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Neurobiologie Praktikum: Wadenmuskel - 1 - I. Theoretischer Hintergrund 1 Entstehung von Ruhepotentialen und Aktionspotentialen Die ionalen Grundlagen der Entstehung von Ruhe- und Aktionspotentialen sind Voraussetzung für das Verständnis der Erregungsfortleitung im lebenden Organismus. 1.1 Das Ruhepotential (RP) Das Ruhepotential einer Nervenzelle liegt bei -70mV. Es stellt den Zustand dar, an dem keine Erregung vorhanden ist. Grundlage des RPs ist ein elektrochemischer Gradient an einer selektiv permeablen Membran. Alle Cytoplasmamembranen sind selektiv permeabel, da sie aus Phospholipiden mit einem hydrophilen Kopf (z. Bsp. Phosphat oder Glycerin) und einem hydrophoben Schwanz (Fettsäuren oder Isopreneinheiten z. Bsp.) bestehen. Zwischen dem intra- und dem extrazellulären Raum besteht dabei ein Ladungsungleichgewicht, das aktiv aufrechterhalten wird. Im extrazellulären Milieu überwiegt die Anzahl an Natrium- und Chlorid-Ionen, während im intrazellulären Bereich vor allem Kalium-Ionen und organische Anionen (A - ) vorliegen, wie in Tabelle 1 zu sehen ist. Tab. 1: Ionenkonzentrationen während eines Ruhepotentials Der extrazelluläre Raum ist stärker positiv, der intrazelluläre Raum stärker negativ geladen. Die Cytoplasmamembran ist für Na + fast gar nicht, für K + schon weit mehr durchlässig, so dass unablässig Leckströme bestehen. K + diffundiert aufgrund der geringeren Konzentration (also entlang des Konzentrationsgradienten) nach außen (Stichwort: Osmose). Dabei würde sich mit der Zeit das Kaliumgleichgewichtspotential einstellen, das negativer als das RP ist. Das Na + diffundiert aufgrund der negativeren Ladung (also entlang des Ladungs- gradienten) in das Zellinnere, wodurch die Einstellung des Kaliumgleichgewichts verhindert wird. Diese Leckströme würden zu einem Ladungsausgleich führen, wodurch die Stimulation der Membran unmöglich gemacht wäre (siehe dazu Abschnitt 1.2. Das Aktionspotential). Es gibt daher einen membranständigen Symporter, die Na + /K + Pumpe, die Na + aus und K + unter ATP-Verbrauch in die Zelle pumpt (pro ATP werden 3 Na + heraus- und 2 K + hineintransportiert). Außenmilieu [Na+] 150mmol [Cl-] 120mmol [K+] 5mmol Innenmilieu [K+] 150mmol [A-] 100mmol [Na+] 15mmol [Cl-] 10mmol

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I. Theoretischer Hintergrund

1 Entstehung von Ruhepotentialen und Aktionspotentialen Die ionalen Grundlagen der Entstehung von Ruhe- und Aktionspotentialen sind Voraussetzung für das Verständnis der Erregungsfortleitung im lebenden Organismus. 1.1 Das Ruhepotential (RP) Das Ruhepotential einer Nervenzelle liegt bei -70mV. Es stellt den Zustand dar, an dem keine Erregung vorhanden ist. Grundlage des RPs ist ein elektrochemischer Gradient an einer selektiv permeablen Membran. Alle Cytoplasmamembranen sind selektiv permeabel, da sie aus Phospholipiden mit einem hydrophilen Kopf (z. Bsp. Phosphat oder Glycerin) und einem hydrophoben Schwanz (Fettsäuren oder Isopreneinheiten z. Bsp.) bestehen. Zwischen dem intra- und dem extrazellulären Raum besteht dabei ein Ladungsungleichgewicht, das aktiv aufrechterhalten wird. Im extrazellulären Milieu überwiegt die Anzahl an Natrium- und Chlorid-Ionen, während im intrazellulären Bereich vor allem Kalium-Ionen und organische Anionen (A-) vorliegen, wie in Tabelle 1 zu sehen ist. Tab. 1: Ionenkonzentrationen während eines Ruhepotentials

Der extrazelluläre Raum ist stärker positiv, der intrazelluläre Raum stärker negativ geladen. Die Cytoplasmamembran ist für Na+ fast gar nicht, für K+ schon weit mehr durchlässig, so dass unablässig Leckströme bestehen. K+ diffundiert aufgrund der geringeren Konzentration (also entlang des Konzentrationsgradienten) nach außen (Stichwort: Osmose). Dabei würde sich mit der Zeit das Kaliumgleichgewichtspotential einstellen, das negativer als das RP ist. Das Na+ diffundiert aufgrund der negativeren Ladung (also entlang des Ladungs-gradienten) in das Zellinnere, wodurch die Einstellung des Kaliumgleichgewichts verhindert wird. Diese Leckströme würden zu einem Ladungsausgleich führen, wodurch die Stimulation der Membran unmöglich gemacht wäre (siehe dazu Abschnitt 1.2. Das Aktionspotential). Es gibt daher einen membranständigen Symporter, die Na+/K+ Pumpe, die Na+ aus und K+ unter ATP-Verbrauch in die Zelle pumpt (pro ATP werden 3 Na+ heraus- und 2 K+ hineintransportiert).

Außenmilieu [Na+] 150mmol

[Cl-] 120mmol [K+] 5mmol

Innenmilieu [K+] 150mmol [A-] 100mmol [Na+] 15mmol [Cl-] 10mmol

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Die Bedeutung der Pumpe liegt vor allem im Natrium-Transport, denn der Kalium-Transport verläuft entgegen einem Ladungsgradienten und wäre daher nicht so gravierend. In Abbildung 1 ist das Ruhepotential zu sehen.

Abbildung 1: In dieser Abbildung sind alle wichtigen Prozesse zu sehen. Zu beachten ist, dass der Balken, der die Kalium-Diffusion darstellt dicker ist, als der der Kalium-Diffusion.

In tierischen Zellen beobachtet man Ladungsdifferenzen von RP zwischen -50mV und -100mV. 1.2 Das Aktionspotential (AP) Das Aktionspotential stellt die Veränderung des Membranpotentials einer erregbaren Zelle dar. Die Cytoplasmamembran eines Axons enthält neben den, in Abschnitt 1.1 besprochenen Bestandteilen auch Natrium- und Kalium-Kanäle. Diese Kanäle sind spannungsgesteuert. Normalerweise liegt ein RP vor, dann sind die Natrium- und die Kalium-Kanäle geschlossen.

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Es sei hier bereits angemerkt, dass Natrium-Kanäle zwei Tore haben, ein Aktivierungstor und ein Inaktivierungstor. Das Inaktivierungstor befindet sich an der Innenseite der Cytoplasmamembran, das Aktivierungstor befindet sich an der Außenseite. Während des Ruhepotentials (-70mV) ist das Aktivierungstor geschlossen, das Inaktivierungstor aber geöffnet. Wenn nun ein Reiz die Zelle trifft, so öffnen sich einige Natrium-Kanäle. Ist der Reiz stark genug, wird das Schwellenpotential (-50mV bis -55mV) überschritten und alle Natrium-Kanäle öffnen ihre Aktivierungstore, so dass Na+ in die Zelle einströmen kann und ein AP entsteht. Es strömt dabei soviel Na+ ein, das ein Konzentrationsausgleich besteht. Dann ist die Polarisation umgekehrt, nämlich positive Ladung innen und negative Ladung außen. Dies ist die Depolarisationsphase (+30mV) des Aktionspotentials. Die Inaktivierungstore sind spannungsgesteuert und wenn nun so viele Natrium-Ionen eingeströmt sind, dass ein Konzentrationsausgleich besteht, schließen diese Inaktivierungstore. Nun sind die Kalium-Kanäle, die nur ein Tor haben, vollständig geöffnet (Sie öffnen sich gleichzeitig mit den Natrium-Kanälen, allerdings viel langsamer). K+ strömt aus der Zelle und die Repolarisationsphase des APs tritt ein. Die Repolarisationsphase ist eine Rückkehr zum RP die bis zur Einstellung eines Membranpotentials bei -80mV andauert, da die Kalium-Kanäle träge sind und sich erst nach Unterschreiten des RPs schließen. Diese kurze Phase nennt man das Nachpotential und jetzt sind sowohl Aktivierungs- als auch Inaktivierungstore der Natrium-Kanäle geschlossen. Nach ungefähr 1-2ms stellt sich wieder ein RP ein. Abbildung 2 zeigt den typischen Verlauf eines Aktionspotentials.

Abb. 2: Der Verlauf eines Aktionspotentials. Auf der x-Achse ist die Zeit, auf der y-Achse die Spannung eingetragen.

Die Refraktärzeit Der Begriff Refraktärzeit beschreibt den Zustand einer erregbaren Zelle, in dem die Natrium-Kanäle nicht oder kaum aktivierbar sind. Es muss dabei zwischen der absoluten Refraktärphase und der relativen Refraktärphase unterschieden werden. Während der absoluten Refraktärphase kann kein AP ausgelöst werden, da sowohl Aktivierungs-, als auch Inaktivierungstore geschlossen sind. Dies ist während der Depolarisations-, der Repolarisationsphase und des Nachpotentials der Fall.

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Darauf folgt die relative Refraktärzahl mit fast geöffneten Inaktivierungstoren und geschlossenen Aktivierungstoren. Ein Reiz derselben Stärke, wie der Vorhergehende würde zu einer niedrigeren Amplitude beim AP führen. Gleich große Aktionspotentiale lassen sich während der relativen Refraktärzeit nur durch starke Erhöhung der Reizstärke erzeugen. Das Alles-Oder-Nichts-Prinzip Dieses Prinzip besagt, dass die Amplitude eines APs nicht von der Reizstärke abhängt, sondern nur davon, ob das Schwellenpotential, das bei -50mV bis -55mV liegt, überschritten wird. Daraufhin wird ein AP ausgelöst, das immer die gleiche Amplitude hat (Ausnahme: rel. Refraktärzeit).

2 Erregungsweiterleitung Die Erregungsweiterleitung in Axonen läuft nach denselben Prinzipien ab, wie die Entstehung eines Aktionspotentials, da praktisch entlang des Axons dauernd neue APs gebildet werden. Zu beachten sind dabei die Ausgleichsströme, die Elektronen darstellen. Sie fließen im Innen- und Außenmedium. Es gibt zwei verschiedene Formen der Erregungsleitung, die saltatorische und die kontinuierliche Erregungsweiterleitung. Es sei noch angemerkt, dass die Erregungsweiterleitung immer nur in eine Richtung läuft, da sich die hinteren Abschnitte des Axons/der Muskelzelle, die gerade erst ein Aktionspotential gebildet haben, noch in der Refraktärzeit (siehe dazu Abschnitt 1.2.1. Die Refraktärzeit) befinden, wenn der Bereich vor ihnen depolarisiert wird.

2.1. Die saltatorische Erregungsweiterleitung Die saltatorische Erregungsweiterleitung findet in myelinisierten Axonen der Nervenfasern statt. Myelinisierte Axone sind dadurch gekennzeichnet, dass Schwannsche Zellen sie umhüllen und nur kleine Bereiche, so genannte Ranviersche Schnürringe, freilassen. An diesen Ranvierschen Schnürringen werden neue APs gebildet, die dann von Ranvierschem Schnürring zu Schnürriung „springen“ (daher der Name; auch die Ordnung der Heuschrecken heißt Saltatoria), da die Schwannschen Zellen isolierend wirken und der Querwider-stand erhöht ist, da mehr Ionenkanäle auf einem kleineren Membranbereich lokalisiert sind und die Kapazität erniedrigt ist, was zur Folge hat, dass die Elektronen der Ausgleichsströme schneller umgeladen werden können. Die Vorteile der saltatorischen Erregungsfortleitung bestehen in der großen Schnelligkeit (bis 150m/s) und dem geringen Energieverbrauch, da Aktions-potentiale immer nur an den Ranvierschen Schnürringen entstehen müssen.

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2.2. Die kontinuierliche Erregungsweiterleitung Die kontinuierliche Erregungsweiterleitung findet in den Muskelzellen von Vertebraten statt, wo die Geschwindigkeit der Erregungsfortleitung meist weniger als 3m/s beträgt. In den Riesenaxonen von manchen Invertebraten erreichen sie allerdings Geschwindigkeiten von bis zu 100m/s bei 1mm Durchmesser. Die kontinuierliche Erregungsweiterleitung ist ein Merkmal nichtmyelinisierter Zellen und daher muss jeder Abschnitt der Zelle ein neues AP bilden.

3. Die chemische Synapse Eine Synapse (s. Abb. 3) ist definiert als die Einheit aus der präsynaptischen Membran, dem synaptischen Spalt und der postsynaptischen Membran. Die präsynaptische Membran ist die Endigung des Endknöpfchens eines Axons. In ihr sind Vesikel eingelagert, die verschiedene Neurotransmitter enthalten können. Beispiele für Neurotransmitter sind Acetylcholin (Ach), Noradrenalin, Adrenalin, Dopamin, Stickstoffmonoxid und Glutamat. Der synaptische Spalt ist etwa 50nm breit. Die Synapse dient der Weiterleitung von Aktionspotentialen. Wenn das Endknöpfchen durch ein ankommendes AP depolarisiert wird, öffnen sich in der präsynaptischen Membran spannungsgesteuerte Ca2+ Kanäle wodurch Ca2+ einströmen kann. Daraufhin verschmelzen die Vesikel mit der präsynaptischen Membran und die Neurotransmitter werden in den synaptischen Spalt abgegeben. Dort können die Neurotransmitter an Rezeptoren auf der postsynaptischen Membran andocken.

Abb. 3: Die Synapse. Der Bereich der Endknöpfchenmembran, auf dem in dieser Zeichnung Calcium-Kanäle lokalisiert sind, heißt präsynaptische Membran. Der Bereich der Membran einer postsynaptischen Zelle, auf dem in dieser Abbildung die Neurotransmitter-Rezeptoren positio-niert sind, heißt postsynaptische Membran (manchmal auch subsynaptische Membran genannt).

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Je nach Typ der Nervenfaser und des Neurotransmitters gibt es unterschiedliche Möglichkeiten. Eine Synapse kann inhibitorisch oder exzitatorisch sein. Bei einer inhibitorischen Synapse werden durch Neurotransmitter (zum Beispiel Glutamat im Sehsystem) Kalium- oder Chlorid-Ionenkanäle geöffnet und in der postsynaptischen Zelle bildet sich ein Inhibitorisches Postsynaptisches Potential (IPSP), das heißt die postsynaptische Membran wird hyperpolarisiert und es kann kein Aktionspotential gebildet werden, solange die Inhibitorische Synapse aktiv ist. Bei einer exzitatorischen Synapse werden durch den Transmitter Natrium- und Kalium-Kanäle geöffnet und ein Erregendes Postsynaptisches Potential (EPSP) bildet sich in der postsynaptischen Zelle. Wenn die postsynaptische Zelle erregbar ist, folgt bei Überschreitung des Schwellenpotentials eine vollständige Öffnung der Natrium-Kanäle und die Entstehung eines Aktionspotentials. Ein Beispiel für einen Neurotransmitter der exzitatorischen Synapse ist Ach, das, damit ein neues Aktionspotential gebildet werden kann, von Acetylcholinesterase in Acetat und Cholin gespalten und in das Endknöpfchen aufgenommen wird. In dem Fall, dass die Synapse sich an Dendriten befindet bildet sich kein Aktionspotential, sondern das EPSP wird zum Soma weitergeleitet. Ist das EPSP stark genug oder Summieren sich mehrere EPSP, so dass das Schwellenpotential überschritten wird, bildet der Axonhügel ein AP. Das EPSP schwächt sich auf dem Weg zum Soma nämlich ab.

4. Morphologie der quergestreiften Muskulatur Ein Muskel besteht aus Muskelbündeln von Muskelfasern, die aus Myofibrillen zusammengesetzt sind. Die Myofibrillen ihrerseits bestehen aus Sarkomeren. Abbildung 4 zeigt den Aufbau eines Muskels.

Abb. 4: Aufbau eines Muskels. Die Unterteilung des Muskels in Bündel und Fasern ist gut zu erkennen.

Die Sarkomere bestehen aus zwei Arten von Filamenten, den dicken Myosinfilamenten und den dünneren Actinfilamenten. Die Myosinfilamente sind aus dem fädigen, verdrehten Myosin aufgebaut, die eine globuläre Kopfdomäne mit Actin- und ATP-Bindungsstellen besitzen, während Actinfilamente aus

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kugelförmigen Actinmolekülen bestehen, die in einer Doppelhelix angeordnet sind. Auf den Actinmolekülen befinden sich Bindungsstellen für Myosin und doppelhelikale Tropomyosinstränge, die diese Bindungsstellen überdecken. Auf der Tropomyosindoppelhelix ist alle 4 nmTroponin, ein aus drei Molekülen bestehender Molekülkomplex, angebracht. An einer Z-Scheibe genannten Struktur sind die Actinfilamente angebracht. Zwischen diesen Actinfilamenten liegen Myosinfilamente, die an einer M-Linie genannten Struktur befestigt sind. An der Z-Scheibe befindet sich die I-Bande, also ein Bereich, an dem, in nicht kontrahiertem Zustand, nur Actinfilamente sind, während in der Mitte des Sarkomers, um die M-Linie herum, die H-Zone liegt, wo sich im nicht kontrahierten Zustand nur Myosinfilamente befinden. Der Bereich des Sarkomers, in dem Actin- und Myosinfilamente liegen, wird A-Bande genannt. Der Aufbau des Sarkomers ist in Abbildung 5 zu sehen.

Abbildung 5: Das Sarkomer. Die I-Bande ist der Bereich nahe der Z-Scheibe, in den die Myosinfilamente nicht hineinragen. Die M-Linie verläuft parallel zur Z-Scheibe, aber durch die Mitte der H-Zone.

Es sei angemerkt, dass die globulären Endknöpfe der Myosinfilamente im energiereichen Zustand in Richtung der nächsten Z-Scheibe angeordnet sind. Der Name „Quergestreifte Muskulatur“ hat seinen Ursprung darin, dass das Sarkomer in der A-Bande dunkel und in der I-Bande hell (da kein Myosin vorhanden) erscheint. Aufgrund der geordneten Anordnung hat die Muskulatur ihre Querstreifung (auf glatte Muskeln wird hier nicht eingegangen).

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5. Entstehung und Ablauf der Kontraktion eines Skelettmuskels Der Muskel wird von einem Motoneuron innerviert in dessen Endknöpfchen der Transmitter Ach (siehe dazu Abbildung 6) in Vesikeln eingelagert ist.

Abb. 6: Struktur des Neurotransmitters Acetylcholin.

Bei einer Depolarisation der synaptischen Endigung des Axons verschmelzen die Vesikel, in denen Ach eingelagert ist, mit der präsynaptischen Membran und Acetylcholin wird freigesetzt. Das Ach diffundiert durch den synaptischen Spalt und bindet an Rezeptoren in der postsynaptischen Membran, wodurch Natrium-Kanäle geöffnet werden und ein AP in der postsynaptischen Membran entsteht. Das Ach wird von dem Enzym Acetylcholinesterase in Acetat und Cholin gespalten und unter ATP-Verbrauch zurück in das Endknöpfchen überführt. Das Aktionspotential wird nun durch kontinuierliche Erregungsweiterleitung in transversale Tubuli (T-Tubuli) geleitet. Die T-Tubuli verlaufen parallel zum Sarkoplasmatische Reticulum (SR), ein Derivat des endoplasmatischen Reticulums, das die Sarkomere umgibt. Im SR sind Calcium-Ionen eingelagert, die daraufhin ausgeschüttet werden (diesem Prozess ist ein eigener Abschnitt – Abschnitt 5.1 – gewidmet). Die Calcium-Ionen binden an das Troponin, das dem Tropomyosin aufliegt. Das Troponin macht eine Konformationsänderung durch und das Tropomyosin wird verschoben, so dass die Myosinbindungsstellen offen gelegt werden. Wenn ATP vorhanden ist, kann es an die globuläre Kopfdomäne des Myosins binden. Die globuläre Kopfdomäne befindet sich dann im energiereichen Zustand und bindet an die, vom Tropomyosin nicht mehr bedeckte, Myosinbindungsstelle am Actinfilament. Es bildet sich eine Querbrücke heraus. Das P(i) vom ATP das noch an die globuläre Kopfdomäne gebunden ist, wird freigesetzt und das Myosinköpfchen macht eine Kippbewegung in die 60° Stellung (Ausgangsstellung 90°). Dann wird ADP abgespalten und das Köpfchen kippt in die 45° Stellung, so dass das Actinfilament in die Richtung der M-Linie, also in die Mitte, gezogen wird. Nach diesen Kippbewegungen befindet sich das Myosinköpfchen in der energiearmen Konformation und kann durch ATP wieder aktiviert werden. Die Folge des Prozesses ist das Verschwinden von I-Bande und H-Zone, da sich Myosin- und Actinfilamente überdecken. Das Sarkomer verkürzt sich also. Für eine komplette

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Muskelkontraktion reicht ein AP selbstverständlich nicht aus, nur eine hohe Frequenz von Aktionspotentialen bedingt eine komplette Kontraktion. Die Hypothese, dass die Filamente ineinandergleiten ist unter dem Begriff „Gleitfilamenttheorie“ zusammengefasst. Die Actinfilamente überlagern sich dabei nie. Den Vorgang des Gleitens zeigt Abbildung 7.

Abb. 7: Querbrückenbildung während der

Muskelkontraktion.

5.1 Die Calcium-Ionen-Ausschüttung im Sarkoplasmatischen Reticulum Der Vorgang, der zu der Calcium-Ionen-Ausschüttung führt ist noch nicht vollständig geklärt, doch es gibt zwei Theorien dazu.

5.1.1. Die IP3-Theorie Diese Theorie besagt, dass durch das Aktionspotential, das in den T-Tubulus geleitet wird, eine transmittergesteuerte Phospholipase C aktiviert wird, die Phosphatatidylinosit-4,5-bisphosphat zu Inositol-1,4,5-triphosphat ( IP3) hydrolisiert. Das Inositol-1,4,5-triphosphat bindet an einen IP3-Rezeptor im Membransystem des Sarkoplasmatischen Reticulums, wodurch sich Calcium-Kanäle öffnen. Dieser Mechanismus entspricht einer Enzymkaskade.

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5.1.2. Die Rezeptor-Theorie Diese Theorie besagt, dass durch die Depolarisation im T-Tubulus spannungsabhängige Dihydropyridinrezeptoren, die als Sensoren für Membrandepolarisation dienen, in der Membran des T-Tubulus eine Konformationsänderung durchmachen. Möglicherweise befinden sich die Dihydropyridinrezeptoren in Kontakt mit Ryanodinrezeptoren, die sich in der SR-Membran befinden. Es wäre möglich, dass sich die Ryanodinrezeptoren aufgrund der Konformationsänderung der Dihydropyridinrezeptoren bei einer Membrandepolarisation aus Calcium-Kanälen lösen und diese dadurch öffnen, wodurch Ca2+ ausströmen kann. Das Ca2+ wird mit der Zeit wieder ins SR zurück gepumpt und wenn kein Ca2+ mehr vorhanden ist, kann der Muskel nicht mehr kontrahieren.

5.2. Wichtige Grundbegriffe zur Skelettmuskelkontraktion

5.2.1. Die Motorische Einheit Eine Muskelfaser wird immer nur von einem Neuron innerviert. Das Neuron selbst kann allerdings mehrere Muskelfasern innervieren. Die Einheit aus einem Neuron und den von ihm innervierten Muskelfasern nennt man Motorische Einheit. Je weniger Muskelfasern von einem Neuron innerviert werden, desto größer ist die Feinkontrolle in diesem Bereich.

5.2.2. Tetanus Wenn nur ein einziges Aktionspotential die Muskelfaser erreicht entsteht eine Einzelzuckung, die weder eine komplette Muskelkontraktion darstellt, noch viel Kraft erreicht. Sie dauert ungefähr 100ms an. Erreicht jedoch ein zweites Aktionspotential die Muskelfaser, bevor die Antwort auf das erste Aktionspotential abgeklungen ist, so können sich diese addieren. Bei einer hohen Frequenz von Aktionspotentialen verschmelzen die Einzelzuckungen schließlich zu einer gleichmäßigen, dauerhaften Kontraktion. Diese wird Tetanus genannt. Es gibt zwei unterschiedliche Arten von Tetani, nämlich den absoluten Tetanus, bei dem auf dem Oszillographen keine einzelnen Erregungen mehr erkennbar sind und den partiellen Tetanus, bei dem auf dem Oszillographen noch Spikes zu erkennen sind. Sie ist dabei nicht mit dem Tetanus, der von Clostridium tetani verursachten Krankheit (auch unter dem Namen „Wundstarrkrampf“ geläufig) verwandt.

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5.2.3. Muskeltonus Der Muskeltonus beschreibt die Grundspannung des Muskels. Einige Muskeln, beispielsweise Muskeln die für die Körperhaltung sorgen, sind fast permanent mehr oder weniger stark angespannt.

5.2.4. Summation von Aktionspotentialen Es gibt eine zeitliche Summation, bei der APs kurz nacheinander an einem Endknöpfchen eintreffen und postsynaptische Potentiale auslösen, die sich addieren, so dass das Schwellenpotential am Axonhügel erreicht wird und sich am Axonhügel ein AP ausbildet. Bei der räumlichen Summation wird ein postsynaptisches Neuron durch mehrere synaptische Endigungen gleichzeitig stimuliert und die postsynaptischen Potentiale addieren sich. Wenn die postsynaptischen Membranen das Schwellenpotential am Axonhügel erreichen, bildet der Axonhügel ein AP aus.

5.2.5. N-SAP – Neuronales Summen Aktionspotential Als N-SAPs werden APs bezeichnet, die nicht von einer einzelnen Nervenzelle, sondern von vielen Nervenzellen abgeleitet werden. In diesem Fall steigt die Amplitude mit der Reizstärke, da sich der Anteil erregter Nervenzellen erhöht.

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II. Praktischer Teil

1. Material und Methoden

Bei diesem Versuch wird der M. gastrocnemius (Zwillingswadenmuskel) und der diesen innervierende N. tibialis vom Krallenfrosch (Xenopus laevis) von der Assistentin freigelegt. Der Femurstumpf sowie auch die Achilles plantaris Sehne sind mit einem Faden umwickelt worden. Das Präparat wird nun mit einem Abstand von etwa 10-15 mm der Sehne zu jener Schmalseite der Wanne gelegt, die zum mechano-elektrischen Wandler (Transducer) zeigt. Nachdem die beiden Fäden jeweils durch die unteren Löcher der Wanne gezogen wurden, wird der Faden am Femurstumpf leicht angespannt, und anschließend außen am Gefäß festgeklemmt. Der Faden an der Achilles plantaris Sehne wird nun zu einer Schleife geknüpft und am Transducer eingehängt. Der Wandler muß jetzt solange vorsichtig vom Muskel fortbewegt werden, bis sich der Muskel geradlinig erstreckt und eine Vorspannung von ca. 0,1 – 0,4 N vorliegt. Anschließend wird der Nerv auf die quer über den Boden der Versuchswanne verlaufenden Silberdrähte (mit 5mm Abstand zueinander) gelegt. An diese Drähte können Elektroden angeschlossen werden, um die Spannung extrazellulär abzuleiten. Zunächst werden zwei Elektroden mit dem Reizgerät verbunden. Dann werden die zwei Elektroden, die ableiten sollen angeschlossen. Diese laufen durch je einen Verstärker und dann in den Oszillographen. Gleichzeitig werden alle Elektroden am Faraday-Käfig geerdet, damit eventuelle Störungen durch das 50Hz Rauschen der Elektrogeräte vermieden werden können. Durch einen Trigger werden nun noch Reiz und Reizantwort synchronisiert, damit sie gleichzeitig erfolgen. Um mit einem einzigen Präparat auszukommen sollte der Muskel mit seinem innervierenden Nerv durch eine Ringerlösung feucht gehalten werden und nicht überflüssig oft oder zu stark gereizt werden. Es ist außerdem wichtig, dass genügend lange Ruhepausen zwischen den Einzelreizen von –je nach Reizstärke- 5-60 Sekunden und bei Reizserien 30-60 Sekunden eingehalten werden.

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1.1 Einzelreize

• a) Zuerst wird der Nerv durch je einen einzelnen elektrischen Impuls mit einer Dauer von 0,15ms gereizt. Zwischen den jeweiligen Reizen sollten mindestens 10s liegen. Die Reizstärke (U) wird zunächst bei 0,1V angelegt und dann schrittweise gesteigert. Dabei ist jedoch zu beachten, dass der ermittelte Schwellenwert nicht über das 10-fache überschritten wird. Beobachtet wird hier die Folge der ausgelösten Summenpotentiale des Nerven (N-SAP), das Elektromyogramm (EMG) und die vom Muskel ausgeführte mechanische Arbeit (MMG). Zu protokollieren sind die jeweiligen Amplituden des Reizes und in Abhängigkeit dazu die Amplituden des N-SAP, EMG und MMG.

• b) Im darauf folgenden Versuchsteil wird die Zeitdauer des N-SAP, EMG und MMG bei knapp überschwelliger und sättigender Reizstärke und zudem die Latenz zwischen N-SAP und EMG (L1) und die Latenz zwischen EMG und MMG (L2) gemessen.

• c) Nun wird die Dauer der Erregungsüberleitung an den synaptischen Endplatten annähernd ermittelt, wozu jedoch zusätzliche Messwerte benötigt werden. Hierzu sind zunächst die Dauer der APs und die Strecke zwischen den jeweiligen Elektroden an Muskel und Nerv einzeln zu messen. Dazu wird zusätzlich am Muskel über zwei Elektroden abgeleitet. Die Dauer der Erregungsüberleitung lässt sich dann anhand der Gleichung tsyn. = tges.– tnerv – tmuskel errechnen. Dabei entspricht tges. der Strecke (sges.) zwischen den zwei äußersten Ableitungen in Nerv und Muskel.

tnerv berechnet sich ausN

N

v

st

1= , wobei

N

N

N

t

sv = . s1 ist die messbare Strecke

zwischen der äußersten Ableitung im Nerv und dem Beginn des Muskels. Bis zur Synapse können wir im Versuch nicht genau messen, da die Abmessungen für uns zu klein sind. sN ist die Strecke zwischen den zwei Ableitungen im Nerv. tM wird analog berechnet. So kann die Leitungszeit an der Endplatte näherungsweise berechnet werden.

- = Stelle der Elektroden

Muskel

sN

S1 S2

Nerv

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1.2 Doppelreize Für diesen Versuch wird der Nerv durch zwei elektrische Reize mit einer Dauer von 0,15 ms kurz hintereinander mit einer Amplitude von 1 V gereizt, wobei die Reizamplitude auf eine maximale Effektivität für die Auslösung des EMG einge-stellt werden sollte. Hierbei stellt sich die Frage, ob und inwiefern die beiden Stimuli unterschiedliche N-SAP, EMG und MMG erzeugen. Mit der längsten Zeitspanne von 200 ms beginnend verringert man nun die Zeit zwischen den zwei Reizen systematisch (200, 170, 140, 110, 90, 70, 50, 30, 20, 10, 8, 6, 4, 3, 2, 1 ms). Auch hier werden die jeweiligen Amplituden des EMG und MMG für alle Zeitabstände und die des N-SAP für t < 10 ms festgehalten und tabellarisiert. 1.3 Reizserien Als letztes werden nun am Nerv-Muskel-System gleich mehrere Stimuli hintereinander generiert, wobei darauf zu achten ist, dass Reizserien den Muskel schnell ermüden können und darum nicht länger als erforderlich in Serien gereizt werden darf und genügend lange Erholungsphasen von 60 Sekunden eingehalten werden sollten. Dazu wurde eine gut überschwellige aber noch mit submaximalem Effekt wirkende Reizstärke von 0,7mV eingestellt. Diese Einzelreize werden in Serie mit steigender Frequenz (beginnend bei 1 Hz) gegeben.

2. Ergebnisse 2.1 Versuch 1

Tab. 1: Versuch (a) mit Einzelreizen zur Bestimmung der Reizschwelle

Abstimmung Amplitude des Amplitude des Amplitude des

des Reizes (V) N-SAP (mV) EMG (mV) MMG (mV)

0,1 - - -

0,2 - - -

0,3 200 450 700

0,4 250 450 800

0,5 300 420 1050

0,6 400 400 1200

0,7 300 440 1300

0,8 350 500 1400

0,9 350 500 1400

1 400 500 1400

1,2 300 450 1400

Tabelle 1 zeigt, das bis zu einer Reizstärke von 0,2V keine Reaktion von Nerv oder Muskel erfolgt. Danach steigen die Werte für die Amplitude von N-SAP an,

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um dann ab 0,7V zwischen 300 und 400 mV zu pendeln. Die Werte vom EMG fallen dagegen zuerst gleichmäßig von 450 bis 400 mV ab um dann wieder bis 500 mV anzusteigen. Die Reizantwort vom MMG steigt eher sprunghaft an, denn die Amplitude beginnt bei 700 mV und steigt dann schnell auf 1400 mV bei einer Reizamplitude von 0,8V. Ab 0,8V verändern sich alle Werte kaum noch.

0

500

1000

1500

0,1 0,2 0,3 0,4 0,5 0,6 0,7 0,8 0,9 1 1,2

Reizstärke (V)

Re

iza

ntw

ort

(m

V)

N-SAP EMG MMG

Diagramm 1 verdeutlicht die Entwicklung, die in Tabelle 1 schon abzusehen war. Die Reizantwort vom MMG fällt im Vergleich zur Reizantwort von N-SAP und EMG stärker aus, denn deren Reaktion steigt nie über 500mV.

Tab.2: Bestimmung der Zeiten zu Versuch (b)

schwach über- stark über-

schwelliger Reiz (V)

schwelliger Reiz (V)

Dauer N-SAP (ms) 1 0,8

Dauer EMG (ms) 3 2

Dauer MMG (ms) 65 80

L1 (ms) 3 3

L2 (ms) 7,5 6

Wie in Tabelle 2 zu sehen ist, unterscheiden sich die Reizantworten des schwach überschwelligen Reizes bei N-SAP und EMG nicht viel von der beim stark überschwelligen Reiz. Die Reizantworten vom MMG sind dagegen unterschiedlicher. Ebenso ist der Tabelle zu entnehmen, das die Latenzzeit zwischen EMG und MMG (=L2) etwa doppelt so lang ist, wie die Latenzzeit zwischen N-SAP und EMG (=L1).

(c) Ermittlung der Dauer der Erregungsleitung an den synaptischen

Endplatten

Dieser Versuch wurde nicht durchgeführt.

Dia.1: Ermittlung der Reizschwelle zu Versuch 1

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2.2 Versuch 2

Tab. 3: Versuch mit Doppelreizen

Amplitude N-SAP (mV) Amplitude EMG (mV) Amplitude MMG (mV)

Delay (ms) Wert 1 Wert 2 Wert 1 Wert 2 Wert 1 Wert 2

200 380 400 1000 1000

170 400 500 1000 1000

140 400 400 1000 1100

110 400 500 1000 1100

80 400 650 1000 1200

50 400 550 1000 1300

40 400 500 1000 1600

30 400 500 1800 1700 1600 1600 1400 1400 1400 1300 1000 1000 1000

20 400 550

10 300 250 600 550

8 300 350 600 600

6 300 200 600 400

5 200 200 600 350

4 500 250 400 350

3 400 300 400 450

2 250 250 250

400 400 450

1

0,8

Wie in Tabelle 3 zu sehen ist, steigen und fallen die Amplituden bei der Messung des N-SAP ungleichmäßig; nachdem der Abstand der zwei Reize unter 2ms gefallen ist, tritt nur noch ein Peak auf, der niedriger ist, als die vorhergehenden. Beim EMG steigt der erste Wert biszu einem Reizabstand von 4ms an und fällt danach wieder ab. Der zweite Wert dagegen schwankt beständig zwischen 350 und 600mV. Ab einem Delay von 2ms tritt auch hier nur noch ein Peak mit einer Reizamplitude von 400mV auf. Bei der Messung des MMG ist auffallend, das der erste Wert konstant bei 1000mV bleibt, die Amplitude für den zweiten Wert dagegen ansteigt bis 1600mV. Bei einer höheren zeitlichen Differenz wie bei den vorhergehenden Ergebnissen verschmelzen die Amplituden miteinander, denn unter einem Abstand von 30ms zeigt sich nur noch ein Peak. Dieser wird schwächer mit geringerem Abstand.

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2.2 Versuch 3

Tab. 4: Versuch mit Reizserien

Reizrequenz (Hz) Amplitude des Bemerkung MMG (mV)

1 1000 Einzelzuckungen

5 1000 Einzelzuckungen

10 1000 Einzelzuckungen

15 1100 kommen enger zusammen

25 1800 partieller Tetanus

30 1900 partieller Tetanus

40 2200 vollständiger Tetanus

50 2400 vollständiger Tetanus

60 2500 vollständiger Tetanus

An den Werten in Tabelle 4 sieht man, dass die Amplituden bis zu einer Frequenz von 10 Hz gleich bleiben und einzelne Zuckungen ausgelöst werden. Ab einer Reizfrequenz von 25 Hz wird die Amplitude immer höher und gleichmäßiger, bis bei 40Hz ein vollständiger Tetanus auf dem Oszillographen abgebildet wird.

0

500

1000

1500

2000

2500

3000

1 5 10 15 25 30 40 50 60

Reizfrequenz (Hz)

Am

plitu

de

de

s M

MG

(mV

)

MMG

Die Kurve in Diagramm 2 veranschaulicht die steigende Amplitude der Reaktion des Muskels auf die höhere Frequenz der Reizserien bis zu einem Spitzenwert von 2500mV bei 60 Hz.

Dia.2: Versuchsreihe mit Reizserien

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III. Diskussion

1. Versuch 1

a) Bei diesem Versuch wird ersichtlich, dass es für die Reizung eines Nerven einen unteren Schwellenwert gibt, der zum Reizen überschritten werden muss aber auch eine obere Grenze, ab der eine Verstärkung des Reizes keine Verstärkung der Reizantwort mehr bringt (s.Dia.1, Tab.1). Zu sehen ist dies aus dem Kurvenverlauf des N-SAPs, die bei Reizen von 0,1 V und 0,2 V keine Reizantwort zeigt. Sobald der Reiz jedoch 0.3V beträgt ist ein heraufschnellen der Kurve auf 200 mV zu beobachten, die auf das alles-oder-nichts Prinzip der Aktionspotenziale (AP) der Nervenfasern zurückzuführen ist, da sämtliche Nervenfasern, die überschwellig gereizt werden mit APs reagieren. Die absolute Reizschwelle dürfte also zwischen 0,2 V und 0,3 V liegen. Das ansteigen des N-SAP zwischen 0,3 V und 0,6 V liegt daran, dass im Nerv Nervenfasern verschiedenen Durchmessers laufen, die verschiedene Reizschwellen besitzen und somit erst bei höheren Reizstärken alle Nervenfasern überschwellig gereizt werden und das N-SAP seinen maximalen Wert erreicht. Ab 0,6 V und 1,2 V bleibt das N-SAP mit geringen Abweichungen, die auf Messungenauigkeiten und Ungenauigkeiten beim ablesen der Messinstrumente zurückzuführen sind, auf einem konstant hohen Niveau, da alle Nervenfasern überschwellig erregt werden. Die Werte des EMG steigen, innerhalb der Messgenauigkeit, mit dem N-SAP und erreicht ab 0,7 V Reizstärke seine höchsten Werte, da mit zunehmender Aktivität des Nervs auch die Anzahl der gereizten Muskelfasern steigt. Das Abschwächen der Werte des N-SAP und EMG bei einer Reizstärke von 1,2 V ist wohl auf eine Ermüdung des Muskel-Nerv Präparates zurückzuführen. Die Werte des MMG steigen zusammen mit den Werten des EMG an, wobei sehr schön zu beobachten ist, dass das MMG seinen Maximalen, konstanten Wert bei den Reizen von 0,8 V – 1,2 V hat, bei denen das EMG auch seine Maximalwerte hat. Dies ist auch logisch, da bei Erregung aller Muskelfasern (Maximum des EMG) die stärkste Kontraktion des Muskels zu erwarten ist (Maximum des MMG).

b) Die von uns gemessenen Werte für die Dauer von N-SAP und EMG entsprechen nicht ganz unseren Erwartungen, da sowohl für den gerade überschwelligen Reiz als auch für den stark überschwelligen Reiz jeweils dieselben Zeitdauern zu erwarten gewesen wären, da bei jeder überschwelliger Reizung das AP nach dem alles-oder-nichts Prinzip ausgebildet wird und die Leitungsgeschwindigkeit nicht von der Reizstärke abhängt. Die Relationen der Zeiten untereinander passen hingegen recht gut, da das N-SAP des Nerven durch die saltatorische Erregungsleitung am schnellsten weitergeleitet wird, gefolgt durch das EMG, das auf dem Muskel durch kontinuierliche Weiterleitung weitergeleitet wird, was ca. 3 mal langsamer ist. Die lange Dauer des MMG lässt

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sich dadurch erklären, dass das MMG eine mechanische Arbeit darstellt, die naturgemäß länger dauert als die elektrotonische Weiterleitung des Reizes bei N-SAP und EMG. Die Latenzzeit L1 zwischen N-SAP und EMG ist jeweils kürzer als die Latenzzeit L2 zwischen EMG und MMG. Dabei setzt sich L1 aus der Fortleitung des AP über den Nerv und der Übertragung des AP an der neuromuskulären Endplatte zusammen. L2 setzt sich dagegen aus dem second messenger Mechanismus des T-Tubuli, der Ca2⊕-Ausschüttung aus dem SR und der mechanischen Konformationsänderung des Troponin zusammen. So ist es ersichtlich, dass die L1 die nur aus der saltatorischen Erregungsleitung und der Synaptischen Reizübertragung besteht kürzer ist als L2 bei der die kontinuierliche Erregungsleitung und chemische Prozesse beteiligt sind.

c) Wir haben diesen Versuch nicht ausgeführt, da es bei unserer Versuchsanordnung praktisch unmöglich ist die genaue Lage der motorischen Endplatte zu bestimmen und somit eine Vermessung der einzelnen Teilstrecken nicht möglich ist. Nach Literaturangaben wäre für die Dauer der Erregungsüberleitung an der Endplatte ein Wert von 2 ms zu erwarten gewesen.

2. Versuch 2 Hier wird nun untersucht, welche Auswirkungen Doppelreize mit unterschiedlichen Zeitabständen auf N-SAP, EMG und MMG haben (s.Tab.3). N-SAP

bei Zeitabständen von 0,8 ms – 2 ms zeigt sich kein zweiter Peak, da sich die Nervenfasern beim zweiten Reiz noch in der absoluten Refraktärzeit befinden, in der unabhängig von der Höhe des Reizes keine Reizweiterleitung erfolgt. Der Bereich der relativen Refraktärzeit lässt sich nicht scharf abgrenzen, muss aber bei 3 bis 4 ms liegen, da hier die Antwort auf den zweiten Reiz deutlich schwächer ausfällt als auf den ersten Reiz. Die relative Refraktärzeit kommt dadurch zustande, dass einige aber noch nicht alle Na⊕-Ionenkanäle wieder bereit sind sich zu öffnen (näheres hierzu im Theorieteil unter 1.2.1.). Bei einem Zeitunterschied von mehr als 5 ms werden beide APs gleich weitergeleitet, es kommt zu keiner messbaren Beeinflussung der APs untereinander. EMG

Die Werte des MMG decken sich nur teilweise mit den Erwartungen, da eigentlich eine gleichbleibende Antwort auf den ersten Reiz zu erwarten gewesen wäre (bei uns ist bei 10ms – 5 ms eine erhöhte Antwort aufgetreten) und eine steigende Antwort auf den zweiten Reiz vor allem im Bereich zwischen 80 ms und 5 ms, da hier die zeitlichen Abstände zwischen den Reizen zu gering

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werden, als dass alle Transmittermoleküle im synaptischen Spalt abgebaut werden könnten und so eine Summation des ersten und des zweiten APs zu erwarten gewesen wäre. Unter 5 ms ist eine Abschwächung der Antwort auf den zweiten Reiz zu erwarten, da sich nun der Muskel in der relativen Refraktärzeit befindet. Unsere Messwerte für den zweiten Reiz schwanken leider recht stark, aber es lässt sich trotzdem eine eindeutige Verstärkung der zweiten Reizantwort im Bereich zwischen 80 ms und 8 ms erkennen, die auf den oben und im Theorieteil beschriebenen Mechanismen beruhen. Zwischen 6 ms und 3 ms kann man die relative Refraktärzeit des Muskels erkennen und das fehlen einer zweiten Reizantwort im Bereich zwischen 2 ms und 0,8 ms ist darauf zurückzuführen, dass der Nerv selber in der absoluten Refraktärzeit ist und kein zweites Signal an den Muskel weiterleitet. MMG

Die Werte für das MMG decken sich wiederum sehr gut mit unseren Erwartungen, da die Antwort des Muskels sehr gut mit dem Reiz durch das EMG übereinstimmt. Anfangs, als es zwei gleich starke EMGs gibt, erfolgen zwei gleich starke Muskelkontraktionen (MMG), da jedes AP einzeln verwertet wird. Ab einem Reizabstand von 140 ms beginnt die zweite Reizantwort stärker zu werden, da vom ersten AP noch Ca2⊕ außerhalb des SR ist und durch die zweite Ausschüttung die Ca2⊕ -Konzentration zunimmt und damit das MMG stärker wird. Bei weiterem verkürzen des Abstandes zwischen den Reizen ist eine Verstärkung der zweiten Muskelkontraktion zu erkennen, dass auch in immer kürzerem Abstand zur ersten erfolgt und schließlich mit diesem zusammenfällt und ab 30 ms eine stärkere Kontraktion bildet (s.Abb. 8). Parallel zur Abnahme des EMG nimmt nun auch die Muskelkontraktion um 2 ms ab, wo vom Nerv nur noch ein AP mit der Stärke des Anfangsreizes kommt, auch nur noch eine Kontraktion mit derselben Stärke wie zu Beginn zu machen.

Abb. 8: Verschmelzen zweier Einzelkontraktionen zu einer stärkeren

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3. Versuch 3

Bei diesem Versuch wird das Verhalten des Muskels beim anlegen von Reizserien untersucht. Hierbei stellt man fest, dass bei Reizfrequenzen zwischen 1 Hz und 15 Hz der Muskel Einzelzuckungen durchführt, die wie in Versuch 2 c) mit sinkendem Abstand zwischen den Reizen (steigender Frequenz) näher zusammenrücken und sich ab einer Frequenz von 25 Hz zu einem partiellen Tetanus und ab einer Frequenz von 40 Hz zu einem vollständigen Tetanus überlagern (s.Abb. 9). Dies geschieht wieder wie in Versuch 2 c) und im Theorieteil geschildert durch die Erhöhung der Ca2⊕ Konzentration im Muskel und die Unfähigkeit des SR, diese schnell genug abzubauen. Dabei wird die Amplitude des MMG mit zunehmender Frequenz analog zu Versuch 2 c) grösser.

IV.Quellenverzeichnis

• http://www.mh-hannover.de/institute/mhh4200/lehre/human/ vorlesung/skripte/winsem/muskel2004.pdf

• Abb. 1: http://www.physiopaed.de/rp.jpg • Abb. 2: http://bio-abi-wissen.de/C/C6.gif • Abb. 3: http://www.iworx.com/company2/WebToolsCD

/Illustrations/synapse/synapse_web2.jpg • Abb. 4: http://www.medizinfo.de/ruecken/images/muskelaufbau.jpg • Abb. 5: http://www.bbszene.de/images/16/gointo/sarkomer.gif • Abb. 6: http://www.giftpflanzen.com/acetylcholin.gif • Abb. 7: http://www.leben-begreifen.uni-bonn.de/theobio/muscle3.jpg

V. Anhang

Versuchsprotokolle aus dem Praktikum

Abb. 9: Überlagerung von Einzelzuckungen zu unvollständigem und vollständigem Tetanus