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Hintergrund: Philippinen Nr. 15 / März 2015 | 1 Überraschend gleichberechtigt Siegfried Herzog Wenn man zur Jahrestagung eines nationalen Verbandes von Finanzmanagern geht, erwartet man in den meisten Ländern einen Raum voll dunkler Anzüge. In den Philippinen betritt man einen Saal, in dem Anzugträger nur knapp die Hälfte ausmachen. Die Mehrheit trägt Rock. Wer an einem philippinischen Flughafen einen Trupp schwarzgekleideter Spezialkräfte Wache schieben sieht, wird feststellen, dass einige der Elitepolizisten Frauen sind. Wer zur Abschlussfeier der philippinischen Militärakademie in Baguio fährt, kann davon ausgehen, dass unter den drei Jahrgangsbesten mindestens eine Offizierin ist. Und wer auf einen Empfang einer philippinischen Botschaft geht, wird häufig von einer Botschafterin begrüßt. In deutschen Botschaften ist das immer noch eher selten. Wenn dagegen Deutsche gefragt würden, was ihnen zu philippinischen Frauen einfällt, wären die Antworten vermutlich deprimierend – Filippinas in Deutschland stehen bei vielen Deutschen im Ver- dacht, Katalogbräute zu sein (in Wirklichkeit sind die meisten als hochqualifizierte Krankenschwestern ins Land gekommen), und die Philippinen selbst gelten wie Thailand als Sextourismus-Ziel. Außerdem ist das Land katholisch und hat eine spanische Kolonialvergangenheit, da werden die Frauen nicht viel zu lachen haben – so zumindest lautet ein in Deutschland beliebtes Klischee. Im Fall der Philippinen blenden diese Vorurtei- leeine erstaunliche Realität aus: das Land ist eines der Länder, in denen die Gleichberechti- gung die meisten Fortschritte gemacht hat. Das angesehene WORLD ECONOMIC FORUM veröffent- licht jedes Jahr eine Studie zur Lage der Gleich- berechtigung namens Global Gender Gap 1 . Sie misst die Rolle von Frauen in Wirtschaft und Politik, ihre Bildungschancen und ihre Gesund- heit – in Relation zu den Männern des Landes – und bildet daraus einen Index. 1 http://www3.weforum.org/docs/GGGR14/GGGR_CompleteReport_2014.pdf Hintergrund: Philippinen Nr. 15 / 13. März 2015 Freiheit und Selbstbestimmtheit genießen einen hohen Wert auch unter philippinischen Frauen. Die Burger-Kette ArmyNavy bewirbt hier vor allem das weibliche Klientel mit diesem positiv besetzten Begriff. / Quelle: FNF-Manila

Hintergrund Philippinen 13.03.15

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Wenn man zur Jahrestagung eines nationalen Verbandes von Finanzmanagern geht, erwartet man in den meisten Ländern einen Raum voll dunkler Anzüge. In den Philippinen betritt man einen Saal, in dem Anzugträger nur knapp die Hälfte ausmachen. Die Mehrheit trägt Rock. Wer an einem philippinischen Flughafen einen Trupp schwarzgekleideter Spezialkräfte Wache schieben sieht, wird feststellen, dass einige der Elitepolizisten Frauen sind. Wer zur Abschlussfeier der philippinischen Militärakademie in Baguio fährt, kann davon ausgehen, dass unter den drei Jahrgangsbesten mindestens eine Offizierin ist. Und wer auf einen Empfang einer philippinischen Botschaft geht, wird häufig von einer Botschafterin begrüßt. In deutschen Botschaften ist das immer noch eher selten.

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Hintergrund: Philippinen Nr. 15 / März 2015 | 1

Überraschend gleichberechtigt

Siegfried Herzog

Wenn man zur Jahrestagung eines nationalen Verbandes von Finanzmanagern geht, erwartet man in

den meisten Ländern einen Raum voll dunkler Anzüge. In den Philippinen betritt man einen Saal, in dem

Anzugträger nur knapp die Hälfte ausmachen. Die Mehrheit trägt Rock. Wer an einem philippinischen

Flughafen einen Trupp schwarzgekleideter Spezialkräfte Wache schieben sieht, wird feststellen, dass

einige der Elitepolizisten Frauen sind. Wer zur Abschlussfeier der philippinischen Militärakademie in

Baguio fährt, kann davon ausgehen, dass unter den drei Jahrgangsbesten mindestens eine Offizierin ist.

Und wer auf einen Empfang einer philippinischen Botschaft geht, wird häufig von einer Botschafterin

begrüßt. In deutschen Botschaften ist das immer noch eher selten.

Wenn dagegen Deutsche gefragt würden, was ihnen zu philippinischen Frauen einfällt, wären die

Antworten vermutlich deprimierend – Filippinas in Deutschland stehen bei vielen Deutschen im Ver-

dacht, Katalogbräute zu sein (in Wirklichkeit sind die meisten als hochqualifizierte Krankenschwestern

ins Land gekommen), und die Philippinen selbst gelten wie Thailand als Sextourismus-Ziel. Außerdem

ist das Land katholisch und hat eine spanische Kolonialvergangenheit, da werden die Frauen nicht viel

zu lachen haben – so zumindest lautet ein in Deutschland beliebtes Klischee.

Im Fall der Philippinen blenden diese Vorurtei-

leeine erstaunliche Realität aus: das Land ist

eines der Länder, in denen die Gleichberechti-

gung die meisten Fortschritte gemacht hat. Das

angesehene WORLD ECONOMIC FORUM veröffent-

licht jedes Jahr eine Studie zur Lage der Gleich-

berechtigung namens Global Gender Gap1 . Sie

misst die Rolle von Frauen in Wirtschaft und

Politik, ihre Bildungschancen und ihre Gesund-

heit – in Relation zu den Männern des Landes –

und bildet daraus einen Index.

1 http://www3.weforum.org/docs/GGGR14/GGGR_CompleteReport_2014.pdf

Hintergrund:

Philippinen

Nr. 15 / 13. März 2015

Freiheit und Selbstbestimmtheit genießen einen hohen Wert auch

unter philippinischen Frauen. Die Burger-Kette ArmyNavy bewirbt

hier vor allem das weibliche Klientel mit diesem positiv besetzten

Begriff. / Quelle: FNF-Manila

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Ranking des Global Gender Gap Seit vielen Jahren behaupten die Philippinen in

dieser Rangliste einen Platz unter den Top 10,

2014 war es Platz 9 – nach den „üblichen Ver-

dächtigen“ aus Skandinavien und Neuseeland,

aber stets vor Deutschland, das 2014 auf Platz 12

lag, und weit vor der einstigen Kolonialmacht

USA, die auf Platz 20 rangieren. Was ist da los?

Wer als Deutscher eine Zeitlang in den Philippinen

wohnt, sieht an vielen anekdotischen Beispielen

wie den eingangs erwähnten, dass das Ergebnis

dieser Studie durchaus plausibel ist. Seit dem

Sturz des Diktators Marcos 1986 hat das Land

zwei weibliche und drei männliche Präsidenten

gehabt: Cory Aquino, Fidel Ramos, Joseph Est-

rada, Gloria Macapagal-Arroyo und seit 2010

Noynoy Aquino. Damit nicht genug: bei jeder Prä-

sidentschaftswahlen seit 1986 trat eine Frau als

ernsthafte Kandidatin für das Amt des Präsiden-

ten oder des separat gewählten Vizepräsidenten

an: 1986 gewann Cory Aquino die Präsident-

schaftswahl, 1992 wurde Miriam Santiago knapp von Fidel Ramos geschlagen, 1998 gewann Gloria

Arroyo die Vizepräsidentschaftswahl, 2004 gewann sie die Präsidentschaftswahl und Loren Legarda

verlor knapp die Vizepräsidentschaftswahl, für die sie 2010 nochmals erfolglos antrat. Loren Legarda

stammt auch nicht aus einem der dominanten politischen Clans, sondern machte sich als Journalistin

einen Namen.

Besonders auffallend ist der Unterschied

aber in Wirtschaft und Verwaltung. Die Phi-

lippinen haben zwar eine geringere Frauen-

erwerbsquote als Deutschland, aber der Un-

terschied in der Bezahlung für gleichartige

Tätigkeiten ist deutlich geringer, d.h. deut-

sche Frauen werden bei der Bezahlung für

gleichartige Tätigkeiten gegenüber Männern

stärker benachteiligt als philippinische Frau-

en. Vor allem stellen auf den Philippinen

mittlerweile die Frauen die Mehrzahl der

Managementpositionen in Bürokratie wie

auch in der freien Wirtschaft. Im mittleren

Management und bei den Fachkräften stellen

Frauen mittlerweile fast zwei Drittel, bei den

oberen Führungskräften 48%2. In einigen absoluten Spitzenpositionen haben die Männer zwar noch

ein Übergewicht, das ist aber deutlich geringer als in Deutschland.

2 World Economic Forum, Global Gender Gap Report 2014

Im internationalen Vergleich schneiden die Philippinen mit Platz

neun sehr gut ab – noch vor Deutschland und den USA.

Viele herausragende Frauen: Die FNF Philippinen zeichnet besondere

Persönlichkeiten für liberale Leistungen für die Gesellschaft mit den

"Freedom Flames" aus. / Quelle: FNF-Manila

Hintergrund: Philippinen Nr. 15 / März 2015 | 3

Die Chancen, an die Unternehmensspitze aufzusteigen, sind daher laut der Studie in den Philippinen

deutlich höher als in Deutschland. Ein besonders starker Unterschied ist weibliches (Mit)eigentum an

Unternehmen: In Deutschland liegt er bei 20% der Firmen, in den Philippinen bei 69%.

Wer vor den Wahlen 2010 in Manila die Zeitung in die Hand nahm, konnte einen Artikel zum Start

einer neuen Initiative zur Wahlbeteiligung lesen. Die Initiative wurde getragen von einer der großen

Tageszeitungen, einer der beiden großen privaten Fernsehanstalten, einigen Unternehmen und einer

Jugendinitiative. Das Bild zeigte vier Führungskräfte der beteiligten Unternehmen bei der Eröffnungs-

veranstaltung. Alle vier waren Frauen – die Chefredakteurin der Zeitung, die Vorstandsvorsitzende des

Fernsehsenders, die Vizepräsidentin der Autofirma und die Vorsitzende der Jugendinitiative.

Wer nach den Ursachen

für die vergleichsweise

starke Stellung von Frauen

in der Gesellschaft sucht,

wird im Bildungssektor

fündig. Die amerikani-

schen Kolonialherren ha-

ben in den Philippinen ein

umfassendes öffentliches

Schulwesen aufgebaut,

vor allem in der Primar-

und Sekundarbildung. Da-

neben gibt es auch ein

umfassendes privates

Schulwesen, das vor allem

von der katholischen Kir-

che getragen wird und im

Bereich der universitären

Bildung seinen Schwer-

punkt hat. Anders als viele Entwicklungsländer hat der philippinische Staat deshalb seinen Bildungs-

etat auf die Primar- und Sekundarstufe konzentriert mit dem Ergebnis, dass der flächendeckende Zu-

gang zur Bildung seit Jahrzehnten gewährleistet und die Analphabetenrate auf ca. 5% reduziert wur-

de. Im Bildungswesen haben Mädchen denselben Zugang wie Jungen. Das Problem ist mittlerweile

vielmehr, dass die Schulabbrecherquoten von Jungen auf jeder Stufe der Bildungsleiter höher ist als

die von Mädchen. Bei der Einschulung ist die Geschlechterquote noch 50-50, sie verschiebt sich aber

sukzessive zugunsten der Mädchen, und am Ende, bei den Universitätsabsolventen, hat der Frauenan-

teil sage und schreibe 70% erreicht. In der Gesamtbevölkerung liegt der Anteil der Frauen bei den

Menschen mit College-Abschluss bei 56% und denen mit Magisterabschluss oder Promotion bei 58%3.

3 National Statistical Office, Gender Quickstat 4. Quartal 2014

Frauen sind selbstverständlich in allen Lebensbereichen der philippinischen Gesellschaft zu finden.

Hier leiten Mitarbeiterinnen eines Sportcenters die Aufwärmgymnastik für die mehreren Tausend

Läufer des FNF-Freedom Run. / Quelle: FNF-Manila

Hintergrund: Philippinen Nr. 15 / März 2015 | 4

Es gibt zwar weiterhin bestimmte

Männerdomänen – bei den Ingeni-

eurswissenschaften liegt der Frauenan-

teil noch um die 20%, aber bei den

Juristen und auch in Betriebswirtschaft

und Management herrscht mindestens

Parität.

Dazu kommt, dass es unter den priva-

ten Elite-Colleges einige gibt, die nur

Frauen offenstehen und von katholi-

schen Orden betrieben werden, wie das

MIRIAM COLLEGE, ASSUMPTION COLLEGE und

die ST. SCHOLASTICA, letztere gegründet

von den Missionsbenediktinerinnen aus

dem bayerischen Tutzing. Etliche Colleges blicken auf eine über hundertjährige Geschichte zurück. Sie

entstanden einst als klassische Schulen für höhere Töchter; heutzutage rekrutiert sich aus ihren Absol-

ventinnen aber die weibliche Elite der Privatwirtschaft und Politik. Die Leiterinnen dieser Colleges ge-

hören zu den einflussreichen Stimmen im Land; und wer glaubt, das seien weltabgewandte Nonnen,

der täuscht sich: Einige von ihnen standen beim Aufstand gegen den Diktator Marcos 1986 mit Ro-

senkränzen in der ersten Reihe vor den Panzern der Regierung. Als sich 2007 ein hoher Regierungsbe-

amter, Jun Lozada, in einem dramatischen Schritt dazu entschied, in einem Korruptionsskandal gegen

die Regierung als Kronzeuge auszusagen, benötigte er buchstäblich mitten in der Nacht Leibwächter.

Diesen Job übernahmen – die Nonnen von ST. SCHOLASTICA, die Lozada und seine Familie resolut be-

schützen. Eine der führenden Menschenrechtsorganisationen des Landes, TASK FORCE DETAINEES, ist von

den katholischen Orden gegründet worden und wurde lange Zeit von der Franziskanerin Sr. Creszentia

Lucero geleitet.

Der Faktor der Kinderbetreuungsmöglichkeit ist etwas komplexer. Einerseits haben die Philippinen

einen großen informellen bzw. halbformellen Arbeitsmarkt für Haushaltshilfen und Kindermädchen.

Viele Mittelklassefamilien können sich ein Kindermädchen leisten, und in ärmeren Familien helfen

andere Familienmitglieder oder man bezahlt eine Nachbarin, damit sie ein paar Stunden pro Tag auf

das Kind achtgibt. Die Kindermädchen haben zwar keine spezielle Ausbildung, dafür sind sie aber kon-

stante Bezugspersonen im Leben der Kinder. Daneben gibt es auch eine wachsende Zahl von Kinder-

gärten, die privat betrieben werden – insgesamt gehen bereits über 60% der Kleinkinder in Kindergar-

ten oder Vorschule. Die Schulen sind in der Regel Ganztagesschulen, die Kinder kommen erst gegen

16:00 h aus der Grundschule heim. Dennoch zeigt eine Studie (Paradox and Promise in the Philippines.

A joint Country Gender Assessment, Manila 2008), die die ASIAN DEVELOPMENT BANK mit anderen Organi-

sationen durchgeführt hat, dass hier nach wie vor Defizite bestehen und nicht zuletzt deshalb die Er-

werbstätigenquote von Frauen deutlich unter der Männer liegt. Das gilt vor allem für die Altersgruppe

unter 35.

Die Philippinen haben nach wie vor eine überdurchschnittlich hohe Geburtenrate, das schlägt sich hier

ebenfalls nieder. Der Zugang zu Verhütungsmitteln wurde erst vor wenigen Jahren durch ein neues

Gesetz zur reproduktiven Gesundheit verbessert, gegen den erbitterten, aber letztlich erfolglosen, Wi-

derstand der katholischen Bischöfe. Es gibt aber einen gesetzlich geregelten Mutterschaftsurlaub, und

im Gegensatz zu vielen anderen Ländern bezahlt hier die Sozialversicherung das Gehalt der Mutter

während dieser Zeit bis zu einer Obergrenze.

Saint Cecilia's Hall, St. Scholastica's College, Manila / Quelle: en.wikipedia.org

Hintergrund: Philippinen Nr. 15 / März 2015 | 5

Für philippinische Unternehmen ist daher eine Schwangerschaft einer Mitarbeiterin keine besondere

Belastung, und das dürfte ebenfalls dazu beitragen, dass Frauen in den Philippinen gute Aufstiegs-

chancen haben.

Was von diesen Statistiken nicht erfasst wird, ist die Doppelbelastung von berufstätigen Frauen – von

ihnen wird nämlich weiterhin erwartet, dass sie den Haushalt organisieren und die primären An-

sprechpartner der Kinder sind. Die Männer fühlen sich (noch) nicht gefordert, eine entsprechend grö-

ßere Rolle zu übernehmen.

Der Staat hat einiges dafür getan, Gleichberechtigung gesetzlich zu verankern und zu stärken, insbe-

sondere seit dem Übergang zur Demokratie 1986.

Die Verfassung von 1987 schützt Frauen-

rechte besser, eine Reihe von Gesetzen

öffnete Frauen Zugänge und unterband

Diskriminierung, insbesondere die Magna

Charta of Women und das Strafrecht ver-

folgt Gewalt gegen Frauen auch in der Ehe

schärfer. Bei der Aufstellung des Haushal-

tes der öffentlichen Hände wird ein be-

stimmter Anteil für die Belange von Frauen

reserviert. Interessant ist in diesem Zu-

sammenhang die Rolle der philippinischen

Feministinnen. Diese haben sich sehr stark

auf die Umsetzung konkreter Gesetzesvor-

haben und Leitlinien konzentriert und da-

bei eng mit Männern kooperiert. Der kon-

frontative radikalfeministische Diskurs, wie

er an amerikanischen und deutschen Uni-

versitäten häufig zu finden ist, spielt in

den Philippinen dagegen praktisch keine

Rolle, ebensowenig die in Deutschland und

den USA so beliebten Quotenregelungen.

Dennoch schneidet das Land deutlich bes-

ser ab, und das trotz Armut und Unterentwicklung. Kinderbetreuung und Bildung sind vermutlich

wichtigere Faktoren, und was die Bildungsdynamik angeht, so hat der Economist dieser Tage darauf

hingewiesen, dass Jungen im Bildungsbereich gerade in der westlichen Welt immer stärker zurückfal-

len.4 Eine wachsende Rolle von Frauen im Management ist daher auch in Deutschland ein bereits exis-

tierender Trend, der sich noch verstärken wird.

Wenn man nach den kulturellen Gründen für die starke Rolle der Frauen im Land fragt, gibt es einige,

die den Katholizismus im Land als durchaus positiven Faktor ausmachen – andere katholisch geprägte

Länder wie Rwanda (Platz 7) oder Irland (Platz 8) schneiden nämlich in der Global Gender Gap-Studie

ebenfalls recht gut ab. Ein Element sind vermutlich die Frauenklöster.

4 (http://www.economist.com/news/international/21645759-boys-are-being-outclassed-girls-both-school-and-university-

and-gap?spc=scode&spv=xm&ah=9d7f7ab945510a56fa6d37c30b6f1709)

Selbstbewusstes Selfie: Teilnehmerinnen des FNF-Freedom Run teilen stolz

und öffentlich ihre Erfolge. / Quelle: FNF-Manila

Hintergrund: Philippinen Nr. 15 / März 2015 | 6

Sie haben gerade in vormodernen Gesellschaften Frauen eine Alternative zu Ehe und Kindern geboten,

die Zugang zu Bildung und Einfluss boten – und wer sich die oben geschilderte Rolle der Nonnen hier

im Lande ansieht, wird dies nicht ganz unplausibel finden. Demgegenüber ist die starre Haltung der

Kirche in Fragen der Sexualmoral besonders für Frauen ein Problem, weil sie den Zugang zu Verhütung

erschwert und sexuelle Aufklärung behindert.

Der hispanische Machismo, der mit den spanischen Kolonialherren kam, wird ebenfalls als problema-

tisch wahrgenommen. Manche Beobachter argumentieren allerdings, dass gerade der Machismo sich

derzeit fatal auf die Männer auswirkt – Eltern lassen ihren Söhnen nämlich mehr durchgehen, weshalb

sie in der Schule nicht die nötige Selbstdisziplin haben und gegenüber den strenger erzogenen Mäd-

chen ins Hintertreffen geraten.

Die Entwicklungstrends des Global Gender Gaps zeigen weiter nach oben. Die FNF unterstützt Frauen durch Fertigkeitenseminare, Work-

shops und Publikationen dabei, den politischen und gesellschaftlichen Raum weiter zu erobern. zudem bietet FNF selbst eine Plattform

dafür und honoriert herausragende Leistungen von Frauen.

Gerade internationale Organisationen und große Unternehmen gehen mittlerweile davon aus, dass

Frauen im Land professioneller, verantwortungsbewusster und zuverlässiger sind – Männer, die sich

im Management bewerben, haben heutzutage anscheinend gegen ein ernsthaftes geschlechtsspezifi-

sches Imageproblem anzukämpfen.

Dazu kommt aber auch nach Ansicht vieler Beobachter ein kulturelles matriarchalisches Substrat, das

sich trotz spanischer Kolonialherrschaft und Katholizismus behauptet hat. So ist es in den Philippinen

allgemein üblich, dass der Ehemann das Gehalt bei seiner Frau abliefert, die ihm ein Taschengeld gibt,

aber ansonsten für die familiären Finanzen zuständig ist. Bei einigen Ethnien wird das Familieneigen-

tum von Mutter auf die Tochter vererbt. Dazu gibt es auch harte Zahlen – neben dem weiblichen Ei-

gentum an Unternehmen (s.o) haben Haushalte mit weiblichem Haushaltsvorstand auch ein deutlich

höheres Einkommen und höhere Ersparnisse als solche mit männlichem Haushaltsvorstand.5 Die wich-

tige Landessprache Filippino ist weitgehend geschlechtsneutral. Die Familienclans, die im Land das

wirtschaftliche und politische Leben dominieren, definieren sich patri- wie matrilineal, weshalb sie

nach drei Generationen zumeist verschwinden bzw. transformieren.

Es gibt zwar das Phänomen, dass Frauen als Platzhalter ihrer Männer in die Politik gehen, wenn diese

nach Ablauf mehrerer Amtsperioden nicht mehr wiedergewählt werden dürfen.

5 National Statistical Office, Gender Quickstat 4. Quartal 2014

Hintergrund: Philippinen Nr. 15 / März 2015 | 7

Es gibt aber auch genügend Frauen aus politischen Clans, die aufgrund eigener Fähigkeiten in politi-

sche Ämter kommen – etwa die frühere Präsidentin Arroyo oder die Abgeordnete Leni Robredo, die

Witwe des früheren Innenministers Jesse Robredo. Einige schaffen es sogar ohne Herkunft aus einer

Politikerfamilie.

Es gibt auch bemerkenswert viele Ehepaare, in denen beide Partner herausragende Positionen beklei-

den und nicht als „Ehepartner von...“ bekannt sind – so ist Solita Collas-Monsod eine der namhaftes-

ten Ökonominnen des Landes, ihr Ehemann Christian Monsod war ein respektierter Chef der Wahl-

kommission, und beide Karrieren haben sich weitgehend unabhängig voneinander entwickelt. Der

Budgetminister Butch Abad ist mit der Politologin Dinah Abad verheiratet, die derzeit stellvertretende

Präsidentin des Abgeordnetenhauses ist. Sie hat an der namhaften ATENEO-UNIVERSITÄT die SCHOOL OF

GOVERNANCE aufgebaut. Der langjährige Senator Joker Arroyo ist mit der Rechtsanwältin Felicitas Aqui-

no Arroyo verheiratet, die Partnerin in einer der angesehensten Kanzleien des Landes ist.

Leni Robredo/ Quelle: FNF-Manila

Hintergrund: Philippinen Nr. 15 / März 2015 | 8

Dinah Abad / Quelle: FNF-Manila

Der philippinische Humor bringt es am besten auf den Punkt, wie sich vordergründiger Machismo und

matriarchalische Grundstruktur im Land verbinden. „In den Philippinen“ so geht der Spruch, „hat der

Ehemann das letzte Wort. Es lautet: „Ja, Liebling!“

Siegfried Herzog ist FNF-Regionalbüroleiter für Südost- und Ostasien.

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