Ichstärke Und Ichlosigkeit Durch Achtsamkeitstraining Und Focusing

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  • 8/9/2019 Ichstärke Und Ichlosigkeit Durch Achtsamkeitstraining Und Focusing

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    Psychohygiene, Gettinger©Feber 2015

    Ichstärke und Ichlosigkeit durch Achtsamkeitstraining und

    Focusing

    „Der reife Erwachsene, der die Verantwortung für sein eigenes Leben zu übernehmen

    vermag, hat eines gelernt: das Gefühl von den Mustern zu lösen, die unter dem Druck der

     Abhängigkeit entstanden sind, und den Drang zum Handeln auf das zu richten, was sich ihm

    als zweckmäßig erweist. Dank der Kontrolle, der er durch das Verlagern des Gefühlsinhaltes

    erworben hat, ist auch die Gefühlsintensität unter seiner Kontrolle. Dieses Ziel ist in den

    schon erwähnten Zielen inbegriffen. Es wird oft unbewußt danach gehandelt, daher die

    sprunghaften Erfolge oder Mißerfolge. Wenn man das Ziel klar vor sich sieht, dann kann man

     zielen lernen – und merken, wenn man daneben zielt.“

    (Moshe Feldenkrais, Das starke Selbst, S. 146)

    Ichstärke bezeichnet eine integrierte Persönlichkeit, die mit den eigenen Gefühlen undBedürfnissen in Kontakt steht, Situationen realistisch einschätzen kann und auf dieWechselfälle des Lebens angemessen und flexibel zu reagieren vermag, ohne Erfahrungenübermäßig zu unterdrücken oder abzuspalten. Damit verbunden ist eine Willenskraft, die demstarken und elastischen Ich ermöglicht, die eigenen Bedürfnisse und das, was als wichtigeLebensziele erkannt wurde, kreativ und auf ethisch vertretbare Weise zu verwirklichen.

    “Was in der gesunden Person die Widerstandsfähigkeit in ihrer lebenserhaltenden Funktion

    ausmacht, gerät für den Symptomträger zum schützenden, aber auch verarmenden Wall gegen

    sich selbst und gegen sein Umfeld. … Der Unterschied ist nur, dass im Gesunden die Ich-Grenzen pulsierend, flexibel und durchlässig sind, während diejenigen des Symptomträgers

    alle möglichen Verformungen aufweisen. Der Widerstand tritt, gemessen am Anlass,

    unverhältnismäßig früh, hektisch, übertrieben auf.”

    Die gesunden Widerstände, “die dem Menschen innere Sicherheit, Stabilität und eine freieOrdnung sichern”, werden im erkrankten Menschen zu unvernünftigen, wahnhaften,konfusen, fanatischen Widerständen “Die konstruktiven, lebensnotwendigen und hilfreichenWiderstände erweisen sich im neurotisch Kranken als infantil wirkende Trotzeinstellungen,

    als starre Fixierungen, als sture Verneinungen.”  Sie engen den Raum der Wahlfreiheit ein.Das Ich als Garant der seelischen Gesundheit und Ordnung wird überrannt, es kann die

    Anforderungen des Es und des Überich und den Druck der Realität nicht bewältigen.

    In der Entwicklung von Achtsamkeit geht es zunächst darum, im Reinen Beobachten allesanzunehmen, was sich in Körper und Geist abspielt, ohne es festzuhalten oder abzulehnen, zukommentieren oder zu bewerten. Das ist – in den Worten westlicher Psychotherapie – dasgenaue Gegenteil jedweder Unterdrückung und ein effektives Mittel zur Integrationabgespaltener Teile der Persönlichkeit.Beim genauen Hinsehen erkennen wir also folgende paradoxe Situation: Ein Übungsweg, derin buddhistischen Begriffen zur Ichlosigkeit führt, ist in der Sprache heutiger Psychologieichstärkend! In der buddhistischen Achtsamkeitsmeditation, die Ichlosigkeit fördert, wirdgenau das entwickelt, was in der Psychotherapie unter Ichstärke verstanden wird.

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    Psychohygiene, Gettinger©Feber 2015

    Neurotisches Leiden löst sich nicht unbedingt durch Meditation (z.B. der stets vergeblicheVersuch, „Probleme wegzumeditieren“), und herkömmliche Therapien lindern nicht einenuniversellen/essentiellen Leidensdruck.

    Nur ein nach westlicher Psychologie gefestigtes Ich ist stark genug, um denHerausforderungen eines authentischen geistigen Weges zur Ichlosigkeit gewachsen zu sein.Das Ich wird auf dem geistigen Weg nicht überwunden, losgelassen oder gar zerstört, sondernes wird transzendiert. Das Ich ist eine für die Belange des Alltags hilfreicheGeisteskonstruktion, die man benutzen kann, ohne sich mit ihr zu identifizieren und/oder sieals letztlich existent anzuerkennen.

    Aus: https://psyhygiene.wordpress.com/2013/12/31/die-widerstandskraft-starken-aber-wie/  

    “Sehen lernen, dass da nur ein Verhaltensmuster sich abarbeitet, welches wir ‘Organismus-

     plus-Umwelt’ bezeichnen; und wenn man das verstanden hat, dann versteht man auch, dass

    man diese ‘Totalität’ (d.h. die Einheit von Körper und Umwelt) IST, und dass man sich als

    diese so bewegt, wie sich alle Organe des eigenen Organismus zusammenwirkend bewegen.

    Wie alle Hirnzellen zusammen wirken. Man muss sie nicht erst zur Zusammenarbeit bringen,

    man muss sie dazu nicht erst auffordern und motivieren. Man muss dazu keine

    Vereinbarungen treffen, sie alle arbeiten spontan zusammen. Wie Vögel, die am Boden

    vereinzelt herum spazieren, die aber plötzlich abheben und als Schwarm sich wie ein Körper

    durch die Luft bewegen …….. .”  – Alan Watts, Self and Other