hauptstadt, aus der er residiert. Er reist mit seinem Gefolge von "Pfalz" zu "Pfalz", von wo er Erträge und Gewinne persönlich kontrolliert und eintreibt. Eine Pfalz ist eine landwirt- schaftliche Einheit, ein Landgut, das dem Landesfürsten oder König untersteht und welches den König mit seinem Gefolge jeweils für mehrere Wochen beherbergen und verköstigen muß, um die vorgeschriebenen Abgaben in Prozenten zu übergeben . Diesen Pfalzen wiederum sind andere landwirtschaftliche Einheiten abgabepflichtig. Die Gesellschaft ist gegliedert von Adligen (herrschende Schicht), Freien und Unfreien. Die Unfreien - also grundbesitzlosen evtl. verschuldeten - müssen 3 Tage ihrem Dienstherren dienen, 3 Tage dürfen sie auf einem ihnen zugewiesenen Bereich für ihren eigenen Lebensunterhalt arbeiten.

b.) die Rolle der keltischen Boier und ihr linguistisches Substrat Untersuchung des Wortgliedes "Krum-"

Noch vor der Zeitenwende ist die führende Kultur Zentraleuropas die keltische, wie unterschiedlich die einzelnen Stämme sich untereinander wahrnehmen mögen. Die keltische Sprache wird von der iberischen Halbinsel, über (das spätere Frankreich), nördlich der Donau über den Balkan bis nach Kleinasien gesprochen. Als schon Rom christianisiert ist, überliefert der Kirchenvater Hieronymus aus Ankara im 4.Jhd.n. Chr., man spräche hier in Kleinasien einen ähnlichen Dialekt (nämlich den der eingewanderten keltischen Galater) wie in der Gegend um Trier ( Treveri = keltischer Stamm)! ( Hieronymus galt als einer der belesensten und gebildetsten Menschen seiner Zeit. Ursprünglich aus Istrien stammend erhielt er in Ankara die Priesterwürde. Er übersetzte die Bibel in zeitgemässes leserliches Latein - die Vulgata . Er lebte mehrere Jahre in Trier, in Rom, in Ankara und ging schließlich nach Jerusalem und gründete 4 Klöster.) Das bedeutet, dass Zoo Jahre nach dem politischen Untergang der Kelten ihr sprachlich- kulturelles Substrat immer noch aktiv ist. Wie ist das möglich? Und wie haben unzählige keltische Toponyme in Zentraleuropa - wenn auch verändert und der Syntax neuer Sprachen in Wortfragmenten angepasst - Jahrhunderte überlebt? Hier: Europalandkarte: Keltische Sprachräume

Der im Wesentlichen doch einheitliche Kulturkreis der keltischen Stämme umspannte ganz Mitteleuropa von Ost nach West. Das bedeutet nicht, dass sie eine ethnische Volkseinheit bildeten, aber ihre Kultur und Sprache überlagerte die Assimilierten, ihre Sprache war lingua franka in diesem Kulturkreis. In den Jahrhunderten der Hallstattkultur (7. - 5. Jhd. v. Chr.) mit der Technologisierung von Eisenproduktion, Gold-, Grafit-, Salzabbau und dessen Distribution, findet der Ausbau von Handelsrouten statt, der "Goldene Steig = Zlata stezka" ist eine davon. Auf ihm wurden wahrscheinlich, wie das Vermächtnis des Namens uns sagt, Goldwaren befördert (der Name blieb erhalten): und zwar südlich vom Oppidum Trios durch den Böhmerwald, die gabreta hyle (nach Ptolomäus) = Wald der Geissböcke/ Ziegenwald (gabro = Steinbock, (Schafs-) Ziegenbock). Das Münzwesen wird eingeführt, ein religiöses und organisiertes Geistesleben findet statt. Die keltischen Gesellschaften entwickeln staatsorganisatorische Strukturen. In den nachfolgenden Jahrhunderten der Latènezeit (4. - 1. Jhd. v.Chr.) entwickeln sich aus vorangegangenen Fürstensitzen mit befestigten Burgfrieden groß angelegte Oppida mit etlichen Tausend Einwohnern (Oppidum Třísov befindet sich 9 km nördl. von Krumlov ebenso im Moldaumäander ). Ihre soziale Ordnung besteht aus einer regierenden Oberschicht aus Herrscherfamilien, aus einer einflussreichen und mächtigen Eliteschicht, den Druiden. Sie geben das Wissen von Mythologie, Stammesgeschichte, Medizin, Philosophie, Religionsbildung, Astronomie und Agrikultur zum Teil ausschließlich in ihren eigenen Reihen ohne Schrift weiter. (Vielleicht, um die Bildungshoheit in in der Eliteschicht zu erhalten?)

Bei Caesar ("de bello Gallico", ca 50 v.Chr.) heißt es, daß die Kelten ein überaus religiöses Volk waren. Bleibt uns ihre Geisteswelt weitestgehend fremd, wissen wir doch, dass religiös motivierte Handlungen wesentlicher Bestandteil ihres Alltags waren. Die Familien hatten in der Nähe ihrer Behausung sakrale Orte, die zur Verehrung der Ahnen dienten: ein "nemeton". Das Wort "sakro-" ist keltisch.Welche große Bedeutung diesem Wort zukommt, können

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wir daran ablesen, welchen Weg es bis in unsere Zeit und in unsere Religion genommen hat. Im Lat. ist Adj. sacer, sacra, sacrum = heilig, doch es ist wie das indoeur.Wort crwm, crom, crum sehr viel älter und stammt schon aus den indoeuropäischen Frühzeit : (Verb) sak - = weihen, heiligen, segnen. Kelt. "sakro-"" ist "heilig, einem Gott geweiht, aber auch "verflucht, abscheulich". Im heutigen modernen Tschechisch kennen wir das Wort - wie in allen christlichen Religionen als Sakrament - "sakra" (Neutschech.) ist auch ein Fluch, ein spontanes Schimpfwort, wenn jemandem etwas nicht gelingt. indo-europäische Herkunft des Wortes ist noch gut erkennbar in der Verwandtschaft zu lat. "sacer" . Keltische sakrale Orte waren naturheiige Orte. Man konnte sie nicht bauen wie Tempel und Kirchen. Man fand sie. Sakrale Plätze zeichneten sich aus durch ihre außergewöhnliche Beschaffen- heit, Lage, Form, in Höhlen, Flußschleifen, in Kombination mit landschaftlichen Besonderheiten, naturgewaltigen Felsformationen. Solch ein Ort konnte Crumbenowe/Crumlov auf der Halbinsellage im Moldaumäander mit überkragenden Felsen sein. Archäologische Funde wie Keramikscherben wurden unter dem 2. Schloßhof freigelegt. Sie könnten eine - weibliche - Opferstätte dargestellt haben. Denn es wurden ja nicht die Gefäße vornehmlich geopfert, sondern die darin dargegebenen Nahrungsmittel, welche Frauen herstellten.

Crumbenowe/Krumlov könnte eine Opferstatt unweit des Oppidum Třísov gewesen sein, vielleicht aber auch ein Versammlungsort. Es könnte aber auch durch seine erhöhte, exponierte Position den Druiden bei ihrer astrologischen Arbeit gedient haben. Die keltischen Boier waren erfahrene Ackerbauern. Um zu wissen, wann es Zeit war, die Äcker zu bestellen, die Saat auszubringen und die Feiertage des Jahres zu bestimmen, brauchten sie ein wichtiges Instrument: Sie mussten die Zeit einteilen. Das taten sie mit Hilfe der Bestimmung des Stands der Sterne. Als Hilfsmittel diente ihnen schon seit grauer Vorzeit ein aufgebauter Zirkel senkrecht stehender monolithischer Steine, welche halfen, die Wanderung der Sterne nachzuvollziehen und die Zeit einzuteilen. In den heute noch lebendigen keltischen Sprachen wie dem Cymrischen oder Bretonischen wird heute noch solch ein Steinkreis als "Crom -lech" bezeichnet! Im heutigen modernen Irischen heißt "cromb" = rund Im Cymrischen heißt rund "crwm", ebenso wie im Bretonischen "crum/ crom" die Bedeutung von gebogen, krumm, rund hat. Einige wenige Kilometer zwischen oppidum Trisov und Crumbenowe/Crumlow im heutigen ÖrtchenZaluzi hat man bei Erdarbeiten einen Menhir gefunden. Möglicherweise war er ein Glied einer ganzen Reihe von Menhiren, die einst einen Crom-lech gebildet haben. In der Vergangenheit hat man solch gut bearbeitete Steine als Baumaterial für andere Bauten verwendet. Der Ort, an dem Jahrhunderte später eine mittelalterliche Burg entstehen sollte, wäre durch seine exponierte Lage auf einer bizarren Felsformation über zwei Flussmäandern auf einer fast sichelförmigen Halbinsel, an der im Herbst dicht über dem Wasserstrom die Nebel ziehen, unterhalb der Felskuppe, vermutlich für eine Versammlungsstätte ein geeigneter Platz gewesen. Ein Ort an der Wetterscheide zwischen dem Berg Klet (blansky les) und Gabreta Hyle. Archäologisch nachgewiesen ist zumindest dessen Nutzung seit dem Paläolithikum, der Bronzezeit, Eisenzeit über die Zeitenwende. Charakteristisch für naturheilige Orte ist auch, dass sie häufig über Jahrhunderte oder gar Jahrtausende hinweg aufgesucht wurden. Die keltische Geisteswelt hatte eine feste Jahresorganisation mit festgelegten Bräuchen und Riten. Sie zu bestimmen und zu berechnen, oblag dem Aufgabenbereich der Eliteschicht der Druiden: den "Eichenkundigen" , "Wahrsagern" = druido-s kelt.: daru/derva = Eiche, griech.: drys sanscrit: daru = Hozstück, altslavisch: drevo = Baum russisch: derevo = Holz, derevna = Dorf tschechisch: dub = Eiche, dřevo = Holz Die Rolle der Druiden ist in diesem Kontext möglicherweise die Schlüsselfunktion: In der Hallstattzeit war die Institution der Drunten eine geschlossene aristokratische Gesellschaftsschicht, die neben ihren Kultur- und Religionsaufgaben eine wichtigen politischen Einfluss hatte, z.T. einen größeren als die "Kämpfer"Elite, also die "Ritter". Um die naturheiligen Orte besser einordnen zu können, ist es sinnvoll ein wenig über das Geistesleben der Kelten - im Rahmen unseres Wissensstandes - zu wissen. Die Die Institution der Druiden ist eine gesamtkeltische, in Zentraleuropa, Gallien und bei den Inselkelten. Bei den spanischen und noritalienischen Keltengruppen ist sie bislang nicht belegt. Während der Latènezeit gelangten in den Zirkel der Druidengesellschaft auch "Laien" anderen Schichten. Die Vermittlung und Weitergabe von Geistesgut blieb trotz Kenntnis von Schrift weiterhin mündlich. Möglicherweise sollte es einem Missbrauch durch Fremde verhindern oder vielleicht die Macht des Wissens exklusiv behalten. Die Eiche galt als verehrter Baum, Opferrituale wurden stets mit Zweigen oder Knospen dieses Baumes vollzogen. Aber auch der Mond war eine wichtiges Symbol und in diesem Zusammenhang die Sichel! Druiden werden in der europäischen Mythologie-Darstellung gern mit einer Sichel in der Hand gesehen. Sie bestimmten auf ihren "Sternwarten" mit Hilfe von aufgebauten

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Steinkreisen, den Crom-lechs die Zeit. Die zentraleuropäischen Kelten teilten die Zeit nicht durch den Tag ein, sondern mit der Nacht. - Die Gewohnheit galt im Übrigen noch bis ins späte Mittelalter, wo der Tag mit der Dämmerung der vorhergehenden Nacht beginnt. (Im Norddeutschen gibt es noch ein sprachliches Relikt, welches auf diese Gewohnheit zurückzuführen ist: der "Sonnabend" = Samstag. Das ist der Tagesabschnitt, der vor dem Sonntag liegt.) Opferungen wurden des Nachts unter Mondschein vorgenommen. Das religiöse Jahr hatte - nach Caesar - eine außerordentlich hohe Vielhalt an religiösen Feiertagen.

"Crumbenowe" enthält im 1. Wortglied das keltische Wort "crumbo" = gebogen, rund, krumm. "Crumbano" = ist (keltisch) die Sichel, (die krumm, gebogen ist) Crumbano, die Sichel als ein Grundlagenbegriff für frühe Agrargesellschaften, die Sichel als Symbol für Ernte, Erfolg, Sicherheit (vor dem Hunger), Fleiß! der Druide mit der Sichel in der Hand!

"crumbo " steht in Beziehung zum indoeuropäische Begriff: "krom, krwm" = (Zaun)rund, Rahmen, Flechtzaun, (Stein)rund ---- "Krum - l - ov" "Krumlov" ist aufgebaut auf "crom" = "Zaunrund" , "Holzrahmen", "Steinrund"

Denkbar, dass Krumlov im Zusammenhang zu Crumbano steht und möglicherweise als Bezeichnung für den Ort oder für die Leute gilt, die diesen Ort einst aufsuchten. Slavisiert und mit dem patronymischen Suffix -owe versehen ist diese Namensentwicklung denkbar: Crumben - owe: die Sichel - leute (-owe steht für die Leute, wie das Suffix -er in Berlin - er) Die indoeuropäische Herkunft des Wortes "crumbano" ist erkennbar in der deutschen Wort- Verwandtschaft "krumm", auch "krivy" geht auf diese indoeuropäische Wurzeln zurück. Im modernen Bretonischen heißt "crom/crum = krumm, gebogen, im Irischen "cromb", im heutigen Cymrischen ist es "crwm". Das Irische hat das Wort "crom(b)an" für Sichel erhalten, im Altkymrischen hat es eine Assimilation zu "crumman" vollzogen. Crumbano und Crom-(lech) muß in direkter Abstammung zum Indoeuropäischen Substantiv "krom" gesehen werden: Indoeuropäisch : "krom" = Holzrahmen, Zaun, Holzgitter. (s. Pokorny Master PIE Etyma, Indo - European Lexicon; s. A. Fick, Lexikon des Indo-Europäischen)

Krumlov kann auch gesehen werden als der Ort einer Sternwarte auf einem exponierten Felsen, einem Versammlungsort in Bezug zum Oppidum "Trisov". An den großen Knotenpunkten von keltischen Besiedlungen wurden meist zwei oder 3 "Crom- Lechs" vorgefunden. Der zweite könnte sich auf "Divci kamen" befunden haben. Der Name "Trisov" könnte ebenso von einer keltischen Vergangenheit zeugen: Der Keltologe Jiri Waldhauser erwähnt in seiner "Enzyklopädie der Kelten in Tschechien", Trisov könnte im Zusammenhang mit dem kelt. Ortsnamen "Trisiacum" gesehen werden. Der Name "Tri-casses" (nach Ptolomäos) könnte vielleicht auch ein Hinweis sein. Jedenfalls kann ein Bezug zur Zahl drei, keltisch: "treis" durchaus möglich sein. Vergleichen wir die Zahlen von 1-5 in den 6 modernen keltischen Sprachen Irisch (Irisch-Gälisch), Manx (Insel Man), Schottisch-Gälisch, Walisisch (Cymrisch) , Bretonisch, Cornisch: (Gälisch - gallisch - keltisch) aon, dà, tìi, ceithir, còig, sia … aon, dó, trí, ceathair, cúig, sé … un, doa, three, kiare, queig, shey … un, dau, tri, pedwar, pump, chwech … unan, daou, tri, pevar, pemp, c`hwec'h ... un, deu, try, peswar, pymp, whegh, ...

Die Handwerker und Bauern, die außerhalb der großen Siedlungszentren der Oppida im ländlichen Raum lebten, im Gebiet von Kremze, Boletice, Kajov und weiter südlich der Moldau, siedelten in verstreuten Parzellen und Hofarealen. Solche Hofeinheiten waren üblicherweise mit mehreren größeren und kleineren Wohn- und Wirtschaftsgebäuden wie Getreidesilos, Schmieden, Öfen zur Eisenverhüttung und Brunnen bebaut. Diese Hofeinheiten waren typischerweise von eben jenen Zäunen und Abrenzungen - manchmal mit einem kleinen Graben - umgeben: einem "crom". Am ehesten ließe sich dieser "crom" im Deutschen als "Fried" übersetzen. Der Crom war weniger zur Abwehr von Feinden und Eindringlingen gedacht, sondern hatte hier eine juristische Funktion: "Bis hierhin und nicht weiter". Er begrenzte das Private.

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Im irischen (inselkeltischen) Volksglauben, der in den "Fairy-tales" überliefert wird, ist dieser Fried, der Crom/Crum, der Zaun, auch als Schutz vor jenen bösen Geistern, die Fairies, gedacht, die sich der Seelen der Schwachen und Kinder bemächtigen wollen. Nach Ein- bruch der Dunkelheit durften Kinder, die jünger als acht Jahre alt waren, diese Abgrenzung nicht überschreiten. Das Tschechische hat für den Begriff "außer, ausgenommen, außerdem" ein noch sehr verwandtes Wort, das die Abstammung aus dem indoeuropäischen sichtbar macht. "krom(e)", und zwar klar und sehr ausschließlich. Denn außer in dieser Bedeutung hat "krom(e)" keine verwandten Wörter. Den Begriff "crom/crum/crwm" "Krumlov" finden wir auch im Toponym der Halbinsel Krym, abgeleitet aus dem Griechischen "criminos": Krym, "ein vom Wasser umflossener Felsen". Den im Indoeuropäischen wurzelnden crom/crum/krym finden wir auch im russischen Begriff Kreml. Der Crom/Crum/Crwm liegt sozusagen auf halbem Weg der indoeuropäischen Wanderung von Indien nach Europa. Einen Kreml gibt es nicht nur in Moskau, wo man ihn nur noch als Gebäude des Regierungssitzes kennt. Auch die Stadt Pskov hat noch einen Kreml: Denn ursprünglich bezeichnete der Kreml das Innere der Altstadt. Der Kern einer Stadt wurde durch eine Art Pallisadenzaun, oder einem Flechtzaun, eben einem Krom /Krwm versehen. Hier war das Innerste, das Privateste, in das man sich zurückzog, der Kreml. Das andere war außerhalb. In seiner Ursprungsbedeutung ist "Krumlov" als "Krom" (Zaun-rund, Stein-rund) als "Krym" (ein von Wasser umgebener Fels) zu deuten. So ist das 1. Wortglied "crom/crum" in "Crum - lov" "Crumben - owe" ein Vermächtnis aus den Anfängen der indoeuropäischen Geisteswelt.

Schlussfolgerung und Ausblick auf tschechisch Toponyme mit keltischem Hintergrund

Wenn Krumlov/Crumbenowe linguistisch nicht aus dem Althochdeutschen abgeleitet werden kann und archäologisch-geschichtlich ein germanisches Substrat nicht nachzuweisen ist, wie konnten keltische Wortwurzeln bis zur Völkerwanderung und darüber hinaus im slavischen Superstrat überdauern? Als der Druck der Germanenzüge in der Völkerwanderungszeit Richtung Mitteleuropa und Südeuropa geht, mögen die Kelten aus verschiedenen oppida abgewandert sein. Aber die Landbevölkerung in der Umgebung größerer Siedlungsareale, insbesondere das hier interessierende Gebiet um Český Krumlov, muß sich dieser Abwanderung nicht angeschlossen haben. Eine unmittelbare sichtbare Bedrohung gab es hier nicht. Ein Bauer verlässt nicht gern seinen Grund und Boden, den schon sein Vater und Urgroßvater erschlossen und bewirtschaftet haben. Die emotionale Bindung sesshafter Gesellschaften an die heimatliche Scholle ist stark, das ist aus der europäischen Siedlungsgeschichte Europas häufig bekannt. Aus archäologischen Funden und der Überlieferung der späteren slavischen Bevölkerung, den Tschechen, wissen wir, daß dieser Landstrich noch recht lange von neuen Zu- wanderungen frei blieb. Eine über Jahrhunderte intensiv von den Kelten besiedelte Kulturlandschaft konnte offenbar noch lange ihre keltische Urbevölkerung beheimaten. Das Einsickern der neuen tschechischen Stämme muss langsam und friedlich verlaufen sein, was insgesamt für die Landnahme und die Besiedlung des Böhmischen Beckens gilt. Kein archäologisches Zeugnis weist auf Kämpfe hin. Bis auf den Balkan ist keine militärische Aggression nachgewiesen. Es gibt in der slavischen Tradition nicht einmal ein Heldenepos, wie es typisch für Völker ist, die ihre Stammesterritorien mit Gewalt ausgebildet haben. Kosmas beschreibt in seiner Chronik die Einwanderung der Tschechen in ein menschenleeres, Land. Dies muß nicht unbedingt die Wirklichkeit abgebildet haben. Die Chroniken des frühen Europas lehnten sich an die biblische Vorlage an: Gott führt sein Volk in das gelobte (versprochene) - also unbewohnte - Land. Durchaus denkbar, das es zwischen den einsickernden Slaven und der spärlichen Urbevölkerung zu einer Assimilation gekommen ist. Die Bevölkerungsdichte in der Antike bis ins Mittelalter war sehr gering. Viel geringer, als schriftliche Überlieferungen von römischen Geschichts- schreibern angaben. Sie waren politisch motiviert und übertrieben regelmäßig um mehrere Hundert Prozent. Auch mittelalterliche Zahlen sind meist stilistische Mittel und sollen die Wichtigkeit der jeweils berichtenden Seite herausstellen und sind daher nicht als bare Münze zu nehmen.

In der Šumava/Böhmerwald sind Agrarwerkzeuge, die eine sprachliche wie kulturelle Verwandtschaft zum keltischen "krumbano" = Sichel aufweisen:

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"Krumpolec" = Ochsenjoch "Krumpač" = Spaten enthalten das kelt. Adj. krumbo- = gebogen Das Keltische kannte verschiedene Begriffe, die die Vorstellung von gebogen, rund, krumm, schief abbilden: "krundi -s" = rund "krumbo-s" = krumm, gebogen "krumbano-s" = Sichel "kloino-s" = schief "kukro-s" = krumm "kuro-s" = Kreis "kambo-s" = krumm "kambito-s" = Felge Der Begriff kelt.: "Skot" = Vieh (kultivierte Viehhaltung) = Skotove = Schotten ( Viehhalter, Viehzüchter).

Der Begriff "skot" stammt schon aus dem indoeuropäischen Sprach- und Kultursubstrat und ist Zeugnis für die gemeinsamen ur-europäischen Wurzeln, aus denen die Keltischen, die Slawischen und die romanische Sprachen stammen (in der Zeit bis zur großen europäischen Völkerwanderung

beherbergte der europäische Kontinent lediglich 5 indoeurop. Sprachen: Griechisch, Latein, Keltisch, Ur-Germanisch, Ur-Slawisch.

(Andere indoeuropäische Sprachen sind: Sanskrit , Indisch, Persisch. Die Ausbreitung der Sprachfamilien über die Wanderung von Indien bis Europa. Der Begriff Indogermanisch kann ein

wenig irreführend sein. Gemeint sind hier die weiteste Ausdehnung der Sprachfamilien mit einer Wurzel von Indien bis nach Germanien.)

Das Baskische als nicht-indoeuropäische Sprache war schon in prä-europäischer Zeit mit seinen Einwohnern ins heutige Nordspanien getragen worden. Das Finnische und Ungarische/Awarische entwickelte sich in Europa erst mit der Völkerwanderung.)

Aufmerksamkeit verdient noch das tschechische Wort "Kov" = Metall. "Gobano" ist im Keltischen der Schmied. Die Schmiede ist tschech. "kovarna", der Schmied "kovař" . So wie das deutsche Wort

Eisen, engl.: iron, tschech.: železo vom kelt.: "isarno" stammt, ist "kovař" auf "gobano" zurückzuführen. Die Ostslaven wie z.B. die Russen haben den griechischen Terminus "metall" übernommen. Diese Etymologie ist insofern interessant, als es sich beim Schmieden um ein Handwerk handelt, dessen Begrifflichkeit und Handfertigkeit über den persönlichen Austausch bzw. über die persönliche Vermittlung gehen muss, und nicht etwa durch vorgefundene Werkstücke weitergegeben werden kann. Vielleicht haben die einwandernde Slaven das Kunsthandwerk des Schmiedens und die damit verbundene Begrifflichkeit ja von den Kelten gelernt. Eine sehr große Vielzahl von Toponymen sind in Tschechien Abwandlungen und Verstümmelungen des Begriffes kovarna. So wie in keltischen Siedlungsgebieten war auch in den mittelalterlichen Städten die Schmiede wichtiger Bestandteil von Ortschaften. Toponyme wie "Kovařov", Kovarna" u.v.a. erinnern heute noch daran.

Keltische Wortwurzeln sind in den vielen Varianten der Toponyme von Třeboň, Česká Třebová, Třebič, uv.a. (62 Ortsnamen) zu suchen, die auf kelt.: "Trebo- s" = Haus, befestigte Wohnung "treb" = wohnen. zurückgehen. Das Gegenteil einer menschlichen Behausung ist im keltischen: "de - trebo" = Wüste, Einsiedelei.

Viele in Tschechien verstreute Ortsbezeichnungen wie Němčice, Nemotice, Nemcovce, Němčí, Nemejov u.v.a. deuten eher auf eine keltischen Ursprung hin: "nemeton" = geheiligter Ort, Heiligtum Ein deutscher Bezug: tschech.: "němec" = der Deutsche finden sich eher vereinzelt, wie z.B. in "Nemecky Brod". Toponymie mit dem vorausgesetzten keltischen Wortstamm "nemeton" finden sich aber auch gehäuft dort, wo es keine deutsche Bevölkerung gegeben hat und zwar recht gleichmäßig über das ganze Land verteilt. Die Kelten waren ein sehr religiöses Volk. Religös motivierte Handlungen waren eng mit dem Alltag verknüpft. Jede Familie hatte in ihrer Wohnungsumgebung so ein "nemeton", einen heiligen Ort, der den Ahnen geweiht war, an dem Kulthandlungen vollzogen wurden. Dies würde das doch recht hohe Aufkommen des Toponyms mit dem Wortstamm "nemeton" erklären. ( ?) Ein ebenso interessantes Schlaglicht wirft der keltische Begriff.: kelt."deivo- s, dîvo- s" = božstvo auf die tschechische bzw. allgemeine mitteleuropäische Toponymie. ( Orte) Der Begriff entstammt der Wiege der indoeuropäischen Geisteswelt: Sanskrit: "devá" = Gott, lateinisch: deus, dea;

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griechisch: dios = göttlich, theo = Gott. Eine Vielzahl bekannter Städte und gehen auf diesen Ursprung zurück: Divo-durum (späteres Metz), Divona (späteres Cahors), Deo-Brigula, Divico, Divicia u.v.a.

Tschechische Orte wie Dĕvičky, Divčice, Dĕvín, Dejvice u.a. enthalten diesen Wortstamm. Hier verknüpft sich die Vorstellung des Göttlichen mit der Jungfrauenfigur aus der griechischen Antike: Divina, göttliche Muse und Hüterin der Heiligkeit an einem geschützten, mythologischen Ort museion (Museum). Magdeburg (Magd, Mädchen) hat beispielsweise diese Etymologie. " Maiden castle" in Irland hat einen unmittelbaren keltischen Ursprung. In den Toponyma wie Dejvice, Divín, Dívčí skala (Mädchenfels gibt es als Burgnamen oder Bergbe- nennung mehrere Male in sehr unterschiedlichen Gegenden). Dívčí kamen (Mädchenstein) tritt auch

mehrmals auf.

Seit dem Mittelalter sind Geschichten bekannt, mit denen die Bevölkerung eine Erklärung für besondere Namen ersonnen hat, deren Ursprung ihr rätselhaft war: die etymologischen Sagen. Die Landbevölkerung kannte keine wissenschaftliche Etymologie. Sie versuchte eine Worterklärung

meist über die Phonetik und äußere Ähnlichkeiten mit verschiedenen Personen, aus deren Handlungen und Geschehnissen herzustellen, die einer bildhaften Vorstellung entsprachen. Z.B. der Ort Peruc ist ursprünglich eine Stelle, wo ein (geschichtlicher) Oldřich seine Dame Božena,

perucí (waschend) an einem Bach vorfand. Und schon war die Erklärung da. Der Name der Hauptstadt Praha wird schon in der Kosmas-Chronik (12.Jhd.) mit einer Sage verknüpft: Der Name

gehe zurück auf das Auftreten eines Mannes an jener Stelle, wo Prag gegründet worden sei, welcher dort eine Schwelle (tsch.: prah) zimmerte. Der Burgname Děvín löste die Vorstellung einer "Mädchenburg" aus (tschech.: dívka = Mädchen). Ein Holzschnitt aus dem 16. Jhd. zeigt den Bau der Burg durch ausschließlich weibliche Handwerkerin- nen in ihrer typischen weiblichen Bekleidung, wie sie mit Schubkarren Steine befördern, die Vertikale

einer Mauer mit dem Lot bestimmen, mit Kiepen voll Baumaterial auf Leitern klettern. Einen Felsen "Dívčí Kamen" gibt es im nördlichen Adlergebirge und Dívčí Kamen ist der Name der mittelalterlichen Burg, unmittelbar neben dem oppidum Třísov gelegen, hoch oben exponiert auf einer Felsformation in einer Mäanderschleife der Moldau in knapper Nachbarschaft zu Krumlov. Auffällig ist die geografische Parallele, verbunden mit ihrer Bedeutung. Aufmerksamkeit zogen besondere Landschaftsformen wie Flussschleifen und Felsformationen oder riesige Steine auf sich, die in ihren Erklärungsversuchen als Etiologische Sagen (griech.: aitia =

Ursache, Grund) bezeichnet werden. Die Auslegung von Krumbenowe oder Krumlov als "Krumme Aue": "Es leitet sich der Name allem Anschein nach von den häufigen Auen ab, die man bei der Anlegung dieser Stadt an den vielfältigen Krümmungen des Moldaustromes hier angetroffen hatte." (Schaller XIII, 174.) Wir erfahren hier nicht, wer diese Stadt angelegt hat und wann. Denn dieser Ort wird seit der Steinzeit kultiviert. Allenfalls kann diese Auslegung als etiologische Sage gewertet werden, wenn nicht als etymologische Fälschung mit politischer Intention. Werfen wir im Zusammenhang mit "Divci kamen" einen Blick auf den Namen eines nahe gelegenen Berges, den "Kluk". Es gibt noch mehrere Bezeichnungen von Anhöhen oder auch an

Anhöhen gelegenen Ortschaften mit ähnlicher Bezeichnung in Tschechien "Kluky" "Klokotin". Auf ersten Blick erscheint er die männliche Antwort auf den Mädchenstein zu sein. Interessant ist aber die Feststellung, dass das Wort "kluk" kaum einen Jungen meint. Denn "kluka" heißt im Festlandkeltischen "Stein, Felsen", was im Blick auf einen Berg Sinn macht. Beachtung sollten wir auch dem gehäuften Aufkommen von Ortschaften mit dem ersten Wortglied "Bud-" schenken. Mindestens 57 Orte (einschließlich der heutogen Slovakei) wie "Budusin", "Budislav", "Budkov", "Budy" "Buda", "Budiskovice" u.v.a. enthalten im ersten Wortglied "Bud-". "Bud-" kann unmittelbar weder germanisch noch slavisch abgeleitet werden, wenngleich eine gemeinsame indoeuropäische Herkunft evident ist: keltisch "buta" = Haus, tschech.: "bouda", "budovat", Nhd. "Bude", "bauen", irisch: "both" = Hütte, engl.: " booth". Auch "Bautzen - Budisin und Buda - Pest" sollte in diesem Zusammenhang nicht übersehen werden. Zum Schluß sei noch auf Ortsnamen wie "Kajov" (Gojau) hingewiesen. In unmittelbarer Nachbarschaft zu "Krumlov" gelegen und direkt an der transeuropäischen Handelsroute, ist dieser Kulturraum seit der Broncezeit intensiv genutzt. Reichhaltige ärchöologische Funde belegen dies. Keltisch "kaio-n" = Heim, Zuhause, Haus steht im Zusammenhang mit slav.: "po - koj", was die Ruhe und gleichzeitig den Raum (Zimmer), der diese Ruhe beinhaltet, darstellt. "kojit" ist das dazugehörende Verb, welches dem deutschen "stillen" ( ruhig machen) entspricht.

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Krumbenowe - Krumlov enthält das indoeuropäische Wort krom, krm, krum = Flechtwerk, Zaun. Es ist verwandt mit dem griechisch Wort krym = von Wasser umgebener Fels: die Halbinsel Krym hat davon ihren Namen. Auch hier sind seine indoeuropäischen Wurzeln sichtbar. Das Russische,

dessen Geisteswelt sich in weiten Bereichen auf das Griechische bezieht, nennt eines der grundlegendsten menschlichen architektonischen Schöpfungen einen Kreml: der Kreml ist der Zaunrund, der Pallisadenrund, der das Innerste gegen das Äußere schützt.

Das Wort Kreml geht ebenso zurück auf seine indoeuropäischen Wurzeln wie die Krym: den crom/crum/crwm.

Krumlov steht also für der Bedeutung eines (Zaun)runds, eines Frieds, einer Einfriedung!

Krom/Krum (Wortstamm = Substantiv) - l (Fugenelement) - ov (slavisches patronymisches Endungssuffix): "Ort mit einer Umfriedung"

oder Krumbenowe: als " Fried (im Sinne eines Runds) der Sichelleute" kruh ohrada Das Bretonische, also das moderne Festlandkeltische kennt noch den crwm, crom → crom-lech = Steinrund (lech = Stein). Im modernen Irisch ist crumban für Sichel noch lebendig, und auch im heutigen cymrisch heißt crumman = Sichel ( hier hat es eine Assimilation von b → m erfahren ). Das Festlandkeltische steht als Grundlage des Ortnamens Krumbenowe/Krumlov. Somit ist Krumlov und sein Name viel älter als bislang vorausgesetzt. Seine Bedeutung reicht weit zurück bis in Urbegriffe

der Geisteswelt seiner indoeuropäischen Vorfahren. Crumbano = die Sichel ist sein Wortkern. Die Sichel ist als Urinstrument des Menschen im Eintritt in die Ackerbaukultur zu sehen. Es enhält im

Wortstamm keltisch: crumbo- = sichelfömig,krumm, gebogen, weiterentwickelt zu einer keltisch/slavischen Konstruktion: Crumben - owe = Sichel-leute mit der Verwandtschaft zum tschechischen: krom(ě) = außer, außerdem, außerhalb, ausgenommen.

Wenden wir uns dem ganzen Zusammenhang der Entstehung des Namens Krumlov zu, so stammt der Name Krumlov aus der eigentlichen Wiege der Menschheitsgeschichte.

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