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J.S. Bachs Leipziger Choräle Silbermann-Orgel, Freiberg Benjamin Godard vorgestellt vom Trio Parnassus Frank Martin Steven Sloane, Stavanger Symphony Orchestra “The Romantic Piano Concerto” Hyperion präsentiert Volume 50 GUDRUN SCHAUMANN CLASS AKTUELL 2010/2 CLASS aktuell Association of Classical Independents in Germany CHRISTIAN THIELEMANN ZUKÜNFTIGER CHEFDIRIGENT DER STAATSKAPELLE DRESDEN FRÉDÉRIC CHOPIN PORTRAIT EINES GENIES

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J.S. Bachs Leipziger Choräle Silbermann-Orgel, Freiberg

Benjamin Godardvorgestellt vom Trio Parnassus

Frank Martin Steven Sloane, Stavanger Symphony Orchestra

“The Romantic Piano Concerto”Hyperion präsentiert Volume 50

GUDRUN SCHAUMANN

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CHRISTIAN THIELEMANN ZUKÜNFTIGER CHEFDIRIGENT DER

STAATSKAPELLE DRESDEN

FRÉDÉRIC CHOPIN PORTRAIT EINES GENIES

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Vertrieb: Codaex Deutschland GmbHTelefon 089-82000233 - Fax 089-82000093Gramola Wien: [email protected] Zürich: [email protected]

Robert SchumannPiano Quintet op. 44Complete String Quartets op. 41Christian Zacharias, piano Leipziger StreichquartettMDG 307 1610-2 (CD)

KlangSinn nuanciert schnörkellos – schlichtweg begeisternd.

Musikproduktion Dabringhaus und Grimm

...der feine Unterschied!

Telefon 05231-93890

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AUSGABE 2010/2 3

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Über Geschmack lässt sich streiten, heißt es. Manche sagen auch: Über Geschmack

lässt sich NICHT streiten. Gemeint ist natürlich dasselbe. Wo es um ästhetische Vorlieben

geht, enden Common Sense und gesellschaftliche Vernunft, hilft keine juristische Instanz

und keine Laboruntersuchung. Zwar können wir uns darüber verständigen, welche

Frequenz ein Ton hat und welches Obertonspektrum. Aber ob uns die Tonhöhe angenehm ist,

ob wir den Klang als kristallklar oder schon als schrill wahrnehmen, als „schön warm“

oder „ziemlich dumpf“, das bleibt eine subjektive Entscheidung. Manche empfinden

Klänge auch als „gelb“ oder „rot“.

Mit eigenen Ohren hören Dass wir da nicht einer Meinung sind, hat zunächst anatomische Gründe. Sie kennen

das beliebte Partyspiel: Hast du angewachsene oder frei hängende Ohrläppchen? Diese

fleischigen Anhängsel sind aber nicht einfach nur ein kurioser Kopfschmuck, sondern

dienen dem Ohr als Resonanzkörper. Jedes Ohrläppchen ist anders, jede Ohrmuschel

sowieso, jede Hörschnecke, jedes Trommelfell. Einem jeden Menschen sind die

Ohren anders an den Kopf gewachsen. Unmöglich, dass bei zwei Menschen dasselbe

Signal im Gehirn ankommt.

Wichtiger noch als die anatomische Anlage jedoch ist die Prägung unseres Hörens durch

Erfahrung und Umwelt. Ein schönes Beispiel: Tierstimmen werden sehr unterschiedlich

wahrgenommen, je nachdem, in welchem Sprachraum man aufgewachsen ist. Das

deutsche Wau-Wau des Hundes wird im Französischen eindeutig jambisch (ouah-ouah),

im Russischen konsonantisch (gav) und im Türkischen, nun ja, türkisch (kuçukuçu).

Auch das Schwein sagt nur bei uns oink-oink, in den slawischen Sprachen hört man im

Grunzen dagegen kombinierte Konsonanten (chro-chro, kví-kví, xrju)

und in Skandinavien eindeutig ö-Töne (röh, nöff-nöff).

Es ist doch so: Wer lange Zeit im Ausland lebt, beginnt ein Hundebellen ganz neu zu

verstehen. Wer mehr hört, hört immer besser. Um einen historisierend gespielten Bach

von einem romantisch aufgefassten zu unterscheiden, eine analytische Interpretation

von einer gefühlvollen oder verspielten, muss man bereits eine Menge verschiedener

Hörerfahrungen mitbringen. Manche Mitmenschen sind dagegen völlig taub für Bach,

weil sie von klein auf nur Wau-wau-Musik kennen.

Kurzum: Jeder und jede hört verschieden. Daher kann ich Ihnen nur raten:

Lassen Sie sich von den folgenden Seiten inspirieren, anregen und neugierig machen.

Aber entscheiden Sie dann mit Ihren eigenen Ohren. Es bleibt Ihnen auch gar nichts

anderes übrig.

Schöne, individuelle Hörerlebnisse

wünscht

Hans-Jürgen Schaal

CLASS aktuell 2 /2010Inhalt

4 Christian Thielemann

zukünftiger Chefdirigent der

Staatskapelle Dresden

6 Mit Selmer Saxharmonic auf symphonischen Pfaden

7 Der Thomanerchor

erinnert an die Sprengung der

Universitätskirche zu Leipzig

8 Faszination Schumann

Gudrun Schaumann über ihre

große musikalische Liebe

10 „The Romantic Piano Concerto“

Hyperion präsentiert Volume 50

11 Sloane und Oliemanns

Orchesterwerke von Frank Martin

neu entdeckt mit dem

Stavanger Symphony Orchestra

12 Serge Diaghilews „Balletts russes“

Eine umfangreiche Werkschau

13 Craig Frederick Humber: Bach

Wie ein Blitz aus heiterem Himmel

14 Pianoduo Trenkner Speidel

Original und Fälschung

15 Trio Parnassus

Sämtliche Klaviertrios von

Benjamin Godard

16 Frédéric Chopin

Zum 200. Geburtstag eines Genies

22 CLASS-Blickpunkte

Neuheiten vorgestellt von

CLASS aktuell

Auflage: 135.000 Titelfoto: ©Matthias Creutziger Grafik: Ottilie Gaigl

CLASS Association of Classical Independents in Germany e.V.Bachstraße 35, 32756 Detmold, Telefon 05231-938922www.class-germany.de · [email protected]

Alle Tonträger dieser Ausgabe finden Sie auchunter www.bielekat.de

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Brautschau mit Folgen Christian Thielemann dirigiert die Staatskapelle Dresden in Anton Bruckners achter Symphonie

Die Bekanntschaft reicht zurück in dasJahr 2003. Damals stand Christian Thielemann zum ersten Mal am Pultder Sächsischen Staatskapelle, jenes

ältesten deutschen Traditionsorchesters, mit demer nicht nur die Vorliebe zu Wagner und Straussteilt. Thielemann dirigierte damals die traditio-nellen Requiem-Konzerte am 13./14. Februar, indenen das Orchester alljährlich der ZerstörungDresdens im Kriegswinter 1945 gedenkt. MehrereJahre hatte man sich um den aufstrebenden

deutschen „Star“ unter den Dirigenten bemüht,der aber immer anderweitige Verpflichtungenhatte. Dann also die Konzerte mit JohannesBrahms’ „Ein deutsches Requiem“ in der Sem-peroper, die den Dirigenten schlichtweg über-wältigten: „Es war eine so außergewöhnlicheAtmosphäre, die ich mir nie hätte erträumenlassen. Ein Konzert ganz ohne Applaus, und dannzu diesem Anlass, der mich schon als Kind be-rührt hat. Beim Auf- und Abtreten hatte ich eineGänsehaut. Und anschließend, beim Verlassen

des Theaters, läuteten die Glocken. Das alles hat mich tief bewegt.“ Nach einer Wiederholungdes Konzertes am 15. Februar in der BerlinerPhilharmonie (auf Einladung des damaligen Bun-despräsidenten Johannes Rau) stand Thielemannim Oktober 2003 im Rahmen einer kurzfristigeingeschobenen „Wagner-Gala“ in der Semper-oper erneut am Pult der Staatskapelle. Danachverlor man sich ein wenig aus den Augen: Thielemann wurde 2004 Generalmusikdirektorder Münchner Philharmoniker. Die SächsischeStaatskapelle entschied sich für den ItalienerFabio Luisi, der 2007 sein Amt an der Elbeantrat. Eine Rückkehr in die Semperoper ließsich mit Thielemanns Terminkalender nur schwervereinbaren. Erst für den Februar 2010 gelanges, erneut ein Requiem-Konzert mit ihm in Dres-den zu terminieren. Dann kam es jedoch zu derunerwarteten Absage Luisis, so dass Thielemannfrüher als geplant aus dem Urlaub und ans Pultder Kapelle zurückkehrte. „So bin ich ebenetwas eher aus Sylt zurück und helfe Freundenaus“, erklärte er in einem Gespräch mit MichaelErnst in den Dresdner Neuesten Nachrichten.„Wissen Sie, ich hab so viel zu tun gehabt, und

4 AUSGABE 2010/2

Es war einer jener Momente, die sich zufällig ergeben und doch nicht besser hätten geplantwerden können: Im September 2009 musste der Generalmusikdirektor der SächsischenStaatsoper Dresden, Fabio Luisi, seine Mitwirkung am 2. Symphoniekonzert der SächsischenStaatskapelle in der Semperoper krankheitsbedingt kurzfristig absagen. Bereits im Juni 2009 hatte er bekannt gegeben, dass er seinen Vertrag in Dresden nicht über 2012 hinaus verlängern werde und im gleichen Jahr als Generalmusikdirektor ans Opernhaus Zürichwechseln wird. Als unverhoffter „Einspringer“ konnte Christian Thielemann gewonnen werden,der sich nach dem Bayreuther „Ring“-Sommer gerade im Erholungsurlaub auf Sylt befand.Thielemann hatte wenige Wochen zuvor ebenfalls erklärt, seinen Vertrag als General-musikdirektor der Münchner Philharmoniker nicht über 2011 hinaus verlängern zu wollen. So kam es zu einem denkwürdigen Konzert, das nicht zuletzt auch durch die Programm-änderung zu einem „überdimensionalen Probedirigat“ (Die Zeit) geriet: Thielemann dirigierteauf eigenen Wunsch Anton Bruckners gewaltige achte Symphonie, einen der Gipfel der abendländischen Symphonik. Wenig später kürten ihn die Musiker der Staatskapelle zuihrem neuen Chefdirigenten ab der Saison 2012/2013. Der Rundfunk-Mitschnitt dieses Konzertereignisses liegt hiermit erstmals auf CD vor.

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Anton Bruckner: Symphonie Nr. 8Live-Mitschnitt aus der Semperoper Dresden,September 2009Staatskapelle Dresden / Christian Thielemann, Ltg.CD PH10031 / Profil Edition Günter Hänssler

es kommen immer so viele Anfragen, gerade ausDresden, wo ich auch schon zweimal absagenmusste, da bin ich doch froh, wenn es jetzt malgeklappt hat.“

„Brautschau mit Bruckner“

Natürlich schlugen die Wellen hoch, als Thielemann, der nicht gerade als Einspringerbekannt ist, das Konzert der Staatskapelle kurz-fristig übernahm. Sofort wurde über einen Weg-gang des Dirigenten aus München spekuliert,dem sich mit der 2012 frei werdenden DresdnerChefstelle und der Doppelfunktion der Staats-kapelle als Opern- und Konzertorchester eineideale Position bieten würde. Thielemann hieltsich dazu in der Presse bedeckt. „Man darf sichnie selbst ins Spiel bringen“, äußerte er in einemInterview mit Julia Spinola in der FrankfurterAllgemeinen Zeitung. Deren Sonntagszeitung titel-te allerdings schon einen Tag zuvor mit „Braut-schau mit Bruckner“ und sprach von einem„historischen Konzert“, das so oder so „Folgenhaben wird“. Die Brisanz der Ereignisse lag alsoin der Luft, zumal Thielemann vom DresdnerKapellklang im FAZ-Interview in höchsten Tönenschwärmte: „Das Orchester liegt mir … Diewechselnden Orchesterleiter haben den Klang inDresden nicht umgekrempelt. Das ist doch eigent-

lich irre, oder?“ Und im Gespräch mit GuidoGlaner für die Dresdner Morgenpost stellte erder Staatskapelle einzig die Wiener Philharmo-niker zur Seite, die ebenfalls „Opern- und Kon-zertorchester zugleich sind. Es gibt in dieser Artnur diese beiden. … Es sind Bruder- undSchwester-Orchester.“

Ähnlich wie bei den Wiener Philharmonikernliegen die Stärken der Staatskapelle natürlich vorallem im romantischen und spätromantischendeutschen Repertoire – etwa in den Opern Wagners, die von „Rienzi“ bis „Parsifal“ bereitsallesamt in Dresden konzipiert und teilweisehier uraufgeführt wurden, und in denen vonRichard Strauss, der allein neun seiner Opern in

Dresden herausbrachte und der Staatskapelle,quasi zum Dank, seine gigantische „Alpensinfo-nie“ widmete. Und natürlich in der Symphonikvon Beethoven über Schumann und Brahms bishin zu Anton Bruckner. Dass das Orchester damitauf mehr als einer Wellenlänge mit den VorliebenChristian Thielemanns liegt, der für genau diesesRepertoire weltweit gefeiert wird, ist einleuchtend.Kein Wunder also auch, dass sich Thielemann inAbänderung des Programms für ein Bekenntnis-werk entschied, das ihm besonders am Herzenliegt: Bruckners achte Symphonie. „Dieses Werkwar Herrn Thielemanns ausdrücklicher Wunsch“,erklärt Jan Nast, Orchesterdirektor der Staats-kapelle, der mit dem Dirigenten ebenfalls seitJahren in engem Kontakt stand. „Das Ganze musste innerhalb kürzester Zeit entschieden wer-den, und natürlich waren auch wir mit dieserProgrammwahl ausgesprochen glücklich.“

Thielemann knüpfte mit der Wahl an dielange Bruckner-Tradition der Staatskapelle an,die die achte Symphonie in Dresden zuletzt imDezember 2002 unter ihrem damaligen ChefBernard Haitink musiziert hatte. Es war – ähn-lich geschichtsträchtig – das erste Konzert, dasnach der Flutkatastrophe des Sommers 2002wieder in der Semperoper stattfinden konnte(und ist im Rahmen der Edition StaatskapelleDresden als Volume 24 ebenfalls auf CDerschienen PH07057). Tobias Niederschlag

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6 AUSGABE 2010/2

Russland, Frankreich, Böhmen und die NeueWelt: Was für eine phantastische Reise…Unter der renommierten Leitung von

Milan Turkovic präsentieren die zwölf Solistenvon „Selmer Saxharmonic“ erstmals diese faszi-nierenden Instrumentenfamilie in sinfonischerDimension des Saxophon-Klangs.

Erst Mitte des 19. Jahrhunderts von AdolpheSax erfunden, um im Orchester die Klanglückezwischen Holz- und Blechbläsern zu schließen,entwickelte sich das Saxophon auf zwei Pfaden.In der Jazz- und Unterhaltungsmusik ist der rau-chige, kernig melancholische Klang kaum mehrwegzudenken, daneben hat sich gerade in den ver-gangenen Jahren über eine grundierte Hochschul-ausbildung eine hervorragende klassische Szenegebildet. Dass Sopranino, Sopran, Alt, Tenor, Ba-riton bis zum gewichtigen Bass-Saxophon einegroße Klangpalette mit riesigen dynamischen Mög-

lichkeiten darstellen, mag dabei weniger über-raschen, als die hochexpressive quirlige Virtuosi-tät, die diesen Instrumenten hier entlockt wird.

Alle Arrangements, darunter Dvoráks Sla-wische Tänze, Milhauds „Scaramouche“ undSchostakowitschs „Jazz-Suite“, scheinen denSaxophonisten unmittelbar auf den Leib kompo-niert worden zu sein. Dazu noch ein gelungenerAusflug in Gershwins Jazz-Welt und als beson-derer Höhepunkt der „Devil’s Rag“ von JeanMatitia: Hier machen höchste Virtuosität, aberauch Geschmeidigkeit in der Tongebung bis hinzu avangardistisch getupften Artikulationen dasZuhören zu einem wahren Vergnügen.

Es ist sicher auch der Begeisterung des Bläserspezialisten Milan Turkovic zu verdanken,dass sich zwölf gefragte Solisten, internationalePreisträger, Mitglieder der längst im Konzert-leben etablierten Ensembles panta rhei, clair-obscur, Alliage und Sax Allemande regelmäßigin großer Besetzung zusammen finden und als„Selmer Saxharmonic“ tatsächlich eine neueDimension des Saxophon-Klangs zu kreieren.Fazit: Audiophil. Für alle Freunde feinster Bläserkammermusik eine Super-Audio-CD mitallerhöchstem Suchtpotential. Lisa Eranos

„Flying Saxophone Circus“

Dvorák: 3 Slawische TänzeMilhaud: ScaramoucheSchostakowitsch: Jazz-Suite Nr. 2Gershwin: Suite American StoriesMatitia: Devil's RagSelmer Saxharmonic / Milan Turkovic, Ltg.MDG 910 1625-6 (Hybrid-SACD)Vertrieb: Codaex Deutschland GmbH

Tel. 089-82000233 - Fax 089-82000093Gramola Wien: [email protected] Zürich: [email protected]

Musikproduktion Dabringhaus und GrimmTel. 05231-93890

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Sinfonie Nr. 1, f-MollSinfonie Nr. 2, F-DurSinfonie Orchester OsnabrückHermann Bäumer, DirigentMDG 632 1491-2

Sinfonie Nr. 3, D-DurSinfonie Nr. 4, c-MollMDG 632 1492-2

Sinfonie Nr. 5, d-MollIn den Bergen op. 7MDG 632 1493-2

DEVIL’S SAXaround the world

Mit Selmer Saxharmonic auf symphonischen Pfaden

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www.selmer-saxharmonic.de

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Der Thomanerchor Leipzig würdigt mitseiner neuen CD die 1968 zerstörteUniversitätskirche St. Pauli zu Leipzig.Im 13. Jahrhundert erbaut, überdauerte

die Kirche die Völkerschlacht sowie den Erstenund Zweiten Weltkrieg nahezu unbeschadet.1968 jedoch beschlossen das Politbüro der SED,der Leipziger Stadtrat sowie der Senat der Uni-versität, die Kirche zu sprengen und den LeipzigerAugustusplatz im sozialistischen Sinne umzuge-stalten. Eine Kirche passte nicht in den Campusder damaligen Karl-Marx-Universität. Die CD er-scheint zum Jahrestag der Zerstörung am 30. Mai.

Gemeinsam mit dem Gewandhausorchesterund Solisten erinnert der Thomanerchor an die

große historische und kulturelle Bedeutung derUniversitätskirche St. Pauli. Komponisten vonJohann Sebastian Bach über Felix MendelssohnBartholdy bis zu Dimitri Terzakis beleuchten dieJahrhunderte lange gemeinsame Geschichte unddie musikalische Beziehungen zwischen Univer-sität und Thomanerchor Leipzig.

Bachs Motette „Der Geist hilft unserSchwachheit auf “ BWV 226 erklang erstmals im Oktober 1729 in der Universitätskirche St. Pauli. Die Thomaner sangen zur Trauerfeierihres Schulrektors Johann Heinrich Ernesti.Auch die Trauerode „Lass, Fürstin, lass nocheinen Strahl“ BWV 198 erlebte ihre Urauf-führung in der Universitätskirche. Als Thomas-kantor hatte Bach dieweltliche Kantate für denTrauerakt der verstorbenenChristiane Eberhardinekomponiert. Die beliebtesächsische Fürstin und pol-nische Königin war Ehefrauvon August dem Starken.

Werke von drei weite-ren Leipziger Musikerper-sönlichkeiten sind auf derneuen CD eingespielt: „Der43. Psalm: Richte michGott“ des einstigen Gewand-hauskapellmeisters FelixMendelssohn Bartholdysowie Max Regers Choral-

Der Thomanerchor und die Universitätskirche St. Pauli LeipzigThomanerchor Leipzig, Gewandhausorchester Thomaskantor Georg Christoph BillerCD ROP4032 / Rondeau Production © 2010

Der Thomanerchor und die Universitätskirche Zur mahnenden Erinnerung an die Sprengung am 30. Mai 1968

kantate „O wie selig seid ihr doch, ihr Frommen“.Reger war von 1907 bis 1908 Universitäts-musikdirektor in Leipzig. Sein heutiger Amts-nachfolger David Timm begleitet die Kantate ander Sauer-Orgel der Thomaskirche zu Leipzig.In der vorliegenden Einspielung wird gottesdienst-liche Kirchenmusik lebendig: ThomaskantorGeorg Christoph Biller lässt einzelne Choral-strophen – wie von Reger vorgesehen – von derGemeinde der Thomaskirche mitsingen.

Anlässlich des 600-jährigen Bestehens derUniversität Leipzig sang der Thomanerchor imJuni 2009 die Uraufführung der Motette „Wahr-lich, ich sage euch“ von Heinz Werner Zimmer-mann (*1930) in der Thomaskirche. Die Kom-position „Die Reden Gottes“ von Dimitri Terzakis(*1938) trägt den Untertitel „Zur mahnendenErinnerung an die Sprengung der Leipziger Uni-versitätskirche am 30. Mai 1968“ und bringtdamit das Konzept der neuen CD auf den Punkt.

Teres Feiertag

Sieben Jahrhunderte lang prägte die Paulinerkirche das Leipziger Stadtbild. Im 13. Jahrhundert als Klosterkirche der Dominikaner erbaut, weihte sie Martin Luther im Jahr 1545 als evangelische Universitätskirche.

1968 ordneten die Machthaber der damaligen DDR die Sprengung der Universitätskirche an.

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Thomanerchor Leipzig

Gewandhausorchester

Thomaskantor Georg Christoph Biller

Der Thomanerchor und die Universitätskirche St.Pauli LeipzigSt Thomas’s Boys Choir and the

University Church St Pauli Leipzig

Johann Sebastian Bach · Dimitri Terzakis

Felix Mendelssohn Bartholdy · Max Reger

Heinz Werner Zimmermann

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Die Thomaner singen vor dem Paulineraltar aus dem 15. Jahrhundert.

Der wertvolle Altar konnte 1968 kurz vor der Sprengung der Universitäts-

kirche gerettet werden und steht heutein der Leipziger Thomaskirche.

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Faszination SchumannGudrun Schaumann und Christoph Hammer spielen Violinkompositionen von Robert und Clara Schumann und deren Weggefährten

‚‚Die Mondnacht, diese atmosphärischeSchumann-Vertonung eines Gedichtesvon Eichendorff, sagt alles über Schumanns innere Welt, seinen schöpfe-

rischen Seelenursprung. Diese Stimmung durch-webt immer wieder seine Musik.“

Die große musikalische Liebe der GeigerinGudrun Schaumann gilt, neben Johann SebastianBach, Robert Schumann. Ihm, seiner Frau Clara,deren Halbbruder Woldemar Bargiel und JosephJoachim widmet sie zu Schumanns 200. Geburts-tag eine Doppel-CD – als Auftakt zu einer ganzenReihe: „The Circle of Robert Schumann“.

„Schumann ist für mich ein Gratwandererzwischen Welten, zwischen Traum und Wirk-lichkeit, Metaphysischem und Irdischem, zwi-schen Tragik, Schlichtheit und Innigkeit. Arnold

Schönberg hat 1914 dem damals jungen Diri-genten Hermann Scherchen hinsichtlich seinereigenen Kammersymphonie einmal geschrieben:,…seine Steigerung hat keinesfalls leidenschaft-lich zu sein, sondern „gesteigerte Innigkeit“. Dasist merkwürdig: Leidenschaft, das können alle!Aber Innigkeit, die keusche, höhere Form derGefühle, scheint den meisten Menschen versagtzu sein….’ Und kein anderer Romantiker hatmit dieser Innigkeit komponiert wie Schumann,den eine so tiefe Verbindung auch zur Literaturprägte, dass er, der große Bach-Verehrer, sogarsagte: ‚Ich habe mehr Kontrapunkt von JeanPaul gelernt als irgendwo sonst.’ “

Schon sehr früh war Gudrun Schaumann vonSchumann fasziniert, diesem vielseitigsten allerKomponisten, der nicht nur ein hervorragender

Musikkritiker war, sondern auch Dichter hättewerden können. Dabei galt ihre erste Begeis-terung Richard Wagner. Als Tochter des Solo-Oboisten der Komischen Oper Berlin wollte siezunächst sogar hochdramatischer Sopran wer-den, ehe sie sich für die Violine entschied. Aufge-wachsen zunächst in Ost-Berlin und nach ihrerFlucht in West-Berlin, studierte sie bei DorothyDeLay an der New Yorker Juilliard School. Früherhielt sie einen Ruf nach München an dieMusikhochschule – und setzte ihre Prioritätnicht auf eine große Konzertkarriere. Nun, nachJahren des Unterrichtens, der Kammermusikund einer Familienpause, rückt das Konzertie-ren wieder in den Mittelpunkt ihrer Arbeit.

Dass sie für ihr CD-Projekt Schumann wählte,ist naheliegend. Dass sie aber auch SchumannsUmfeld einbezieht, ergibt ein ungewöhnlichesProgramm. Den drei Violinsonaten von RobertSchumann und seinen Romanzen op. 94 stelltGudrun Schaumann die Drei Romanzen op. 22von Clara Schumann, die Romanze C-Dur vonJoseph Joachim und die Violinsonate von Wolde-mar Bargiel, Claras Halbbruder, zur Seite. „ClarasRomanzen sind einzigartig, die erste ist mit ihren

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„Es war, als hätt’ der Himmel die Erde still geküsst

dass sie im Blütenschimmer von ihm nur träumen müsst’...

Und meine Seele spannte weit ihre Flügel aus,

flog durch die stillen Lande, als flöge sie nach Haus.“ Joseph Freiherr von Eichendorff

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The Circle of Robert Schumann

Robert Schumann: Sonate Nr. 1 a-moll op. 105,Sonate Nr. 2 d-moll op. 121,

Sonate Nr. 3 a-moll WoO,Romanzen op. 94

Clara Schumann: Drei Romanzen op. 22Joseph Joachim: Romanze C-Dur

Woldemar Bargiel: Sonate f-moll op. 10Gudrun Schaumann, Violine

Christoph Hammer, HammerflügelCAPRICCIO C 5040 (2 SACDs)

ungewöhnlichen harmonischen Reibungen einMeisterwerk, das schon Brahms enthusiastischpries. Und die leider fast restlos vergessene Bargiel-Sonate müsste zum Standard-Repertoireeines jeden Geigers gehören.“ Bargiel kompo-nierte sie unmittelbar, nachdem er von RobertsVerbringung in die Heilanstalt Endenich bei Bonnim März 1854 erfahren hatte. Schumann war nichtnur sein Schwager, sondern auch sein Mentorund Idol. Bargiel schrieb sie in f-moll – der Ton-art von Beethovens „Appassionata“, Claras Lieb-lingsklaviersonate, die Ausdruck von BeethovensVerzweiflung angesichts seiner Taubheit war.

Bei den Schumann-Sonaten zeigt GudrunSchaumann, die die von Ute Bär betreute Neu-Edition benutzt, Facetten, die meist übersehenwerden. „Wie kaum ein anderer großer Kom-ponist durfte Schumann durch seine Liebe zuClara eine künstlerisch so bereichernde, innigePartnerschaft und die Nähe von sieben Kindernerleben, und das spürt man besonders in seinenLiedern, Klavierwerken und in der Kammer-musik. „Im Kinde liegt eine wunderbare Tiefe“,hatte er geschrieben. Das „Album für dieJugend“ komponierte er 1848 als Vater von fünfKindern für seine älteste Tochter Marie, aber esist keine Musik „nur“ für die Jugend. Zugleichwar Schumann – neben Mozart und Schubert –das ungeduldigste aller Genies, wie ein Vulkan.Die ersten Themen in seinen Sonaten sind oftleidenschaftlich, geheimnisvoll, hochdramatisch.Dabei ist seine Musik nie äußerlich virtuos kon-zipiert. Ihm ging es immer um Wahres, um Tiefe.Und wie er Stimmungen und Töne gefunden hat,in denen sich Tragisch-Schwermütiges mit Lyri-schem verbindet, ist für mich das Ergreifendste.“

Aufgenommen hat Gudrun Schaumann dieDoppel-CD mit einem originalen Hammerflügelvon Johann Baptist Streicher 1836, den sie ineiner Wiener Musikinstrumentensammlung aufstöberte und für den sich auch ihr PartnerChristoph Hammer, der langjährige Leiter derNeuen Hofkapelle München, sofort begeisterte.„Es ist unbeschreiblich inspirierend, mit einemhistorischen Hammerflügel zu spielen“, sagt sie.Schon während ihres Studiums bei Nathan Milstein in London faszinierte sie dessen „nochvon einer reinen Darm-A-Saite und fein do-siertem Vibrato geprägtes schlankes, hinge-bungsvolles Spiel“. Begegnungen mit NikolausHarnoncourt brachten sie dann zur historischinformierten Aufführungspraxis. Seitdem beziehtsie immer wieder die von ihr gespielte Stradivarivon 1731 mit Darmsaiten und greift zu ihrem

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Léonard Tourte-Bogen von 1790; mehrfach hatsie mit Harnoncourts engen Mitarbeitern, denHammerflügelspielern Johann Sonnleitner undAnthony Spiri zusammengearbeitet.

Das Programm der nächsten „The Circle ofRobert Schumann“-CDs will Gudrun Schaumannnoch nicht verraten. Der große WeggefährteMendelssohn wird wohl dabei sein, vielleichtspäter auch ihr „Traumstück“ aus Schumanns„immer noch weit unterschätzter letzter Schaf-fenszeit, sein von ungewöhnlich tiefen Registernund tragisch-dunklem Timbre geprägtes, anMagie grenzendes Violinkonzert, das leiderimmer noch zu wenig aufgeführt wird“. Es wardieses Konzert, in einer Aufnahme von HenrykSzeryng, an dem sie einst Feuer fing für Schumann. „Diese tragische Seite mit ihrerSchwermut, Zerrissenheit, Verzweiflung unddann die unvergleichliche Innigkeit – das hatmeine ‚emotionalen Saiten‘ für immer insSchwingen gebracht.“ Arnt Cobbers

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bis hin zu Spätromantikern wie Nikolai Medtner(1880-1951), ErnŒ Dohnányi (1877-1960)oder Sigismond Stojowski (1870-1946). EinenSchwerpunk bilden Komponisten aus dem engli-schen Sprachraum wie Henry Holden Huss,Donald Francis Tovey, Alexander Mackenzie,Joseph Holbrooke, Haydn Wood, FrederickDelius und John Ireland.

Natürlich besitzen nicht alle Gattungsbei-träge dieselben Qualitäten wie etwa die Konzertevon Liszt, Chopin, Schumann, Grieg oder Tschai-kowsky. „Aber es gibt augenscheinlich einige“,so Mike Spring, „die besser bekannt oder sogarTeil des Repertoires sein sollten“. Die Konzertevon Medtner, Busoni, Moszkowski, Paderewski,Scharwenka und d’Albert sind hier wohl zuerstzu nennen. Doch selbst vermeintlich schwächereWerke sind zumeist so unterhaltsam, dass essich lohnt, sie einem größeren Publikum zupräsentieren. Und man darf sicher sein, dassMike Spring und seinen Pianisten die Ideennicht so schnell ausgehen werden. HowardShelley etwa wird in Folge 51 Klavierkonzertevon Wilhelm Taubert und Jacob Rosenhein zurDiskussion stellen. Und Marc-André Hamelinhat in Berlin soeben das Reger-Konzert aufge-nommen. Das Volume 50 mit den KlavierkonzertenTschaikowskys stellt so zwar einen markantenHöhepunkt der Reihe dar, aber zum Glück kei-nen Endpunkt. Gregor Willmes

Peter Tschaikowsky Sämtliche Werke für Klavier und OrchesterStephen HoughCDA 67711

Romantischer Tastenzauber Und Houghs Gesamteinspielung der Klavierkon-zerte von Camille Saint-Saëns sowie dessen CDmit Mendelssohns brillanten Werken für Klavierund Orchester zählen ebenfalls zu den bestenFolgen dieser an Höhepunkten wahrlich reichenCD-Serie. Dass Hyperion unter Experten heuteweltweit als das Pianisten-Label gilt, hat auchmit den Romantic Piano Concertos zu tun, überdie Pianisten wie Stephen Hough, Marc-AndréHamlien oder Steven Osborne erstmals in Kon-takt mit dem Label gekommen sind. Und nebenHough sind etwa auch Piers Lane (6 Folgen),Stephen Coombs (5), Marc-André Hamelin (4)und Howard Shelley (9) gleich mehrfach mithervorragenden Aufnahmen in der verdienst-vollen CD-Reihe vertreten.

Der Initiator der Serie heißt Mike Springund arbeitet seit 1988 als Sales Manager fürHyperion. In einem kleinen Essay zum Jubi-läums-Band berichtet der leidenschaftlicheHobby-Pianist und Klavier-Enthusiast, wie dieIdee zur Reihe 1990 in einem Gespräch mit demBBC Scottish Symphony Orchestra entstandensei. Und mit 27 Folgen haben die Schotten auchden größten Anteil an den nunmehr 50 Produk-tionen. 131 Werke für Klavier und Orchesterwurden bis jetzt verewigt, darunter 102 Klavier-konzerte. 59 Werke sind für die Serie erstmalsaufgenommen worden. Der zeitliche Rahmenreicht von Frühromantikern wie Carl Maria vonWeber (1786-1826), Friedrich Kalkbrenner(1785-1849) oder Ignaz Moscheles (1794-1870)

Dass die Musikgeschichte zwischen1850 und 1950 nicht nur aus großenNamen wie Schumann, Chopin undLiszt besteht, hat keine andere CD-

Serie je so eindrucksvoll bewiesen wie die Reihe„The Romantic Piano Concerto“ des LabelsHyperion. Und selbst wenn – wie nun beimVolume 50 – ein prominenter Romantiker wieTschaikowsky auf der Verpackung steht, darfman sicher sein, dass im Jubiläumsband man-che Entdeckung zu machen ist.

Tschaikowskys erstes Klavierkonzert ist ein„Schlager“. Es zählt nicht nur zu den bekanntestenStücken des Komponisten, sondern auch zu denpopulärsten Klavierkonzerten überhaupt. Inso-fern ist es ein würdiges Werk für das Volume 50einer Serie, die sich „The Romantic Concerto“nennt. Wer nun aber weiß, dass die Hyperion-Reihe vor allem solche Klavierkonzerte vorstellt,die zuvor noch gar nicht oder nur sehr seltenauf Tonträgern zu finden waren, der wird mitTschaikowskys Erstem allein natürlich nicht ganzglücklich sein. Doch der Raritäten-Freund wirdnicht enttäuscht: Denn Stephen Hough hat auchdie Konzerte Nr. 2 und 3 sowie TschaikowskysKonzertfantasie op. 56 eingespielt. Vor allemaber präsentiert er den langsamen Satz deszweiten Konzertes gleich in drei verschiedenenFassungen: zuerst in Tschaikowskys eigener, mitder der Komponist aber nicht ganz zufrieden war,dann in einer Kurzfassung von Alexander Siloti,die ohne Tschaikowskys Einwilligung nach des-sen Tod gedruckt worden war, und schließlichin einem eigenen Arrangement, in dem er einewörtliche Reprise dadurch aufbrach, dass er dieStreichersoli in die Klavierstimme verlegte.

Typisch ist die Folge 50 auch insofern fürdie Serie, als sie erneut mit einem außerge-wöhnlich hohen interpretatorischen Niveau glänzt:Denn Hough und das Minnesota Orchestra unterOsmo Vänskä spielen Tschaikowsky mit vielKraft und Virtuosität, mit Sinn für die hochdra-matischen wie melancholisch-lyrischen Züge inTschaikowskys Musik.

Dass ausgerechnet Hough den Jubiläums-band mit einer Doppel-CD bestreiten durfte,dürfte kein Zufall sein: Schließlich war dessenEinspielungen von Franz Xaver Scharwenkasviertem Klavierkonzert und Emil von Sauerserstem bereits früh der Bestseller der Reihe.

Stephen Hough mit Osmo Vänskä, Chefdirigent des Minnesota Orchestra

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Mit dieser Einspielung erweitert MDG den facettenreichen Katalogdes Schweizer Komponisten Frank Martin durch die groß besetzten

Orchesterwerke. Das Stavanger Symphony Or-chestra unter der Leitung seines ChefdirigentenSteven Sloane präsentiert sechs Monologe ausdem „ Jedermann“, die Suite aus der Oper „DerSturm“ und die „Symphonie concertante“. Eineweitere Entdeckung dieser in kräftigen Farbenund angenehmen Raumklang facettenreich undtadellos ausgesteuerten Super-Audio-CD: dieklangvolle Baritonstimme von Thomas Oliemans.

Frank Martin schrieb erst mit dreißig seinerstes (von ihm anerkanntes) Werk. Er wuchsin einer Genfer Pfarrersfamilie auf und interes-sierte sich erst für Musik von Bach und Brahms,später auch für Debussy und Ravel. Seit 1946lebte er in den Niederlanden und war neben seiner kompositorischen Tätigkeit Präsident desSchweizerischen Tonkünstlervereins. MartinsKompositionen beeindrucken durch manchevirtuose Wirkung, durch eine Heiterkeit undSchwerelosigkeit der tonal gebundenen, aberchromatisch äußerst differenzierten Harmonikund durch weiche, fließende Melodik. Diesenuancenreiche Musik in ihrer stilistischen Viel-falt und Kompetenz ist ein reiner Hörgenuss.

Auch zum Musiktheater hatte Frank Martinstets eine enge Beziehung. Seine besondere Vor-liebe galt dabei den Mysterienspielen. Es wundertdaher nicht, dass er sich auf dem SalzburgerDomplatz auf Anhieb vom „Jedermann“ verzau-bern ließ. Er widmete der Hauptperson sechs

Monologe, zuerst in einer Version für Baritonund Klavier, später kam die hier eingespielteOrchesterfassung hinzu.

Die „Petite Symphonie concertante“ geht aufeine Bitte des Basler Mäzens und DirigentenPaul Sacher zurück. Zunächst komponierteMartin ein Werk für Kammerorchester mit so-listischen Einlagen von Klavier, Harfe und Cem-balo, später schuf er diese Fassung für großesOrchester. Shakespeares Lustspiel „Der Sturm“hat den Komponisten sehr fasziniert. Zuerst verwandelte er fünf Gesänge des Luftgeistes Ariel in eine zauberhafte Musik für A-Capella-Chor, dann schuf er auf Basis des Lustspiels eineOper, um schließlich aus Teilen der Oper diehier aufgenommene Suite für Bariton undOrchester zusammenzustellen. Übrigens inklu-sive Bühnenmusik, welche die Klangregie alsaudiophil willkommenes Schmankerl präzisehinter die Zuhörer platziert.

Das Stavanger Sinfonieorchester macht be-reits seit Jahrzehnten international von sichreden. Seine beiden Schwerpunkte Alte und Zeit-genössische Musik sowie das große Repertoirenorwegischer Kompositionen aus dem 20. Jahr-hundert und die hohe künstlerische Qualität desKlangkörpers machen die Musiker aus Stavangerzu einem unverzichtbaren Bestandteil des euro-päischen Konzertkalenders. Die Verpflichtung vonSteven Sloane als Chefdirigent, die deutliche Auf-stockung der Musikerstellen und der Bau einerneuen Konzerthalle haben dem Orchester zusätz-lichen Schwung verliehen und setzen deutlichekulturpolitische Akzente. Lisa Eranos

Aktuelle Konzerte: Ausführliche Informationen über das Stavanger Symphony Orchestra unter:www.sso.no

Steven Sloane17. Juni 2010: Stavanger

Weitere Konzerte: 12. | 13. Mai und 05. Juni 2010: Bochum

Weitere Informationen: www.bochumer-symphonie.de/termine.php

Thomas Oliemans09. | 12. | 14. | 15. | 16. | 18. Mai 2010: Opéra Nancy

02. | 06. | 08. | 10. | 13. Juli 2010: Festival d´art Lyrique Aix-en-Provence

Weitere Informationen: www.thomasoliemans.nl

Frank Martin weitere Einspielungen:

Konzert für sieben Blasinstrumente,Pauke, Schlagzeug & StreichorchesterKonzert für Violine und OrchesterDanse de la peur für zwei Klaviere und kleines OrchesterMichael Erxleben, ViolineKlavierduo Adrienne Soós und Ivo HaagOrchester Musikkollegium WinterthurJac van Steen, Ltg.MDG 901 1280-6 (Hybrid-SACD)

„Die Weise von Liebe und Tod des Cornets Christoph Rilke“Christianne Stotijn, MezzosopranOrchester Musikkollegium WinterthurJac van Steen, Ltg.MDG 901 1444-6 (Hybrid-SACD)

Polyptique / Passacaille Konzert für CembaloWilli Zimmermann, ViolineRudolf Scheidegger, CembaloOrchester Musikkollegium WinterthurJac van Steen, Ltg.MDG 901 1539-6 (Hybrid-SACD)

Frank Martin Sechs Monologe aus „Jedermann“Suite aus der Oper „Der Sturm“Symphonie ConcertanteThomas Oliemans, BaritonStavanger Symphony OrchestraSteven Sloane, Ltg.MDG 901 1614-6 (Hybrid-SACD)

Spätzünder, Luftgeister und Schmankerl Orchesterwerke von Frank Martin neu zu entdecken

Thomas Oliemans, Bariton

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Die 20 Jahre von 1909 bis 1929 sindeinzigartig in der Geschichte des Balletts wie der Musik. In dieser Zeitsorgte der Russe Serge Diaghilew für

eine Blüte des Balletts wie der Musik, die einzig-artig dasteht. Das Label SWR Music / hänsslerCLASSIC in Zusammenarbeit mit der StiftungJohn Neumeier haben bereits 6 CDs einer ge-planten kompletten Werkschau der „Les Ballets russes“ herausgebracht.

Serge Diaghilew hatte eine spezielle Be-gabung: Er konnte außergewöhnliches Talentund besondere künstlerische Strömungen er-spüren, sein Urteil war unfehlbar. Aus den bestenTänzern der Petersburger und Moskauer Hof-ballette stellte er eine Truppe zusammen, die ab1909 die westeuropäische Ballettszene revolu-tionierte. Er nannte sie „Ballets russes“ und ver-

stand es, die aufregendsten, besten Komponisten,Maler, Literaten und Choreographen zur Mit-arbeit zu gewinnen. Das Resultat aus musikali-scher Sicht sind zahlreiche Kompositionen, dieheute zu den ersten Meisterwerken des 20. Jahr-hunderts gezählt werden. Doch waren es durchdie enge Verbindung von Musik, Choreographie,Malerei und Text eigentlich Gesamtkunstwerke,die er entstehen ließ.

Zu solchen epochal bedeutenden Musik-stücken, die auf Bestellung Diaghilews entstan-den, gehören u.a. Igor Strawinskys „Le sacre duprintemps“, „Der Feuervogel“, „Petruschka“,„Pulcinella“, Debussys „L’après-midi d’un faune“und „Jeux“, de Fallas „Der Dreispitz“ – um nureinige zu nennen. Natürlich gibt es diese Werkevielfach auf CD, meist jedoch ohne genauereHinweise auf den ballettgeschichtlichen Hinter-grund. Ihr Gesamtkunstwerk-Charakter wirdheute kaum mehr wahrgenommen.

Dem steuert die CD-Reihe „Diaghilev – LesBallets russes“ des Labels SWR music / hänsslerCLASSIC entgegen. Sie ist ausgelegt auf einekomplette Darstellung der in den 20 Diaghilew-Jahren entstandenen Kompositionen für die„Balletts russes“ – ob nun bekannt oder unbe-kannt, oft aufgenommen oder noch niemals.Dabei kommt im Beiheft der Produktionen auchdie ballettgeschichtliche Seite der Werke zurSprache, ihre Entstehungsumstände und die Ab-sichten der Choreographen – hoch interessanteUmstände werden geschildert, die im allgemeinenhinter den Deckeln tanzgeschichtlicher Bücherverborgen bleiben.

Verantwortlich für diese Seite des einzigartigenVorhabens ist die Stiftung John Neumeier, mitder das Label eng zusammen arbeitet. Denn einSchwerpunkt der Stiftung sind eben die „Balletsrusses“ und ein Lieblingsgebiet des HamburgerStar-Choreographen ohnehin. Dabei stellt dieStiftung dem Label aus ihrer umfangreichenSammlung Bilder, Entwürfe oder Zeichnungenaus der Werkstatt der Ballets russes zur Verfügung.

Diese systematische Erschließung einer wesent-lichen Zeit europäischer Ballett- und Musikge-schichte ist nur zu begrüßen, die fachliche Kom-petenz der Reihe durch die Beteiligung der StiftungJohn Neumeier macht das Unternehmen noch zu-sätzlich zu etwas Besonderem. Ernst Oder

Gesamtkunstwerke Serge Diaghilews „Balletts russes“ auf CD bei SWR music / hänssler CLASSIC

Les Ballets russesLes Ballets russes Vol. 1 – Stravinsky: Le Sacre du Printemps / Debussy: Jeux / Dukas: La Péri SWR Sinfonieorchester Baden-Baden u. Freiburg, Sylvain CambrelingNr. 93.196 / SWR music/hänssler CLASSIC

Les Ballets russes Vol . 2 – Ravel: Daphnis et Chloé (vollst.) /Poulenc: Les Biches SWR Sinfonieorchester Baden-Baden und Freiburg EuropaChorAkademie, Michael Gielen; Marcello ViottiNr. 93.197 / SWR music/hänssler CLASSIC

Les Ballets russes Vol . 3 – Debussy: Prélude à l’après-midid’un faune / Florent Schmitt: La Tragédie de Salomé / Stravinsky: Pétrouchka SWR Vokalensemble Stuttgart; SWR Sinfonieorchester Baden-Baden und Freiburg, Sylvain CambrelingNr. 93.223 / SWR music/hänssler CLASSIC

Les Ballets russes Vol . 4 – Tchaikovsky: Swan Lake (exc.),Tchaikovsky / Strawinsky: Dornröschen / Strawinsky: Le Chant du Rossignol SWR Sinfonieorchester Baden-Baden und Freiburg Jurij Ahronowitsch, Hiroshi Wakasugi, Ernest Bour Nr. 93.234 / SWR music/hänssler CLASSIC

Les Ballets russes Vol. 5 – de Falla: Der Dreispitz (vollst., mit Gesang) / Prokofieff: Chout (The Buffoon / Der Hanswurst; Suite) Ofelia Sala (Mezzosopran), Sinfonieorchester Baden-Baden und Freiburg, Fabrice Bollon, KarabitsNr. 93.253 / SWR music/hänssler CLASSIC

Les Ballets russes Vol. 6 – Igor Strawinsky: Pulcinella (vollständige Fassung) / Feu d'artifice / R. Strauss: Till Eulenspiegel / Ravel: La ValseNr. 93.237 / SWR music/hänssler CLASSIC

In Vorbereitung für Oktober 2010:

Les Ballets russes Vol. 7 – Georges Auric: Les Facheux,La Pastorale Deutsche Radio Philharmonie, Christoph Poppen (Ersteinspielung)

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WERGOWeihergarten 5 · 55116 Mainz · Germany [email protected] · www.wergo.de

VertriebeDeutschland: Note 1, 06221/720351 · [email protected]Österreich: Lotus Records, 06272/73175 · [email protected]: Tudor, 044/4052646 · [email protected]

NEU BEI WERGO

Peteris VasksDie JahreszeitenVestard Shimkus, Klavier

„Als ich Vestard Shimkus zum ersten Malspielen hörte, war mir sofort klar, dass ergenau der richtige Interpret ist: Die Töneverwandelten sich in Farben, Gerüche, fin-gen an zu atmen. Die Uraufführung von‚Gadalaiki – Die Jahreszeiten’ [auf dieserCD zu hören!] – welche im März 2010 zuRecht mit dem Großen lettischen Musik -preis, der höchsten staatlichen Auszeich -nung auf dem Gebiet der Musik, in derKategorie ‘Konzert des Jahres’ ausgezeich-net wurde – war einer der großen Augen -blicke in meinem Komponistenleben.“(Peteris Vasks)Vasks’ „Jahreszeiten“ kommen von Herzenund gehen zu Herzen. – Hören Sie selbst!

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Foto: Dzintra Geka

‚‚A ls Jugendlicher hat mich eine Bach-Auf-nahme, gespielt auf einer Silbermann-Orgel,so sehr fasziniert, dass ich unbedingt das

Orgelspiel erlernen wollte…“ Wenn der kana-dische Organist Craig F. Humber nun seine Ver-sion der „Leipziger Choräle“ auf der berühmten Silbermann-Orgel in St. Petri Freiberg erklingenlässt, dann hören wir auf diesen zwei Super-Audio-Scheiben ein faszinierendes musikali-sches Erbe – in doppeltem Sinne.

Ein Blitzschlag zerstörte die Freiberger St. PetriKirche. Das Nebenhaus wurde aber verschont.Zum Glück, denn hier lagerte Gottfried Silber-

Blitz aus heiterem Himmel Bachs Leipziger Choräle mit Craig F. Humber

Johann Sebastian BachDie Leipziger ChoräleCraig F. Humber Silbermann-Orgel in FreibergMDG 906 1619-6 (2 SACDs)

mann drei bereits fertiggestellte Orgeln. Aus„ewiger Dankbarkeit“ vermachte er der St. Petri-Gemeinde die große zweimanualige Orgel mit32 Registern, deren abgrundtiefer 32-Fuß einbis heute faszinierendes Klangfundament bietet.Das ist höchste barocke Handwerks- und Konstruktionskunst – in einer der Bach’schenMusik absolut ebenbürtigen Perfektion.

Die „Achtzehn Choräle“ stellte Bach in sei-nen letzten Lebensjahren zusammen. Er wählteSätze aus ganz verschiedenen Lebensperiodenaus – die meisten dürften bereits in Weimar entstanden sein. Allerdings weichen manche

dieser reifen Spätfassungen erheb-lich von ihren Vorgängern ab. DasManuskript endet mit der legendä-ren Choralbearbeitung „Vor deinenThron tret' ich hiermit“ BWV 668,die Bach kurz vor seinem Tod nochdiktierte. Da auch klangtechnischalles zum Besten gelungen ist, bleibtnur eine nachhaltige Empfehlungsich mit dieser aufregenden Debut-einspielung eines symphatischenKonzertorganisten zu befassen.

Lisa Eranos

Zuerst studierte Craig Frederick Humber in Kanada Physik,Mathematik und Chemie, dann schloss er in Leipzig,Lübeck und Wien ein komplettes Orgel-Studium an. SeineVita ist prallvoll mit Stipendien und internationalen Preisen,unter anderem beim Gottfried-Silbermann-Wettbewerb in Freiberg. Seit 2006 hat Humber einen Lehrauftrag amFranz-Schubert-Konservatorium in Wien.

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Von den meisten großen Werken existie-ren Klavierarrangements für den häusli-chen Gebrauch. Was die „Scheherazade“,„Pacific 231“ und den „Boléro“ von die-

sen meisten Bearbeitungen unterscheidet, istdie Tatsache, dass die Komponisten ihre welt-bekannten Meisterwerke höchst persönlich fürdas Klavier zu vier Händen arrangiert haben.Das Duo Trenkner und Speidel präsentiert die Kompositionen in einer unverfälschten Wiedergabe auf einem klangstarken SteinwayKonzertflügel von 1901.

Schall und Rauch

Die Dampftechnik hatte es ihm angetan. Mit„Pacific 231“ errichtete Arthur Honegger derlegendären US-Eilzug-Lok ein faszinierendesund unmittelbar wirkendes Denkmal. Was fürein kraftstrotzender Liebesbeweis – gerade auch in dieser Fassung aus dem Jahr 1929, diegeradezu physisch den Genuss spüren lässt, wiesich die Mechanik des Klaviers ungebremst

Maurice Ravel: Bolero Arthur Honneger: Pacific 231Nicolai Rimsky-Korsakov: ShéhérazadeKlavierduo Trenkner- Speidel MDG 330 1616-2

Original und Fälschung Pianoduo Trenkner Speidel

mit unerwarteten symphonischen Überraschungen

auf das geschmeidig arbeitende Gestänge derLokomotive einläßt.

Orient und Okzident

Rimsky-Korsakow verzaubert seine Zuhö-rer mit den Wohlgerüchen des Orients. Seine Scheherazade op. 35 greift Motive und Er-zählungen aus 1001 Nacht auf. Wir begegnenarabischen Prinzen, orientalischen Prinzessin-nen, Sindbad dem Seefahrer und feiern rau-schende Feste in Bagdad ... Was für eine farben-prächtige Vielfalt der Motive. Ravel hingegengenügte ein einziges Thema, das mit unerbitt-lichem Rhythmus fast 20 Minuten lang wieder-holt wird. Die Uraufführung des Balletts endetein einem Desaster. Grund genug für den Kompo-nisten eine Orchesterfassung zu schreiben undschließlich auch noch eine Reduktion auf einvierhändiges Klavier, übrigens mit genauen An-gaben zur Interpretation. Keine geringe Heraus-forderung für ein herausragendes Piano-Duo.

Trenkner und Speidel

Evelinde Trenkner und Sontraud Speidelhaben in perfekter Symbiose vierhändigen Kla-vierspiels bei MDG eine ganze Reihe CDs mitlange vernachlässigten Fassungen bedeutenderWerke aufgenommen und damit so manchenungewohnten Blick auf längst Bekanntes ver-mittelt. Wir erinnern uns an Bachs Brandenbur-gische (Reger), Bruckners 3. (Mahler), Mahler6. (Zemlinski) oder Mozart/Grieg…, die alleeinen musikalisch unverstellten Blick auf kom-positorische Substanz freisetzen. Unbedingthörenswert – und – es lohnt sich!

Thomas Trappmann

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Aktuelle Einspielungen:

J.S. BachBrandenburgische Konzerte von J.S. Bach für Klavier zu vier Händen bearbeitet von Max RegerMDG 330 0635-2 (2 CDs)

Anton Bruckner Symphonie Nr. 3 arrangiert von Gustav Mahler MDG 330 0591-2

Gustav Mahler Symphonie Nr. 6 und 7 arrangiert für Klavier zu vierHänden von A. v. Zemlinskybzw. Alfredo Casella MDG 330 0837-2 (2 CDs)

Mozart /Grieg„Claviersonaten von W.A. Mozart mit frei hinzucomponirter Begleitungeines zweiten Claviers“Peer Gynt Suiten Nr. 1 + 2MDG 930 1382-6 (2 Hybrid-SACDs)

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Edition VIOLIN SOLOVol.1 TRO-CD 01424

Max RegerChaconne op. 117 (1910)

Johanna SenfterSonate op. 61 (1930)*

Nikos SkalkottasSonate (1925)

Arthur HoneggerSonate (1940)

Vol. 2 TRO-SACD 01429

Erwin SchulhoffSonate (1927)

Béla BartókSonate (1944)

Grazyna BacewiczSonate (1958)

Darius MilhaudSonatine (1960)*

Dimitri NicolauSonate (2002)*

Vol. 3 TRO-SACD 01431

Paul HindemithStudien (1916)*

Satz und Fragment (1925)*

Sonate op. 11 Nr. 6

(1918)

Sonate op. 31 Nr. 1 & 2

(1924)

Anatol VieruCapriccio (1997)*

Wladimir MartynowPartita (1976)*

Vol. 4 TRO-SACD 01433

Ernest BlochSuite Nr. 1 & Nr. 2 (1958)

Igor StrawinskyÉlégie (1944)

Grazyna Bacewicz

Vier Capricen (1968)

Aram ChatschaturjanSonate-Monolog (1975)

Alfred Schnittkea paganini (1982)

NEU! Vol. 5TRO-SACD 01436

Sergej ProkofjewSonate op. 115 (1947)

Ljubica MaricSonata fantasia (1929)

Grazyna BacewiczSonate (1941)*

Polnische Caprice (1949)

Caprice Nr. 2 (1952)*

Eduard TubinSonate (1962), Suite (1979)

Edison DenissowSonate (1978)** WELTERSTEINSPIELUNG

“…eine kluge, abwechslungsreiche Zusammenstellung,

mit geradezu unendlicher Ausdruckspalette, tonschönes

Spiel, bewundernswert sauber intoniert und mit genau

dosierter Intensität.“ Klassik heute

Vertrieb: Klassik CenterTel. 0561 935 14 0 • Fax 0561 935 14 15

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RENATE EGGEBRECHT VIOLINE

hervorragender Sinfoniker und Opernkomponistgemacht. Höchste Ehren wurden ihm zuteil, als er1887 als Professor ans Pariser Conservatoire be-rufen wurde. Sicherlich würde er in der Musikge-schichte eine größere Rolle spielen, wenn er nichtim frühen Alter von 45 Jahren gestorben wäre.

Godards Klaviertrios aus den Jahren 1880und 1884 sind zur Aufführung in den bürger-lichen Salons gedacht und erfreuten sich einergroßen Beliebtheit. Lyrische Abschnitte wech-seln in den Werken mit hochdramatischen Ein-fällen. Selbstverständlich werden die Virtuositätund Klangsinn der Instrumentalisten aufs Höch-ste gefordert. Als hübsche Dreingabe enthältdiese Aufnahme die Berceuse aus der Oper„Jocelyn“, ein so raffinierter Einfall, dass sie alsständiges Repertoire in zahllosen Bearbeitungenauch heute immer wieder zu hören ist.

Mit mehr als 30 Einspielungen im MDG-Kataloghaben der Pianist Chia Chou, Yamei Yu (Violine)und Michael Groß (Cello) längst bewiesen, dasssie mit dem Berg Parnaß im Namen ihres Trioszurecht die Nähe zum Orakel von Delphi gesuchthaben: Ihre Vorahnungen erwiesen sich immerwieder als Volltreffer, wenn sie bis dato unbe-kannte Komponisten oder in Vergessenheit gera-tene Musik in exzellenter Qualität und – wie indiesem Fall – mit feinstem französischem Espritzubereiten. Bon appétit! Thomas Trappmann

Über Benjamin Godard ist selbst in dereinschlägigen Literatur wenig bekannt. Erstammt aus gut situiertem Pariser Eltern-

haus und wurde als Wunderkind gerühmt. Schonfrüh begann er mit dem Violinunterricht. Mit 16 Jahren schrieb er 1865 seine erste Sonate fürGeige und Klavier. Godard zählte zur Jeune Académie Française, deren Mitglieder in ihre Wer-ke einen französischen Tonfall einbringen wollten.Europaweit hat sich Godard einen Namen als

Au gout français Mit der Wiederentdeckung des französischen Spätromantikers Benjamin Godardhat das Trio Parnassus erneut einen wertvollen Schatz gehoben. Die Klaviertriosdes Komponisten waren zu Beginn des 20. Jahrhunderts in den europäischen Salons äußerst populär und gefragt. Selbst der englische Kammermusik-Papst W. W. Cobbett adelte die Werke vor 100 Jahren sogar als „entzückend und ohne zu zögern empfehlenswert“.

Benjamin Godard Sämtliche Klaviertrios: Trio op. 32, g-Moll Trio op. 72, F-Dur; Berceuse des Jocelyn Trio ParnassusMDG 303 1615-2

www.trioparnassus.com

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Frédéric Chopin wurde 1810 in Zelazowa Wolageboren; sein zweihundertster Geburtstag istalso dieses Jahr zu feiern. Ein willkommenerAnlass für Künstler und Label, Aufnahmen

seiner Werke neu zu produzieren oder wieder zu veröffentlichen, und ein willkommener Anlass fürCLASS aktuell, den Künstler zu würdigen und dieseVeröffentlichungen auch vorzustellen.

Chopin war ein absolutes Wunderkind. Schon alsAchtjähriger trat er öffentlich auf und konzertierte inden Folgejahren regelmäßig in den musikalischenSalons des polnischen Adels.

Ab 1826 studierte er am Warschauer Konserva-torium Kontrapunkt, Musiktheorie, Generalbass und

Komposition bei Józef Elsner. 1829 beendete er seineStudien und begann eine internationale, sofort sehrerfolgreiche Konzertkarriere. Neben Warschau warenWien und Paris seine bevorzugten Aufenthaltsorte.1831 siedelte er schließlich endgültig nach Paris über;er bezeichnete die Stadt als „die schönste aller Welten“.Seinen Lebensunterhalt finanzierte er mit Konzertenund zunehmend auch als Klavierlehrer und durch Auftragskompositionen. Er konnte, für einen Musikerungewöhnlich, durchaus gut davon leben. Immerhinkonnte er sich eine Kutsche und Diener leisten.

In Paris machte er eine Vielzahl von Bekannt-schaften; zu seinem Freundeskreis zählten Liszt, Hiller,de Musset, de Balzac, Delacroix, Heine und – die Schrift-

16 AUSGABE 2010/2

Portrait Frédéric Chopins von 1838; ursprünglich mit abgebildet: George Sand(dieser ebenso erhaltene Teil wurde abgetrennt); Gemälde von Eugène Ferdinand Victor Delacroix,

George Sand, langjährigeLebensgefährtin Chopins;

Gemälde von Auguste Charpentier

Hut ab, Ihr Herren, ein Genie …… überschrieb Robert Schumann 1831 in der Leipziger

„Allgemeinen Musikalischen Zeitung“ seine Kritik eines jungen polnischen komponierenden Pianisten – Frédéric Chopin.

Robert and Clara Schumann

Franz Liszt

Felix Mendelssohn

Bartholdy

Józef Elsner

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AUSGABE 2010/2 17

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stellerin George Sand, mit der er bis kurz vor seinemTod zusammenlebte. 1835 lernte er durch VermittlungFelix Mendelssohn Bartholdys in Leipzig Clara Wieckund Robert Schumann kennen.

1838 bis 1839 hielt sich Chopin mit George Sandund deren Kindern auf ärztlichen Rat in Mallorca auf.Chopin hoffte auf Linderung im milden Klima (er littzeitlebens an Tuberkulose), die aber ausblieb – imGegenteil, im gar nicht so milden mallorcinischenWinter fing er sich zusätzlich noch eine Lungen-entzündung ein. Seine 24 Préludes op. 28 hat er auf Mallorca komponiert. Das berühmt gewordene„Regentropfen Prélude“ kann man also als durchausautobiographisch betrachten.

Ab 1847 wurde sein Gesundheitszustand immerschlechter, die Trennung von George Sand, die indiese Zeit fiel, dürfte nicht gerade hilfreich gewesensein, ihn zu stabilisieren. Zwei Jahre später starb Chopin in seiner Wohnung in Paris, vermutlich an dernie ausgeheilten Tuberkulose.

KomponierenderVirtuose

Im 19. Jahrhundert war der Typ des komponie-renden Virtuosen durchaus häufig, und natürlichwurde vorwiegend für das eigene Instrument kom-poniert (wobei oft genug die Grenze zwischen ausgearbeiteter Komposition und aufgezeichneterImprovisation fließend ist). Aber kaum einer dieserkomponierenden Virtuosen war so einseitig auf seinInstrument fixiert wie Chopin. Zwei Klavierkonzerteund eine große Zahl von Werken für Klavier solo hat er hinterlassen. Das Cello gehörte noch zu denInstrumenten, die ihn interessierten; seine Werke fürCello und Klavier vermögen immerhin eine CD zu fül-len. Und dann gibt es noch eine Reihe von Liedern,die er aber nicht veröffentlicht wissen wollte.

Das ungarische Label Hungaroton nimmt dasChopin-Jubiläum zum Anlass für eine Neuausgabesämtlicher Werke. Stütze des Unternehmens ist der ungarisch-italienische Pianist Alex Szilasi, derbereits die Polonaisen und Mazurken ohne Opuszahl (HCD 32471), die Mazurken (HCD 324569) und dieWalzer (HCD 32468) und damit drei bedeutende Genres in Chopins Klavierschaffen eingespielt hat.

Sowohl die Polonaise wie die Mazurka wärenohne Chopins grundlegende Beiträge wohl Randno-tizen der Musikgeschichte geblieben, Tanzmusik aufHochzeiten und Volksfesten, wofür diese Formen Ver-wendung fanden. Chopin entwickelte die schlichtenVorlagen zu kompositorischen Meisterwerken, indem

er keinen Parameter unangetastet ließ – Melodig,Rhythmik, Dynamik, alles wurde zwar nicht umge-krempelt, aber im Sinne pianistischen Virtuosentumsweiter entwickelt.

Von seinen Walzern sind 19 erhalten, doch zu seinenLebzeiten erschienen nur acht im Druck. Es ist erstaun-lich, wie viele Gestalten diese Gattung in der Werkstattdes Meisters annahm: angefangen von der einfachen,gleichmäßig pulsierenden Tanzmusik und der glän-zenden Virtuosität über die tiefe Melancholie bis hinzu den rhythmisch aufgelockerten, freieren Melodieninspirierte der Walzer Chopin zur Komposition ver-schiedenster Stimmung. Gerade diese Stücke warenes, die ihm die Hochachtung der Pariser Gesellschaft inden nachmittäglichen Salons sicherte. Manche seinerWerke erfreuten sich immenser Beliebtheit.

Die Hungaroton-Serie entfaltet besonderen Reizdadurch, dass Szilasi auf einem originalen Instrumentder Pariser Klavierbaufirma Pleyel spielt. Die Flügelaus dem Hause Pleyel waren damals europaweitberühmt für ihre leichtgängige Mechanik und ihrenwarmen, samtigen Ton. Chopin war von den Instru-menten Pleyels so begeistert, dass er fast ausschließ-lich sie spielte. Das hier verwendete Instrument istzwar schon ein Flügel mit Gussrahmen und filzbezo-genen Hämmern, während Chopin sicher noch aufeinem Hammerflügel gespielt haben dürfte – aberimmerhin: auch dieser spätere Pleyel erfordert piani-

200 Jahr Edition ChopinPolonaisen op. 26, op. 61, op. 71 und

ohne op. / Marzuken ohne op.Alex Szilasi, Pleyel-Fortepiano

HCD 32471 / Hungaroton

200 Jahr Edition ChopinMazurken opp. 6, 33, 41, 68

Alex Szilasi, Pleyel-FortepianolHCD 32469 / Hungaroton

200 Jahr Edition Chopin19 Walzer / 3 Ecossaisen

Alex Szilasi, Pleyel-FortepianoHCD 32468 / Hungaroton

Frédéric Chopins Grab auf dem Friedhof Pere Lachaise in Paris

Frédéric Chopin, Radierung

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stisches Umdenken; so manche spieltechnischenAngewohnheiten unserer Tage sind auf den altenInstrumenten schlichtweg nicht ausführbar, und dashat natürlich Einfluss auf die Interpretation (vomKlang einmal ganz zu schweigen).

Ebenfalls auf einem Pleyel-Instrument hat dasungarische Klavierduo Egri & Pertis Werke Chopins fürzwei Klaviere aufgenommen (Hungaroton HCD 31917).Wobei auffällt, wie wenig Chopin für zwei Klaviere bzw.vier Hände komponiert hat, obwohl ihm das Genrealles andere als fremd war: Liszt, Moscheles und Mendelssohn gehörten zu seinen Duopartnern. Diewenigen überlieferten Werke werden hier eingespieltauf einem Pleyel Double Grand, einer instrumenten-bautechnischen Kuriosität, denn hier sind buchstäb-lich zwei Flügel mit je eigener Mechanik und eigenenSaiten in ein gemeinsames Gehäuse eingebaut, waserheblichen Einfluss auf den Klang hat. Durch die un-mittelbare gegenseitige Anregung der Resonanzbödenentwickelt das Instrument einen umwerfend volu-minösen Gesamtklang. Etwa 50 solcher Doppelflügelhat Pleyel Mitte des 19. Jahrhunderts produziert, vondenen aber nur noch eine Handvoll erhalten ist.

Verbotene Lieder

Doch noch einmal zurück zur Chopin-Gesamtauf-nahme auf Hungaroton: auch die Lieder liegen schonvor (Hungaroton HCD32474). Szilasi begleitet hierdie Mezzosopranistin Alicja Wegorzewska-Whiskerd.Wenn man der Einspielung lauscht, wird deutlich,dass die Gattung des Liedes und Chopins eigentlicheWelt, seine Werke für Klavier, gar nicht so weit von-einander entfernt sind, wie man vielleicht denkenmöchte. Denn Chopin denkt als Klavierkomponistvokal: die volkstümlichen Mazurken, die Nocturnes,

diese kleinen Formen, die vom „Poeten des Klaviers“unsterblich gemacht wurden, können auch als Liederohne Worte aufgefasst werden. Auch seine Lieder sindgeprägt von den Vorlagen der Volkstänze, die Chopinimmer wieder beschäftigten. Chopins Freund und Schü-ler Julian Fontana hat die wenigen Beiträge des Meis-ters zu diesem Genre 1859 im Druck herausgegeben.

Von der kleinen, intimen Form des Liedes ist esein großer Sprung zur Großform des Klavierkonzerts.Zwei Beiträge hat Chopin zu diesem Genre geliefert.

Chopin schrieb seine Klavierkonzerte noch inWarschau, 19- bzw. 20jährig selbstverständlich in ers-ter Linie für sich selbst, wie es alle Virtuosen seinerZeit zu tun pflegten. Das Orchester ist in seinen Kon-zerten nicht mehr Dialogpartner, sondern Bühne.Unmissverständlich tritt der Virtuose wie der Heldeines Dramas vor das Publikum...

Ist es in der Tat die „Poesie“ Chopins, die dafürsorgte, dass seine Werke nicht im üblichen Tasten-

200 Jahr Edition Chopin Sämtliche LiederAlicja Wegorzewska-Whiskerd,MezzosopranAlex Szilasi, Pleyel-Fortepiano HCD 32474

Ignaz Josef Pleyel war ein österreichischer Komponist und genialer Klavierfabrikant.

Julian Fontana, Schüler Chopins, veröffentlichte Arbeiten Chopins

Das ungarische Klavierduo Egri & Pertis an einem Pleyel Double Grand

Chopiniana Duette und Klavierwerke vierhändig gespielt auf dem Pleyel Double Grand PianoEgri & Pertis HCD 31917 / Hungaroton

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geklingel der Zeit untergingen? Schumann hatte kommen sehen, dass sie jede Konkurrenz überlebenwürden – und er hatte sich auch in diesem Punkt wieder einmal nicht geirrt...

Bei aller Grandezza seiner Konzerte versteckteChopin darin doch geheime, sublime Botschaften: Imf-Moll-Konzert bekennt er sich zu einer „Träumerei ineiner schönen, mondbeglänzten Frühlingsnacht“ –eine unausgesprochene Widmung an die SängerinKonstantia Gladkowska, in die er noch in seiner Warschauer Zeit unsterblich verliebt war.

Eine besondere Einspielung der oft aufgenommenenKlavierkonzerte ist beim Detmolder Label Dabringhaus& Grimm erschienen. Christian Zacharias leitet vomKlavier aus das Orchestre de Chambre de Lausanne(MDG 340 1267-2). Die erfolgreiche Zusammenarbeitzwischen dem Orchestre de Chambre de Lausanneund MDG trägt hier besonders delikate Früchte: Chopins Klavierkonzerte werden „nach Art des Hauses“– meisterhaft, sensibelund klangsinnig – auf-gelegt: eigenhändig undmit hörbarer Spielfreu-de und kammermusi-kalischer Eleganz vonChristian Zacharias.

Fast eine Ergän-zung zu dieser Einspie-lung, deren besondererklanglicher Reiz vomkleinen Orchester lebt,bildet die BIS-CD-847,vor nunmehr 14 Jahrenerschienen und seiner-zeit ein großer Verkaufs-erfolg. Chopin selbst schwebten zwei verschiedeneBesetzungsmöglichkeiten für diese Konzerte vor, nämlich Klavier mit Orchester oder aber Klavier mitSolostreichern, also einem Streichquintett. SolcheKammermusikarrangements waren zu Zeiten, dienoch keine mechanischen Musikkonserven kannten,unbedingte Voraussetzung dafür, sich großbesetzteWerke auch im häuslichen Kreis aneignen bzw. imräumlich kleinen musikalischen Salon adäquat auf-führen zu können. Fumiko Shiraga unternahm zu-sammen mit dem Yggdrasil Quartet seinerzeit erst-mals den Versuch, diese Kammermusikfassungen derÖffentlichkeit vorzustellen. Der virtuose Charakter des Soloparts kommt hier noch dramatischer zumAusdruck als in der Orchesterversion.

Apropos virtuoser Charakter: natürlich sind ChopinsWerke Prüfsteine für Pianisten und Pianistinnen mitAmbition, das erklärt auch die Vielzahl der Aufnah-men. Eine solch Ambitionierte ist Elisabeth Leonskaja,

die bei ihren Aufnahmen für MDG mit leichter Handdie Sahnestücke der Klavierliteratur neu erfahrbarmacht. Hier sind es Scherzi und Nocturnes des großenpolnischen Komponisten, die die Pianistin auf einemSteinway-Flügel von 1901 in unnachahmlicher Inten-sität präsentiert und dabei dem Instrument schierunglaubliche Klangkaskaden entlockt, mit denen sieeinen weiteren Meilenstein ihrer steilen Karriere setzt.

Frédéric Chopin hat seit jeher viele Bewunderer.Franz Liszt nannte ihn einst „epochemachend, kühn,glänzend und berückend“. Dieses Urteil gilt beson-ders für die hochvirtuosen Scherzi Chopins: Mit denvier zwischen 1831 und 1843 entstandenen Stückenhat der Komponist ein Terrain betreten, das in dieserForm bislang unberührt war.

Elisabeth Leonskaja nimmt diese Herausforderun-gen mit Bravour. Einen brillanten Zugriff mit Freudean der Subtilität der Melodien verbindend, stellt sieeine bestechende Fülle von spielerischen Nuancen zur

Schau. Wilde forte-Aus-brüche etwa fügen sichglaubhaft in das Gesamt-geschehen ein. Anderer-seits fehlt es ihr bei allemSinn für den Liebreiz perlender Passagen nichtan Energie für notwendi-ges motorisches Drängenund Poesie. In solchenMomenten weiß man, wa-rum diese Pianistin wirk-lich zu den besten zählt(MDG 943 1558-6).

Wie Frédéric Chopinvon großen Interpreten

noch vor etwa 100 Jahren aufgefasst wurde, doku-mentiert eindrücklich ein bei Dabringhaus & Grimmerschienener „Rollentausch“: Neun Pianisten spielenChopin (MDG 645 1402-2). Sie haben ihre Aufnah-men im ersten Viertel des 20. Jahrhunderts einerNotenrolle anvertraut. Ein hervorragend restaurierterBösendorfer-Flügel mit Ampico-Selbstspielmechaniklässt die Interpretationen erstmals wieder neu erklin-gen. Faszinierendes Ergebnis dieser Auferstehunglängst verschollen geglaubter Klänge ist Vol. 2 derPlayer-Piano-Serie bei MDG, herausgegeben von demunermüdlichen Jürgen Hocker. Es sind allesamt Pianisten, die exklusiv für die amerikanische FirmaAmpico gespielt hatten und somit auf anderen Syste-men nicht zugänglich sind. Zu diesen „unerhörten“Künstlern gehören Moriz Rosenthal, Mischa Levitzki,Alfred Mirovitch, Mieczyslaw Münz und Leo Ornstein.

Eugen d’Albert, Alfred Reisenauer und FerruccioBusoni bilden die direkte Liszt-Nachfolge. Leopold

Klavierkonzerte Nr. 1 + 2Christian Zacharias, Klavier und Leitung

Orchestre de Chambre de LausanneMDG 340 1267-2

Die 2 Klavierkonzerte in KammerversionFumiko Shiraga, Klavier

The Yggdrasil QuartetJank-Inge Haukås, Kontrabaß

BIS-CD-847 (Ersteinspielung)

Scherzi / NocturnesFantaisie impromptu

Elisabeth Leonskaja, KlavierMDG 943 1558-6 (Hybrid-SACD)

Player Piano 2 Chopin gespielt von berühmten

Pianisten um 1900; Bösendorfer-Ampico-Selbstspielflügel

MDG 645 1402-2

Raum mit Chopins Klavier in Valldemossa, Mallorca

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Das gilt auch für die Live, Rundfunk- und Studio-aufnahmen mit dem unvergessenen Dinu Lipatti (IDIS 6397). In dieser aus drei CD bestehenden Samm-lung findet sich das erste Klavierkonzert und ansonstenvor allem Walzer, Walzer, Walzer. Der dokumentarischeWert dieser Einspielung ist nicht gering zu schätzen,denn sie enthält alle überhaupt bekannten Aufnahmendes polnischen Komponisten durch den rumänischenPianisten. Ähnlich Kempff verfolgt er einen ganz un-romantischen Ansatz, der den Werken und ihrerDurchhörbarkeit letztlich zugute kommt.

Schatzgräber

Dass die Pianisten von der Kunstfertigkeit derchopinschen Kompositionen am meisten profitierten,ist hinlänglich bekannt und liegt auch – man verzeihedas Wortspielchen – auf der Hand. Dass aber immerwieder gerade die Geiger vom Genie Frédéric ChopinsBesitz ergriffen und dabei gern die Pianisten zu Sta-tisten degradierten, ist eine Kuriosität der Musikge-schichte, auf einer Dabringhaus & Grimm-Produktion(MDG 603 1296-2) eindrucksvoll dargestellt von der polnischen Geigerin Joanna Madroszkiewicz undihrem Wiener Partner Paul Gulda.

Sarasate gilt in der Szene nicht gerade als zimper-lich, was die Handhabung von Urheberrechten angeht:Kritiker konnten ihm nachweisen, daß nur 24 Takte

Godowsky war besessen von der technischen Perfek-tion, die er als wichtige Voraussetzung für eine künst-lerische Interpretation betrachtete. Während seinSpiel in privatem Kreis „einmalig und überwältigend“war, litt er bei öffentlichen Konzerten unter Lampen-fieber – und es gelang ihm selten, das Publikum zubegeistern. Die hier eingespielte Ballade op. 47 zeigtihn von seiner besten Seite…

Nicht ein einziges Mal hat Leo Ornstein fürsGrammophon gespielt. Der aus Sankt Petersburg stam-mende und erst 2002 im Alter von 109 Jahren in denUSA verstorbene Pianist spielte sein langes Leben langausschließlich Ampico-Notenrollen ein – seine oft eben-so eigenwilligen Interpretationen wären beinahe ver-schollen geblieben. Ornsteins Spiel zeigt alle Eigenartendamaliger Interpretationen: sehr freier Umgang mitden Tempi, ausgeprägte Rubati, Arpeggieren von Bass-Akkorden oder freies Hinzufügen von Füllstimmen…

Schelack-Schätze

Historische Aufnahmen allerdings etwas jüngererZeit finden sich im Programm des italienischen LabelsIDIS. Sämtliche Etüden mit Wilhelm Backhaus findensich auf IDIS 6559. Backhaus, 1884 in Leipzig ge-boren, war Zeitgenosse von Bartók und Stravinsky,Picasso und Braque, Le Corbusier und Gropius, Joyceund Kafka und ein sehr modern eingestellter Künstler.Mit nur 20 Jahren gewann er den Rubinstein Preisund bis zu seinem Tod war er weltweit auf Konzert-podien aktiv. Von der Kritik wurde er als kühl unddistanziert beschrieben, und sicherlich stimmt dasauch. Als erster Pianist nahm Backhaus 1928 dasGesamtwerk Chopins auf; die CD verwendet Aufnah-men von 1928 und 1950 in neuem Remastering.

Ein anderer großer deutscher Pianist findet sichauf IDIS 6555. Wilhelm Kempff, der über sechzigJahre lang immer wieder Aufnahmen machte, war vorallem berühmt für seine Interpretationen der Werkevon Beethoven und Schubert. Seine Chopin-Ein-spielungen wurden weniger beachtet, dabei sind insbesondere diejenigen aus den 50er Jahren exzel-lent – die hier vorgestellte mit einem bunten Pro-gramm quer durch Chopins Klaviermusik stammt aus dem März 1958. Bei Kempff wird Chopin ent-romantisiert, seine klassischen Wurzeln freigelegt,und daher klingen seine Interpretationen sehr frischund eigenständig.

Einer der großen Protagonisten der Musikszenedes 20. Jahrhunderts, der über fünfzig Jahre dominie-rende Pianist Vladimir Horowitz, war sehr wählerisch,wenn er Chopin spielen sollte. So gibt es auch nur ent-sprechend wenig Einspielungen. Die auf IDIS 6495zusammengetragenen stammen aus den Jahren 1932bis 1951. Ein unvergessliches Hörerlebnis.

Wilhelm Kempff spielt ChopinBallade Nr. 3 / Fantasie f-moll op. 49 /Impromptu As-dur op. 29 / Berceuse Des-dur op. 57 u.a.IDIS 6555

oben: Skizzenblatt und erste Seite von Chopins Manuskript der Berceuse Des-Dur op. 57

Frédéric Chopin im Jahr 1849 – diese Fotografie soll die einzige von ihm sein

Wilhelm Backhaus spielt ChopinSämtliche Etüden opp. 10 und 25 Sonate Nr. 2 op. 35IDIS 6559

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seiner berühmten „Zigeunerweisen“ auf ihn zurück-gehen. Seine Bearbeitungskunst hatte nun wiedergeniale Züge – der Mann, der sich weigerte, Brahms’Violinkonzert zu spielen (weil er sich nicht die einzigeMelodie in dieser Komposition von der Oboe vor-blasen lassen wollte), „komponierte“ nach Herzens-lust Chopins Walzer und Nocturnes...

Anders als Sarasate bereicherte Kreisler seinRepertoire an Zugabestücken durch wirkliche Eigen-kompositionen. Die jedoch schrieb er gern unbe-kannten Komponisten zu (Nicht selten dachte er sichdabei auch schöne Namen aus). Als Chopin-Bearbeiterhatte er den Schalk nicht minder im Nacken...

Ein breitgefächertes Repertoire macht die jungepolnische Künstlerin Joanna Madroszkiewicz zu einer Ikone unter den Violinvirtuosen unserer Zeit.1994 wurde ihr das Offizierskreuz für Verdienste um die Republik Polen verliehen. Sie debutierte 1998bei MDG mit vielbeachteten Einspielungen der vir-tuosesten Werke Wieniawskis. Paul Gulda steht in derNachfolge seines berühmten Vaters. Der hochbegabtePianist beschreitet gerne abgelegene Repertoirepfadeund belegt eins um andere Mal, dass er das ihm zugeschriebene Bonmot beherzigt: „Es heißt Klavier-

Wladimir Horowitz spielt ChopinEtüden, Mazurken,

Nocturne op. 15,2, Polonaisen,Sonate Nr. 2 op. 35 u.a.

IDIS 6495

spiel, nicht Klavierkampf.“ Chopin selbst hat die Streicher ja nicht gerade

verwöhnt. Wie bereits erwähnt, gibt es lediglich einigeKammermusik für Cello (abseits eines Klaviertriosund einem Variationszyklus für Flöte), der daher einbesonderer Stellenwert im Gesamtwerk zukommt.Was mag ihn, der doch eigentlich nur für den Eigen-bedarf, also fürs Klavier, komponierte, an diesemInstrument so fasziniert haben? War es der Umstand,dass das Cello wie kaum ein anderes Instrument diemenschliche Stimme imitieren kann? Immerhin warChopin zeitlebens ein glühender Anhänger der bel-canto-Oper. Antony Cooke, Cello, und Armin Watkins,Klavier, haben auf Centaur CRC 2956 die drei Originalwerke (Sonate, Introduction und PolonaiseBrillante, Grand Duo Concertante) eingespielt, die hierergänzt werden durch Adaptionen von Glazounov (zweiEtüden) und Nocturnes (Taniev, Watkins, Heifetz).

Umfangreich wie Chopins Schaffen ist natürlichauch die Zahl ihrer Einspielungen, nicht aber der zurVerfügung stehende Platz – und so müssen wir unserenkleinen Rundgang durch die Aufnahmen von Werkeneines der faszinierendsten Klavierkünstler des 19. Jahr-hunderts an dieser Stelle beenden. A. Rainer

Die Chopin-Aufnahmen 1941-1950Etüden, Mazurken, Walzer,

Nocturnes, Klavierkonzert Nr. 1Dinu Lipatti, Klavier

IDIS 6397

Arrangements für Violine und Klavier Joanna Madroszkiewicz, Violine

Paul Gulda, Klavier MDG 603 1296-2

Homage to Chopin Sämtliche Werke für Cello und Klavier

Antony Cooke, VioloncelloArmin Watkins, KlavierCRC 2956 / Centaur

6 polnische Lieder (Transkr. v. F. Liszt)12 Etüden Op. 10 / 12 Etüden Op. 25 Luiza Borac, Klavier AV 2161 / Avie Records

Vol.1: Nocturnes, Scherzi,Sonate H-moll Louis LortieCHAN 10588 / Chandos

Sonate 3, Fantasie op.49,Fantasie Impromptu Nikolai LuganskyONYX 4049

Berceuse/Barcarolle Stephen HoughCDA 67764 / Hyperion

Bolero, Allegro de Concert,Polonaise Nikolai DemidenkoNIFCCD 014

Klaviersonaten 2 & 3, 2 Nocturnes,Berceuse, u.a.Marc-Andre HamelinCDA 67706 / Hyperion

Weitere empfehlenswerte Einspielungen:

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Im Blickpunkt

Orchester und Konzert

Anton Dvorák Requiem / Sinfonie Nr. 8Thomas Quasthoff – Krassimira –Stoyanova – Mihoko Fujimura – Klaus Florian Vogt, Gesang RCO / Mariss Jansons, Leitung RCO 10001 / RCO Live

Neben seiner Tätigkeit als Chef desSinfonieorchesters des Bayerischen Rund-funks fungiert Mariss Jansons auch alsChefdirigent des Concertgebouw Orche-sters in Amsterdam. Viele seiner Auf-führungen mit diesen Orchestern wurdenin den letzten Jahren als Meilensteinebezeichnet. In den Jahren 2007 und 2008widmete er sich gemeinsam mit dem Concertgebouw Orchester dem Requiemund der 8. Sinfonie von Anton Dvorák.

Hochkarätig: Thomas QuasthoffAus zwei Konzertzyklen stammen die

Mitschnitte zur neuen Live-CD, auf derder eigens angereiste Wiener Singvereinund eine hochkarätig besetzte Sänger-riege zu hören sind. Neben KrassimiraStoyanova, Mihoko Fujimura und KlausFlorian Vogt singt Thomas Quasthoff dieBasspartie in Dvoráks Requiem.

Seine Totenmesse teilte Dvorák in zwei Teile: der erste, von leise klagenderTrauer geprägt, wird vom tröstendenzweiten Teil abgelöst, aus dem Vertrauenund Ergebenheit hervortreten.

Wieder sehr viel stärker von seinerböhmischen Heimat geprägt, ist Dvoráks8. Sinfonie. Hier lässt Dvorák eine volks-tümlich anmutende Melodie der anderenfolgen. Dramatische Wendungen undeigenwillige Rhythmen unterbrechen dieIdylle. Selbstbewusst und voller Inspira-tionen ver-arbeitete Anton Dvorák seineIdeen. Mit den fabelhaften Interpretenwurden die Konzertabende einmaligeErlebnisse und setzen die Serie RCO-livefort, die dem Hörer Sternstunden aus demKöniglichen Concertgebouw präsentiert.

Igor StravinskyMonumentum, Mass,Symphonie De PsaumesRoyal Flemish Philharmonic / PhilippeHerreweghe, Leitung Collegium Vocale Gent / ChristophSiebert, LeitungPTC 5186349 / Pentatone (SACD)

Durch das Oeuvre Igor Strawinskyszieht sich der rote Faden einer Rückbe-sinnung. Seine Beschäftigung mit Stilenvorangegangener Jahrhunderte und seineBegeisterung für diese Musik schlägt sich bekanntermaßen in vielen seinerKompositionen nieder. Die drei Werke,die Philippe Herreweghe auf seiner neuesten SACD eingespielt hat, sind ebendurch diesen roten Faden miteinanderverbunden. An barocken und klassischenFormen im Rahmen des Neoklassizismusorientiert sich Strawinsky in seiner Psal-mensinfonie. Hier sticht besonders dieHolzbläser-Fuge zu Beginn des zweitenSatzes heraus. Die ungewöhnliche Beset-zung mit ausschließlich tiefen Streichern,Bläsern, Schlaginstrumenten und zweiKlavieren erinnert in ihrem unverwech-selbaren Klang an eine Orgel. Der indi-viduelle Charakter des Chores geht aufStrawinksys Kenntnisse geistlicher Musikder orthodoxen Kirche zurück. Diescheinbar einfach aufgebaute Messe istvon einer ungewohnten, archaischenStrenge und Gefasstheit.

Hier knüpft Strawinsky an die ersteMehrstimmigkeit des frühen Mittelaltersan. Das „Monumentum pro GesualdoVenosa ad CD Annum“ ist eine freie Adaption von drei fünfstimmigen Madri-galen des Venezianers Carlo Gesualdo.Strawinsky schrieb das Monumentumzum Gedenken an den 400. GeburtstagGesualdos. Nicht nur dessen Kompositio-nen, auch die Person Gesualdos faszi-nierte Strawinsky. Er setzte die Vokal-werke für kleines Orchester in moderneKlangfarben um. Philippe Herreweghelegt hier eine Weltersteinspielung vor!

Franz Schubert (1797-1828)Symphonie Nr. 8 h-Moll „Unvollendete“Symphonie Nr. 9 C-Dur „Große“Swedish Chamber OrchstraThomas Dausgaard, Ltg.BIS-SACD-1656

2008 haben Dausgaard und das Swedish Chamber Orchestra mit großemZuspruch durch Kritik und Publikumihren Zyklus der Schumann-Symphonienveröffentlicht. Auf klassik.com war zu le-sen, dass es sich hierbei wohl um die neueReferenzeinspielung handele, und derKritiker der International Record Reviewmeinte, dies sei der beste Schumann-Zyklus seit über 30 Jahren. Die Traubenhängen also hoch für die Interpreten,wenn sie nun auch Schubert ihrer (wohl-tuenden) Verschlankungskur unterziehen:weg vom oft klebrigen, romantischenKleistersound großbesetzter Orchester,hin dafür zu einer transparenten, mit klei-ner Besetzung musizierten Interpretation,die den Möglichkeiten und Intentioneninsbesondere der Frühromantiker weitmehr entsprechen dürfte: das SchwedischeKammerorchester in Örebro besteht„nur“ aus 38 MusikerInnen.

Auf Diät1995 wurde es gegründet, und seit

1997 ist Thomas Dausgaard sein Chef-dirigent. Neben Schubert und Schumannhat dieses Team auch schon Beethoven und Brahms seinen Entschlackungskurenunterzogen. Nun also die beiden spätenSinfonien Schuberts, die mit ihrer neu-artigen Konzeption von Schumann undMendelssohn als legitime Nachfolger undWeiterführungen des BeethovenschenErbes angesehen wurden.

Antonín Dvorák Sinfonie Nr. 6 op. 60Ouvertüren: In der Natur op. 91,Carneval op. 92,Othello op. 93Dortmunder PhilharmonikerJac van Steen, Ltg.MDG 601 1601-2

Dass nach mehr als 120-jähriger Tra-dition eines Orchesters die erste Schall-platte den Weltmarkt erreicht, ist schoneine Besonderheit. Vielleicht liegt das andem erst vor wenigen Jahren bezogenenKonzerthaus. Jedenfalls glänzen die Dort-munder Philharmoniker und ihr neuerGMD Jac van Steen mit einer fabelhaften6. Sinfonie von Antonin Dvorák, die er-gänzt wird durch drei eher selten aufge-führte Konzertouvertüren op. 91 – 93 zueinem mehr als 80-minüten Klangrausch.

Mutiges DebütNach erfolgreicher Aufführung von

Dvoráks dritter „Slawischer Rhapsodie“ inWien sollte der Böhme für die folgendeKonzertsaison eine Sinfonie abliefern, diedem Geschmack des von Beethoven- undBrahms-Kompositionen verwöhnten Wie-ner Publikums entsprechen sollte. Dvorákgelang das Kunststück. Er würzte seine„Sechste“ mit Parallelen zu der 2. Sinfo-nie von Brahms und Anspielungen an dieSinfonik Beethovens, gab ihr aber den-noch eine eigene musikalische Individua-lität. Zur Uraufführung in Wien reichte esEnde 1880 aber nicht: Der beginnendeböhmische Nationalitätenstreit ließ esdoch nicht opportun erscheinen, dieWerke eines Tschechen in zwei auf-einander folgenden Spielzeiten zur Auf-führung zu bringen...

Zehn Jahre später lässt Dvorák seinerVorliebe für die Poesie in der Musik freien Lauf. In seiner Konzertouvertüren-Triologie „Natur, Leben und Liebe“ schil-dert er eindrucksvoll die verschiedenenSeiten menschlichen Daseins. Dass sieendlich einmal zusammen erscheinen istein weiteres Plus dieser Einspielung.

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Orchester und Konzert

Henry Vieuxtemps The Romantic Violin Concerto Vol. 8 Viviane Hagner, Geige Royal Flemish Philharmonic Martyn Brabbins, LeitungCDA 67798 / Hyperion

In fast allen Werken von Henri Vieux-temps spielt die Geige eine zentrale Rolle,selbst in seinen Kammermusikwerken.Dennoch lag es dem in Lüttich geborenenKomponisten und Geiger nicht daran, mitVirtuosität zu brillieren oder technischeFinessen in den Vordergrund zu stellen.Sein 4. Violinkonzert, das Vieuxtemps selber als sein Bestes beurteilte, wurdevon Hector Berlioz als „Sinfonie mit Solovioline“ bezeichnet. Tatsächlich istVieuxtemps’ Orchestersatz ebenso selbst-bewusst und einfallsreich wie seineBehandlung der Geige, obwohl es eindeu-tig bleibt, dass das Soloinstrument derProtagonist des Dramas ist. Für das Brüsseler Konservatorium komponierteVieuxtemps sein Violinkonzert Nr. 5.

Romantische Studien

Es sollte als Prüfungsstück den bereitsfortgeschrittenen Studenten alle Fähigkei-ten abverlangen. Das Violinkonzert wurdeso erfolgreich, dass es sich im Repertoiregehalten hat und fast noch populärer ist,als das vierte Violinkonzert. Es ist auch als„Grétry-Konzert“ bekannt, da Vieuxtempseine Melodie dieses Komponisten imlangsamen Satz zitiert. Viviane Hagnerund das Royal Flemish Philharmonicunter Martyn Brabbins fügen in ihrer Einspielung diesen beiden Violinkonzer-ten außerdem die Fantasia appassionata op. 35 hinzu. Die erfolgreiche Reihe „The Romantic Violin Concerto“ desLabels Hyperion erfährt damit eine wei-tere außergewöhnliche Bereicherung. Die aus München stammende GeigerinViviane Hagner gehört zweifelsohne zuden jungen, bereits etablierten Geige-rinnen, die durch herausragendes Talentund inspiriertes Spiel überzeugen.

Codaex Deutschland GmbH Landsberger Straße 492 81241 München Fordern Sie Neuheiten-Informationen an:[email protected] | blog.codaex.de

Cellosinfonie, Cellosuite Nr. 1 Flanders Symphony Orchestra

Seikyo Kim, Dirigent

Sonate Nr. 3, Fantasy Impromptu Walzer c-moll, Prelude c-moll

Scherzo No. 4, Nocturne op. 15/1

Borodin, Strawinsky, Myaskowski

Streichquartette, Concertino

ON

YX 4

04

9O

NYX

40

51

O

NYX

40

58

WISPELWEY LIVE

Ulrich Leyendecker (*1946)Konzert für Gitarre und Orchester(2005); Evocazione (2006)Sinfonie Nr. 4 (1997)Maximilian Mangold, GitarreNordwestdeutsche Philharmonie,Romely PfundSWR Rundfunkorchester Kaisers-lautern, Per BorinRadio-Sinfonieorchester Stuttgart,Johannes KalitzkeM 55720 / Musicaphon

Ulrich Leyendecker gehört zu den wich-tigsten deutschen Komponisten seiner Ge-neration. Er nahm bereits als Jugendlicherprivaten Kompositionsunterricht. 1965-70studierte er an der Musikhochschule Kölnbei Günter Ludwig Klavier und bei RudolfPetzold Komposition, nahm an den Darm-städter Ferienkursen für Neue Musik teilund beschäftigte sich intensiv mit seriellenKompositionstechniken, ohne sich jedochdamit nachhaltig zu identifizieren. 1971erfolgte ein Ruf als Theorielehrer an dieHochschule für Musik Hamburg, wo Leyendecker 1981 Professor für Musik-theorie und Komposition wurde. Von 1994bis 2005 war er in gleicher Position ander Musikhochschule Mannheim-Heidel-berg tätig und lebt seither als freier Kom-ponist. Er erhielt zahlreiche Ehrungen:u.a. Stipendien der „Villa Massimo“ inRom und der „Cité Internationale desArts“ in Paris, die Mitgliedschaft in derfreien Akademie der Künste in Hamburgund den „Eduard van der Heydt-Preis“seiner Heimatstadt Wuppertal.

Leyendeckers Œuvre beinhaltet Sin-fonien und Solokonzerte, Kammermusikund viele Werke für Soloinstrumente.

Leyendeckers Musik zeichnet sichdurch spannungsgeladene Lebendigkeitund klangsinnliche Farbigkeit aus. Siebewahrt eine „Rest-Tonalität“ und ent-wickelt aus kurzen Grundgestalten groß-bögige Formverläufe. Seine stets poly-phone Musik vollzieht sich in Metamor-phosen dieser Grundgestalten. Eine sehreigene Stimme unserer Zeit.

Wenn Haydn für Oboe geschrieben hätte..., Vol. 2:Konzert für Violine, Oboe undOrchester F-Dur; Quartett F-Dur op. 50,5 („Der Traum“); Konzert für Oboe und Orchester G-DurAlexej Utkin, OboeHermitage Chamber OrchestraCM 0012007 / Caro Mitis (SACD hybrid)

In einem der auf dieser SACD enthal-tenen Stücke (dem Doppelkonzert) wirdder Cembalo-Part von der Oboe übernom-men, in den beiden anderen die Violin-stimme. Die Idee, diese Stücke so zu ver-einen, stammt vom dem hervorragendenOboisten Alexej Utkin. Er hat versucht, sichvorzustellen, wie Haydn (von dem prak-tisch keine Werke für Oboe überliefertsind) für dieses Instrument wohl kom-poniert haben würde. Übrigens waren im 18. Jahrhundert Arrangements weitverbreitet und Oboenvirtuosen sehr ge-fragt. So sind Utkins Bearbeitungen alsodurchaus auch schon zwei Jahrhundertefrüher vorstellbar. Die beiden Konzerteentstanden Ende der 1760er Jahre. Haydnarbeitete damals am Hof der Fürsten Eszterházy; 1766 wurde er Kapellmeisterund war damit für alle musikalischenEreignisse am Fürstenhof verantwortlich.

Reizender Morgensegen

Offenbar waren die Konzerte für die„Hofakademien“ bestimmt. Das QuartettF-Dur gehört zu den sogenannten„Preußischen Quartetten“, die 1787 ent-standen. Die Reife und Gestaltung dieserWerke ist auch heute noch jeder Bewun-derung wert – man muss ja vielleichtnicht so weit gehen wie der Komponist,Pianist und Dirigent Ferdinand Hiller, dervor 130 Jahren schrieb: „Seit einiger Zeitbeginne ich mein Tagwerk mit einem rei-zenden Morgensegen – ich lese täglichein Quartett von Haydn, dem frommstenChristen kann ein Capitel aus der Bibelnicht wohler thun.“

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Codaex Deutschland GmbH Landsberger Straße 492 81241 München Fordern Sie Neuheiten-Informationen an:[email protected] | blog.codaex.de

CHAN 0769

Tomaso Giovanni Albinoni Homage an einen spanischenGrande: Konzerte aus Op. 10

Simon Standage Collegium Musicum 90

CHSA 5077

Richard WagnerOrchesterfassungen aus Parsifal,

Tannhäuser und LohengrinRoyal Scottish National Orchestra

Neeme Järvi

CHAN 5078

Mieczyslaw WeinbergSinfonien Nr. 1 & 7

Gothenberg Symphony OrchestraThord Svedlund

DVD – Konzert

Ludwig van BeethovenSinfonie Nr. 5 in c-Moll DokumentationJos van Immerseel Anima EternaEPRC 005 / EPR-Classic

Der gebürtige Belgier Jos van Immer-seel tritt als Pianist, Cembalist und Orga-nist international auf und wird als vielsei-tiger Künstler hoch geschätzt. Als Dirigenthat er sich stärker festgelegt und arbeitetausschließlich mit dem Orchester AnimaEterna in Brügge zusammen, das aufhistorischen Instrumenten spielt. Gemein-sam erarbeiteten das Ensemble undImmerseel weltweit beachtete Projekteund widmeten sich auch sämtlichen Sin-fonien Ludwig van Beethovens. Bei diesenInterpretationen überraschen vor allemdie recht schnellen Tempi. Immerseel hatdie Handschriften Beethovens eingängigstudiert und sich mit weiteren verfüg-baren Quellen auseinandergesetzt. Sokam er zu dem Ergebnis, die Sinfonien inungewohnt raschen Tempi zu spielen unddamit völlig neue Einblicke in die Werkezu geben. Tatsächlich faszinieren dieInterpretationen den Hörer auf unglaubli-che Weise. Im Ballsaal des Concert Noblein Brüssel wurde ein Konzert von Beet-hovens fünfter Sinfonie mit Anima Eternaund Jos van Immerseel aufgezeichnet.

Concert nobleIm wunderschönen Ambiente des

Saals und unter Kerzenschein spielen dieMusiker die Sinfonie in der erfrischendenInterpretation und von den Kamerasbestens eingefangen. Im zweiten Teil derDVD gibt ein beeindruckender Film Aus-kunft über die sogenannte Wiederent-deckung der 5. Sinfonie von Beethoven.Jos van Immerseel wurde auf den SpurenBeethovens durch Wien begleitet sowie dortund in Antwerpen zu seiner Arbeit befragt.Das in holländisch geführte Interview istmit englischen Untertiteln versehen.

Caroline Boissier-Butini (1786-1836)Konzert Nr. 6 „La Suisse“ für Klavier, Flöte und Streicher / Pièce pour orgue / Klaviersonate /Divertissement für Klarinette,Fagott und Klavier Verschiedene InterpretenGAL-CD-1277 / Gallo

Caroline Butini wuchs in Genf als Toch-ter eines Arztes auf, der ihre musikalischenNeigungen stark unterstützte, wie späterauch ihr Ehemann, Auguste Boissier. Daswar ungewöhnlich; eigentlich gab es imTagesablauf einer Genfer Bürgerin vonStand keinen Platz für kreative, gestalte-rische Tätigkeit und schon gar nicht mit der als anrüchig geltenden Musik. Dasssie noch nach ihrer Heirat als Pianistinauftrat und über Jahre viel und regel-mäßig komponierte, ist also aller Achtungwert. Sie war eine ausgezeichnete Pianistin;im Winter 1831/32 erhielt sie bei FranzLiszt Klavier- und bei Anton Reicha Kom-positionsunterricht. Nach heutigem For-schungsstand gilt Boissier-Butini als eineder vielseitigsten unter den SchweizerKomponisten und Komponistinnen ihrerGeneration. In der Allgemeinen musi-kalischen Zeitung vom 1. März 1815 be-schreibt der Korrespondent die „unge-meine Fertigkeit von Frau Boissier auf demPianoforte“, insbesondere in einem Kon-zert aus ihrer Feder. Ihre Kompositionen,darunter viel Instrumentalmusik, wurdebei Leduc in Paris verlegt. Auffällig ist die Vielzahl von Instrumentalwerken unddie frühe Beschäftigung mit der Volks-musik ihres eigenen Umfelds. Volkslieder,die ihr vorgesungen wurden, fanden z.B. Eingang in ihr 6. Klavierkonzert. Die auf diesem Komponistinnenportraiteingespielten Werke und die Umständeder Musikpraxis von Caroline Boissier-Butini geben Einblick in die bis heuteunter dem musikalischen Aspekt kaumerforschte Epoche der großen politi-schen, sozialen und kulturellen Um-brüche zu Beginn des 19. Jahrhunderts in Genf und in der Schweiz.

Orchester und Konzert

Dmitri Shostakovich (1906-1975)Symphonie Nr. 11 „Das Jahr 1905“, op. 103Netherlands Radio PhilharmonicOrchestraMark WigglesworthBIS-SACD-1583

„Den besten Shostakovich-Interpretenseiner Generation“ nannte BBC MusicMagazine Mark Wigglesworth. Zehn Sym-phonien sind mittlerweile auf BIS durchWigglesworth eingespielt, zunächst mitdem BBC Orchestra of Wales, seit 2005mit dem Netherlands Radio PhilharmonicOrchestra. Nun also die 11., ein Auftrags-werk der Sowjetführung zur Erinnerungan die Ereignisse des sogenannten „Blut-sonntags“ im Januar 1905. Damals hattedie Garde des Zaren unter friedlichenDemonstranten ein Blutbad angerichtetund somit die Revolution von 1905 weiterangeheizt, die schließlich in die großeOktoberrevolution 1917 münden sollte.Den historischen Bezug macht Shosta-kovich in den Satztiteln deutlich wie auchin der Verwendung revolutionärer Liederjener Zeit. Und doch wird man den Ver-dacht nicht los, dass der Komponist eheran das Niederknüppeln des ungarischenAufstands durch russische Panzer in Budapest 1956 dachte, als er ein Jahrspäter diese Symphonie niederschrieb.

Subversiv?Und der Verdacht ist begründet, denn

er schrieb selbst: „...ich komponierte sie1957, und sie bezieht sich auf die Gegen-wart, auch wenn sie den Titel ‚Das Jahr1905‘ trägt. Sie handelt vom Volk, das denGlauben verloren hat, weil der Kelch derMissetaten übergelaufen war.“ Offenkundigist seine Identifikation mit denen, die gegendie Tyrannei aufbegehren, sei es gegendie Gewalt der Kosakenregimenter 1905oder der roten Armee in Budapest 1956.

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Nicolò Paganini 24 Caprices für Violine Solo op. 1mit Klavierbegleitung von Robert SchumannBenjamin Schmid, ViolineLisa Smirnova, KlavierMDG 333 0674-2

Paganini, der Teufelsgeiger, exzen-trisch wie eine Primadonna, ist dereigentliche „Entdecker“ der Violine.Dämonisch wirkt sein Spiel auf das bie-dermeierlich brave Publikum. So erschie-nen Karikaturen die Paganini drapiert mitermordeten Frauen, tanzenden Skelettenund Nebelgeistern zeigen! Musikalischsind es besonders seine Capricen op. 1,die die Welt in Atem halten.

Tanzende Knochenmänner

„Paganini ist da!“, schreibt Schumannbegeistert in sein Tagebuch. Kurze Zeitspäter beginnt er, die akrobatischenCapricen für Violine mit einer Klavierbe-gleitung zu versehen: Der große Klavier-komponist Schumann kontrapunktiert dieungebändigte Virtuosität Paganinis undfügt den Werken mit einer schlichten„Harmonisierung“ eine neue, tiefgrün-dige Dimension hinzu.

Sensationelle Erfolge wie beim „Con-cours International Yehudi Menuhin“ inParis ebneten Benjamin Schmid den Wegauf die internationalen Konzertpodien.Seine Klavierbegleiterin, die MoskauerinLisa Smirnova, wurde als 14jährige(!) mitdem 1. Preis beim Nationalwettbewerbder UdSSR ausgezeichnet und konzer-tiert seither in allen Ländern Europas, in Fernost und den USA. Nach „Bach /Schumann“ nun der zweite geniale Wurfdieses sympathischen Duos bei MDG.

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blog.codaex.de Neuigkeiten BesprechungenTipps und Termine

blog.codaex.de ist ein Musik-Blogdes europäischen unabhängigenCD-Vertriebs Codaex. Das An-gebot umfaßt schwerpunktmäßigklassische Musik. Jazz- und Welt-musikveröffentlichungen, sowieDVDs runden das Programm ab.

In diesem Blog sollen Neuerschei-nungen aus dem Codaex-Kosmosvorgestellt und besprochen wer-den, auf ältere Veröffentlichungenaufmerksam gemacht werden,Künstler und Labels porträtiert,sowie TV-, Radio- und Linktippsveröffentlicht werden. blog.codaex.de soll dabei keine kritiklose Werbeplattform sein.Deswegen wird das Blog auch voneinem freischaffenden Bloggerbetextet, der fair und unabhängigüber die CDs berichten möchte.Oberste Priorität der Besprechun-gen in diesem Blog soll daher dieFreude an der Musikund die Neugierde aufNeues sein. DiesesBlog will nicht auf einerakademischen Ebenemusiktheoretische Be-trachtungen veröffent-lichen, es will den„ganz normalen“ undden „ambitionierten“Hörer zum Entdeckenverführen. Im günstigsten Fall sollblog.codaex.de demLeser als Richtschnurfür neue Entdeckungenoder neue Betrachtun-gen in Sachen Musikdienen. Dabei bedientsich das Blog moder-ner Kommunikations-methoden, um es demLeser so einfach wie möglich zumachen, den Updates auf dieser Website zu folgen: Nebeneinem regelmäßigen Besuch dieser Seite kann man das Blogselbstverständlich auch via RSS-Feed abonnieren; außerdemwerden die Artikel via Twitter und Facebook angekündigt.

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Kammermusik

Franz SchubertWerke für Violine und Klavier Vol. 2Julia Fischer, ViolineMartin Helmchen, KlavierPTC 5186348 / Pentatone (SACD)

Julia Fischer und Martin Helmchenwidmeten sich im vergangenen Jahr FranzSchubert. Seine Werke für Violine undKlavier liegen mit dieser zweiten Folgenun in ihrer Gesamtheit vor. Die ersteSACD der beiden Künstler wurde sogleichein großer Erfolg, kein Wunder daher,dass Volume 2 mit Spannung erwartetwurde. Die beiden jungen Musiker spie-len die Sonate D 574 sowie die Fantasie D 934 und rücken Schuberts kammer-musikalische Kleinodien wieder einmalins Rampenlicht. Voll inniger Wärme undgelegentlich spielerischer Anmut sind die Werke sowohl für Interpreten als auch für die Zuhörer immer wieder einGenuss und auch bei dieser Einspielungmit dem aussdrucksstarken Duo Fischer-Helmchen entsteht beinahe Wehmut, dassSchubert nicht noch mehr für diesesInstrumenten-Paar komponiert hat. JuliaFischer und Martin Helmchen kommenhier dem Hörer mit einer fabelhaften Ideeentgegen. Sie spielen, damit die SACD-Länge voll ausgeschöpft wird, die Fantasiein f-moll D 940 für Klavierduo!

Eine Geigerin alsPianistin

Julia Fischer ist damit erstmals auf SACD als Pianistin verewigt. Sie begann im Kindesalter sowohl Geige als auchKlavier zu spielen und hatte mit zwölfJahren bereits Preise bei Jugend musi-ziert gewonnen und zehn Beethoven-Sonaten einstudiert. Beide Instrumentegehörten zu Julia Fischers weiterer Aus-bildung und ihr Klavierspiel auf hohemNiveau wurde vielfach in Konzerten be-jubelt. Schuberts Werke werden vonJulia Fischer und Martin Helmchen mitmakelloser Technik und phänomenalerMusikalität dargeboten.

Ludwig van BeethovenViolinsonaten Nr. 3 & 9 ‚Kreutzer‘Viktoria Mullova, ViolineKristian Bezuidenhout, Hammerflügel ONYX 4050

Das Label Onyx feiert sein 5-jährigesBestehen mit seiner 50. Aufnahme undeiner der größten Geigerinnen unsererZeit: Viktoria Mullova. Egal auf welcherVioline, die 1959 geborene Russin hat inihrer gesamten Karriere seit Ende derachtziger Jahre ein immenses Spektrumunterschiedlicher Klangmöglichkeitenund Stilistiken ihren Instrumenten ent-lockt. Die Bandbreite ihres Repertoireshat sie stetig erweitert, heute reicht ihreInterpretationskunst von der Barockzeitüber klassisches und romantisches Re-pertoire bis hin zu Crossover-Projektenmit jazzigen Tönen. Sie vergibt Aufträgean junge zeitgenössische Komponistenund beschäftigt sich schon einige Jahremit der historischen Aufführungspraxis.Auf der Jubiläums-Aufnahme bei Onyxspielt sie eine historische Geige von Guadagnini aus dem Jahre 1750 undeinen Barockbogen von Walter Barbiero.

Jubiläum mit StarbesetzungViktoria Mullovas Klavierpartner ist

Kristian Bezuidenhout, der 1979 in Süd-afrika geboren wurde und als Cembalistund Pianist vor allem aus der niederlän-dischen Musikszene nicht mehr wegzu-denken ist. Er begleitet Viktoria Mullovaauf einem restaurierten Wiener Hammer-flügel von 1816. Beide Virtuosen verfügenüber eine makellose Technik und indivi-duelle Ausdruckskraft, die sie in den So-naten Nr. 3 op. 12,3 und Nr. 9 op. 47, derKreutzer-Sonate voll entfalten.

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26 AUSGABE 2010/2

The Vienna ConnectionHans Gál: Sonate op. 17Egon Kornauth: Sonate D-Dur op. 15Ernst Krenek: Sonate Nr. 1 fis-Moll op. 3David Frühwirth, ViolineFlorian Uhlig, KlavierEDA 32

Es waren die Kulturhauptstädte Europasin der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts,wo im wahrsten Sinne „die Musik spielte“.Orte, an denen Verbindungen geknüpft unddiese Verknüpfungen über die Grenzenvon Nationalitäten, Schulen und Stilenhinweg ein Musikleben bereicherten, dasfast alles tolerierte, vieles möglich machteund manches erst zum Leben kommenließ. Auf der einen Seite stand das er-wachende nationale Selbstbewusstsein,eine politische Angelegenheit, ausgetragenzwischen Restauration und sozialem, wennnicht sozialistischem Aufbruch; auf deranderen Seite ließ das Bersten der Grenzen der Tonalität, des harmonischenFunktionierens und der Leitplanke desklassisch-romantischen Formenkanons dieFeste der bis dahin gerade noch linearverlaufenen Musikgeschichte erzittern.Connections – Menschen trafen sich,musikalisches Denken zwischen letztenAusläufern der Tradition und ausufern-dem Modernismus prallte aufeinanderund gebar Großartiges hüben wie drüben.

Aus der Kultur-hauptstadt

Wien, erste Station dieser „Connec-tions“-Serie, war einer der viel beschrie-benen Schmelzpunkte dieser Zeit. Dievorliegende Aufnahme belegt eindrucks-voll, welche Vielfalt des kompositorischenAusdrucks auf höchstem Niveau neben-einander existieren durfte und erweist Mutund Selbstverständnis der Komponistendie Reverenz, gleich ob sie damals – ausunserer heutigen Sicht – über die Schul-ter zurück oder mit dem Fernglas weitnach vorn blickten.

John Cage „Violin and Piano“Andreas Seidel, ViolineSteffen Schleiermacher, KlavierMDG 613 1607-2

Das früheste Stück dieser Sammlung, „Nocturne“,stammt aus dem Jahr 1947. Cage hatte damals den fran-zösischen Komponisten Erik Satie für sich entdeckt undwidmete ihm posthum einige seiner Werke, darunter daskurze, fast impressionistisch anmutende „Nocturne“. Eineganz andere Klangwelt eröffnet sich in den nur drei Jahrespäter entstandenen „Six Melodies“. Cage beschränkt sichim Klavierpart der sechs kurzen Stücke auf nur 25 ver-schiedene Töne, die er höchst kunstvoll in stets identischenKombinationen variiert.

4YouZwei Spätwerke aus den Jahren 1991 und 1992

machen deutlich, welch enorme Wegstrecke John Cagebis zu seinen „Number Pieces“ zurückgelegt hat: Statteiner Partitur gibt Cage den Musikern nur Zeitvorgabenan die Hand, in denen sie eine gewisse Anzahl von Tönenspielen müssen. Die Stoppuhr wird für sie zum Maß aller Dinge. Zusätzlich gibt Cage in der KompositionTwo4 minutiöse mikrotonale Abweichungen sowie diejeweilige Klangfarbe bzw. ihre Veränderung vor. MitTwo6 schließt sich der Kreis komplett: Cage greift auf die„Vexation“ von Erik Satie zurück, nutzt dessen Basslinie,verändert sie durch Zufallsoperationen und gibt demInterpreten ein abstraktes Zeitschema, das er nach eigenem Geschmack ausfüllen kann...

Spätestens seit seiner fulminanten Cage-Gesamt-einspielung hat Steffen Schleiermacher seinen interna-tionalen Durchbruch als Pianist gefeiert. Sein Partnerbei dieser Aufnahme ist Andreas Seidel, der mit seinerSpielfreude und technischer Brillanz heute wieder alsKonzertmeister das Gewandhausorchester Leipzig undzwischenzeitig als Primarius das nicht minder berühmteLeipziger Streichquartett bereichert.

Kammermusik

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AUSGABE 2010/2 27

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SUPRAPHON a.s.> www.supraphon.com > [email protected]

im Vertrieb vonCODAEX DEUTSCHLAND GmbH > Landsberger Str. 492, 81241 München

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SU

40

12

DVOŘÁKSinfonische Dichtungen Tschechische PhilharmonieSir Charles Mackerras

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BEETHOVENKlavierkonzerte Nr. 1 & 3Tschechische PhilharmonieKarel Ančerl

SU

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TSCHAIKOWSKYPROKOFIEFF / BACHKlavierkonzerte Nr. 1Tschechische PhilharmoniePrager SymphonikerKarel Ančerl, Václav Talich

Amilcare Ponchielli (1834-1886)KammermusikEnsemble Villa MusicaMDG 304 1618-2

Seit mehr als 20 Jahren hat sich dasEnsemble Villa Musica die Entdeckungkammermusikalischer Raritäten auf dieFahne geschrieben. Die mehr als 30 CD-Aufnahmen wurden mit Preisen undHöchstbewertungen der internationalenKritik förmlich überschüttet. Kein Wunder:Die Namensliste der Musiker liest sichwie ein „Who is who“ des Kammermusik-adels: Andrea Lieberknecht und ClaudeGérard (Flöte), Yeon-Hee Kwak und IngoGoritzki (Oboe), Ulf Rodenhäuser (Kla-rinette), Dag Jensen (Fagott), NicolasChumachenko (Geige) sowie die Pianis-ten Chia Chou und Kalle Randalu…

Jetzt folgt ein bläsermusikalischesPorträt des italienischen KomponistenAmilcare Ponchielli, der auch in der Kammermusik seine Affinität zur Oper injedem Moment spüren lässt. So erschei-nen Klarinette und Violine als Personifi-zierung von Paolo und Virginia direkt vonder Opernbühne inspiriert: Rezitativ, Kan-tilenen, heftige Stimmungswechsel und einepassgenaue Stretta... Das ist große Oper.

Kammer-musikalische

RaritätIm Divertimento für zwei Klarinetten

und Klavier, mehr noch im Quartett fürFlöte, Oboe, Es-Klarinette und Klarinettemit Klavierbegleitung zeigt Ponchielli, wiepassgenau er die Blasinstrumente nachihren Stärken und Möglichkeiten einsetztund sie sehr geschickt zu kombinierenweiß. Als klangliches Bonbon präsentiertdas hervorragend aufgelegte EnsembleVilla Musica eine Bearbeitung des be-rühmten „Danze delle ore“ („Tanz derStunden“) für Bläsernonett aus der OperLa Gioconda.

Kammermusik

Der musikalische Salon der Annette von MenzSerenaden und Variationen vonJohann Baptist Gänsbacher,Joseph Ewald Reiner,Johann Nepomuk Huber und Leonhard von CallGiuseppe Carrer, GitarreLuigi Lupo, TraversflöteCDS 657 / Dynamic (Ersteinspielung)

In Bozen wird heute eine Hand-schriftensammlung aufbewahrt, die als„Toggenburger Musiksammlung“ bekanntist. Begonnen hatte sie der reiche Kauf-mann und Kunstmäzen Anton Melchiorvon Menz (1757-1801). Um gedruckteund handgeschriebene Werke erweitertwurde sie durch seine Tochter Annette;sie sammelte Werke, die sie selbst inihren musikalischen Soireen spielte oderdie bei den musikalischen Akademienaufgeführt wurden, die in ihrem Salonstattfanden. Um Annette bildete sich einKreis von Musikern, die sich ihrer musi-kalischen Ausbildung annahmen, die anden von ihr veranstalteten Akademien teil-nahmen und ihr eigene Werke widmeten.

À votre plaisirDarunter befinden sich viele Gesangs-

stücke mit Gitarren- oder Klavierbe-gleitung. Hier allerdings erklingen keineVokalwerke, sondern Serenaden oderVariationssätze für die Anfang des 19. Jahr-hunderts so beliebte, heute leider ehervernachlässigte und klanglich so aparteKombination von Flöte und Gitarre. Unddie CD gibt einen Einblick in die Art undQualität der musikalischen Unterhaltungdes gebildeten Bürgertums Anfang des 19. Jahrhunderts.

Wiener SerenadenSonaten und Variationen von Anton Diabelli, Mauro Giuliani undCaspar Joseph MertzMaximilian Mangold, GitarreKristian Nyquist, FortepianoM 56900 / Musicaphon

Anfang des 19. Jahrhunderts erlebte dieGitarre in einigen europäischen Metropo-len, besonders in Wien, Paris und Londoneine wahre Blütezeit. Zahlreiche Gitarren-virtuosen entfachten eine Begeisterungs-welle für die Gitarre, unternahmen ausge-dehnte Konzertreisen durch Europa undwaren zugleich äußerst produktive Kom-ponisten. Die Gitarre, lange Zeit unbeachtetund im Gegensatz zur Laute ohne Traditionin der Kunstmusik, fand Einzug in dasKonzertleben und wurde zu einem Mode-instrument. Und als solches verschwandsie dann auch bald wieder von den Konzert-podien; erst Andres Segovia verhalf ihrMitte des 20. Jahrhunderts zu einer neuenAuferstehung als ernst genommenes Musizierwerkzeug für Klassik.

Für die vorliegende Aufnahme wurdedie detailgenaue Rekonstruktion einersechssaitigen Gitarre nach Johann AntonStauffer, Wien um 1840, von BernhardKresse, Köln, 2003 verwendet.

Bei dem hier erklingenden Fortepianohandelt es sich um den Nachbau einesFlügels der damals europaweit berühm-ten Wiener Klavierbaumeisterin NannetteStreicher aus dem Jahre 1814. Das Ins-trument stammt aus der Werkstatt vonMichael Walker, Heidelberg, 2002.

Die hier eingespielten Komponisten sindzwar nicht gebürtige Wiener, verbrachtenjedoch große Teile ihres Lebens in derHabsburgermetropole und feierten dortihre größten Erfolge. Gerade in Wien besaßdie Gitarre eine erstaunliche Popularität.Neben Diabelli, Giuliani und Mertz wirk-ten hier zeitweise auch Simon Molitor,Leonhard von Call, Wenzeslav Matiegka,Ivan Padovec und viele andere.

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Im Blickpunkt

28 AUSGABE 2010/2

Jean SibeliusDie Sibelius-Edition Vol. 10:Klaviermusik, Vol. 2Folke Gräsbeck, KlavierBIS-CD-1927

Sibelius ist als großer Symphonikerbekannt geworden, dabei war er zeit-lebens auch ein großer Miniaturist mitSpaß an kleinen Formen und aphoristi-schen Stückchen. Gerade für das Klavierhat er eine große Zahl von Werken ge-schaffen. Während auf Folge 4 der SibeliusEdition die Klavierwerke der frühen Jahreund seiner national-romantischen Periodeveröffentlicht worden waren, sind hier dieWerke aus der Zeit zwischen 1905 und1931 zu hören. Die Sammlung enthältnicht weniger als 14 Ersteinspielungen,und auch alle anderen Werke sind bisherbei BIS noch nicht veröffentlicht worden.Eine maßgeblich treibende Kraft nicht nurhinter dieser Aufnahme der Klavierwerke,sondern auch der Sibelius Edition ins-gesamt ist Folke Gräsbeck, der in mühsamer detektivischer Arbeit Archivedurchpflügte, Fassungen miteinander verglich und stets auf der Suche nach bis dato unbekannten Werken war.

Zarte Blumen„Wer glaubt, dass Sibelius in der Lage

war, mehr als ein gutes Dutzend ‚GreatestHits‘ zu schreiben, für den wird die Musikauf diesen CDs viele lohnende, ja wun-derbare neue Entdeckungen bereithalten.Wohl wahr, dass die Symphonien diegewaltigen Birken und Kiefern im Sibelius-Wald sind; aber die Klaviermusikstellt seine zartesten Blumen dar – unddas musikalische Ökosystem bietet ge-nügend Platz für beide“ (Andrew Barnettim Begleitheft zu dieser 5 CDs umfas-senden Edition).

Tasteninstrumente

Domenico Alberti (ca. 1717-1740)VIII Sonate per clavicembalo, op. 1Filippo Emanuele RavizzaConcerto CD 2067 (Ersteinspielung)

Domenico Alberti – der ist jedem Kla-vierschüler wohl bekannt als Erfinder derBegleitfiguren aus gebrochenen Akkor-den, den berühmt-berüchtigten Alberti-Bässen. Aber über sein Leben weiß mankaum etwas. In Venedig muss er eine Zeitlang gelebt haben, denn er hatte dorteinen guten Namen als Komponist undexzellenter Cembalist, wie der Musikhisto-riker Charles Burney 1773 berichtete. InMadrid soll er um 1736 beim veneziani-schen Botschafter in Spanien gewesensein, und von 1737 bis 1740 hat er wohlin Rom gelebt, um seine Fertigkeiten zuerweitern. Seine musikalische Ausbildungerhielt er bei Antonio Lotti (Komposition)und bei Antonio Biffi (Gesang), beidesMeister der venezianischen Schule. Ob-wohl seine Lebenszeit noch in die Epochedes Spätbarock fällt, sind seine Werkedoch höchst modern, schon dem galantenStil verpflichtet. Die einfach harmoni-sierte Melodie erhält den Vorzug vor kon-trapunktischer Arbeit, volkstümliche,fröhliche Melodik hält Einzug, die Struk-tur des Satzes ist klar, einfach und leicht überschaubar. Gleichzeitig werdenaber auch Albertis stilistische Wurzelndeutlich: Domenico Scarlatti und GeorgFriedrich Händel haben ganz offen-sichtlich auf ihn Einfluss gehabt.

Mehr als nur Bässe

Etwa 80 Kompositionen für Cembaloaus seiner Feder sind bekannt; nur einigeerschienen zu Albertis Lebzeiten imDruck. Die hier eingespielten Werkebeweisen jedenfalls, dass Alberti Un-recht tut, wer ihn lediglich auf seineBässe reduziert.

Ludwig van Beethoven KlaviersonatenSteven Osborne, Klavier CDA 67662 / Hyperion

Der schottische Pianist Steven Osborne,Jahrgang 1971, studierte bei RichardBeauchamp in Edinburgh und bei RennaKellaway in Manchester. Der Gewinnerdes internationalen Clara-Haskil-Wett-bewerbes (1991) beeindruckt mit durch-dachten Interpretationen bekannterWerke und überrascht immer wiedermit spannenden Entdeckungen aus derKlavierliteratur des 20. Jahrhunderts.

Ernsthaft und intensiv

Ob Wiener Klassik, Romantik oderdie Welt der Moderne, jedes der Werke,die Steven Osborne für seine Konzert-programme aussucht, wird von ihm mitgleicher Ernsthaftigkeit und höchsterIntensität interpretiert. In zahlreichenKonzerten spielte Steven Osborne mitgroßem Erfolg aus dem Oeuvre von Ludwig. Nun hat der schottische Pianistzum ersten Mal bei Hyperion drei Beet-hoven-Sonaten auf CD aufgenommen. Fürsein Debüt wählte er drei der bekann-testen und schönsten Klavierwerke desgroßen Meisters: die Pathetique, dieWaldstein- sowie die Mondschein-Sonate.Beethovens Klavierwerke sind in der Klavierliteratur bekanntermaßen von epochaler Bedeutung. Mit seiner Sonateop. 13, der Pathétique gelang Beethovender Durchbruch zu einem neuen Aus-drucksstil. Formale Freiheiten und starkeEmotionen machen die Sonate op. 27,2,seine Mondschein-Sonate zum Vorläuferder Romantik. Die Waldsteinsonate op. 53sprengt in Umfang und modulatorischerKühnheit die bis dahin übliche Sonaten-form. In allen drei Sonaten werden höchste Anforderungen an den Pianistengestellt. Steven Osborne wird diesenAnsprüchen mit absoluter musikalischerIntelligenz und Subtilität gerecht.

Gradus ad ParnassumSüddeutsche Orgelkunst Werke von Froberger, Kindermann,Kerll, Murschhauser, Kayser,Maichelbeck und MuffatChristian Brembeck, Baumeister-Orgel(1737) der Klosterkirche MaihingenC 58042 / Cantate

Ein „Gradus ad Parnassum“, ein Aufstiegzum Sitz der Götter, ist im übertragenen Sin-ne für das Portrait eines solch einzigartigenInstrumentes sicherlich der rechte Titel.

In unserer Programmzusammenstel-lung wird dieser „Gradus“ musikalischdurch die beiden „Eckpfeiler“, die ein-leitenden und abschließenden Werke vonFroberger und Muffat versinnbildlicht.Gerade diesen beiden Tonschöpfungenkann man eine qualitative Spitzenstellung inder Musik des ausgehenden 17. Jahrhun-derts zubilligen, die schnell ein gewissesVorurteil von angeblicher Unterlegenheitsüddeutscher Orgelmusik (im Vergleichzu Werken mittel- und norddeutscherProvenienz) obsolet erscheinen lässt. ImGegenteil: Der aufmerksame Hörer erlebthier einen in sich geschlossenen, äußerstfarbigen klanglichen Kosmos.

Bedeutendstes Ausstattungstück derMaihinger Klosterkirche ist die Orgel desEichstätter Orgelbauers Johann MartinBaumeister (1692-1780) aus dem Jahr1737, die seit ihrer Versiegelung im Jahre1803 kaum mehr benützt wurde und fast völlig in Vergessenheit geriet. Einehöchst umfangreiche wissenschaftlicheBestandsaufnahme der Orgel sowie diedarauf folgende Restaurierung in den Jah-ren 1988-90 durch die PfeifenwerkstattHildebrand & Brede (Überlingen) unddie Orgelbauwerkstätte G. F. Steinmeyer(Oettingen) brachte ein als sensationellzu bewertendes Ergebnis: eine historischesüddeutsche Orgel, die über fast zweiJahrhunderte hinweg in ihrem Ur-sprungszustand gewissermaßen „einge-froren“ war! Diese Tatsache hebt die Baumeister-Orgel in den höchsten Ranghistorischer Orgeln.

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AUSGABE 2010/2 29

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KTC 1400

Johann Sebastian Bach

Goldberg Variationen Kanonische Variationen

Pieter Dirksen, Cembalo und Orgel

KTC 1404

W. A. Mozart, F. Petrini

Sonaten für Harfe und Violine

Masumi Nagasawa Ryo Terakado

KTC 1904Ludwig van Beethoven

Sämtliche Sonaten für Violine und Klavier

Sarah Kapustin Jeannette Koekkoek

Überzeugende Vielfalt

Codaex Deutschland GmbH Landsberger Straße 492 81241 München Fordern Sie Neuheiten-Informationen an:[email protected] | blog.codaex.de

Robert Schumann (1810-1856)Sonate op. 14 Paganini-Studien op. 3Paganini-Etüden op. 10Mi-Joo Lee, Klavier MDG 604 0941-2

Die vorliegenden Klavierwerke Schu-manns sind ein Psychogramm seinerfrühen Schaffenszeit. Mi-Joo Lee präsen-tiert die große Phantasie-Sonate f-Moll ineiner selten zu hörenden Rekonstruktion,welche aber einen perfekten Blick auf die komplizierte Quellenlage dieses abso-luten Meisterwerkes erlaubt.

EntdeckungSchumann setzte viel daran, seine

Werke spontan, wie „Phoenix aus derAsche“ erscheinen zu lassen (Geniesarbeiten eben nicht, sie folgen plötzlichenEingebungen ...). Die Realität sah jedochanders aus: Gerade Schumanns Arbeit ander Phantasie-Sonate op. 14 zeigt einenmehrjährigen, aufwendigen Prozess derVervollkommnung – ungezählte Korrek-turen markieren den Entstehungsweg desmonumentalen Klavierwerkes.

Die beiden Paganini-Studien sind indemselben Zeitraum entstanden unddamit auch „von Clara besetzt“: NachRoberts Tod wich Clara jedoch gern den anspruchsvollen Etüden ihres Gattenaus und spielte lieber die effektvollerenPaganini-Paraphrasen von Liszt...

Als Koreanerin in der Welt der abend-ländischen Musik Fuß zu fassen, ist nichtleicht. Mi-Joo Lee ist eine der wenigenjungen asiatischen Pianistinnen, die aufdem steilen Weg nach oben sind: Klavier-abende in Berlins Philharmonie, Recitalsin Europa, Japan und den USA, zahlreichePreise und Auszeichnungen pflastern densteilen Weg in die Spitze der klassischenKlaviermusik.

Carl Philipp Emanuel Bach (1714-1788)Sämtliche Werke für Tasteninstrumente solo, Vol. 20:Sonaten von 1760 bis 1766Miklós Spányi, ClavichordBIS-CD-1623

In den fünf für diese Folge der Serieausgewählten Sonaten aus den 1760erJahren kulminieren Bachs bisherigeErfahrungen in neuen stilistischen Ele-menten. Vorbei die ausschließliche Dra-matik der Württembergischen Sonaten(Vol. 16 und 17 dieser Serie), vorbeiauch die lyrische Intimität und Einfach-heit der „leichten“ Sonaten. All dies wirdnun zusammengeführt in einem neuenStil, der deutlich „klassischer“ anmutet.

Auf neuen WegenEin Stil, der Bachs vertraute Energie

und Lebhaftigkeit zeigt, wie Miklós Spányiim Booklet anmerkt, aber eine größereAusgeglichenheit erzielt. Es sind Werke,die in ein biographisch wichtiges Jahr-zehnt fallen: 1768 nahm C. Ph. E. Bachseinen Abschied vom preußischen Hof inPotsdam, um in Hamburg als Musik-direktor der fünf Hauptkirchen die Nach-folge seines Patenonkels Georg PhilippTelemann anzutreten. Spányi trägt wieder-um auf einem Instrument vor, das ihndurch diese Reihe begleitet: ein Clavi-chord, das 1999 von Joris Potvlieghe nach dem Muster eines der schönstenerhaltenen Instrumente der sächsischenClavichordbau-Schule gebaut wurde. 1785von Gottfried Joseph Horn in Dresdengefertigt, repräsentiert dieses herrliche,resonanzreiche Instrument den mittel-deutschen Clavichordbau in der 2. Hälftedes 18. Jahrhunderts, wie er von GottfriedSilbermann begründet wurde.

DivergéncesJongen: Etude de concert / Deux piècesReger: Träume am Kamin op. 143Scirabin: Sonate Nr. 4 / Quasi valse / Fueillet d‘album /Sonate Nr. 7 / Deux dansesJoseph Moog, KlavierCLA 50-1005 / Claves

Mit diesem Album schließt Moog anseine 2008 bei Claves veröffentlichten„Metamorphosen“ an. Diese Hommagean eine Virtuosität voller Finesse findethier ihre Fortsetzung mit einem Pro-gramm, das der von starken Gegensätzengeprägten musikalischen Welt der erstenHälfte des 20. Jahrhunderts gewidmet ist.Die Klangwelten der Komponisten ausBelgien, Deutschland und Russland könn-ten kaum verschiedener sein. Gegensätze,die Moog in seiner zupackenden, gleich-wohl feinfühligen Interpretation deutlichhörbar werden lässt. Für diese CD wurdeder junge Interpret bereits zum zweitenMal mit dem SuperSonic des Luxem-burger Magazins Pizzicato ausgezeichnet.Joseph Moog, im Dezember 1987 in Neu-stadt an der Weinstrasse geboren, erhielter vierjährig den ersten Klavierunterrichtund begann bald darauf zu komponieren.Von 2001 bis 2007 studierte er bei Prof.Bernd Glemser an der MusikhochschuleWürzburg und setzt nun sein Studium ander Staatlichen Hochschule für Musik undTheater bei Prof. Arie Vardi fort. EineDeutschland-Tournee mit den Ungari-schen Symphonikern führte Joseph Moog2009 u.a. in die Kölner Philharmonie unddie Stuttgarter Liederhalle.

Stets erfolgreichJoseph Moog zählt bereits 22-jährig zu

den herausragenden jungen Pianisten mitinternationaler Reputation. BesondereAufmerksamkeit erweckt er durch seinhochvirtuoses Spiel, seine reife Künstler-persönlichkeit und durch seine Kompo-sitionen, die er regelmäßig im Rahmen seiner Recitals vorstellt.

Tasteninstrumente

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30 AUSGABE 2010/2

Im Blickpunkt

Antonio Vivaldi (1678-1741)ArgippoFucikova, Stepnickova,Binova-Koucka, KapfHof-Musici BarockensembleOndrej MacekDynamic CDS 626 (Ersteinspielung)

Dies ist die Produktion der 2008erfolgten Ersteinspielung eines 279 Jahrelang verschollenen Werkes. Seit 2006hatte der tschechische Cembalist undDirigent Ondrej Macek nach diesemDramma per musica aus der Feder des„roten Priesters“ gesucht, von dem nurbekannt war, dass es im Herbst des Jahres1730 im Palast des Grafen Anton vonSporck in Prag aufgeführt worden war(diese Oper teilt also das Schicksal so vieler Vivaldischer Bühnenwerke: Derzeitsind rund 60 Bühnenkompositionen vonihm bekannt, aber nur von 19 liegen voll-ständige Partituren vor). Macek fand nunheraus, dass die Theatertruppe, die inPrag diese Aufführung durchgeführt hatte,nach Regensburg weiter gereist war. Alsoforschte er dort im Archiv der FamilieThurn und Taxis – und wurde fündig.

Gesucht und gefunden

Fehlende Teile der Partitur (es habensich nur rund zwei Drittel der Musik-nummern erhalten) wurden von Macekbehutsam ergänzt. Fehlende Rezitativeschrieb er komplett neu; für fehlendeArien griff er auf andere Opern Vivaldisaus demselben Entstehungszeitraum zu-rück – eine im Barock durchaus üblichePraxis, musikalisches Material mehrfachund somit ökonomisch zu verwerten; man denke nur an Bachs Kantaten oderHändels Konzerte und Opern. Hilfreichbei der Rekonstruktion war der Umstand,dass die Oper strukturell sehr einfach istund getreulich den Konventionen desdamaligen dramma serio folgt. Ein hoch-interessanter Beitrag zum immer nochrecht wenig gewürdigten Opernschaffendes großen Venezianers.

Oper

Marcel Dupré (1886-1971)Orgelwerke Vol. 11Suite Bretonne op. 21Les Nymphéas op. 54Trois Esquisses op. 41Chorales op. 78 (Auswahl)Ben van Oosten, Casavant-Orgel Brick Church, New York CityMDG 316 1293-2

Marcel Dupré war sein Leben lang eingefragter Orgellehrer. Deshalb sind einigeseiner Werke musikpädagogisch motiviert.Faszinierend seine 79 „leichten“ Chorälefür den elemantaren Orgelunterricht, dieals Vorspiele zu den Bachschen Chorälengedacht waren. Im Gegensatz dazu die an Virtuosität kaum zu überbietenden und deswegen so gefürchteten „TriosEsquisses“ op. 41.

Niemals zuvor sind „Les Nymphéas,op. 54“ außerhalb von Meudon erklun-gen, dem Heimatort von Marcel Dupré.Ben van Oosten präsentiert diese außer-gewöhnliche Komposition allerdings nichtauf der Hausorgel des Komponisten, son-dern in der Brick Church von New York,eine beeindruckende Synthese von fran-zösisch-symphonischen und amerika-nisch-romantischem Orgelbau.

Die berühmten acht Seerosen-Gemäl-de von Claude Monet als Vorlage für„Nymphéas“ inspirierten den Kompo-nisten zu außergewöhnlichen musika-lischen Impressionen, in denen sich seineLiebe zur Malerei vereinte mit seiner Vision der „Orgel der Zukunft“. Duprésklangliche Vorstellungen gingen weit überdas hinaus, was der zeitgenössische Orgel-bau zu bieten hatte, z. B. experimentierteer mit geteilten Manualen, die es erlaubten,oben und unten unterschiedliche Regis-trierungen zu realisieren. Das Ergebnis:Sechs Stimmen in sechs verschiedenenRegistrierungen erklingen gleichzeitig.Sicher keine leichte Herausforderung,auch nicht für einen Ben van Oosten, dermit dieser Edition im Begriff ist, seinerdiskografischen Hall of Fame einen weite-ren Meilenstein hinzuzufügen.

Tasteninstrumente

Dietrich Buxtehude (1637-1707)Toccaten in F und dCiacona in ePräludium in aChoralbearbeitungenMagnificat Primi ToniMasaaki Suzuki, OrgelBIS-SACD-1809

Wenn selbst ein Johann SebastianBach als Zwanzigjähriger sich aufmachte,mehr als 400 Kilometer zu Fuß zurück-zulegen, nur um Dietrich Buxtehude zuhören, kann man ermessen, welche Be-deutung dem Lübecker Marienorganistvon seinen Zeitgenossen zugesprochenwurde. Anders als dies bei vielen seinernorddeutschen Kollegen der Fall war, hatzum Glück ein Großteil seiner Manuskriptedie Jahrhunderte unversehrt überstanden.Buxtehude war nicht nur ein Virtuose,sondern auch ein profunder Orgelkenner.

Norddeutsche Orgelkunst

Die besten Instrumente waren seiner-zeit in Norddeutschland zu finden. Ins-besondere die reichen Bauerndörfer in denElbmarschen brachten ihren Wohlstandin großen, schön verzierten Kirchen zumAusdruck (oft despektierlich „Bauern-dome“ genannt), die mit kostspieligen,wertvollen Orgeln ausgestattet wurden.Zwei besonders großartige Exemplarefinden sich noch heute, nur drei Kilome-ter voneinander entfernt, in Altenbruch(Klapmeyer-Orgel in St. Nikolai) und inLüdingworth (Wilde-Schnitger-Orgel in St. Jakobi), und an diesen beiden wun-derbaren dreimanualigen Instrumentenhat Suzuki eine bunte, in ihrer Verschie-denheit durchaus repräsentative Auswahlvon Orgelwerken Buxtehudes eingespielt.

Streichinstrumente

Bedrich SmetanaStreichquartette Nr. 1 + 2Bennewitz QuartetCOV 51004 / Coviello (Hybrid-SACD)

„Erster Satz: Die Liebe zur Kunst inmeiner Jugend, romantische Stimmung…Gleichzeitig kündigt sich im Prolog daskünftige Unglück an… Der zweite Satzentführt mich erneut in jugendlichenFreudentaumel… Der dritte Satz erinnertan meine erste Liebe, die später meinegeliebte Gattin wurde. Der vierte Satz:…ich stelle voller Freude fest, dass dereingeschlagene Weg zum Erfolg führt, bisdie Katastrophe allem brutal ein Endebereitet…“ Selten ist der autobiografi-sche Bezug einer Komposition – oft genugeine eher fragwürdige Spekulation – soeindeutig wie hier: Bedrich Smetanaselbst schrieb diese Zeilen 1878 über seinerstes Streichquartett „Aus meinem Leben“.Explizit soll es zur Bewältigung seinerLebenskatastrophe beitragen; da wundertes nicht, dass es zu seinen emotionalstenWerken zählt. Im zweiten Quartett sah derbereits von schwerer Krankheit Gezeich-nete eine Art musikalisches Testament; esgipfelt im letzten Satz mit dem Titelzusatz„Sieg über das Schicksal“ – die Krönungvon Smetanas Lebenswerk einer Verbin-dung von anspruchsvoller Kunstmusik miteinem unverwechselbaren tschechisch-na-tionalen Tonfall. Sehr persönliche Bekennt-nisse des Komponisten sind also beideStreichquartette; besonders spürbar wirddas in der intensiven Interpretation desinternational vielfach ausgezeichnetenBennewitz Quartetts. Der erste Preis beimrenommierten Borciani-Wettbewerb 2008war nur der vorläufige Höhepunkt in derlangen Reihe seiner Erfolge. Dass die vierjungen Streicher aus Tschechien die Musikihrer Landsleute besonders authentischwiedergeben können, daran ließ schonihre Einspielung mit den Quartetten LeosJanáceks keinen Zweifel. Ihr neuestesWerk stellt einmal mehr ihre musikali-sche Ausnahmeklasse unter Beweis.

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AUSGABE 2010/2 31

CLASS a k t u e l l

Wenn Brahms vermutet, Schubert sei„jeden Tag über sich selbst erschrocken“gewesen, erscheint gerade hier der Todals das Thema der Romantik par excellen-ce. Zugabe: die Ouvertüre c-Moll, ein dra-matisches und aufwühlendes Jugendwerk.

Franz Schubert Streichquintettt C-Durr Acies QuartettDavid Geringas

CD GRAM98840

Eine Persönlichkeit mit Weit- und Durchblick,ein denkender Virtuose – kurzum: einePersönlichkeit, wie sie nicht alle Tage dieWeltbühne des hochrangigen Musizierensbetritt.“ (Peter Cossé)

W. A. MozartViolinkonzertee Nr.. 3,, 4,, 55 Thomas A. IrnbergerSpirit of Europe, Martin Sieghart

SACD GRAM98890

Die hier präsentierten sechs Motetten Bachsgehören zum Schönsten und Erhebendsten,was je für Chor geschrieben wurde. DieseMusik sucht die Konfrontation mit denFragen, Abgründen und Widersprüchenmenschlichen Daseins.

Johann Sebastian Bach Diee MotettenChorus sine nomine

CD GRAM98875

Codaex Deutschland GmbHLandsbergerstrasse 49281241 Mü[email protected]

www.gramola.at

Alte Musik

Michel Corette (1707-1795)„Les Delices de la Solitude op. 20“Sechs Sonaten f. Violoncello und b.c.Ensemble Bassorum VoxCOV 21001 / Coviello

Das Violoncello erlebte im 18. Jahrhun-dert besonders in Frankreich einen rasan-ten Aufstieg: Um 1700 noch weitgehendunbekannt, war es nur wenige Jahrzehntespäter zum äußerst beliebten Soloinstru-ment geworden. Einer der ersten, die daserkannten, war der Komponist, Musiker,Pädagoge und Verleger Michel Corrette.1741 veröffentlichte er das erste Lehrbuchfür das Cellospiel in Frankreich – seinedetaillierten Spielanweisungen und um-fassenden Erklärungen klanglicher Wir-kungen sind noch heute eine Fundgrubefür die Erforschung der Musikgeschichtedes 18. Jahrhunderts. Corrette wusste alsoganz genau, worüber er schrieb, und diesesWissen um die technischen Möglichkeitenund den Klangcharakter des Cellos hat erauch musikalisch umgesetzt: schon 1739erschien seine Sammlung von sechs Sona-ten „Les Délices de la Solitude“ (Die Won-nen der Einsamkeit), in der er die Klang-facetten des Instruments zum Strahlenbringt. Ihren besonderen Reiz beziehen dieKompositionen aus der Kombination ita-lienischer und französischer Elemente, mitder Corette einmal mehr stilbildend war.

Wonnen, gar nichteinsam

Das Spezialensemble Bassorum Vox hatsie in einer beispielhaft lebendigen Inter-pretation neu eingespielt und dabei nichtnur in Artikulation, Rhythmik und Phrasie-rung, sondern auch in der Ausgestaltungdes Continuo-Parts besonderen Wert aufFarbigkeit gelegt. Heraus kam eine CD, dieso viel Spielwitz vermittelt, dass man sichfragt, warum Corrette nicht längst zu denBestsellern der alten Musik gehört. „Eherfröhlich und spielfreudig“ als „einsam“findet Cellist Seung-Yeon Lee die Sonaten,obwohl der Titel anderes suggeriert. Wersie hört, wird ihm nur zustimmen können.

Lied

Edvard Grieg (1843-1907)Sämtliche LiederMonica Groop, MezzosopranRoger Vignoles, Ilmo Ranta,Love Derwinger, KlavierBIS-CD-1607

Als Grieg einmal gefragt wurde, warumdas Lied in seinem Schaffen so einenbedeutenden Platz einnähme, hat ergeantwortet: „Ich liebte ein Mädchen miteiner wundervollen Stimme und einer ge-nauso wundervollen Begabung als Inter-pretin“. Das besagte Mädchen war NinaHagerup, seine spätere Frau, mit der erregelmäßig viele seiner Lieder aufführte(wie auf dem Cover zu sehen, einem Bildvon C. S. Krøyer). Liedkomposition warfür Grieg also eine Liebeserklärung, dochnicht nur an seine Frau Nina, sondern,wie er betonte, ebenso an die Dichter derTexte. Denn das Wort – der Text – warentscheidend für ihn. Er sollte persönli-chen Erfahrungen Ausdruck verleihen, unddaher hing die Wahl seiner Dichter mit sei-nem Erleben zusammen. Es ist ihm wichtig,die Intentionen des Dichters herauszu-arbeiten. „Ist diese Aufgabe gelöst, dann ist auch die Musik gelungen“ schrieb er.

LiebeserklärungenDie 172 Lieder auf sieben CDs werden

im begleitenden 184seitigen Booklet aus-führlich dargestellt (u.a. sämtliche Lied-texte in Originalsprache mit Übersetzungins Englische). Die bisher nur einzelnerhältlichen Einspielungen können ohneÜbertreibung in ihrer Auslotung all derTiefen und Höhen dieser Musik durchMonica Groops als unwiderstehlich be-zeichnet werden. Sie selbst sagt, dass sieschon immer eine Art Seelenverwandt-schaft zu Grieg und seiner Musik verspürthabe, vielleicht deswegen, weil GriegsWerke so stark im Volkstümlichen ver-wurzelt sind. Ich bewundere Griegs Neigung zum Einfachen und Ungekünstel-ten, und dies im Ausdruck zu bewahren,war mein Leitsatz.“

Geistliche Musik

Pierre Moulu MessenStephen Rice The Brabant EnsembleCDA 67761 / Hyperion

Stephen Rice und das Brabant En-semble haben eine echte Entdeckung ge-macht: Messen des Renaissance-Kompo-nisten Pierre Moulu (ca. 1484 - ca. 1550).Moulu hatte verschiedene kirchlicheÄmter an der Kathedrale von Meaux inneund war mindestens zwei Jahrzehnte langfür die französische Hofkapelle tätig.Angeblich studierte Pierre Moulu mit Josquin Desprez, da ihm stilistische Nähezum berühmten Komponistenkollegenattestiert wird. Seine Musik ist von kon-sequenter Imitation und Polyphonie mitgleichberechtigten Stimmen gekennzeich-net. Er komponierte fast ausschließlichliturgische Musik, deren Handschriftenunter anderem in Rom, Bologna unds’Hertogenbosch zu finden sind. In seiner„Missa Alma redemptoris mater“ notierteMoulu die Stimmen wie in einer ArtKanon. Die Sänger hatten so die Möglich-keit, die einzelnen Sätze an einer gekenn-zeichneten Stelle zu beenden, oder fort-zusetzen. Stephen Rice entschied sich inweiten Teilen der Messe für die kurze Ver-sion, die dennoch das imitatorische Ele-ment klar herausstellt. Die „Missa Missusest Gabriel angelus“ basiert auf einerMotette von Josquin, die das BrabantEnsemble im Anschluss an die Messeebenfalls aufgenommen hat. Zwei kon-trastierende Motetten von Pierre Mouluergänzen das Programm. In der Motette„Mater floreat“ werden im Text zahlreicheKomponisten der damaligen Zeit genannt,inwieweit dies eine Hommage an die Zeit-genossen darstellt oder Moulu sich mitihnen auf eine Stufe stellen wollte, istnicht geklärt. Tatsächlich aber stehenMoulus Klangfarben denen bekannterRenaissance-Meister in nichts nach undsind eine lohnenswerte Entdeckung.

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