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Geschrieben von Mitgliedern des Beirates der Österreichischen Hämophilie Gesellschaft Illustrationen von Petra Hager Eine Aufklärung über Hämophilie Ich bin nicht Krank, ich bin nur vorsichtig!

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Geschrieben von Mitgliedern des Beirates der Österreichischen Hämophilie GesellschaftIllustrationen von Petra Hager

Eine Aufklärung über Hämophilie

Ich bin nicht Krank, ich bin nur vorsichtig!

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Inhalt

Vorwort 04

Zwei Freunde wollen deine Bekanntschaft machen 05

Hämophil??? Was ist das? 09

Die Familie Mutig 13

Viele Freunde – viel Spaß 15

Manchmal verletzt man sich aber doch! 17

Auweia! 19

Tipps zu Sportverletzungen 19

Gymnastik ist immer gut 20

Übungen 21

Facto kennt sich aus 23

Yippee, auf ins Schwimmbad! 25

Sport ist super! 27

Max ist übermütig 29

Auf zum Sommerlager 31

Endlich da! 33

Zu Hause gibt es viel zu erzählen 35

In der Schule 37

Informationsblatt 38

Das Port-a-Cath-System 39

Auf Wiedersehen! 40

Liebe Eltern und Erziehungsberechtigte! 41

Notizen 42

Impressum: 4. Auflage, Oktober 2011

Alle Rechte der Verbreitung durch Print, visuelle Medien, Tonträger jeder Art sowie auszugsweise oder ganzer Nachdruck nur mit schriftlicher Genehmigung.

Copyright-Inhaber: Pfizer Corporation Austria Gesellschaft m.b.H.

Floridsdorfer Hauptstraße 1, 1210 Wien

Illustrationen – Petra Hager

Autorenkollektiv:Dr. Jutta Falger – Universitätskinderklinik, AKH, Wien

Dr. Hubert K. Hartl – Österreichische Hämophiliegesellschaft (†) Josef Weiss – Österreichische Hämophiliegesellschaft Monika Hartl – diplomierte Physiotherapeutin, Gablitz

Gudrun Höllebrand – diplomierte Physiotherapeutin, Wien Renate Kriechbaum – diplomierte Gesundheits- und Krankenschwester, Landes-Kinderklinik, Linz

Prim. Univ.-Prof. Dr. Klaus Schmitt – Landes-Kinderklinik, Linz Dr. Andrea Zauner-Dungl – Universitätsklinik f. Physikalische Medizin und Rehabilitation, AKH, Wien

Josef Zellhofer, AKH, Wien

Für fachliche Unterstützung danken wir:Univ.-Prof. Dr. Werner Streif – Universitätskinderklinik, Innsbruck

Univ.-Prof. Dr. Michael Kunze – Vorstand des Instituts für Sozialmedizin der Universität Wien Silvia Eschig – Kinderbuchautorin, Eggendorf

Mit freundlicher Unterstützung durch

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VorwortEin „neuer Mensch“ erblickt das Licht der Welt. Die Freude und der Stolz der Eltern kennen keine Grenzen. Der „neue Mensch“ ist ein Bub. Er wächst rasch heran und wird immer mobiler: Er krabbelt, er steht, er beginnt zu gehen. Aber er fällt auch immer wieder hin. Der kleine Kerl hat dauernd blaue Flecken. Ein erfahrener Kinderarzt stellt die erste Diagnose: Der Bub ist ein Hämophiler, also ein „Bluter“! Plötzlich tauchen viele Fragen auf:Warum unser Junge? Wie ist das gelaufen? Gab es so einen Fall schon einmal in der Familie? Haben wir jetzt ein krankes Kind? Diese Gedanken quälen die Eltern, aber nicht immer gibt es gleich die richtigen Antworten. Auch Unter-lagen sind rar und wo soll man denn die dringend gesuchten Informationen finden?„Ich bin nicht krank, ich bin nur vorsichtig!“ Zum Glück gibt es nun eine Neuauflage dieses Buches! Es hilft vieles zu verstehen und vermittelt ein beruhigendes Gefühl über das Wesen der Bluterkrankheit und deren Bewäl-tigung im Alltag. Jede Erkrankung, im Besonderen Erbkrankheiten, sind von Vorurteilen und Fehlinformationen begleitet. Wie wichtig ist es daher, alle Betroffenen richtig zu informieren! Übrigens: Das Leben als Hämophiler macht noch immer genauso viel Spaß wie das von anderen Menschen, man sollte nur etwas vorsichtiger sein.

Josef Weiss (Bluter) Vorsitzender der Österreichischen Hämophilie Gesellschaft, Wien, im Oktober 2011

Zwei Freunde wollen deine Bekanntschaft machen„Darf ich mich vorstellen? Ich bin Facto, das kleine X. Und der Große da über mir heißt Max mit einem X am Schluss. Wir sind die besten Freunde, die es gibt auf der Welt.“

„Freut mich! Und mein Name ist Yvonne mit einem Y am Anfang.“

„Ha, ha, ha“, lacht Max laut. „Ich hab auch ein Y, aber in meinem Körper. Man nennt es Y-Chromosom. Knaben haben ein X- und ein Y-Chromosom. Und alle zusammen nennt man Gene. Sie sorgen dafür, dass du genau so aussiehst, wie du eben aussiehst.“

„Dann habe ich also blaue Chromosome in meinen Augen, denn meine Augenfarbe ist blau“, sagt Yvonne.

„Na, so ungefähr stimmt das schon.“

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„Ja, denn ich bin ein Hämophiler.“

„Was ist das?“

„Das erkläre ich dir gerne in diesem Buch. Also, mach es dir bequem und hör gut zu.“

„Sag mal, Max, warum hast du eigentlich so viele blaue Flecken?

Liegt das auch an deinen Genen?“, will Yvonne wissen.

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Hämophil??? Was ist das?„Sag doch, Max, weißt du, was das Wort ‚hämophil‘ bedeutet?“, fragt Facto.

„Nein“, antwortet Max.

„Na, Yvonne, kannst du mir vielleicht sagen, was ein Bluter ist?“

„Natürlich“, sagt sie stolz, „ein Bluter ist jemand, der nicht mehr zu bluten aufhört, wenn er sich verletzt hat.“

„Ja, ein Bluter ist jemand, der sehr schnell blaue Flecken bekommt, wenn er sich stößt oder hinfällt oder ganz fest gedrückt wird“, erklärt das kleine X.

„Das Blut fließt in die Haut und dadurch bekommt die Haut blaue Flecken, so wie bei mir“, ergänzt Max.

„Und warum ist das so?“, will Yvonne wissen.

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„Max fehlt ein Klebstoff im Blut, den andere Kinder haben. Bei denen ver-klebt er die kleinen verletzten Adern, sodass kein Blut herausfließen kann. Man nennt ihn in der Fachsprache ‚Faktor‘, erklärt Facto.

„Das heißt also ähnlich wie du“, ruft Max.

„Tja, weißt du“, seufzt Facto, „eigentlich bin ich ja an allem schuld.Wie du ja weißt, hast du in deinem Körper viele X- und Y-Chromosome. Doch ich bin ein bisschen anders. Das ist der Grund, weshalb der ‚Klebstoff‘ im Blut fehlt.“

„Das macht doch nichts“, grinst Max und drückt Facto fest an sich.

„Trotzdem möchte ich gerne für immer dein bester Freund und Glücks- bringer sein.“

„Na klar, ich hab dich doch soooooooooo lieb.“

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Die Familie Mutig„Ihr beide seid wirklich ein tolles Team“, ruft Yvonne, „und ich würde auch gerne eure Freundin sein.“

„Na klar!“, rufen Max und Facto. „Wir haben auch eine mächtig große Familie. Komm, wir stellen sie dir gerne vor.“

„Wir heißen alle mit Nachnamen Mutig. Das da sind Tante Gerda und Onkel Fritz. Onkel Fritz hat auch eine Blutungsneigung.“

„Und hat auch einen Facto“, ruft Facto dazwischen.

„Stimmt“, sagt Max.

„Das sind Mama und Papa, meine Schwester Michaela und mein Bruder Manuel. Nur Onkel Fritz und ich haben eine Blutungsneigung, sind also hämophil.

Mama hat mir übrigens erklärt, dass nur Buben Blutungsneigungenhaben können und diese auch behalten, wenn sie groß sind.“

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Viele Freunde – viel Spaß!„Und wenn ich dir schon meine Familie vorgestellt habe, dann sollst du auch meine Freunde kennen lernen.

Juliane und Stefan kenne ich aus dem Kindergarten mit der großen Sand- kiste. Mit Nico gehe ich immer Rad fahren. Carmens Familie und meine Familie gehen im Winter immer langlaufen. Und mit Fred, meinem Klassen-kameraden, gehe ich oft schwimmen.

Wir spielen, so oft wir können, miteinander.

Alle wissen, dass ich eine Blutungsneigung habe. Also passen wir auf, dass wir uns nicht verletzen.

Beim Fahrrad fahren – und bei allen anderen Sportarten – schützen wir uns mit Helm und Gelenkschonern - wie die echten Profis!

Wir haben keine Angst - wir sind nur vorsichtig.“

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Manchmal verletzt man sich aber doch!„Einmal beim Inlineskaten hab ich die Ellbogenschoner vergessen und – bums – hab ich mir den Ellbogen aufgehaut“, erzählt Max.

Facto grinst: „Das hat komisch ausgeschaut.“„Wir sind dann nach Hause gegangen zu Max’ Mutter. Wir haben ein Pflaster drauf getan und Max hat ein paar Minuten fest gedrückt. Das war alles. Denn Max bekommt seinen „Klebstoff“ auch vorsorglich gespritzt. Die Ärzte sagen dazu „prophylaktische Behandlung“. Wenn dann etwas passiert, macht das meist nix.“

„Ja“, ruft Max und springt in eine Sportlerpose. „Deshalb muss man sich bei allen Sportarten wie ein Profi verhalten. Sich richtig dafür anziehen und vorsichtig sein! Und sich vorsorglich Klebstoff spritzen. Denn Profis machen Prophylaxe.“

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Auweia!„Du hattest doch einmal einen dicken Knöchel“, erinnert ihn Facto.

„Oh, das war sehr unangenehm. Beim Volleyball bin ich umgeknöchelt. Ich hab das zwar bemerkt, hab es aber nicht weiter beachtet, denn wir waren am Gewinnen.”

„Auf dem Nachhauseweg hat es ihm aber schon sehr weh getan“, sagt Facto.„Mama hat uns zu Hause geschimpft, als Max ihr das Knöchelgelenk gezeigt hat. Wir hätten sofort nach Hause gehen sollen.“

„Ich habe einige Tage lang zweimal täglich eine Spritze bekommen“, klagt Max. „Wenn ich sofort nach Hause gegangen wäre, hätte ich nur ein oder zwei Spritzen gekriegt. Daraus hab ich etwas gelernt: Sofort eine Spritze ist nur ein kurzer, kleiner Schmerz. Zu spät spritzen ist ein großer, langer Schmerz. Aber jetzt geht’s mir wieder gut.“

Jetzt mischt sich Facto ein: „Ja – und ich habe Mama dann noch einen Tipp zu Sportverletzungen gegeben: 1) Sofort Eis auflegen! Ein ,Coolpack’ in einem trockenen Tuch tut es auch.2) Bandage! Eine gut angelegte Bandage beugt einer großen Schwellung vor.3) Ruhe geben! Das verletzte Bein hochlagern.“

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Gymnastik ist immer gut„Letzten Winter bin ich mit Juliane bei Glatteis ausgerutscht. Sie ist auf mein Bein gefallen. Wir sind sofort zum Arzt. Obwohl ich gleich eine Spritze bekommen habe, wurde meine Wade dick und der Fuß streckte sich.“

„Spitzfuß nennt man das“, wirft Facto ein. „Deshalb hat er auch mehrere Spritzen bekommen. Zu Hause hat Max das Bein an einem Polster hochge-lagert. Seine Mutter hat dann eine Eispackung unter die Wade geschoben“, erinnert sich Facto.

„Am selben Tag sind wir dann zu Gudrun gefahren – eine sehr nette Physiotherapeutin. Die hat meinen Unterschenkel leicht massiert. Nach ein, zwei Tagen hat die Schwellung nachgelassen, dann haben wir Gymnastik gemacht.“

„Könntest du mir diese Übungen auch zeigen?“, fragt Yvonne. „Denn schließlich sollten doch alle Menschen Gymnastik machen.“

„Kräftige Muskeln und stabile Gelenke sind wichtig, weil man sich nicht so leicht verletzt“, ergänzt Facto.

Ausgangsstellung für die 1. und 2. Übung!

1. Übung: BeidieserÜbungliegstdurück- lingsimUnterarmstütz,beide Beinesindausgestreckt.Nun sollstduschnelldieVorfüßeso weitwiemöglichbeugenund strecken.15-bis20-malwieder- holen.

2. Übung: DieselbeAusgangsstellungwie beiÜbung1.Nunbeschreiben deineVorfüßegroßeKreise. 10-malindieeineund10-malin dieandereRichtung.

3. und 4. Übung:AlsNächstessollstduversuchen,10SchritteaufdenZehenballenund10SchritteaufdenFersenzugehen.Wenndasgutfunktioniert,versuchebeijedemSchrittzuwechseln.

5. Übung:StelldichaufeineStufe,dieFersenüberdieKantehängenlassenundaneinerWandanhalten.JetztdrückedichindenZehenstandhochundlassedanndieFersenlangsamwiederabsinken.Wenndudas20-malohneProblemeschaffst,versucheeseinmaleinbeinig.

6. Übung:BeidernächstenÜbungsollstdudichinGrätsch-stellunganeineWandlehnen,dieKniesindleichtgebeugt.JetztdieFersenhoch-drückenunddannlangsamwiedersenken.15-bis20-malwiederholen.

7. Übung: DieAusgangsstellunggenauwie inÜbung6,nurwerdenbei dieserÜbungdieVorfüßesoweit wiemöglichhochgezogen,die FersenbleibenamBoden. 15-bis20-malwiederholen.

8. Übung:NachdemdieMuskelnjetztgutgekräftigtwurden,machenwirabschließendnocheineDehnungsübung.DabeistehstduingroßerSchrittstellungvoreinerWand,anderdudichmitbeidenHändenabstützt.DieFersedeshinterenBeinesistamBoden,dasKniegestreckt.DenKörperzurWandbewegen,biseinDehngefühlimhinterenUnterschenkelauftritt.IndieserStellunglangsambis20zählenunddanndasBeinwechseln.

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Facto kennt sich ausAm Sonntag sind alle Freunde bei Max und Facto zur Jause eingeladen.Stefan fragt Yvonne mit vollem Mund: „Hast du schon einmal gesehen, wie Max eine Spritze bekommen hat?“

„Nein, warum, was ist da drin?“

Da erklärt Facto den Kindern:„Max ist doch hämophil. Ihr wisst ja, dass eine Wunde bei ihm nicht so leicht aufhört zu bluten wie bei euch. Es fehlt der Wundklebstoff – der Gerinnungsfaktor. Wenn Max sich also stößt oder aufschürft, verschließt sich auch tief im Körper seine Wunde nicht richtig. Wenn man ihm aber sofort diesen fehlenden Gerinnungsfaktor spritzt, ist alles in Ordnung.“

„Gibt es das nicht als Tabletten oder so?“, fragt Carmen.

„Nein“, sagt Nico und fragt gleichzeitig Facto: „Woraus wird das eigentlich gemacht?“

„Früher hat man den Faktor aus Blut von Menschen gemacht, die es dafür gespendet haben. Das war sehr, sehr toll von ihnen. Heute können Wissenschaftler das auch ohne Blut machen. Der Faktor wird im Labor sorgfältig hergestellt und hat keine versteckten, ansteckenden Krankheiten drin. Und damit Max immer mit euch spielen kann, bekommt er ihn zwei- bis dreimal in der Woche gespritzt.“ „Schaut doch aus dem Fenster, ihr Bleichgesichter! Die Sonne scheint! Lasst uns baden fahren.“

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Yippee, auf ins Schwimmbad!Alle Kinder rennen zu den Fahrrädern.

„Wer als Erster den Helm aufgesetzt hat, hat gewonnen“, ruft Facto, „denn ein Helm schützt den Kopf vor Unfällen.“

Na klar – Max ist der Erste, denn er hat seinen Helm immer griffbereit – als Profi.

Nachdem alle den Helm aufgesetzt haben, fahren sie los.

Mama hat den Jausenkorb gepackt. Viel Obst, viel zu trinken und den Faktor für Max. „Man weiß ja nie“, meint Mama.

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Sport ist super!Schwimmen im Sommer ist das Schönste. Nicht nur, dass es richtig abkühlt, sondern es werden auch alle Muskeln gleichmäßig trainiert. Das ist wichtig, denn kräftige Muskeln und starke Bänder schützen Max’ Gelenke. Jeder Hämophile, wie alle anderen auch, soll regelmäßig Sport betreiben, damit die Muskeln stark werden und die Gelenke besser geschützt sind.

Nach dem Schwimmen gibt es von Mama eine kleine Jause und ein Eis. Nach einer halben Stunde Rast gehen sie auf den Sportplatz neben der Liegewiese. Dort sind auch zwei Basketballkörbe. Wenn Max vernünftig spielt, kann er eigentlich fast alle Sportarten ausüben. Nur so genannte Kontaktsportarten, wie z.B. Boxen oder Karate, sind zu gefährlich.

Die Freunde treffen andere Kinder aus der Schule und schon beginnt ein tolles Basketballspiel. Max’ Freunde spielen sehr geschickt, ohne den Gegner wirklich zu rempeln oder zu stoßen. Die anderen Kinder rufen: „Ihr spielt ja feig!“

„Nein“, sagt Yvonne, „wir spielen wie die Profis, denn wir haben es richtig gelernt! Wir sind nicht feig – wir sind nur vorsichtig!

Außerdem haben wir gewonnen.“

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Max ist übermütigNach dem Sieg ist Max übermütig, macht Faxen und rennt prompt an einen Baum. Rums – und die Nase blutet.

„Schnell zu Mama!“, ruft Facto.

Als Mama Max sieht, holt sie schnell das Medikament aus der Kühlbox. Langsam spritzt Mama die Medizin in Max’ Armbeuge, denn die richtige Geschwindigkeit ist da sehr wichtig! Alle Kinder schauen neugierig zu, denn Mama ist so geschickt wie ein Arzt.

Facto erklärt den staunenden Kindern: „Max’ Eltern haben im Krankenhaus Unterricht bekommen, wie man eine Spritze gibt, sodass sie nicht jedes Mal zum Arzt fahren müssen. Aber bei Kopf- und Bauchverletzungen muss Max auf jeden Fall zuerst eine Spritze bekommen und dann sofort ins Spital.“

„Und dieses Jahr im Sommerlager lernen auch wir, wie man das macht. Danach kann Max und mich nichts mehr von der Klassenreise abhalten.“

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Auf zum Sommercamp„Endlich ist es wieder so weit!“, jubeln Facto und Max. „Morgen fahren wir zum Sommercamp! Da kann Mama endlich Urlaub von uns machen!“

„Das hat Mama auch verdient“, sagt Max, „wir haben sie manchmal ganz schön geärgert.“ Sie freuen sich auch schon darauf, die Kinder aus Bulgarien und Rumänien zu treffen. Die sind auch jedes Jahr da, wie viele von den anderen Kindern, die hämophil sind.

Facto hat eine Liste in der Hand. Neben den Sachen wie iPod und Comics stehen auch andere wichtige Dinge drauf, die hat Facto rot unterstrichen:

✗ Arztbrief und Hämophilieausweis, ✗ Impfausweis (Max ist gegen Hepatitis A und B geimpft!), ✗ Kühlbox mit Faktor.

Mama kontrolliert den Koffer noch einmal – nichts wurde vergessen!

Mama macht sich keine Sorgen, denn im Sommerlager gibt es geschulte Betreuer und PhysiotherapeutInnen. Natürlich sind da auch Ärzte und Schwestern, die sich mit Hämophilie besonders gut auskennen.

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Endlich da!Max und Facto sind während der Fahrt schon ganz aufgeregt und freuen sich, ihre Freunde vom Vorjahr wieder zu treffen. „Wann sind wir endlich da?“, quengelt Max.

„Ich sehe den See schon!“, ruft Facto. Und wirklich – endlich da! Josef, der Leiter, stellt alle vor: Ärzte, Schwestern, Betreuer, Physio-therapeutInnen und die Köchin. Schnell das Zimmer bezogen und ab in den Aufenthaltsraum zu den anderen. Die Kinder freunden sich beim Spielen schnell an. Am Abend sehen Max und Facto einen Jungen, der ganz traurig unter einem Baum sitzt. „Warum weinst du denn?“, fragt Facto. Gabriel erzählt, dass er Heimweh hat, weil er doch niemanden kennt. „Ach, du wirst sehen“, sagt Max, „die drei Wochen vergehen wie im Flug.“ Und wirklich, am nächsten Tag kennt Gabriel schon fast alle Buben und die Zeit im Ferienlager vergeht beinahe zu schnell.Unsere beiden Freunde lernen und erleben viele Dinge. Sie lernen von der Schwester, wie man den Faktor auflöst, und von Frau Doktor, wie man sich spritzt – Selbstinfusion nennt man das – und was man bei Verletzungen machen oder besser lassen soll. Viel Sport wird betrieben und Gudrun und die anderen PhysiotherapeutInnen turnen jeden Tag mit den Buben und zeigen ihnen Übungen, die für die Gelenke wichtig sind. Tagsüber werden Ausflüge unternommen, neue Spiele erfunden, es wird viel geschwommen und gesegelt. Einen Tennisplatz gibt es auch. Abends am Lagerfeuer wird gegrillt und gesungen. Samstags ist Beachparty.

Einfach toll!

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Zu Hause gibt es viel zu erzählenWieder zu Hause erzählen Max und Facto alles, was sie erlebt haben.

Mama und Papa staunen nur so, wie kräftig und braun Max geworden ist.

Ganz toll finden die Eltern, dass Max jetzt die Technik der Selbstinfusion beherrscht.

„Ältere Kinder“, erklärt Facto, „haben eine Spritzhilfe unter der Haut. Port-a-Cath-System nennt man das.“

„Ja“, meint Max, „da weiß man immer, in welche Stelle man spritzen kann. Die Buben sagen, dass es kaum weh tut und viel einfacher ist. Beim nächsten Treffen der Hämophilie Gesellschaft müssen wir unbedingt Peter erzählen, wie schön das Sommercamp ist. Der war noch nie dabei.“

„Das hört sich ganz so an“, sagt Papa, „als ob ihr nächstes Jahr wieder fahren wollt!“

Super – Max und Facto machen einen Freudentanz.

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In der SchuleDer Schulbeginn ist immer so aufregend. Viel Neues gibt es zu lernen. Nachmittags machen Max und Facto immer Hausaufgaben.

Eines Tages kommt Max humpelnd mit einem blauen Fleck nach Hause. Weinend erzählt er Mama, dass der Sportlehrer will, dass er Übungen, wie z.B. Hoch- und Weitsprung, macht, die nicht gut für ihn sind.

„Hast du dem Lehrer nicht erklärt, dass du Bluter bist?“, fragt Mama.

„Doch“, schluchzt Max, „aber der Lehrer weiß nicht, was Hämophilie ist, und denkt, ich will mich nur drücken.“

„Ich weiß was.“ Facto läuft ins Kinderzimmer. „Hier in diesem Kinderbuch ist doch ein Brief für Schule und Kindergarten, der alles Wichtige erklärt.“

„Sehr gut“, meint Mama, „den nehmen wir morgen in die Schule mit und geben ihn dem Klassenvorstand.”

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Das Port-a-Cath-SystemDie prophylaktische Gabe von Faktor-VIII-Präparaten bei sehr kleinen Kindern ist manchmal auf Grund der Venensituation schwierig. Durch Im-plantation eines Port-a-Cath-Systems wird der dauerhafte venöse Zugang so weit erleichtert, dass die prophylaktische Behandlung in den meisten Fällen von den Eltern oder selbstständig durchgeführt werden kann. Das Port-a-Cath-System wurde speziell für den sicheren, einfachen und wiederholten Gefäßzugang entwickelt. Wichtig ist eine entsprechende Ein-schulung und das Einhalten steriler Vorsichtsmaßnahmen. Das Port-a-Cath-System ist nach der Implantation über mehrere Jahre voll funktionsfähig.

Voraussetzungen für die problemlose Verwendung:

Strikte Einhaltung der Hygienemaßnahmen (Desinfektion und Spülen). Feste Kompression der Haut über dem Port nach der Injektion zur Ver-meidung von Hämatomen. Lokale Hämatome (Blutergüsse) sind ein Nährboden für Bakterien, sodass es dadurch leicht zu Infektionen kommen kann. Bei unklaren Fieberschüben ist daher immer mit dem Behandler (Hämophilie-Zentrum) Kontakt aufzunehmen. Eine Verlegung des Port-a-Cath-Systems durch Blutkoagel ist äußerst selten. Ein Port-a-Cath-System beeinträchtigt den Patienten normalerweise nicht, die Ausübung von Sport (inkl. Schwimmen) ist vollkommen unproblematisch.

Prim. Univ.-Prof. Dr. Klaus SchmittLandes-Kinderklinik, Linz

Sehr geehrte Damen und Herren! Mit diesem Informationsblatt wollen wir Ihnen ein besseres Verständnis für Kinder mit Hämophilie (Bluter) vermitteln. Es soll Ihnen diese Krankheit erklären und über richtiges Verhalten im Schulalltag informieren. Gerade für ein chronisch kran-kes Kind ist es sehr wichtig, schon frühzeitig mit gesunden Kindern in Kontakt zu kommen und rechtzeitig zu lernen, sich ohne Hilfe der schützenden Eltern durchzusetzen. Eine Isolierung würde schaden.

1. Das KrankheitsbildBei Hämophilen ist die Blutgerinnung gestört. Es ist ein bestimmter Faktor im Blut vermindert und dadurch verzögert sich die Blutgerinnung. Es handelt sich um eine Erbkrankheit (Hämophilie A, der Faktor-VIII-Mangel, und Hämophilie B, der Faktor-IX-Mangel). Bei schwerer Hämophilie können Blutungen ohne ersichtliche Ursachen auftreten. Blutungen in Gelen-ken und Muskulatur sind sehr schmerzhaft. Blutungen in inneren Organen können lebensbedrohlich sein. Jede Blutung hat Folgen, z.B. Gelenkseinschränkungen und Muskelschädigungen.

2. Verhalten gegenüber der Krankheit und dem HämophilenHämophilie ist noch nicht heilbar. Blutungen werden durch Injizieren des fehlenden Faktors behandelt. Man kann durch Vorsichtsmaßnahmen und richtiges Verhalten der Umwelt die Blutungsgefahr herabsetzen. Dass Raufereien, Rempeleien und „Haxelstellen“ sehr gefährlich werden können, sollen Bluter und Mitschüler wissen. Spontane (ohne Fremdeinwirkung auftretende) Blutungen sind allerdings nicht zu vermeiden. Ist eine Blutung aufgetreten, muss der hämophile Schüler un-verzüglich einer Behandlung zugeführt werden. Folgeschäden am Patienten können durch rasche Hilfe vermieden werden. Das Fehlen im Unterricht wird dadurch verringert. Bei Auftreten einer Blutung, bei Gewalteinwirkungen auf den Kopf oder den Bauchbereich oder bei Veränderungen im Befinden des Kindes, die durch eine Blutung hervorgerufen sein können, müssen, auch im Verdachtsfall (!), Eltern oder der behandelnde Arzt verständigt werden. Blutungen in diesen Körperteilen sind oft lebensbedrohend und müssen so schnell wie möglich behandelt werden. Sofortmaßnahmen sollten mit den Eltern abgesprochen werden.

Der Turnunterricht wird von ärztlicher Seite prinzipiell befürwortet. Der jeweilige Umfang muss individuell mit den Eltern und /oder mit dem behandelnden Arzt abgesprochen werden. Das Kind sollte durch seine Blutgerinnungsstörung auf keinen Fall eine Sonderstellung einnehmen. Behandeln Sie es, wo immer es geht, wie jeden anderen Schüler.

Für jede weitere Information steht die Österreichische Hämophilie Gesellschaft gerne zur Verfügung unter der Tel.-Nr.: 0676 / 530 3000 oder unter www.bluter.at

Vorname / Name geboren am

leidet an

Das Kind hat einen Bluterausweis bei sich; im Notfall sind zu verständigen:

Eltern

Adresse Telefonnummer

Tel.-Nr. Arbeitsplatz / Mutter Tel.-Nr. Arbeitsplatz / Vater

Handy-Nr. der Mutter Handy-Nr. des Vaters

Hausarzt

Behandlungszentrum

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Auf Wiedersehen!„Nun haben wir euch aber viel erzählt“, findet Facto.

„Eigentlich sind wir gar nicht anders als andere Buben. Wir verhalten uns eben nur wie die Profis – wir sind nicht krank, wir sind nur vorsichtig. Außerdem gibt es auch andere Kinder, die sich an Spielregeln halten müssen, wie z.B. Diabetiker.“

„Auf der nächsten Seite haben wir die wichtigsten Dinge zusammengefasst, die eure Eltern wissen sollten.Aber ihr habt doch sicher auch Tolles erlebt. Zeichnet oder schreibt es uns! Jeder Brief wird mit einem kleinen Geschenk belohnt.“

„Na dann, bis bald! Wir sagen Servus.“Eure Freunde Max und Facto

Liebe Eltern und Erziehungsberechtigte!

Auf dieser Seite wollen wir Ihnen eine kurze Zusammenfassung bieten, und Ihr Augenmerk auf einige wichtige Dinge lenken.

Wie Sie wissen, ist die Hämophilie eine Erbkrankheit; der Gendefekt bei der Mutter führt bei etwa 50% der Söhne zum Krankheitsbild „Hämophilie“ und bei 50% der Töchter zum so genannten „Konduktorinnen-Status“.Sie wissen aber auch, dass das Leben nach der Mitteilung der Diagnose weitergeht, vielleicht nur etwas vorsichtiger, aber nicht nur bei Ihnen alleine, sondern bei ca. 600 weiteren Betroffenen und ihren Familien in Österreich (statistisch gesehen ist unter 10.000 Knaben einer Bluter).Mit Hilfe der modernen virussicheren Gerinnungskonzentrate, plasmatisch oder gentechnisch, und ständig optimierter Therapiemöglichkeiten, von der prophylaktischen Behandlung, über die kontinuierliche Behandlung bis hin zur Immunto-leranztherapie (Hemmkörpereliminierung), hat die Bluter krank heit einen Großteil ihres Schreckens verloren. Ein weitestge-hend normales Aufwachsen kann somit gewährleistet werden.

Den Hämophilie-Ausweis soll Ihr Kind immer dabeihaben. So sieht ein Ersthelfer bei Notfällen, um welche Krankheit es sich handelt, was rasch getan werden muss; im Zweifel kann unter den angegebenen Telefonnummern „rund um die Uhr“ kompetente Auskunft eingeholt werden.

In Österreich steht für die Betreuung von Menschen mit Hämophilie ein Netzwerk von Einrichtungen und Organisationen zur Verfügung. Beginnend mit der Österreichischen Hämophilie Gesellschaft (www.bluter.at), der ältesten medizinischen Selbsthilfegruppe des Landes, und den Behandlungszentren an den Universitätskliniken und Landeskrankenhäusern kommt es zu einer fächerübergreifenden Kooperation in der medizinischen Behandlung.

Abschließend dürfen wir Sie auf ein weiteres Angebot der größeren Behandlungszentren hinweisen, auf die Genomische Diagnostik des Defektes bei Patienten mit Hämophilie und ihren Angehörigen. Der überwiegende Teil der Patienten befindet sich im reproduktionsfähigen Alter und man kann davon ausgehen, dass Schwestern und Cousinen der Patienten ein ähnli-ches Alter haben. Analysen des menschlichen Faktor-VIII- und Faktor-IX-Genes durch PCR haben zur Möglichkeit einer sehr sicheren Diagnosestellung bei der Hämophilie A und B geführt. So können heute bei der Hämophilie B zu praktisch 100% Mutationen nachgewiesen werden. Technisch aufwendiger durch Größe und Komplexität des Faktor VIII-Genes bedingt, stellt sich die Situation bei der Hämophilie A dar.

Wir, die Autoren des vorliegenden Buches, wünschen Ihnen, liebe Eltern und Erziehungsberechtigte, dass wir Ihnen damit eine Ergänzung und Hilfestellung zur Verfügung stellen und dass es Ihnen und Ihrem Kind hilft, die Blutgerinnungsstörung „Hämophilie“ besser zu verstehen.

Josef WeissVorsitzender der Österreichischen Hämophilie GesellschaftWien, im Oktober 2011

PS: Und wir danken an dieser Stelle wieder der Firma Pfizer für ihre organisatorische und finanzielle Unterstüt- zung. (www.leben-mit-haemophilie.at)

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Notizen Notizen

Dieses Buch soll Kindern, Eltern und Angehörigen helfen, die Dia-gnose „Bluter” besser zu verstehen. Ein erfahrenes Autorenteam, das täglich mit hämophilen Kindern arbeitet, hat dieses Buch für sie ge-schrieben.

Der Leser begleitet „unseren” Max durch sein Leben als Bluter. Die Anregungen und Tipps von Facto helfen im Alltag.

ISBN 3-9501007-4-1Silvia Eschig Verlag, Eggendorf