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48 MOBIL DIGITAL Donnerstag, 12. August 2010 Nr. 185 Neuö Zürcör Zäitung META-TAG Streit um die Netz-Neutralität Stefan Betschon Netz-Neutralität ist wie Weltgesundheit und Weltfriede: Alle sind dafür. Sie kennt nur Befür- worter, und doch sorgt diese Wort- kombination, wo immer sie ins Ge- spräch gebracht wird, für hitzige Dis- kussionen. Google und die amerikani- sche Telekommunikationsfirma Verizon Communications haben am Montag ei- nen Vorschlag zur Regulierung der Netz-Neutralität vorgelegt. Offenheit sei die wichtigste Eigen- schaft des Internets, diese Offenheit gelte es auch in Zukunft zu bewahren. Die beiden Firmen möchten die Inter- net-Service-Provider (ISP) darauf ver- pflichten, dass sie alle Datenpakete gleich behandeln. Es soll verboten wer- den, bestimmte Anbieter, Rezipienten oder Dienste zu benachteiligen oder zu bevorzugen. Das Engagement für Netz-Neutrali- tät hat Google und Verizon starke Kri- tik eingebracht. Googles Absichten sei- en «böse», so vermuteten amerikani- sche Journalisten. Denn laut dem Vor- schlag soll die Neutralität nicht für Mobilfunknetze gelten, zudem soll es den ISP erlaubt sein, parallel zum exis- tierenden Internet neuartige, leistungs- fähigere Online-Dienste aufzubauen. Es wird befürchtet, dass die grossen Telekommunikationsanbieter vor allem in die neuen Online-Dienste investie- ren, dass eine Zwei-Klassen-Gesell- schaft entsteht, in der es für zahlungs- kräftige Kunden und mächtige Medien- unternehmen schnelle Internetverbin- dungen gibt, während kleinere Anbieter und Durchschnittsanwender im Daten- stau versinken. Die Vorschläge von Google und Verizon sind vage und interpretations- bedürftig, ihr Einfluss auf eine zukünf- tige Gesetzgebung in den USA dürfte beschränkt sein. Dass sie trotzdem so heftige Reaktionen provoziert haben, hängt vermutlich damit zusammen, dass viele verdrängt haben, dass das Inter- net, dieses weltweite virtuelle Wolken- kuckucksheim, eine materielle Basis hat und dass der Ausbau dieser Infrastruk- tur nicht gratis zu haben ist. HTML 5 haucht dem Web neues Leben ein Der Web-Standard der Zukunft ist in der Gegenwart gelandet Die Spezifikationen für die neue Version der Hypertext-Aus- zeichnungssprache HTML sind noch nicht fertig, doch viele Browser unterstützen bereits die wichtigsten Funktionen zur Dar- stellung von Websites. HTML 5 wird das Web stark verändern. Claude Settele In der Welt des Internets sind zehn Jahre eine Ewigkeit. Die aktuelle Ver- sion 4.01 der Hypertext Markup Lan- guage (HTML) wurde Ende 1999 einge- führt. Damals gab es kein ADSL im Haushalt, Google war eine kaum be- kannte Jungfirma, und Phänomene wie soziale Netzwerke oder Cloud-Compu- ting existierten bestenfalls als Ideen- skizze. Vieles hat sich seither verändert – höchste Zeit also, das Web auf eine neue technische Basis zu stellen. Dafür verantwortlich ist das World Wide Web Consortium (W3C), das über HTML wacht und das für die grafische Darstel- lung von Websites zuständige Regel- werk CSS (Cascading Style Sheets). Autonomie von Plug-ins Das W3C ist ein schwerfälliger Tanker mit über 300 Firmen und Institutionen von Apple bis zur Zheijang-Universität an Bord. Die Weiterentwicklung von HTML erwies sich als zäher Prozess, der über viele Jahre, zeitweise in zwei Arbeitsgruppen unterschiedlicher Stossrichtung, vorangetrieben wurde. Jetzt ist die Zukunft in Form von HTML 5 und CSS 3 greifbar, obschon die Spezifikation noch nicht abgeschlos- sen ist. Mozilla (Firefox), Apple (Sa- fari), Google (Chrome) und Opera sind die treibenden Kräfte für eine schnelle Umsetzung, ihre neusten Browser-Ver- sionen unterstützen bereits viele der neuen Funktionen. Unterstützung er- halten sie auch von Web-Dienstleistern, denen HTML 5 neue kommerzielle Per- spektiven eröffnet. Die Liste der neuen Funktionen ist lang. Apple, Google und Microsoft zei- gen auf Demo-Websites,* was heute mit den offenen Web-Standards HTML, CSS und der Programmiersprache Java- script möglich ist. Bereits viel Publizität erhielt HTML 5 wegen seiner Fähigkeit, Audio- und Videoinhalte ohne Plug-in abzuspielen. Ein Katalysator war Ap- ples Entscheid, beim iPhone und beim iPad auf HTML 5 statt auf Flash zu set- zen. Videoportale wie Youtube und Vimeo experimentieren bereits damit, kürzlich hat das Dokumentenportal Scribd entschieden, von Flash auf HTML 5 umzusteigen. Weitere Funk- tionen lassen die Grenze zwischen Desktop-PC und Anwendungen in der Cloud verschwimmen und werten den Browser auf: Mit «drag and drop» lassen sich Dateien innerhalb des Browser- Fensters bewegen und auch auf einen Ordner im Web verschieben. Der CEO des Online-Speicherdienstes Box.net glaubt gar, dass diese Funktion das Ende des klassischen Desktop-Be- triebssystems sei, und liegt damit auf einer Linie mit Eric Schmidt, dem CEO von Google. Von diesem stammt der Slogan «The browser is the computer». HTML 5 ist auf dem besten Weg, solche Visionen zu stützen: Neu können Web- Anwendungen Daten automatisch auf dem lokalen PC speichern. Dies erlaubt, mit Cloud-Anwendungen wie Google Docs auch offline zu arbeiten. Dies war über die Browser-Erweiterung Gears auch möglich, die Google nun zuguns- ten von HTML 5 hat fallenlassen. Typografische Vielfalt Einen Kreativitätsschub bringen neue Funktionen für 2-D- und 3-D-Grafiken, Animationen und die optische Gestal- tung von Websites. Dazu gehören etwa skalierbare Vektorgrafiken, um 360 Grad drehende Bildobjekte, Diaschau- en mit verblüffenden Effekten und Spiele. Künftig können Browser auch Geodaten verarbeiten und erleichtern Webdesignern und -entwicklern dank Vereinfachung der Syntax sowie neuen Elementen und CSS-«Klassen» die Ar- beit. So lassen sich mit einer Codezeile Farbverläufe definieren, runde Ecken oder Schatten kreieren, wozu man heu- te in einem Grafikprogramm Vorlagen erstellen muss. CSS 3 erlaubt den Ein- satz von mehr Schriften und bietet Optionen für interaktive Effekte, die heute oft mit Flash realisiert werden. Totgesagte leben länger Wie schnell sich HTML 5 durchsetzen wird, hängt nicht nur davon ab, wann das W3C die endgültige Version des Standards publiziert; 2012 könnte es so weit sein. Wichtig ist auch die Haltung von Microsoft, das trotz grossen Ter- rainverlusten immer noch der führende Browser-Anbieter ist. Lange hat sich das Unternehmen wenig um Standards gekümmert, will nun aber HTML 5 und CSS 3 im neuen Explorer 9 unterstüt- zen, wie erste Vorschauen zeigen, eine Beta-Version folgt im September. Ein Problem ist aber die Langlebigkeit alter Explorer-Versionen, selbst der neun Jahre alte Explorer 6 ist nicht totzukrie- gen. Da HTML 5 aber einen Quanten- sprung bedeutet und eine weitere Ero- sion der Marktanteile droht, könnte Microsoft künftig seine Anwender akti- ver zum Umstieg animieren. * Demos und Informationen: http://ie.microsoft.com/testdrive; http://slides.html5rocks.com; http://www.apple.com/html5. Plättet die Mäuse Apples Magic Trackpad bewährt sich als Eingabegerät an Macintosh-Rechnern S. B. Vor etwas mehr als einem Vier- teljahrhundert hat Apple die Compu- termaus gross herausgebracht, jetzt macht sich die kalifornische Firma dar- an, dieses Eingabegerät zu beseitigen und durch das flache, kabellose Magic Trackpad zu ersetzen. Apple hat die Maus nicht erfunden, und der Lisa ge- nannte Computer, dem Apple 1983 erst- mals eine Maus beigesellte, war in die- ser Hinsicht nicht einzigartig. Zwei Jah- re zuvor hatte Xerox mit einer Star ge- nannten Maschine ebenfalls eine Com- putermaus ausgeliefert. Holzklotz auf Rädchen Die Maus war zu Beginn der 1960er Jahre in Kalifornien von Doug Engel- bart entwickelt worden. Er wollte ein Computersystem schaffen, das sich in- teraktiv auch von mehreren Anwendern benutzen lässt. Neben einem neuarti- gen, grafikfähigen Computermonitor gab es an diesem Arbeitsplatz eine Tas- tatur mit fünf Tasten und ein Zeigegerät zur Markierung von einzelnen Bild- schirmregionen. Zu diesem Zweck wa- ren ursprünglich Lichtgriffel vorgese- hen, getestet wurden auch ein Joystick, ein Hebel unter dem Tisch, der mit dem Knie bedient wurde, und ein Gerät, das das Wackeln der Nasenspitze auf den Bildschirm übertrug. Die besten Resul- tate lieferte aber ein Holzklotz auf zwei Rädchen, der von allen Maus genannt wurde. Engelbart und sein Mitarbeiter Bill English liessen die Maus 1964 als «XY-Position Indicator for a Display System» patentieren. Als Besonderheit dieser neuen Form der Mensch-Compu- ter-Kommunikation, die 1984 von Ap- ple mit dem Macintosh popularisiert wurde, galt die Möglichkeit der «direk- ten Manipulation». Der Anwender musste nicht mehr auswendig gelernte Befehle eintippen, um den Computer zu steuern, sondern er konnte direkt ein- greifen, Bildchen auf dem Bildschirm, die Computerprogramme oder Compu- terdaten repräsentierten, manipulieren. Noch direkter als mit der Maus las- sen sich diese Interaktionen mit dem neuen Magic Trackpad von Apple durchführen. Nichts an diesem Produkt ist magisch, nichts daran ist aus techni- scher Sicht neu. Wie bereits die Lisa- Maus, so stützt sich auch dieses Produkt auf technische Innovationen, die sich schon seit Jahren bewährt haben. Doch wie auch bei anderen Apple-Produkten glänzt das Trackpad durch ein minima- listisches Design, sorgfältige Fertigung und eine vorbildliche Hardware-Soft- ware-Integration. Finger-Ballett Das Apple-Trackpad, 13 mal 13 Zenti- meter gross, lässt sich ohne Kabel via Bluetooth zusammen mit neueren Mac- intosh-Computern benutzen, auf denen Mac-OS 10.6.4 installiert ist. Mit einiger Mühe lässt sich das Trackpad auch mit Windows versöhnen, allerdings stehen hier nicht alle Funktionen zur Ver- fügung. Die Oberfläche aus Glas er- kennt die Bewegungen mehrerer Fin- ger, die nicht nur den Mauspfeil über den Bildschirm schieben oder den Roll- balken bedienen, sondern etwa auch ein- oder auszoomen, seitenweise blät- tern oder Bildelemente drehen und wenden können. Ob das 79 Franken teure Trackpad die Maus vollständig er- setzen kann, hängt von den Applikatio- nen ab, die man verwendet. DIGITAL IN KÜRZE ................................................................................. Das Apple-Trackpad gefällt durch ein schlichtes Design, das durch Glas- und Aluminium-Elemente definiert wird. PD Weniger portable Spielkonsolen (sda) Der Absatz von portablen Kon- solen für Computerspiele ist in der Schweiz im zweiten Quartal um 43 Pro- zent zurückgegangen. Die Händler, die damit 41 Prozent weniger Umsatz hin- nehmen müssen, hoffen nun auf den Nintendo 3DS, der die Verkäufe wieder ankurbeln soll. Insgesamt ging der Ab- satz von Spielgeräten um 19,8 Prozent zurück, wie das Marktforschungsunter- nehmen Media Control im Auftrag der Branchenorganisation SIEA (Swiss In- teractive Entertainment Association) erhoben hat. Das Absatzplus bei den Heim-Konsolen von 7 Prozent konnte den Negativ-Trend nicht wettmachen, wie die am Montag publizierten Daten deutlich machen. Bei den Computer- spielen bewegen sich die Verkaufs- zahlen etwa auf dem Niveau des Vorjah- resquartals. Office-Paket für Mac (ddp) Mac-Nutzer können das neue Office-Paket von Microsoft Ende Okto- ber kaufen. Office 2011 soll dann in mehr als 100 Ländern zur Verfügung stehen. Kunden, die sich jetzt bereits das Office-Paket der Version 2008 kaufen, sollen kostenlos auf 2011 upgraden kön- nen. Geplant sind laut Microsoft zwei Versionen: eine für Privatanwender und eine für Firmen. Die Heimversion soll 109 Euro für einen Computer und 139 Euro für drei Computer kosten. Enthal- ten sind Word, Excel, Powerpoint und der Messenger. Überdimensioniertes Android-Handy (ddp) Der Computerhersteller Dell hat sein überdimensionales Mobiltele- fon Streak («Strahl») auch in Europa auf den Markt gebracht. Das Gerät wird mit dem Google-Betriebssystem An- droid betrieben und hat eine Bild- schirmgrösse von 5 Zoll (13 Zenti- meter). Zum Vergleich: Das neue iPhone 4 von Apple verfügt über 4,5 Zoll. Trotzdem bietet Apple mit 960 mal 640 Pixeln eine höhere Auflösung als der Streak, der nur 800 mal 600 Pixel darstellen kann. Bewähren soll sich der Streak bei Internet-Anwendungen und Multimedia. In der Schweiz kostet das Gerät bei Digitec 799 Franken. PD E-Book-Boom und -Bust S. B. Die britisch-amerikanische Fir- ma Plastic Logic hat die Markteinfüh- rung ihres E-Book-Readers Que abge- sagt. Unter den vielen Firmen, die zu Beginn des Jahres anlässlich der Consu- mer Electronics Show in Las Vegas E-Book-Lesegeräte ankündigten, ragte der Que heraus, denn er war grösser und dünner als die Konkurrenzprodukte. Während die Auslieferung des Que mehrmals verschoben werden musste, nahm die Firma bereits Vorbestellungen an. Am Dienstag verkündete Plastic Logic nun das Ende des Produkts. Weil sich das Marktumfeld «dramatisch» ver- ändert habe, erachte man es nicht mehr als sinnvoll, ein Produkt der ersten Generation vermarkten zu wollen. Stattdessen wolle man sich nun auf die Entwicklung eines Nachfolgemodells konzentrieren. Dass sich das Angebot an Lesegeräten rasch ausweiten und sich die Wettbewerbsintensität steigern würde, war schon zu Beginn des Jahres absehbar; dass auch Apple sich für die- sen Markt interessiert, galt als sicher. Plastic Logic, die in Dresden eine eigene Fabrik besitzt, hat aber möglicherweise die Komplexität der Fertigung unter- schätzt, vielleicht auch keine passenden Software-Partner gefunden. Amazon hat Ende Juli bereits die dritte Genera- tion ihres Kindle genannten Lesegeräts angekündigt.

HTML5 haucht dem Web neues Leben ein

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Die Version 5 der Hypertext Markup Language sowie CSS3 bedeuten für die Erstellung von Webseiten einen Quantensprung und verbessert die Voraussetzungen für Cloud-Computing.

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Page 1: HTML5 haucht dem Web neues Leben ein

48 MOBIL UDIGITAL Donnerstag, 12. August 2010 U Nr. 185Neuö Zürcör Zäitung

META-TAG

Streit um dieNetz-Neutralität

Stefan Betschon U Netz-Neutralität istwie Weltgesundheit und Weltfriede:Alle sind dafür. Sie kennt nur Befür-worter, und doch sorgt diese Wort-kombination, wo immer sie ins Ge-spräch gebracht wird, für hitzige Dis-kussionen. Google und die amerikani-sche Telekommunikationsfirma VerizonCommunications haben am Montag ei-nen Vorschlag zur Regulierung derNetz-Neutralität vorgelegt.

Offenheit sei die wichtigste Eigen-schaft des Internets, diese Offenheitgelte es auch in Zukunft zu bewahren.Die beiden Firmen möchten die Inter-net-Service-Provider (ISP) darauf ver-pflichten, dass sie alle Datenpaketegleich behandeln. Es soll verboten wer-den, bestimmte Anbieter, Rezipientenoder Dienste zu benachteiligen oder zubevorzugen.

Das Engagement für Netz-Neutrali-tät hat Google und Verizon starke Kri-tik eingebracht. Googles Absichten sei-en «böse», so vermuteten amerikani-sche Journalisten. Denn laut dem Vor-schlag soll die Neutralität nicht fürMobilfunknetze gelten, zudem soll esden ISP erlaubt sein, parallel zum exis-tierenden Internet neuartige, leistungs-fähigere Online-Dienste aufzubauen.Es wird befürchtet, dass die grossenTelekommunikationsanbieter vor allemin die neuen Online-Dienste investie-ren, dass eine Zwei-Klassen-Gesell-schaft entsteht, in der es für zahlungs-kräftige Kunden und mächtige Medien-unternehmen schnelle Internetverbin-dungen gibt, während kleinere Anbieterund Durchschnittsanwender im Daten-stau versinken.

Die Vorschläge von Google undVerizon sind vage und interpretations-bedürftig, ihr Einfluss auf eine zukünf-tige Gesetzgebung in den USA dürftebeschränkt sein. Dass sie trotzdem soheftige Reaktionen provoziert haben,hängt vermutlich damit zusammen, dassviele verdrängt haben, dass das Inter-net, dieses weltweite virtuelle Wolken-kuckucksheim, eine materielle Basis hatund dass der Ausbau dieser Infrastruk-tur nicht gratis zu haben ist.

HTML 5 haucht dem Web neues Leben einDer Web-Standard der Zukunft ist in der Gegenwart gelandet

Die Spezifikationen für die neueVersion der Hypertext-Aus-zeichnungssprache HTML sindnoch nicht fertig, doch vieleBrowser unterstützen bereits diewichtigsten Funktionen zur Dar-stellung von Websites. HTML 5wird das Web stark verändern.

Claude Settele

In der Welt des Internets sind zehnJahre eine Ewigkeit. Die aktuelle Ver-sion 4.01 der Hypertext Markup Lan-guage (HTML) wurde Ende 1999 einge-führt. Damals gab es kein ADSL imHaushalt, Google war eine kaum be-kannte Jungfirma, und Phänomene wiesoziale Netzwerke oder Cloud-Compu-ting existierten bestenfalls als Ideen-skizze. Vieles hat sich seither verändert– höchste Zeit also, das Web auf eineneue technische Basis zu stellen. Dafürverantwortlich ist das World Wide WebConsortium (W3C), das über HTMLwacht und das für die grafische Darstel-lung von Websites zuständige Regel-werk CSS (Cascading Style Sheets).

Autonomie von Plug-insDas W3C ist ein schwerfälliger Tankermit über 300 Firmen und Institutionenvon Apple bis zur Zheijang-Universität

an Bord. Die Weiterentwicklung vonHTML erwies sich als zäher Prozess, derüber viele Jahre, zeitweise in zweiArbeitsgruppen unterschiedlicherStossrichtung, vorangetrieben wurde.

Jetzt ist die Zukunft in Form vonHTML 5 und CSS 3 greifbar, obschondie Spezifikation noch nicht abgeschlos-sen ist. Mozilla (Firefox), Apple (Sa-fari), Google (Chrome) und Opera sinddie treibenden Kräfte für eine schnelleUmsetzung, ihre neusten Browser-Ver-sionen unterstützen bereits viele derneuen Funktionen. Unterstützung er-halten sie auch von Web-Dienstleistern,denen HTML 5 neue kommerzielle Per-spektiven eröffnet.

Die Liste der neuen Funktionen istlang. Apple, Google und Microsoft zei-gen auf Demo-Websites,* was heute mitden offenen Web-Standards HTML,CSS und der Programmiersprache Java-script möglich ist. Bereits viel Publizitäterhielt HTML 5 wegen seiner Fähigkeit,Audio- und Videoinhalte ohne Plug-inabzuspielen. Ein Katalysator war Ap-ples Entscheid, beim iPhone und beimiPad auf HTML 5 statt auf Flash zu set-zen. Videoportale wie Youtube undVimeo experimentieren bereits damit,kürzlich hat das DokumentenportalScribd entschieden, von Flash aufHTML 5 umzusteigen. Weitere Funk-tionen lassen die Grenze zwischenDesktop-PC und Anwendungen in derCloud verschwimmen und werten den

Browser auf: Mit «drag and drop» lassensich Dateien innerhalb des Browser-Fensters bewegen und auch auf einenOrdner im Web verschieben. Der CEOdes Online-Speicherdienstes Box.netglaubt gar, dass diese Funktion dasEnde des klassischen Desktop-Be-triebssystems sei, und liegt damit aufeiner Linie mit Eric Schmidt, dem CEOvon Google. Von diesem stammt derSlogan «The browser is the computer».HTML 5 ist auf dem besten Weg, solcheVisionen zu stützen: Neu können Web-Anwendungen Daten automatisch aufdem lokalen PC speichern. Dies erlaubt,mit Cloud-Anwendungen wie GoogleDocs auch offline zu arbeiten. Dies warüber die Browser-Erweiterung Gearsauch möglich, die Google nun zuguns-ten von HTML 5 hat fallenlassen.

Typografische VielfaltEinen Kreativitätsschub bringen neueFunktionen für 2-D- und 3-D-Grafiken,Animationen und die optische Gestal-tung von Websites. Dazu gehören etwaskalierbare Vektorgrafiken, um 360Grad drehende Bildobjekte, Diaschau-en mit verblüffenden Effekten undSpiele. Künftig können Browser auchGeodaten verarbeiten und erleichternWebdesignern und -entwicklern dankVereinfachung der Syntax sowie neuenElementen und CSS-«Klassen» die Ar-beit. So lassen sich mit einer Codezeile

Farbverläufe definieren, runde Eckenoder Schatten kreieren, wozu man heu-te in einem Grafikprogramm Vorlagenerstellen muss. CSS 3 erlaubt den Ein-satz von mehr Schriften und bietetOptionen für interaktive Effekte, dieheute oft mit Flash realisiert werden.

Totgesagte leben längerWie schnell sich HTML 5 durchsetzenwird, hängt nicht nur davon ab, wanndas W3C die endgültige Version desStandards publiziert; 2012 könnte es soweit sein. Wichtig ist auch die Haltungvon Microsoft, das trotz grossen Ter-rainverlusten immer noch der führendeBrowser-Anbieter ist. Lange hat sichdas Unternehmen wenig um Standardsgekümmert, will nun aber HTML 5 undCSS 3 im neuen Explorer 9 unterstüt-zen, wie erste Vorschauen zeigen, eineBeta-Version folgt im September. EinProblem ist aber die Langlebigkeit alterExplorer-Versionen, selbst der neunJahre alte Explorer 6 ist nicht totzukrie-gen. Da HTML 5 aber einen Quanten-sprung bedeutet und eine weitere Ero-sion der Marktanteile droht, könnteMicrosoft künftig seine Anwender akti-ver zum Umstieg animieren.

* Demos und Informationen:http://ie.microsoft.com/testdrive;http://slides.html5rocks.com;http://www.apple.com/html5.

Plättet die MäuseApples Magic Trackpad bewährt sich als Eingabegerät an Macintosh-Rechnern

S. B. U Vor etwas mehr als einem Vier-teljahrhundert hat Apple die Compu-termaus gross herausgebracht, jetztmacht sich die kalifornische Firma dar-an, dieses Eingabegerät zu beseitigenund durch das flache, kabellose MagicTrackpad zu ersetzen. Apple hat dieMaus nicht erfunden, und der Lisa ge-nannte Computer, dem Apple 1983 erst-mals eine Maus beigesellte, war in die-ser Hinsicht nicht einzigartig. Zwei Jah-re zuvor hatte Xerox mit einer Star ge-nannten Maschine ebenfalls eine Com-putermaus ausgeliefert.

Holzklotz auf RädchenDie Maus war zu Beginn der 1960erJahre in Kalifornien von Doug Engel-bart entwickelt worden. Er wollte einComputersystem schaffen, das sich in-teraktiv auch von mehreren Anwendernbenutzen lässt. Neben einem neuarti-gen, grafikfähigen Computermonitorgab es an diesem Arbeitsplatz eine Tas-tatur mit fünf Tasten und ein Zeigegerätzur Markierung von einzelnen Bild-schirmregionen. Zu diesem Zweck wa-ren ursprünglich Lichtgriffel vorgese-

hen, getestet wurden auch ein Joystick,ein Hebel unter dem Tisch, der mit demKnie bedient wurde, und ein Gerät, dasdas Wackeln der Nasenspitze auf denBildschirm übertrug. Die besten Resul-tate lieferte aber ein Holzklotz auf zweiRädchen, der von allen Maus genanntwurde. Engelbart und sein MitarbeiterBill English liessen die Maus 1964 als«XY-Position Indicator for a DisplaySystem» patentieren. Als Besonderheitdieser neuen Form der Mensch-Compu-ter-Kommunikation, die 1984 von Ap-ple mit dem Macintosh popularisiertwurde, galt die Möglichkeit der «direk-ten Manipulation». Der Anwendermusste nicht mehr auswendig gelernteBefehle eintippen, um den Computer zusteuern, sondern er konnte direkt ein-greifen, Bildchen auf dem Bildschirm,die Computerprogramme oder Compu-terdaten repräsentierten, manipulieren.

Noch direkter als mit der Maus las-sen sich diese Interaktionen mit demneuen Magic Trackpad von Appledurchführen. Nichts an diesem Produktist magisch, nichts daran ist aus techni-scher Sicht neu. Wie bereits die Lisa-Maus, so stützt sich auch dieses Produkt

auf technische Innovationen, die sichschon seit Jahren bewährt haben. Dochwie auch bei anderen Apple-Produktenglänzt das Trackpad durch ein minima-listisches Design, sorgfältige Fertigungund eine vorbildliche Hardware-Soft-ware-Integration.

Finger-BallettDas Apple-Trackpad, 13 mal 13 Zenti-meter gross, lässt sich ohne Kabel viaBluetooth zusammen mit neueren Mac-intosh-Computern benutzen, auf denenMac-OS 10.6.4 installiert ist. Mit einigerMühe lässt sich das Trackpad auch mitWindows versöhnen, allerdings stehenhier nicht alle Funktionen zur Ver-fügung. Die Oberfläche aus Glas er-kennt die Bewegungen mehrerer Fin-ger, die nicht nur den Mauspfeil überden Bildschirm schieben oder den Roll-balken bedienen, sondern etwa auchein- oder auszoomen, seitenweise blät-tern oder Bildelemente drehen undwenden können. Ob das 79 Frankenteure Trackpad die Maus vollständig er-setzen kann, hängt von den Applikatio-nen ab, die man verwendet.

DIGITAL IN KÜRZE.. . . .. . . .. . . .. . . .. . . .. . . .. . . .. . . .. . . .. . . .. . . .. . . .. . . .. . . .. . . .. . . .. . . .. . . .. . . .. . . .

Das Apple-Trackpad gefällt durch ein schlichtes Design, das durch Glas- und Aluminium-Elemente definiert wird. PD

Weniger portable Spielkonsolen(sda) U Der Absatz von portablen Kon-solen für Computerspiele ist in derSchweiz im zweiten Quartal um 43 Pro-zent zurückgegangen. Die Händler, diedamit 41 Prozent weniger Umsatz hin-nehmen müssen, hoffen nun auf denNintendo 3DS, der die Verkäufe wiederankurbeln soll. Insgesamt ging der Ab-satz von Spielgeräten um 19,8 Prozentzurück, wie das Marktforschungsunter-nehmen Media Control im Auftrag derBranchenorganisation SIEA (Swiss In-teractive Entertainment Association)erhoben hat. Das Absatzplus bei denHeim-Konsolen von 7 Prozent konnteden Negativ-Trend nicht wettmachen,wie die am Montag publizierten Datendeutlich machen. Bei den Computer-spielen bewegen sich die Verkaufs-zahlen etwa auf dem Niveau des Vorjah-resquartals.

Office-Paket für Mac(ddp) U Mac-Nutzer können das neueOffice-Paket von Microsoft Ende Okto-ber kaufen. Office 2011 soll dann inmehr als 100 Ländern zur Verfügungstehen. Kunden, die sich jetzt bereits dasOffice-Paket der Version 2008 kaufen,sollen kostenlos auf 2011 upgraden kön-nen. Geplant sind laut Microsoft zweiVersionen: eine für Privatanwender undeine für Firmen. Die Heimversion soll109 Euro für einen Computer und 139Euro für drei Computer kosten. Enthal-ten sind Word, Excel, Powerpoint undder Messenger.

Überdimensioniertes Android-Handy(ddp) U Der Computerhersteller Dellhat sein überdimensionales Mobiltele-fon Streak («Strahl») auch in Europaauf den Markt gebracht. Das Gerät wirdmit dem Google-Betriebssystem An-droid betrieben und hat eine Bild-schirmgrösse von 5 Zoll (13 Zenti-meter). Zum Vergleich: Das neueiPhone 4 von Apple verfügt über 4,5Zoll. Trotzdem bietet Apple mit 960 mal640 Pixeln eine höhere Auflösung alsder Streak, der nur 800 mal 600 Pixeldarstellen kann. Bewähren soll sich derStreak bei Internet-Anwendungen undMultimedia. In der Schweiz kostet dasGerät bei Digitec 799 Franken.

PD

E-Book-Boom und -BustS. B. U Die britisch-amerikanische Fir-ma Plastic Logic hat die Markteinfüh-rung ihres E-Book-Readers Que abge-sagt. Unter den vielen Firmen, die zuBeginn des Jahres anlässlich der Consu-mer Electronics Show in Las VegasE-Book-Lesegeräte ankündigten, ragteder Que heraus, denn er war grösser unddünner als die Konkurrenzprodukte.Während die Auslieferung des Quemehrmals verschoben werden musste,nahm die Firma bereits Vorbestellungenan. Am Dienstag verkündete PlasticLogic nun das Ende des Produkts. Weilsich das Marktumfeld «dramatisch» ver-ändert habe, erachte man es nicht mehrals sinnvoll, ein Produkt der erstenGeneration vermarkten zu wollen.Stattdessen wolle man sich nun auf dieEntwicklung eines Nachfolgemodellskonzentrieren. Dass sich das Angebotan Lesegeräten rasch ausweiten undsich die Wettbewerbsintensität steigernwürde, war schon zu Beginn des Jahresabsehbar; dass auch Apple sich für die-sen Markt interessiert, galt als sicher.Plastic Logic, die in Dresden eine eigeneFabrik besitzt, hat aber möglicherweisedie Komplexität der Fertigung unter-schätzt, vielleicht auch keine passendenSoftware-Partner gefunden. Amazonhat Ende Juli bereits die dritte Genera-tion ihres Kindle genannten Lesegerätsangekündigt.