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ARCHIV DER PHARMACIE, eine Zeitschrift des Apotheker - Vereins im nSrdlichen Teutschland. Zwei te Reihe. Funfzehnten Bnndes aretes Heft. Erste Abtheilung. C h emie. Nistorische Skizze der Alchemie, nebst Un- tersucliung einer alchemistischen Gold- tinctur ; von H. Wa c k en T o d e T. V o r b e m e r k u II g. D i e nachfolgende Skizze der Alchemie isf zum Zweck einer Vorlesung vor einer Versammlung hoher und andern ausgezeichnef er Personen entworfen worden. Sie wurde mit vieler Nachsicht aufgenominen, und SO konnte der Ent- schluss , das nlanuscript dem Drucke zu iibergeben, gefasst und zugleich die Hoffnuiig gehegt werden, es niSchte die Abhandlung auch in weiterem Kreise eine nachsichtsvolle Beurtheilung erfahren. Mehrere Griinde bestimmen mich, die VorIesung gariz so wiederzugeben , wie sie gehalten wor- den ist, und nur noch einige'bnmerkungen hinzuzufiigen. Er- Grterungen abweichender Ansichten, ausfuhrliche Citate und andere Anfortlerungen der Gelehrsainlreit mussten iibrigens hier aufgegeben werden , wo es nur darauf ankarn, eine in- haltsthwereldee friiherer Jahrhunderle nach Ursprung , Ent- wickelung und Erfolg aufzuklzren, um sie in ihrer auch jetzt noch bestehenden Bedeutsamkeit anschaulicher zu ma- chen, als es bisher meistens der niliihe werth gehaIten wur- de. Von diesem Gesichtspuncte aus betrachtet, darf denn Arch. d. Phnrm. II. Reihe. XV. Bde. 1.Hft. 1

Historische Skizze der Alchemie, nebst Untersuchung einer alchemistischen Goldtinctur

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Page 1: Historische Skizze der Alchemie, nebst Untersuchung einer alchemistischen Goldtinctur

A R C H I V D E R P H A R M A C I E ,

e i n e Z e i t s c h r i f t des Apotheker - Vereins im nSrdlichen Teutschland.

Zwei te Reihe. Funfzehnten Bnndes aretes Heft.

E r s t e A b t h e i l u n g . C h emie .

Nistorische Skizze der Alchemie, nebst Un- tersucliung einer alchemistischen Gold-

tinctur ; von

H. Wa c k en T o d e T .

V o r b e m e r k u II g. D i e nachfolgende Skizze der Alchemie isf zum Zweck

einer Vorlesung vor einer Versammlung hoher und andern ausgezeichnef er Personen entworfen worden. Sie wurde mit vieler Nachsicht aufgenominen, und SO konnte der Ent- schluss , das nlanuscript dem Drucke zu iibergeben, gefasst und zugleich die Hoffnuiig gehegt werden, es niSchte die Abhandlung auch in weiterem Kreise eine nachsichtsvolle Beurtheilung erfahren. Mehrere Griinde bestimmen mich, die VorIesung gariz so wiederzugeben , wie sie gehalten wor- den ist, und nur noch einige'bnmerkungen hinzuzufiigen. Er- Grterungen abweichender Ansichten, ausfuhrliche Citate und andere Anfortlerungen der Gelehrsainlreit mussten iibrigens hier aufgegeben werden , wo es nur darauf ankarn, eine in- haltsthwereldee friiherer Jahrhunderle nach Ursprung , Ent- wickelung und Erfolg aufzuklzren, um sie in ihrer auch jetzt noch bestehenden Bedeutsamkeit anschaulicher zu ma- chen, als es bisher meistens der niliihe werth gehaIten wur- de. Von diesem Gesichtspuncte aus betrachtet, darf denn

Arch. d. Phnrm. II. Reihe. XV. Bde. 1.Hft. 1

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auch die Vorlesung einer wissenschaftlichen Zeitschrift ein- verleibt werden, welche nicht iiur der Erforschung und Mit- theilung neuer Thatsachen gewidmet , sondern auch allen Bemiihungen giinstig ist , welche den gegenwgrtigen Zustand der Naturwissenschaften im Allgeineinen und Speciellm auf- zuhellen suchen aus den ZustPnden in friiheren Tagen. Wo aber htitte eine Skizze der Alchernie einen passlichern Platz finden kSnneii, als in einer Zeitschrift fiir die Pharmacie? W a r sie doch, die Pharmacie , die Wiege der Chemie , unrl wird sie nicht auch lortan die treue PHegerin jeglicher Na- turwissenschaft seyn ?

Untersuchung einer ai?chemistische?t Tinctqr. Die ngchste Verarilassiing zu diesein A briss der Alchemic

gab zunPchst ein zu fh fang dieses Jahres an den Gewerbe- Verein i r r Weimar abgegebener Bericht iiber eine alchemi- stische Tinctur, welche dem Vereine von einer in Thiiritigen iebenden Alchemisten .. Familie ubergeben wordm war. Es w a r dabei bemerkt worden, dass dicse selbst bereitete Tinc- t u r vollltommen die Eigenschaft besitze , andere hIetalle i n Gold zu verwandeln, und wenn ihre Wirkung auch nur gering sey, so werde doch .dadurch die Moglichkeit der Golderzeugung vollstiiridig dargethan. Zur EestStigung des- Sen sey die Tiiictur dem Vereine zur weilern Erprobung fiberlassen, und was :jonst noch weiler dariiber mag ange- fiihrt worden seyn, SO vie1 ist gemiss, dass lediglich eirie redliche Ahsicht dem (Gesagten zu Grunde lag. Die Drei- stigkeit jener, Behauptung wird aher deinjeiiigen nur wenig auffalien , welcher weiss, dass der Glaube an die Moglich- keit der Transmutation der Metalle keinesweges allgemein von der Ueberzeugung , dass die alchemistische Metallver- wandlurig mit der Quadratur des Xireises auf gleicher Stufe der Utimoglichkeit stehe , verdriingt worden ist.

Die analysirte alchemistische Tinctur wog ungefihr an- derthalb Loth , bestancl in kleinen, trocknen , besttiubten Stiicken, und hatte ganiz das AnseLen yon basischem Eisen- chlorict , welches beim Abdarnpfen der Auflosung des Eisen- oxyds in SalzsZure bis zur Trockenheit hinterbleibt. Da dieselbe im Wesentlichen auch dieses basische Eisensalz war, wie die Untersuchung zeigte, so ist es unnothig, eine wei- tere Beschreibung dwselhen zu geben, und die vorgenom- mene qualitative Ana1y:je vollstiindig anzufuhren. Es wird geniigen , das Resultat cfer Untersuchung mitzutheilen, nach welchem die alchemistische Tinctur enthPlt :

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a) neutrales und basisches Eisencklorid grcsstentheils ; 6 ) basisches schwefelsaures Eisenoxyd , in kleiner Menge ; C ) Kupferchlorid , in ganz geringer Menge; d) sclwefelsaures Bleioxyd, in sehr geringer Menge; e) Goldchlorid, in zwar Iusserst geringer , jedoch YerhPlt-

f) beigemengte Sandkorner, wenig. nissmPssig nicht unbedeutender hlenge j

Aus der Zusainmensetzung folgt, dass nu r ein Theil der alchemistischen Tinclur i n Wasser aufliislich war. In dieser wHssrigen Auflosung war das Gold d urch Zinnchloriir, Oxal- sPure , Eisenvitriol und schweflige SBure zu entclecken. Da in deni nur in SalzsPiire aufliislichen Theile der Tinctur kein Gold mehr enthalten war , so wurden zur-quantitativen Be- stiinmurtg des eoldes 4,5 Grm.1 der ~ Tinctur mit Wasser i n der Siedhifze auagezogen , die filtrirte Fliissigkeit aber wurde mit schwefliger Sfure verseizt und gekocht.. Each erfolg- ter FBllung des Goldes wurden die Plocken auf einem Filter gesammelt, das Filler wurde verbrannt, und der Ruckstand mit etwas Borax nnd kohlensaurem Kali i n einern Porcellan- tiegel geschmolzen. d u f diese Weise wurden 0,004 Grm. Goldkorner erhalten, was 0,089 Procent oder nahe & des Gewichts der alchemistischen Goldtinctu r betrfgt. Sie reiclit schon a m , diese, kleine Menge vori Gold, urn den Glauben an die Golderzeugung ZP unterhalfen und zii best& ken , sobald jemand nack dem alten Verfahren die Tinctur mit Blei zusammengliihet und das Blei auf der Capelle ab- tteibt, ausverdem aber nicht im Stantle ist, die Gegenwart des Goldes nachzuweisen. Und das ist allerdings nicht leicht, da das Gold zu denjenigen Metallen gehijrt, welche, wenn sie in sehr geringer iMenge andere Metalle begleiten, sehr leicht bei der Analyse auf nassem Wege iibersehen werden kijnnen.

Diese Bemerlruiig liess sich auch bei der eben mitge- theilten UntersucLung machen. In der stark gefsrbten Auf- liisung der alchemistischen Tinctur i n Salzsaure brachten nlmlich die fiir das Gold belrannten Reductionsmittel die FHllungen , woiiurch sich dieses Metall auezeichnet , entwe- der gar nicht hervor, oder doch so 'zweifelhaft, daes dar- nach nicht mit Sicherheit geurtheilt werden konnte. N u r das Zinnchlorur mochte einigermaassen deutliche Anzeigen liefern, und so auch der Eisenvitriol , intlem die erhitzte Fliissigkeit nach mehreren Stunden eine ganz kleine Menge eines rothbraunen Pulvers abgesetzt hatte. Deshalb wurden einige Versuche iiber die Reaction des-Goldes in Cusserst

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kleiner Menge angeslellt , welche hier noch angefiihrt wer- den mSgen-

Z u r Darstelluiig ganz reinen und neutralen Goldchlorids Ivurde reines Blatfgoltl mit Wasser iibergossen , und Nit Hiilfe von Chlorgas aufgelijst. Die voin iiberschiissigen Chlor befreite Au0iisung wurde nun in ausserst verdiinnlem Zu- stande angewendet so aber , dass bei jedem Versuche dieselbe Menge yon Gold ins Spiel kam,

1) Zinnchloriir firbte die Auflijsung sogleich tcaun, aber erst nach mehreren Tagen hatten sich einige braunro- tfie Fiocken abgeschieden. Wenn aber die AuRosung zuvor n i t der 10 bis zofacken Menge coricentrirter SalzsBure ver- setzt worden war , :so entstand dtircli das Z i n n c h l o r ~ r so- gieich eine purpulrtothe FBrbung , wiitrrencl nach Verlauf ei- niger ?'age die Fliissiglceit farblos geworden w a r , und feine schwarze Flocken abgesetzt hatte.

2) Oxalszure brachle erst nach einigem Stehen tlrr Fliis- sigkeit eine blaue FLrbung und deulliche Triibung derselben hervor.

3 j Eisenvitriol gab augentliclrlich eine Anzeige des Gol- des d&ch die bekannte g&lichblaue Fzrbung &r Fliissig- keit und Fiiilung YO^ brauneni Goldpulver. Als die Gold- aufliisung zuvor mil der iofaclien Pileage. concentrirter Salz- s&re vermischt worden, SO w a r die barbung der Flussig- keit weniger deutlich , obwohl sich spgter etwas reducirtes Gold absetzie. Hieraus folgt dass die Reaction des scliwe- felsauren Eisenoxydliils durch vie1 rreie Salzsaure so modifi- cirt wird , dass die JFLrbung sehr undrutlich merden , oder in stark gefzrbten Flussigkeiten , 2. B. des Eisenchlorids, ganz ausbleiben kann. In solchein Falle wird nur das Niederfal- len eines braunen 'Pulvers ails der erhitzten und stehen ge- bliebenen Fliissigkeit die Gegenwart von Gold anzeigen. In- dessen machte es zur gznzlichen F6lliing des Goldes immer rathsam seyn , eirien grossen Ueberschuss yon SalzsHure zu vermeiden.

4 ) Die neutrale luffijsung des Goldchlorids wurde von schwefliger SBure in der K 3 t e nicht verlndert. Beim Er- wzrmen der Fliissigkeit stellte sich aber sogleich eine start und schiin blaue Fsrbung derselben ein. Beim Kochen ver- schwand die Farbe und es schiedee sich deutlicher feine, schwarze Flocken ab. Offenbar war diese .Reaction die stgrkste und entschiedenste Yon allen. Uass weniger ver- diinnte Auflosungen des Goldchlorids von der schwefligen SPure grunlichblan gefsrbt werde, und dann das Gold als dunkelbraunes Pulver vollstlndig ge&Ut werde , habe ich

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bereits i n meiner ,,Anleilung zur qualifaf iven chemischen Analyse S. ig i " ang-efiihrt. ES muss aber hinzugefiigt wer- den, dass selbst beim Kochen keine Reduction des Goldes erfolgt , wenn die Fliissigkeit einen grossen Ueberschuss von Salzsiiure enthtlt. Dieselbe Menge des ohen erwiihnten neu- tralen Goldchlorids wurde niimlich ganz und gar nicht von der schwefligeii Slure veriindert, als sie zuvor mit der lofa- chen Menge Slure vermischt worden war. Ganz dasselbe Resultat ergab sich , als die freie SalesPure zuvor durch Am- moniak war gestttigt worden. AuC keine Weise zeigte die schweflige Siiure nun rnehr das Gold an , das doch aus der neutralen Fliissigkeit mit so auffallender FtrbunS derselben gefiillt wurde. Uebbrigens bewirkte die schweflige S;iure in der mit maglichst wenig Salzsiiure gebildeten Auflijsung der alchemistischen Tinctur noch eine sichtbare Reduction des Goldes, w o der Eisenvitriol und die Oxalsture keine blaue FPrbung mehr hervorbrachten.

Die der Reduction hinderliche Wirlrung der freien Chlor- wTasserstoffslure kann man fiiglich der eben so auffallenden Verschiedenheit des Schwefelwasserstoffs in seiner Vrirkung auf manche Mefallsolutiorien vergleichen. Wenn z. B. das Zink ails seiner stark sauren salpetersauren oder salzsauren Auflasung nicht leicht durch Schwefelwasserstoff gefiillt wird, so geschieht dieses doch bis zu eineni gewissen Grade, werin lange Zeit hindurch Schwefelwasserstoffgas in die Fliissigkeit hineirigeleitet wirtl. Es Iiisst sich eine ganze Reihs solcher auf den ersten Blick paradox scheineiider FBllungen anfuh- ren, welche sich jedoch, nach meiner Ansicht , aus einem einiigen Grunde erkliiren lassen. Dieser Grund ist, wie ich glaube!, der, dass die Sii'uren sich wechselseitig neutralisi- ren in Bezug auf die Salzbasen , welche durch die Sturen ge- fillt oder aufgelost werden. Die wechselseitige Neutralisa- tion oder Azc.vgZeichung der SPuren ist aber vorzuglich von ihrer Masse abhiingig, obwohl nicht zu zweifeln ist , dass ,eine durch Zahlen ausdriickbare Gesetzmlssigkeit dabei ob- wallet, welche zu bestimmen von grossem Interesse seya wiirde. W e n n es z. E. bekarint ist, wie viel Salpetersture erfordert wird , urn I Th. schwefelsaures Bleiosyd aufzulo- sen, SO jvissen wir doch nicht , wie viel Schwefelslure no- Ihig Cst , das aufgeliiste Bleioxydsalz vollstzndig wieder nie- derznschlageii. Und so wiirde es auch Interesse gewahren, die Quantitiit von Chlorwasserstoffsture , welche die Reduc- tion des Goldes durch'schweflige Slure verbindert , genauer zu kennen.

Manche Erscheisungen dieser Art eind iibrigens seltsam

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genug, um nicht zu weiterer Nachforschung zu reizen. Dahiu gehort die Falbarkeit des Zinns aus Zinnchlorid durch Phos- phorslure, sobald Essigsaure hinzugefiigt wird , und die Fallbarkeit des Eisens aus saurem Eisenchlorid durch phos- phorsauses Natron , obwokl das phosphorsaure Eisenoxyd in PhosphorsEure aufloslich ist und freie PllosphorsPure in neu- tralem Eisenchlorid lreinen Kiederschlag bewirkt , wenn auch Essigsiiure hinzugefiigt worden. Untl doch ist das phosphorsaure Eisenoxyd in EssigsEure unauflijslich. Eine grosse Anzahl solcher an sich geringftigig erscheinender , fiir die genaue und zuverliissige Analyse aher lieinesweges un- bedeutendek Umstlnde' in dem Verhallen der Kiirper gegeri die Reagentien habe ich SO wohl in der oben erwlhnten ,,Anleitung", als auch in meinen chemischen Tabellen (4. Aufl.) angefiihrt. Hier mag in Belreff des Goltles nur noch angemerkt werden , dass dieses Metall durch schweflige SLure ebenfalls nicht reducirt wi rd , wenn der Auflijsung zuvor Kaliumeisencyaniir kiuzugefugt worden ist.

1. Periode, yon den gltesten Zeiten bis zum Anfang des achtzehnten Jahrhunderts.

Die sogenannten geheimen Wiseenschafien bilden einen wesentlichen Bestandtheil der allgemeinen Culturgeschichtc, und da sie yon jeher in den religiosen Ueberzeugungen ihren Grund hatten, nach denselben niancherlei Moclifikationen er- fuhren , und auf dieselben vielfache Riickwirkungen Zusser- ten, so erscheirien sie uns auch jetzt noch von nicht gerin- ger Bedeutsamkail. In so fern jede positive Religion eiiie Lehre von iibernatiirlichen Dingen ist , kann man behaup- ten, kijnne sie nicht ganz frei suyn von geheimen Wissen- schaften. Denn so wei t auch die Grenzen hinausger~ckt werden mijgen , innerhalb welcher der forschende Verstand die Naturgesetze erspLliet und sie beherrschen lernt , so we- nig werden die Grenzen , welche das fieich tles Wisseris und Glaubens von einander solidern, jemals so scharf bestimmt werden konnen. Jedes Zeitalter wi rd seine Wissenschaft haben , welche deli Uebergang bildet vom iiberzeugenden Wissen ziim hingebenden Glauben. ,WLhrend wir in un- sern Tagen nicht anstehen, einer unericllichen Theilung der drzneimittel eine unendlick grosse Kraft zuzuschreiben, wiih- rend wir dem thierischen Magnetismus vertrauen, ja selbst den blossen heilkrzftigen Besprechungen der Krankheiten

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UnSece Aufmerksamkeit zuwenden, und auch Griinde dafiir yorzubringen wissen , haben w i r keine sonderliche Veran- ]assung, uns -iiber die endlosen und erfolgiosen Bemuhun- gen der ,4sttologen und Alchemisten mit Geringschltzung zu vermundern, OBwohl wir einer bessern Ueherzeugung Raum zu geben das Recht haben. Gerecht und billig ist e s , dass wir unsere Vorfahren nur nach ihren Eigent hiinilichkeiten beurtheilen , da auch wir das Gefiihl haben, bei unsern Nachkommen auf manche Nachsicht i n Betreff unserer OF- fenbaren und geheimen Wissenschaften Anspruch machen zu miissen.

Wenn daher im Folgenden eine kurze geschichtliche Darstellung , so wie eine Beurtheilung des Gegenstandes der Alchemie versucht wird , so k a n n dies nu r mit dem Vorbe- halte geschehen , dass wir die Thatsachen der Geschichte nicht nach dem Maasssiabe unserer Tage messen, das Oh- ject der Alchemie aber, eben weil es noch stets dasselbe ist, nach Mdassgabe unserer gegenwlrtigen Kenntnisse heur- theilen.

Ein fliichtiger Blick auf die Geschichte der Alchemie zeigt schon , welcli’ einen hohen Rang diese Wissenschaft un- t e r ihren Schwestern einnahm , wie gross ihr Einfluss auch auf manehe groese Erscheinungen in der Geschichte mag ge- wesen seyn, und wie tief .sic verachtet wurde, wenn sie nur fur ein Mittel des raffinirten Betruges gehalten wurde. Ihren gznzlichen Untergang fand die Alchemie, nachdem sie wesentlich mit tlazu beigetragen hatte, dass die Chemie eixie neue,Gestaltung gewann , und .sich zu einer her interessan- testen, wichtigsten urrd vollltommensten Wisserischaft erhob, welche jemals der menschliche Scharfsinn geschaffen hat. Alle Erscheinungen in der Natur , welche VOII mechanischen Krlften herriihren , lassen sich , weil sie vorzugsweise von der Bewegung abhiingig sind , und durch die physische Kroft unsers Korprs hervorgebracht werden konnen , im Bllge- meinen leichter auffassen, als die voii einer StofFwandelung begleiteten Phlnomene. Diese konnea nur vermoge einer ununterbrochenen Schlussfolgerung aus andern Ehnlichen krscheinungen aufgefasst und verstanden werden. Die che- mischen Erscheiniingen sind nunmehr fiir uns Gegenstand eben so gqosser Bewunderung einer i n wunderbarer Ge- setzmlssigkeit allwnltende Naturkraft , als sie unsere Vor- fahren seit Jahrhunderten riithselhaft und gar oft als dusfliisse guter und biiser Geister erschienen.

I n den Schriften des Alterthums finden sich zwar h2ufi.g Beweise, dass man schon damals chemische Arbeiten ver-

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richtete , z. B. &letallcompositionen bereitele *'. Nirgends aber finden sich Andeutungen, dass die Alten versiicht L i t - ten, einen Zusammenhang unter den Erscheinutigeti aufzu- suchen. Die lgpptischen Priester inogen unter ihren gehei- men Kunsten auch cheinische und physikalische gehabt, die- selben auch durch Hieroglyphen ausgedriickt und insgesammt Chema - woraus die Griechen Xqpia machten - genarint b b e n . hi'den Hieroglyphen , und selbst in der Mythologie der Rijmer und Griechen aber eine ausgebildete WissenscLaft der Chemie und Physrk zu finden, wie cocli einige unserer Zeitgenossen sich besfreben , wird immer ein nutzloses Ee- miihen bleiben. Indessen nannte man seit dem 15, Jahrhun- dert die Chemie die B'yptische , heilige, gSllliche oder her- metische Kunst, well C 1 ein e n s yon Alexandrien, ein Schriftsteller aus dem 2. Jahrhuridert , berichtet, es habe der Pgyptische Gott , T h e ti t , welchen die Griechen €I e r m e s nannten, den Aegyptern chemische Kiinste gelehrt. Seit dein genannten Jahrhundert koinmen auch Schriften zum Vor- schein , als deren Verfasser man H e r m e s - den Dreimal- grossten - Nermes trismegistus - angab. Man ging in die- ser Schwiirmerei fiir eine eingebildete Kunst des dlterihunis so weit , aus der Ribel Alchemisten herauszusuchen. h1 o s e s und die ' Propheten wurden zu Goldmachern gestempelt. Hatte doch M o s e s das goh!enc K a l t verbrannt untl die Asche als eigentliches Aurum potabib (Trinkgold) den Kin- dern Israels iii der Wiiste zum Trinkeri dargereicht, iind hatte er dadurch nicht seine genaue Bekanntschaft mit dem edkn Metalle bswiesen? Noch zu Anfang des vorigen Jahr- hunderts war dieses Kunststiick des heiligen Mannes Gegen- stand sehr ernsllicher , wissenschaftlicher Untersuchiingen. &I o s i s Schwester , M a r i a , wurcle sogar als Verfasserin eines alchemistischen Buches glgubig angefiihrt. Auch im neueri Teslamente glaubte man in dem Evangelisten J o h a n - n e s , welcher , einer Legende zufolge , Bauinzweige in Gold verv-andelfe, einen Alchemisten zu finden.

Die Griechen iind R6mer sclieinen keine chemiscben Schriftsteller gehabt TU haben. Die iiltesten Biicher chemi- schen Inhalts riihren von Alexandrinern aus dem 5. Jahr-

- *) Z. B. Hiob 28. 1-3. ,,Es hat das Silber seine GSnge und

das Gold seinen Ort, da man's schmelzet. Eisen bringt man am Erde, und aus Steinen- schmelzt man En. Man macht ja den Finstern ein Ende, spiirt all das Aeusserste atis, den Stein der Nacht und der Schatten" V. 6. Des Erdreichs ErdenklGsse geben Gold.

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hunderte her. s.ie wurden ohne Zweifel yon deli Arabern benutzt, aIs diese seit dem 8. Jahrhundert den Wissenschaf- ten einen neuen Aristoss gaben. Der gelehrte Maure Ge- b e r zu Sevilla , Y o n welchem die Algebra ihren Namen er- bielt, ist als der erste chemische Schriftsteller zu betrachten. Yon a m wurde zwar zuerst die Idee des Goldmacheris be- stimmt aiisgesprochen ; allein die ihm spLter zugeschriebenen aIchemistischen Schriften sind sehr zn-eirleutigen Ursprunge-s. Erst drei Jahrhunderte spiiter finder sich die Lehre von der Metallverwatldlung unter den Arabern mehr ausgebildet. Der als Arzt , Apolheker und Naturforscher ausgezeichnete A v i c e n n a giebt ausfiihrliche Anweisung, die sogenannte Tinctur oder den Stein der Weisen zu bereiten. Welche Beachtung die Goldbereitung schon in diesen friihen Jahr- hunderten erfuhr, geht daraus hervor, dass der Sultan K a- l i d in Aegypten viele Goldrnaclier an seinem Hole unter- hielt, sie aber nach AuFdeckung ihrer Betriigereien hinrich- ten liess. Von den Christen ward die Chemie wenig beach- tet; doch sollen der englische Eremit M e r l i n im 6. Jahr- hundert, und der Eischoff H a i m o von Halberstadt in1 9. Jahrh. iiber den philosophischen Stein geschrieben haben. S u c h haben sich Briefe iiber Goldbereitung ~ o n P s e 11 o s, dem Erzieher d& griecbischen Kaisers Mi c h a e 1 D u k a s, an den Patriarchen von Constantinopel a m dem I 1, Jahrhun- derte erhalten.

Erst mit dem 13. Jahrhundert, wo die reiche arabi- sche Literatur iiber Chemie auFhiirte, und die Universittilen in den chrisllichen dibendliindern entstanden, gewann auch die Chemie unter den Christen ein griisseres dnsehen. Man Iiannte diese Wissenschaft nach den Arabern AZchemie , yep- stand aber sptiter darunter nur den wichtigsten Theil der Cheinie , die Kunst des Goldmachens und der Bereitung einer 1ebenverlLngernden Uniirersalmedicin. Theologen , Philoso- phen und Aerzte, also uberhaupt die Gelehrten des Mittel- alters beschfftigten sich niit der Chemie, welche sie als den Mittelpunkt ihrer Philosophie ansahen. Durch die mysti- sche Behandlung, welche diese Wissenschaft erfulir , wurde sie immer dunkler , verworrener und abstossender fur den nach lilarheit ringenden Verstand. Sie gerieth. dadurch in einen Eolchen fiuckschritt, dass 6 Jahrhunderte dazu gehiir- ten, ihre Fesseln zu brechen.

wie A l b r e c h t y o n B o l l s t P d t , Bisclioff zii Hegensburg, gew'iihnlirh A l b e r t r] e r G r o s s e genannt , der rieapolitanische Graf T h o m as v o n A qu laot , der eriglische EranziskanermSnch R ogc r

Die ausgezeichnetsten Gelehrten,

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B a c o , der als Philosoph und Arzt gleich beriihmte Spanier A r n o l d v o n V i l l a t i o v a , der ausgezeichnete Professor der Theologie an der Universitat zta Paris, R i c h a r d us A n g l u s u. a. m. bildeten die Alchemie mehr aue und ver- scbafften ihr grosses Ansehen , so dass selbst A 1 p h on s X. , Konig von Castilien und Leon, der Alchimie sich annahm.

Im I 4. Jaltrhundert sah 'sich jedoch der Pabst J o h a n - n e s XXII. veranlasst , yon Avignon aus, eine sirenge Bulle gegen die Alchemisten zu erlassen, in welcher die Alchemi- sten als 'Betriiger bezeichnet werden, den Geisilichen aber, welche der AIchemie nicht entsagen wiirden, mit der Excom- munication gedroht wird., Obgleich diese Bulle gar wenig beachtet worden ist, und bald nach ibrem Erscheinen yon einemgewissen J e a n d e M e h u n amHofe P h i l i p p ' s d e s S c h 6 n e n voii Frankreich durch einen Roman zum Lobe der Alchemie verspottct wurde: SO hat sie doch ohneZwei- fel dazu beigetragen, dass fortan in der katholischen C h i - stenheit die Alchemie als eine ketzerische Wissenschaft be- trachtet, und nur im Geheimen unter mancherlei Vorwiin- den, aber deshalb gerade eifriger denn zuvor, belrieben wurde. Der beriihmlesie Alchemist des 14. Jahrhunderts w a r R a m o n d o L u l l o , ein Spanier, welcher den Hof J a c o b s I. von Arragonien-verliess und Miinch wurde. Sein Eifer zur Bekehrmg der Tiirken trieb ihn an , den Kiinig von Spanien und P h i l i p p V-I. von Frankreich zu einem Kreuzzuge zu bewegen. Allein es fehlte an Geld, urid so legte sich L u l l o aufs Goldrnachen. Es muss ihm aber da- mit in Spanien und Frankreich nicht gegliickt seyn; denn e r ging spater nach England. Die 60,000 Pfund Gold, wel- che er dem Iiiinig E d u a r d 111. gemacht habe, bsrichtet man, sollen zur AusprHgung der Rosenobel verwendet war- den seyn, welche unter der Regierung dieses Konigs in gros- ser Anzahl geprsgt worden sind. Die Dreisligkeit L u l l o ' s und die Bestiinmtfieit seiner Angaben haben ihn zu einer der grijssten aldhemistischen Celebriliiten fur die Folgezeit gemacht. Er behaupiet geradezu , dass wenn das fileel- Quecksilber ws're , er es in Gold vermarideln konne. Seine Kunst giebt er dahin an , dass durch eine 4000 Billionen- fache VerdLinnung seiner ,,k&tlichen Medicin"* mit Queck- silber dieses Metal1 in besseres Gold verwandelt werde, als rlas natiirliche Gold aus den Bergwerken. HGchst sonder- bar , dass der grosste alchernisiische SchwHrmer ein Vorbild abgiebt fur eine Vorstellung unserer Tage , die Niemand auch beim besten Willen begreifen kann.

Da L u Ilo die atchemistische Theorie mehr aosbiIdete,

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oder dieselbe wenigsjens deutlich ausspricht , und da diese alchemistischen Lehren bis zu ihrenr Untergange im AUge- meinen nur wenig Verkinderungen erfuhren, so wird eine Beleuchtung der Aiisichtexi der Alchemisten und ihrer dar- am hervorgegangnen Bestrqbungen hier am fiiglichsten Plat2 6nden.

1. Die ganz unerwiesene, mithin innerhalb des Be- reichs der Erfahrung vijllig grundlose und irrige Annah- m e yon verschiedenarligen Bestandtheilen der tlamals be- kannten sirben bis zehn Metalle, inacht die Basis der alche- mistischen Ttieorie aus. Man nahm an, dass zwei oder drei Elementarstoffe, Merkur und Schwefel, oder Merkur, Schwe- fel und Salz, alle Metalle zusainmensetzten, was um so mehr aufGllt , als man iibrigens die vier aristotelischen Eleniente als Grundlage aller iibrigen Korper annahm. .Wenxi ‘also, schloss man weiter, nur eine Vednderung in der Quantitiit des einen oder des andern dieser Elementarsioffe bewirkt wird, dann muss auch ein Metall in das andre verwandelt werden konnen. Dass man, wie es scheint, nur der Ver- wandlung anderer Metalle, vorziiglich des Bleies , Zinns und Quecksilhers, in Gold und Siiber nachstrebte, hatte nicht allein seinen moralischen Grund in dem Werthe der edlen Metalle, a n d e r n aucli seinen phgsischeii in der Feuer- bestiindiglreit derselben. Unsere neuere Wissenschaft ver-- neint aber auf das Entschiedenste diese Jahrhunderte alte Hypothese und verlangt , dass die bis jetzt in verschieden- artige Bestandtheile noch nicht zerlegten Kiirper, deren wir 42 als Metalle uiid 1 2 als nicht metallische Stoffe kennen, auch als Elementarstoffe angesehen werden , aus welchen alle iibrigen irdischen Korper zusammeiigesetzt sind. In der Vereinigung von zwei oder mehrern Elementen, aber niemals von allen zugleich, ist die Mannigfaltigkeit in der unorganischen Natur gegriindet. Die unendliche Ahwech- selung in dem Thier- und Pflaiizenreiche miissen wir dage- gen vornliinlich ableiten von den zalillos maglichen Fhllen der Gewichtsmengen, in welchen sich 2 his 4 der nichtme- tallischea Elemente , des KohlenstofIs, Wasserstoffs , Slick- stoffs und Sauerstoffs mit e i n a d e r verbinden konnen.

Die Alchemisten glaubten nur die hypothetischen Grundstoffe,der Melalie dadurc,h variiren zu konnen, dass sie auf erhitztee unedles Metal1 eine geringe Menge eines Pul- vers warfen, welcbes sie die Tinctur oder den Stein der Weisen nannten, m d dann das unedle Metall in einem Schmelztiegel laage unii stark gliihten. Wenn letzteres voll- kommen in Gold uerwaiidelt wird, SO ist, sagte man, die

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Tinctur die rothe, das IJniversal, 'der eigentliche und \vahre Stein der Weisen. - W i r d aber nur ein Theil des unedlen Metalls i n Gold verwandelt, SO ist die rothe Tinctur n u r ein Partikulur , und ist als nur urivollkomnieri ausgearbei- tet , -anzusehen. Erzeugt sie aber gar nur Silber, so ist sie, weil das Silher selbst nur ein unvolllrommnes Gold ist, noch auf einer niedern Stufe ihrer :Ausbildung und heisst alsdann iveisse TInctur. Jederzeit wirlrt die rothe und weisse Tinc- t u r im Verhgltniss zu ihrer Augmenlation , oder, wie w i r jetzt sagen wiirden, nach ihrer Potenzirung, welche so weit getrieben werden kann , dass schon aa&&l, ja selbst g2m Billiontel der rothen Tinctur hirireicht , einen Theil unedles Metall in Gold zu verwandeln.

Ahgesehen von den vielfach erwiesenen Betriigereien bei diesen Projectionen, wie man ilas duswerfen dec Tinctur auf fliessendes Metall nannte, wurde der Glaube an die Me- tallverwandlring dadnrch unterhalten, dass sehr oft in der angewendeten Tinctur sowohl , a h auch in den uiiedlen Me- tallen mehr und weniger Gold vortianden .war , aber weder zuvor darin aufgesucht wurde, noch bei den diirltigen Hiilfs- mitteln der Cheinie nacligewiesen w.erden konnte. W a s uns eine offenkundige untl an sich sehr niichterne Wahrheit ist, niusste den Alchemisten eiri erstaunenswiirdiges Geheimniss der Natur und bliralcel tliinlcen, und sie in ein Labyrinth von Vorstellungen uiid Arbeiten fiitiren, in welchen sie sich selbst eben so wenig zurecht fanden, als wir ihrein Gedan- kenzuge uherall folgen konnen.

3. Die Tinclur, durch deren unerlil8'rliche Kraft das Wunder einer Goldeczeugiirig bewirlit werden kann , muss anch ein gleich grosses Wunder bewirlien , namlich das Leben iiber seine gewijhnlichen Grenzen hinaus verlingern, den Kijrper vor Krankheit bewahren , und mancherlei Krank- heil en , wenn sie nur nicht init organisclien Fehlern zusam- menhtingen , volllcommen heileri , kurz , sie muss eine Uni- versalmedicin seyn. Dieue ihre Wirkung inues jedoch der Verwandlung der RIetalle in Gold entsprecheri. Sie wi rk t also nur heilsam in liisserster , ja unendlicher Verdiinnzmg, und in bestirurnten ZwischenrLuitien voii Tagen und W'o- chen; ausserdem aber wirkt sie destriictiv und drohet Busser- ate Gefahr. Diese hochst sonderbare Ideenverkniipfung wiir- de uns noch vie1 wunderlicher erscheinen, s6hen wir sie nicht i n unsern Tagen, wenn gleich iii einer geschmeidigern und gefSlligern Form, wiedergekehrt.

4. Diese Tinctur ' und Universalmedicin, den wahven. Stein der Weisen zu bereiten, das w a r die schwierige Auf-

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gabe, welche die Alchemisten zu lasen hatten. Sie konnten natiirlich nie das zu eiriem Naturgesetz erheben, was sie zurveilen, obwohl unbewusst , als VC'erIr des Zufalles sahen. Niemand wusste zu sageri, worin denti eigentlich die Tinc- t u r f welche Gold hervorbriichte, bestellen niiisste, oder wie sie zu bereiten sey. Darom beutete man alle drei Natur- reiche aus, dem guien Gliicke sich anvertrauend , welches vielleicht das sehrilich Erwiinschte darbote. Man errniidete nicht in den langweiligsten und sinnlosesten Arbeiten zur Anfertigung der Tinctur , und verfehlte dahei nicht , sic11 selbst und Rndern gleich unverstzndlich zu segn. Denn je- der fir sich und alle zusummeri waren verhssen, weil sie von der Spur der rein objeciiven Beobachtung der Nalur ab- wichen. In dieser hiilflosenlage, wo man urn lieineri Schriit vorwPrts kam, wandte man sich jederzeit rfickw&rts zu ver- schwundenen Jahrhunderten , immer in der Meinung , die wahre Wissenschaft sey in der Gegeriwart verloren gegan- gen, und,nur in alten Schriften gotlbegeisterter &I&nner, ob- gleich in mystisches Dunkel gehiiilt , enthalten. Weil, meinte man, diese Wissenschaft eine heilige sep, und niir durch goitliche Offeribarung dem armen Merischengeschlechie k6nne mitgetheilt worden segn, EO hgtten auch diejenigen, w-elche die Offenbarung e m p h g e n , niclit in profaner \Vrise sich der Wel t gegeniiber auseprechen kiinnen und diirfen. Die Geheimnisse- solcher heiligen lVIBiiner und Frauen, wel- che die Offenbarung empfingen, oder der Zeit nack ihr am nzchsten stanileri, au ergriinden, nach deli Vorschriften der- selben die Tinctur auszuarbeiten und sie zur Metallverwand- lung anzuwenden, d a m geniige daher auch nicht die blosse Einsicht in die Sache selbst , sondern da iu werde auch ein hoher Grad yon Frominigkeit erfordert. Daher schieneii denn auch Gebete zu Gott und seinen Engeln sehr niithig, auch wohl BeschwGrungen boser Geister , welche das grosse W e r k storen mochten, .nicht uberfliissig Urn ganz sicher zu gehen , nahm man auch allmllig die Theosophie, Chiro- mantie, Astrologie, Magie und andere geheime Wissen- schafterr zu Hiilfe, und auch die Lehren der Cabah blie- ben nicht unbeachtet.

Dieser aufgethiirmte Mysticismus erreichte endlich seine 'ausserste HZhe in der niystisch - poetischen Auffassung der Melallverwandlung. Man glauble an eine Seele des Goldes, welche eben die Tirictur sey, die man entwedee aus den1 Golde selbst, oder aus andern Dingen ausziehtn miisse, urn damit unedle Metalle zu Gold zu beleben. Oder man dachte sich einen Saamen des Goldes, welcher durch eine

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A r t yon GHlirnng oder Putrefaction ke ime, wachse und z u r goldnen Fruclit reife. In Folge dieser aus der belebten Na- t u r hergenoinmenen Vorstellungeri verschwand jetler Itlare Eegriff yon den Mitteln z u r Erreichung des Zweckes rler ill- chemie. Man liebte es y seine Ansichten i n Hieroglyplien u n d allegorischen Figrireri auszudruclten , die beliebige Deu- tung derselben Jetlem frei gebend. Es kotinte nicht antlers seyn , d s class auch die alte Mythologie manche ihrer Bilder herleitien niusste , da sie unverltennbar eine Dichtung ist, eritstanden aus der Verinischung des ICiirperlichen und Gei- stigen , sinnreich ausgebildet, geschmacklos entartet.

Solche Tiefe. des Wisseris , solche Kenntniss der geheim- sten Geheimnisse der Nator und der sie belebenden Gottheit konnte nur den Eingeweihten eigeii seyn , den Weisen u n d PhiZosopAem J e iuelir sich befiirchten liess, dass der Besitz solcher heiligen Kenntnisse verloren gehe, oder doch un- niiiz werde , w e n n Uneiiigeweihte das Heiligthum befleck- ten, desto eifriger w a r ilian bestrebt, sich in mystisches Dunkel zuruckzuziehen , um clas Nichtverstandene dem ge- meinen und gesunden Verstande in mBglichster Weise un- verstiintllich .zu machen. W a s W u n d e r also w e n n man die eingebildste Erkenntniss nicht n u r unter Hieroglyphen versteckte und i n unverstaudliche Ausdriicke einkleidete, sontiern auch diese nicht einmal gab ? M a n iiberrieferte s ich zuweilen Biicher, i n denen die Weishei t mit geheim- nissvoller Tin te geschrieben enthalten w a r y so dass die MSg- lichkeit , die Anleiturig zur Weishei t n u r v o r das Auge zu bririgen, schon eine grosse ILunst war. Deshalb hielt man wotil gelegentlich Eucher *>, in denen ganz und gar nichts geschrieben w a r , fiir W e r k e des wichtigsten lnhalies, und w u r d e somit auf das reine Nichts reducirt , welches einst die Basis eines philosophischen Systemes werden sollte.

In der Alcheiiiie , ale einer K u n s t , konrite aber das blosse Wissen nicht das Hochste seyn. Hiiher , als die W e i - sen standen also die Adepten, die ausiibenden Alchemisten, welche die Meisterschaft i n der Bereitung Jer Tirictur sich erworben hatten. Die Anwendung der Tinc tur zur Goldbe- reitung w a r so e i n h c h , dass sie selbst dem Uneingeweihteu anvertraut werden konnte. Diejenigen, welche der,Wissen- schaft niir nachstrebten, und den Stein der Weiseq zu be- reiten sich bemiihten, nannten sich blos AZclternisten. Hochst

*) Ein solches Buah ist mir atis der Grossherzogl. Bibliothek zu Weimar als Curiosum mitgetheilt worden.

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gelten machten die Alchemisten, wenigslens iiffentlich, - An- apriiche auf den Titel eines Adepten, in der Besorgniss vor Verfolgungen der Gewalthaber. Nur Betriiger traten dreist und keck mit ihrer fileislerschtlft hervor , und bussten nicht &ellen ihre Verwegenheit auf der Folter und dem Schaffot. Daher wurden hauptslchlich nur Verstorbene Kr Adepten erklfrt , in deren Schriften man das Geheimniss zu fitiden ghubte , oder deren werkthgiige Leislongen , durch Legen- den ausgeschmiiclrt , ihnen das Epitheton begiiiclrter Adep- t en verscha fft e.

Ein solclier Adept zu Anfange des I 5. Jahrhunderts w a r der Benedictiner-Monch B a s i l i u s V a l e n t i t i u s , der Grosse zubenannt , iiber dessen verhorgene Exisienz man lange in Ungewissheil blieb, ungeachtet auch Kaiser M a x i - m i l i a n I. schon im 16. Jakrhundert genaue Nachforschung anstellen liess. Erst im 17. Jahrhunderte erfuhr man, dass dieser %+eltberiihmte Benediktiner im Petersklosler zu Er- furt geIebt habe. Die SchriFten des E a s i l i u s wurden, oh- ne dass man iiber deren Abkunft etwas erfuhr, i n Hand- schriften iiber alle LPnder verbreitet, und finden sich zu- weilen noch in Bibliotheken, z. €5. in Weimar und Wien, SpHler sind sie oft gesammelt in Druck gegeben, worden. 81s Thuringer arbeitele B a s i l i u s vorziiglich mit den iLm zu Gebote steheriden Erzen , mit Kupfer, Eisen, Vitriol und Antimon. Bieran ersieht man, dass er durch dieselben rohen Stoffe , welche unsere heutigen thuringischen Alche- misten henutzen, getiiuscht wurde. Seine Schriften Laben vorziiglich d a m bergetragen , dass die Alchemie immer mehr an diisdehnung und Ansehen gewann, besonders in den hohern und allerhiichslen Kreisen der Gesellschaft. Dee- halb nannte man sie auch oft die .,lonigZiiChe" Kunst. E s konnte aher nicht fehlen, dass sie unter diesen UmstPnden auch hlufig Abentheurern ein willlionimenes Mittel zu ge- winnreichem Betruge ward. H e i n r i r h IV. von England verbot miffelst einer Perlamentsacfe die Gold - und Silber- vtrmehrung beiLebensstrafe, wiihrend H e i n r i c h VI. kaum 50 Jahre spiiter durch Decrete alle Edlen, Doctoren, Pro- fessoren, und besonders die Geistlichen aufforderte , nach dem Steine der W'eisen zu suchen, u p Mittel zur Tilgung der Staatsschulden zu gewinnen. In nationaler Weise er- iheilte dieser . englische Konig auch Patente zur Goldberei- tung und zum Verkaufe von Lebenselixir *). Von dieser

*) Scheint es doch fast, als kltten jene Patente noch einen nach- theiligen Einfluss behalten auf den leidigen und widerwarti- gen Anneikandel in England bis a i f diesen Tag.

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so entschiedenen iind na~hdriiclrlichen Aufmunterung einer fiir tiefe Weisheit gehallenen eiteln Kunst, liisst sich nur ein schlimnier Erfolg erwarten. E r zeigte sich denn auch, dieser Erfolg, in tler Anfertigung falscher Miinirexi, welche unter dein Namen tler falschen Heinrichsnobel beriichtigt wortlen sincl. Man brachle diese hliinzen aber schlau genilg n u r in dein damaligen Kriege mit Franlireich in UmlauF, weshalb denn der Finaxizminister L e C o r den 1Gnig l i a r 1 V11. von Franlireicli iiberredete , gleiche falsche Ooldmiinzeti auspriigen zu lassen-. Spsler aber nach dern Siege Kar l ' s iiber die Engliirider wurde L e C o r als Falschrniinzer ange- klagt UTUI des Landes verwiesen. Von E d u a r d IV. von England wurtlen C a r t e r und R i p 1 e y ihrer alchemistischen Kunst wegen sehr begunstigt und ausgezeichnet.

In UeutschLand vorziiglich fand die Alchemie viele Ver- ehrer und Arilihger. Unler ihnen zeichnet sich die Kaise- rin e a r b a r d , zweite Geinahlin des Kaisers S i e g i s m u r i d aus, welche auf ihreni wiltwensitze zu KGnigsgrBz fleissig laborirte und gem fur eine Adeptin gelten mochte. Die Geschichte sagt der gelehrten Kaiserin aber nach, dass sie sich und Andere geliiuscht habe. Gleiclifalls war der zwehe Sohn F r i e d r i c h I., Kurfiirsten vori Brandenburg, der Markgraf J o h a n n e s , in seiner Residenz Pleesenburg vor Culiiibach in der Alchemie SO thztig, dass e r in der Geschich- te des Brandenburgischen Hauses vorzugsweise J o h a n n d e r A 1 c h e m i s t heisst. Unter den Geistlichen thaten sich T r i t h e m i u s , Abt zu Trier , uncl G e o r g A n g e l u s , Abt zu Eger hervor. Ein nicht unwichtiger Schriftsteller des 15. Jahrhunderts war I3 e r n h a r d V O T ~ Trevigo , welcher ganz Europa , selbst die Barbarei, degypten , Palzstina und Per- sien durchreist, und besonders in den Klostern dem Steine der Weisen nachgeforscht Latte. Auch von der Poesie wur- de die illcheniie unterstiitzt; derrti aus diesem Zeitraume fin- det sich nicht allein ein von allegorjschen Figuren begleite- tes Lobgedicht auf die geheime Kunst, welches einern Ed- len vori L a m b 3p r i n g k zugeschrieben wird , sondern auch ein , freilich sehr rnagerer alchemistischer Roman : ,,der ur- alte Ritterkrieg," yon einern Anonymus. Es ist daria ein liampf rles Sol untl ~ ? I e r c ~ ~ r i u s gegen den Stein der Weisen beschrieben, in welchem der letztere Sieger bleibt. Bur wenige unserer jetzigen Romane miigen so viele und spiite Auflagen -. denn die lelzte dieses alchemistischen Gedichts erschien 1765 zu Leipzig - erleben, wie diese Dichtung, in welcher die Alchemist en ohne Zmeifel tiefe Weisheit ver- borgen glaubten. Endlich ist auch bemerkenswerth, dass ein

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Schlesier, L u d vv i g v o II N e u 8 , zuerst als fahrender AZche- Am Hessischen Hofe zu Marburg machte er

sollte dann sein Geheimn; 68

offellbaren, und a h er sich dem nicht fiigen wollte oder v i el- mefir korinte, wurde er auf Veranlassung des H a n s v o n D a r n b e r g , des Hofrneisters des Landpafen H e i n r i c h ’ s 111. , eingekerlcert, gefoltert un& dem Hungertode ubergeben. l-iele der spltern fahrenden Alchemislen hatten dasselbe Schicksal, dem sie immer durch List zu entgehen gedach- ten. Auch sind wohl solche Gaukle$ als MPrtyrer ihrer gijttli- &en IIunst angeseher: woiden. Wir aber werden sie als Opfer eines fiir uns kauni erkltirlichen Fanalismus beklagen Inussen.

Iin I 6. Jahrhundert war selbst die grosse Kirchenspal- tung nicht vermogend, die Bestrebungan der Alchemisten zu bindern, oder denselben eine andere Richtung zu geben. Sonderbar ist aber, dass Pabst Leo X. uneingedenlc des al- ten Bannffuches der Kirche, es geschehen liess , dass ein Italiener A n g u r e l l i ein Lobgedicht iluf die Alchtmie in drei Biichern ihrn dedicirte und iiberreichte. Obgleich der Pabst dem Poetes nur einen 1eerenlBeutel verehrte mit dem Bemerken, dass die besungene Kunst einen guten Inhalt bald liefern werde, so mag doch der ganze Vorgang zur weik rn und ungescheueten Aufnahme der Alchemie in ka- iholischen LEndern’beigetragen haben. Auch erlebte das Ge- dicht ein ganzes Jahrhundert hindurch sehr viele Au0agen und ward allgemein verbreitet. Mit einer gelehrten alche- mistischen Schrift lrat P iao, Fiirst von Mirandola, hervor, und ermuthigte dadurch wahrscheinlich mehrere katholische Geistliche in Italien, Spanien, Frankreich, in den Nieder- landen und in Deutschland zu lhnlichen Schiiften. Es ist daher ganz irrig zu glauben, dass die Alchernie in den prote- stantischen LIndern durch die Kirchenreformation befordert worden sey. Me1 a n c h t h o n erklPrte vielmehr die Alche. mie geradezu f i r eine ,,gleissende.Betriigerei ,“ und fand dazu urn so mehr Veranlassung, als die gekeime Kunst, aus ihrem nralten Wohnsitze , den Klostern, vertrieben, sich auf alle Weise eine unsichere StItte im gemeinen Leben erstrebte. L u t h e r, der Rergniannssohn und der ehemalige Monch aus der, Kloster gesegneten Stadt, Yon woher ein Jahrhundert fruher das helle Licht des B a s i l i u s V a l e r i t i n u s ge-, leuchtet hatte, besass ohne Zweifel einige Kenntniss der Che- mie. Irgendwo sagte e r , *) : ,,Die Kunst der rilchemey ist

auftritt. vielen Ziischauern Gold,

*) Vergl. S c h m i e d e r’s Geschichte der Alchemie. Halle 1852. pag. 26%

Arch. d.Pharm. 11. Reibe. XV. Bde. 1. Hft. 2

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recht, und wahrhafiig der d t e n Weisen Philosophey, WeIche mir ,sehr wohl gefa'llt , nicht allein wegen ihrer Tugend und vielerlei Nutzbarkeit , die sie hat init Destilliren und Subli- miren in den Metallen, : Krfutern und OlitIten., sondern auch yon. wegen der herrlicben, schkinen Gleichniss , die sie hat mit der Auferstebung der Todten am jiingsien Tage." Dieses Gleichniss fiihrt L u t h . e r weiter aus *) ,. und hat da- durch die unverdiente. Ehre, erworben von den AlchemZsten fiir einen .der Ihrigen und eineii Freund des Goldmachens gehalten. zu twerden. . Die freiere iind unverkiimmerte For- schung in jedem Gebiete des Wissens, .welche die Reforma- tion im Gefolge hatte , hat inzwischen wpentlich dazu bei- getragen, dass die Alchemie an den Hafen deutscher und an- derer protestantischen Fursien mehr Aufnahme fand , denn je zuvor. Einen . vorziiglichen Anstoss erhielt die Alchernie aber durch P a r a c e l s u s T h e o p h r a s t u s B o m b a s t u s von H o h e n h e i m, eiiiem gebornen Schweizer , welcher un- geachtet seiner Prahlereien und seines sprichwortlich gewor- denen Wortschwalles. .sich grosse Verdienste um Medicin und Chemie 'erwarb. An der Universitiit zu Easel wirkte e r nur kurze Zeit . da er eine umherschcvBrmende Lebens- weise vorzog, die ihn aber an der Abfassung vieler beriihmt gewordenen Scfiriften nicht hinderte. Z u dieser Zeit ging die Chemie immer von den Goldmachern aus, und so ge- schah .es, dass einige Alcheuisteri , wie namentlich der um das sachsische Berg- und Huttenwesen . s e h verdiente, und vom Herzog M o r i f z sehr geachtete,Georg A g r i c o l a zu Chemnitz, mehr der praktischen und reell niitzlichen Chemie sich zuwendeten , 'andere aher lediglich beim , Goldmachen stehen biieben, und SO zuletzt nothgedrungen zu Betriigerxr wurden. Unter den letztern ist L e o n h a r d T h u r n e y s - s e r , der gefeierte Leibarzt des Kurfiirsten J o h a n n Ge- 0 rg's von Brandenburg:, und zugleich. Director des alchemi- stischen Laboratoriums rler Kurfiirstin zu Halle,. beriichtigt worden. Er musale.. jedoch zuletzt Berlin. verlassen und ,wandte sich auf seinen Fahrten nach Italien, wo er a n der Tafel des nachmaligen Grossherzags von T o s c a n a , zum grossen Erstaunen der Anwesenden, einen eisernen Nagel in Gold verwandelte. Dieser Nagel wurde nebst einem eigen-

*> Gewiss mit mehr Gliick und Geschick, als einer unsrer heutigen protestantischen Theologen (in F.ic h t e's Zeif- schrift fiir speculative Theologie) in der chemischen Ail- ziehung eine Analogie mit der Heiligung findet.

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hhdig geschriehenem Atteste des Grossherzogs im ?3chlosse zu Florenz als ein schlagender Reweis fur die VS'ahrheiI der Alchemie lange aufbewahrt und vorgezeigt. Auch einer fahrenden Adeptin gedenkt die Geschichte dieser Zeif. An- n a M a r i a Z i e g l e r verhiess dem Herzog J u l i u s von Braunschweig - Liineburg , demselben , welcher eine bis auf die neuere Zeit gultig gebliebene Kirchenordnuag gab, gol- dene Berge, wurde aber nach uberwiesenem Beiruge , gleich einer Hexe, in einem eisernen Stuhle verbrannt. Die Be- triigereien dieser Art nahmen s o uberhand ; dass nicht alleiii Gelehrte , nainentlich T h o ma s L i e b e r, Professor zu Ba- sel; dieses Unwesen in Schriften bestritten, sondern auch der MeistersBnger H a n s S a c h s in einem .besondern Gedich- te , worin e r die Geschichte eines Alchemisten am Hofe des Kaisers M a xi m i 1 i a n besingt , seine Landsleute davor warnt. lnzwischen trieb Kaiser R u d 0 1 p h 11. zu Prag , aus- ser Astrologie uiitl Magie, so eifrig die Alchemie, dass e r oft der deutsche H e r m e s t r i s m e g i s t u s genannt wurde. A n seinem HoFe versammelten sich daher , ausser den Leib- frzten, denen vorzuglich die Bereitung der rothen Tinct& oblag, auch viele fahrende Alchemisten, unter denen der landfiuchtige Engrinder K e 11 e y sich besonders hervorthat. Die Kunst dieses Alchemisten schien SO ausgeiuacht, dass er mit Ehren i iberhhf t und zum Freiherrn creirt wurde. Da es aber mit der Bereitung seiner rothen Tinctur nicht gelin- Sen wollie, so wurde e r eingekerkert, und, auch uiigeachtet der Reclamationen der KSnigin E 1 is a b e t h , gefangen getiaI- ten. Dass die grosse engliache Kiinigin den allgeinein ver- breiteten Glauben an die Alchemie theilte, scheint nicht al- lein aus diesen Recldmationen ihres Unterthans , sondern auch aus der Auszeicbnung hkrvorzugehen , mit welcher der Begleiter Ke l l ey ' s , der als Magier auch in Prag angesehene Dr. D e e nach seiner Riickkehr nach England von ihr em- pfangen wurde. Von Ktrnig J a c o b I. wurde jedoch Dr. D e e seiner Uienste a h Alchemist entlassen.

W e n n nun auch in Sachseii und Thiiringen die Alchemie viele Anhiinger und Verehrer fand, und wenn die erhabe- nen Fiirsten dieser L h d e r der geheimen Kunst eine hohe Aufmerksamkeit schenktan : so ist das urn so natiirlicher, als der ausgezeichnete Bergbau und das h6chst wichtige Hiit- tenwesen in Sachsen und Thiiringen, bei den damaligen chemischen Kenntnissen sehr leicht auf die Idee der Golder- zeugung fiihren konnten. Denn gerade in vieleti unserer Erze , i n dern Kupferschiefer von Hmenau, Mans€eld u. a.

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O., dem FahIerze vom Rotbenberge bei Saalfeld, dem Blei- glanze, dem Eothgilligerze von Freiberg dem. Kupferkiese U. s.-w. finden sich zuweileri kleine Mengen von Gold, dessen Vorkommen man friiher lediglich durch verwickelte metal- lurgische Arbeiten nachweisen , und mithin auch wvthnen konnte, das erhaltene Gold .sey nur ein Product gliicklicher und geschickter Handgriffe. Der grosse Kurfiirst A u g u s t von Sachsen richtete. zu Dresden ein eigenes Laboratorium, das sogenatinle Goldhaus, ein, worin er hiichslselhst alche- mistischen BeschEfligungen bPufig. oblag. , Die Wahrheit der Alchemie glaubte der -Kurfiirst durch die Geomantie bestiitigt zu finden. In eineni Briefe ail einen ltalienischen Herrn, Namens F r a n c e s c a F o r e n s e , vom Jahre 1577 schreibt derselbe : ,,so weit bin ich in der Sache gekommen , dass ich aus I G Loth Silber tPglich 6 Loth Gold machen kann". Ei- neii Rival fand der liurfiirst an seiner Gernahliii, A n n a v o n D i i n e m a r k , melche zu Annnburg ein ,,unvergleich- liches" bestandig benutztes Laboratorium einrichlen liess. Unter solchen Verhlltnissen konnte es nicht an Alchemisten FehIen, welche in Dresden eine gunslige AufnaLme suchten und fanden. Einer derselben, Namens B e u t h e r, nahm aber ein tragisches Ende in seiner Gefangenschaft , wiihrend immer neue Gaukler durch ihre Kunstgriffe sich Eingano zu verscha-ffen wussten. Der gefiiiillte Schatz , welchen Kut%rst A u g u s t nicht weniger hinterliess, als Kaiser R u d o 1 p h, bestarkte die offeniliche Meinung an dem guten Erh lge der alchemistischen Bestrebungen dieser Fiirsten. Der Nachfol- ger A u g 11 s t's, Kurfiirst C h r i s t i a n I., setzte wlhrend seiner kurzeii Regierung die alcheniislischen Brbeiten fort; jedoch wurden sie wiihrend der Administration cles Kurlurstenthums unter Herzog F r i e d r i c h W i l h e l m yon Altenburg auf- gehoben und die Alchemisten verabschiedet. , Einer dersel- ben, Namen-s S c h w e r t z e r , wagte sich, trota des ungluck- lichen Ausganges mit ' K e l l e y , .an den Hof des Kaisers Ru d o 1 p h und fand auch solche Gnade , dass er zum. Berg- hauptrnann von Joachimsthal ernannt wurde. A m Schlusse des 16. Jahrhunderls bliihte. ,die Alchemie auch am Hofe Herzogs F r i c d r i c h Con *Wurtemberg, welcher. Fiirst zu Gross - Sachsenheim eine SO grosse Anzahl yon Alchemisten unterhielt, dass die LandstPnde gegen den dadurch verursach- ten Aufbyand dringende Vorstelhogen machten.

Das I 7. Jahrhundert befiirderte noch mehr das Ansehen der Alchemic, nicht, weniger in den katholischen,, als den protestantischen LIndern , nur wurde sie in den:letztern zu- gleick offener und frt:ier besprochen und bekffmpft, gerniiss

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dem Geiste des Proleslantismus, welcher auch in diesem Gebiete aich geltend macbte.

Am Hofe zu Dresden, unter Kurfiirst C h r i s t i a n IT. eehen w i r zu Anfang dieses Jahrhunderts d e n ' Schotfen S e- t o n i u 8 mit groseen Ehren aufgenommen, nachher aber , als er sein Versprechen, die rothe Tinctur zu machen, -nicht ha l t , mehre male gefoltert, u m ihm ein Geheininiss abzu- pressen, welcheg er gar nicht besass und nicht besitzen konnte. Aus seinem streng bewachten Gefingnisse w u r d e er jedoch von M i c h a e l S e n d i v o g i u s , einem polnischen Edelmanne, beFreit und nach Krakau gefiihrt , wo bald nach- h e r S e i o t i i u s s tarb, i n Folge der ausgestandenen Martern. E ine solche tragische Begebenheit , ganz ahnlich den Hexen- prozessen, k a n n , auch in ihrer ijftern Wiederholung uns weniger befremdlich erscheinen, w e n n w i r die Zei t beach- ten, in- welcher sie sich zutrug. Am allerw-enigsfen k a n n uns Jenensern dieses har te Criminalverfahren W u n d e r neh- men. W u r d e doch noch ein volles Jahrhundert spBter e in 3enaischer Student religirt , weil er sich hat te beikommen lassen, in der Christennacht 1715 einen Schatz in eineru Weinbepgshfuschen bei Jena zu liehen, wobei e r beinahe ein Opfer der tadtlichen Wirliung des Kohlendarnpfes gewor- den wHre. Und verweigerte man doch seinen beiden d u r c h Kohlendampf verungliickien GeBhrien ein christliches- Be- grgbniss, weil die theologische und juristische Fakukat d e r Universit Pt Leipzig enkchieden, solche Uehelthater, da sie mi t d e n Teufel im Bunde gewesen, miissfen nochs nachtriig- lich i n auffSlliger Weise dem Henker iiberliefert werden").

*) Dieser die damalige Zeit sehr bezeichnende Vorfall findet sich beschrieben in : ,,Wahre ErGffnung der Jenaischen Christ- nachts - Tragb'die u. s. w. Auf hohcn Landesfiirstl Special - Befehl publicirt. Jena , 1716.'' Obgleich mehrere Stimmen sich erhoben i n und ausser Jena, und namentlich auch die rnedicinische Facultiit zu Leipzig, dass der Kohlen- dampf die wahre Ursache des Todes niehrerer Personen gewesen sey, so wnrde doch das Urthel der beiden andern Leipziger FacuItiten an den In laisiten vollzogen. . Ein Schneider , welcher urn das Teuzelsbannen gewusst hatte, wprde auf 10 Jahre des Landes verwiesen. Dieses Urthel unterscheidet sich kaum von dern, welches das Inquisitions- tribunal zu Rorn noch 1790 gegen deu beriichtigten Cag- I i o s t r o erkannte. Nicht wegen seiner vielBltigen Betrii- gereien , sondern wegen seiner Xetzerei und Zauberei wurde dieser grosse Gauner zu ewi em Gesngniss ver- dammt. ,Hochst merkwurdig, an viefen Stellen aber sehr uoglauhlich, ist die acteainassige Relation iiber den Pro-

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Inzwischen muss doch das traurige Schicksal S e ton% tiefen Eindruck gemacht Laben. Denn ein wurtembergischer Theo- log, V a 1 e n t i xi A D d r e H , nahm davan Veranlassung ziir Griindvng der G6sellschaft der GoM- und RosenEreuzer, einer beriichtigt gewordenen Societat , deren Zweck die Auf- findung des Steins der Weisen und der Lebenspanacee \Tar. Die Drangsale des 3ojIhrigen Krieges waren dem alchemisti- schen Treiben vielleicht mehr Mrderlich, als hinderlich, be- sanders in den mit Krieg iiberzogenen protestantischen LIn- dern. Apotheker , Aerzte, Professoren iind Geisiliche la- borirten uiid schrieben uber Alcheniie mit grosstem Eifer, und faahreride Alchemisten fanden a n den meisten deutschen Hofen zuvorkommende Aufnahme. Der Glaube muss uner- schiilterlich gewesen und gelegentlich auch geschickt benutzt w-ordexi seyn. W e n n von G u s t a v A d o l p h die Sage ver- breitet wurde, dass e r im Jahre 1632 zu Erfiirt eine grosse Menge' Miinzen aus alchemistischem Gold untl Silber habe prlgen lassen, so wurde dieses Geriicht vielleicht fur nutzlick eracbtet i n den damals bedrlngten und driingenden Zeit- Iluflen. Konig C h r i s t i a n IV. yon DHnemark war ein eiFriger Alchemist. Er ernannte seinen Miinzmeiskr H a r- b a c 11 Zuni Lei6dchernisten und befahl ihm, aus dem gemach- ten Golde Ducalen 1.11 schlagen. Diese bIiirizen zeigten auf der eiiien Seite das Rildniss des Kijnigs, auf der Kehrseite eine Brille mit der lateinischen Beischrift: ,,Siehe die Wun- der des Herrn", nebst der Jahreszahl 1647. Diese Brillen- dukateri bewiesen aber gar wenig, was sie beweisen sollten, nemlich die Kunst des koniglichen Alchemisten. Die Hol- liintler erlaubten sich eine ironische Gegenvorstellung gegeii die Aiinahme derselben durch AusprSgung einer Kupfer- miirize, welche auf tler einen Seite vergoldet wgr und hier die Aubchrift eiitliielt: ,,am Nord Eomt GOZLF, auf der Kupferseite aber: ,,mar

In den lcatholischen LBndern verbarg sich der Wahn der Alchemisten noch immer -gem hinter deri Mauern der lild- ster, oder wagte sich nur vorsichtig hervor; denn das alte Verbot qer Kirche bestand damals noch , wie heute, und konnte also Gewissensscrupel erregen. Die allgemeine Be- wegiing, i n welche der menschliche Geist gerielh , musste eich jeiloch alkenthalben auch auf die SO hoch geachtete ge- heinie Kunst erstrecken. In ltalien standen sehr viele alche- -

cess des J o s e p h B a l s a m o , genannt Graf von Cag- 1 i 0 s t r o , bei dem rSrnischen Inquisitionsgericht ; im Teut- +chen Merkur vorn Jahre 1791,

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misfische Schriflsteller auf, in Spanien und Frankreich ein- zelne, zu Briissel aber der in vieler Hinsicht urn die Chemie sehr verdiente B a p t i s t v a n H e l m o n t , Herr y o n Me- rode . Nirgends aber wurde die praktische Alchemie so vie1 betrieben , ale am deutschen Kaiserhofe und an mehrern kathdischen Hofen Deutschlands, Die fahrenden Alche- misten trieben sich in katholischen , wie in protestantischen Llndern herum, scbeinen aber in jenen wenigstens glimpflb cher behandelt worden zu seyn. Jedoch wurde ein gewisser D u b o i s , welcher in Gegenwart des CardinaIs R i c h e l i e u und L u d w i g ' s XIV. die Flinlenkugel der Schildwache in Gold verwandelte , eingekerkert , damit er sein Gelieimniss angebe, un4 als er dieses nicht vermochte, nach kurzer Frist gehgngf. Der Kaiser F e r d i n a n d 111. zu Prog hielt sich durch eine vor ihm bewerkstelligte Transmutation uberzeugt nnd liess aus dem gemachten Golde nicht sllein eiiie Denk- miinze von 300 Diicaten an Werth prxgen , s o n d h gelobie auch eine Belohnung von IOO,OOO Rthl. dem versteckt ge- g l a d t e n Adepten, welcher die verbrauchte, kleine Menge rother Tinctur einem gewissen R i ch 1 h a u s e n und durch diesen dem Grafen fi u s s in die Hh'nde gespielt baben sollte. Der Kaiser merkte den Betrug eben so wenig, ills einen zwei Jahre splter vw Oberjzgermeister , Baron P fe n n i g e r ihm gespielten. R i c h t h a u s e n wurde zum Freiherrn .yon C h a o s ernannt und-erscheint als Haupturheber des listigen Betruges , da er sich einige Jahre spliter mit gleichem Gliicke im Goldmachen am Hofe des Kutfiirsten von Mainz, Jo- h a n n P h il i p p , zeigte. Grosses Aufsehen erregte ein fah- render Alchemist, mit Namen M o t e S n y d e r s , welcher im Jahre 1660 VOP Kaiser L e o p o l d I. und dann vur dem Miinzmeister G u i l l a u m e zu Aachen Blei in Gold, verwan- delte. Letztern Vorgang hielten die Herren Biirgermeister der Stadt f i r wichtig genug, um dariiber ein fdrmliches und ausfiihrliches Protocol1 aufzunehmen.

Solche VorgLnge mussten die Idee der Metallverwand- lung selbst bei ausgezeichneten Chemikern, wie Z. B. Glau- be r , fheils versflrken, theils aber auch vollsi~ndig erschiit- tern. Also begann ein Kampf, in welchem sich Jena bervorthat ; denn I; o 1 f i n k , Professor der Medicin, griff zuerst 1645 die Alchemie mit tiichtigen Waffen an und fand an A i h a n a s i u s K i r c h e r , einem 3esuiten zuFulda, einen Mitklmpfer, welcher jeiloch vom Standpunkte der Kirche aus zugab , dess der Teufel zuweilen solch Blendwerk, w-ie die Golderzeugung , bewirke, urn die Seelen zu verfuhren. Den Antialchemisten entgegen standm O s i a n d e r , Pnofessor

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der Theologie zu Tiibingen, und C 1 a u d e r , Arzt zu Allen- burg. W i e wenig das Widerslreben der ersteren aber gegen den gewaltigen Strom vermochte, geht aus der Bildiing einer alchemistischen Gesellschaft zu Niirrtberg im Jahre 1654 hervor , welche ein halbes Jahrhundert hindurch bestand. An der Spitze der Sucietlt stand ein Pfarrer, W i i l fe r . Ein thiiliges Rlitglied derselben war der Pfarrer L e i b n i t Z, durch dessen Einfluss sein noch juriger Neffe, der iiachmaIs be. riihmle L e i b n i t z, zum Secretair der Gesellschaft befiirdert wurde. Aus der friihen Bekanntschaft, welcke L e i b n i t z mit der praktischen Alchemie aiif diese Weise sich erwarb, erklErt es sich, warum der grosse Philosoph ungeachtet des Widerspruchs mit seinem eignen System doch noch am Abend seines langen Lebens die Moglichkeit des Goldma- chens zugestand. Noch ein ariderer beriihmter Philosoph, B e n e d i c t S p i n o z a , schenktehden Kiinsten des Alche- misten S c h w e i t z e r , welcher sich gewohnlich H e l v e t i u s nantile und Leibarzt des Prinzen von O r a n i e n war., eine besondere Auftnerksanikeit. Eben dadurch bestiitigt siclr, dass der Glaube an die Rletallverwaiidlung keineswegs ein W a h n w a r , welchen bloss Schwfrmer oder Ungebildeie hegten, sondern der sich auch vertrug mit der durchgebil- detsten Gelehrsamlieit in allen LPndern. Ganz naiiirlich war es daher auch, dass immer mehr Fursten und Edle, welche die Kosien unfruchtbaren Strebens nicht scheuten, dem da- mit verbundenen Reize nicht widerstailden, und dass sie zunehmend heimgesucbt wurden von ehrlichen und betrii- gerischen Alchemislen. Der ehrlichen gab es freilich nur wenige, und sie waren eigentlich nur Chemilter, welche den allgemeinen Glauben ari das Goldniacheri Sfters nur iheilen mochten um ihrer aufstrebenden, riiitzlichen Wis- senwhaft Eingan! zu versclraffen. Z u diesen scheint der Leibarzt und Professor B e c h e r zu Mainz gehSrt zu haben. Dieser fiir seine Zeit ausgezeichnete Chehiker und Tech- nolog trieb zwar an den Hofeti zu Mainz, Miinchen und W i e n alchemistische Kiinste, aber ohne sonderlichen Erfolg und wahrscheinlich nur in der Absicht, seine industriellen Unternehmungen , welche der Zeit voraneilten , befiirdert zu sehen. Betriiger waren dagegen die meisten fahrenden Alchemisten, - wie der Baron ‘ v o n W a g n e r e c k , y o n S c h r o d e r und von R e i n e r s b e r g am Hofe L e o p o l d ’ s 1. zii Wien. W e n n spiiter der Betrug entdeckt wurde, so konnte man ofters nichts Besseres thun , als ihn vergessen. Jedoch bestrafie man auch nicht selten die Betriigerei nach Gebiihr und dem Geiste der Zeit entsprechend. sb lieas

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Z. B. der Markgraf G e o r g W i l h e l m VOK Bayrenfh den Baron von K r o h n e w a n n , welcher nicht allein den Mark- grafen betrogen , sondern auch den Generalsuperintendenten K a s p a r y o n L i l i e i i urn 10,ooo F1. gebracht hatte, durch den Strang hinrichten. Manche dieser leicktsinnigen Men- schen wurden gewiss oftmals durch .die Macht der Um- slgnde erst zu durchdachtem und unerIiijrtem Lug und Trug verleitet, wenn sie nemlich darin ein Mittel sahen , sich ails grossen Verlcgenheit,en zu ziehen oder aus der Gefaii- genschaft zu befreien, welche nicht sellen das LOW der Prahler tvurde. Gescheidte und gebildete Alchemisten wur- den von einem so harten Geschick nicht betroffen , sondern gelangten manchmal ihrer iibrigen Kenntnisse und Vertfienste wegen zu grossen Ehren. Ein Beispiel dieser Art gibt der als Chemiker ausgezeichnete und als Verferliger des schiin- sten Rubinglases bekannte K u n k e l v o n L i i w e n s h r n , uvelcher zuerst als Alchemist bei den Herzogen +on Lauen- burg, dann als Director der Laboratorien ZLI Dresden und Annaburg unter dem - Kurfiirsten J o ha n n G e o r g 11. fun- girte, hierauf vom Kurfursten F r i e d r i c h W i l h e l rn von Brandenburg zur Direction seines Laboratoriums i n Berlin und zulelzt yon K a r l XI. nach Stockholm berufen und in den Freiherrnstand erhoben wurde.

Fragt man nach der Ursache, warurn ungeachtet der steis sich verznehrenden Betriigereien und, der stets erfolg-

*losen Berniihungen der Alchemisten die Verehrer der ge- heimen Kunst doch immer mehr anwuchsen im Laufe des 17. Jahrhunrlerts, so ist ziinSclst zu bedenken, dass die niichste Zeit nach dem 3ojShrigen Kriege eine Durchgangs- periode des nienschlichen Geistes war , i n welcher also auch Extreme sich finden mussten. Dann ist aber leicht einzusehen, dass, da nicht jedesmal die absichtliche oder absichtlose TZuschung bei der Goldverwandlung bemerkt wurde, die Betriiger zuversichtlicher auftreten konnten, die wahrhaftigen Alchemisten aber desto fester in ihrem Glau- ben werden musslen, j e mehr sie das hgufige Misslingen ihrer Arbeiten nicht sowohl physischen Griinden, als einem Mange1 an Friinimigkeit, und das jeweilige Gelingen einer gottlichen Erleuchtung zuschrieben. Zu den anmaasslichen Betriigen gehort B o r r i , ein wegen Vergehungen gegen die Hirarchie aus I1 alien gefliichteter MailZinder, in Diensten KBnig F r i e d r i c h 111. von Dlnnemark, welcher vorgab, unter dem Einflusse eines alchemistischen Geistes zu stehen. Dieser Geist, den B o r r i seineu NhwncuZus nannte, hatte einst den Bau &nes Ofens augegeben. Als der-Konig-den

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Ofen i n seiner nzchsten N l h e haben wollte, musste der unantastbare Ofen sammt dem Hause, worin er sick befand, mittelst Maschinen iiber den Scl~losswall gehoben werden. D e r Bachfolger Kainig F r i e d r i c h7s theilte nicht den Glau- ben an die Alchemie, und B o r r i wurde entlassen. l h n aber bqwogen Nachrichten uber die Erfolge der Alchernie in Griecbenland, Aegypten und der Turkei, so wie Geriichte von den alchemistiachen Bestrebungen cles A l i B a s s a yon Kahira und des M H h o ni e d K i u p e rl i , Grossveziers unter M u h a m e d IV., much Sjahriger Thatigkeit in Kopenhagen, 1670 nach dem Oriente zu gehen. In Ungarn ward e r aber fest genommen und unter dem Vorwande des fruher gegen ihn ausgesprochenen Kirchenbannes in Rom 25 Jahre lang, bis zu seinem Tode, in Gefangenschaft gehalten. Der Umstapd , dass den1 gewandten ltaliener in d e r Engelsburg ein eigenes Laboraiorium zur Ausarbeitung des Steins der Weisen ehgerichtet wurde, beweist die ganz veriinderte Ansicht des damaligen Kirchenoberhnuptes yon der Wahr- beit der Alchemie.

Die wahre Naturforschung , deren einzige Autoril6t in deutlicher Erkenntniss natiirlicher Grunde besteht, war noch nicht erstarkt zur Zerstiirung des uralten Irrthums, zur Hinlenkung des benrundernswerthen Ernstes und Eifers der Alchemisten auf ausgemacbte Wahrheiten und zur strengen Absonderung des Piatiirlichen yon dem Uebernatiirliclten und Religiosen. G e o r g W o l f g a n g W e d e l , Leibarzt' und Professor iu Jena , vertheidigte aus allgemeinen Griin- den die Alchemie und hat ~ o h l wesentlich mit dazu bei- getragen, dass der W a h n der Goldmacher noch bis auf die-' sen Tag in Thiiringen gar hlufig anzutreffen ist. M o r h of, Professor der Geschichte 211 G e l und O l a u s B o r r i c h i u s , Professpr der Philologie, Poesie , Chemie und Bofanik zu Kopenhagen , suchte auf historischem Wege die Wahrheit d& Alchemie nachzuweisen. W i e wenig auch diese mit grosser Gelehraamkeit durchgefiihrten Bestrebungen in einer Sache niitaen konntcn , deren Inhalt der Beobachtung allejn anheim rillt, so vie1 mogen sie doch dnzu beigetragen ha- hen, der Alchemie Glanz und Anseheii in den' hijchsten und gebildetsten Kreisen fester zu begriinden. Unbegreiflich bleibt es jedoch, dass noch in unsern Tagen der Professor S c h m i e d e r in Kassel denselben W e g in seiner, iibrigens sehr guten und woh l der besten (auck von mir hlufig be- nutzten) Geschichte der Alchemie vom Jahre 1832 betritt, urn danuthun , dam die Kunst, Gold zu machen , nicht immer eine eingebildete gewesen, sondern yon einigen Per-

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sonen wirklich ausgeiibk 'worden sey. Ein hoillndiscber Philolog, J a c o b T o 11, suchte in der alten Mythologie das Geheimniss der Alchemie. Gerade SO wollen jetzt einige gelzhrte Physiker den wesenllichsten Inhalt unserer gegen- wZirtigen Kenntnisse von der Electricitft, dem Electromag- netismus u, s. w. in den jigyptischen Hieroglyphen und grie- chischen Gotfheiten scharfsinnig auffinden. WSqe e.9 aber i n der That nicht xu verwundern, wenn Lebren, die wir nu r durch viele Versuche und die hezeichnendsten Wor te zur Klarheit zu bringen vermijgen , *in allkgorische Bilder eingekleidet , uns irgend versthdlich segn kSnnten, gesetzt dass sie selhst denen, welche diese Hieroglyphen erdachten, kIar vorgeschwebt hiitten ?

(Der Schluss in einem der nlchsten Hefte.)

Analyse einer Concretion, welche' sich im Darmkariale eines Pferdes-gefunden hat;

Geheimen Hofrath Dr. WurzeT vom

in Marburg.

Ich erhielt diese Concretion durch die Giite'des hiesigen

Kreis -, Thiei+arztes, Herr H U b n er. Das Ganze ,badete An Gefige aus Feuerschwamm , . welcher- durcL darauf gewi,rkte &imalische "SubitanZen 'eink ' briiunlich igrau griine' Farbe erhalten haite', das h s e r l i c h 'mit einem ziemIich dii inen Rande ,uberzogen war , Und 'wahrsiheinlich ans' dem Blind- darme des Pferdes herkam.

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