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Page 1: HTML5 haucht dem Web neues Leben ein

48 MOBIL UDIGITAL Donnerstag, 12. August 2010 U Nr. 185Neuö Zürcör Zäitung

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Streit um dieNetz-Neutralität

Stefan Betschon U Netz-Neutralität istwie Weltgesundheit und Weltfriede:Alle sind dafür. Sie kennt nur Befür-worter, und doch sorgt diese Wort-kombination, wo immer sie ins Ge-spräch gebracht wird, für hitzige Dis-kussionen. Google und die amerikani-sche Telekommunikationsfirma VerizonCommunications haben am Montag ei-nen Vorschlag zur Regulierung derNetz-Neutralität vorgelegt.

Offenheit sei die wichtigste Eigen-schaft des Internets, diese Offenheitgelte es auch in Zukunft zu bewahren.Die beiden Firmen möchten die Inter-net-Service-Provider (ISP) darauf ver-pflichten, dass sie alle Datenpaketegleich behandeln. Es soll verboten wer-den, bestimmte Anbieter, Rezipientenoder Dienste zu benachteiligen oder zubevorzugen.

Das Engagement für Netz-Neutrali-tät hat Google und Verizon starke Kri-tik eingebracht. Googles Absichten sei-en «böse», so vermuteten amerikani-sche Journalisten. Denn laut dem Vor-schlag soll die Neutralität nicht fürMobilfunknetze gelten, zudem soll esden ISP erlaubt sein, parallel zum exis-tierenden Internet neuartige, leistungs-fähigere Online-Dienste aufzubauen.Es wird befürchtet, dass die grossenTelekommunikationsanbieter vor allemin die neuen Online-Dienste investie-ren, dass eine Zwei-Klassen-Gesell-schaft entsteht, in der es für zahlungs-kräftige Kunden und mächtige Medien-unternehmen schnelle Internetverbin-dungen gibt, während kleinere Anbieterund Durchschnittsanwender im Daten-stau versinken.

Die Vorschläge von Google undVerizon sind vage und interpretations-bedürftig, ihr Einfluss auf eine zukünf-tige Gesetzgebung in den USA dürftebeschränkt sein. Dass sie trotzdem soheftige Reaktionen provoziert haben,hängt vermutlich damit zusammen, dassviele verdrängt haben, dass das Inter-net, dieses weltweite virtuelle Wolken-kuckucksheim, eine materielle Basis hatund dass der Ausbau dieser Infrastruk-tur nicht gratis zu haben ist.

HTML 5 haucht dem Web neues Leben einDer Web-Standard der Zukunft ist in der Gegenwart gelandet

Die Spezifikationen für die neueVersion der Hypertext-Aus-zeichnungssprache HTML sindnoch nicht fertig, doch vieleBrowser unterstützen bereits diewichtigsten Funktionen zur Dar-stellung von Websites. HTML 5wird das Web stark verändern.

Claude Settele

In der Welt des Internets sind zehnJahre eine Ewigkeit. Die aktuelle Ver-sion 4.01 der Hypertext Markup Lan-guage (HTML) wurde Ende 1999 einge-führt. Damals gab es kein ADSL imHaushalt, Google war eine kaum be-kannte Jungfirma, und Phänomene wiesoziale Netzwerke oder Cloud-Compu-ting existierten bestenfalls als Ideen-skizze. Vieles hat sich seither verändert– höchste Zeit also, das Web auf eineneue technische Basis zu stellen. Dafürverantwortlich ist das World Wide WebConsortium (W3C), das über HTMLwacht und das für die grafische Darstel-lung von Websites zuständige Regel-werk CSS (Cascading Style Sheets).

Autonomie von Plug-insDas W3C ist ein schwerfälliger Tankermit über 300 Firmen und Institutionenvon Apple bis zur Zheijang-Universität

an Bord. Die Weiterentwicklung vonHTML erwies sich als zäher Prozess, derüber viele Jahre, zeitweise in zweiArbeitsgruppen unterschiedlicherStossrichtung, vorangetrieben wurde.

Jetzt ist die Zukunft in Form vonHTML 5 und CSS 3 greifbar, obschondie Spezifikation noch nicht abgeschlos-sen ist. Mozilla (Firefox), Apple (Sa-fari), Google (Chrome) und Opera sinddie treibenden Kräfte für eine schnelleUmsetzung, ihre neusten Browser-Ver-sionen unterstützen bereits viele derneuen Funktionen. Unterstützung er-halten sie auch von Web-Dienstleistern,denen HTML 5 neue kommerzielle Per-spektiven eröffnet.

Die Liste der neuen Funktionen istlang. Apple, Google und Microsoft zei-gen auf Demo-Websites,* was heute mitden offenen Web-Standards HTML,CSS und der Programmiersprache Java-script möglich ist. Bereits viel Publizitäterhielt HTML 5 wegen seiner Fähigkeit,Audio- und Videoinhalte ohne Plug-inabzuspielen. Ein Katalysator war Ap-ples Entscheid, beim iPhone und beimiPad auf HTML 5 statt auf Flash zu set-zen. Videoportale wie Youtube undVimeo experimentieren bereits damit,kürzlich hat das DokumentenportalScribd entschieden, von Flash aufHTML 5 umzusteigen. Weitere Funk-tionen lassen die Grenze zwischenDesktop-PC und Anwendungen in derCloud verschwimmen und werten den

Browser auf: Mit «drag and drop» lassensich Dateien innerhalb des Browser-Fensters bewegen und auch auf einenOrdner im Web verschieben. Der CEOdes Online-Speicherdienstes Box.netglaubt gar, dass diese Funktion dasEnde des klassischen Desktop-Be-triebssystems sei, und liegt damit aufeiner Linie mit Eric Schmidt, dem CEOvon Google. Von diesem stammt derSlogan «The browser is the computer».HTML 5 ist auf dem besten Weg, solcheVisionen zu stützen: Neu können Web-Anwendungen Daten automatisch aufdem lokalen PC speichern. Dies erlaubt,mit Cloud-Anwendungen wie GoogleDocs auch offline zu arbeiten. Dies warüber die Browser-Erweiterung Gearsauch möglich, die Google nun zuguns-ten von HTML 5 hat fallenlassen.

Typografische VielfaltEinen Kreativitätsschub bringen neueFunktionen für 2-D- und 3-D-Grafiken,Animationen und die optische Gestal-tung von Websites. Dazu gehören etwaskalierbare Vektorgrafiken, um 360Grad drehende Bildobjekte, Diaschau-en mit verblüffenden Effekten undSpiele. Künftig können Browser auchGeodaten verarbeiten und erleichternWebdesignern und -entwicklern dankVereinfachung der Syntax sowie neuenElementen und CSS-«Klassen» die Ar-beit. So lassen sich mit einer Codezeile

Farbverläufe definieren, runde Eckenoder Schatten kreieren, wozu man heu-te in einem Grafikprogramm Vorlagenerstellen muss. CSS 3 erlaubt den Ein-satz von mehr Schriften und bietetOptionen für interaktive Effekte, dieheute oft mit Flash realisiert werden.

Totgesagte leben längerWie schnell sich HTML 5 durchsetzenwird, hängt nicht nur davon ab, wanndas W3C die endgültige Version desStandards publiziert; 2012 könnte es soweit sein. Wichtig ist auch die Haltungvon Microsoft, das trotz grossen Ter-rainverlusten immer noch der führendeBrowser-Anbieter ist. Lange hat sichdas Unternehmen wenig um Standardsgekümmert, will nun aber HTML 5 undCSS 3 im neuen Explorer 9 unterstüt-zen, wie erste Vorschauen zeigen, eineBeta-Version folgt im September. EinProblem ist aber die Langlebigkeit alterExplorer-Versionen, selbst der neunJahre alte Explorer 6 ist nicht totzukrie-gen. Da HTML 5 aber einen Quanten-sprung bedeutet und eine weitere Ero-sion der Marktanteile droht, könnteMicrosoft künftig seine Anwender akti-ver zum Umstieg animieren.

* Demos und Informationen:http://ie.microsoft.com/testdrive;http://slides.html5rocks.com;http://www.apple.com/html5.

Plättet die MäuseApples Magic Trackpad bewährt sich als Eingabegerät an Macintosh-Rechnern

S. B. U Vor etwas mehr als einem Vier-teljahrhundert hat Apple die Compu-termaus gross herausgebracht, jetztmacht sich die kalifornische Firma dar-an, dieses Eingabegerät zu beseitigenund durch das flache, kabellose MagicTrackpad zu ersetzen. Apple hat dieMaus nicht erfunden, und der Lisa ge-nannte Computer, dem Apple 1983 erst-mals eine Maus beigesellte, war in die-ser Hinsicht nicht einzigartig. Zwei Jah-re zuvor hatte Xerox mit einer Star ge-nannten Maschine ebenfalls eine Com-putermaus ausgeliefert.

Holzklotz auf RädchenDie Maus war zu Beginn der 1960erJahre in Kalifornien von Doug Engel-bart entwickelt worden. Er wollte einComputersystem schaffen, das sich in-teraktiv auch von mehreren Anwendernbenutzen lässt. Neben einem neuarti-gen, grafikfähigen Computermonitorgab es an diesem Arbeitsplatz eine Tas-tatur mit fünf Tasten und ein Zeigegerätzur Markierung von einzelnen Bild-schirmregionen. Zu diesem Zweck wa-ren ursprünglich Lichtgriffel vorgese-

hen, getestet wurden auch ein Joystick,ein Hebel unter dem Tisch, der mit demKnie bedient wurde, und ein Gerät, dasdas Wackeln der Nasenspitze auf denBildschirm übertrug. Die besten Resul-tate lieferte aber ein Holzklotz auf zweiRädchen, der von allen Maus genanntwurde. Engelbart und sein MitarbeiterBill English liessen die Maus 1964 als«XY-Position Indicator for a DisplaySystem» patentieren. Als Besonderheitdieser neuen Form der Mensch-Compu-ter-Kommunikation, die 1984 von Ap-ple mit dem Macintosh popularisiertwurde, galt die Möglichkeit der «direk-ten Manipulation». Der Anwendermusste nicht mehr auswendig gelernteBefehle eintippen, um den Computer zusteuern, sondern er konnte direkt ein-greifen, Bildchen auf dem Bildschirm,die Computerprogramme oder Compu-terdaten repräsentierten, manipulieren.

Noch direkter als mit der Maus las-sen sich diese Interaktionen mit demneuen Magic Trackpad von Appledurchführen. Nichts an diesem Produktist magisch, nichts daran ist aus techni-scher Sicht neu. Wie bereits die Lisa-Maus, so stützt sich auch dieses Produkt

auf technische Innovationen, die sichschon seit Jahren bewährt haben. Dochwie auch bei anderen Apple-Produktenglänzt das Trackpad durch ein minima-listisches Design, sorgfältige Fertigungund eine vorbildliche Hardware-Soft-ware-Integration.

Finger-BallettDas Apple-Trackpad, 13 mal 13 Zenti-meter gross, lässt sich ohne Kabel viaBluetooth zusammen mit neueren Mac-intosh-Computern benutzen, auf denenMac-OS 10.6.4 installiert ist. Mit einigerMühe lässt sich das Trackpad auch mitWindows versöhnen, allerdings stehenhier nicht alle Funktionen zur Ver-fügung. Die Oberfläche aus Glas er-kennt die Bewegungen mehrerer Fin-ger, die nicht nur den Mauspfeil überden Bildschirm schieben oder den Roll-balken bedienen, sondern etwa auchein- oder auszoomen, seitenweise blät-tern oder Bildelemente drehen undwenden können. Ob das 79 Frankenteure Trackpad die Maus vollständig er-setzen kann, hängt von den Applikatio-nen ab, die man verwendet.

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Das Apple-Trackpad gefällt durch ein schlichtes Design, das durch Glas- und Aluminium-Elemente definiert wird. PD

Weniger portable Spielkonsolen(sda) U Der Absatz von portablen Kon-solen für Computerspiele ist in derSchweiz im zweiten Quartal um 43 Pro-zent zurückgegangen. Die Händler, diedamit 41 Prozent weniger Umsatz hin-nehmen müssen, hoffen nun auf denNintendo 3DS, der die Verkäufe wiederankurbeln soll. Insgesamt ging der Ab-satz von Spielgeräten um 19,8 Prozentzurück, wie das Marktforschungsunter-nehmen Media Control im Auftrag derBranchenorganisation SIEA (Swiss In-teractive Entertainment Association)erhoben hat. Das Absatzplus bei denHeim-Konsolen von 7 Prozent konnteden Negativ-Trend nicht wettmachen,wie die am Montag publizierten Datendeutlich machen. Bei den Computer-spielen bewegen sich die Verkaufs-zahlen etwa auf dem Niveau des Vorjah-resquartals.

Office-Paket für Mac(ddp) U Mac-Nutzer können das neueOffice-Paket von Microsoft Ende Okto-ber kaufen. Office 2011 soll dann inmehr als 100 Ländern zur Verfügungstehen. Kunden, die sich jetzt bereits dasOffice-Paket der Version 2008 kaufen,sollen kostenlos auf 2011 upgraden kön-nen. Geplant sind laut Microsoft zweiVersionen: eine für Privatanwender undeine für Firmen. Die Heimversion soll109 Euro für einen Computer und 139Euro für drei Computer kosten. Enthal-ten sind Word, Excel, Powerpoint undder Messenger.

Überdimensioniertes Android-Handy(ddp) U Der Computerhersteller Dellhat sein überdimensionales Mobiltele-fon Streak («Strahl») auch in Europaauf den Markt gebracht. Das Gerät wirdmit dem Google-Betriebssystem An-droid betrieben und hat eine Bild-schirmgrösse von 5 Zoll (13 Zenti-meter). Zum Vergleich: Das neueiPhone 4 von Apple verfügt über 4,5Zoll. Trotzdem bietet Apple mit 960 mal640 Pixeln eine höhere Auflösung alsder Streak, der nur 800 mal 600 Pixeldarstellen kann. Bewähren soll sich derStreak bei Internet-Anwendungen undMultimedia. In der Schweiz kostet dasGerät bei Digitec 799 Franken.

PD

E-Book-Boom und -BustS. B. U Die britisch-amerikanische Fir-ma Plastic Logic hat die Markteinfüh-rung ihres E-Book-Readers Que abge-sagt. Unter den vielen Firmen, die zuBeginn des Jahres anlässlich der Consu-mer Electronics Show in Las VegasE-Book-Lesegeräte ankündigten, ragteder Que heraus, denn er war grösser unddünner als die Konkurrenzprodukte.Während die Auslieferung des Quemehrmals verschoben werden musste,nahm die Firma bereits Vorbestellungenan. Am Dienstag verkündete PlasticLogic nun das Ende des Produkts. Weilsich das Marktumfeld «dramatisch» ver-ändert habe, erachte man es nicht mehrals sinnvoll, ein Produkt der erstenGeneration vermarkten zu wollen.Stattdessen wolle man sich nun auf dieEntwicklung eines Nachfolgemodellskonzentrieren. Dass sich das Angebotan Lesegeräten rasch ausweiten undsich die Wettbewerbsintensität steigernwürde, war schon zu Beginn des Jahresabsehbar; dass auch Apple sich für die-sen Markt interessiert, galt als sicher.Plastic Logic, die in Dresden eine eigeneFabrik besitzt, hat aber möglicherweisedie Komplexität der Fertigung unter-schätzt, vielleicht auch keine passendenSoftware-Partner gefunden. Amazonhat Ende Juli bereits die dritte Genera-tion ihres Kindle genannten Lesegerätsangekündigt.

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