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Folie 1 03.10.2008 Durchsetzung einer BV AZ bei SBS 2000 - 2003 Historie der SBS (1) Die Siemens Tochter S iemens N ixdorf I nformationssysteme (SNI) wird im Oktober 1990 aus dem EDV-Bereich der Siemens AG und der gesamten Nixdorf AG gebildet. Sie übernimmt die Aufgabenbereiche beraten (consult), entwickeln (build) und betreuen (operate). Ab 1996 wird die Siemens Tochter SBS gebildet. Teile der SNI werden in die SBS eingebracht, die zunächst die Rechenzentren von Siemens betreuen.

Historie der SBS(1) - itk-igmetall.de · • Die Siemens Tochter Siemens Nixdorf Informationssysteme (SNI) wird im Oktober 1990 aus dem EDV-Bereich der Siemens AG und der ... betriebliche

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Folie 103.10.2008Durchsetzung einer BV AZ bei SBS 2000 - 2003

Historie der SBS (1)• Die Siemens Tochter Siemens Nixdorf

Informationssysteme (SNI) wird im Oktober 1990 aus dem EDV-Bereich der Siemens AG und der gesamten Nixdorf AG gebildet.

• Sie übernimmt die Aufgabenbereiche beraten (consult), entwickeln (build) und betreuen (operate).

• Ab 1996 wird die Siemens Tochter SBS gebildet. Teile der SNI werden in die SBS eingebracht, die zunächst die Rechenzentren von Siemens betreuen.

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Historie der SBS (2) • 1997 wird der Hardwarebereich (SINITEC)

ausgegliedert.

• Oktober 1998 wird SNI in SBS und ITS (Systembetreuung) zerschlagen.

• Juli 2000 wird die ITS wieder mit SBS verschmolzen.

• Februar 2007 wird die SBS wieder Teil der Siemens AG, wird tarifgebunden (Haustarif) und heißt jetzt SIS.

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Warum eine neue BV Arbeitszeit ?• Kolleg/innen wünschten mehr Zeitsouveränität• Arbeitgeber wollten Ausdehnung der

Rahmenarbeitszeit (RAZ) und mehr „Flexibilität“.• Regelungen der alten BV Arbeitszeit von 1987(?):

– Kernzeit: 9:00 Uhr bis 14:30 Uhr– RAZ: 7:00 Uhr bis 18:00 Uhr– Keine Funktionszeiten– Mehrarbeit bis zu 14 Stunden gelten vom BR als erteilt– Keine Regelung zu Reisezeiten– Handaufschreibung der Arbeitszeit– Übertragung von max. +- 20h auf nächsten Monat– Ganze Tage Freizeit werden schriftl. beim Vorg. beantragt– Der BR erhält monatl. eine Übersicht der ausgez. Mehrarbeit

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Der Arbeit ein gesundes Maß geben

• Mehr Selbständigkeit• Mehr Zeitsouveränität• Gesundheitsförderlichkeit• Mehr Beschäftigungssicherheit• Logik der indirekten Steuerung erkennen• Die eigenen Interessen erkennen• Risiken erkennen und ansprechen

– Arbeiten ohne Ende– Verschärfung der Konkurrenz– Nachteile in der Leistungsbeurteilung– Unterlaufen von Mitbestimmungsrechten des BR

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Verhandlungen mit dem Arbeitgeber• Vorbereitungen durch

– Individuelle Schulungen bei der IG Metall– Schulungen des gesamten BR auswärts (sogar einmal mit zwei

Mitarbeiterinnen der Personalabteilung)– Mustervorlagen anderer BV mit Ampelmodell– Fraktionstreffen der IG Metall – Erstellung einer ersten BV zur Arbeitszeit (s. unten)

• Verhandlungsdauer: Sommer 2000 bis Oktober 2001• Pilotphase in 2002• Nachverhandlungen bis 2003• Neue Verhandlungen ab 2006

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Zielsetzungen• Zielsetzung dieser flexiblen Regelung ist die

souveräne Verteilung der vertraglichen Arbeitszeit innerhalb eines Jahres, nicht deren Ausdehnung.

• Eine Zeitregelung für alle

• Ausnahmen müssen mit dem Betriebsrat vereinbart werden.

• Bei der Bewertung der Zeitkonten werdenGleitzeitguthaben und abzufeiernde Mehrarbeit immer zusammen betrachtet.

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Rahmenzeiten • Rahmenarbeitszeit: 7:00 bis 18:00 Uhr

• Keine Kernarbeitszeit

• Auch Teilzeitkräfte nehmen an der Gleitzeit teil

• Beginn und Ende seiner täglichen Arbeitszeit bestimmt jeder nach Abstimmung mit seinem Arbeitsteam selbst

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Funktionszeit • Versetzte Arbeitszeit = Funktionszeit

• Funktionszeit ist Arbeit mit fester Anfangs- oder fester Endzeit.

• Solche Funktionszeiten können nur von einem Team geleistet werden.

• Versetzte Arbeitszeiten müssen mit dem Betriebsrat vereinbart werden.

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Mehrarbeit und Gleitzeit• Mehrarbeit ist die Zeit, die ich außerhalb der

Rahmenarbeitszeit oder über 1/5 der täglichen Arbeitszeit hinaus aufgrund betrieblicher Notwendigkeit leiste.

• Mehrarbeit muss beim Betriebsrat beantragt werden.

• In Gleitzeit arbeiten heißt nicht, sein Zeitkonto in astronomische Höhen zu schrauben, sondern entsprechend seinen persönlichen Bedürfnissen seine Arbeitzeit und seine Freizeit auf das Jahr zu verteilen!

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Zeitentnahme• Entsprechend der persönlichen Bedürfnisse und der

betrieblichen Belange kann Freizeit bis zu 150 Stunden zusammenhängend vom Gleitzeitkonto entnommen werden.

• Mehrtägige Zeitentnahme muss beantragt werden.

12 Monate

+50

-50

+150

-150

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Zeitüberschreitungen• Was geschieht bei Überschreiten bestimmter

Stunden?

• Bis +-50 h: Zur freien Verfügung

• +50h bis +100h: Der Vorgesetzte spricht mit seinem Mitarbeiter über Abbaumaßnahmen. Analog für den Minusbereich.

• Über 100h: Vorgesetzter, Mitarbeiter und Betriebsrat vereinbaren schriftlich einen Abbau auf unter 50 h innerhalb von 3 Monaten. Analog für den Minusbereich.

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Viele Verhandlungsrunden• Die BV wurde ca. 20 mal korrigiert• Etwa die gleiche Anzahl an Gesprächen mit dem AG• Im allgemeinen war der Ton sachlich, da beide

Betriebsparteien eine Änderung wollten.• Der BR berichtete die Zwischenstände per Intranet

und vor allem in Betriebsversammlungen.• Zähe Informationspolitik des AG: gewünschte

Änderungen erst im Gespräch vorgelegt.• Der BR sandte seine Änderungen meist per Mail

vorab dem AG zu. Die Wünsche des AG wurden miteingebaut (Verhandlungsführung).

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Kompromiss: die Präambel • Ausgleich zwischen den betrieblichen

Flexibilitätserfordernissen einerseits und den zeitlichen Interessen und Bedürfnissen der Mitarbeiter andererseits als kontinuierlicher Prozess.

• größtmögliche Zeitsouveränität für die Mitarbeiter ohne die Wirtschaftlichkeit als wichtigste Basis für die Arbeitsplatzsicherung zu vernachlässigen.

• Zielsetzung: Verteilung der vertraglichen Arbeitszeit innerhalb eines Jahres, nicht deren Ausdehnung.

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Anwesenheit: mehr plus als minus• Rahmenarbeitszeit zwischen 6.30 Uhr und 19 Uhr• Eine tägliche, allgemeine Anwesenheitspflicht am

Arbeitsplatz entfällt• An- und Abwesenheitszeiten sind im Team

abzustimmen• Versetzte Arbeitszeit (=Funktionszeit) ist eine

eingeschränkte Gleitzeit. Für diese Fälle wird mit dem Betriebsrat eine projektbezogene Vereinbarung abgeschlossen

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Mehrarbeitsdefinition: ein voller Sieg• Mehrarbeitszeiten sind vom Gleitzeitguthaben zu

trennen.• Mehrarbeit bei Mitarbeitern mit Gleitzeit ist die durch

betriebliche Belange erforderliche Arbeit:– außerhalb der Rahmenarbeitszeit;– innerhalb der Rahmenarbeitszeit, soweit sie ein Fünftel der

individuellen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit überschreitet und eine dringliche terminliche Situation dies erfordert.

• Mehrarbeit wird von der Führungskraft angeordnet oder – wenn nicht möglich – geduldet. Soll ein Mitarbeiter keine Mehrarbeit leisten, muss dies von der Führungskraft untersagt werden.

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Zeitkonten: eigentlich alles klar• Einheitliches Excelsheet für Tarif- und ÜT-

Mitarbeiter• Ampelkonto:

– Grün bis +- 40 h– Gelb von +40 bis +60 h. Analog für den neg. Bereich– Rot von +60 bis +100 h. Analog für den neg. Bereich. Hier

muss ein Freizeitausgleichsplan (mit BR) vereinbart werden.• Keine finanzielle Abgeltung von Gleitzeitguthaben• Alle 12 Monate muss mindestens einmal der grüne

Bereich erreicht werden• Eintägiger Freizeitausgleich im Team abzustimmen• Mehrtägiger FZA genehmigt der Vorgesetzte

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Umkämpft: der Auskunftsanspruch• Der BR erhält elektronisch von denjenigen

Mitarbeitern monatlich die Gleitzeitdaten – wenn diese in der Rotphase sind (>60h)– wenn sie über 12 Monate nicht mehr im „grünen“ Bereich

(unter 40h) waren– Von allen Mitarbeiten im Januar jeden Jahres

• Ein Jahr Pilotierung der neuen BV• Erfolgskriterium: mehr als 95% der Mitarbeiter

beteiligen sich an der Erfassung ihrer Gleitzeit• Beim Scheitern der BV: Einigungsstelle

– Die Pilotphase wurde erfolgreich abgeschlossen

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Probleme in der Anwendung (1)• Zusendung der Gleitzeitsalden (1200 MA)

– Vorgesetzte an einem anderen Standort und keine Kenntnis der BV

– genervt von den vielen Formularen im Unternehmen– falsch oder nur teilweise ausgefüllt– ÜT-Beschäftigte empfanden es unter ihrer „Würde“ bzw.

wollten ihre Daten nicht transparent machen– Kolleg/innen krank, in Kur, ausgeschieden, beurlaubt o. ä. – Unterscheidung von „vergessen“ oder keine MA im roten

Bereich nicht möglich– Im Durchschnitt erhielten wir von 2/3 der Beschäftigten die

Gleitzeitsalden

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Probleme in der Anwendung (2)• Mit MA mit über 60h war kein Freizeitausgleichsplan

(FZA) vereinbart worden– MA war schwer erreichbar in einem Projekt– Im Projekt tauchten unerwartete Schwierigkeiten auf– MA ist unersetzlich im Team– Projekt müsste dann noch weitere MA einstellen (Kosten)– MA ist mit 40h/Woche an Kunde „verkauft“ worden– Regelung war mir nicht bekannt

• FZA wurde nicht eingehalten– Im Projekt tauchten unerwartete Schwierigkeiten auf– MA ist unersetzlich im Team– FZA muss zeitlich gestreckt werden

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Korrektur der BV (2003)• Protokollnotiz zur BV vereinbart:

– Die PA informiert ein halbes Jahr lang alle Vorgesetzte– Monatliche „Nullmeldung“ durch Vorgesetzten– Befreiung von der Doku-Pflicht für diejenigen ÜT-MA, die im

Vertrieb beschäftigt sind. Für diese gilt die Regelung des Arbeitzeitgesetzes.

• Im Sommer 2005 klagt der BR vor Gericht wegen weiterhin zu geringer Gleitzeitmeldungen.

• In einem Vergleich erhält der BR in vollem Umfang Recht.

• Ab Anfang 2007 erneute Modifikation und Verhandlungen für eine elektronische Speicherung der Daten in einer zentralen Datenbank.

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Fazit: Debatte zur AZ-Politik eröffnen• Wenn die Zeit zu knapp, die Arbeitsgruppe zu klein,

die Ressourcen zu schmal bemessen und die Projektziele zu ehrgeizig sind, bleiben Kreativität und Souveränität letztendlich auf der Strecke.

• Wir brauchen dringend eine Debatte darüber, wie wir zukünftig arbeiten und leben und unser gesellschaftliches Zusammenleben organisieren wollen.

• Ziel muss es sein, die weitere Verkürzung der Arbeitszeit als gesellschaftspolitisches Reformprojekt (Beschäftigungssicherung, Humanisierung der Arbeitsgestaltung, Neuverteilung der Arbeit zwischen den Geschlechtern) wieder in den Blick zu nehmen.