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1 REPERES – Modul 9 – Notiz – Historische und regionale Ereignisse Süd-Ost-Europas - DE - Endfassung Autoren & ©: Marilena Sokianou und Anna Charitou, Europahaus Rhodes, 2011 HISTORISCHE UND REGIONALE EREIGNISSE SÜD-OST-EUROPAS (Die vorliegende Notiz begleitet die gleichnamige Präsentation) 1299-1922 Das Osmanische Reich Das Osmanische Reicht ist ein Reich, welches von 1299-1922 bestand (also insgesamt 623 Jahre). Es hat seine Souveränität nach und nach in allen hauptsächlich muslimischen Teilen des Mittelmeerraums aufbauen können. Es schafft unter anderem Platz für die Türkische Republik. Auf dem Gipfel der Macht angekommen, hat sich das Osmanische Reich auf drei Kontinente ausgestreckt: auf ganz Anatolien, die Hochebene Armeniens, die Balkanstaaten, die Randgebiete des Schwarzen Meeres, auf Syrien, Palästina, Mesopotamien, die arabische Halbinsel und auf Nordafrika (außer Marokko). Die osmanischen Sultane haben die Bezeichnung des alten türkischen Titels Khan um den des Kalifen bereichert, dies bedeutet, dass sie Nachfolger Mohameds sind. Die Kontrolle, die sie über ihre Gebiete ausüben, ist variabel; weitentlegene Provinzen verfügen über eine große Autonomie. Einige mehrheitlich christliche Staaten zahlen dem Sultan ein Tribut, werden jedoch trotzdem keine osmanischen Provinzen. Auf dem afrikanischen Kontinent hat Ägypten mit seinem Khediven, welcher theoretisch dem Sultan unterworfen war, eine unabhängige Politik geführt. Dies führte teilweise sogar zu Kriegen. Die christlichen Völker des Balkans, Anatoliens, Syriens und Ägyptens versorgten das Imperium (meistens durch die erzwungene Wehrpflicht von Jungen: der Knabenzins (Devşirme) macht den größten Teil des Militärkörpers aus, darunter die Elitetruppe der Janitscharen). Viele arme Christen (Slaven, Griechen, Armenier, etc.) konvertierten zum Islam, damit sie nicht mehr den haraç zahlen zu müssen: eine Kopfsteuer, welche die nicht muslimischen Personen begleichen

HISTORISCHE UND REGIONALE EREIGNISSE SÜD-OST-EUROPAS - Modul 9-0... · REPERES – Modul 9 – Notiz – Historische und regiona le Ereignisse Süd-Ost-Europas - DE - Endfassung

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REPERES – Modul 9 – Notiz – Historische und regionale Ereignisse Süd-Ost-Europas - DE - Endfassung Autoren & ©: Marilena Sokianou und Anna Charitou, Europahaus Rhodes, 2011

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HHII SSTTOORRII SSCCHHEE UUNNDD RREEGGII OONNAALL EE EERREEII GGNNII SSSSEE SSÜÜDD--OOSSTT--EEUURROOPPAASS (Die vorliegende Notiz begleitet die gleichnamige Präsentation)

1299-1922 Das Osmanische Reich

Das Osmanische Reicht ist ein Reich, welches von 1299-1922 bestand (also insgesamt 623 Jahre). Es hat seine Souveränität nach und nach in allen hauptsächlich muslimischen Teilen des Mittelmeerraums aufbauen können. Es schafft unter anderem Platz für die Türkische Republik. Auf dem Gipfel der Macht angekommen, hat sich das Osmanische Reich auf drei Kontinente ausgestreckt: auf ganz Anatolien, die Hochebene Armeniens, die Balkanstaaten, die Randgebiete des Schwarzen Meeres, auf Syrien, Palästina, Mesopotamien, die arabische Halbinsel und auf Nordafrika (außer Marokko).

Die osmanischen Sultane haben die Bezeichnung des alten türkischen Titels Khan um den des Kalifen bereichert, dies bedeutet, dass sie Nachfolger Mohameds sind. Die Kontrolle, die sie über ihre Gebiete ausüben, ist variabel; weitentlegene Provinzen verfügen über eine große Autonomie. Einige mehrheitlich christliche Staaten zahlen dem Sultan ein Tribut, werden jedoch trotzdem keine osmanischen Provinzen. Auf dem afrikanischen Kontinent hat Ägypten mit seinem Khediven, welcher theoretisch dem Sultan unterworfen war, eine unabhängige Politik geführt. Dies führte teilweise sogar zu Kriegen. Die christlichen Völker des Balkans, Anatoliens, Syriens und Ägyptens versorgten das Imperium (meistens durch die erzwungene Wehrpflicht von Jungen: der Knabenzins (Devşirme) macht den größten Teil des Militärkörpers aus, darunter die Elitetruppe der Janitscharen). Viele arme Christen (Slaven, Griechen, Armenier, etc.) konvertierten zum Islam, damit sie nicht mehr den haraç zahlen zu müssen: eine Kopfsteuer, welche die nicht muslimischen Personen begleichen

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mussten. Sie wurden somit zu Osmanen, erhoben jedoch den Anspruch auf eine andere Abstammung. Starke treibende Kräfte, sowohl intellektueller als auch finanzieller Natur, haben die Grande Porte verstärkt. Zu nennen wären da Migrationen und Einquartierungen von jüdischen Sephardimen, die aus der Repression der Spanischen Inquisition geflohen sind sowie die andalusischen Morisken.

Im Jahr 1517 hat Selim I. Ägypten erobert und dem Sultanat der Mamelucken ein Ende gesetzt. Weniger als ein Jahrhundert nachdem die osmanischen Türken das byzantinische Imperium beendet haben, haben sie die Nachfolge der arabischen Abbasiden Dynastie übernommen.

Im 16. Jahrhundert, unter der Regierung von Süleyman I. (auch der Prächtige genannt), dem goldenen Zeitalter des osmanischen Reiches, gelangten die osmanischen Armeen bis nach Wien. Zwei Mal haben sie die Stadt vergeblich belagert. Dieser Fortschritt legt die Grenze der Expansion des Imperiums im Westen fest (sowie Aden die Grenze im Süden festsetzt).

Im Jahr 1522 hat Süleyman der Prächtige die Insel Rhodos und den Rest der Dodekanes (zweiter osmanischer Sitz) belagert um dort bis 1912 zu bleiben. Im Jahr 1595 beläuft sich die Oberfläche des Imperiums auf 19.902.000km².

Der Tod Süleymans I. im Jahr 1566 kennzeichnet das Ende des goldenen Zeitalters des Osmanischen Reiches.

Die Oberfläche des Imperiums belief sich auf 14 893 000km².

Eine umstrittene Weltmacht

Das Imperium hat eine militärische Flotte erschaffen, die versucht hat sich im Mittelmeer durchzusetzen; dies zu Lasten italienischer Siedlungen. Für einen Moment gelingt ihr das auch. Doch spanische und venezianische Flotten setzen der osmanischen Vorherrschaft ein Ende. Nach einer Reorganisation bleibt die militärische Flotte des osmanischen Reiches als eine wichtige Kraft bestehen, die die notwenigen Mittel für eine große Meeresexpeditionen hat (Eroberung Zyperns im Jahr 1570 und Kretas im Jahr 1669) sowie für Expeditionen auf dem Land gegen die Österreicher und die Russen. 1571 ist Moskau niedergebrannt und Wien ist noch bis 1683 belagert. Das Imperium glaubt noch immer an seine Berufung auf weltweiter Ebene, jedoch wurde der Handel im Mittelmeer durch Venedig, Genua, Portugal und Spanien kontrolliert.

Die osmanischen Grenzen haben sich zwischen 1566 und 1683 nur wenig geändert. Auf den Schlachtfeldern bleibt die osmanische Armee, „die Armee des Islams“, eine eindrückliche Macht. Es gibt zahlreiche Kräfte, die Elitetruppen der Janitscharen und immer auch die mit Arabesken oder mit Gewehren bewaffneten Soldatenlegionen, jedoch wird der wirtschaftliche und technische Rückstand gegenüber dem Westen langsam spürbar.

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Das Auflesen von Kindern oder der Knabenzins und die Erschaffung der Janitscharen: Die Osmanen haben eine Blutsteuer, einen Knabenzins (Devşirme) auf die Bevölkerung der Balkanstaaten und Anatoliens erhoben. Die Jugendlichen durften weder zu jung sein, damit sie die weiten Reisen überstehen konnten, noch durften sie zu alt sein, damit sie ihre Heimatkultur verlieren konnten und ihre Religion wechseln konnten. Bei ihrer Ankunft wurden sie beschnitten, somit wurden sie zur Konversion zum Islam gezwungen und fanatisiert. Die besten ‚Exemplare‘ wurden in den Korps der Janitscharen aufgenommen, 12 000 zurzeit Süleyman des Prächtigen, 48 000 unter der Herrschaft von Murad III. und 140 000 im 19. Jahrhundert. Die brillantesten unter ihnen bekleideten wichtige Ämter im Staatswesen.

So kam es, dass unter 26 Großwesiren, deren Herkunft wir kennen, 11 Albaner, sieben Griechen, Zirkusmenschen, Armenier, Georgier oder selbst Italiener zählten, doch nur fünf Türken .

Der Beginn des Niedergangs: Das 17. Jahrhundert zeichnet sich durch das Sultanat der Frauen aus. Der kaiserliche Harem, geführt durch die Mutter des Sultans, leitet in Wirklichkeit die politische Macht. In dieser Periode entsteht auch eine Gegenmacht, die der Großwesire.

Einige Sultane probierten neue Reformen gegenüber des Volkes aus: Steuersenkung, das Bild des Imperiums glänzt wieder auf und Unternehmen, vergleichbar mit europäischen Manufakturen, werden gebildet. Sie versuchen auch die Armee mit europäischer Beratung zu modernisieren.

Im Jahr 1731 haben die Russen und die Perser, zusätzlich zu der bereits schlechten Situation des osmanischen Imperiums, die Oberhoheit zurückgefordert. Angesichts dessen drohen die Russen dem osmanischen Reich und begründen einen neuen russisch-türkischen Krieg, der von 1735-1739 andauerte. Russland hat niemals so viele ehemals osmanische Gebiete beherrscht.

Die Macht des Imperiums wird immer mehr zur Fassade. Im 18. Jahrhundert wird sein Niedergang offensichtlich. Als unter der Herrschaft von Mustafa III. sein Wesir, Ragihb Pasha im Jahr 1763 stirbt, entscheidet er, alleine zu herrschen. Als mittelmäßiger Politiker schafft er es nicht, sich gute Berater oder militärische Kommandeure zuzulegen. Angesichts dieser Tatsache, schaffen es die Janitscharen sich durchzusetzen und blockieren alle durch den Sultan gewollten Reformen. Allerdings ist das nicht die erste Intervention dieser Elitesoldaten: sie haben bereits vier Sultane abgesetzt oder getötet. Schließlich setzten sie sich im Laufe des 17. Jahrhunderts durch. Die Macht dieses Truppenkorps wuchs immer weiter an. Nach einer Reihe für das Imperium zerstörerischer Herrschaften, macht sich die Herrschaft durch Selim III einen Namen durch den Höhepunkt der janitscharischen Macht. Sie haben gegen ihn revoltiert und ihn schließlich ermordet, da sie seine reformatorischen Ideale nicht teilten.

Im 19. Jahrhundert verkleinert sich das Territorium des Imperiums – welches nunmehr dank des englischen Ministers Palmerston den Namen „Kranker Mann am Bosporus“ trägt – es leitet aber gleichzeitig einen Modernisierungsprozess ein, um seine Macht und seinen Wohlstand aus vergangener Zeit zurückzuerlangen. Die Charta der Union wurde 1808 vom Sultan und dem Feudalchef unterschrieben. Letzterer bestätigt die Macht der Feudalchefs gegenüber der zentralen

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Administration. Anschließend kündigt die zentrale Administration legislative Messungen an, die die Modernisierung des Imperiums zum Ziel haben. Während dieser Zeit gewinnen europäische Länder wie Frankreich und Großbritannien einen großen Einfluss auf das osmanische Reich. Eine weitere Reformation, die zu dieser Zeit vorgenommen wurde, war die Abschaffung der Sklaverei im Jahr 1847. Diese Periode der Reformen, welche „Tanzimat“ genannt wird, dauert auch weiterhin durch die erste monarchische Verfassung vom 23. November 1876 an.

Griechenland erlangt, unterstützt durch die Westmächte, im Jahr 1830 seine Unabhängigkeit. Der Gouverneurs Ägyptens, Muhammad Ali Pascha, wird zu einem unabhängigen Souveränen und es gelingt ihm, dass sein Sohn sein Nachfolger wird. Somit wurde ein Präzedenzfall geschaffen. Frankreich fällt in Algerien ein. Das Imperium bietet der Expansion Russlands die Stirn, da es durch das Vereinigte Königreich und Frankreich geschützt wird und zwar vor allem während des Krimkrieges . Ein verlustreicher „Schutz“: Frankreich erobert Tunesien, England erobert Ägypten, welches seit Beginn des 19. Jahrhunderts unabhängig war.

Der Krimkrieg hat die Finanzschwäche des Imperiums aufgedeckt: kein wirkliches Budget, unregelmäßige Einnahmen, steigende Verschuldung. Die Finanzen und der Zoll des Imperiums stehen unter der Bevormundung der „Imperial Ottoman Bank “, welche 1863 gegründet wurde und von einem französisch-englischen Konsortium geleitet wurde.

Das Imperium kann die Unabhängigkeit der Balkanländer nicht verhindern. Nur ein kleines Gebiet im östlichen Thrakien um Konstantinopel herum blieb an das Imperium angegliedert.

Die Niederlage des Zweiten Balkankrieges im Jahr 1913 bringt die Jungtürken („Komitee für Einheit und Fortschritt“) an die Macht. Ihr Wunsch, das Reich wieder aufzurichten, zieht ein Bündnis mit Deutschland mit sich. Im Jahr 1914 erklären sie der Entente den Krieg und unternehmen große Offensiven gegen Ägypten und den Kaukasus. Dies waren die Misserfolge: das Reich hat keine Mittel für seine Politik, es wurde durch Epidemien und Hungersnöte verwüstet. Der Aufruf zum Heiligen Krieg durch den Sultan als Kalifen des Islams findet nur wenig Anklang.

1915 wird durch den Kern der Partei, welche unter dem Kommando des Innenministers Talaat Pascha stand, eine Deportations- und Massakerpolitik gegen die osmanischen Armenier, die Griechen und andere Minderheiten aufgezogen.

Der Erste Weltkrieg beendet die Zergliederung des Osmanischen Reichs, welches sich verbunden mit Österreich-Ungarn und Deutschland auf der Seite der Besiegten befindet.

Als Folge des Vertrags von Sèvres wurden die arabischen Gebiete des Osmanischen Reichs (also Syrien, Palästina, Libanon, Irak und Arabien) durch die Entscheidung des Völkerbundes unter britisches und französisches Mandat gestellt (vgl. Sykes-Picot-Abkommen). Die ägäische Küste wird von Griechenland und Italien belagert.

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Der Zusammenbruch des Osmanischen Reichs weckt ein türkisches Nationalgefühl. Die ehemaligen Kämpfer versammeln sich um Marschall Mustafa Kemal Atatürk . Er vertrieb die Europäer aus Anatolien und setzte sich als Regierungschef durch, indem er den Sultan in eine ehrenamtliche Rolle abschob.

Im Jahr 1922 gibt er das Osmanische Reich auf und gründet im Jahr 1923 auf dem übriggebliebenen Territorium Anatoliens und Ostthrakiens die moderne Türkei bzw. die Türkische Republik, der Nachfolgestaat des Osmanischen Reiches. 1924 setzt er dem Kalifat ein Ende und löscht somit die letzten Spuren imperialer Institutionen aus.

1494-1566 Süleyman der Prächtige

Süleyman der Prächtige wurde wahrscheinlich am 6. November 1494 in Trabzon geboren und starb am 7. September 1566 in Szigetvár. Als Sohn Selim I, wurde er der zehnte Sultan der osmanischen Dynastie. Sein Vater, der „der Grausame“ oder „der Gestrenge“ (1470-1520) genannt wurde, eröffnet ihm einen bereits vorgezeichneten Weg. Mit Hilfe seines Großwesiren, setzt er Reformen durch, die ihm den Spitznamen „der Gesetzgeber“ (Kanûnî Sultan Süleyman) einbringt. Unter seiner Herrschaft wird das Osmanische Reich zu einer großen Weltmacht, die sich weiterhin ausbreitete, noch ein Jahrhundert bevor die lange Phase des Niedergangs beginnt.

Im Alter von sieben Jahren wurde er in die Hauptstadt Istanbul geschickt um dort das Studium der Altphilologie zu verfolgen, welches sich aus einem Studium der Wissenschaften, der Geschichte, der Literatur und der Theologie zusammensetzt. Sein Vater fügt diesem Studium noch das Studium militärischer Techniken hinzu. Süleyman der Prächtige macht seine ersten Regierungserfahrungen in verschiedenen Provinzen in Kaffa (Feodossija), in Saruhan (Manisa) und kurze Zeit in Edirne.

Seit Beginn seiner Herrschaft unternahm Süleyman der Prächtige mehrere Eroberungs-feldzüge. Im Jahr 1521 erobert er Serbien, in dem er Belgrad übernahm. Er besetzte und übernahm die Insel Rhodos im Jahr 1522. Die Ritter des Malteserordens ließ er nach Malta fliehen. 1526 gewinnt er die Schlacht bei Mohács und nimmt die größte Partie Ungarns in Anspruch. Er bedroht Wien in den Jahren 1529 und 1532. Von 1533 bis 1536 erobert er den Osten Anatoliens und des Aserbaidschans, nimmt Jemen und im Jahr 1534 Tunis ein. Er festigt seine Eroberungen, indem er Friedensverträge mit seinen Nachbarländern unterzeichnete. Unter der Herrschaft Süleyman des Prächtigen kennt das Osmanische Reich seinen Höhepunkt und wird die vorherrschende Macht in Europa.

Er stirbt 1566 am Vortag der Schlacht in Szigetvár in Ungarn, die schließlich durch die Osmanen gewonnen wurde. Er wurde übergangsweise neben seiner liebsten Gattin Roxelane Sultan (Tochter eines orthodoxen Ukrainers) in einem Mausoleum begraben, so lange bis die Mosche Süleymaniye in Istanbul fertig gestellt wurde.

Aus ausländischer Sicht erschien Süleyman „der Große Türke“ als eine Gefahr für die ganze Welt aufgrund seiner Macht und seines Ehrgeizes. Gleichzeitig jedoch hat er Jerusalem restauriert

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und die Altstadt mit einer Mauer umgeben, die man heute noch sehen kann. Süleyman lies viele neue religiöse Komplexe errichten (külliye), darunter Moscheen, Madrasen, Bibliotheken, Kantinen und Mausoleen. Die bekannteste Moschee ist die Moschee Süleymaniye in Istanbul. Solche Komplexe wurden in Damaskus, Medina und Jemen errichtet.

Aus inländischer Perspektive galt Süleyman der Prächtige als ein guter Herrscher, der die Korruption bekämpft hat, und als ein Mäzen für Künstler und Philosophen. Er war außerdem als Poet und als fingerfertiger Juwelier bekannt.

1522-1912 Osmanische Besetzung (Türkei) 1912-1943 Italienische Besetzung des Dodekanes 1943-1945 Deutsche Besetzung des Dodekanes 8 Mai 1945 Kapitulation Deutschlands gegenüber den Alliierten 1945-1947 Britische Verwaltung 1947 Befreiung des Dodekanes 1948 Angliederung der dodekanischen Inseln an Griechenland

Das Osmanische Reich wies trotz der Maßnahmen der Jungtürken Schwächen auf. Italien , ein Kolonialreich, attackierte und besiegte im Jahr 1911 das Osmanische Reich und bemächtigte sich Tripolitaniens (Libyen) und des Dodekanes (Rhodos-1912). Die Türken wurden durch die italienische Armee vertrieben. Die Bewohner des Dodekanes haben die Italiener als ihre Befreier empfangen. Giolitti hat Venizelos versprochen, die griechischen Inseln wieder zurück zu übergeben. Jedoch hat er sein Versprechen nicht gehalten. Die enttäuschte Bevölkerung hat viele Schritte vorgenommen um sich zu befreien sowie Demonstrationen gegen die neue Besetzung organisiert.

Eleftherios Venizelos, Premierminister Griechenlands, zögert jedoch das Osmanische Reich öffentlich anzugreifen, aus Angst um griechische Nationen, die in dem gesamten Gebiet des Osmanischen Reiches verteilt sind und die osmanischen Vergeltungsmaßnahmen ausgeliefert sein könnten. Auf der anderen Seite hat es auch Konsequenzen, wenn sich Griechenland nicht der sich abzeichnenden anti-osmanischen Bewegung abschließen würde, denn dann setzt Griechenland aufs Spiel bei der zukünftigen Teilung Mazedoniens leer auszugehen, so wie es bereits den Verlust des Dodekanes an Italien hinnehmen musste. Im Frühling des Jahres 1914 haben sich Frankreich und Deutschland in die schwierigen Verhältnisse Griechenlands und Italiens in Bezug auf den Dodekanes eingemischt. Venizelos hat die Verhältnisse mit Italien normalisiert. Die Probleme um den Dodekanes und des Reichs des Nordes bei Seite stellend, hat er am 23. September 1928 mit Benito Mussolini einen „Vertrag über Freundschaft, Versöhnung und gerichtliche Regelung“ unterzeichnet.

Italien besetzt weiterhin Inseln und träumt von einem „Mare Nostrum“, d.h. sie wollten einen „kontrollierten Durchgang“ im Mittelmeer zwischen Libyen, dem Dodekanes und Sizilien schaffen. Erster Gouverneur der Inseln war Mario Lago.

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Die Unterzeichnung des Waffenstillstands von Cassible (Armistice Court) im Jahr 1943 bildet das Moment, anlässlich dem das Königreich Italiens den Feindseligkeiten gegenüber den Alliierten ein Ende setzt. In Wirklichkeit handelt es sich dabei aber nicht um einen Waffenstillstand sondern um eine bedingungslose Kapitulation. Nach dem 8. September 1943 wurde der Dodekanes zum Schauplatz feindlicher Operationen gegen Deutschland und Italien.

Der Dodekanes wird zum Schauplatz von Operationen gegen Deutschland, welches die Inselgruppe nach einem siegreichen Feldzug (gekennzeichnet durch die Schlacht um Leros), im Anschluss an die italienische Niederlage und Bombardierungen durch die Alliierten, besetzt hat. Der italienische Gouverneur Admiral Inigo Campioni blieb bis zum 18. September mit der Betreuung des Dodekanen betreut, dann wurde er von den Deutschen deportiert. Der Vize-Gouverneur Iginio Ugo Faralli blieb auf Rhodos, die Macht war jedoch in deutschen Händen: nämlich in denen Ulrich Kleemanns (1943-1944) und Otto Wageners (1944-1945).

Nach der Niederlage des Nazi-Regimes am 8. Mai 1945 wurde der Dodekanes durch deutsche Streitkräfte zurückgegeben. Otto Wagener unterschrieb die Kapitulation über die Insel Symi und Peter B. E. Acland wurde solange ihr neuer Gouverneur, während die Inselgruppe unter britannischer Verwaltung stand, bis ihr Schicksal anlässlich des Pariser Friedensvertrags von 1947 bestimmt wurde. Durch den Pariser Friedensvertrag erlangt Griechenland die Inselgruppe des Dodekanes zurück. Griechenland verwirklicht die Angliederung des Dodekanes im Jahr 1948, nachdem Italien ihn aufgegeben hat. Im Jahr 1948 wurde die Annexion der Inseln des Dodekanes, aufgegeben durch Italien, verwirklicht.

Am 15. September 1947 fand auf Rhodos die Zeremonie statt, in der dem griechischen Gouverneur Periklis Ioannidis (1947-1948) die Macht übergeben wurde. 1948 trat Nikolaos Mavris an seine Stelle. Am 7. Mai 1948 wurden die Inseln offiziell von der Governatorato del Dodecaneso zur Präfektur des Dodekanen umgewandelt und ist seit dem ein Teil Griechenlands.

Bis heute trifft man mehrere ältere Bewohner des Dodekanes an, die noch immer die italienische Sprache verstehen, wie zu Zeiten des Faschismus. Bis 1945 wurde italienisch in den Schulen unterrichtet und nahm dort einen großen Platz ein, es wurde darüber hinaus von einem Großteil der griechischen Bevölkerung in der Öffentlichkeit gesprochen. Von den jüngeren Bewohnern machen einige ihr Studium in Italien und haben so die Sprache erlernt und sprechen sie fließen. Dieses Sprachenlernen findet jedoch unter anderen Bedingungen statt.

1821-1830 Die Griechische Revolution

Die Griechische Revolution (1821-1830), war ein Befreiungskrieg. Die griechischen Patrioten, organisiert in der Filiki Eteria (Freundesgesellschaft), die den nationalen Aufstand seit dem Ende des 18. Jahrhunderts vorbereitet haben, haben sich gegen die Unterdrückung durch das Osmanische Reich aufgelehnt und schließlich gelang es ihnen, die Unabhängigkeit zu erhalten. Die Hauptkonfrontationen fanden in Epirus statt, um Athen und in der Peloponnes, wo sich Theodoros

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Kolokotronis verriet. Der Aufstand des osmanischen Gouverneurs der Region Epirus, Ali Pascha von Janina, gegen die Hohe Pforte stellte im Jahr 1820 den Höhepunkt des Aufstandes dar.

Der Aufstand wurde in der Peloponnese ausgelöst. Er begann zwischen dem 15. und dem 20. März 1821 auf die Veranlassung von Theodoros Kolokotronis und den des Erzbischofs aus Patras, Germanos, hin. Letzterer rief am 25. März den nationalen Befreiungskrieg aus. Zur gleichen Zeit durchdrang Alexander Ypsilantis als Kopf einer Truppe von in Russland niedergelassenen Häteriemitgliedern Moldawien und die Walachei. Das Osmanische Reich verringerte den Aufstand in den Donauprovinzen innerhalb von neun Monaten, wohingegen in Griechenland selbst die Aufständischen triumphiert haben.

Nach diesem erfolgreichen Aufstand wurde die tatsächliche Unabhängigkeit anlässlich der Nationalversammlung in Epidauros am 1. Januar 1822 ausgerufen. Die öffentliche europäische Meinung stand dieser Bewegung mehrheitlich positiv gegenüber. Allerdings kam keine Regierung in Bewegung. Dies war vor Allem dem politischen und diplomatischen Gewicht der Heiligen Allianz und dabei ins Besondere der Stellung Österreichs unter Prinz Metternich verschuldet. Griechen, die außerhalb des Osmanischen Reichs, beispielsweise auf den Ionischen Inseln lebten, wie Ioannis Kapodistrias und Mitglieder der griechischen Elite aus Konstantinopel (die Phanarioten), helfen den Rebellen von Beginn an.

Das Londoner Protokoll (1830), indem sich britische, französische und russische Repräsentanten versammelt haben, vergibt die griechische Unabhängigkeit, welche von Preußen und Österreich genehmigt wird und es beschleunigt die Schaffung eines Griechischen Staates. Frankreich, Russland und das Vereinigte Königreich behalten anschließend einen beachtlichen Einfluss auf das noch junge Königreich.

Die Protagonisten der Griechischen Revolution

1770-1843 Theodoros Kolokotronis

Theodoros Kolokotronis wurde am 3. April 1770 in Karitena in der Peleponnes geboren und verstarb am 15. Februar 1843 in Athen. Er war ein griechischer General und Held der Griechischen Revolution. Er wurde auch der „Alte von Morea“ genannt, da er zu Beginn des Widerstreits bereits 50 Jahre alt war. Am 1. Dezember 1818 wurde Theodoros Kolokotronis in die Filiki Eteria aufgenommen. Bekannt war er unter der Codenummer 118.

Kolokotronis, der zuerst Klefte war, trat der bei den unter britischer Armee stehenden Ionischen Inseln in den Kriegsdienst ein. Er nahm an Konflikten der Griechischen Revolution in der Peleponnes teil und brachte wichtige und symbolische Siege für die Griechen ein. Er war einer der Chefs der „militärischen“ Partei während des Bürgerkriegs, die die griechischen Rebellen auseinanderrissen.

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Zahlreiche Legenden rahmen diese Periode und die Biographen des 19. Jahrhunderts, die durch Kolokotronis Autobiographie inspiriert waren, vervielfältigten romanhafte Episoden von Verfolgungen, Betrügereien, und von Helden die über jedes Unglück triumphieren.

Nach der Unabhängigkeit hat ihm seine politische Wahl (Unterstützung der Kapodistrias und anschließend der russischen Partei) die Gegnerschaft der Bayern unter König Otto gekostet. Er hat einen Staatsstreich organisiert, um sich selbst an die Macht zu setzten. Daraufhin wurde er inhaftiert und in Nafpoli im Jahr 1834 des Ungehorsams bezichtigt. Er hatte zu dieser Zeit immer noch Partisanen, denn zwei von fünf Richtern habenabgelehnt die Anklageschrift zu unterzeichnen. Am 25. Mai 1834 wurde er zum Tode verurteilt. Der König berücksichtigte seine ausschlaggebende Rolle während der griechischen Revolution und begnadigte Kolokotronis. Seine Strafe wurde in 20 Jahre Haftstrafe umgewandelt. Er wurde in der Palamidi-Festung inhaftiert. Ihm wurde schließlich die Freiheit wiedergegeben.

Um das Ressentiment im Land etwas zu beruhigen, wurde am 30. September 1835 ein beratender Staatsrat gegründet. Dort wurden alle Gegner der Xenokratie, welche oftmals Helden der griechischen Revolution waren ernannt. Kolokotronis trat diesem im November 1837 bei, er wurde Vize-Präsident. Anschließend ernannte der Souverän ihn zum General der griechischen Armee.

Kolokotronis starb an einem Schlaganfall am 15. Februar (4. Julianischer Februar) 1834 im Alter von 74 Jahren. Am Tag seiner Beerdigung wurde er durch die Bevölkerung Athens, Truppen der Garnison, die Würdenträger des Staates und Repräsentanten der Großmächte zu seiner letzten Ruhestätte gebracht.

Seine diktierten Memoiren erschienen im Jahr 1852. Dort heißt es: „Wenn Wellington mir eine Armee von 40.000 Männern anvertrauen würde, dann könnte ich sie führen; würde ich ihm 500 Griechen anvertrauen, dann könnte er sie nicht länger als eine Stunde führen.“

1771-1826 Germanos von Patras, Bischof von Patras

Germanos von Patras (auf Griechisch Palaion Patron Germanos), mit dem Geburtsnamen Georges Gotzias, war der Metropolit von Patras in der Peleponnes in Griechenland. Er wurde am 25. März 1771 in Dimitsana (Arkadien, Peleponnese) geboren und starb am 20. Mai 1826.

Laut des griechischen Nationalmythos, soll er am 25. März 1821 die Standarten der Freiheit in dem Kloster Saint-Laure (Aghia Lavra) in der Nähe Kalavritas gesegnet haben. Somit hat er das Startsignal für die Griechische Revolution gesetzt. Nach einem Aufenthalt in Westeuropa kehrte er 1824 nach Griechenland zurück.

Im April 1826 wurde er zum Vorsitzenden einer der beiden Regierungskommitees ernannt, die während der dritten griechischen Nationalversammlung geschaffen wurden. Er starb jedoch einige Wochen zuvor an einer Krankheit in Nafpoli. Eine Statue von ihm schmückt den Vorplatz der Universität in Athen.

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1788-1824 George Gordon Byron (Lord Byron)

George Gordon Byron, der sechste Baron Byron, genannt Lord Byron , war einer der bekanntesten Dichter der britischen Literaturgeschichte. Er wurde am 22. Januar 1788 in London geboren und starb am 19. April 1824 in Messolonghi in Griechenland (d.h. unter osmanischer Herrschaft). Obwohl er selbst der Klassik folgte, wurde er zu einer der bedeutendsten britischen Figuren der Romantik neben Wordsworth, Coleridge, Shelley und Keats.

Enkel von John Byron, war er der Vater von Lady Ada Byron King de Lovelace (eher bekannt unter dem Namen Ada Lovelace). Sie selbst war Autorin und verfasste Arbeiten über die mechanische Rechenmaschine, die allgemein als Vorläufer moderner Computer betrachtet wird.

In Griechenland wird er ebenfalls als einer der Helden der Griechischen Revolution angesehen.

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Die Protagonisten der Errichtung des Griechischen Staates

1776-1831 Ioannis Kapodistrias

Ioannis Kapodistrias, Graf Kapodístrias, wurde am 11. Februar 1776 auf Korfu (Kerkyra), einer der Ionischen Inseln geboren, als diese noch zur Republik Venedigs zählten. Am 9. Oktober 1831 wurde er in Nafpoli in Griechenland ermordet. Er stammte einer im Goldenen Buch eingetragenen Adelsfamilie der Ionischen Inseln ab.

Wie sein Vater auch, studierte er Medizin, Philosophie und Recht, erst auf Korfu, dann in Padua. Eine Verordnung des venezianischen Senats zwang ihn dazu. Im Alter von 21 Jahren, also im Jahr 1797, ließ er sich als Arzt auf seiner Heimatinsel nieder. 1799, als russische Truppen Korfu von den Franzosen zurück eroberten, wurde er zum Leiter eines Militärkrankenhauses.

Als Staatsmann wurde er nacheinander Regierungsmitglied der Republik der Ionischen Inseln (1802-1807), Diplomat im Dienste des Russischen Kaiserreiches (1808-1815) und Außenminister des Zaren Aleksandr I (1816-1822). Die imperiale Diplomatie muss er jedoch im Jahr 1822 anlässlich der Griechischen Revolution aufgeben. Er unterstützt die Sache der Griechen während ihres Aufstandes gegen das Osmanische Reich. Er greift jedoch nicht zu den Waffen, obwohl seine Brüder in der Filiki Eteria waren.

Als Mitglied der russischen Delegation beim Wiener Kongress hat er nicht aufgehört, die Einheit, Unabhängigkeit und die Neutralität der Schweiz zu beteuern. Im Jahr 1815 wurde Kapodistrias ebenfalls Bevollmächtigter Russlands anlässlich der Unterzeichnung des Zweiten Pariser Friedens.

Er wurde zum Gouverneur des Unabhängigen Griechenlands (1827-1831) ernannt. Angesichts der Situation, in der sich das Land befand, verließ Kapodistrias jedoch sehr schnell der Mut. Der Widerstreit der aufrührerischen Gruppen, welcher zu Beginn der Griechischen Revolution begann, hält weiter an. Griechenland ist zertrümmert und bankrott. Nur durch die Unterstützung zahlreicher Mäzene des Philhellenismus gelang es dem Staat zu überleben.

Kapodistrias setzt ein umfangreiches Modernisierungsprogramm für das Land in Gang: Er setzt dem Bürgerkrieg ein Ende, eröffnet ein Quarantänesystem, welches den Kampf gegen Cholera- und Typhusepidemien ermöglicht. Er führt das Kultivieren von Kartoffeln in Griechenland ein und setzt all seine Macht ein um die Ordnung und den Wohlstand des Landes wieder herzustellen. Da er gegen viele verschiedene Clanchefs kämpfte, Erben der Kleften, stößt er mit Petrobey Mavromichalis zusammen. Um ihn zu bekämpfen bittet er russische Truppen um Hilfe und im Frühling 1831 schickt er ihn ins Gefängnis. Er wurde am 27. September (9. Oktober) 1831 auf den Treppen zur Saint-Spyridon Kirche von Nefpolis durch den Bruder und den Sohn Mavromichalis ermordet.

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1833-1862 Die Herrschaft Otto I. – Das Königreich Bayern

Am 7. Mai 1832 haben in London Frankreich, Großbritannien und Russland, nach einem Übereinkommen mit Bayern, die Ernennung des Sohns Ludwigs I zum König Griechenlands unterzeichnet. Leopold von Sachsen-Coburg-Saalfeld hat die Krone abgelehnt und, indem Prinz Otto den Thron akzeptierte, wurde er Otto I. König von Griechenland. Am 6. Februar 1833 ging er in Nefpolis an Land. Er wurde am 8. August 1832 durch das Parlament von Nefpolis gewählt. Am Folgetag erhält er die Unterwerfung der verschiedenen Parteivorsitzenden, darunter auch die von Kolokotrnonis. Ein allgemeiner Waffenstillstand wurde ausgerufen. Die Vorsitzenden der verschiedenen aufrührerischer Gruppen, mit Ausnahme von Kolokotronis, werden auf die eine oder andere Art vergolten.

Otto I. regierte als absoluter Monarch. Umgeben von bayrischen Beratern zeigt er sich nur wenig dazu geneigt mit den Veteranen der Griechischen Revolution zusammen zu regieren. Da Otto I. mit nur 18 Jahren noch nicht volljährig war, wurde ihm ein Regentschaftsrat an die Seite gestellt, welches durch den Grafen Armansperg geleitet wurde. Diese „bayrische“ Regentschaft geriet in den Augen der Griechen sehr schnell in Verruf, sie wollten keine Xenokratie (ausländische Regierung) durch eine andere austauschen.

Kolokotronis versuchte von dieser Situation zu profitieren. Er organisierte einen Staatsstreich, um sich selbst an die Macht zu setzen. Ende 1833 wurde er verhaftet und inhaftiert. Im Jahr darauf, 1834, wurde er in Nefpolis des Ungehorsams bezichtigt und zum Tode verurteilt. Der König begnadigte ihn und änderte seine Strafe um in eine zwanzigjährige Haftstrafe in der Palamidi-Festung.

Unter der Herrschaft Otto I. erfuhr das Land trotz allem verschiedene Modernisierungen: Reorganisation der Verwaltung, des Gerichtshofs, einer ordentlichen Armee, der Kirche und der Lehre mit der Errichtung der ersten Universität Griechenlands im Jahr 1837. Diese Politik wurde erleichtert durch viele und wichtige Leihgaben, welche die „Schutzmächte“ Griechenland zukommen ließen.

Am 12. Juni 1835 nahm die zunehmend kritisierte Regentschaft ein Ende. Die bayrische Xenokratie blieb jedoch erhalten. Die Griechen verlangten nach einer Verfassung und der Freilassung von Kolokotronis und den Personen aus seinem Umfeld. Die Freilassung wurde ihnen zugestanden, eine Verfassung musste jedoch noch warten. Um das Ressentiment im Land etwas zu beruhigen, wurde am 30. September 1835 ein beratender Staatsrat gegründet. Dort wurden alle Gegner der Xenokratie, welche oftmals Helden der griechischen Revolution waren, unter ihnen auch Kolokotronis genannt.

Im Jahr 1843 wurde Otto I dazu gezwungen eine Verfassung zu akzeptieren. Der Herrscher, Nationalist und Partisan der Megali Idea, ruft weiterhin Unzufriedenheit durch seine ausländische Politik und das Fehlen seiner Konversion zur orthodoxen Religion hervor. Im Oktober 1862 wurde er durch einen erneuten Aufstand gestürzt. Anschließend wurde die Wahl eines neuen

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Herrschers organisiert. Die Versammlung wählte dazu den Prinzen Wilhelm von Dänemark aus, der dann Georg I. von Griechenland wurde und den Titel König der Hellenen erhielt.

Sommer 1896 – Athen – Die ersten Olympischen Spiele

Die ersten Olympischen Spiele der Neuzeit (Erste Olympiade) wurden im Sommer 1896 in Athen in Griechenland durch das Internationale Olympische Komitee organisiert. Sie fanden vom 6. bis zum 15. April 1896 statt. Neun Tage des Wettkampfes, während denen sich 241 Sportler aus 14 Ländern in neun verschiedenen Sportarten für insgesamt 122 Medaillen gegenübertraten. Die offizielle Eröffnung der Spiele wurde von Georg I. König von Griechenland durchgeführt. Es gibt noch keinen Eid, keine Flamme und kein Maskottchen.

Anlässlich eines Kongresses im Jahr 1894 in Paris, organisiert von dem Franzosen Pierre de Coubertin, wurde das Internationale Olympische Komitee (IOC) gegründet. Dort wurde auch die Hauptstadt Griechenlands zur ersten Gastgeberstadt der Olympischen Spiele gewählt. Es wurde ebenfalls die Ausschließung professioneller Sportler und Frauen beschlossen zugunsten des Amateursports und der Männer.

Trotz der geringen Anzahl der teilnehmenden Sportler, war dies die größte Sportveranstaltung der Neuzeit und die Olympischen Spielen waren ein großer Erfolg beim griechischen Publikum. Für die Griechen war der Sieg ihres Landsmanns Spyridon Louis im Marathon einer der ganz großen Momente. Nach diesen neun Tages des Wettkampfes ging der Deutsche Ringer und Geräteturner Carl Schumann als einer der erfolgreichsten Sportler mit vier Siegen aus den Olympischen Spielen hervor.

1912-1913 Die Balkankriege

Als Balkankriege werden die Konflikte bezeichnet, die in den Jahren 1912 und 1913 in den Balkanstaaten ausbrachen. Die Völker des Osmanischen Reichs in Europa strebten danach sich von der türkischen Unterdrück zu befreien und sich zu eigenständigen Staaten zu erheben. Mehrere Faktoren komplizieren die Lage: die Vielfalt der Völker; das Spiel der Großmächte, zu teilen, um zu regieren sowie die extreme Verflechtung der Bevölkerung in einigen Zonen.

Der erste Balkankrieg

Dem Balkanbund zwischen Serbien und Bulgarien schlossen sich auch Griechenland und Montenegro an. Er profitiert von der Unterstützung Russlands, welches sein Hauptverbündeter wird. Rumänien tritt aufgrund walachischer Minderheiten, die ihre Treue zum Osmanischen Reich rühmten, nicht in den Balkanbund ein. Zudem hatten die serbischen, bulgarischen oder griechischen Siege keine Konsequenzen für sie. Angesichts des Balkanbundes verlor das Osmanische Reich durch seinen Widerstreit mit Italien an Größe.

Ende Oktober 1912 zieht sich das Osmanische Reich, welches von mehreren Seiten angegriffen wurde, zurück. Thessaloniki fällt in griechische Hände und die Osmanen müssen einen großen Teil

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ihrer Gebiete im Balkan aufgeben. Sie haben den Waffenstillstand gefordert, doch der Krieg ging von griechischer Seite aus und aufgrund der Wiederaufnahme der Kämpfe auf Veranlassung türkischer Extremisten hin weiter. Im Zuge neuer Siege der Alliierten wurde der Waffenstillstand am 19. April 1913 unterzeichnet. Am 30. Mai 1913 entzieht der Vertrag von London, eine neue Konferenz, dem Reich seine europäischen Besitztümer und organisiert ihre Verteilung unter den Mitgliedern des Balkanbundes. Das vereinte Albanien fordert seine Unabhängigkeit, was jedoch Serbien den Zugang zum Meer verbaut; Bulgarien hingegen hat die Teilung Mazedoniens angefochten, da die Serben den Löwenanteil innehatten. Diese Teilung, die niemanden zufrieden stellte, wurde der Beginn eines neuen Widerstreits.

Der zweite Balkankrieg

Bulgarien hat die Teilung Mazedoniens angefochten und versucht das Land an sich zu reißen. Serbien erhält die Unterstützung der Griechen und der Rumänen (die bis zu diesem Zeitpunkt neutral eingestellt waren) und selbst der Türken, die sich Vergeltung erhofften. Ende Juli 1913 traten diese neuen Alliierten den bulgarischen Angriffen gegenüber und trugen den Sieg davon. Eine neue Teilung wurde am 10. August 1913 durch den Friedensvertrag von Bukarest festgehalten: Bulgarien verliert einen großen Teil seiner Eroberungen und seiner Errungenschaften aus dem ersten Balkankrieg. Diese Teile Bulgariens werden zwischen den Siegermächten aufgeteilt. Das Osmanische Reich erlangt Adrianopel zurück. Rumänien kann Süddobrudscha angliedern. Griechenland verdoppelt sein Territorium nach diesen beiden Kriegen.

Die verschiedenen beteiligten Länder in diesem Widerstreit haben 590 Millionen Francs für Serbien ausgegeben, 100 Millionen für Montenegro, 467 Millionen für Griechenland und 1,3 Milliarden für Bulgarien. Die osmanischen Ziffern befinden sich außerhalb jeder Schätzung. Das gleiche gilt für die Anzahl der osmanischen Opfer. Man rechnet mit 100 000 Toten und Verletzten.

Als Folge dieses neuen Konfliktes wurden die Gebiete des Balkans willkürlich aufgeteilt, wobei die Verteilung die Bevölkerungen und Nationalitäten immer noch nicht berücksichtig wurden. Wie es der Berliner Kongress 35 Jahre zuvor vorsah, waren die Balkanstaaten geteilt, geschwächt und sie mussten sich Verbündete in den Großmächten suchen. Russland wirft noch immer interessiert ein Auge auf die Meeresenge, während Serbien Österreich ankreidet, ihm jede Hoffnung auf Bosnien-Herzegowina und die Küste der Adria genommen zu haben. Als Konsequenz dessen waren die Mechanismen des Dreibunds und der Triple-Entente dafür verantwortlich, dass jeder noch so kleine Zwischenfall in den Balkanstaaten als Auslöser für einen umgreifenden Widerstreit angesehen werden konnte. Was am 28. Juni 1914 dann auch eintrat.

Während der Balkankriege fand der erste Luftwaffenangriff der Geschichte statt. Die Bombardierung Belgrads wurde von bulgarischen Fliegern und einer osmanischen Flotte in den Dardanellen mit einem griechischen Flugzeug durchgeführt.

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Verluste von Menschenleben während der Balkankriege

Bulgarische

Verluste Serbische Verluste

Griechische Verluste

Montenegrinische Verluste

Erster Balkankrieg (Tote)

14.000 & 19.000 durch Krankheit

36.550 5.169 2.836

Erster Balkankrieg (Verletze)

50.000 55.000 23.502 6.602

Zweiter Balkankrieg (Tote)

18.000 & 15.000 durch Krankheit

9.000 & 5.000 durch Cholera

2.563 240

Zweiter Balkankrieg (Verletzte)

60.000 36.000 19.307 961

1914-1918 Der Erste Weltkrieg

Der Erste Weltkrieg war ein militärischer Widerstreit, der sich hauptsächlich in Europa vom 4. August 1914 bis zum 11. November 1918 abgespielt hat. Der Erste Weltkrieg war ein Ereignis, welches das 20. Jahrhundert nachhaltig geprägt hat. Kein Krieg zuvor hat eine solches Ausmaß und eine solche Intensität angenommen. Der Erste Weltkrieg hat mehr Tote gefordert und mehr materielle Zerstörungen verursacht, als jeder andere Krieg zuvor. Es kamen mehr als 60 Millionen Soldaten ums Leben. Ca. 10 Millionen Menschen sind gestorben und ca. 20 Millionen Menschen wurden zu Kriegsinvaliden. Weitere Ereignisse, die sich während dieser Zeit ereignet haben, wie der Völkermord an den Armeniern (1915-1916), die erste Atlantikschlacht (1917), die Russische Revolution (1917) und die Spanische Grippe von 1918 haben die Not der Bevölkerungen noch gesteigert.

Der Erste Weltkrieg hat tiefgreifende geopolitische Veränderungen nach sich gezogen und er hat den Lauf des 20. Jahrhundert verändert. Er hat den Zusammenfall bzw. die Zersplitterung des Österreich-Ungarischen Reichs, des Russischen und des Osmanischen Reiches verursacht. Das Deutsche Reich verschwand und Deutschland war gezwungen sein Territorium zu verkleinern. Daraus folgte, dass die Landkarten Europas und des Mittleren Ostens neu gezeichnet werden mussten. Monarchien wurden durch kommunistische Staaten oder demokratische Republiken

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ersetzt. Zum ersten Mal in der Geschichte wurde eine internationale Institution gegründet, mit dem Ziel, Kriegen vorzubeugen: der Völkerbund .

Der Funke, der letztendlich den Krieg auslöste, sprang am 28. Juni 1914 über, als es den bosnischen Serben gelang den Erzherzogen Franz Ferdinand, österreich-ungarischer Thronfolger, zu töten. Die Racheforderungen Österreich-Ungarns, welche stark durch Deutschland ermutigt wurden, gegen das Königreich Serbiens, führten zur Aktivierung einer Reihe von Bündnissen, nach der napoleonischen Niederlage von 1815 und dem Wiener Kongress, welche beide in die Richtung des Krieges führten. Viele dieser Nationen waren der Kopf eines Reiches, welches sich über mehrere Kontinente erstrecken konnte. Dies erklärt die weltweite Reichweite des Widerstreites. Zu den strukturellen Gründen werden ein starker Nationalismus, ein Anstieg der Weltmachtpolitik, das Streben nach Expansion und vorangegangene ungelöste Widerstreite (der Verlust Elsass-Lothringens Frankreichs, die Balkankriege) sowie ein Rüstungswettlauf gezählt, für welchen sich jeder Generalstab aktiv vorbereitet hat.

Dieser Krieg hat sich vor Allem zwischen zwei großen Bündnissen abgespielt: der Triple-Entente, bestehend aus Frankreich, Großbritannien, Russland und den Vereinigten Staaten im April 1917 und den Mittelmächten, ursprünglich bestehend aus Deutschland und Österreich-Ungarn. Mehrere Staaten traten dieser Koalition bei: Japan im Jahr 1914, Italien im April 1915. Das Osmanische Reich trat ihnen im Oktober 1914 bei, gefolgt im Jahr 1915 von dem Königreich Bulgarien. Nach all diesen Feindseligkeiten sind nur die Niederlande, die Schweiz, Spanien, die skandinavischen Länder und Monaco offiziell neutral geblieben, jedoch haben einige dieser Staaten finanziell oder materiell an den Bemühungen der Kriegsprotagonisten teilgenommen.

Die Kämpfe haben sich größtenteils an verschiedenen Fronten abgespielt, dabei hauptsächlich in Europa. Ein kleiner Teil Asiens und Afrikas, sowie der Nordatlantik haben ebenfalls Kämpfe ertragen müssen. Die Westfront war durch ein Ensemble von Schützengräben und Festungsanlagen geprägt. Sie waren durch einen Platz voneinander getrennt der no man's land genannt wurde. Die Festungsanlagen haben sich auf über mehr als 600 km ausgestreckt, was dazu verleitet von einem „Schützengrabenkrieg“ zu sprechen. An der Ostfront haben die Weite der Ebenen und die geringe Dichte des Schienenverkehrs eine Stabilisation der Schlachtfelder verhindert. Wichtige Kämpfe fanden in den Balkanstaaten, im Mittleren Osten und in Italien statt. Der Krieg hat sich auch auf Luftweg ausgedrückt, im Vergleich zum Zweiten Weltkrieg jedoch nur auf rudimentäre Weise.

1909-1915 Der Völkermord an den Armeniern

Nachdem die Jungtürken mit den autonomen Armeniern kooperiert haben, um den Sultan zu stürzen, haben sie sie dennoch als ein Hindernis angesichts ihrer pantürkischen Bestrebungen empfunden. Der erste Auftakt zum Völkermord an den Armeniern, die Massaker von Kilikien (oder von Adana) fanden zwischen dem 14. und dem 27. April 1909 statt. Sie haben sich auf ländlich Regionen und verschiedene Städte ausgedehnt: Adana, Hadjin, Sis, Zeïtoun, Alep, Dörtyol. Man rechnet damit, dass ca. 30 Millionen Armenier dort ihr Leben lassen mussten, davon 20 Millionen in der Vilâyet von Adana. Es folgten mehrere Emigrationswellen.

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Am 1. November 1914 trat das Osmanische Reich auf das Ersuchen Deutschlands hin in den Ersten Weltkrieg, an der Seite der Mittelmächte ein. Im Februar 1915 hat das zentrale Komitee der Partei und die Minister des Kriegskabinetts, darunter vor Allem Talaat Pacha und Enver Pacha, im Geheimen einen Zerstörungsplan ausgearbeitet, der in den folgenden Monaten ausgeführt wurde. Darüber hinaus wurde entschieden, von der Kriegssituation zu profitieren um endgültig die „Armenische Frage“ durch die Ausrottung der Armenier zu lösen. Offiziell wurde sie als eine Verschiebung der armenischen Bevölkerung weg von der Front getarnt, mit der Begründung der Regierung, dass die Armenier mit dem russischen Feind zusammenarbeiten würden.

Die Entscheidung hat zu dem grundlegenden Völkermord an den Armeniern geführt. Er fand zwischen April 1915 und Juli 1916 statt. Zwei Drittel der armenischen Bevölkerung des Osmanischen Reiches wurden vernichtet, ohne dass eine westliche Macht eingegriffen hätte. Sie wurden durch Deportationen oder Massakern großen Ausmaßes vernichtet. Die Ausrottung wurde vom Kern der Jungtürken geplant und ausgeführt. Die Jungtürken waren zu dieser Zeit an der Macht und leiteten das Osmanische Reich. Als einer der allerersten Völkermorde des 20. Jahrhunderts wurden bei der Vernichtung der Armenier nach mehrheitlicher Meinung der Historiker zwischen 800.000 und 1.500.000 Tote gezählt. Der aktuelle türkische Staat hingegen nennt eine Zahl zwischen 300.000 und 500.000 Opfern und lehnt die Bezeichnung „Völkermord“ ab. Er bevorzugt es von einem Massaker zu sprechen.

Deportationen wurden meistens zu Fuß vorgenommen und nur selten mit dem Zug. Die Armenier wurden unter schlechtesten Bedingungen deportiert und mussten Krankheiten und Hungersnöte erleiden. Massaker wurden von Verantwortlichen verschiedener Bezirke und Provinzen durchgeführt. Osmanische Soldaten und Gendarmes, die die Konvois bis zur Wüste begleiteten, nahmen teilweise selbst die Exekutionen vor. Teilweise ließen sie aber auch der Gewalt bewaffneter Banditen (vor allem Kurden) freien Lauf. Auch die Gendarmes selbst und (zahlenmäßig durch Regierungen) befreite Kriminelle konnten Gewalt ausüben, um die Ränge der osmanischen Streitkräfte zu verstärken. Sie wurden in der „Besonderen Organisation“ versammelt. In Dörfern, vor Zeugen geschützt, wurden alle Armenier getötet, mit Ausnahme einiger Frauen und entführter Kinder. Nur einige tausend Personen haben die Deportation überlebt.

1916- 1923 Die Griechenverfolgung im Osmanischen Reich

Die Griechenverfolgung betraf die Griechen, die seit der Kolonisation während der Antike in der Umgebung des Schwarzen Meeres gelebt haben. Der Ausdruck „Griechenverfolgung“ wird in der Geschichte genutzt, um die Verfolgungen, Massaker und Abschiebungen sowie erzwungene vorgeschriebene Migrationen durch die Regierung der Jungtürken über die Griechen am Schwarzen Meer zu Beginn des 20. Jahrhunderts zu bezeichnen. Griechenverfolgungen fanden vor Allem anlässlich des Ersten Weltkrieges statt. Oftmals gibt es Anspielungen auf die Tragédie Pontique, die Extermination Pontique und auf die Atrocités commises par les Turcs dans le Pont et l’Asie Mineure.

Eine Methode zur systematischen Eliminierung der Griechen war die Einführung der Zwangsarbeit (Amele Taburları-Tagmata Ergasias). Eine weitere Variante dieser Politik waren die

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Todesmärsche von älteren und behinderten Menschen, von Frauen und Kindern. Viele junge und gesunde Menschen wurden requiriert um unter osmanischer Verwaltung zu arbeiten. Der Ausdruck „weißes Massaker“ wurde genutzt, um all diese indirekten Mittel und Wege zu bezeichnen, die den Tod herbeiführen sollten (Hungersnot, Deportation, Konzentrationslager, Ermordungen, Erhängungen, Krankheiten, etc.).

Seit 1994 verwendet das Griechische Parlament offiziell den Terminus Völkermord, um all diese Ereignisse zu beschreiben. Die Wahl des 19. Mai als Tag der Gedächtnisfeier für dieses Geschehen wurde als eine Provokation verstanden, da dieser Tag der türkische Nationalfeiertag ist. Die türkische Regierung weist den Ausdruck Völkermord zurück. Man kann unmöglich sagen, wie viele Griechen aus der Umgebung des Schwarzen Meeres, aus Smyrna und dem restlichen Kleinasien zwischen 1916 und 1923 starben. Genauso ist es unmöglich zu bestimmen, wie viele Griechen aus Anatolien nach Griechenland oder in die Sowjetunion vertrieben worden sind. Edward Hale Bierstadt gibt an, dass „laut offizieller Aussage die Türken 1.500.000 Armenier und 500.000 Griechen, Frauen und Kinder mit inbegriffen, kaltblütig und auf grausamste Weise in den Tod geschickt wurden“. Letztendlich muss noch festgehalten werden, dass eine unleugbare Anzahl der Griechen aus der Umgebung des Schwarzen Meeres zum Islam konvertiert sind: um zu überleben und ihr Hab und Gut zu behalten. Ohne dabei die Anzahl der Kinder aus getöteten Familien zu nennen, die von den Türken aufgezogen und adoptiert wurden. Nach Ismail Enver, einem Ratgeber der deutschen Armee, hätte der türkische Verteidigungsminister im Jahr 1915 erklärt, er wolle „das griechische Problem … auf dieselbe Weise lösen, so wie sie das armenische Problem lösen wollten“.

Griechenland und die Republik Zypern haben den Völkermord offiziell anerkannt. Am 11. März 2010 hat das Schwedische Parlament offiziell „den Völkermord von 1915 gegen die Armenier, die Assyrier, die Syrier und die Chaldäer sowie die Griechen der Schwarz Meer Region“ anerkannt. Die Internationale Vereinigung von Völkermordforschern hat am 16. Mai 2007 diesen sowie den Völkermord an den Armeniern und den Assyriern anerkannt.

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Die Protagonisten der Erweiterung des Griechischen Staates und des „Nationalen Schismas“

1868-1923 Konstantin I. von Griechenland

Konstantin I. von Griechenland, manchmal auch Konstantin XII. von Griechenland, wurde am 2. August 1868 in Athen geboren und starb am 11. Januar 1923 in Palermo in Sizilien. Dem Haus Oldenburg zugehörig war er der dritte Herrscher des modernen Griechenlands und regierte von 1913 bis 1917 und schließlich von 1920 bis 1922. Er trug den Titel König der Griechen.

Der Erste Weltkrieg im Jahr 1914 war der Auslöser für den Bruch zwischen dem König und seinem Premierminister. Als Schwager des Kaisers Wilhelm II. und somit deutschlandnah befand sich Konstantin I. mit Eleftherios Venizelos in einer Meinungsverschiedenheit. Letzterer verschrieb sich der Triple-Entente. Im Jahr 1915 zwang der König Venizelos von seinem Amt zurück zu treten. Venizelos gründete in Thessaloniki jedoch eine „Regierung der Nationalen Verteidigung“, welche von den Alliierten unterstützt wurde. Das Land fand sich schnell in zwei Lager geteilt: das „Nationale Schisma“.

Im Juni 1917, nachdem die alliierten Streitkräfte gedroht haben Athen zu bombardieren, musste Konstantin I. letztendlich den Thron an seinen zweiten Sohn, Alexander I. übergeben. Konstantin I. hat sich anschließend in der Schweiz niedergelassen.

Nach dem Tod des jungen Königs, der Niederlage Venizelos anlässlich der Parlamentswahlen von 1920 und einem Volksbegehren zugunsten einer Rückkehr Konstantin I., kehrte dieser zurück an die Spitze seines Landes. Jedoch wurde der Herrscher aufgrund des griechischen Militärdesasters in Kleinasien während des zweiten Griechisch-Türkischen Krieges (1919-1920) im Jahr 1922 endgültig dazu gezwungen abzudanken und nach Italien ins Exil zu ziehen. Dort verstarb er kurz Zeit später. Sein erstgeborener Sohn, Georg II. folgte ihm kurzzeitig bevor er die Krone ablehnte.

1893-1920 Alexander I. – König von Griechenland

Alexander I. von Griechenland wurde am 1. August 1893 im Sommerpalast in Tatoi, in der Nähe von Athen, geboren. Er starb am 25. Oktober 1920. Vom 10. Juni 1917 an bis zu seinem Tod im Jahr 1920 war er der König der Griechen.

Als zweiter Sohn des Königs Konstantin I. von Griechenland, wurde Alexander im Jahr 1917 zum Nachfolger seines Vaters, nachdem die Alliierten den König und seinen erstgeborenen Sohn, der Diadoche Georg, ins Exil in die Schweiz getrieben haben.

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Ohne wirklich über politische Erfahrungen zu verfügen, wurde der neue Souverän von der aufrührerischen Gruppe um Venizelos um jede Macht gebracht. In Wirklichkeit hat der Premierminister, der von Kreta stammende Eleftherios Venizelos, mit der Hilfe der Streitkräfte der Entente regiert. Alexander I. unterstütze jedoch die griechischen Truppen in ihrem Krieg gegen Bulgarien und das Osmanische Reich. Er wurde schließlich der Herrscher eines merklich vergrößerten Griechenlands nach dem Ersten Weltkrieg und dem Beginn des Griechisch-Türkischen Krieges (1919-1920).

Im Oktober 1920 starb der junge König Alexander I. in der Folge einer Blutvergiftung durch einen Affenbiss im Garten des königlichen Palastes. Der Tod des Königs hat eine Kettenreaktion ausgelöst, die in der Megalê katastrophê (der „großen Katastrophe“ in der modernen Geschichte Griechenlands) endete. Zunächst blieb die Nation ohne Herrscher: Alexander I. hat eine nicht standesgemäße Ehe beschlossen und seine einzige Tochter, Prinzessin Alexandra, hatte keinen Thronanspruch. Die Brüder des Königs, Prinz Georg und Prinz Paul, haben es abgelehnt den Thron zu besteigen, so lange ihr Vater, der ehemalige König Konstantin I. noch lebt. Das Fehlen eines Souveräns hat schließlich in Griechenland schwerwiegende politische Schwierigkeiten verursacht. Die Frage zur Erhaltung der Monarchie trat auf. Venizelos stellt sich gegen die Restauration des ehemaligen Souveräns und verkündet stattdessen die Republik in Griechenland. Er ist sich jedoch bewusst, dass die europäischen Großmächte nicht dazu bereit sein werden eine solche Entwicklung zu akzeptieren.

1864-1936 Eleftherios Venizelos

Eleftherios Kyriakou Venizelos, geboren am 23. August 1864 in Mournies auf Kreta, starb am 18. März 1936 in Paris, Frankreich. Er war ein griechischer Politiker, der ab 1921 als „Begründer des modernen Griechenlands“ angesehen wurde.

Die Jugend Venizelos‘ ist durch Kämpfe gegen die osmanische Präsenz auf Kreta geprägt und durch die Befürwortung einer Angliederung an Griechenland, der Enosis, gekennzeichnet. Nach seinem Studium auf Kreta und in Griechenland wird Venizelos 1887 Anwalt und lässt sich in Chania nieder. Er versucht sich im Journalismus und in der Politik. Nachdem er 1889 zu einem liberalen Abgeordneten in der kretischen Generalversammlung gewählt wurde und in dem Aufstand von 1897-1898 als Aufständischer auftrat, hat er schließlich die Verfassung des autonomen Kretas verfasst. Als Justizminister (1898-1901) in der lokalen Regierung des Hochkommissars Georgs, stellt er sich gegen diesen in Bezug auf die Frage der Angliederung an Griechenland. In eben diesem Kontext übernahm Venizelos im Frühling 1905 die Führung eines Aufstandes, der mit der Abreise des Prinzen Georgs endete. Sein Ruf reicht über die Grenzen seiner Insel hinaus und er erlangt internationales Ansehen. Als das griechische Militär den Aufstand von Goudi im Sommer 1909 organisiert hat, wurde Venizelos gebeten das Schicksal der Nation in die Hände zu nehmen. Erst nachdem seine Partisanen die demokratischen Wahlen im Sommer 1910 gewonnen haben, nahm er an. Als Premierminister führte er eine Modernisierungspolitik des Königreiches. Dies in erster Hinsicht in Bezug auf die Armee und die Marine, damit das Land die Möglichkeit erhält den sich abzeichnenden Konflikten die Stirn zu bieten. So geht Griechenland als Sieger aus den beiden Balkankriegen hinaus.

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Allerdings geriet Venizelos in einen schwerwiegenden Konflikt mit dem Kommandanten der griechischen Truppen, dem Kronprinzen Konstantin. Der Widerstreit zwischen den Beiden hat sich während des Ersten Weltkrieges fortgesetzt. Konstatin I. bestieg 1913 den Thron. Er steht dem Dreibund näher, wohingegen Venizelos sich eher bei der Triple-Entente positioniert. Frankreich hat ihm das Großkreuz der Ehrenlegion überreicht. Die Einflüsse der gegenübergestellten Kriegsmächte enden in der Spaltung Griechenlands, dem sogenannten „Nationalem Schisma“. Venizelos wurde durch den König seines Amtes enthoben. Er erschuf jedoch eine zweite Regierung in Thessaloniki unter dem Schutz der Truppen der Entente. Frankreich gelingt es im Juni 1917 den König ins Exil zu vertreiben. Venizelos lässt sich mit seiner Regierung in Athen nieder. Es gelingt ihm, die Erfordernisse einer Außenpolitik, die an den Krieg gebunden sind und eine Reihe von modernisierenden Reformen miteinander zu vereinbaren.

Dank seiner Handlungen zählt das Königreich Griechenland zu den Siegermächten. Bei den Friedensverhandlungen ermöglicht es ihm sein diplomatisches Talent die Megali Idea teilweise durch die Verträge von Neuilly und von Sèvres zu verwirklichen. Bei seiner Heimkehr wird er als Held empfangen. Trotzdem verliert er die Wahlen im November 1920. Diese Niederlage stellt für ihn den Beginn einer Reihe von aufeinander folgenden Exilaufenthalten in Frankreich dar. Die politische Rückkehr führt ihn in ein Land der Instabilität zurück. Bei zwei Wiederaufnahmen erscheint er als Mann des Schicksals. Venizelos glänzt in seiner Besonderheit: der Auslandspolitik. Griechenland wurde seit dem Beginn der 1920er Jahre in einer diplomatischen Isolation aufrechterhalten.

Nach der militärischen Kriegsniederlage gegen die Türkei handelt Venizelos den Vertrag von Lausanne von 1922-1923 aus. Im Jahr 1928, in einem politisch und sozial schwierigen Umfeld, wird er Premierminister. Zum dritten Mal führt er eine Modernisierungspolitik, besonders in den landwirtschaftlichen Sektoren. Er wurde diktatorischer Tendenzen bezichtigt und verlor die Wahlen von 1932. Schließlich und nach zwei versuchten und gescheiterten Staatsstreichen in Misskredit geraten, stirbt Venizelos im Exil in Paris in Frankreich im Jahr 1936.

1920 Vertrag von Sèvres

Am 17. Mai 1920 erkennt der Senat der Vereinigten Staaten die Rechte der Griechen über den Norden Epirus‘ im Rahmen des Tittoni-Venizelos-Abkommen an. Jedoch bemängelt der neue italienische Außenminister, Carlo Sforza, am 22. Juli 1920 dieses Abkommen. Die Friedenskonferenz hat angesichts der italienischen Feindseligkeit die Probleme des Nordens Epirus‘ auf die Botschafterkonferenz verschoben.

Der Vertrag von Sèvres wurde am 10. August 1920 durch die beteiligten Streitkräfte (britannisches Reich, Frankreich, Japan, Italien) und die verbündeten Staaten (Armenien, Belgien, Griechenland, Hedschas, Polen, Portugal, Rumänien, Tschechoslowakei, die jugoslawischen Staaten, welche die Slowenen, Kroaten und Serben vereinen) unterschrieben. Die Zeremonie fand in dem großen Saal in Sèvres statt, welcher heute das Porzellanmuseum beherbergt.

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Der Vertrag von Sèvres führt die Unabhängigkeit Armeniens im Nordosten der damaligen Türkei ein, im Südosten wurde Kurdistan in die Autonomie entlassen, Griechenland wird Ostthraken und die Region Smyrnas zugesprochen, beide Regionen waren von gemischten Völkern bewohnt (Griechen und Türken). Am gleichen Tag unterzeichnet Eleftherios Venizelos ein Abkommen mit Italien, indem Italien auf den Dodekanes mit Ausnahme der Insel Rhodos verzichtet, welche bis zu einem Referendum 15 Jahre später unter italienischer Herrschaft bleibt, bis es dann wieder an Griechenland angegliedert wird. Der Vertrag von Sèvres löst außerdem die osmanische Armee auf und setzt das, was von der Türkei übrig blieb, unter die Kontrolle der Briten, Franzosen und Italiener. Sie teilten die Türkei unter sich in Einflussgebiete auf.

Der Vertrag von Sèvres wurde vom Sultan angenommen. Er lehnte jedoch die nationale Bewegung unter Mustafa Kemal Atatürk ab. Zuletzt hat weder das Osmanische Reich, für welches die Konsequenzen des Abkommens zu schwer waren, noch Griechenland den Vertrag von Sèvres ratifiziert.

Frankreich hat bei der Londoner Konferenz erklärt, dass es den Vertrag nicht ratifizieren wird und dass er revidiert werden muss. Im März 1921 hat Frankreich ein Abkommen mit der kemalistischen Regierung und anschließend einen Friedensvertrag unterzeichnet. Im Oktober desselben Jahres hat Frankreich ihnen Waffen verkauft, damit letztere gegen die griechischen Streitkräfte im Winter 1921-1922 kämpfen konnten.

„Megali Idea“ – „Nationales Schisma“ – „Kleinasiatische Katastrophe“

Die Megali Idea war der Ausdruck des Nationalgefühls und des Griechischen Nationalismus im 19. und 20. Jahrhundert. Sie zielte darauf ab, alle Griechen in einem Nationalstaat mit Konstantinopel als Hauptstadt zu vereinen. Zuerst nahm sie die Form eines Irredentismus an. Der Begriff wurde 1844 von Ioannis Kolettis, dem Premierminister Otto I. eingeführt. Die Megali Idea hat die gesamte Außenpolitik beeinflusst und dadurch dann auch die Innenpolitik Griechenlands. Die Hauptgegner der Verwirklichung der Megali Idea waren, abgesehen von dem Unabhängigkeitskrieg in den 1820er Jahren, dem Problem Zyperns in den 1970er Jahren und den Balkankriegen des 20. Jahrhunderts, das Osmanische Reich und schließlich die Türkei.

Das „Nationale Schisma“ bezieht sich auf die politische Spaltung zwischen dem König Konstantin I. , der eine deutschlandnahe Position einnahm, und seinem Premierminister, Eleftherios Venizelos, der sich in die Nähe der Entente während des Ersten Weltkrieges positionierte.

Griechenland war also durch das „Nationale Schisma“ in drei Teile geteilt: im Süden in die Zone unter königlicher Regierung mit der Hauptstadt Athen; im Norden (Thessalien und Epirus) die Zone unter der provisorischen Regierung Venizelos‘ mit Thessaloniki als Hauptstadt und zwischen diesen beiden Zonen gab es eine neutrale Zone die durch die Alliierten kontrolliert wurde, um einen drohenden Bürgerkrieg zu vermeiden.

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Charles Jonnart hat dem griechischen Premier Minister Alexandros Zaimis eine Notiz der Aliierten übergeben, die die Abdankung des Königs Konstantin I. forderten. Der seiner „Politik der Neutralität“ treubleibende König akzeptierte die Forderung und verließ das Land in Begleitung des Diadochen Georgs. Der Thron wurde an seinen zweitgeborenen Sohn Alexander I. im Jahr 1917 übergeben.

Die königliche Regierung unter Zaimis trat zurück. Venizelos, durch den noch jungen König gerufen, legte in Piräus ab und bildete eine neue Regierung. Die Regierung aus Thessaloniki wurde nach Athen umgesiedelt.

Nach dem Tod von Alexander I., bestieg 1920 wieder Konstantin I. den Thron. 1922 wurde er durch einen Staatsstreich aus dem Land verjagt. Sein erstgeborener Sohn Georg folgte ihm. Er regierte noch etwas mehr als ein Jahr, bevor er sich eine Beurlaubung von unbestimmter Dauer nahm. Im Jahr 1924 wurde die erste griechische Republik ausgerufen.

All diese politischen Veränderungen waren mehr oder weniger mit dem Ersten Weltkrieg verbunden, welcher vorher begann und in Griechenland erst später endete. Die Balkankriege begannen tatsächlich schon im Jahr 1912. Der Erste Weltkrieg dauerte bis in das Jahr 1923 an. Der Vertrag von Sèvres war ein Fortschritt für Griechenland, dass sich auf dem Weg der Megali Idea befand. Griechenland versuchte alle Klauseln, die Kleinasien betrafen, von dem Osmanischen Reich abzuverlangen. Griechenland stieß also mit der Türkei Mustafa Kemals zusammen, welcher gerade die Verwaltung des im Sterben liegenden Osmanischen Reiches aufnahm. Atatürk nutze die Gelegenheit des Krieges um sich durchzusetzen. Der Vertrag von Lausanne, der die militärische Niederlage Griechenlands in Kleinasien sanktionierte rief die „Kleinasiatische Katastrophe“ hervor.

1919-1922 Der Griechisch-Türkische Krieg

Der Griechisch-Türkische Krieg von 1919-1922 war ein Widerstreit, indem sich Griechenland den türkischen Revolutionären des Osmanischen Reiches gegenüberstellte. Der Widerstreit hat sich zwischen Mai 1919 und Oktober 1922 abgespielt.

Der geopolitische Kontext des Griechisch-Türkischen Krieges von 1919-1922 steht in Verbindung mit der Teilung des Osmanischen Reiches durch die alliierten Regierungen nach dem Ersten Weltkrieg. Die Teilung ist selbst eine direkte Konsequenz der Intervention der Osmanen auf der Seite des Dreibundes während des Widerstreits.

Im Jahr 1919 haben 200 000 griechische Soldaten die Autorisation der Entente erhalten, in der Stadt Smyrna (Izmir) in Anatolien an Land zu gehen. Sie haben die Kontrolle über die Stadt und die Umgebung übernommen. Der rechtliche Nachweis für diese Ausschiffung findet sich im Artikel 7 des Waffenstillstands von Mudros. Letzterer gestattete es den Alliierten „jeden strategischen Punkt [des türkischen Gebietes] zu besetzen, in jeder erforderlichen Situation, die die Sicherheit der Alliierten bedrohen könnte“.

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Im Jahr 1920, in Folge des Vertrags von Sèvres und unter dem Druck der Regierung der Entente, darunter insbesondere der Druck seitens des Premierministers der Vereinigten Königreichs David Lloyd George, befand sich das Osmanische Reich, welches während des Ersten Weltkrieges besiegt worden war, in völliger Zergliederung. Die Türken haben das östliche Thrakien, die Inseln Imbros und Tenedos sowie das Vilâyet Smyrna an das hellenische Königreich abgetreten. Griechenland wurde somit durch seine Intervention im Krieg an der Seite der Alliierten ab 1917 wieder neu zusammengesetzt.

Jedoch misstrauten die Westmächte Griechenland seit der Machtrückkehr Konstantin I. und Griechenland konnte nicht mehr mit ihrer Hilfe rechnen. Alle Anfragen bezüglich Leihgaben, Waffen, Munition und Verpflegungen wurden abgelehnt.

Die hellenische Präsenz wurde von vielen Türken und Muslimen wie eine Demütigung empfunden. Nationalistische Türken, geführt von Mustafa Kemal, haben den Vertrag nicht akzeptiert und gingen in die Offensive. Die türkischen Truppen haben sich den griechischen Soldaten mit einem starken Widerstand widersetzt. Die griechische Offensive in Ankara im März 1921 war eine Katastrophe. Im März 1922 hat sich Griechenland für die Vermittlung durch den Völkerbund bereit erklärt. Der Angriff, welcher am 26. August 1922 von Mustafa Kemal geleitet wurde, zwang die griechische Armee vor der türkischen Armee, welche alle Griechen in dieser Region töteten, zurück zu weichen. Smyrna, welches am 8. September evakuiert wurde, wurde vollständig niedergebrannt. Man nimmt an, dass etwa 30.000 Christen getötet wurden und mehr als 1.000.000 Flüchtlinge Kleinasien verlassen mussten.

Der Widerstreit endete mit einem überwiegenden Sieg der Türken und der Vertrag Sèvres wurde hinterfragt. Durch den Vertrag von Lausanne musste Griechenland seine gewonnen Gebiete aus dem Jahr 1920 an die Türken zurückgeben. Am selben Tag haben Venizelos und Kemal ein Handelsabkommen unterzeichnet, welches sich vor allem als eine Konvention verstand, welche regeln sollte, dass es nicht mehr zu einem direkten militärischen Aufstand zwischen den beiden Ländern kommt. Zur Unterzeichnung des Abkommens ist Venizelos selbst in die Türkei gereist. Ein Austausch der Bevölkerungen wurde zwischen diesen beiden Ländern ausgeführt (1 300 000 Griechen der Türkei gegen 385 000 Türken Griechenlands).

1922 Das große Feuer Smyrnas

Izmir ist die moderne türkische Form von Smyrna, eine Stadt die seit der Antike bekannt ist (wie auch Iznik der Moderne Name für Nikäa ist). Sie wurde etwa 3000 vor Christus gegründet. Der Name stammt von einer Amazonenkönigin. Zwischen 2000 und 1200 vor Christus gehörte sie dem Königreich der Hethiter an, danach wurde sie von den Aioliern, die im 6. Jahrhundert vor Christus aus Griechenland nach Anatolien emigrierten, besetzt. Schließlich wurde sie von den Ionen besetzt.

Smyrna wurde im Anschluss an den Ersten Weltkrieg durch den Vertrag von Sèvres Griechenland zugesprochen, da die Bevölkerung der Stadt zu großen Teilen aus Griechen bestand. Smyrna wurde ab dem 15. Mai 1919 von der griechischen Armee besetzt. An diesem Tag

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starben mehr als 2.000 Menschen in Smyrna und Umgebung. Nach dem militärischen Zusammenbruch der Griechen während des Sommers 1922, wurde die Stadt durch die Streitkräfte Atatürks am 9. September 1922 am Ende der Griechischen Revolution übernommen.

In den letzten Kriegswochen, haben viele Griechen in Smyrna Zuflucht gesucht. Mehr als 20 000 Personen pro Tag haben versucht sich in Sicherheit zu bringen: es waren mehr als 200 000 Griechen am 8. September, als die letzten griechischen Streitkräfte die Stadt verließen. Im Hafen blieben nur noch ausländische (englische, französische, italienische und amerikanische) Schiffe zurück. Die ersten türkischen Truppen erreichten die Stadt am 9. September. Die Stadt wurde zum Schauplatz von Plünderungen und Ermordungen der griechischen und armenischen Bevölkerung. Der Metropolit von Smyrna, Chrysostomos, wurde auf dem Hauptplatz, unter dem Blick der Wachen des französischen Konsulats, ermordet. Aufgrund ihrer Neutralität durften die französischen Wachen nicht eingreifen. Chrysostomos hat es zuvor abgelehnt sich mit den letzten griechischen Offiziellen die Stadt zu verlassen. Die meisten europäischen Schiffe haben es abgelehnt, die Flüchtlinge aufzunehmen. Letztere versuchten die Schiffe festzumachen. Die Versuche des amerikanischen Konsuls Horton, eine Evakuierung zu organisieren, wurden von seiner Regierung nicht anerkannt.

Am 13. September brach ein Feuer in dem armenischen Viertel aus. Es hat sich schnell in der ganzen Stadt ausgebreitet und ließ sich nicht unter Kontrolle bringen: innerhalb einer Woche hat das Feuer beinahe die ganze Stadt zerstört und mehr als 2.000 Tote gefordert. Der Ursprung dieser Katastrophe wird stark diskutiert: die Griechen und Armenier schreiben die Verantwortung den türkischen Plünderern zu. Die Türken hingehen klagen die Griechen an, sich auf eine Politik der „verbrannten Erde“ eingelassen zu haben, um zu verhindern, dass ihre Güter den Türken zufallen würden. Der amerikanische Konsul Horton wurde zum Augenzeugen dieser Katastrophe. In seinem Werk „The Blight of Asia“, welches 1926 veröffentlich wurde, klagt er vor allem die türkische Armee für die Zerstörung der Stadt Smyrna an. Diese Aussage wurde auch von historischen Studien bestätigt: zum Beispiel Smyrna 1922: The Destruction of a City von M. Housepian Dobkin (1988).

Am 24. September kehrte die griechische Flotte zurück nach Smyrna und hat bis zum 1. Oktober 180 000 Flüchtlinge evakuiert. Dies war der Auftakt des Bevölkerungsaustausches zwischen Muslimen und Christen, welcher zwischen der Türkei und Griechenland im darauf folgenden Jahr stattfand.

1923 Vertrag von Lausanne

Der Vertrag von Lausanne ersetzt den Vertrag von Sèvres (1920). Er setzt dem Ersten Weltkrieg in Bezug auf die Türkei ein Ende. Er ist der letzte Vertrag, der aus dem Ersten Weltkrieg hervorging.

Nach den Siegen der kemalistischen Truppen über die griechischen Truppen im September 1922 wurde der Vertrag von Sèvres endgültig hinfällig. Eine internationale Konferenz wurde einberufen

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um diesen Vertrag durch einen neuen Vertrag zu ersetzen, welcher die neuen Machtbeziehungen des Gebietes berücksichtigen sollte.

Eleftherios Venizelos, welcher sich immer noch in einem freiwilligen Exil in Frankreich befand, wurde ausgewählt, um Griechenland bei den Friedensverhandlungen zu repräsentieren. Man hat auf ihn gesetzt und gehofft, dass er die militärische Niederlage in einen diplomatischen Sieg umwandeln könnte. Venizelos hat sich dafür eingesetzt, dass Thrakien, die Nordost Inseln des Ägäischen Meeres sowie die Regionen Kleinasiens, welche als definitiv verloren galten, weiterhin zu Griechenland gehören sollte. Er hat den Gedanken verteidigt, dass es zu einem freiwilligen Völkeraustausch kommen könnte. Während der Verhandlungen musste er jedoch akzeptieren, dass die Migrationen zwangsmäßig stattfanden. Er hat jedoch erreicht, dass weder die Griechen aus Konstantinopel (wo sich das Ökumenische Patriachat befand), noch die Türken Thrakiens von dieser Regelung betroffen waren.

Der Leiter der türkischen Delegation war Ismet Inönü. Nach Monaten der Mauscheleien, wurde der Vertrag am 24. Juli 1923 zwischen der Türkei auf der einen Seite und Frankreich, Italien, England, Japan, Griechenland, Rumänien, dem Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen auf der anderen Seite unterzeichnet.

Der Vertrag erkennt insbesondere die Rechtmäßigkeit des Regimes von Atatürk in Ankara an. Anschließend wurden die Grenzen der modernen Türkei festgelegt. Die Türkei verzichtet auf ihre ehemaligen arabischen Provinzen und erkennt die Aneignung Zyperns durch die Briten und die des Dodekanes durch Italien an. Die moderne Türkei ist folglich auf (West- und Ost-) Anatolien sowie das östliche Thrakien begrenzt. Der Austausch der griechischen und der türkischen Bevölkerung schloss sich an. Die Alliierten haben von Seiten der Türken wichtige Konzessionen für die arabischen und europäischen Gebiete des Osmanischen Reiches, welches von nun an nicht mehr existierte, erhalten. Die Alliierten hingegen haben auf die Unabhängigkeit, bzw. die Autonomie, Kurdistans und Armeniens verzichtet, was ehemals im Vertrag von Sèvres vorgesehen war. Die Kontrollen über die türkischen Finanzen und Streitkräfte wurde aufgehoben. Der Meeresenge der Dardanellen und des Bosporus wurden ohne Beschränkung dem Handel freigegeben. Der Vertrag von Lausanne hat ebenfalls dem Regime der Kapitulationen ein Ende gesetzt, welche den ausländischen Institutionen in der Türkei vorteilhafte Konditionen, vor allem im Wirtschaftsbereich, zuschrieb.

1923 Austausch der Bevölkerung zwischen Griechenland und der Türkei

Um zu vermeiden, dass Feindlichkeiten zwischen den Griechen und den Türken wieder aufkommen können und um alle zukünftigen Feindseligkeiten zwischen ihnen einzugrenzen, wurde in dem Vertrag von Lausanne, welcher 1923 zwischen der griechischen und der türkischen Regierung unterzeichnet wurde und welcher von der internationalen Gemeinschaft befürwortet und kontrolliert wurde, festgehalten, einen Austausch der Bevölkerungen vorzunehmen, um die Bevölkerungen zu homogenisieren.

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Die Griechen, die sich in der Türkei befanden, sollten nach Griechenland reisen; die Türken, die sich in Griechenland befanden sollten hingegen in die Türkei reisen. Jedoch verursachte dies auch viele Dramen und ungefähr 2.000.000 Personen wurden aufgrund angewandter Gewalt oder de jure zu Flüchtlingen, sie wurden aus ihrer jahrhunderte- oder jahrtausendelangen Heimat ausgebürgert.

Die vertriebenen Personen, meistens aus der Volksklasse, mussten ihren Geburtsort und nicht zuletzt ihre Heimat (die Erde ihrer Vorfahren) verlassen. Es war oftmals gar nicht so einfach festzulegen, ob jemand griechisch oder türkisch war. So wurde beschlossen, dass die Religion über die Nationalität bestimmen sollte. Ein Orthodoxer, auch wenn er nur türkisch sprechen konnte, wurde somit zum Griechen und nach Griechenland gebracht. Ein Muslime wurde mit einem Türken gleichgesetzt. Insgesamt verließen 1.200.000 „Griechen“ die Türkei und 500 000 „Türken“ Griechenland. Dies rief einen immensen Zulauf der griechischen Bevölkerung hervor: Piräus beispielsweise erlebte eine gewaltige städtische Explosion. Es gab keinerlei Vorbereitungen um eine solche Anzahl an Flüchtlingen zu empfangen, ihre Lebensbedingungen waren über sehr lange Zeit äußerst prekär.

Der Austausch der Bevölkerungen zwischen Griechenland und der Türkei im Jahr 1923 ist die erste dieser Art und dieses Ausmaßes. Sie stellt eine gezwungene Migration oder eine Vertreibung in gegenseitiger Übereinstimmung im 20. Jahrhundert dar, die fast zu einer vollständigen Verdrängung der griechischen Bevölkerung in Anatolien und zu einer ähnlichen Verdrängung der türkischen Bewohner in Griechenland geführt hat.

1909-1923 Die Jungtürkische Revolution – Aufhebung des Osmanischen Reiches - Entstehung der Republik Türkei.

Die Jungtürken waren eine politische Bewegung im Osmanischen Reich. Sie waren offiziell bekannt als „Komitee für Einheit und Fortschritt“, eine politisch nationalistische, revolutionäre und das Osmanische Reich reformierende Partei, welche am 14. Juli 1889 gegründet wurde. Ihre Vorsitzende haben eine Rebellion gegen den Sultan Abdülhamid II. angeführt (1909 gestürzt und ins Exil getrieben), den armenischen Völkermord geplant und die „Vertürkisierung“ Anatoliens eingeleitet. Die Partei der Jungtürken hat ihren Anfang in den politischen und militärischen Niederlagen der osmanischen Regierung und ihrem damit verbundenen fortschreitenden Verfall während des 19. Jahrhunderts gefunden. Sie warfen dem Sultan vor, dass er nicht im Stande wäre dem Druck der aus dem Ausland kam entgegen zu treten. Darüber hinaus haben sie seinen Autoritarismus und seine Brutalität angeprangert. Der Sultan hat mehrfach die Regierung des Osmanischen Reiches zwischen 1908 und dem Ende des Ersten Weltkrieges im Jahr 1918 geleitet.

Die Bewegung war hauptsächlich eine türkische Bewegung, es haben sich ihr aber auch nationalistische Reformisten anderer Völker angeschlossen: so beispielsweise die armenischen Dashnak. Doch hat sich die Bewegung dann gegen letztere gerichtet, um die Errichtung, eines aus ethnischer und religiöser Sicht, türkischen homogenen Staates zu fördern. Übersetzt heißt dies die Deportation und die Verfolgung der Armenier und der Griechen ab 1915.

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Ihre Mitglieder haben sie in Geheimgesellschaften von progressiven Studenten und militärischen Kadetten rekrutiert, welche die Gesellschaft von Grund auf modernisieren und verwestlichen wollten. Die Aufnahmemodalitäten waren durch Freimaurerrituale inspiriert . Dem Kandidaten wurden die Augen verbunden und er wurde von drei maskierten Individuen, die eine Pelerine trugen, empfangen. Der Kandidat musste einen Eid ablegen, bei dem er die Hand der Reihe nach auf den Koran und auf ein Schwert legen sollte. Er schwor, dem Land zu einer besseren Zukunft zu verhelfen und blind allen Befehlen der Vereinigung zu folgen.

Im Jahr 1908 schickte der Sultan Agenten los um Informationen über die „Jungtürken“ einzuholen. Die offiziellen Mitglieder des „Komitees für Einheit und Fortschritt“ haben einen Guerillakrieg gegen ihn angeführt. Kurz darauf wurde ein Manifest veröffentlicht, welches den Autoritarismus des Sultans anprangert und die Revolution ankündigt. Nichts war organisiert und das „Komitee für Einheit und Fortschritt“ hat kaum 300 Mitglieder gezählt, die Vorsitzenden hatten keinerlei Plan, die Reaktion der Armee blieb unbekannt. Der Sultan berief ein Regiment ein, um die Rebellen zu bekämpfen. Doch die Soldaten verbrüderten sich mit den Aufständischen. Er sandte dann eine Elitedivision, doch auch diese verweigerte den Abmarsch. Spezialeinheiten aus dem Inneren Anatoliens erklärten sich ebenfalls mit den Revolutionären solidarisch.

Der Sultan, auch der „rote Fuchs“ genannt, reagierte sofort: er kündigte die Wiederinkraftsetzung der Verfassung von 1876 und die Erschaffung einer konstitutionellen Regierung an. Er wies alle Fehler seines Regimes seinen Beratern zu und begrüßte die Revolutionären, welche er offiziell als die Retter des Landes anerkannte. Dank der Restauration dieser Verfassung konnten Parteien entstehen und das „Komitee für Einheit und Fortschritt“ gewann mit großem Abstand die Wahlen.

Die Jungtürken sahen ihre Hauptaufgabe darin, das Osmanische Reich zu erneuern, indem sie Institutionen nach dem Vorbild der westlichen Staaten einführten. Jedoch hatte die ethnische, soziale und religiöse Struktur des Reichs keinerlei Ähnlichkeit mit anderen europäischen Staaten. Für sie war ihr größtes Problem die nationalen Minderheiten. Für die Jungtürken war es unmöglich Griechen, Türken, Armenier, Kurden und Araber in einem Staat zu vereinen.

Die Nicht-Türken des Osmanischen Reichs und die Nachbarländer waren beunruhigt. Diese liberale Revolution, die die Gleichheit zwischen den verschiedenen ethnischen Gruppen des Reichs versprochen hatte, begann nun vor der Politik der „Osmanisierung“ zu verschwinden. Die Frage um Mazedonien stellt sich mit immer größerer Schärfe. Diese Region ist von Griechen, Bulgaren, Serben, Albanern, Türken und Walachen bevölkert.

Nichtsdestoweniger hatten sie nicht die Zeit ihr Programm anzuwenden, eine große Anzahl ehemaliger Politiker, welche durch den Sultan Abdülhamid ins Exil geschickt wurden, kehrte zurück. Sie nutzen die Wahlen um die Revolutionären des „Komitees für Einheit und Fortschritt“ zu vertreiben und die Kontrolle über die Partei zu übernehmen. Die leitenden Kräfte der Revolution verließen also Anatolien. Sechs Monate später war die Situation schlimmer als je zuvor.

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Im April 1909 , wuchs die Anarchie von Tag zu Tag. Die Anhänger des Sultans haben eiligst Priester und Hodjas versand, damit diese vor dem Ziel der Jungtürken warnen konnten. Das Ziel der Jungtürken wurde dabei als die Zerstörung des Islams und des Kalifats dargestellt. Die Islamisten und die Kadetten der Armee haben versucht eine Gegenrevolution in Gang zu bringen und haben die Rückkehr des Sultans an die Macht, die Aufgabe der Konstitution und eine Instandsetzung eines starken islamistischen Regimes gefordert.

Die Lage für das „Komitee für Einheit und Fortschritt“, welches nach Istanbul vertrieben wurde, war schlecht. Die Offiziere haben schließlich die Armee Mazedoniens zur Hilfe gerufen und der zweiten und dritten Armee den Befehl erteilt, in Istanbul einzulaufen. Sie drang am 24. April 1909 ein. Mustafa Kemal übernahm die Funktion des Stabschefs.

Nach den Balkankriegen haben die Jungtürken, die durch die europäischen Mächte zurück gedrängt wurden, es geschafft, das Osmanische Reich während des Ersten Weltkrieges mit Berlin zu verbünden, in der Hoffnung ihre verlorenen Provinzen zurück erobern zu können.

Sultan Abdülhamid II. ließ sich in der Stadt Allatini in Thessaloniki internieren und wurde durch seinen Bruder Mehmed V. (1909-1918) ersetzt. Dieser hatte jedoch keine wirkliche Macht und hat somit das Ende der absoluten Monarchie im Osmanischen Reich markiert.

Die Jungtürken haben tiefgreifende Reformen vorgenommen. Sie haben das Tanzimat vervollständigt. Die Bemühungen der Regierung zielten in die Richtung einer schnellen Modernisierung der Gesellschaft, vor allem in den Bereichen der Urbanisierung, der Landwirtschaft, der Industrie, der Säkularisierung des Staates und der Emanzipierung der Frauen. Sie haben die Schulen in Bezug auf die Konfession neutralisiert. Das Gericht und die Schule wurden für die Frauen des Reiches zugänglich gemacht. Ihre Rechte entwickelt sich nach und nach. Die ersten Regierungsjahre waren die demokratischsten Jahre in der ganzen Geschichte des Osmanischen Reichs.

Am 13. Oktober 1918 traten der Minister Talaat und die Partei des „Komitees für Einheit und Fortschritt“ von der Macht zurück . Die osmanische Regierung wurde schließlich unter die Autorität europäischer Mächte unter britannischer Führung gestellt. Im August 1920 hat der Sultan Mehmed VI. den Vertrag von Sèvres unterschrieben. Der Vertrag hat die Zergliederung und die Teilung und damit das Ende des Osmanischen Reichs nach 6 Jahrhunderten der Existenz besiegelt.

Eine neue türkisch-nationalistische Bewegung kommt auf. In Anatolien unter der Leitung von Mustafa Kemal (Atatürk) wurde ein Unabhängigkeitskrieg geführt und der europäischen Besetzung ein Ende gesetzt. Er hat die griechischen, britannischen, französischen und italienischen Besetzungsmächte vertrieben und für die Unterzeichnung eines anderen europäischen Vertrags, den Vertrag von Lausanne im Jahr 1923 gesorgt. Dieser neue Vertrag hat den Vertrag von Sèvres ungültig gemacht. Das Osmanische Reich hat im Jahr 1923 formal gesehen aufgehört zu existieren und wurde durch die Republik Türkei unter der Leitung von Kemal Mustafa Atatürk ersetzt.

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1881-1938 Mustafa Kemal Atatürk

Mustafa Kemal Atatürk , standesamtlich Mustafa Rız, wurde auch Gazi („der Siegreiche“) genannt. Er wurde am 19. Mai 1881 in Thessaloniki geboren und starb am 10. November 1938 in Istanbul. Er war der Gründer und der erste Präsident der Republik Türkei.

Nach dem Ersten Weltkrieg und der Besetzung des Osmanischen Reichs durch die Alliierten, konnte der Berufssoldat Mustafa Kemal die Zergliederung des Osmanischen Reichs durch den Vertrag von Sèvres nicht akzeptieren. Von seinen Anhängern gestärkt, rebellierte er gegen die kaiserliche Regierung und hat eine zweite politische Macht in Ankara erschaffen. Von dieser Stadt aus hat er als Kopf des türkischen Widerstands den Krieg gegen die Besatzungsmächte geführt.

Unter seinem Kommando haben die türkischen Streitkräfte die armenische, französische und italienische Armee besiegt. Anschließend hat er die griechischen Gruppen besiegt, die die Stadt und die Region Izmirs, Ostthrakien und die Inseln des Ägäischen Meeres besetzt hatten (Imbros, heute Gökçeada, Tenedos, heute Bozcaada und Moschonisi, heute Alibey). Nach der Schlacht von Sakarya, hat ihm die Große Nationalversammlung der Türkei den Titel Gazi (der Siegreiche) übertragen; es gelingt ihm tatsächlich die griechischen Armeen aus der Türkei zu vertreiben. In Folge seiner Siege haben die britischen Streitkräfte beschlossen einen ersten Waffenstillstand mit ihm zu unterzeichnen und sie wollten das Land verlassen.

Mustafa Kemal bestätigt seinerseits den heftigen Wunsch nach einem Bruch mit der kaiserlichen Vergangenheit des osmanischen Reiches und fordert radikale Reformen für sein Land. Durch die Französische Revolution inspiriert hat er die Situation genutzt, die er als einen Bruch des Sultans in Bezug auf den Waffenstillstand von Moudros empfand, um der Regierung des Sultans ein Ende zu machen. In der Nationalversammlung lässt er für die Aufgabe der Monarchie stimmen und lässt den letzten osmanischen Sultan Mehem VI. am 1. November 1922 vertreiben. Die Nationalversammlung hat dem erstgeborenen des osmanischen Hauses, Abdulmedjid, den Titel des Kalifen verliehen. Er führt die Trennung von Kirche und Staat ein: eine Trennung der politischen Macht durch das Sultanat und der spirituellen Macht durch das Kalifat. Er hält diese Trennung in der Verfassung fest.

Seine wichtigste Reform war die Einführung der Republik Türkei am 29. Oktober 1923, durch die er der türkischen Nation das Recht zuspricht, Volkssouveränität durch eine repräsentative Demokratie auszuüben. Er hat die Hauptstadt von Istanbul nach Ankara verlegt und das Land durch viele Reformen verwestlicht.

Er hat das Frauenwahlrecht eingeführt und das arabische Alphabet durch das lateinische Alphabet ersetzt, indem er das Alphabet durch die Buchstaben " ğ Ğ ı ş Ş" erweitert hat. Diese Reform wurde bekannt unter dem Namen der Revolution der Zeichen. Er verstand das Tragen des Fez (Kopfbedeckung), welcher seit 1826 getragen wurde, als feudalistisches Symbol und verbot es den Türken. Im Jahr 1926 wurde der muslimische Kalender durch den gregorianischen Kalender ersetzt und die Polygamie wurde verboten. Er forderte die Türken auf, sich dem europäischen

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Kleidungsstil anzupassen. Mustafa Kemal hat das Tragen des Hijabs nicht verboten, da er einen Bürgerkrieg befürchtete. Der Hijab durfte jedoch nicht mehr von Amtsleuten getragen werden. Im öffentlichen Leben wird stark von ihm abgeraten. Darüber hinaus hat er orientalischen Tanz und Musik verboten. Seit 1934 spielt das Radio nur noch westliche Musik. Er befürwortet die Entwicklung einer westlichen Kultur und investiert in Opern, Ballett und klassische Musik. 1934 erlässt er ein Gesetz, welches die Türken dazu zwang sich einen Familiennamen zu zulegen.

Mustafa Kemal übernimmt das deutsche Handelsgesetz, das italienische Strafgesetzbuch, das Bürgerliche Gesetzbuch der Schweiz, natürlich mit einigen Änderungen und Anpassungen. Männer und Frauen bekommen die gleichen Rechte, vor dem Gesetz werden die türkischen Bürger genau so frei, wie ein griechischer Bürger.

Unter seiner autoritären Präsidentschaft hat die Türkei eine soziale Revolution durchlebt, wie sie vorher noch nie da war. Sie wurde auch ganz allgemein die „Kemal-Revolution“ genannt. Am 24. November 1934 wurde Mustafa Kemal von der Nationalversammlung der Name Atatürk übertragen. Atatürk nicht im Sinne von „Vater der Türken“, sondern verstanden als „ Türkischer Vater“ im Sinne von „türkisch so wie die Vorfahren es waren“. Das Wort Ata sollte dabei die Abstammung bezeichnen.

Mustafa Kemal verstand Französisch, Englisch und Deutsch. Er war begeistert von der Französischen Revolution und den Ideen der Aufklärung. Die Republik Türkei entstand zum Teil auf dieser Grundlage.

Er starb am 10. November 1938 um 9h05 an einer Zirrhose. Während der nationalen Beerdigungsfeier wurde er im ethnographischen Museum in Ankara beerdigt. Heute ruhen seine sterblichen Überreste im Mausoleum in Anıtkabir.

Die Kurdenfrage

In Folge der Trennung von Kirche und Staat und der Verwestlichung des Landes durch Mustafa Kemal hat sich die Problematik religiöser und kultureller Minderheiten, vor allem die der kurdischen Gemeinschaft, gestellt. Der Wunsch der kemalistischen Regierung war eine ethnisch und religiös homogene Türkei. Mustafa Kemal interpretierte die Hinzuführung verschiedener Nationalitäten in der Türkei als eine Schwäche, durch welche sich die Europäer und darunter vor allem die Briten einen Vorteil ziehen könnten, um die Türkei zu zerteilen und zu zerstören.

Kurden sind Muslimen ohne jedoch gleichzeitig auch Semiten zu sein. Kurden sind also keine arabischen Völker, deswegen bestätigt die Türkei, dass sie „authentische türkische Völker sind“. Der Wunsch war also die Kurden in die Gruppe der Mehrheit einzugliedern. Trotzdem haben die Kurden nationale und separatistische Ansprüche. Ihre Sprache gehört zu den indo-europäischen Sprachen (iranische Sprachfamilie). Das Problem wird noch komplexer, weil die Türken einen

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Anspruch auf die Vilâyets von Mosul und Kirkouk erhoben haben, zwei Regionen im Irak welche reich an Erdöl waren und in denen mehrheitlich Kurden und Turkmenen lebten.

Im Rahmen der kurdischen Assimilation stimmt die Regierung von Kemal im Jahr 1924 für ein Gesetz, welches die Nutzung der kurdischen Sprache in schriftlichen Veröffentlichungen und in den Schulen verbot. Als Konsequenz entstand ein großer kurdischer Aufstand unter der Führung des Scheichs Said. Die kurdischen Stämme haben Elazığ, Maras und Bitlis angegriffen. Sie haben offen das ehemalige Regime des Sultans gegen die Republik Türkei unterstützt (welches der Vertrag von Sèvres geregelt hatte und welcher die Kurdische Autonomie gewährleistet hätte). Die Revolte wurde von islamischen Geheimgesellschaften und großen Tageszeitungen unterstützt. Das Vereinigte Königreich hat, um die Angliederung von Mosul und Kirkouk an die Türkei zu verhindern, die kurdischen Rebellen ermutigt und der Revolte Waffen und finanzielle Unterstützung zukommen lassen.

Mustafa Kemal hat neun Divisionen mit dem Befehl an die Soldaten, die Aufständischen zu unterdrücken, nach Anatolien geschickt. Er hat Gerichtshöfe der Unabhängigkeit und des Kriegsgerichts erschaffen. Er ließ alle Kurden, die allgemein als „Gefahr für die Innere Sicherheit des Staates“ galten, einsperren. 46 Anführer ließen ihr Leben auf dem Hauptplatz von Diyarbakir. Das Ziel der Regierung in Ankara war es, mit ihnen ein Exempel zu statuieren und die Kurden davon abzubringen zu rebellieren. Bei der Gelegenheit beschloss Mustafa Kemal auch, die Turben und Derwische, religiöse Sekten, Kloster und Bruderschaften, die er der Unterstützung kurdischer Nationalisten anklagte, auszulöschen. Die Revolte wurde bezwungen doch die Türken mussten die Autorität des Iraks über Mosul im Juni 1926 anerkennen.

Im Jahr 1930 brach ein neuer Aufstand aus und die türkische Armee hat mehr als 70.000 Männer und 100 Flugzeuge in Bewegung gesetzt, um den Aufstand zu unterdrücken. Zwei Jahre später wurde das Kriegsrecht über das kurdische Territorium verhängt. Die Deportation und die Zerstreuung eines Teils der Bevölkerung in Ostanatolien wurden organisiert. Am 14. Juni 1934 wurde ein weiteres Gesetz erlassen, welches als das „Gesetz Nr. 2510“ bekannt wurde. Dieses Gesetz bestimmt unter anderem die Umsiedlung der Bevölkerung in Hinblick auf die kurdische Assimilierung. Die kurdische Bevölkerung widersetzt sich diesem Gesetz und weitere Aufstände brachen vor allem zwischen 1937 und 1938 in Dersim, unter der Führung des Leaders Seyid Riza, und auch in anderen Gebieten, die sich bis zum irakischen Kurdistan ausbreiten, aus.

Anlässlich einer Rede, die Mustafa Kemal am 1. November 1936 gehalten hat, erkennt er an, dass das Kurdenproblem eins der schwerwiegendsten innenpolitischen Probleme in der Türkei darstellt.

1940-1945 Zweiter Weltkrieg

Am 28. Oktober 1940 hat der italienische Botschafter Emmanuele Grazzi dem griechischen Premierminister Ioannis Metaxas in Athen ein Ultimatum gesetzt, in welchem er den freien Durchmarsch der italienischen Truppen auf griechischem Grund forderte. Metaxas jedoch lehnte das Ultimatum ab. Dieser Tag wurde als der „Tag des Neins“ gefeiert. Er hat die italienische Offensive gegen Griechenland ausgelöst. Mussolini hoffte darauf, denselben

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militärischen Erfolg wie Hitler davon zu tragen. Die griechische Armee hielt der Offensive jedoch stand. Durch eine Gegenoffensive konnten sie ein Viertel des albanischen Territoriums besetzen.

Am 6. April 1941 fällt Deutschland in Griechenland und dann in Bulgarien ein, um seinen italienischen Verbündeten zu „rächen“ und die südliche Front zu sichern. Die griechische Armee, in Anzahl der Soldaten und Ausrüstung deutlich unterlegen, bricht zusammen. Athen fällt am 27. April 1941. Nach dem Fall von Kreta am 1. Juni wurde Griechenland nun endgültig durch die Achsenmächte Italien, Deutschland und Bulgarien unterdrückt . Griechenland wurde in drei Besatzungszonen geteilt. Eine Marionettenregierung wurde in Athen eingerichtet. Doch der Führer war gezwungen seine Truppen in den Norden zu versenden. Am 13. Mai, noch vor der Luftschlacht um Kreta , hat er seine Intention kundgegeben, dass er Griechenland mit Italien teilen wollte.

Der König Georg II. betreibt seine Regierung aus dem Exil . Einem Teil der bewaffneten griechischen Streitkräfte gelingt es den Mittleren Orient, der von den Briten besetzt wurde, zu erreichen. Die Streitkräfte wurden von den Briten wieder aufgerüstet und einem Kader unterstellt. Sie wurden unter die Autorität der griechischen Exilregierung gestellt und durch Freiwillige unterstützt, die aus von griechischen Gemeinschaften von Ausgewiesenen herkamen. Die griechischen Truppen haben in dem Mandatsgebiet Palästina die griechisch königliche Armee des Mittleren Ostens gebildet. Letztere hat an der Seite der Alliierten an den Schlachten teilgenommen, besonders an den Feldzügen in Afrika und im Mittleren Osten, wo sie an der zweiten Schlacht von El Alamein teilnahmen. Die dritte Gebirgsinfanteriebrigarde der freien griechischen Streitkräfte nimmt schließlich an dem Feldzug Italiens teil und bezieht Stellung in der Offensive gegen die Gothenstellung.

Im Land wurde die Judendeportation in Gang gesetzt. Die Besetzung Griechenlands erwies sich als eine schwierige Prüfung für die Zivilbevölkerung: mehr als 300.000 Personen starben an Hunger, tausende Andere starben an Vergeltungsmaßnahmen der Besatzungsmächte. Das Land kennt eine der aktivsten Widerstandsbewegungen im besetzen Europa. Die Wirtschaft des Landes ging zugrunde.

Die erste und bescheidene Widerstandshandlung in Griechenland fand in der Nacht vom 30. Mai 1941, noch vor dem Ende der Luftschlacht um Kreta, statt. Zwei Studenten, Apostolos Santas und Manolis Glezos rissen die Naziflagge, die an der Nordost-Fassade der Akropolis befestigt war, hinunter.

Im Sommer 1944 verschlechterte sich die Lage für die Achsenmächte an der Ost- und an der Süd-Front. Anfang September fiel die Sowjetunion in Bulgarien ein und die Macht hat das Lager gewechselt. Das Heranschreiten der sowjetischen Truppen in Osteuropa, der Gewinn von Territorien durch den griechischen Widerstand und das Anlegen britischer Truppen im Oktober 1944, haben die Deutschland veranlasst das nationale Gebiet zu verlassen.

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Parallel dazu haben wichtige Widerstandsgruppen öffentlich gegen die Besetzungsmächte gekämpft. Sie haben sogar einige Gebirgsregionen im Nordosten kontrolliert, trotz der Vergeltungsmaßnahmen durch die Deutschen und die griechische Marionettenregierung. Der Widerstand wurde allerdings von wachsenden Spannungen zwischen den monarchistischen, nationalistischen und kommunistischen Widerstandsgruppen begleitet. Es kam soweit, dass sich die verschiedenen Widerstandsgruppen Ende 1943 gegenseitig bekämpften. Dieser Konflikt trat vor allem zwischen den Kommunisten und den Nicht-Kommunisten auf. Als Griechenland im Oktober 1944 befreit wurde, befand sich das Land in einer Staatskrise, die in einen Bürgerkrieg führte. Die Alliierten wollten eine Machtübernahme durch die kommunistischen Griechen verhindern und planten eine Ausschiffung. Die Vereinigten Staaten wollten nicht, dass sich eine zweite Front in Südeuropa eröffnen würde. Die Lage wurde durch das Vereinigte Königreich unter Kontrolle gebracht. Es hatte zuvor die jugoslawischen Kommunisten unterstützt und wollte unbedingt vermeiden, dass es zu einem Wechsel zum Kommunismus in den gesamten Balkanstaaten kommen würde. Am 26. September haben die EDES, die ELAS und die griechische Exilregierung akzeptiert, ihre Truppen unter das Kommando des britischen Generalleutnant Roland Scobie zu stellen.

Der griechische Widerstand hat zwischen 20.000 und 30.000 Kämpfern gezählt, die ELAS war die mächtigste und am besten strukturierte Bewegung. Die EDES war insbesondere in der Region von Epirus tätig.

Die Besetzung endete im Oktober 1944 mit dem Rückzug der deutschen Truppen aus dem festländischen Teil des Landes. In anderen Teilen, auf Inseln, wie beispielsweise auf Kreta oder dem Dodekanes, blieb die deutsche Besatzung noch bis Mai/Juni 1945.

Am 12. Oktober 1944 haben die Deutschen Athen geräumt. Zwei Tage später sind die britischen Truppen von Ronald Scobie in der Hauptstadt von Bord gegangen. Am 17. Oktober sind britische und griechische Schiffe in der Meeresenge des Hafens Phaleron eingetroffen. Einen Tag später gelangte die durch den König Georg II. entworfene und durch Georgios Papandreou geleitete Regierung der Nationalen Einheit in die Hauptstadt. Die alliierten Truppen belagerten das Land als die Besetzungsmächte bereits im Rückzug waren: die letzten deutschen Soldaten verließen Griechenland Ende Oktober.

Die politischen Spannungen nahmen ein extremes Ausmaß an und zogen einen bewaffneten Konflikt zwischen den griechischen Kommunisten, den Republikanern, den monarchistischen Autoritäten und den Briten nach sich. Eine heikle Waffenruhe wurde im Februar 1945 beschlossen. Der Erzbischof Damaskinos, Regierungschef, sicherte dem Königreich die Herrschaft zu, während er die Entscheidung über den Erhalt oder die Aufgabe der Monarchie abwartete.

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1941 Die Luftschlacht um Kreta

In der Luftschlacht um Kreta standen sich britische und alliierte Truppen (Neuseeland, Australien und Griechenland) den deutschen Fallschirmspringertruppen während 10 vollen Tagen vom 20. bis zum 31. Mai 1941 gegenüber. Dies war die letzte Schlacht in den Balkanstaaten.

Am Morgen des 20. Mai 1941 startete das Dritte Reich eine Luftinvasion über Kreta unter dem Codenamen „Operation Merkur“. 17.000 deutsche Fallschirmspringer unter dem Befehl von Kurt Student wurden an drei Punkten losgelassen: Malema, Heraklion und Rethymnon. Ihr Ziel war die Sicherung dieser drei Flugplätze für die Ankunft von Verstärkung durch die deutsche Luftwaffe. Letztere hatte die Kontrolle über den Luftraum, wohingegen die Royal Navi noch immer die Herrschaft über die Meere innehatte und jedes an Land gehen verhinderte.

Während zwei Wochen wütete diese Schlacht: mindestens 4.000 deutsche Fallschirmspringer wurden getötet, 500 wurden gefangen genommen. Obwohl die Deutschen über die britischen und neuseeländischen Truppen des Genereals Bernard Freyberg (letztere haben 15.000 Männer verloren) gesiegt haben, wurde kein weiterer Luftwaffeneinsatz dieses Ausmaßes durch die Deutschen bis zum Ende des Krieges durchgeführt. Die Fallschirmjäger wurden als Elitetruppen an den Fronten eingesetzt.

1942 „Varlık Vergisi“ – eine Steuer der Minderheiten

Im Jahr 1942 hat die türkische Regierung eine spezielle Steuer in Gang gesetzt, die sie „Varlik “ nannten. Diese Steuer wurde je nach Eigenschaft der Minderheit erhoben (Griechen, Armenier, Juden). Die Steuer musste einmal bezahlt werden, wenn sich jemand dem widersetzte, wurde er in ein Zwangsarbeitslager verwiesen. Unterernährt und misshandelt haben die Betroffenen das Zwangsarbeitslager oftmals nicht überlebt. In Wahrheit handelte es sich bei dieser Steuer um eine Steuer, die den Leuten ihr Vermögen abnahm. Glücklicherweise wurde das Varlik dann Ende 1943 wieder aufgehoben. Die Minderheiten gingen davon aus, dass diese Entscheidung der griechischen Regierung auf die schlechten Ergebnisse der Schlacht um Stalingrad zurückging.

1943 Das Schicksal der Juden in Griechenland

Mit der Abgrenzung der Besatzungszonen geriet Thessaloniki unter deutsche und Thrakien unter bulgarische Kontrolle; schnell wurden antisemitische Maßnahmen eingeleitet, wie das Tragen des Judensterns. Im Dezember 1942 wurde der jüdische Friedhof in Thessaloniki abgerissen, um Baumaterialien zu erhalten.

Im März 1943 begannen die Deportationen der Juden in den deutschen und bulgarischen Besatzungszonen. Im September, nach dem italienischen Rückzug, haben die Deutschen die Zone belagert, die durch ihre ehemaligen Alliierten zuvor belagert wurden. Die romaniotischen Gemeinschaften, die sich gut integriert hatten, konnten von der Unterstützung eines Teils der

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christlich-orthodoxen Gemeinschaft profitieren. Der Erzbischof Damskinos befürwortete die Erschaffung von tausenden gefälschten Taufscheinen. Der Polizeichef von Athen hat mit mehr als 20.000 gefälschten Papieren jüdischen Familien geholfen. Elias Barzilai, Oberrabbiner von Athen, hat die Gemeinderegister zerstört, nachdem das Departement für jüdische Angelegenheiten sie verlangte. Er riet allen Juden aus Athen sich in Sicherheit zu bringen. Er selbst wurde von den Mitgliedern der ELAS (Armee des griechischen Wiederstands) versteckt. Ca. 60.000 Juden kamen während der Besetzung zu Tode, dabei 81% der griechisch israelitischen Gemeinschaft, 91% der Juden in Thessaloniki und 50% von denen aus Athen. Die Sterblichkeitsrate übersteigt in der bulgarischen Zone die 90%-Marke.

Nach Sabotagen und Handlungen der Guerilla gegen Italien folgten bald wirkliche organisierte Schlachten. Im Sommer 1943 fielen viele Städte, wie Kardista, Grevena oder Metsovo in die Hände der Widerständler. Ein Gebiet von 30.000 km², welches sich vom Ionischen Meer bis zum Ägäischen Meer erstreckt hat, wurde nach und nach von der Besetzung befreit.

1946-1949 Der Griechische Bürgerkrieg

Der Griechische Bürgerkrieg begann im Jahr 1946 und endete 1949. Er wurde das erste Beispiel eines kommunistischen Aufstandes nach dem Zweiten Weltkrieg. Nach den Wahlen vom 3. März 1946 haben die Monarchisten die Mehrheit der Stimmen erhalten. Eine Volksabstimmung sicherte die Rückkehr von Georg II. den Thron zu. Dieses Ergebnis provozierte jedoch den Bürgerkrieg mit den Kommunisten. Der Streit dauerte bis 1949 an und endete mit dem Sieg der Regierungskräfte. Paul I. folgte in der Zwischenzeit seinem Bruder Georg II. auf den Thron. Der ehemalige König verstarb im Jahr 1947.

Im Oktober 1944, gleich im Anschluss an den Rückzug der deutschen Streitkräfte, ließ Winston Churchill die britische Brigade des Generals Scobie in Piräus an Land gehen. Er wollte damit verhindern, vor vollendete Tatsachen im Wandel Griechenlands zum Kommunismus gestellt zu werden. General Scobie forderte die Abrüstung und die Auflösung der ELAS. Der kommunistische Widerstand, durch drei Jahre des Kampfes gegen Deutschland abgehärtet und von denen sie ihre Waffen einholten, begann einen Kampf gegen die Engländer und es gelang ihnen schnell beinahe den ganzen Teil des Festlands Griechenlands zu beherrschen, jedoch mit Ausnahme von Thessaloniki und Athen. Dies war der Erste Griechische Bürgerkrieg. Er endete im Februar 1945 in der Folge der Konferenz von Jalta. Stalin hat dort von der ELAS gefordert, dass sie die Waffenruhe von Varkiza und die ausgeführte Herrschaft durch den Metropoliten in Athen akzeptieren sollten. Die Herrschaft wurde von Monsiegneur Damaskinos bis zur Rückkehr des Königs Georg II. übernommen. Die Rückkehr von Georg II. fand nach einem Volksbegehrten (im September 1946) statt.

Im Jahr danach, als der Kalte Krieg die Alliierten gegeneinander aufbrachte, forderte Stalin von den Kommunisten die Waffenruhe zu brechen: dies zog den Zweiten Griechischen Bürgerkrieg nach sich. Die ELAS hat eine revolutionäre Regierung in Konitsa in Epirus,

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errichtet. Von 1946 bis 1949 fanden grausame Kämpfe unter furchtbaren Bedingungen statt; zwischen den Kommunisten und der Regierung, die durch England und später durch die Vereinigten Staaten unterstützt wurde. Der Krieg endete nach dem Bruch zwischen Tito und Stalin, als Jugoslawien, Hauptlieferant der Waffen, seine Lieferungen stoppte. Die Anhänger der Kommunisten mussten ihre Waffen im Oktober 1949 abgeben.

Auch wenn der Griechische Bürgerkrieg weniger bekannt ist, als der Spanische Bürgerkrieg, war er jedoch proportional gesehen genau so tragisch. Der Griechische Bürgerkrieg forderte 150.000 Tote und zehntausende Flüchtlinge in kommunistische Länder (nach Schätzungen zwischen 80 und 100.000). Zahlreiche Familien wurden durch diesen Streit auseinandergerissen, tausende Kinder wurden zu Waisen oder von ihren Familien getrennt.

Im Jahr 1949 befindet sich Griechenland in einem jämmerlichen Zustand: man nimmt an, dass Griechenland 8% seiner Einwohner im Zweiten Weltkrieg und im Bürgerkrieg verloren hat. Die Zerstörungen waren schwerwiegend: 1,2 Millionen Obdachlose, der größte Teil der Handelsflotte war zerstört, die Infrastruktur sowie die landwirtschaftlichen und industriellen Kapazitäten wurden zugrunde gerichtet.

Dank des Marshall Plans konnte Griechenland nach diesem erbitterten Streit seinen Wiederaufbau in Angriff nehmen. Durch die Pariser Friedenskonferenz von 1946 hat Griechenland die Inselgruppe des Dodekanes zurückerhalten. Bis 1952 litt das Land unter einer starken Instabilität in Bezug auf die Regierung. Die Regierung von Alexandros Papagos versprach eine gewisse Stabilität. Eine neue Verfassung verbietet die Kommunistische Partei Griechenlands und das Frauenwahlrecht wurde eingeführt.

Eine Politik der Schlichtung und des Bündnisses wurde mit der Türkei und Jugoslawien angestrebt. Die Regierung von Konstantinos Karamanlis verfolgte weiterhin diese Politik.

Griechenland wurde Mitglied der NATO im Jahr 1951 und der Europäischen Union im Jahr 1981. Im Jahr 2001 trat Griechenland der Eurozone bei.

Der Oppositionsführer, Georges Papandreou erlangte im Jahr 1964 den Sieg bei den Parlamentswahlen. Im selben Jahr folgte der junge Konstantin II. seinem Vater König Paul I. auf den Thron.

1950-1953 Der Koreakrieg

Der Koreakrieg hat sich zwischen den 25. Juni 1950 und dem 27. Juli 1953 abgespielt. Beteiligt waren die Streitkräfte des kommunistische Nordkoreas, unterstützt durch die Volksrepublik China und die Sowjetunion und die Südkoreas, welche unter westlichem Einfluss standen und durch die Vereinten Nationen (hauptsächlich durch die Vereinigten Staaten) unterstützt wurden.

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Nord- und Südkorea haben unterschiedliche Ansichten bezüglich des Ursprungs des Koreakrieges. Für Seoul und die internationale Gemeinschaft wurde der Krieg durch eine nordkoreanische Aggression ausgelöst, nach dem zuvor ein Plan in Verbindung mit Moskau erschaffen wurde. Diese Verbindung wurde durch das Öffnen der sowjetischen Archive belegt. Für Pjöngjang hingegen war die Durchbrechung seiner Truppen des 38. Breitengrades nur die Antwort bzw. der Gegenschlag auf einen Überraschungsangriff der südkoreanischen Armee, die unter dem Kommando amerikanischer Berater stand. Tatsächlich hat schon die Vermehrung von Grenzzwischenfällen von auf eine Verschärfung der militärischen Spannungen kurz vor dem Konflikt hingewiesen.

Der Koreakrieg endet durch die Rückkehr zum „statu quo ante bellum“ am 27. Juli 1953 (Unterzeichnung eines Waffenstillstands). Der Krieg hat 2 Millionen Opfer gefordert, zu der Umsiedlung von Millionen Menschen geführt und hunderttausende Familien auseinander gerissen.

Der griechische Expeditionskorpus in Korea war die erste Bündnisexpedition. Sie wurde im Rahmen der UN versandt. Dieser Korpus zählte Infanteriekräfte (1 000 Soldaten) und Luftkräfte, die aus einer Staffel von 67 Personen und 7 C-45 Dacota Flugzeugen bestand. Der Korpus blieb bis zum Herbst 1955 in Korea und zog erst nach der Entscheidung der griechischen Regierung durch Konstantinos Karamanlis ab. Die Entscheidung wurde von Karamanlis als Reaktion auf Feindseligkeiten des Pogroms gegen die Griechen aus Konstantinopel und das Ökumenische Patriarchat, gegen die Türken, die ebenfalls am Koreakrieg beteiligt waren, organisiert.

1955 Das Pogrom von Istanbul (Konstantinopel)

Das Pogrom von Istanbul ereignete sich am 6. und 7. September 1955. Es wurde auch unter dem Namen Unruhen Istanbuls oder Pogrom von Konstantinopel (griechisch: Ereignisse des Septembers) bekannt und war ein Pogrom, welches hauptsächlich gegen die griechische Minderheit in Istanbul geführt wurde.

Die Unruhen wurden durch den Antiguerilla organisiert. Der Antiguerilla war eine lokale Branche des Gladionetzes, welches der türkischen Armee unterstand. Die Unruhen fanden statt, nachdem bekannt wurde, dass am Vortag eine Bombe im türkischen Konsulat in Thessaloniki, dem Geburtsort von Mustafa Kemal Atatürk, explodierte. Eine Untersuchung hat sehr schnell herausgestellt, dass dieses Attentat von einem Türken begangen wurde. Im Rahmen einer Falschen-Flaggen-Operation wurde das Geständnis des Korpusgenerals der Armee Fatih Güllapoglus angeführt, dass den „Beginn des Spezialkriegs“ (CIA-Empfang) ausmachte. Fatih Güllapoglu soll dieses Attentat geplant haben und auch zwei weitere Attachés des türkischen Konsulats sollen beteiligt gewesen sein. Sie wurden von der griechischen Polizei auf frischer Tat erwischt und festgenommen. Die türkische Presse jedoch verschwieg der Öffentlichkeit diese Schlussfolgerung.

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Cholerische Aufrührer, von denen die meisten zuvor in einem Lastwagen in die Stadt geführt wurden, haben das griechische Viertel in Istanbul während neun Stunden gestürmt. Auch wenn sie nicht explizit dazu aufriefen ihre Opfer zu töten, starben mehr als ein Dutzend Menschen während oder nach dem Pogrom an Prügelstrafen und gewollten Zwischenfällen. Jüdische und armenische Gemeinschaften wurden ebenfalls Opfer von Ausschreitungen.

Das Pogrom beschleunigte die Abreise der Griechen in Istanbul: Die Gemeinschaft verringerte sich von 135 000 Mitgliedern vor dem Angriff auf 7 000 Mitglieder im Jahr 1978 und schließlich auf 2 500 Mitglieder im Jahr 2006. Laut einiger Forscher zählt dieses Ereignis eher zum Prozess der Vertürkisierung, welcher während des Untergangs des Osmanischen Reichs begonnen wurde, als in den Rahmen eines bilateralen Konfliktes zwischen zwei Staaten. Um diese Feststellung zu unterstützen verweisen die Forscher darauf, dass früher ca. 40% der finanziellen Güter der Bewohner Istanbuls den Minderheiten gehörten.

1956 Die Nationalisierung des Suezkanals

Im Sommer 1956 kündigt der Präsident Ägyptens Gamal Abdel Nasser die Nationalisierung des Suezkanals an. Dies widersprach direkt den Interessen des Vereinigten Königreichs und denen Frankreichs, die den Kanal bis dahin mitverwaltet haben.

Am 26. Juli 1956 und nach der Nationalisierung des Kanals, hat Nasser das Vermögen der Gesellschaft des Kanals der Suez Canal Authority übermittelt, mit dem Ziel so die Konstruktion des Assuan-Staudamms finanzieren zu können. Zuvor hatten die Vereinigten Staaten die finanziellen Mittel dazu verweigert. Durch Vergeltungsmaßnahmen wurden das ägyptische Vermögen auf Eis gelegt und die Nahrungsunterstützung eingestellt. Die Hauptaktionäre des Kanals waren demnach die Briten und Franzosen. Außerdem kritisiert Nasser die koloniale Anwesenheit des Vereinigten Königreichs im Mittleren Osten und er unterstützt die Nationalisten im Algerienkrieg.

Am 29. Oktober 1956 haben das Vereinigte Königreich, Frankreich und Israel eine militärische Operation gestartet, die sie „Operation Musketeer“ nannten. Sie wurde Anfang August 1956 beschlossen. Sie wollten, dass die Inhaber, die den Kanal finanziert haben und die zu seinem Wohlstand beigetragen haben, nicht dessen enteignet würden, was sie als ihr Eigen empfanden.

Der Konflikt gegen Ägypten wurde am 29. Oktober 1956 durch Israel ausgelöst. Am nächsten Tag wurden die französisch-englischen Armeen aktiv. Durch den Druck der Sowjetunion, die damit drohte eine Atombombe zu nutzen und durch die fehlende Unterstützung durch die Vereinigten Staaten, waren sie dazu gezwungen ihre Truppen aus Ägypten zurück zu ziehen. Die Suezoperation dauerte eine Woche an. Die Vereinten Nationen haben allerdings die Legitimität Ägyptens bestätigt und haben die französisch-israelisch-britannische Expedition durch eine Resolution verurteilt. Nasser verzeichnete dies als Sieg und wurde für die Araber zu einem Helden. Hinzu kommt, und dies war kennzeichnend für diesen Konflikt, dass hier zum ersten Mal Blauhelme eingesetzt wurden, um die Situation zu schlichten.

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Zahlreiche, französische, britische und ägyptische Aktionäre waren ruiniert. Ägypten verweigert ihre Vergütung. Es traten sogar einige Selbstmorde unter den ehemaligen französischen Aktionären auf, es gab Demonstrationen vor der ägyptischen Botschaft und Petitionen wurden durchgeführt. Alles jedoch ohne Erfolg.

Im Anschluss an den Sechstagekrieg von 1967 wurde der Kanal bis 1975 geschlossen. Eine Kraft der UNO blieb bis 1974 vor Ort, um den Frieden zu sichern.

Einige Reeder wollten den Kanal erneut meiden, da in der Mündung des Roten Meeres die Piraterie anstieg. Letztendlich haben sie davon abgesehen, da die Diplomaten die Alarmglocke getätigt haben. Das Einkommen, welches durch den Kanal eingenommen wurde, ist lebenswichtig für Ägypten, auch wenn das Einkommen sich bereits verringert. Es stellt die dritte Divisenquelle des Landes dar, also ca. 4 Millionen Dollars pro Jahr, was 10% des Staatsbudgets ausmacht. Das Wegfallen dieses Mannas könnte dramatische Konsequenzen haben und sich für einen der großen Teil der Alliierten des Westens und des Nahen Ostens destabilisierend auswirken könnten.

1918-1970 Gamal Abdel Nasser

Gamal Abdel Nasser wurde am 15. Januar 1918 in Alexandria geboren und starb am 28. September 1970. Er war, nach Mohammed Naguib, der zweite Präsident Ägyptens. Er kann als einer der wichtigsten arabischen Politikführer der modernen Geschichte verstanden werden.

Mit 16 Jahren wurde er nach Straßenkämpfen zwischen der ägyptischen Unabhängigkeitsbewegung, El Fatat (Jungägyptische Partei), und der Polizei inhaftiert. Er nahm am Israelisch-Arabischen Krieg von 1948-1949 während mehrerer Monate teil. Er war der Architekt der Radiostation „Die Stimme der Araber“.

Der Oberstleutnant Nasser gründete die „Bewegung Freier Offiziere“ und wurde ihr Leader . Die Bewegung bestand aus einer Gruppe junger Soldaten, die in der Regel jünger als 35 Jahre alt waren und sie hatte das Ziel den König Farouk zu stürzen. Am 23. Juli 1952 leitete er einen militärischen Staatsstreich gegen König Farouk I. Ein Jahr später rief er die Republik aus uns setzte dem Königreich Ägypten ein Ende.

Das Land wurde von diesem Zeitpunkt an von einem Revolutionären Rat regiert, welcher elf Offiziere unter dem Befehl von Nasser vereinigte. Nasser war der Innenminister und wurde als wahrhafter Urheber des Staatsstreichs empfunden. Anfang 1954 verhaftet er den Führer des Landes, Mohammed Naguib und wurde dann zum Premierminister Ägyptens. Nasser hat den ägyptischen Staat zentralisiert. Er hat die Macht des Präsidenten der Republik gestärkt und die Industrie nationalisiert. Außerdem hat er eine Agrarreform durchgeführt und große Projekte in der Öffentlichkeitsarbeit in Bewegung gesetzt, wie beispielsweise den Assuan-Staudamm.

Im Jahr 1954, während er eine Rede hielt, feuerte Mahmut Abd al-Latif , ein mutmaßliches Mitglied der Muslimbrüder acht Kugeln auf ihn ab. Trotz der geringen Distanz, schlugen alle

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acht Schüsse fehl. Nasser fuhr seine Rede fort und sagte: „ Lassen wir ihn Nasser töten. Er ist nur einer unter vielen“.

Im Jahr 1955 hat Nasser an der Badung-Konferenz teilgenommen, welche zum Ausgangspunkt für die Erschaffung der Bewegung der Blockfreien Staaten wurde. Er fragte bei der UdSSR an, ob sie bereit wären ihm Waffen zu verkaufen. Der sowjetische Botschafter hat ihm das Einverständnis seines Landes in Kairo mitgeteilt. Die Vereinigten Staaten akzeptierten, ihm Waffen zu verkaufen, doch Ägypten hat nicht die Mittel um sie zu zahlen. Die Sowjetunion hingegen akzeptierte eine Bezahlung in Baumwolle. Schließlich verkündete Nasser am 27. September 1955 öffentlich den Rüstungsvertrag mit der UdSSR.

Im Sommer 1956 verkündete er die Nationalisierung des Suezkanals. Das militärische Eingreifen Israels, Frankreichs und Englands am 29. Oktober missglückte und sie wurden zum Rückzug ihrer Truppen aus Ägypten gezwungen. Dies war ein Sieg für Nasser, der so zum Helden der Araber wurde. Hinzu kommt, dass in diesem Konflikt zum ersten Mal die Blauhelme eingesetzt wurden, um einen Konflikt zu schlichten. Eine Tatsache die diesen Konflikt besonders gekennzeichnet hat.

Nasser hat die Nationalisten in der ganzen arabischen Welt inspiriert. Er verfolgte eine panarabische Politik, die die Konfrontation zwischen arabischen Staaten und den westlichen Staaten befürwortete. Er forderte, dass die Ressourcen der arabischen Welt den Interessen des arabischen Volkes zu Gute kommen sollte und nicht den westlichen Interessen, welche durch den Staat als imperialistisch dargestellt wurden.

Im Jahr 1958 forderten die ägyptischen und syrischen Soldaten vom Präsidenten Nasser eine Fusion zwischen den beiden Ländern, um eine Vereinigte Arabische Republik zu bilden und sie versuchten Jemen auch noch mit einzubeziehen. Die Vereinigung wurde 1961 aufgelöst. Ägypten nutzte die Bezeichnung weiterhin bis 1971.

Außerdem war Nasser einer der historischen Figuren, die plötzlich aus der Dritten Welt auftauchten und eine dritte politische Macht gegenüber des Westblocks und des Ostblocks. Begleitet von Nehru und Tito der Bewegung der Blockfreien Staaten hat er sich als einer der Leader des Landes herausgestellt, welches von der Dekolonialisierung abstammt. Er warnte insbesondere die Länder, die gerade erst ihre Unabhängigkeit erlangt haben, vor einer neuen Form der wirtschaftlichen Kolonialisierung durch den Westen oder durch den Ostblock.

Nasser wollte die Wiedereinführung des palästinensischen Völkerrechts erreichen. Er hat den Sinai gegen die Bestimmungen des Abkommens von 1956 wieder aufgerüstet. Am 23. Mai 1967 hat Ägypten den Zugang zu der für die Erdölversorgung von Israel wesentlichen Südstrecke blockiert. Es kam zur Blockade des Hafens von Eliat. Israel hat dies als „casus belli“ betrachtet. Die Spannungen in den Regionen rutschten von einem relativen Status quo in einen regionalen Krieg.

Israel hat Ägypten ohne Kriegserklärung angegriffen und hat Ägyptens Flugplätze und militärischen Basen bombardiert, den Sinai besetzt und den schließlich den Krieg gewonnen.

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Nach seiner Niederlage im Sechstageskrieg hat Nasser seinen Rücktritt angekündigt. Straßendemonstrationen forderten ihn auf an der Macht zu bleiben. Er versuchte die besetzten ägyptischen Territorien wiederzuerlangen und organisierte einen „Abnutzungskrieg“ im Jahr 1969/1979, welche Sedate, sein Nachfolger, zu dem ägyptischen Angriff von 1973 gegen Israel führte (Jom-Kippur-Krieg).

Nasser starb an einem Herzanfall am 28. September 1970. Sein Tod wurde durch exzessive Arbeit verursacht. Es kam vor, dass er mehr als 18 Stunden am Tag arbeitete und dabei fast fünf Zigarettenschachteln rauchte. Seine Beerdigung fand am 1. Oktober vor knapp 5 Millionen Menschen statt. Er war verheiratet und hatte fünf Kinder (drei Söhne und 2 Töchter).

1967 – 1974 Die Griechische Militärdiktatur

Griechenland wurde von der liberalen und durch die von den Venizelismus stammende „Einheit des Zentrums“ geleitet. Parteivorsitzender war Georges Papandreou. Er war der Favorit der Parlamentswahlen von 1967. Die Wahlen wurden jedoch durch einen militärischen Staatsstreich verhindert, welcher am 21. April 1967 durchgeführt wurde. Eine Junta militärischer Leutnants, die Georgios Papadopoulos mit sich brachte, übernahm die Macht durch ihre Streitkräfte und gab schließlich die Verfassung auf.

Der Versuch eines entgegengesetzten Staatsstreichs wurde von König Konstantin II. am 13. Dezember 1967 organisiert. Er scheiterte jedoch und musste ins königliche Familienexil nach Rom fliehen. Griechenland blieb ohne Regierung und Staatschef zurück. Trotz allem blieb die Monarchie offiziell erhalten und der „Revolutionäre Rat“ der Militärjunta nimmt den Titel des Regenten an. Im nächsten Jahr hat das Regime der Leutnants eine neue Verfassung ausgerufen, die die Monarchie nur auf dem Papier weiter bestehen ließ. Das Königreich Griechenland blieb bis 1973 bestehen.

Um ihre Macht zu behalten und zu stärken haben die Leutnants versucht jede Form der Opposition und der Klage auszulöschen. Nach dem Staatsstreich wurden politische Persönlichkeiten, hauptsächlich Linke, Liberale und auch nur einfache Verteidiger der Menschenrechte verfolgt. Trotz der Zensur wurden zahlreiche Demonstrationen gegen das Regime durchgeführt.

Auch im Ausland haben die Griechen, die sich im politischen Exil befanden, Demonstrationen gegen die Diktatur organisiert. Im Jahr 1969 wurde Griechenland vom Europarat ausgeschlossen. Ab 1967 wurde das Übereinkommen, welches Griechenland und die Europäische Gemeinschaft verband still gelegt.

Am 29. Juli 1973 hat das Regime einen Volksaufstand organisiert, welcher in der Aufgabe der Monarchie und der Ausrufung der Republik endete, dessen Präsident Papadopoulos wurde.

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Die Zypernkrise wurde verhängnisvoll für das Regime der Leutnants. Sie waren bereits durch starke Proteste, hauptsächlich von Studenten geschwächt (Besetzung der Technischen Hochschule Politechnion). Die Besetzung wurde durch Panzer am 17. November 1973 aufgelöst.

Griechenland hatte ein Verteidigungsabkommen mit Zypern. Die Türkei griff einen Teil der Insel an und besetzte ihn schließlich.

Nach dem Sturz der Diktatur hat die Regierung von Konstantinos Karamanlis eine erneute Volksabstimmung organisiert. Am 8. Dezember 1974 haben 69% der griechischen Wähler für das Ende der Monarchie und die Errichtung einer Republik gestimmt. Eine neue Verfassung wurde noch im selben Jahr verfasst.

Griechenland ist seit 1975 eine parlamentarische Republik. Die exekutive Macht wird durch den Präsidenten der Republik gewährleistet. Der Präsident wird bei einer 2/3-Mehrheit durch das Parlament gewählt und ein Premierminister wird durch die parlamentarische Mehrheit bestimmt.

Die Diktatoren wurden zu Tode verurteilt, da sie des Hochverrats und der Meuterei bezichtigt wurden. Sie wurden auf Lebenszeit eingesperrt.

1907-1998 Konstantinos Karamanlis

Konstantinos Karamanlis wurde am 8. Mai 1907 in dem Dorf Proti in der Nähe der griechischen Stadt Serres, in Mazedonien geboren. Er starb am 23. April 1998 in Athen. Karamanlis war in griechischer Politiker der Mitte des 20. Jahrhunderts. Er war mehrfach Premierminister bevor er zwei Mal zum Präsidenten der Republik (1980 und 1990) gewählt wurde. Er wurde erst im Jahr 1913 zu einem griechischen Bürger, als Mazedonien und Griechenland wieder vereint wurden. Er ging nach Athen, um dort sein Rechtsstudium aufzunehmen. Mit dem Eintritt in die konservative Volkspartei trat er in die Politik ein. Im Alter von 28 Jahren und noch vor dem Zweiten Weltkrieg wurde er zum ersten Mal zum Abgeordneten gewählt.

Nach dem Krieg hat Karamanlis die Stufen in der politischen Welt Griechenlands schnell erklommen. Im Jahr 1947 übernahm er den Posten des Arbeitsministers, später wurde er zum Minister für Arbeitsbeschaffung. Als 1955 der Premierminister Papagos starb, ernannte König Paul I. Karamanlis zum Premierminister.

Karamanlis hat das Synagermos in die Nationalradikale Union umgewandelt (ERE) und er gewann mit einer soliden Mehrheit drei weitere Wahlen (1956, 1958 und 1961). Im Jahr 1959 hat er einen Fünfjahresplan für die griechische Wirtschaft angekündigt, in welchem er das Gewicht insbesondere auf die Landwirtschaft und die industrielle Produktion gelegt hat. Er sah in diesem Plan wichtige Investitionen in die Infrastruktur und in die Förderung des Tourismus vor. Auf internationalem Niveau hat Karamanlis sich für die Unabhängigkeit Zyperns ausgesprochen.

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Die Spannungen zwischen dem Premierminister und dem König nahmen zu, als Karamanlis sein Veto bezüglich einer Initiative zur Mittelbeschaffung durch die Königin Frederika eingelegt hat. Im Jahr 1963 trat er nach einer erneuten Meinungsverschiedenheit mit dem König Paul von Griechenland zurück und ging für vier Monate ins Ausland. Das Land befand sich aufgrund des Mordes an dem Doktor Gregoris Lambrakis durch ein rechtsextremistisches Mitglied der Linken im Parlament in Aufruhr.

Im November haben Karamanlis und seine Partei die Parlamentswahlen verloren . Die Wahlen wurden von der Zentrumsunion um Georgios Papandreou gewonnen. Schwer enttäuscht von diesem Ergebnis verließ Karamanlis Griechenland unter dem Namen Triadafyllidis und verbrachte die folgenden elf Jahre im Exil in Paris, wo er sich mit Valéry Giscard d'Estaing anfreundete.

Während seines Exils in Frankreich hat sich Karamanlis verbal gegen die Militärdiktatur gestellt, die 1967 an die Macht kam. Im Juli 1974 als sich das Militärregime in Folge der Invasion der Türken in Zypern in der Klemme befand, hielt es das Militärregime für ratsam Karamanlis um Hilfe zu beten. Karamanlis stellte keine Bedingungen und kehrte nach Athen zurück. Karamanlis wurde mit dem Flugzeug des französischen Staatspräsidenten Valéry Giscard d'Estaing eingeflogen. Er wurde zum Premierminister der Regierung der nationalen Einheit ernannt.

Während dieser Zeit, die auch die Zeit der „politischen Wende“ („metapolítefsi“) genannt wurde, hat Karamanlis die Kommunistische Partei Griechenlands legalisiert. Er fuhr einen sanften Kurs, um die Mitarbeiter und Sympathisanten der Diktatur zum weg gehen zu bringen. Er inszenierte mit Erflog den Übergang der Diktatur in eine parlamentarische Demokratie.

Um seine Autorität zu bestätigen hat Karamanlis Wahlen für November 1974 angekündigt. Karamanlis und seine neue Partei, die Nea Dimokratia, haben eine überwältigende Mehrheit im Parlament erzielt und Karamanlis blieb Premierminister. Den Wahlen folgte bald ein Volksbegehren im Jahr 1974, welches die Aufgabe der Monarchie zugunsten der Republik bestätigte. Nach neuen Wahlen im Jahr 1977 blieb Karamanlis weiterhin Premierminister bis 1980. Er ließ sich zum Präsidenten der Republik wählen. Im Jahr 1990 wurde er durch die konservativ-parlamentarische Mehrheit erneut gewählt. Kramanlis blieb bis 1995 der Präsident Griechenlands.

Es gelang ihm am 28. Mai 1979 in Athen die Beitrittsakte seines Landes zur Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft zu unterzeichnen. Dies jedoch nur durch die beständige Unterstützung und die Beharrlichkeit von Valéry Giscard d'Estaing. Für Beide war der Eintritt Griechenlands in die Europäische Gemeinschaft das benötigte Mittel, um Griechenland definitiv im Westen zu verankern und ihm dort eine demokratische Regierung zuzusichern, indem man Griechenland gegen kriegerische oder irredentistische Regungen seitens der Türkei schützen wollte.

Karamanlis ging 1995 im Alter von 88 Jahren in den Ruhestand. In seiner politischen Laufbahn gewann er fünf Parlamentswahlen, war 14 Jahre lang als Premierminister und 10 Jahre

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als Präsident der Republik an der Macht, was insgesamt 60 Jahre politisches Leben ausmacht. Für diese lange Amtszeit im Dienste der Demokratie und dann im Dienste des Europäischen Gedankens, wurde ihm im Jahr 1978 der Internationale Karlspreis der Stadt Aachen (auch Karlspreis) überreicht. Er starb am 23. April 1998 nach einer kurzen Krankheit im Alter von 91 Jahren. Er hat seine Archive der Stiftung Konstantinos Karamanlis vermacht, die er selbst gegründet hat.

Karamanlis wurde für seine Präsidentschaft Griechenlands zu Beginn einer Periode des schnellen Wirtschaftswachstums (1957-1961) und für seine Unterstützung, die zu dem Beitritt seines Landes in die Europäische Union beigetragen hat gelobt. Seine Bewunderer nannten ihn einen charismatischen Ethnarchen.

1919-1996 Andreas Georgiou Papandreou

Andreas Georiou Papandreou wurde am 5. Februar 1919 in Chios geboren und starb am 23. Juni 1966 in Ekali. Er war ein international anerkannter Wirtschaftswissenschaftler, griechischer Politiker und Gründer der PASOK, der sozialdemokratischen Partei Griechenlands. Er war zweimal Premierminister: von Oktober 1981 bis Juli 1989 und von Oktober 1993 bis Januar 1996.

Er war der Sohn des fortschrittlichen Politikers und Premierministers Georgios Papandreou. Während seines Studiums an der Universität von Athen hat Papandreou trotzkistische Milieus besucht. Dies führte zu seiner Verhaftung und Inhaftierung im Jahr 1939, während der Diktatur von Metaxas. Seine Familie verhalf ihm, das Land zu verlassen.

Er führte sein Studium an der Universität Harvard in den Vereinigten Staaten fort, wo er ein Doktorat der Wirtschaft erhielt und wo er schließlich bis 1947 lehrte. Im Jahr 1944 wurde er zum amerikanischen Bürger und diente der US-Marine. Anschließend wurde er zum Wirtschaftsprofessor an der Universität in Minnesota, dann in Northwestern und schließlich in Berkeley. Außerdem lehrte er in Stockholm, Toronto und in Kanada.

1961 kehrte er nach Griechenland zurück, um das Forschungszentrum für Wirtschaft auf Anfrage des Premierminister Konstantinos Karamanlis zu leiten. Bei dieser Gelegenheit trat er auch in die Politik ein und wurde 1964 in Achaia zum Abgeordneten gewählt.

Er war Handelsminister und Minister für wirtschaftl iche Entwicklung und Aktien der Regierung seines Vaters. Dies machte ihm zum Staatsberater des Premierministers. Er forderte, dass Griechenland im Kalten Krieg eine neutrale Haltung annehmen sollte und dass Griechenland weniger den USA unterstellt sein sollte. Er wollte die Militärpräsenz der USA auf griechischem Territorium verringern.

Papandreo wurde durch das Militär verhaftet. Aufgrund des Drucks, den die USA ausgeübt hat, wurde bewilligt, dass Papandreo das Land verlassen durfte. Sein Vater starb unter Hausarrest im Jahr 1968. Im Exil erschuf Papandreou die Allgriechische Befreiungsbewegung (PAK) und

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verteidigte die nun sehr viel radikaleren Ideen: Aufruf zum Aufstand gegen das Militärregime, Kritik an der USA, der NATO und der Politik der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft.

Er kehrte 1974 nach dem Sturz des Militärregimes nach Griechenland zurück und gründete die Allgriechische Sozialistische Bewegung (PASOK), welche das Ende der Unterwerfung durch die USA und wichtige soziale und wirtschaftliche Reformen forderte. Die PASOK erhielt 1874 14% der Stimmen, 1977 waren es 25% und 1981 schon 48% der Stimmen.

Andreas Papandreou hat somit die erste sozialistische Regierung in der Geschichte Griechenlands gebildet. Im Gegensatz zu dem, was das PASOK Programm ankündigte, trat Griechenland nicht aus der NATO aus und blieb in der EWG.

Papandreou wurde 1988 wieder gewählt. Dieses zweite Mandat wurde durch wichtige wirtschaftliche Probleme und einer Anzahl an Skandalen gekennzeichnet. Nach einer Liasion mit der Flugbegleiterin Dimitra Liani im Jahr 1989 ließ er sich von seiner ersten Frau scheiden und heiratete Dimitra. Dies rief einen (familiären und politischen) Bruch mit seinem Sohn Georgios Papandreou, Minister der PASOK, hervor. Im Jahr 1990 verlor er die Wahlen zugunsten der Nea Demokratia, der konservativen Partei. Eine parlamentarische Untersuchungskommission hat sich mit den Anschuldigungen der Korruption und illegaler Telefonabhörungen durch Andreas Papandreou befasst. Papandreou wurde 1992 von allen Anschuldigungen freigesprochen.

Er gewann die Wahlen von 1993. Im Jahr 1995 verkündet er in einer TV-Sendung, dass er der Kandidat für die Präsidentschaftswahlen sein wird, welche für März vorgesehen waren. Er führte beim zweiten Wahldurchgang der Präsidentschaftswahl, doch dann überließ er den Platz an den Kandidaten der PASOK, an Konstantinos Stephanopoulos. Am 22. Januar 1996 kündigt der kranke Premierminister im Palast des Präsidenten Konstantinos Stephanopoulos seinen Rücktritt an . Am darauf folgenden Tag trat er seinen Ruhestand an.

Er starb am 23 Juni 1996. Seine Beerdigung wurde zu einer der größten nationalen Versammlungen, die je gesehen wurden. Kostas Simitis wurde sein Nachfolger als Parteivorsitzender und Premierminister. Sein Sohn Georgios Papandreou, der schließlich das väterliche Erbe akzeptiert hat, übernahm die Führung der PASOK bis ins Jahr 2004.

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1920-1994 Melina Mercouri

Melina (María Amalia) Merkcouri wurde am 18. Oktober 1920 in Athen geboren und starb am 6. März 1994 in New York. Sie war eine griechische Schauspielerin, Sängerin und Politikerin. Sie stammte von einer großbürgerlichen Familie aus Athen ab. Ihr Großvater, Spyridon Mercouris, war der Bürgermeister von Athen und ihr Vater war ein Abgeordneter. Mit 15 Jahren heiratete sie, um aus dem familiären Milieu auszubrechen. Mit 18 Jahren ließ sie sich wieder scheiden und schrieb sich am griechischen Nationaltheater in Athen ein. Sie begann in Athen und Paris eine Karriere als Komödiantin.

Der griechische Filmemacher Michalis Kakogiannis, Regisseur von Alexis Sorbas, bot ihr ihre erste Kinorolle im Jahr 1955 im Film Stella an. Der Film brachte ihr sofort Berühmtheit und einen großen Erfolg ein. Kurz danach lernte sie den amerikanischen Regisseur Jules Dassin, der sich im Exil befand, kennen. Sie wurde seine Muse. Dassin lässt sie in acht Filmen mitspielen. Die Beiden heiraten im Jahr 1966. Der Film Sonntags…nie! (1960) brachte dem Paar einen internationalen Ruf ein. Für diesen Film erhielt Melina Mercouri den weiblichen Darstellerpreis der Filmfestspiele von Cannes und wurde für den Oskar nominiert.

Nach einem Staatsstreich, der 1967 in Griechenland durch das Militär angestiftet wurde, flüchtete Melina Mercouri, die um ihre Bürgerrechte gebracht wurde, nach Frankreich ins Exil . Auf ihren internationalen Tourneen wurde sie zur Sängerin des Griechischen Widerstands gegen die Diktatu r.

Nach dem Sturz der Diktatur im Jahr 1974 kehrte sie nach Griechenland zurück, wo sie eine politische Karriere aufnahm. Diese Karriere veranlasste sie nach und nach dazu, das Kino aufzugeben. Sie wurde Abgeordnete der Allgriechischen Sozialistischen Bewegung für Piräus (1978) und Kulturministerin von 1981 bis 1989 und von 1993 bis zu ihrem Tod. Sie setzte sich insbesondere, doch erfolglos, dafür ein, dass der Parthenon-Fries vom Britischen Museum nach Griechenland zurückgegeben werden sollte. Im Rahmen des Europarates hat sie 1985 das Konzept der Kulturhauptstädte in Europa entworfen. Um „zu der Annäherung der europäischen Völker beizutragen“, war ihr es ihre Idee zwei Städte pro Jahr als Kulturhauptstadt zu bezeichnen. Sie sollten Theatervorstellungen und künstlerische Demonstrationen empfangen und ihr historisches und kulturelles Erbe ehren. Die Melina-Mercouri-Stiftung ist heute mit der Wahrung antiker griechischer Monumente beauftragt.

Als die Diktatur ihr die griechische Staatsbürgerschaft absprach, sagte sie: „Ich bin als Griechin geboren und werde als Griechin sterben. Herr Pattakos ist als Faschist geboren und wird als Faschist sterben“.

Sie brachte auch ein Lied heraus: „Kai pira mandata oti den imoun pia romia“ („Und ich erhielt die Nachricht, ich hätte kein griechisches Blut mehr.“)

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1883 – 1962 George Papanicolaou

George Nicolas Papanicolaou wurde am 13. Mai 1883 geboren und starb am 19. Februar 1962. Er wurde in Kymi, auf der Insel Euböa in Griechenland geboren und aufgezogen. Er war ein Pionier im Bereich der Zytologie und der Früherkennung von Krebs.

Er hat an der Universität von Athen studiert und dort 1904 sein medizinisches Diplom erhalten. Sechs Jahre später hat er seinen Doktortitel an der Universität München in Deutschland erhalten. 1913 ist er in die USA emigriert, um dort im Departement für Pathologie des New Yorker Krankenhauses und im Departement für Anatomie der Medizinischen Hochschule der Cornell Universität arbeiten zu können. 1928 hat er herausgefunden, dass Gebärmutterhalskrebs anhand eines Abstrichs festgestellt werden kann. Die Bedeutung seiner Arbeit wurde erst nach seiner Publikation anerkannt.

Er ist der Erfinder des Pap-Abstrichs (Papanicoulaou-Abstrich), welcher in der ganzen Welt zur Vorsorge und zum Schutz vor Krebs und anderen zytologischen Krankheiten genutzt wird. Papanicolaou hat den Albert Lasker Award for Clinical Medical Research erhalten.

1900 – 1971 Giorgos Seferis

Giorgos Seferis ist das Pseudonym des griechischen Dichters Giorgos Stylianos Seferiadis. Er wurde am 29. Februar 1900 ins Smyrna (Izmir) geboren und starb am 20. September 1971 in Athen. Er war der älteste von drei Kindern und erlebte eine glückliche Kindheit. Sein Vater, Jurist und später Professor für Internationales Recht in Athen, hat sich bereits für Poesie und Übersetzungen interessiert. Er gilt als der beste Übersetzer Lord Byrons.

Giorgos Seferis begann seine schulische Laufbahn am griechischen Gymnasium in Smyrna und führte sie an einem französischen Privatgymnasium fort. Nach dem militärischen Erfolg der Griechen über die Türken während den Balkankriegen haben die türkischen Autoritäten im Jahr 1914 die Verhaftungen und Verfolgungen der Griechen Kleinasiens vervielfacht. Dieses Klima der Spannungen und der Unsicherheit zwang die Familie Seferiadis Smyrna zu verlassen und sich in Athen niederzulassen, wo der noch junge Mann seine Schule beendete.

Im Jahr 1918 folgte die Mutter mit den drei Kindern ihrem Mann nach Paris, wo sich dieser als Anwalt niedergelassen hatte. Von 1918 bis 1924 hat Seferis sein Rechtsstudium in Paris fortgeführt, jedoch interessierte er sich im besonderen Maß für die Literatur. Von diesem Zeitpunkt an werden sich seine Frankophilie und seine tiefe Bewunderung für die französischen Schriftsteller immer weiter vertiefen. Die Jahre in Paris sind glücklich und ergebnisreich. Dort erfährt er das Ende des Griechisch-Türkischen Krieges und die damit verbundene Entwurzelung von knapp anderthalb Millionen Griechen in Kleinasien, die Zerstörung der Stadt Smyrna durch die Türken (September 1922), eine Tragödie, die einen starken Widerhall auf die Sensibilität des Dichters hat.

Nachdem er seinen Abschluss im Jurastudium erhalten hat, reist Seferis nach 1924 nach London: er wollte sich um eine diplomatische Karriere bemühen. Ab 1926 gehörte er dem Dienste dieses

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Ministers an und begann zur gleichen Zeit seine ersten literarischen Werke. Die Veröffentlichung des Sammelbands Strophe im Mai 1931, welche er mit dem Pseudonym Giorgos Seferis unterzeichnete, machte ihn zu einer Bekanntheit. Kostis Palamas in Griechenland und Philéas Lebesgue in Frankreich machten durch ihre Artikel auf den innovativen Sammelband aufmerksam. Seine Aufgaben als Vizekonsul Griechenlands in London (1931-1934) nahmen ihn noch nicht vollständig in Beschlag: er verfasste mehrere wichtige Gedichte, unter anderem die Die Zisterne und Mythologie.

Als sein Vater zum Direktor der Universität in Athen gewählt wurde und Mitglied der Akademie wurde, kehrte Giorgos Seferis nach Athen zurück. Er verkehrte mit dem Kreis junger Schriftsteller der griechischen Avant-Garde. Auf diese Art arbeitete er mit Literaturkritikern zusammen, aber auch mit dem jungen Odysseas Elytis (Literaturnobelpreis im Jahr 1979), welchen er mit seinen Ratschlägen überhäufte. In diesem Zeitraum des Aufschwungs der griechischen Literatur und im Herzen des literarischen Quells von Athen wurde seine literarisches Schaffen fruchtbar.

Die Diktatur von Ioannis Metaxas ab dem 4. August 1936 hat alles auf den Kopf gestellt. Er führte eine strenge Zensur ein. Seferis wurde in Koritsa in Albanien zum Konsul ernannt, wo er sich ins Exil verbannt fühlt. Er bleibt jedoch via Briefwechsel mit Odysseas Elytis in Kontakt. Im Jahr 1938 gelangte er wieder zurück nach Athen und übernahm den Posten des Vorsitzenden der Auslandspresse. Er strebte immer weiter danach die Poesie zu entdecken. So lernte er das Werk von Pierre-Jean Jouve und Ezra Pound kennen und übersetzte sie. Im April 1939 lernte er André Gide kennen. Im darauf folgenden Jahr wurden sein Arbeitsjournal, Logbuch I und Gedichte I veröffentlicht. Ab dem 28. Oktober 1940 herrschte Krieg: Italien unter der Herrschaft von Mussolini fiel in Griechenland ein. Im Jahr 1941 hat er Marie Zannos geheiratet und im April desselben Jahres flieht das Paar mit der freien griechischen Regierung ins Exil, erst nach Kreta und später nach Ägypten, um der Besetzung von 1941 zu entgehen. Im Zweiten Weltkrieg wurde Seferis in viele verschiedene Länder gesandt, er diente seiner Heimat auf Kreta, in Kairo, in Südafrika, in der Türkei und im Mittleren Osten. Nachdem Seferis während sechs Jahren Botschafter in London war, ging er 1962 in den Ruhestand, um nach Athen zurück zu kehren. Dort gab er sich vollständig der Literatur hin. Ein Jahr später, 1963, erhielt er den Literaturnobelpreis. Seferis wurde von Konstantin Cavafy, T. S. Eliot und Ezra Pound beeinflusst.

1911 – 1996 Odysseas Elytis

Odysseas Elytis, Pseudonym von Odysseas Alepoudhelis, war ein griechischer Dichter. Er wurde am 2. November 1911 in Heraklion geboren und starb an einem Herzstillstand am 18. März 1966 in Athen. Als einer der größten zeitgenössischen Schriftsteller Griechenlands erhielt er 1979 den Literaturnobelpreis.

Er verbrachte eine glückliche Kindheit im Kreis seiner industriell wohlhabenden Familie. Ursprünglich aus Lesbos, war er das letzte von sechs Kindern. Durch sein deutsches

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Kindermädchen lernte er die deutschsprachige Poesie kennen und lernte auch die französische Sprache. Eine Sprache die der Dichter sein ganzen Leben lang fließend sprechen wird. Er erlebte eine Offenbarung, als er die Dichtung Konstantin Cavafys und später der Surrealisten entdeckte. Er stand den französischen Dichtern des Surrealismus und Malern wie Picasso und Matisse nahe, die einige seiner Werke illustriert haben.

Er nahm an der Entwicklung der literarischen Strömung der 1930er Jahre teil. Gleichzeitig studierte er Jura und Philosophie und interessierte im gleichen Maß sich für die Literatur der Avant-Garde. In diesem Milieu, in dem sich der Aufschwung der griechischen Literatur entwickelte, knüpft Elytis eine Reihe von Beziehungen, die bald eine entscheidende Rolle spielen werden und sein Schicksal als Dichter festlegen werden. Unter ihnen waren die wichtigsten Bezugspersonen Giorges Seferes (Literaturnobelpreis im Jahr 1963), der mit großem Interesse die Gedichte Elytis liest, und Georges Theotokas, der ein nahestehender Freund wird, Nikos Gatsos, indem Elytis mit Freuden einen Liebhaber der französischen Literatur und einen guten Kenner des Surrealismus findet. Später lernt er Nikos Engonopoulos kennen, der auch ein großer frankophiler Dichter war. Er schloss sich der Gruppe der Freunde um Elytis an.

Als Offizier nahm er 1940 am Italienisch-Griechischen Krieg teil. Während der Besetzung wurde er zum Teil des intellektuellen Widerstands. 1948 emigrierte er nach Paris. Nach Frankreich zu kommen, welches Elytis als seine zweite Heimat empfand, bedeutete auch, sich den Quellen der modernen Poesie zu nähern. Der Existenzialismus und die Philosophie des Absurden waren gerade en vogue.

Er kehrte 1951 nach Griechenland zurück. Dort nahm er die Arbeit an zwei wichtigen Gedichten wieder auf: Sechs und ein Gewissensbiss für den Himmel, 1958 beendet, und vor allem Axion Esti, ein poetisches Monument, welches seine Aufmerksamkeit mehr als sieben Jahre in Anspruch nahm und 1960 veröffentlicht wurde. Dieses Gedicht brachte ihm internationale Berühmtheit ein. Mikis Theodorakis vertonte es 1964. Von nun an konnte das Werk Elytis über die Lippen der breiten Öffentlichkeit fließen.

Während der Militärdiktatur floh er erneut nach Paris ins Exil. Noch vor dem Sturz der Diktatur im Jahr 1971 kehrte er wieder nach Griechenland zurück. Die vielen Reisen, die er ins Ausland unternahm, haben ihn nie sehr weit von seiner Heimat Griechenland und dem Ägäischen Meer entfernt. Im Jahr 1976 nahm er verschiedene Übersetzungen französischer Schriftsteller wieder auf. Von 1974-1977 übernahm er auch den Posten des Präsidenten des Verwaltungsrates von Radio und Fernsehen in Griechenland. Darüber hinaus hatte er einen Sitz in Verwaltungsrat des Nationaltheaters inne.

Am 18. Oktober 1979 wurde ihm der Literaturnobelpreis mit folgendem Vermerk verliehen: „Für seine Poesie, die, vor dem Hintergrund der griechischen Tradition, mit einer sinnlichen Stärke und einer intellektuellen Klarsicht den Kampf des modernen Menschen für Freiheit und Kreativität nachzeichnet“. Seine Dankesrede für den Nobelpreis hielt er vor dem Nobelbanquett auf Französisch. Seine kurze Ansprache verglich „die Reise Ulysses, welcher ihm als Namensgeber gegeben wurde“ mit seinem eigenen poetischen Abenteuer: „In dem ich mich mehr als vierzig Jahre lang der Poesie hingab, habe ich nichts anderes gemacht. Ich überfliege

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fabelhafte Meere und mache an verschiedenen Orten Rast“. Die Nobelmedaille und das -diplom wurden 1980 dem Museum Benakin in Athen vermacht.

Die Ehrungen, die ihm zukamen vervielfachten sich in ganz Europa.

Die Republik Zypern

Die Insel Zypern stand 1570 mehr als drei Jahrtausende unter osmanischer Herrschaft, welche das Milletsystem einführte. Dieses System erlaubte es den griechischen Zyprioten, die die Mehrheit der Bevölkerung der Insel ausmachen, ihre Identität beizubehalten. Nach und nach haben türkische Offiziere aus Anatolien die Inseln bevölkert. Die Beziehungen zwischen den beiden Gemeinschaften waren friedlich.

Im Jahr 1878 hat das Osmanische Reich Zypern an Großbritannien verpachtet. Die Bedingung war eine jährliche Zahlung von 500.000 Dollar im Austausch gegen Unterstützung im Russisch-Türkischen Krieg von 1877-1878. Motiviert durch diese neue Situation erbaten die griechischen Zyprioten bei den Briten die Angliederung der Insel an Griechenland (Enosis). Dieser Wunsch wurde jedoch strikt abgelehnt, da die Insel juristisch gesehen immer noch zum Osmanischen Reich zählt. Doch die Hohe Pforte hat sich während des Ersten Weltkrieges an die Seite der Deutschen gestellt. Im Jahr 1914 haben die Briten die Insel annektiert und somit den Vertrag von 1878 annulliert. Nach der türkischen Niederlage wurde aus der Insel im Jahr 1923 laut des Vertrags von Lausanne eine britische Kolonie.

Im Jahr 1950 wurde Michail Christodoulos Muskos zum orthodoxen Erzbischof von Nikosia ernannt. Er bekam den Namen Makarios III . Zu dieser Zeit befürworteten 96% der griechischen Zyprioten die Enosis. Mit dieser Unterstützung im Rücken wählt Makarios III. den diplomatischen Weg mit Griechenland und den Vereinten Nationen, um die Insel an Griechenland anzugliedern. Doch der Kontext des Kalten Krieges brachte diesen Versuch zum Scheitern.

Ab 1955 wurden die nationalistischen griechischen Zyprioten radikaler und sie begannen einen bewaffneten Kampf gegen die britischen Autoritäten. Die EOKA (Nationale Organisation zypriotischer Kämpfer) wurde von Georgius Grivas gegründet und von Makarios III. unterstützt.

Die türkischen Zyprioten, die ebenfalls an dem anti-terroristischen Kampf teilnahmen, welcher von den Briten gegen die EOKA geführt wurde, forderten den Taksim, d.h. die Teilung der Insel zwischen Griechenland und den Türken. Die türkischen Zyprioten haben um den nationalistischen griechischen Zyprioten entgegen treten zu können ihre eigene Guerillabewegung gegründet, die Türk Mukavemet Teşkilatı (Organisation des türkischen Widerstands). Ihr Vorsitzender war Rauf Denktaş.

Völlig überlastet, haben die Briten 1956 den Notstand verhängt. Sie haben einige Aktivisten der EOKA zum Tod durch Erhängen verurteilt und Makarios III. auf die Seychellen deportiert.

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Im Jahr 1956 wurde Zypern in eine unabhängige Republik im Rahmen des Commonwealth umgewandelt. Die unabhängige Republik unterstand einem griechisch zypriotischen Präsidenten (dem Erzbischof Makarios III.) und einem türkisch zypriotischen Vizepräsidenten (der Arzt Fazıl Küçük). Allerdings haben sich die innergemeinschaftlichen Spannungen auch trotz der Präsenz der Blauhelme der UNO nicht gelegt.

Der anti-kolonialische Kampf nahm mit dem Abkommen von Zürich und von London 1959 ein Ende: die Unabhängige Republik Zypern wurde am 16. August 1960 ausgerufen. Griechenland, die Türkei und das Vereinigte Königreich werden die Bürgen dieser neuen Republik: Großbritannien behält zwei Militärstationen in Akrotiru und in Dhekelia, Griechenland und die Türken ließen 900 bzw. 650 Soldaten vor Ort.

Die Erschaffung der Unabhängigen Republik Zypern

Makarios III. kehrte 1960 aus dem Exil zurück und wurde der erste Präsident der noch jungen Republik Zyperns. Der türkische Zyprioten Fazıl Küçük wurde sein Vizepräsident. Im Jahr 1963 beantragte Makatrios III. die Revision der zypriotischen Verfassung; er wollte die Überrepräsentation der türkischen Zyprioten in der Legislative verringern. Dieses Ereignis zog den Rücktritt der türkisch zypriotischen Politiker in der Regierung und dem zypriotischen Parlament nach sich.

Im Dezember 1963 kamen erneut innergemeinschaftliche Gewalttaten auf, die in der Schwarzen Woche grausame Intensität erreichten (134 Tote, darunter 104 türkische Zyprioten). Trotz der amerikanischen Bemühungen zur Schlichtung der Situation, hat die UNO 2.500 Blauhelme nach Zypern gesandt, um eine Zwischenmacht zu bilden. Dies hinderte die Türkei jedoch nicht daran, Flugzeuge los zu schicken, die einige Zonen der Insel bombardierten und es hinderte Griechenland nicht daran, den Truppen und Militärräten der griechischen Zyprioten Waffen zu schicken.

Im Jahr 1967 kam die Militärdiktatur in Griechenlan d an die Macht. Dieses Regime war Makarios III. gegenüber feindlich eingestellt. Sie unterstützte die EOKA, um den griechisch zypriotischen Präsidenten zu destabilisieren. Der Präsident wurde jedoch zweimal wieder gewählt (1968 und 1973). Der Tod Georgios Grivas, Gründer der EOKA, am 27. Januar 1974 überließ den Diktatoren Athens freies Feld. Im Juli 1974 organisierten sie einen Staatsstreich, dessen Konsequenzen noch heute auf der Insel zu sehen sind (türkische Invasion und Besetzung, 200.000 Flüchtlinge und Umsiedlung der Bevölkerungen, 1.600 Vermisste). Im Jahr 1974 wurde Makarios III. durch den Staatsstreich der Nationalen Garde seines Amtes enthoben. Die Nationale Garde wurde durch das griechische Militärregime unterstützt. Makkarios III. wurde von Nikos Sampson, einem ehemaligen Mitglied der EOKA, ersetzt.

Im Jahr 1974, als Antwort auf den Staatsstreich in Zypern, griff die Türkei militärisch mit dem Vorwand die türkische Minderheit schützen zu wollen, ein. 10.000 Soldaten gingen im Norden der Insel an Land und besetzten in zwei Tagen 38% des zypriotischen Territoriums. In der gleichen Zeit wurden 200.000 griechische Zyprioten gezwungen den Norden zu verlassen und in

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den Süden der Insel zu fliehen. Für die Türken war die Operation Attila eine Friedenshandlung. Die Spannungen kamen erneut auf und erneuerten eine ehemalige Forderung der Türkei: die Teilung der Insel (1964).

Nikos Sampson war gezwungen sein Amt abzutreten. Das griechische Militärregime wurde gestürzt und Makarios III. kehrte auf die Insel zurück und wurde Präsident des südlichen Teils der Insel. Am 13. Februar 1975 wurde unilateral der Türkische Bundesstaat Zyperns durch den Leader der türkischen Zyprioten, Rauf Denktaş, ausgerufen. Zu diesem Zeitpunkt verstand sich diese nördliche Zone der Insel nicht als unabhängiger Staat.

Im Jahr 1977 unterschrieben Makarios III. und der türkisch zypriotische Leader Rauf Denktaş eine Resolution, die eine bikommunale Föderation und eine Doppelzone für die Zukunft Zyperns vorsah.

Am 15. November 1983 rief Rauf Denktaş die Türkische Republik Nordzyperns aus. Er verstand diesen Teil nun nicht mehr als einen Staat Zyperns, sondern als eine vollständige Republik. Diese wurde sofort von der Türkei anerkannt. Die Vereinten Nationen missbilligen diesen Ausruf der Unabhängigkeit und stuften ihn juristisch gesehen als nichtig ein.

Im Hinblick auf den Beitritt Zyperns zur Europäisch en Union wurde ein Plan zur Wiedervereinigung von der UNO vorgestellt. Der Plan wurde Annan-Plan genannt und am 25. April 2004 einem Referendum unterlegt. Die Teilnahmerate betrug 90% in beiden Teilen der Insel. Der Plan wurde von 65% der türkischen Zyprioten angenommen, doch durch ¾ der griechisch zypriotischen Wähler abgelehnt. Die Wahlergebnisse verhinderten die Angliederung des besetzten Teils durch die Türkei an den Rest der Insel (der einzige international anerkannte Teil). Daraus resultierend gehört die türkische Zone der Insel nur juristisch zur Europäischen Union und ist von allen Unionen (Wirtschafts-, Finanz- und Zollunion) und dem Schengen Raum ausgeschlossen.

Die politisch Verantwortlichen der griechischen Zyprioten begründen das „Nein“ des Südteils der Insel aufgrund eines zu unausgeglichenen Plans, der die Rückkehr nicht aller griechisch zypriotischer Flüchtlinge in den Nordteil der Insel vorsah, sondern nur die Rückkehr von 40.000 Flüchtlingen. Auch wurden die Ausweisung des türkischen Militärs sowie die vollständige Abrüstung des Nordteils nicht in dem Plan festgehalten.

Am 1. Mai 2004 tritt die gesamte Insel Zypern in die Europäische Union ein, das Land jedoch bleibt geteilt. Am 21. März 2008 wurde nach einer Unterredung des neuen Präsidenten der Republik Zyperns Demetris Christofas und seinem türkischen Amtskollegen Mehmet Ali Talat die Eröffnung eines Durchgangspunkts in der Ledra Straße angekündigt.

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1913-1977 Makarios III. Erzbischof und erster Präsident der Republik Zypern

Michail Christodoulos Muskos wurde am 13. August 1913 in Pano Panagia, im Bezirk Paphos geboren. Er starb am 3. August 1977 in Nikosia. Er war von 1950 bis zu seinem Tod unter dem Namen Makarios III. Erzbischof und Primat der orthodoxen Kirche Zyperns bekannt. Im Dezember 1959 wurde er zum ersten Präsidenten der Republik Zypern gewählt und nahm diese Dienststellung vom 16. August 1960 bis zur Unabhängigkeit Zyperns an. Er wurde 1968 und 1973 wiedergewählt und blieb bis zu seinem Tod im Amt. Nur während einer kurzen Zeit im Jahr 1974, als er durch einen militärischen Staatsstreich der Junta, die in Griechenland an der Macht war, deportiert wurde, war er nicht im Amt. Als Bischof, der das Amt des Staatschefs innehatte, wurde er auch „Ethnarch“ genannt, was übersetzt „Chef der Nation“ bedeutet.

Er organisierte die zypriotische Widerstandsbewegung EOKA (Nationale Organisation zyprio-tischer Kämpfer). Im Jahr 1955 nahm er an der Bandung-Konferenz und an der Bildung der Bewegung der Blockfreien Staaten teil.

Die Briten haben Makarios III. 1956 auf die Seychellen ins Exil geschickt, mit der Begründung der terroristischen Mittäterschaft in Zusammenhang mit seiner Organisation. Als sich Griechen, Türken und Briten über die Bedingungen der Unabhängigkeit Zyperns geeinigt hatten, wurde Makarios zum Staatschef ernannt. Er versuchte zwischen der griechischen und der türkischen Gemeinschaft des Landes zu vermitteln.

Obwohl Zypern zum Commonwealth im März 1961 zugelassen wurde, nahm Makarios im September desselben Jahres an der Konferenz der Bewegung der Blockfreien Staaten in Belgrad teil. Sein Mandat sollte 1965 enden, es wurde jedoch bis 1968 verlängert. Zu dieser Zeit empfanden die USA ihn als „Castro des Mittelmeerraums“, da sie ideologische Ähnlichkeiten bei Makarios mit denen des kubanischen Führers sahen.

Makarios wurde erneut bei den Wahlen von 1968 mit 97% der Stimmen gewählt. Er äußerte seinen Wunsch der Enosis (Angliederung an Griechenland) und führte gleichzeitig einen Wahlkampf für den Erhalt der Unabhängigkeit Zyperns. Im Jahr 1974 nutzte die Militärjunta die in Griechenland an der Macht war den Tod des General Grivas, um einen Staatsstreich in Nikosia zu organisieren und Nikos Sampson an die Macht zu setzen. Die Militärjunta wollte Makarios durch einen Präsidenten ersetzten, der die Enosis unterstützte.

Am 19. Juli 1972 hat Makarios Griechenland vor dem Sicherheitsrat der Vereinten Nationen beschuldigt, eine Invasion in Zypern anzuführen. Diese Anschuldigung einer Invasion lieferte der Türkei einen Vorwand, der durch den „Londoner Garantievertrag“ gerechtfertigt war, im August 1974 im Norden der Insel einzufallen: dies war die sogenannte Operation Attila . Im Dezember 1974 kehrte Makarios nach Zypern zurück und trat wieder ins Amt. Doch die Insel war von diesem Zeitpunkt an geteilt.

Makarios starb am 3. August 1977.

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1898-1974 Georgios Grivas

Georgios Grivas, auch bekannt unter dem Namen Digenis wurde am 5. Juli 1898 in dem zypriotischen Dorf Trikomo geboren und starb am 27. Januar 1974. Er war ein Zypriot und der General der griechischen Armee sowie der Leader der EOKA , eine zypriotische Unabhängigkeitsbewegung. Sein Studium absolvierte er an der griechischen Militärakademie.

Während des Zweiten Weltkriegs gehörte er zum griechischen Widerstand. Nach der Befreiung Griechenlands hat die Bewegung eine bedeutende Rolle im griechischen Bürgerkrieg gespielt.

Im Jahr 1955 kehrte er nach Zypern zurück und erschuf die EOKA. Sein Kriegsname war Digenis, der auf den mythischen Helden Digenis Akritas bezug nahm. Digenis Akritas war Mitglied der Ehrengarde des byzantinischen Kaisers. Das Ziel der EOKA war es, dem Status Zyperns als britischer Kolonie ein Ende zu bereiten,

Als Großbritannien 1960 der Unabhängigkeit Zyperns zustimmen musste, war eine Vorbedingung, dass Grivas von der Insel vertrieben werden sollte und ihm eine Rückkehr verboten sein sollte. Grivas kehrte also nach Athen zurück, als gerade die zypriotische Armee geschaffen wurde. Makarios III. und die Regierung Athens haben ihn gebeten auf die Insel zurück zu kehren, um das Kommando der Nationalen Garde zu übernehmen. Im Jahr 1968 wurde er in Folge eines Befehls der Diktatoren in Athen erneut expatriiert. Letztere waren durch die Drohungen der Türkei verängstigt und zogen alle militärischen Streitkräfte Griechenlands, die auf der Insel stationiert waren, zurück.

Als Grivas im Jahr 1972 heimlich nach Zypern zurückkehrte, erschuf er die EOKA B mit dem Ziel, jede mögliche Teilung der Insel zu verhindern, ob diese nun durch interne gemeinschaftliche Verhandlungen der UNO durch die Junta in Athen oder die Türkei veranlasst werden sollte.

Sein Tod am 27. Januar 1972 ließ der Militärdiktatur Athens freies Feld. Sie organisierten einen Staatsstreich im Juli 1974. Die Konsequenzen sind noch heute auf Zypern sichtbar: türkische Invasion und Besetzung, 200.000 Flüchtling, Umsiedlung von Völkern, 1.600 Vermisste.

1955-1959 Die EOKA und von 1971-1974 EOKA B Zyperns

Die EOKA (Nationale Organisation zypriotischer Kämpfer) war eine antimilitärische antikommunistische und pro-griechische Organisation, die sich für das Ende der britischen Besetzung Zyperns und die Selbstbestimmung der Insel sowie ihre Angliederung an Griechenland eingesetzt hat.

Die EOKA war von 1955 bis 1959 aktiv. Ihr Gründer und Vorsitzender war Georgios Gravis. Während vier Jahren hat er Guerillamethoden angewendet, insbesondere gegen die türkisch

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zypriotische Gesellschaft und die TMT, ihren türkischen Rivalen. Die Organisation wurde im März 1959 aufgelöst.

Die zypriotischen Griechen haben die Angliederung der Insel an Griechenland gefordert. Die Rechtsstreitigkeit zwischen Griechenland und der Türkei nahm im 1954 ein internationales Ausmaß an, als Griechenland bei den Vereinten Nationen einen Antrag zur Selbstbestimmung Zyperns eingereicht hat. Dies war der Beginn eines innergemeinschaftlichen Konflikts. Im Jahr 1955 hat die EOKA ihre Handlungen gegen die Briten und die türkischen Zyprioten gesteigert.

Die Handlungen der EOKA zielten hauptsächlich auf britische Interessen und koloniale Streitkräfte ab. Straftaten wurden jedoch auch gegen Kollaborateure geführt, die die repressiven Taten der englischen Besatzungsmächte unterstützten und ihnen halfen.

Im Jahr 1971 hat der General Georgios Grivas, ehemaliger militärischer Leader des Unabhängigkeitskampfes und Gründer der EOKA, die EOKA B , eine paramilitärische Organisation, geschaffen.

Die EOKA B war an dem Staatsstreich der griechisch zypriotischen Offiziere beteiligt, der am 15. Juli 1974 Makarios III. stürzte. In Folge dieser Handlung fiel die türkische Armee im Norden der Insel ein und teilte sie im Jahr 1975 in zwei Teile. Die Teilung wurde 1983 offiziell anerkannt. Es entstand die Türkische Republik Nordzyperns, die nur von der Türkei anerkannt wurde.

1981 Griechenland tritt in die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft ein

Seit Juli 1961 ist Griechenland assoziiertes Mitglied der EWG. Außerdem war Griechenland der erste Staat, der diesen Status 1959 beantragt hat. In der Zeit der Griechischen Militärdiktatur (1967-1974) wurde Griechenland von der EWG bis zur Wiederaufnahme im Jahr 1974 ausgeschlossen. Die Rückkehr zu einer republikanischen Demokratie, in dem Land, das seit der Antike die historische Wiege des politischen Demokratiegedankens war, löst eine Welle des Enthusiasmus und der Solidarität in Westeuropa aus.

Griechenland stellt am 12. Juni 1975 den offiziellen Antrag zum Beitritt in die EWG .

Frankreich und insbesondere der Präsident der Republik Giscard d’Estaing befürwortet die griechische Kandidatur aus politischen Gründen.

Während die konservative Partei ND-Neue Demokratie aktiv den Beitrittsprozess unterstützt, haben die sozialistische Partei (PASOK) und die pro-sowjetischen Kommunisten der KKE sich vehement dagegen gestellt.

Im Januar 1976 hat die Kommission eine relativ zurückhaltende Haltung gegenüber der griechischen Kandidatur eingenommen. Auch wenn sie sich über die politische Bedeutung dieser Erweiterung bewusst war, betont die Kommission vor allem den wirtschaftlichen Rückstand

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Griechenlands und seine landwirtschaftlichen Strukturen im Vergleich zu den neuen, mehr industrialisierten Ländern, die derzeit die EWG gebildet haben.

Trotz der Zurückhaltungen der Kommission haben der deutsche Außenminister (Genscher) und der niederländische Außenminister (van der Stoel) beschlossen, positiv auf die Anfrage Griechenlands zu antworten.

Am 9. Februar 1976 hat der Ministerrat der neun Mitgliedsländer die griechische Kandidatur akzeptiert, ohne dem Vorschlag der Kommission, eine Probezeit des Beitritts einzulegen, nachzukommen. Griechenland wird am 1. Januar 1981 das zehnte Mitglied der Europäischen Gemeinschaft.

Die Olympischen Sommerspiele 2004

Die Olympischen Spiele aus dem Jahr 2004 waren die 28. Spiele der modernen Zeit. Sie wurden in Athen (Griechenland) zwischen dem 13. und dem 29. August 2004 ausgetragen. Die Spiele, welche ursprünglich in der Stadt Olympia ausgetragen wurden, fanden das erste Mal im 8. Jahrhundert v. Chr. bis zum 5. Jahrhundert n. Chr. im Vierjahresturnus statt.

Die griechische Hauptstadt wurde zum zweiten Mal Gastgeber der Olympischen Spiele, nachdem in Athen zuvor die ersten Olympischen Spiele der modernen Geschichte im Jahr 1896 ausgetragen wurden.

Während des 20. Jahrhunderts wurde das Internationale Olympische Komitee (IOC) dazu veranlasst, die Entwicklung der Olympischen Spiele an die sozialen Veränderungen, die in der ganzen Welt aufkamen, anzupassen. Einige dieser Anpassungen betrafen insbesondere die Erschaffung der Olympischen Winterspiele, der Paralympischen Spiele und der Olympischen Jugendspiele. Das IOC musste die Olympischen Spiele auch an die wirtschaftlichen, politischen und technischen Neuerungen des 20. Jahrhunderts anpassen. Daraus folgte, dass zu den Olympischen Spielen von nun an nicht mehr nur Amateure, sondern auch professionelle Sportler zugelassen wurden. Die steigende Bedeutung der Medien zog Probleme der Finanzierung und der Kommerzialisierung der Spiele nach sich.

Das Feiern der Spiele beinhaltet zahlreiche Rituale und Symbole, wie die olympische Flagge und das olympische Feuer oder auch die Eröffnungs- und Abschlussfeier. Die drei besten Athleten jedes Wettkampfes erhalten eine Goldmedaille (erster Platz), eine Silbermedaille (zweiter Platz) und eine Bronzemedaille (dritter Platz). Die Olympischen Spiele sind so wichtig geworden, dass beinahe jede Nation vertreten ist. Ein solches Ausmaß hat jedoch auch viele Herausforderungen provoziert: Boykott, Doping, Korruption, Terrorismus.

In Athen waren zum ersten Mal seit 1996 alle olympischen Nationen vertreten. 21 Nationen und 10.625 Athleten (darunter 4.329 Frauen) haben in 28 Sportarten und an 301 Wettkämpfen teilgenommen (ein Wettkampf mehr als in Sydney).

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Der Erfolg Athens, die Wiege der Olympischen Spiele, ging stark auf den Wunsch der Organisatoren zurück. Sie wollten an die Geschichte und die Rolle erinnern, die Griechenland in der Entwicklung der Olympischen Spiele gespielt hat. Die Maskottchen Athens waren Athina und Phevos.

Die Sportler, die besonders im Fokus standen waren der amerikanische Schwimmer Michael Phelps, der niederländische Radfahrer Leontien Zijlaard-Van Moorsel, die deutsche Kanute Birgit Fischer und der marokkanische Athlet El Guerrouj.

Offizielle Website: www.olympic.org

Die Evzonen

Evzonen, wörtlich die „Wohlgegürteten“ im Sinne von Leichtbewaffneten, war der Name für mehrere Regimente und Elitebataillons der leichten Infanterie der griechischen Armee.

Heute bezeichnet der Name die Mitglieder der Präsidialgarde, eine zeremonielle Einheit, die das Parlament und das Haus des Präsidenten bewacht. Ihre Uniformen erinnern an traditionelle griechische Kostüme. Von den Balkankriegen an bis zum Zweiten Weltkrieg zählen die 48 Infanterieregimente der griechischen Armee fünf Evzonenregimente, die in verschiedene Divisionen aufgeteilt wurden.

Konstantinos Koukidis war ein Evzone im Zweiten Weltkrieg. Bei der Übernahme Athens durch die deutsche Armee am 27. April 1941, wurde Koukidis mit der Bewachung der Nationalfahne auf dem Gipfel der Akropolis beauftragt. Die Deutschen forderten ihn auf die Fahne durch die Hakenkreuzfahne auszutauschen, was er tat. Doch als er ihnen die griechische Fahne überreichen sollte, rollte er sich in der Fahne ein und schmiss sich von der Akropolis, was einen Sturz von 200 Metern macht. Koukidis wurde zum Nationalhelden und wird manchmal auch „der heldenhafte Bewahrer der Fahne der Akropolos“ genannt.

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Die Nachweise für alle genutzen Texte in den Notizen zu den Historischen Ereignissen Süd-Ost-Europas werden nachfolgend aufgelistet:

1. Die freie Enzyklopädie Wikipedia (Der Inhalt wird genehmigt: CC-BY-SA 3.0.)

2. Die Wikimedia Foundation

3. Wikimedia Commons (multimediale Quellen)

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NUTZUNGSBEDINUNGEN:

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