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NR. 18 JANUAR 2019
BERLIN
NINETIES BERLINExkursion in die 90er
HYPE-BEASTDer neue Hipster
XULY.BËTComeback einer Legende
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VUE/Berlin ist ein Produkt der Berliner Verlag GmbH, www.vueberlin.de GENERAL MANAGER Jens Kauerauf ADVERTISING DIRECTOR Andree Fritsche ADDRESS BVZ BM Vermarktung GmbH (BerlinMedien), Alte Jakobstraße 105, 10969 Berlin ADVERTISEMENT Tel. +49 30 23 27 55 18, [email protected] PRODUCTION mdsCreative GmbH, Tel. +49 30 23 27 67 62, [email protected]
www.mdscreative.com EDITOR-IN-CHIEF Wolfgang Altmann BRAND MANAGER Marcus Jürgens MANAGING EDITOR Karla Semmelmann EDITORS Elisa Gianna Gerlach, Mirjam Smend ART DIRECTION Nadja Abdul Hussein PRINT Eversfrank Berlin GmbH, Ballinstraße 15, 12359 Berlin
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INHALT
IMPRESSUM
07LOGOMANIA
It-Piece der Saison
08FASHION WEEK
Tipps für Modebegeisterte
16NINETIES BERLIN
Exkursion in die 90er
18PARADISE BOYS
VUE NR.18
28WOMEN
Lauter Lieblingsstücke
30XULY.BËT
Comeback einer Legende
32BODY LANGUAGE
Pflegende Hingucker
13FLASHBACK
Street-Styles für den Sommer
14HIPSTER VS. HYPE-BEAST
Neue Jugendkultur im Anmarsch
10GO GREEN
News von der Eco-Front
12CRAZY SNEAKER
Back to the 90s
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Die 90er haben die Mode fest im Griff. Was als Laune auf den Berliner Laufstegen begann, ist heute auf den Straßen angekommen. Vor allem in Bezirken, wo sich die Jungen tummeln, präsentiert sich der 90er-Jahre-Stil. Auf der Sonnenallee tragen Youngsters Adidas-Trainingshosen zu oversized Hoodies, darüber Daunenjacken und Sneaker. Wer Berlin noch aus der Wendezeit kennt, fühlt sich unweigerlich an den Street-Style von damals erinnert. „Das Revival beschwört eine Zeit herauf, in der noch alles möglich zu sein schien“, sagt Kulturwissen- schaftlerin Diana Weis im Trend-Report. Die Mauer war weg, der 11. September noch weit entfernt – Berlin stand für Aufbruchstimmung und Party.
Die Ausstellung Nineties Berlin feiert dieses Lebensgefühl und lässt zugleich den alten Tresor
und die Loveparade wieder auferstehen. Auch Kreativdirektor Matthias Kaminsky war damals an vorderster Front dabei. Im Interview spricht er über den Look von damals und die Parallelen zu heute. Im Zuge des 90s-Revivals sind auch wieder klassische Streetwear-Marken angesagt. Eine davon ist Xuly.Bët. Das Label war in den 90ern Kult und seiner Zeit weit voraus. Jetzt feiert es ein Comeback. Grund genug, seinen Gründer und das, was er für die Mode geleistet hat, vorzustellen.
Viel Spaß beim Lesen unserer neuen VUE/Berlin wünscht Ihnen
IHR WOLFGANG ALTMANN
Chefredakteur
BACK TO THE 90SEDITORIAL
01/15-17/2019KraftwerkBerlin
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NA, LOGO!Die Logomania hat jetzt auch Joop! gepackt
Baumwolljumper, 120 €, www.joop.com
Adidas, Fila und Levi’s tun es. Erst recht große High-Fashion-Brands wie Gucci, Fendi oder Balenciaga. Kein T-Shirt, keine Tasche, kein Schal, auf denen im kommenden Sommer kein Markenname prangt – die Logomania ist gekommen, um zu bleiben. Das Prin-zip ist einfach: Alltägliche Kleidungsstücke werden durch den Schriftzug aufgewertet. Das Marken- image strahlt auf den Käufer ab, es gibt ihm Sicher-heit und das Gefühl, etwas Besonderes zu tragen – eine Win-win-Situation für die Hersteller und die Konsumenten.
Dieser Markenkult hat seinen Ursprung Anfang der 80er, in einer Zeit, in der auch Wolfgang Joop seine Firma gründete. Bis zu seinem Ausstieg im Jahre 2001 stand die Marke Joop! für Wohlstand und Erfolg. Der Schrift-zug mit dem markanten Ausrufezeichen galt bei vielen als Statussymbol. Kein Wunder, dass man sich jetzt wie-der auf diese Wurzeln besinnt. „Als typische 90er-Jahre-Marke haben wir uns vom Werbe- und Logostil dieser Dekade inspirieren lassen“, sagt Designchef Gregor Langerspacher. Herausgekommen ist dieser Sweater mit einem Logo im futuristischen Retrodesign.
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FA SHION WEEK
TIPPS FÜR BERLIN
DAS NEUE NEUUmweltfreundliche und zu fairen Bedingungen her-gestellte Mode hat heute längst ihr Ökoimage abgelegt. Das erkannte auch die Messe Frankfurt: Sie fasst nun ihre bisherigen Messen Greenshowroom und Ethical Fashion Show zusammen. Neonyt heißt das neue Format, für das auch weiterhin Greenshowroom-Gründerin Magdalena Schaffrin verantwortlich ist. Ein Novum ist die Neonyt Fashion Show, bei der nicht mehr Total Looks, sondern ein Best-of verschiedener Marken gezeigt werden. Gestylt wird die Show von Claudia Hofmann, der Mitbegründerin des Fashion Council Germany. Im Gegenzug unterstützt die Messe Frankfurt das vom Council initiierte Mentorenprogramm, das deutsche Designtalente mit einem Fokus auf Nachhaltigkeit fördert. Ein Highlight ist die „Fashionsustain“-Konferenz. Sie findet am Mittwoch, den 16. Januar statt und widmet sich dem Thema Wasser in der Textilbranche.
NEONYT (FÜR FACHBESUCHER)Heizkraftwerk, Köpenicker Straße 70, MitteDi, 15.1. + Mi, 16.1., 10–19 UhrDo, 17.1., 10–17 Uhrwww.neonyt.messefrankfurt.com
Sie sehen nicht nur cool aus, sondern sind auch ungemein praktisch: Smartphonehüllen zum Umhängen. Unser Favorit sind die handgemachten Modelle von Keest Berlin. Es gibt sie in Rot, Weiß und Schwarz mit unterschiedlich farbigen Tragegurten in den Längen 30 bis 60 Zentimeter. In die stylischen Kunststoffhüllen passt jedes Smartphone. Der Clou: Am Rückteil kann man in einem Schubfach Kreditkarten oder Geldscheine verstauen. So hat man im Club oder auf dem Festival die Hände immer frei.
Foto: Thomas Nied
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Grüne Mode ist bei vielen Einkäufern gefragt
Fonesling, 29 € www.keestberlin.com
CAPSULE COLLETIONAngesichts des Mülls, den Kapselma-schinen produzieren, kann einem der Appetit vergehen. Genuss ohne Reue bieten jetzt Kaffeekapseln von My Cup. Die in Frankfurt/Oder herstellten Hül-len bestehen aus Lignin, einem Stoff aus der Papier- und Holzverarbeitung, sowie aus natürlicher Stärke und Glu-kose. Nach dem Aufbrühen kann man die Kapseln einfach in der Biotonne
entsorgen. Biologisch ist auch der Inhalt: Es gibt Lungo, Espresso und aromatisierte Sorten wie Caffè Vanilla und Caffè Caramel sowie 16 Teesorten: angefangen mit schwarzem Tee wie Golden Darjeeling oder Earl Grey über Früchte- und grüne Tees bis hin zu Kräutertees wie Mint Intense oder Lemon Grass.
10 Biokaffeekapseln, 3,29 €, www.my-cups.de
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FA SHION WEEK
Artwork der
aktuellen Projektgalerie
Die Fashion Week ohne Projektgalerie? Undenkbar! Der beliebte Designersale findet erstmals in der Galerie Charisschwarz statt und bietet Streetwear- und High-Fashion-Brands, die oft interessanter sind als das, was man auf den Laufstegen sieht. Rund 40 Designer haben sich angemeldet, die meisten davon aus Berlin. Sie alle verkaufen dort Restbestände, Prototypen, aber auch Teile aus den aktuellen Kollektionen zu besonders günstigen Preisen. Mit dabei sind unter anderem Ivanman, Blank Etiquette, Maiami, Agnes Nordenholz und Tata Christiane.
PROJEKTGALERIEGalerie Charisschwarz Tucholskystraße 47, MitteMo 14.1. – So 20.1., 11–21 Uhrwww.projektgalerie.net
SUPERFOOD„Poke“ ist Hawaiianisch und bedeutet „in Stücke schneiden“ – und kann damit
Thunfisch und Lachs ebenso meinen wie gegartes Hühnchen. Mit Gemüse und Reis wird das Ganze dann mit verschiedenen Soßen und Toppings wie Sesam oder Cashewkernen abgeschmeckt. Entstanden sind die beliebten, durch die japanische Küche beeinflussten Bowls auf Hawaii, ehe sie von dort aus nach
Kalifornien überschwappten. Hochburg des gesunden Ernährungsstils ist Los Angeles. Dort entdeckten Laura Eckrodt und ihr Mann Asif Oomer das protein-
reiche Superfood und importierten es schließlich nach Berlin.
L.A. POKEAlte Schönhauser Straße 44, Mitte
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Lecker und so gesund
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Kein Scherz: Das Fräulein gibt’s wirklich. Sie heißt Sarra Turan, ist Berlinerin mit türkisch-marokkanischen Wurzeln und besuchte in ihrer Kindheit oft Marokko. Dort entdeckte sie die klassischen Lederslipper, die sogenannten Babouches, und beschloss, diese nach Europa zu importieren. Nachdem sie ihnen ein zeitgemäßes Update verpasste, lässt sie die Slipper nun in Marrakesch von lokalen Handwerksbetrieben produzieren. Ein Name für ihr Slow-Fashion-Label war schnell gefun-den: Lalla Babouche, zu Deutsch Fräulein Pantoffel. Sehr passend.
GALLERY MALINA
Nur Kleider zu verkaufen, wäre Designerin Malina Sebastian schlichtweg zu langweilig. Ihren Shop nutzt sie daher auch als Präsentationsfläche, auf der sich alles um Nachhaltig-
keit dreht – und zwar sowohl bei ihrer eigenen Mode als auch bei den anderen Objekten, die sie verkauft. Letztere stellt sie
in wechselnden Ausstellungen vor: etwa das Label Auf Augenhöhe, spezialisiert auf Mode für Kleinwüchsige, oder
Bilder, die von Menschen mit Behinderung gezeichnet wurden. Soziale Standards erfüllt auch ihre Inneneinrichtung. Sie wurde
von Insassen der JVA Tegel hergestellt.
GALLERY MALINAAuguststraße 82, Mitte
Mo–Fr 12–19 Uhr, Sa 12–18 Uhrwww.gallery-malina.com
„Ich liebe Seide“, sagt Designerin Silke Skarabis und schwärmt vom sinn-lichen Gefühl, wenn sie über den weiblichen Körper fließt. Ihre Kleider sind schlicht. Sie brauchen keine schreienden Muster oder übertriebenen Schnit-te, um aufregend zu sein. Für die Produktion fand die Berlinerin Partner in ganz Europa, die eine ethisch einwandfreie Fertigung garantieren – vom Färben und Bedrucken der Seide bis hin zur Herstellung ihrer Kleider. Doch das Beste ist: Sie sind aus Ahimsa-Seide, bei deren Gewinnung die Raupen nicht sterben müssen – vielmehr schlüpfen sie als Schmetterlinge aus ihren Kokons. Pro Kleid rettet sie so über 2.000 Tieren das Leben.
www.skarabis-silk.com
LUXUS MIT BEDACHT
Skarabis steht für eine entspannte Lässigkeit
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6 Geschmeidig Mit dem „Heroes“-Modell steht man modisch auf dem Siegertreppchen, 590 € 7 Aufgesprungen Auch das belgische Trendlabel setzt jetzt auf den Retro-Sneaker-Trend, 235 € 8 Sauber Stylisch und umweltverträglich – das spanische Label produziert Turnschuhe aus Plastikmüll, der aus dem Meer gefischt wurde 89 € 9 Getaggt Der Glitzer- sneaker im Edding-Design hebt die Logomania auf ein neues Level, 490 € 10 Worker Style Beim Anblick dieser Boots in leuchtendem Gelb wird jeder Straßenarbeiter neidisch, 190 €
CRAZY SNEAKER Plateausohlen, Multicolour, klobige Formen – seit den 90ern gab es nicht mehr so
verrückte Treter. Mit diesem Schuhwerk sorgt man bestimmt für Aufsehen
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Valentino
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Puma
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1 Jeremy Scott x Moon Boot 2 Dawid Tomaszewski 3 Botter 4 Rebekka Ruétz 5 Marina Hoersmanseder 6 Ivanman 7 Marina Hoersmanseder 8 Botter 9 Rebekka Ruétz 10 Dawid Tomaszewski 11 Ivanman
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TREND
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Knallfarben, Trainingsanzüge, Logoshirts – wen das an die Loveparade erinnert, hat keine Ecstasy geschluckt. Die kommende Sommermode ist wirklich so
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TREND REPORT
GOODBYE HIPSTER, HELLO HYPE-BEAST
Der Begriff HIPSTER steht für einen bestimmten Style. Für Leute, die sich modisch von der Masse abheben wollen. Doch damit ist es nun vorbei. Ein neuer Look erobert
Berlins Trendbezirke Kreuzberg und Neukölln. Ein Stil, der verdächtig an die NEUNZIGERJAHRE erinnert
Diana Weis referiert als Dozentin an der HAW Hamburg und AMD Berlin über Jugendkulturen
VON WOLFGANG ALTMANN
Berlin ist Deutschands Hipsterhauptstadt. Oder besser gesagt: Sie war es. Denn nun droht den Hipstern das Aus. Wenn man den Feuilletons glauben darf, gibt es bald keine Club-Mate schlürfenden Vollbart-träger mehr, die mit ihren Hornbrillen die Kastanienallee hinunterschlendern. Vor-bei die Zeiten von Jutebeuteln, karierten Hemden und Skinny Jeans. Wohin sind all die Trenchcoat tragenden Hipster-Girls, die mit Pony und Dutt in den Mittecafés an ihren Fashion-Blogs schreiben? Ganz verschwunden sind sie natürlich nicht. Sie sitzen nur eine Etage höher in den Büros und verdienen nun ihr Geld im eigenen Start-up oder in der Medienbranche. Der Hipster ist erwachsen geworden.
In Zeiten, in denen Die Grünen zur Volks-partei avancieren, ist das Hipstertum ohnehin überfällig: Laktosefreie Milch gibt
es in jedem Supermarkt, Barber-Shops an jeder Ecke. Den Hipster-Style setzen jetzt Modeketten am Ku’damm für die breite Masse um – Holzfällerhemden für alle. Heute ist irgendwie jeder über 35 ein Hips-ter, der im Biomarkt einkauft, sich sein Bartwachs im Drogeriemarkt holt und auf Plastiktüten verzichtet. Erstaunlich, denn als der Begriff Anfang der 2000er aufkam, wollte keiner ein Hipster sein, außer viel-leicht Folkrocker, Kunststudenten aus der Provinz oder Ökos mit Aktienfonds.
Doch wer ist der legitime Nachfolger des Hipster? Wir begeben uns auf Spuren-suche in Mitte und Prenzlauer Berg, den einstigen Hipsterhochburgen. Diese Viertel sind mittlerweile durchgentrifiziert, es gibt viele Touris – von Coolness fehlt jede Spur. Fündig werden wir in upcoming Wedding, in Friedrichshain und vor allem
in Kreuz-Kölln. Rund um die Sonnen-allee steppt heute der Bär. Zahlreiche Bars und Clubs haben dort in den letzten Jahren eröffnet. Das spiegelt sich auch auf der Straße wider, wo sich viele 16- bis 26-Jährige tummeln. Hier findet man sie, die Mitte-der-90er-bis-Anfang-der-2000er-Geborenen, die „Millennials“ oder schlicht: die Generation Y. Eine Generation, die ins digitale Zeitalter hineingeboren ist. Social Media ist für sie unverzichtbar. Ohne Smartphone ist diese Jugend nicht lebensfähig. Statt in den Spiegel zu schau-en, macht sie ein Selfie von sich, um zu checken, wie sie aussieht.
Über die neuesten Mode- und Kosmetik- trends sind die Millennials bestens in-formiert. Junge Mädchen tragen Mittel-scheitel, geflochtene Zöpfe und mehrere Schichten Make-up wie ihr Vorbild Kim Kardashian, dazu sportliche Leggins, oversized Hoodies und Daunenjacken. In dicke Parkas hüllen sich gerne auch die Jungs, die ihre Adidas-Trainingshosen in die Socken stopfen. Sneaker sind Pflicht. Der Bart ist ab, die Seiten sind kurz rasiert. Wer Berlin noch aus den 90ern kennt, fühlt sich unweigerlich an den Street-Style von damals erinnert. Es ist eine Mischung aus Skate, Hip-Hop und
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Rave, ein Sammelsurium aus Versatz-stücken aller Jugendkulturen, die in den 90ern relevant waren.
Doch woher kommt diese Nostalgie? „Die Gründe dafür sind vielschichtig“, sagt Kulturwissenschaftlerin Diana Weis. Be-sonders in Berlin stehen die 90er-Jahre für Aufbruch und Partystimmung. Die Mauer war weg, der 11. September noch weit entfernt. „Das Revival beschwört eine Zeit herauf, in der noch alles möglich zu sein schien“, so Weis. „Ein weiterer Grund ist, dass man zu dem Jahrzehnt, in dem man geboren wurde, immer eine na-türliche Affinität hat.“ Mode sei stets auch mit Kindheitserinnerungen verknüpft, die einem das Gefühl von Geborgenheit vermitteln. Diese Sehnsucht transpor-tiert heute eine neue Design-Generation. In der High Fashion interpretieren Raf Simons, Gosha Rubchinskiy und Demna Gvasalia den typischen 90s-Street-Style neu. In dessen Zuge feiern auch klassische
Skatermarken ein Comeback: Supreme, Bathing Ape und Stüssy sind heute wieder bei den Kids angesagt.
Der Soundtrack der Millennials ist inter-nationaler Hip-Hop mit seinen Spielarten Cloudrap und Trap. Aber auch deutscher Hip-Hop ist beliebt – je derber, desto besser. Über das Leben in Berlin rappen Capital Bra oder Ufo361. Wie sie haben die meisten Deutschrapper einen Migra-tionshintergrund. In ihren Videos machen sie auf dicke Hose, rappen im typischen Ghettoslang über Sex, Drogen und Gewalt und betreiben einen noch nie vorher dagewesenen Markenkult: „Off-White auf der Fashion Week, check meine Bitch aus Tel Aviv“, singt Miami Yacine in seinem Song „Designer“ und zählt alle wichtigen High-Fashion-Brands auf. Ob das ironisch oder ernst gemeint ist, wissen die Künst-ler wahrscheinlich selbst nicht genau. Doch die Jugendlichen finden’s cool und wollen genauso cool sein wie ihre Idole. Für die neueste Limited Edition nehmen die Kids oft nächtelanges Campen vor den Sneaker-Shops in Kauf, nur um später mit ihren Errungenschaften zu protzen. Ganz wichtig dabei ist das Logo, das auf Instagram perfekt in Szene gesetzt werden will – Influencer als erklärtes Berufsziel.
„Weltweit sind die Millennials die größte Konsumentengruppe“, sagt Kulturfor-scherin Weis. Das nutzen globale Unter-nehmen aus: Sie vermarkten geschickt ihre Produkte über YouTube und Social Media. Die Eltern dieser Wohlstandskids verstehen oft die Welt nicht mehr, wenn ihre Sprösslinge ihr ganzes Geld für Fashion ausgeben. Während Hipster dem Konsum kritisch gegenüberstehen, sind Millennials konsumbewusst, markenaffin und statusorientiert. Sie sind quasi die Popper unserer Zeit, gepaart mit einer oft aufgesetzten Null-Bock-Attitude. Für die ganz harten Fashion Victims haben Insider sogar schon einen Begriff kreiert: Hype-Beast. Es bleibt abzuwarten, ob die Hype-Beasts das Zeug zur neuen Jugend-kultur haben. Ein Attribut würden sie jetzt schon erfüllen. Die Eltern sind ratlos.
Coole Street-Styles, fotografiert auf der letzten Bread&&Butter by Zalando
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INTERVIE W
Matthias Kaminsky ist ein cooler Typ. Wenn der Berliner Technofan nicht gera-de auf Piste ist, verkauft er Club- und Fetischmode in seinen Shops in Schöne-berg, London und San Francisco. Haupt-beruflich produziert er Werbekampagnen für große Firmen wie Adidas oder Microsoft und gestaltet Eröffnungs-shows für Messen samt Bühnenaufbau und Imagefilmen. Als Kreativdirektor des DDR-Museums und der multimedia-len Ausstellung Nineties Berlin verwer-tet Kaminsky auch seine persönlichen Erfahrungen, die er in den 90ern in der Berlin Technoszene machte – nicht ohne die Geschichte außer Acht zu lassen. Der ideale Job: Denn auch mit der DDR-Ver-gangenheit kennt sich der gebürtige Querfurter aus.
Herr Kaminsky, wie haben Sie den 9. November 1989 erlebt? Ich verbrachte den Abend in Querfurt in meiner Garage und baute neue Bremsen in meinen Wolga ein. Am nächsten Tag berichteten alle ganz aufgeregt von der Maueröffnung. Ich hab’s verschlafen. (lacht)
Wann sind Sie nach Berlin gezogen? Das war Ende 91. Damals wohnte ich in Leipzig, fand aber Berlin so toll, dass ich dachte: Ich brauche dort auch eine Wohnung. Eine
zu finden, war aber gar nicht so leicht: Sowohl im Westteil als auch im Osten war Wohnraum knapp.
Wo sind Sie schließlich gelandet? In Friedrichshain in der Nähe der Warschauer Straße. Ich unterschrieb den zehnten Untermiet-vertrag für eine Wohnung mit Außenklo und ka-putter Heizung. Im Winter habe ich immer mit der Backröhre die Bude geheizt. Manchmal gab es keinen Strom, weil jemand in der Untermietver-tragskette vergessen hatte, die Rechnung zu be-gleichen. Dann musste ich erst herausfinden, wer das überhaupt ist, und persönlich das Geld über-geben. Das war schon abenteuerlich.
Hat Sie das nicht genervt? Nö, ich war eh die meiste Zeit in den Clubs unterwegs.
Wie sahen Ihre Wochenenden aus? Unser Treffpunkt war freitagabends die Turbine in
der Glogauer Straße. Dort feierten wir bis zum nächsten Morgen. Samstagabend ging es dann im Connection in Schöneberg weiter. Und danach sind wir ins E-Werk bis Sonntagfrüh. Zur Afterhour trafen sich alle wieder in der Turbine. Der krönende Abschluss am Sonntagabend war jedes Mal das GMF.
Was hat man damals in den Clubs getragen? Mainstream-Raver trugen Buffalo-Boots mit dicken Plateau-sohlen, bunte Schlaghosen und enge Oberteile. In der Berliner
Die Dauerausstellung NINETIES BERLIN in der Alten Münze feiert die Clubkultur nach dem Mauerfall. Kreativdirektor MATTHIAS KAMINSKY war damals an vorderster Front dabei. Im Interview spricht der 49-Jährige über das Ausstellungskonzept, den Look von damals und die Parallelen zu heute
VON WOLFGANG ALTMANN
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So sah Matthias Kaminsky Ende der 90er aus
Das Kampagnenmotiv verheißt Aufbruchstimmung
SO WAREN DIE 90ER WIRKLICH
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INTERVIE W
Schwulenszene war der Look dagegen etwas rauer: Viele wa-ren kahlgeschoren und sahen mit ihren Bomberjacken und Springerstiefeln aus wie Skinheads. Das gehörte zur Techno- kultur einfach dazu.
Rannten Sie auch so herum? Klar, meine Haare waren aber auch manchmal blond gefärbt oder ich hatte einen Irokesenschnitt. Ich trug auch gerne Tanktops, Zimmermannshosen oder Trainingsjacken aus den 70ern. Secondhand war überhaupt ein großes Thema. Die Klamotten fand man in der Garage, einem Secondhandstore in einem Parkdeck in Schöneberg.
Welche Marken waren angesagt? Der Worker-Style von G-Star. Mitte der 90er kam auch Puma wieder auf. Und natürlich Nike und Adidas. Seit zwei, drei Jahren gibt es auch wieder Neuauflagen von Sneakern aus den 90ern. Die trägt man dann wie früher zu Jogginghosen, die man in die Socken stopft.
Wie erklären Sie sich das Comeback? Zugegeben, am Anfang war ich darüber erstaunt. Gerade, weil ich diese Zeit so intensiv miterlebt habe. Letztlich ist es aber ein modischer Zyklus, der ganz normal ist. Als wir Teen-ager waren, wurden die 70er in der Mode zitiert, heute sind es eben die 90er.
Welche Magazine hat man damals gelesen? Für jeden Technofreak war die Pflichtlektüre die „Frontpage“, die wir natürlich auch in der Ausstellung zeigen. Durch meinen Job als Kreativdirektor fand ich aber auch die „Max“ interes-sant. Deren Typografie und ihr großes Format waren bahnbre-chend für die damalige Zeit. Ebenso wichtig und ein wichtiger Bestandteil der Ausstellung sind die ganzen Flyer, die damals verteilt wurden. In der Szene berühmt war auch ein kleines A6-Magazin, das „Flyer“ hieß.
Wie entführen Sie in Ihrer Ausstellung in diese Zeit? Schon der dunkle Eingangstun-nel erinnert mit seinen pum-
penden Beats an die damaligen Kellerclubs. Richtig erlebbar werden die 90er dann im ersten Raum: Ein Film, der auf einer über fünf Meter hohen Panoramaleinwand läuft, zeigt die wichtigsten Ereignisse wie den Mauerfall, die Reichstagsver-hüllung oder die Loveparade. Danach kommen auf Videostelen 13 Zeitzeugen zu Wort, etwa Westbam, Inga Humpe oder Gre-gor Gysi, die ihre Sicht auf die 90er erzählen. Das Spannende ist, dass es zwischen vielen auch Querverbindungen gibt.
Querverbindungen? Zum Beispiel berichten ein Hooligan, ein Hausbesetzer und ein Polizist von einem Ereignis, das sich am 20. April 1990, also an Hitlers Geburtstag, zugetragen hat. Nach einem Spiel des BFC Dynamo überfielen rechte Hooligans ein be-setztes Haus in Prenzlauer Berg. 28 Jahre später erzählen diese drei Protagonisten unabhängig voneinander, wie sie diesen Abend erlebten.
Es geht also nicht nur um Spaß? Nein, es war uns wichtig, diese Zeit in einen wissenschaftlich historischen Kontext einzubinden. Da spielen die Berliner Clubkultur und die Loveparade, die in einem eigenen Raum
besonders abgefeiert wird, ebenso eine Rolle wie die Mauer-opfer, deren Tod erst in den 90er-Jahren aufgearbeitet wur-de. Gerade junge Leute sollen diesen Zusammenhang verste-hen. Denn der Fall der Mauer war gerade deshalb eine so große Party, weil sie vorher so viel Leid verursacht hat.
Wann hatten Sie zum ersten Mal das Gefühl, dass diese Aufbruchstimmung vorüber ist? So einen Punkt gab es bei mir eigentlich nie. Okay, ich habe zwischenzeitlich in Prenzlauer Berg gewohnt. Als ich irgend-wann von Müttern mit ihren Kinderwägen vom Bürgersteig gerammt wurde, begriff auch ich, dass sich etwas in meinem Kiez verändert. Ich zog dann, wie viele Freunde, nach Schöne- berg. Seitdem führe ich wieder ein normales Leben.
Berlin hat sich also gar nicht so sehr verändert? Natürlich sehe ich die Mietpreise explodieren und dass viele Locations und Clubs verschwinden. Aber das ist in jeder Groß-stadt so. Es verlagert sich: Heute bietet Neukölln, das vor 20 Jahren eine absolute No-go-Area war, viele Freiräume. Oder Tempelhof. An der Stadtautobahn am Tempelhofer Feld ent-steht gerade so einiges Verrücktes, das total interessant ist. Ich bin weiß Gott kein Technorentner, der sagt, dass früher alles besser war.
Wie finden Sie die Berliner Clubkultur heute? Sie lebt. Es gibt noch immer genügend unkommerzielle Clubs. Die ganze Szene entwickelt sich weiter und erfindet sich mit anderen Einflüssen neu. Berlin ist nach wie vor spannend und ich genieße es sehr, hier zu leben. Und wenn ich tanzen will, steige ich einfach in ein Taxi und fahre los.
Wo gehen Sie tanzen? Im Kit Kat, im Berghain und am liebsten im Lab.oratory, wo alle zwei Monate die Lab-Dance-Party mit 1.200 Leuten steigt. Die Location, die Stimmung, der Sound – dort kann man die „real 90ies“ noch erleben.
Im Spiegelsaal laufen die Hymnen der Loveparade
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Das 90er-Revival hat Streetwear auf den in-ternationalen Laufsteg katapultiert. Wer jetzt denkt, dass das eine Errungenschaft Virgil Ablohs oder Demna Gva-salias sei, kennt Lami-ne Kouyaté nicht. Der französisch-afrikanische Designer schaffte das schon in den 90ern. Sein Label Xuly.Bët war be-kannt für seine recycelten Klamotten. Lange bevor es das Wort Upcycling gab, machte er aus Strumpfhosen Tops und zog Jerseykleider über Hemden – alles aus Stretch und so bunt wie möglich. Unverkennbar war die Quelle seiner Inspiration Afrika. Kouyaté, der in Mali geboren und im Senegal aufgewachsen ist, kennt die Tugend, aus Altem Neues zu machen. Symbol dieser Metamorphose waren rote Nähte, die als Fäden an seinen Kleidungstücken herunterhingen. Was in der Pariser Couture als No-Go gilt, erklärte er zum Designprinzip.
Eigentlich wollte Kouyaté Architekt werden. Doch seine Liebe zur Mu-sik war stärker. Kurz vorm Examen brach er sein Studium ab und tauchte Anfang der 80er in den Pariser Un-derground ein. Wie es sich für einen Autodidakten gehört, schneiderte er anfangs für seine Freunde. „Ich nahm einfach eine Nähmaschine und begann zu nähen“, erinnert er sich. 1989 gründete er sein Label Xuly.Bët, was auf Senegalesisch „Mach deine Augen weit auf“ bedeutet. Und das tat das Modevolk auch: 1992 debütierte er auf der Pariser Fashion Week – nicht offiziell, sondern im Park vorm Zelt, wo Jean Paul Gaultier seine Mode präsentierte. Die Journalisten staunten nicht schlecht, als aus einem Bus eine Truppe schwarzer Mädchen sprang. Mit Ghettoblaster feierten sie
draußen im strömenden Regen eine Fashionparty. Die Guerilla-Aktion kam an: Vogue, Elle, Marie Claire – kein Magazin, das nicht über den Newcomer berichtete. Eine Saison später stand er selbst auf dem Schauenplan.
In einer Zeit, in der der Purismus die Laufstege grau färbte, war Kouyatés
Mode bunt und neu. Xuly.Bët begeis-terte Popqueen Neneh Cherry ebenso wie Streetwear-Fans in aller Welt. Der Xuly.Bët-Club stand jedem offen – vorausgesetzt, man war cool genug. Dieses Rebellentum gefiel auch Re-gisseur Robert Altman, der Kouyatés Story als Inspiration für seinen Film Prêt-à-Porter nahm. Im Streifen verkörpert Forest Whitaker den Un-dergrounddesigner, der der Pariser Modewelt den Stinkefinger zeigt. Am Ende verstrickt er sich aber doch. Und der Film nimmt vorweg, was sich später tatsächlich ereignen sollte: 1997 verließ Kouyaté Paris. Er ging nach New York und eröffnete in der Lower East Side einen Shop. In den Nullerjahren verliert sich schließlich seine Spur.
Umso erfreulicher ist es, dass Kou-yaté jetzt wieder auf einer Fashion Week zeigt. Nicht in Paris, aber in New York. Wie erwartet, versprüht seine Mode 90s-Vibes mit sport-lichen Hoodies, Animalprints und oversized Parkas, die er an dunkel-häutigen Models präsentiert. Der heute 55-Jährige besinnt sich immer noch auf seine afrikanischen Wur-zeln und feiert die Vielfalt der Kultu-ren – eine Tugend, um die es heute wieder zu kämpfen gilt. Seine Mode kann demnach auch als Warnung verstanden werden: Mach also deine Augen immer weit auf!
LAMINE KOUYATÉS Label war in den 90ERN Kult. Jetzt feiert es ein Comeback
VON WOLFGANG ALTMANN
1994 kürte ihn die New York Times zum „Designer of the Year“
Sängerin Neneh Cherry
in Xuly.Bët
Helena Christensen im Allure-Magazin
Rossy de Palma in Vogue Spain
Linda Evangelista im Interview-Magazin,
fotografiert von Juergen Teller
1992
1993
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