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48 4 2009 · UFA-REVUE PFLANZENBAU Die Pflanzkartoffeln, die in die Schweiz importiert werden, kom- men aus verschiedenen europäi- schen Regionen. Dieser Austausch fördert die Verbreitung verschiedener Genotypen des Mosaikvirus, das auch «Y-Virus» oder PVY (für «Potato Virus Y») genannt wird. Bis in die 90-er Jah- re kannte man hauptsächlich zwei Gruppen an Y-Virusstämmen in der Schweiz: Diese Y n und Y o genannten Stämme verursachen fast nie Sympto- me an den Knollen. Die ersten Nekro- sen auf Kartoffelknollen wurden an- fangs 90-er Jahre entdeckt. Für sie war ein Virusstamm namens Y ntn verant- wortlich. Der Y ntn -Stamm wurde mit der Sorte «Lido» aus Deutschland im- portiert. Durch die Einführung solcher neuen Isolate in der Schweiz erschwer- te sich der Anbau von Sorten wie «Ni- cola», «Ditta», «Erntestolz» oder «Her- mes», die bis dahin als wenig sensibel auf den Y-Virus galten. Die Landwirte haben Schwierigkeiten, diese Sorten in ausreichender Qualität zu produzieren, weil sie anfällig auf die Viursstämme Y ntn reagieren. Anfangs 2000 haben die Virologen von Agroscope nochmals neue Stämme entdeckt, diesmal vom Typ Y Wilga . Y Wilga -Stämme können bedeu- tende Kulturschäden verursachen. Molekulare Analysen Die mole- kurale Diagnostik erlaubt es, die Ent- wicklung der Y-Stämme präzis zu ana- lysieren. Ausserdem hat der Fortschritt in der molekularen Biologie eine besse- re Charakteristik der Stämme ermög- licht. Damit gelingt es, die Y n - und Y ntn - Stämme sowie die Y ntn -Stämme und deren Rekombinationen besser zu un- terscheiden. Agroscope hat bezüglich der biologi- schen Eigenschaften der hier zu Lande vorhandenen Stämme in den letzten rund zwanzig Jahren eine beträchtliche Veränderung festgestellt. Die alten Y n - und Y o -Stämme sind fast verschwunden in der viralen Population und haben ih- ren Platz vor allem den Stämmen des rekombinierten Y ntn -Typs überlassen. Ausserdem beobachtete Agroscope, dass der Y Wilga -Stamm durch den Import aus dem Osten und aus Deutschland während den letzten fünf Jahren zuge- nommen hat. Der Einfluss der Y Wilga - Stämme auf die in der Schweiz ange- bauten Sorten ist noch nicht bekannt, während der hohe Anteil des rekombi- nierten Y ntn -Stammes einem nahe legt, wenig anfällige Sorten auf Knollenne- krosen zu wählen. Haferstreifen gegen Verbrei- tung Agroscope Changins-Wädens- wil hat Versuche gemacht, um die Ver- breitung verschiedener Y-Virusisolate unter Feldbedingungen separat zu stu- dieren. Auf kleinen Kartoffelparzellen wurden sechs Sorten mit hoher Anfäl- ligkeit auf den Y-Virus angebaut. Jede Parzelle enthielt 4 % Kartoffelpflanzen, die durch ein einziges Isolat des Y-Virus infiziert wurden. Total wurden sechs Vi- russtämme getestet, davon mehrere Y ntn - und Y Wilga -Stämme. Während der gan- zen Vegetationsperiode stellten die in- fizierten Pflanzen eine Ansteckungs- quelle dar. Die natürlich vorhandenen geflügelten Blattläuse sorgen für die Verbreitung verschiedener Isolate auf die sechs Sorten. Damit Kontaminatio- nen durch Kreuzviren vermieden wur- den, waren die Parzellen umgeben von einem Hafergurt mit 12 m Breite. Ein Serologie-Test (Elisa) ergab, dass tat- sächlich sehr wenig Isolate von einer auf die andere Kartoffelparzelle gelang- ten. Demnach spielte der Hafer seine Isolationsrolle wirkungsvoll. Resistenz von «Lady Christl» Weiter zeigte der Versuch, dass die Sor- te «Lady Christl» eine erstaunliche Re- sistenz gegen verschiedene Isolate des Y-Virus besitzt (Tabelle). Die Sorten «Ni- cola», «Désirée» und «Marlen» reagie- ren mit 20 bis 30 % vor allem durch die Y ntn - und Y Wilga -Stämme infizierten Pflanzen hingegen sensibel. Einer von zwei «Charlotte»- und «Bintje»-Knollen war kontaminiert. Es scheint wahr- scheinlich, dass die Verbreitung der ge- genwärtig neuen Isolate schneller ver- läuft als bei den alten Virusstämmen. Die Wissenschaftler von Agroscope pla- nen in den Jahren 2009 und 2010 einen weiteren Feldversuch zur Ver- breitung des Y-Virus durch Primärinfek- tionen. Das heisst, dass die Infektionen im aktuellen Jahr und nicht die Infek- tionen in der vorangehenden Kampa- gne betrachtet werden. Die Isolate des rekombinierten Virus Y ntn wurden im Saatprobenanbau in DER MOSAIKVIRUS wird durch mehrere Blattlausarten verbreitet und verursacht sowohl Ertrags- wie auch Qualitätsverluste. Um diesen Virus von den Pflanzkartoffeln fernzuhalten, benötigen die Vermehrer vor allem Mineralöle. Versuche zeigen, dass sich die biologischen und molekularen Eigenschaften der Virusisolate und die Anfälligkeit der Kartoffelsorten in den letzten 20 Jahren stark verändert haben. Unanfälligere Sorten nötig? Ruedi Schwärzel Brice Dupuis Carole Balmelli Einige Isolate des Mosaikviruses können Symptome bei der Sorte «Nicola» hervorrufen.

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48 4 2009 · UFA-REVUE

PFLANZENBAU

Die Pflanzkartoffeln, die in dieSchweiz importiert werden, kom-men aus verschiedenen europäi-schen Regionen. Dieser Austausch

fördert die Verbreitung verschiedenerGenotypen des Mosaikvirus, das auch«Y-Virus» oder PVY (für «Potato VirusY») genannt wird. Bis in die 90-er Jah-re kannte man hauptsächlich zweiGruppen an Y-Virusstämmen in derSchweiz: Diese Yn und Yo genanntenStämme verursachen fast nie Sympto-me an den Knollen. Die ersten Nekro-sen auf Kartoffelknollen wurden an-fangs 90-er Jahre entdeckt. Für sie warein Virusstamm namens Yntn verant-wortlich. Der Yntn -Stamm wurde mitder Sorte «Lido» aus Deutschland im-portiert. Durch die Einführung solcherneuen Isolate in der Schweiz erschwer-te sich der Anbau von Sorten wie «Ni-cola», «Ditta», «Erntestolz» oder «Her-mes», die bis dahin als wenig sensibelauf den Y-Virus galten. Die Landwirtehaben Schwierigkeiten, diese Sorten inausreichender Qualität zu produzieren,weil sie anfällig auf die ViursstämmeYntn reagieren. Anfangs 2000 haben dieVirologen von Agroscope nochmalsneue Stämme entdeckt, diesmal vomTyp YWilga. YWilga-Stämme können bedeu-tende Kulturschäden verursachen.

Molekulare Analysen Die mole-kurale Diagnostik erlaubt es, die Ent-wicklung der Y-Stämme präzis zu ana-lysieren. Ausserdem hat der Fortschrittin der molekularen Biologie eine besse-re Charakteristik der Stämme ermög-licht. Damit gelingt es, die Yn- und Yntn-Stämme sowie die Yntn-Stämme undderen Rekombinationen besser zu un-terscheiden.

Agroscope hat bezüglich der biologi-schen Eigenschaften der hier zu Landevorhandenen Stämme in den letztenrund zwanzig Jahren eine beträchtlicheVeränderung festgestellt. Die alten Yn-und Yo-Stämme sind fast verschwundenin der viralen Population und haben ih-ren Platz vor allem den Stämmen desrekombinierten Yntn-Typs überlassen.Ausserdem beobachtete Agroscope,dass der YWilga-Stamm durch den Importaus dem Osten und aus Deutschlandwährend den letzten fünf Jahren zuge-nommen hat. Der Einfluss der YWilga-Stämme auf die in der Schweiz ange-bauten Sorten ist noch nicht bekannt,während der hohe Anteil des rekombi-nierten Yntn-Stammes einem nahe legt,wenig anfällige Sorten auf Knollenne-krosen zu wählen.

Haferstreifen gegen Verbrei-tung Agroscope Changins-Wädens-wil hat Versuche gemacht, um die Ver-breitung verschiedener Y-Virusisolateunter Feldbedingungen separat zu stu-dieren. Auf kleinen Kartoffelparzellenwurden sechs Sorten mit hoher Anfäl-ligkeit auf den Y-Virus angebaut. JedeParzelle enthielt 4 % Kartoffelpflanzen,

die durch ein einziges Isolat des Y-Virusinfiziert wurden. Total wurden sechs Vi-russtämme getestet, davon mehrere Yntn -und YWilga-Stämme. Während der gan-zen Vegetationsperiode stellten die in-fizierten Pflanzen eine Ansteckungs-quelle dar. Die natürlich vorhandenengeflügelten Blattläuse sorgen für dieVerbreitung verschiedener Isolate aufdie sechs Sorten. Damit Kontaminatio-nen durch Kreuzviren vermieden wur-den, waren die Parzellen umgeben voneinem Hafergurt mit 12 m Breite. EinSerologie-Test (Elisa) ergab, dass tat-sächlich sehr wenig Isolate von einerauf die andere Kartoffelparzelle gelang-ten. Demnach spielte der Hafer seineIsolationsrolle wirkungsvoll.

Resistenz von «Lady Christl»Weiter zeigte der Versuch, dass die Sor-te «Lady Christl» eine erstaunliche Re-sistenz gegen verschiedene Isolate desY-Virus besitzt (Tabelle). Die Sorten «Ni-cola», «Désirée» und «Marlen» reagie-ren mit 20 bis 30 % vor allem durch dieYntn- und YWilga-Stämme infiziertenPflanzen hingegen sensibel. Einer vonzwei «Charlotte»- und «Bintje»-Knollenwar kontaminiert. Es scheint wahr-scheinlich, dass die Verbreitung der ge-genwärtig neuen Isolate schneller ver-läuft als bei den alten Virusstämmen.Die Wissenschaftler von Agroscope pla-nen in den Jahren 2009 und 2010 einen weiteren Feldversuch zur Ver-breitung des Y-Virus durch Primärinfek-tionen. Das heisst, dass die Infektionenim aktuellen Jahr und nicht die Infek-tionen in der vorangehenden Kampa-gne betrachtet werden.

Die Isolate des rekombinierten VirusYntn wurden im Saatprobenanbau in

DER MOSAIKVIRUS wird durch mehrere Blattlausarten verbreitet und verursachtsowohl Ertrags- wie auch Qualitätsverluste. Um diesen Virus von den Pflanzkartoffelnfernzuhalten, benötigen die Vermehrer vor allem Mineralöle. Versuche zeigen, dass sichdie biologischen und molekularen Eigenschaften der Virusisolate und die Anfälligkeitder Kartoffelsorten in den letzten 20 Jahren stark verändert haben.

Unanfälligere Sorten nötig?

RuediSchwärzel

Brice Dupuis

CaroleBalmelli

Einige Isolate des Mosaikviruseskönnen Symptome bei der Sorte«Nicola» hervorrufen.

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Autoren Ruedi Schwärzel, Carole Balmelli, Brice Dupuis,Forschungs anstalt Agroscope Changins-Wädenswil ACW, 1260 Nyon. Für weitere Informationen und Empfehlungen wenden Sie sich an: [email protected], � 022 363 47 19

Unter www.acw.admin.ch (Themen, Ackerbau, Praxisinformationen)erscheint wöchentlich ein Bericht über den Blattlausdruck in Nyon undZürich-Reckenholz.

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PFLANZENBAU

76.3 % aller Infektionen gefunden, diealten Stämme YN und YO nur in 2.6 und5.3 % der Fälle. In 15.8 % der Isolatehandelte es sich um die neue Stamm-gruppe YWilga (Grafik).

BekämpfungsmassnahmenDas Y-Virus ist ein «unpersistentes» Vi-rus. Eine Blattlaus, die den Virus aufge-nommen hat, kann ihn sehr schnell aufandere Pflanzen verbreiten. Die Blatt-laus bleibt allerdings nur für kurze Zeitangesteckt. Mehrere Studien zeigten,dass traditionelle Insektizide aus derFamilie der Pyrethrinoide keinen Effektauf die Verbreitung des Y-Virus haben.Dies hauptsächlich deshalb, weil eszwischen zwei Behandlungen zu langedauert, bis die Blattlaus vom Insektiziderfasst wird und bis zum Moment, andem das Insektizid seine Wirkung ent-faltet. Bis dahin kann die Blattlaus nochviele Einstiche tätigen und Pflanzen mitdem Virus anstecken. Um gegen die un-persistenten Viren vorzugehen, helfengewöhnlich Mineralöle. Der Wirkme-chanismus dieser Öle ist allerdings nochwenig bekannt. Sie greifen bei der Auf-nahme des Virus durch die Blattläusebeim Einstich ein. In der Praxis appli-ziert man die Öle mit 7 l/ha währendder ganzen Kulturperiode wöchentlich.Um das Risiko von Kulturschäden zumindern, besonders bei jungen Pflan-zen, oder um die Befallsentwicklungbesser berücksichtigen zu können, sindauch zwei Behandlungen mit 3.5 l/hamöglich.

Fazit Der Y-Virus fordert von denPflanzkartoffel-Produzenten eine hoheWachsamkeit. In Zukunft muss der An-fälligkeit gegen neue Isolate des Virusbei der Sortenwahl vermehrt Rechnunggetragen werden. �

Haferstreifen hindern die Verbreitung der Virus Y-Isolate von einemzum anderen Kartoffelfeld wirkunsvoll, wie der Versuch von Agrosco-pe gezeigt hat.

INFINFO BOXBOXINFO BOXINFO BOXwww.ufarevue.ch 4 · 09

Grafik: Infektionen mit verschiedenen Y-Virusisolaten (Saatprobenanbau)

Tabelle: Verteilung der Y-Virusisolate auf verschiedenen Sorten (%)Bintje Charlotte Désirée Nicola Marlen Lady Christl

YO 803 5.6 7.3 5.6 0 0 0YN 605 5.6 3.3 2.2 2.2 0 0YNTN 854 10.7 20.3 3.3 10.7 0 0YNTN 1080 35.7 27.7 25.6 12.5 5.6 1.1YNTN 1149 38.9 29.3 10.7 11.3 3.3 0YNTN 1150 12.5 6.7 3.3 5.6 6.9 1.1YNTN 1156 43.3 27.7 10.7 12.5 11.6 0YWilga 1121 38.9 31.1 25.6 25.6 16.7 0

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