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2013 Zur Diskussion gestellt Peter Oberender und Jürgen Zerth, Stefan Felder, Martin Nell, Bernd Raffelhüschen und Christian Hagist Reform des Gesundheitssystems: Kommt die Einheitskasse? Forschungsergebnisse Gabriel Felbermayr und Jasmin Gröschl Natürlich negativ: Der Wachstumseffekt von Naturkatastrophen Daten und Prognosen Evgenia Kudymowa, Johanna Plenk und Klaus Wohlrabe Ifo World Economic Survey und die realwirtschaftliche Entwicklung in ausgewählten Ländern Thomas Strobel und Arno Städtler Verbessertes Investitionsklima, überdurchschnittliche Entwicklung beim Leasing Anita Jacob-Puchalska ifo Personalleiterbefragung: Ergebnisse ausgewählter Sonderfragen Im Blickpunkt Hildegard Arnold-Rothmaier und Stefan Sauer Konjunkturtest im Fokus: Gute Geschäftsperspektiven für die Verkehrswirtschaft Klaus Wohlrabe ifo Konjunkturtest September 2013 ifo Schnelldienst 66. Jg., 41.–42. KW, 15. Oktober 2013 19 Institut Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung an der Universität München e.V.

ifo Schnelldienst 19/2013 · Nach dem Minus im ersten Halbjahr 2013 werden für das dritte und vierte Quartal Zuwächse angezeigt. Auf eine starke Dynamik deuten die Werte für die

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Zur Diskussion gestelltPeter Oberender und Jürgen Zerth, Stefan Felder, Martin Nell, Bernd Raffelhüschen und Christian Hagist■ Reform des Gesundheitssystems:

Kommt die Einheitskasse?

ForschungsergebnisseGabriel Felbermayr und Jasmin Gröschl■ Natürlich negativ: Der Wachstumseffekt von

Naturkatastrophen

Daten und PrognosenEvgenia Kudymowa, Johanna Plenk und Klaus Wohlrabe■ Ifo World Economic Survey und die realwirtschaftliche

Entwicklung in ausgewählten Ländern

Thomas Strobel und Arno Städtler■ Verbessertes Investitionsklima, überdurchschnittliche

Entwicklung beim Leasing

Anita Jacob-Puchalska■ ifo Personalleiterbefragung: Ergebnisse ausgewählter

Sonderfragen

Im BlickpunktHildegard Arnold-Rothmaier und Stefan Sauer■ Konjunkturtest im Fokus: Gute Geschäftsperspektiven

für die Verkehrswirtschaft

Klaus Wohlrabe■ ifo Konjunkturtest September 2013

ifo Schnelldienst66. Jg., 41.–42. KW, 15. Oktober 2013

19

InstitutLeibniz-Institut für Wirtschaftsforschung

an der Universität München e.V.

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ISSN 0018-974 X

Herausgeber: ifo Institut, Poschingerstraße 5, 81679 München, Postfach 86 04 60, 81631 München,Telefon (089) 92 24-0, Telefax (089) 98 53 69, E-Mail: [email protected]: Dr. Marga Jennewein.Redaktionskomitee: Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Hans-Werner Sinn, Dr. Christa Hainz, Annette Marquardt, Dr. Chang Woon Nam.Vertrieb: ifo Institut.Erscheinungsweise: zweimal monatlich.Bezugspreis jährlich:Institutionen EUR 225,– Einzelpersonen EUR 96,–Studenten EUR 48,–Preis des Einzelheftes: EUR 10,–jeweils zuzüglich Versandkosten. Layout: Pro Design.Satz: ifo Institut.Druck: Majer & Finckh, Stockdorf.Nachdruck und sonstige Verbreitung (auch auszugsweise): nur mit Quellenangabe und gegen Einsendung eines Belegexemplars.

ifo Schnelldienst

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Reform des Gesundheitssystems: Kommt die Einheitskasse?

Das Krankenversicherungssystem in Deutschland ist seit Jahren in der Kritik. Re-formbedarf besteht sowohl bei der Gesetzlichen als auch bei der Privaten Kran-kenversicherung. Ist ein einheitlicher Versicherungsmarkt die Lösung? PeterOber ender und Jürgen Zerth, Universität Bayreuth, sehen in der Einführung einerBürgerversicherung kein adäquates Instrument, die jeweiligen schwächen derGKV und der PKV zu beheben. Nach Ansicht von Stefan Felder, Universität Baselund CINCH Essen, ist die Dreiteilung des deutschen Krankenversicherungssys-tems historisch überholt, ineffizient und einkommenspolitisch fragwürdig. Sie er-weise sich zudem zunehmend als Belastung für die deutsche Wirtschaft. Eine pri-vate Bürgerversicherung mit übertragbaren individuellen Alterungsrückstellungen,ergänzt um staatliche Transfers an Geringverdienende, wäre seiner Meinung nacheine Alternative. Eine zweite Reformmöglichkeit sieht er in einem einheitlichen Sys-tem, angelegt an die GKV auf der Grundlage von kassenspezifischen Gesund-heitsprämien, die mit dem Risikostrukturausgleich und mit individuellen Prämien-verbilligungen verbunden sind. Martin Nell, Universität Hamburg, plädiert für eineReform des dualen Systems, die die Voraussetzungen für einen fairen Wettbe-werb schafft, in dem sich die Unternehmen der GKV und der PKV bewähren müs-sen. Bei einer Einführung der Bürgerversicherung würde seiner Meinung nach un-ter Inkaufnahme gravierender juristischer Risiken das duale System zugunsten ei-nes staatlich verordneten, einheitlichen Versicherungsmarktes ohne nennenswer-te Produktvielfalt abgewickelt. Bernd Raffelhüschen und Christian Hagist, Univer-sität Freiburg, stellen mit der »neuen Dualität« in der Krankenversicherung eine Al-ternative zur Einheitskasse vor: Ärzte und Krankenhäuser würden demnach zuUnternehmen, die mit der Gesundheit Geld verdienen wollen und sollen. Die Pa-tienten wären Kunden und bekämen für die Leistungen eine Rechnung, die sieselbst beglichen und deshalb gut kontrollierten, da sie nur einen gewissen Anteilerstattet bekommen würden.

Natürlich negativ: Der Wachstumseffekt von NaturkatastrophenGabriel Felbermayr und Jasmin Gröschl

Die Studie präsentiert eine Datenbank, die sich auf physikalische Maßeinheitenvon Naturkatastrophen stützt und die Schätzung der Auswirkungen von Naturka-tastrophen auf die Wirtschaftsleistung ermöglicht. Naturkatastrophen wirken sichim Durchschnitt ganz klar negativ auf das BIP pro Kopf aus. Der negative Effektkann jedoch durch qualitativ bessere Institutionen, stärkere Anbindung an interna-tionale Finanz- und/oder Gütermärkte entschärft werden.

Der Ifo World Economic Survey und die realwirtschaftliche Entwicklung in ausgewählten LändernEvgenia Kudymowa, Johanna Plenk und Klaus Wohlrabe

Der Ifo World Economic Survey (WES) ist eine internationale Konjunkturumfrage,die seit 1981 vom ifo Institut vierteljährlich erhoben wird. Der Beitrag untersuchtdie Aussagekraft der WES-Umfrageergebnisse in Bezug auf den Konjunkturzyklus

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Zur Diskussion gestellt

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Forschungsergebnisse

Daten und Prognosen

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ausgewählter Länder. Dabei wird das Wirtschaftsklima eines Landes den jeweili-gen Jahreswachstumsraten des realen Bruttoinlandsprodukts gegenübergestellt.Insgesamt zeigen die Ergebnisse, dass das WES-Wirtschaftsklima die tatsächli-che Wirtschaftsentwicklung sehr gut abbildet und die Wendepunkte in der Kon-junktur der Länder verlässlich bestimmt.

Investitionsklima bessert sich – Leasing entwickelt sich trotz Rückgangs überdurchschnittlichThomas Strobel und Arno Städtler

Der auf den Geschäftslagebeurteilungen der Leasinggesellschaften basierende In-vestitionsindikator, der gemeinsam vom ifo Institut und dem Bundesverband Deut-scher Leasing-Unternehmen ermittelt wird, signalisiert für das Jahr 2013 einenRückgang der Ausrüstungsinvestitionen einschließlich der sonstigen Anlagen von0,7%. Nach dem Minus im ersten Halbjahr 2013 werden für das dritte und vierteQuartal Zuwächse angezeigt. Auf eine starke Dynamik deuten die Werte für dieersten drei Quartale 2014 hin, die ein Wachstum von etwa 8% bedeuten würden.

ifo Personalleiterbefragung – Ergebnisse ausgewählter SonderfragenAnita Jacob-Puchalska

Das ifo Institut befragt im Auftrag der Randstad Deutschland GmbH & Co. KGviermal im Jahr Personalleiter aus unterschiedlichen Wirtschaftsbereichen nachder Bedeutung verschiedener Flexibilisierungsinstrumente im Personaleinsatz,wie etwa Zeitarbeit, Überstunden oder freie Mitarbeit. Zudem greift eine Sonder-frage ein aktuelles personalpolitisches Thema auf. Im vierten Quartal 2012 wurdedie Reaktion der Unternehmen auf eine weitere Abschwächung der Konjunkturthematisiert; im ersten Quartal 2013 wurde der Frage nachgegangen, wie sich dieNachfrage von Arbeitsuchenden aus den GIIPS-Ländern im vergangenen Jahrverändert hat; und im zweiten Quartal 2013 hatte die Sonderfrage das Teilzeitan-gebot der Unternehmen zum Gegenstand. Der Beitrag stellt die Ergebnisse dieserBefragungen vor.

Konjunkturtest im Fokus: Gute Geschäftsperspektiven für die VerkehrswirtschaftHildegard Arnold-Rothmaier und Stefan Sauer

Angesichts der in der gesamten gewerblichen Wirtschaft als günstig eingeschätz-ten Geschäftsperspektiven für das kommende halbe Jahr lassen die Ergebnissedes ifo Konjunkturtests auch in naher Zukunft auf einen positiven Geschäftsverlaufund eine schwungvolle Nachfragesituation in der Verkehrswirtschaft hoffen. Vor al-lem die im Gütertransport tätigen Unternehmen dürften dabei von der gesamt-wirtschaftlichen Aufwärtsentwicklung profitieren.

ifo Konjunkturtest September 2013 in KürzeKlaus Wohlrabe

Der ifo Geschäftsklimaindex für die gewerbliche Wirtschaft Deutschlands ist dasfünfte Mal in Folge gestiegen. Zwar beurteilen die Unternehmen ihre aktuelle Ge-schäftslage als etwas weniger zufriedenstellend als im Vormonat. Die Erwartungenan die weitere Geschäftsentwicklung sind aber erneut optimistischer ausgefallen.

Im Blickpunkt

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Krankenversicherung zwischen Wettbewerbs -orientierung, Bürgerver -sicherung und »Einheits -kasse«: Wohin führt der Weg?

Von stetiger Regelmäßigkeit wird gesund-heitspolitisch die Perspektive einer Ver-einheitlichung der Krankenversicherungs-systeme gefordert, wobei die Facettendes Forderungskatalogs vielfältig erschei-nen. Einerseits werden Vorschläge nacheiner Bürgerversicherung propagiert unddamit in der aktuellen politischen Wahr-nehmung die Zusammenführung von Ge-setzlicher Krankenversicherung (GKV) undPrivater Krankenversicherung (PKV) in denRaum gestellt, insbesondere verbundenmit einer Ausweitung der Beitragsbasisauf alle Einkunftsarten. Andererseits grei-fen andere Akteure die PKV als Reform-leitbild für die Weiterentwicklung des GKV-Systems heraus. Schlussendlich bleibtdann noch die Furcht vor einer Einheits-kasse, die in schrillen Farben an die Wandgemalt wird.1 Auch wenn die Frage nachder Systementwicklung der GKV undletztendlich der PKV eine immer wiederneue, alte Frage ist, sollen nachfolgendeinige grundsätzliche Überlegungen zumordnungspolitischen Rahmen einer sozia-len Krankenversicherung vorgenommenwerden, um deren Weiterentwicklung esletztendlich geht.

Die Forderung nach einer Bürgerversiche-rung impliziert zumindest von manchempolitischen Akteur die Ausweitung der Re-gelungsstruktur des bisherigen GKV-Sys-tems auf alle Bürger, nämlich regulierteeinkommensabhängige Beiträge ausSicht der Versicherten und weitgehende

Homogenisierung in der Angebotsgestal-tung durch kollektivvertragliche Regelun-gen für die Krankenversicherungen. Einederartige Begriffszuordnung ist metho-disch fragwürdig. Rein semantisch könn-te nämlich eine Bürgerversicherung auchnichts anderes bedeuten als die Einfüh-rung einer allgemeinen Versicherungs-pflicht für alle Bürger, unbeachtlich derkonkreten Organisationsform des Siche-rungssystems. Aus einer wohlfundiertenökonomischen Begründung heraus lässtsich eine derartige Versicherungspflichtsehr wohl begründen, Argumentationsli-nien sind üblicherweise das Vorliegen ei-ner altruistischen Externalität (vgl. Pauly2000) oder das Argument der Minder-schätzung zukünftiger Bedürfnisse (vgl.etwa Oberender und Zerth 2010).

Kurz beschrieben setzt das erste Argu-ment daran an, dass es in einer vertrags-theoretischen Perspektive, auch unterdem Schleier der Ungewissheit, bei ei-nem minimalen ethischen Grundkonsensakzeptabel, aber auch wohlfahrtsförderndsein kann, einen definierten Mindestver-sicherungskatalog ex ante bereit zu hal-ten, um sowohl dem Schutzziel als auchdem Ziel einer effizienten Steuerung vonRessourcen Rechnung zu tragen. Die Al-ternative läge nämlich darin, ungeplantzu helfen, was angesichts des Dienstleis-tungscharakters von Gesundheitsleistun-gen und somit der Notwendigkeit der Vor-haltung von Verfügungskapazitäten insehr vielen Fällen ineffizienter wirkt, wiesich beispielsweise bei den Steuerungs-defiziten amerikanischer EmergencyRooms zeigt.2

Kommt die Einheitskasse?Reform des Gesundheitssystems:

Peter Oberender*

Das Krankenversicherungssystem in Deutschland ist seit Jahren in der Kritik. Reformbedarf be-

steht sowohl bei der Gesetzlichen als auch bei der Privaten Krankenversicherung. Ist ein einheit-

licher Versicherungsmarkt die Lösung?

Jürgen Zerth**

* Prof. Dr. Dr. h.c. Peter Oberender war Inhaber desLehrstuhls Volkswirtschaftslehre IV an der Uni-versität Bayreuth und ist Beauftragter für die Ge-sundheitswirtschaft Bayern.

** Prof. Dr. Jürgen Zerth ist Professor an der WilhelmLöhe Hochschule Fürth.

1 Vgl. zu einem aktuellen Überblick über die Diskus-sion Jacobs (2013).

2 Hier liegt das Problem von »uncompensated care« vor, das einerseits die grundsätzliche Ab-rechnungsfähigkeit von erbrachten Leistungenadressiert, andererseits auch berücksichtigt wer-den muss, dass die induzierten Kosten einerKrankheitsperiode (excees costs) ein wesentlicherKostentreiber sind, der ein Ineinandergreifen vonVersorgungsstrukturen erforderlich machen wür-de, das aber bei reiner Notfallversorgung auch ins -titutionell nicht gegeben ist (vgl. etwa Graves2012).

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Zur Diskussion gestellt

Da gerade Gesundheitsleistungen darüber hinaus nur an-satzweise prognostizierbar sind – hier liegt ein systemati-scher Unterschied zu einem sozialen Rentenversicherungs-system vor – lässt sich aufgrund der Hypothese der Min-destschätzung zukünftiger Bedürfnisse (nach medizini-schen Leistungen!) eine allgemeine Versicherungspflichtfür alle Bürger legitimieren, jedoch nicht die Vorgabe wei-terer Regulierungen wie etwa die Prämiengestaltung oderdie Ausprägung einer speziellen Organisationsform fürKrankenversicherungen oder medizinischer Leistungser-bringer. Mit anderen Worten sind die Steuerungsimplika-tionen im Rahmen einer derartig definierten Versicherungs-pflicht die ordnungspolitisch relevanten Größen. DasGrunddilemma liegt auf der Hand. Es gilt den Zusammen-hang zwischen den Ansprüchen an ein solidarisch begrün-detes Gesundheitssystem (Claims) und der vorhandenenNotwendigkeit, das weiterhin bestehende Rationierungs-problem effektiv und auch effizient zu lösen (vgl. Anand2003). Die Preisgestaltung bei der Prämienerhebung imVersicherungsmarkt und die Organisationsgestaltung beiKrankenversicherungen oder auch Leistungserbringer sindeine Ausprägung für die gesundheitspolitische Umsetzungdieses Dilemmas.

Beispielsweise zeigt Cutler für die USA die Steuerungsdi-lemmata anhand dreier Effekte auf. Dabei gilt es im Gesund-heitswesen zu berücksichtigen, dass angebotsseitig einehohe personelle Dienstleistungsorientierung greift und nach-frageseitig zumindest in den Industrieländern chronischeKrankheitsphänomene die hauptsächliche Herausforderungdarstellen:

• Die Grenzproduktivität vieler zusätzlicher medizinischerLeistung ist eher gering (»flat oft the curve medicine«erster Effekt). Gerade bei der Behandlung ausgesuchteronkologischer Fälle ist das Kosten-Nutzen-Verhältnis desEinsatzes neuer Technologien eher als gering einzuschät-zen, ein Beispiel wäre die Behandlung von Herzanfällen,wo beispielsweise in den USA der Anteil der Patienten,die eine Bypass-Behandlung oder eine Ballonangioplas-tie bekommen, zehnmal höher ist als in Kanada ohneerkennbaren Effekt auf die (kurzfristige) Restlebenszeit.

• Der zweite Effekt liegt in der Koordination medizinischerLeistungen, wo sich der Wertschöpfungsprozess im Ge-gensatz zu einer industriellen Perspektive nicht als se-quentielles Modell beschreiben lässt, sondern vielmehraufgrund des Dienstleistungscharakters und der Informa-tions- und Verhaltensunsicherheiten zwischen Arzt undPatient als eine Wertkette wirkt, in der verschiedene Pro-blemlösungsaktivitäten u.U. mehrmals durchlaufen wer-den müssen.3 Die Ausgestaltung der Koordination vonunterschiedlicher fachlicher Kompetenz etwa von Haus-zu Fachärzten bis hin zur Kompetenz eines Kranken-

hauses ist dabei im Gesundheitswesen eine wesentli-che Herausforderung. Die Behandlung von Diabetes mitmehreren konkurrierenden Leitlinien kann hier als Beispieldienen.

• Als dritter Effekt sind die induzierten Kosten der Patien-tenkarriere zu nennen, die insbesondere bei chronischenErkrankungen die wesentlichen Kostentreiber darstellen.Für Cutler ist die wesentliche Steuerungsfrage daher dieBereitschaft, in Qualität zu investieren.

Eine institutionelle Gestaltung des Gesundheitssystems mussnun – wie oben skizziert – die Ansprüche an die Regelver-sorgung (Claim) mit der Umsetzung einer gegebenen Ent-scheidung für eine Regelversorgung (Rationalisierung) dif-ferenzieren. Durch die Festlegung eines Regelleistungsan-spruchs wird das Dilemma nicht gelöst, vielmehr bleibt derökonomisch wie ethische Anspruch zum verantwortungs-gerechten Umgang mit knappen Ressourcen (vgl. Zerth2012, S. 7).

Angenommen es gibt ein standardisiertes Zielniveau an Ge-sundheitsqualität in definierter Höhe in einer Gesellschaft,so gilt es, dazu die optimale Höhe der korrespondierendenAusgaben zu finden (vgl. Abb. 1). Diese Steuerungsentschei-dung kann hypothetisch entweder ein zentraler Planer ein-heitlich oder die Akteure immanent auf dezentraler Ebeneverantworten. In beiden Fällen gilt es, den optimalen PunktB zu erreichen, der ein gegebenes Qualitätsniveau effizien-ter erfüllt als der korrespondierende Punkt C. Gleichwohlbleiben nun zwei wichtige Entscheidungsfragen offen (vgl.Zerth 2012, S. 10).

Einerseits gilt es ordnungspolitisch zu beantworten, werdie Steuerung von C nach B verantworten soll, eine einheit-liche, verbindliche Vorgabe an alle Akteure oder ein Wett-bewerbsprozess, der zwar kanalisiert, aber darauf setzenwürde, dass die Beteiligten vor Ort die beste Kenntnis unddie besten Methoden haben, Effizienzpotenziale zu nutzen.

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Ausgaben Rationalitätenfalle Rationierung

Verschwendung

Rationalisierungsreserven

Qualität

A

B C (1) Rationalisierungseffekte?

(2) Zukünftige Ansprüche?

Quelle: Darstellung der Autoren in Anlehnung an Oberender, Ecker und Zerth(2005).

Abb. 1Rationierung und Rationalisierung

3 Der Wertkettenaspekt wird beispielsweise bei Stabell und Fjeldstad (1998)deutlich.

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Zur Diskussion gestellt

Andererseits bleibt auf der Niveauebene immer die Gefahrbestehen, dass ein Rationalisierungsbestreben zu einer di-rekten Rationierung führt, wenn die Steuerungsziele unge-nau definiert bzw. die Instrumentarien für die Akteure nichtmit dem Ziel adäquat abgeglichen sind (von B nach A). So-mit spielen die Rahmenbedingungen im institutionellen Um-feld eine tragende Rolle bei der Abgrenzung und Umsetzungdes Rationierungsphänomens im Gesundheitswesen.

Dies gilt insbesondere deshalb, weil der Zusammenhangzwischen der Definition der Regelversorgung (Claim) und derRationalisierungslösung keine zufällige Entscheidung dar-stellt, sondern Ausdruck der grundlegenden Ordnungsent-scheidung eines Gesundheitswesens ist. Gesundheitsöko-nomisch lässt sich die Rationalisierungsfrage aus der Prin-zipal-Agenten-Beziehung in den verschiedenartigen Inter-aktionsrollen – Versicherungsvertrag, Versorgungsvertragund Behandlungsvertrag – nicht vom Rationierungsproblemlösen.

Damit ein Vertrag eine Regelsicherungsfunktion erfüllt – wo-rauf die Existenz eines Regelleistungskatalogs hinausläuft –muss lediglich gewährleistet sein, dass dem jeweiligen Ver-sicherten Leistungen aus dem Regelleistungskatalog bei Be-darf finanziert werden. Die Frage des Sicherungsziels einesGesundheitssystems ist daher nicht eindeutig und kannexemplarisch in zwei Kategorien eingeteilt werden, die et-wa grob zwei Enden eines gesundheitspolitischen Kontinu-ums darstellen (vgl. Abb. 2):

• Förderung des Umverteilungsziels bei Annahme einestendenziell uniformierten, eher unmündigen Bürgers (ZielUmverteilung)

• Förderung des Versicherungsziels bei Annahme einestendenziell informierten, eher mündigen Bürgers (Ziel Ver-sicherungsübernahme)

Jetzt lässt sich einwenden, dass angesichts der Arzt-Pa-tienten-Beziehung und der damit korrespondierenden Infor-mationsasymmetrien beide Ausprägungen in gelebten Ge-sundheitssystemen möglich sind. Gleichwohl ist es sowohleine Frage der Steuerungseffizienz (Rationalisierungslogik)

wie der ordnungspolitischen Verantwortung des Individu-ums (Prinzip der Selbstverantwortung), ein Wettbewerbs-system zu wählen. Eine dezidierte Ausprägung findet sichim Kontext eines Vertragswettbewerbs. Wie lässt sich nundie Idee eines Vertragswettbewerbs und einer standardisier-ten Regelversorgung miteinander verknüpfen? Welche Emp-fehlungen können nun für die realiter bestehenden Syste-me einer GKV und einer PKV abgeleitet werden?

Das PKV-System kommt aufgrund der risikoorientierten Prä-miengestaltung prima facie dem Idealbild einer Preisorien-tierung näher. Diese Aussage gilt aber strenggenommen nurfür den Versicherungsmarkt als solchen und nicht für dieLeistungsgestaltung. Der Versicherungsnehmer kann im Fal-le risikoorientierter Prämien Preise und Leistungen von Ver-sicherungen vergleichen. Genau an dieser Stelle kommtdie Verknüpfung zwischen Versicherungsmarkt und Ver-sorgungsmarkt zum Tragen. Sofern die Rationalität der Nach-frager auf beiden Märkten berücksichtigt wird, entstehenim Gesundheitswesen wachsende Herausforderungen in-nerhalb der Leistungs- und Kostensteuerung, insbesonde-re im Versorgungsmarkt. Der Versicherte richtet sein Nach-frageverhalten im Versicherungswettbewerb häufig andersaus als in seiner Rolle als Patient als Nachfrager im Versor-gungskontext (vgl. Rebscher 2011).

Es gilt deshalb zwischen der Wahl der Versicherungsleis-tung und der Inanspruchnahme von Gesundheitsleistun-gen zu unterscheiden. Gerade bei der Inanspruchnahmevon Gesundheitsleistungen, versicherungsökonomisch istdie Frage der Restitution des Versicherungsschadens da-mit impliziert, sind die Möglichkeiten für eine deutsche PKVsehr eingeschränkt. Das PKV-System ist gemäß dem vor-herrschenden Kostenerstattungsprinzip als Wettbewerbum Versicherte organisiert, jedoch kaum als Wettbewerbder Leistungsverträge unterschiedlicher Leistungserbrin-ger. Ein Kostenerstattungsmodell setzt eher auf eine indi-rekte Einflussnahme der Leistungserbringung, in ersterLinie über die Gestaltung der Tarife der Versicherungs-nehmer. Eine direkte Kontrolle der Leistungsgestaltung oderdes Qualitätsanspruchs durch den häufig besser informier-ten Steuerungsagenten Krankenversicherung, wie es For-

men selektiven Kontrahierens vorsehen, istkaum möglich. Die Zunahme chronischerund altersabhängiger Krankheiten führt au-ßerdem dazu, dass eine kontinuierlicheLeistungsinanspruchnahme von Gesund-heits- und Pflegeleistungen und somit dieSteuerung des direkten Leistungsflusseszwischen Leistungserbringer und Patientan Bedeutung gewinnt (vgl. etwa Zerth2012).

Gemäß der von Cutler skizzierten Heraus-forderungen muss sich ein Krankenversi-cherungssystem darauf einstellen, dass die

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Kriterien Ziel Umverteilung Ziel Versicherung (Risikoübernahme)

Prämiengestaltung Einkommensabhängige Beiträge Prämie als Preissignal

Versicherungsvertrag Fokus: Umverteilung im System

Fokus: Umverteilung über Steuer

Versorgungsvertrag Kollektivvertrag oder »Managed Competition« mit RSA

Tendenz zum Individualvertrag; »Managed Competition«

Nachhaltigkeitskonzept Differenzierungsverbot • Steuerzuschuss • Grundleistungen

Prämiendifferenzierung • Altersrückstellungen • Prämienanpassung

Synthese aus beiden Steuerungslogiken möglich?

Quelle: Darstellung der Autoren.

Abb. 2Ausgestaltung der grundsätzlichen Sicherungsidee

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Zur Diskussion gestellt

Versorgung institutionsübergreifender Patientenkarrieren,wofür chronische Erkrankungen Pate stehen, die wesent-liche Herausforderung darstellt. Gesundheitsreformen derZukunft sollten daher an der Frage ansetzen, wie die Steue-rungsrolle von Krankenversicherung im Versicherungs- undVersorgungsmarkt in der Zukunft ausgestaltet wird. DiePKV kann das Prämienrisiko bei Beginn des Versicherungs-vertrages zwar über risikoorientierte Prämien wettbewerb-licher lösen, verbleibt jedoch trotz Weitergabe von Alters-rückstellungen, die sich auf standardisierte Basistarife be-ziehen, in einem Einstiegswettbewerb stecken. Im GKV-System gilt es, die Ungleichgewichte in der Wettbewerbs-rolle zwischen Krankenversicherungen und Leistungser-bringer abzubauen, da die Krankenversicherungen trotzmancher Ansätze in der jüngeren Vergangenheit im Sozi-algesetzbuch weiterhin nicht als Unternehmen im Sinnedes Wettbewerbsrechtes behandelt werden und daherfür eine Wettbewerbsorientierung eine wichtige Grundre-gel verletzt wird.

Der aktuellen Forderung nach der Einführung einer Bürger-versicherung fehlt es im Lichte der Betrachtung der Steue-rungslogiken an der notwendigen Differenzierung zwischenden Steuerungsvor- und -nachteilen, die sowohl im PKV- alsauch im GKV-System beheimatet sind. Gleichwohl gilt esdie Frage zu stellen, inwiefern eine PKV als Leitstern einerWettbewerbsorientierung im Gesundheitswesen noch funk-tionieren kann, wenn angesichts der wachsenden Bedeu-tung der Patientenkarriere die Versicherung als Gestalter vonLeistungsbeziehungen gefordert ist.

Literatur

Anand, P. (2003), »The Integration of Claims to Health-Care: A ProgrammingApproach«, Journal of Health Economics 22, 731–745.

Cutler, D. (2010), »Where are the Health Care Entrepreneurs? The Failure ofOrganizational Innovation in Health Care«, NBER Working Paper Series, Working Paper 16030, online verfügbar unter: http://www.nber.org/papers/w16030.

Graves, J. (2012), »Medicaid Expansion Opt-Outs and Uncompensated Care«, New England Journal of Medicine 367(25), 2365–2367.

Jacobs, K. (2013), »Wettbewerb im dualen Krankenversicherungssystem inDeutschland – Fiktion und Realität«, in: K. Jacobs und S. Schulze (Hrsg.),Die Krankenversicherung der Zukunft. Anforderungen an ein leistungsfähigesSystem, KomPart Verlag, Berlin, 47–73.

Oberender, P., T. Ecker und J. Zerth (2005), Grundelemente der Gesundheits-ökonomie, 2. Aufl., PCO-Verlag, Bayreuth.

Oberender, P. und J. Zerth (2010), Wachstumsmarkt Gesundheit, 3. Aufl.,Lucius und Lucius, Baden-Baden.

Pauly, M. (2000), »Optimal Health Insurance«, The Geneva Papers on Riskand Insurance 25, 33–-57.

Rebscher, H. (2011), »Perspektivenwechsel Bewertungskategorien selekti-ven Vertragshandelns«, in: G. Rüter, P. Da-Cruz und P. Schwegel (Hrsg.),Gesundheitsökonomie und Wirtschaftspolitik, Lucius und Lucius, Baden-Ba-den, 348–362.

Stabell, C.B. und O.D. Fjeldstad (1998), »Configurating Value for Competiti-ve Advantage: On Chains, Shops, and Value Networks«, Strategic Manage-ment Journal 19(5), 413–437.

Zerth, J. (2012), »Rationierung oder Priorisierung im Gesundheitswesen: Wasleistet die Gesundheitsökonomie?«, WLH Diskussionspapiere Nr. 1 (2012),online verfügbar unter: www.wlh-fuerth.de.

Zerth, J. (2012), »Zur Bedeutung der Wettbewerbsrolle im Gesundheitswe-sen«, Zeitschrift für Wirtschaftspolitik 61, 299–309.

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Zur Diskussion gestellt

Bismarck plus Bahr: Die private Bürgerversicherung

Als Bismarck 1883 die deutsche GKV einführte, hatte erdie Einkommenssicherung von Arbeitern und deren Fami-lien im Krankheitsfall im Blick. Tatsächlich bezog sich diegesetzliche Krankenversicherung Bismarcks auf »Perso-nen, welche gegen Gehalt oder Lohn beschäftigt sind«,jedoch nicht auf Beamte und nicht auf Selbständige. Fürdie Beamten konnte der Staat durch Lohnfortzahlung undBeihilfe im Krankheitsfall selbst sorgen, und den Selbstän-digen mutete man neben dem unternehmerischen Risikoauch das Kostenrisiko einer Erkrankung zu. 130 Jahre hatsich das Krankenversicherungssystem Bismarcks mit die-sen drei unterschiedlichen Gruppen gehalten, wenn sichauch deren Zugangskriterien zwischenzeitlich differenzierthaben. Heute werden rund 4 Mill. Beamte im Krankheits-fall zu 50 bis 70% über die Beihilfe versorgt. Den Rest decktbei den Beamten eine freiwillige private Zusatzversiche-rung ab. Rund 4,5 Mill. Personen sind in der privaten Kran-kenversicherung (PKV) vollversichert. Es handelt sich hier-bei um Selbständige oder um Angestellte mit einem Mo-natsgehalt von über 4 350 Euro. Diese Schwelle markiertdie Versicherungspflichtgrenze: Beschäftigte, deren Ein-kommen oberhalb dieser Grenze liegt, haben das Rechtauf Privatversicherung. In der gesetzlichen Krankenversi-cherung (GKV) sind rund 70 Mill. Personen versichert. Dar -unter sind 5 Mill. mit einem Einkommen oberhalb der Ver-sicherungspflichtgrenze, die freiwillig in der GKV versichertsind. In der GKV kostenfrei mitversichert sind die Famili-enangehörigen der arbeitenden Mitglieder, soweit sie oh-ne eigenes Einkommen sind. Dies ist insofern konsequent,als sich die Beiträge nach dem Einkommen richten. Letz-teres geht wiederum darauf zurück, dass es im SystemBismarck ursprünglich vornehmlich um die Lohnfortzah-lung im Krankheitsfall ging.

Die aktuelle GKV besteuert die Arbeit und ist ungerecht finanziert

Die Dreiteilung des deutschen Krankenversicherungssys-tems hat sich historisch überholt. Sie würde sich, sollte sieweiterhin beibehalten werden, zunehmend als Belastungfür die deutsche Wirtschaft erweisen. Gesundheitsminis-ter Daniel Bahr hat dies im Prinzip erkannt, als er im Au-gust dieses Jahres die Abschaffung der Versicherungs-pflichtgrenze und damit die Öffnung der PKV für alle for-derte. Die Trennung zwischen GKV und PKV über die Ver-sicherungspflichtgrenze ist willkürlich. Sie schafft Ungleich-heit, wo doch alle vor dem Gesetz gleich sein sollten. Dar -über hinaus führt sie zu einer Verzerrung des Arbeitsange-bots im Zusammenhang mit der Lohneinkommensfinanzie-rung der GKV. Heute beträgt der Beitragssatz zur GKV15,5%. Zusätzlich belasten die Gesetzliche Rentenversi-cherung mit 18,8% und die Soziale Pflegeversicherung mit2,05% das Arbeitseinkommen. Gibt es bei der Rente im-merhin eine Proportionalität zwischen den gezahlten Bei-trägen und den künftig beanspruchten Leistungen, fehlt die-se in der Kranken- und Pflegeversicherung. Mit anderenWorten haben die Beiträge zur GKV ausschließlich den Cha-rakter einer Steuer auf Arbeit. Eine grobe Überschlagsrech-nung ergibt bei jährlich 170 Mrd. Euro Lohnbeiträgen an dieGKV und einer niedrig angesetzten Elastizität des Arbeits-angebots von 0,2 einen volkswirtschaftlichen Wohlfahrts-verlust von jährlich ungefähr 5 Mrd. Euro. Dieser Verlustließe sich bei einer anderen Organisation des deutschenKrankenversicherungssystems vermeiden.

Bahrs Vorschlag der Öffnung der PKV hat allerdings einenHaken, nämlich die freie Wahl der Bürger zwischen GKV undPKV. Für Geringverdienende ist die PKV finanziell uninte-ressant, weil sie für dieselbe Versicherungsdeckung in derprämienfinanzierten PKV einen höheren Beitrag zahlen müss-ten als in der GKV, wo die Beiträge lohneinkommensbezo-gen erhoben werden. Mit zunehmenden Einkommen steigtdaher die Attraktivität der PKV, so dass ab einem bestimm-ten Einkommensniveau der Privatversicherungsvertrag dieGKV-Alternative dominiert. Ebenfalls attraktiv ist die PKVfür gesunde Personen, weil ein Privatversicherer ihnen einegünstige Prämie anbieten kann. In der GKV ist dies einerKrankenkasse aufgrund des Diskriminierungsverbots dage-gen nicht möglich. Eine Öffnung der PKV verbunden mitder freien Systemwahl würde also zu einer noch stärkerenRisikoentmischung zwischen GKV und PKV führen: Ge-sunde und Reiche vornehmlich in der PKV, Kranke und Ar-me dagegen eher in der GKV. Als Folge davon müsste derGKV-Beitragssatz steigen. Ein weiteres ist im dreigeteiltenSystem der deutschen Krankenversicherung schief. Es istungerecht finanziert, da die Umverteilung zwischen hohenund niedrigen Einkommensbeziehern nur innerhalb der GKVgeschieht und daher die Privatversicherten nicht einschließt.Eine Umsetzung des vorliegenden Bahr-Vorschlags würde

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Stefan Felder*

* Prof. Dr. Stefan Felder ist Ordinarius für »Health Economics« an der Uni-versität Basel und Direktor des CINCH – competent in competi tion andhealth, Gesundheitsökonomisches Forschungszentrum in Essen.

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im Vergleich zu heute die Ungerechtigkeit in der Finanzie-rung des Gesundheitssystems noch verschärfen.

Bürgerversicherung mit individuell übertragbarenAlterungsrückstellungen

Ganz anders sähe eine konsequente Integration der GKVin die PKV aus. Dabei wären die lohneinkommensbezoge-nen Beiträge zugunsten von Versicherungsprämien aufzu-geben. Weiterhin wäre ein Mindestleistungspaket vorzu-schreiben, das öffentliche Krankenkassen wie private Ver-sicherer gleichermaßen ihren Versicherten anzubieten hät-ten. Das Mindestleistungspaket wäre im Sinne Bismarcksund böte allen Personen einen gesicherten Zugang zu ei-ner medizinischen Grundversorgung. Genau dies hatDeutschland übrigens mit dem GKV-Wettbewerbsstär-kungsgesetz 2007 bereits umgesetzt, als es die Kranken-versicherungspflicht einführte und von den Privatversiche-rern das Angebot eines Basistarifs ohne Risikozuschlägeverlangte. Was heute noch fehlt, ist die konsequente Um-setzung des Bahr-Vorschlags: die Einführung der Privatver-sicherung für alle.

In einem Bismarck-plus-Bahr-Krankenversicherungssystemgibt es mehrere Optionen für die Regulierung der Prämien.In einem unregulierten Krankenversicherungsmarkt folgendie Prämien den versicherten Risiken; Prämien unterschei-den sich daher nach dem Gesundheitszustand der Versi-cherten. Dies ist nicht nur aus Gerechtigkeitsgründen einProblem, sondern führt auch zu einem »Prämienrisiko«, wennÄnderungen des Gesundheitszustands zu einer Anpassungder Prämien zwingen (vgl. Kifmann 2008). Die aktuelle Prä-mienregulierung in der PKV, die dem Versicherten garantiert,dass eine Prämie nach Vertragsabschluss nicht mehr an denGesundheitszustand angepasst wird, und die gleichzeitigdie Kündigung durch den Versicherer ausschließt, stellt ei-ne Versicherung gegen das Prämienrisiko dar. Diese vor-teilhafte Eigenschaft ist allerdings mit dem erheblichen Nach-teil verbunden, dass sich der Wettbewerb in der PKV auf dieNeukunden beschränkt. Bestandskunden sind de facto anihren Versicherer gebunden.

Mit Hilfe von individuell übertragbaren Alterungsrückstel-lungen, ein von Meyer (2004) vorgeschlagenes Konzept,könnte auch ein Versicherungswettbewerb um Bestands-kunden in Gang kommen. Individuell übertragbare Rückstel-lungen richten sich nach der Differenz zwischen dem Bar-wert zukünftiger individueller Gesundheitsausgaben und demBarwert zukünftiger Prämieneinnahmen. Sie würden folglichnach dem Gesundheitszustand eines Versicherten differen-ziert sein. Anders als die im Basistarif vorgesehene Porta-bilität von durchschnittlichen Alterungsrückstellungen wür-de von individuell berechneten Alterungsrückstellungen kei-ne Gefahr der Risikoentmischung ausgehen. Alternativ könn-

ten vom Gesundheitszustand abhängige Transfers durchden Staat eingeführt werden (Pauly et al. 1991). StaatlicheTransfers würden den Aufbau und die Portabilität von indi-viduellen Alterungsrückstellungen erübrigen. Für beide Kon-zepte fehlen allerdings praktische Erfahrungen. Bei staatli-chen Transfers besteht zudem das Problem, dass sich Ver-sicherer und Versicherte zulasten des Staates einen finan-ziellen Vorteil verschaffen könnten.

Eine Bürgerversicherung à la Suisse oder à la Hollandaise

In der GKV sind dagegen einige Elemente bereits erprobt,die man für eine private Bürgerversicherung nutzen könn-te. Das bereits angesprochene in der GKV bestehende Dis-kriminierungsverbot könnte auch in einem PrämiensystemAnwendung finden. Ebenfalls eingeführt sind der Risikostruk-turausgleich, der dem Anreiz der Krankenkassen zur Risi-koselektion von Versicherten entgegenwirkt, und der Kont -rahierungszwang, der verhindert, dass Kassen hohe Risi-ken einfach nicht versichern. Diese drei Elemente zusam-men ermöglichen einen funktionierenden Krankenversiche-rungsmarkt, wie ihn die Schweiz kennt. Sie werden dort er-gänzt mit individuellen Prämienverbilligungen für Gering-verdienende, die über Steuereinnahmen finanziert werden.Probleme der horizontalen und vertikalen Gerechtigkeit beider Finanzierung des Krankenversicherungssystems wer-den anders als in Deutschland in der Schweiz vermieden,da sowohl die Transferzahlungen als auch deren Finanzie-rung ins Steuersystem integriert sind.

Wie die Schweiz haben auch die Niederlande eine Bürger-versicherung. Bei der Finanzierung hat man sich dort für ei-ne hälftige Aufteilung zwischen Lohnbeiträgen und Kopfprä-mien entschieden, ebenso wie für ein Diskriminierungsver-bot, einen Kontrahierungszwang und einen Risikostruktur-ausgleich. Das holländische System ließe sich in Deutsch-land vergleichsweise einfach umsetzen. Die Arbeitgebermüssten den bisher erhobenen Beitragssatz an die Arbeit-nehmer auszahlen. Letztere würden wie bisher rund 8% ih-res Lohneinkommens an die Bürgerversicherung zahlen. Daswürde neu auch für Beamte und Selbständige gelten. Indi-viduelle Prämienverbilligungen, die im Vergleich zum Schwei-zer Modell wegen der hälftigen Lohnproportionalität der Bei-träge viel geringer ausfallen könnten, würden das Systemabrunden. Die 4,5 Mill. nichtbeihilfeberechtigten Bestands-kunden der PKV dürften im bisherigen System verbleiben.Für alle anderen, einschließlich der Beamten, würde die neueprivate Bürgerversicherung zur Anwendung kommen. DieCDU sprach sich 2003 bei ihrer Delegiertenversammlungin Leipzig für das Modell der halben Gesundheitsprämie in-nerhalb der GKV aus. Es stand auch im Koalitionsvertragvon 2009, dessen Einführung wurde aber im Sommer 2010durch die CSU verhindert. Die CDU sollte das Konzept der

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halben Gesundheitsprämie aus der Schublade holen und esum den Einbezug von Beamten und Neuversicherten derPKV erweitern.

Ausblick

Eine gute Gesundheit und ein langes Leben sind superioreGüter: Mit zunehmendem Einkommen steigt deren Nach-frage überproportional. Steigende Einkommen der Haushal-te können zusammen mit dem medizinisch-technischen Fort-schritt erklären, weshalb der Gesundheitsbereich in allenmodernen Volkswirtschaften der am stärksten wachsendeSektor ist. Für Deutschland ist bis 2040 mit einem Beitrags-satz zur GKV von über 22% zu rechnen (vgl. Augurzky undFelder 2013). Weil die Rentenversicherung und die Pflege-versicherung zusätzlich den Faktor Arbeit verteuern, wer-den Reformen in den sozialen Sicherungssystemen immerdrängender. Die Dreiteilung des deutschen Krankenversi-cherungssystems ist historisch überholt, ineffizient und ein-kommenspolitisch fragwürdig. Eine private Bürgerversiche-rung mit übertragbaren individuellen Alterungsrückstellun-gen, ergänzt um staatliche Transfers an Geringverdienende,wäre eine, allerdings noch nicht erprobte Alternative. Einfa-cher umzusetzen wäre dagegen ein einheitliches System,angelegt an die GKV auf der Grundlage von kassenspezifi-schen Gesundheitsprämien, verbunden mit dem Risikostruk-turausgleich und mit individuellen Prämienverbilligungen. Diegeringste Umstellung erforderte ein hybrides System à laHollandaise, bei dem der Arbeitgeberbeitrag zur GKV denBeschäftigten ausgezahlt, der Arbeitnehmerbeitrag beibe-halten und auf Beamte und Selbständige erweitert sowieeine kleine Gesundheitsprämie eingeführt würden.

Literatur

Augurzky, B. und S. Felder (2013), Volkswirtschaftliche Kosten und Neben-wirkungen einer Bürgerversicherung, rwi Materialien Nr.75, Essen.

Kifmann, M. (2008), »Krankenversicherungswettbewerb und Prämienregu-lierung«, Zeitschrift für die gesamte Versicherungswirtschaft 97, 1–12.

Meyer, U. (2004), Sondervotum zum Abschlussbericht der Kommission zurReform des Versicherungsvertragsrechts bezüglich der Übertragbarkeit derAltersrückstellung in der PKV, Bamberg, online verfügbar unter: http://www.uni-bamberg.de/fileadmin/uni/fakultaeten/sowi_professuren/vwl_sozialpolitik/Meyer_Seiten/literatur/Meyer-2004-Sondervotum.pdf.

Pauly, M.V., P. Danzon, P. Feldstein und J. Hoff (1991), »A Plan for ‘Respon-sible National Health Insurance’«, Health Affairs 10, 5–25.

Reform ja, Bürgerversicherung nein

Das vorgegebene Thema dieser Rubrik ist sehr reizvoll, lädtes doch nach dem zumindest temporären Ableben der FDPbei der Bundestagswahl zu Spekulationen über die künfti-ge Ausrichtung der Gesundheitspolitik ein. Da ich aber, ins-besondere im Gesundheitsbereich, nur begrenztes Vertrau-en in Prognosen über politische Willensbildung habe, möch-te ich mich in sichereres Terrain begeben und das Themawie folgt leicht modifizieren: »Reform des Gesundheitssys-tems: Sollte die Einheitskasse kommen?« Auf diese modi-fizierte Frage lassen sich zwei klare Antworten geben:

1. Es besteht ein unabweisbarer Reformbedarf des deut-schen Krankenversicherungssystems.

2. Die Einheitskasse, mit der wohl in leicht polemischer Dik-tion die Bürgerversicherung gemeint ist, beseitigt zwarein zentrales Problem des Status quo, weist aber eineReihe gravierender ökonomischer und juristischer Pro-bleme auf und ist keine gute Reformoption. Sie sollte da-her nicht kommen.

Im Folgenden werden beide Aussagen begründet. Dabeiwird zunächst der Reformbedarf des momentanen Systemsaufgezeigt. Anschließend wird das Konzept der Bürgerver-sicherung näher beleuchtet, und es wird dargelegt, dasses eine deutlich bessere Option zur Reform des deutschenKrankenversicherungssystems gibt.

Die Inkonsistenz des Status quo

Das duale deutsche Krankenversicherungssystem ist welt-weit einmalig und in seiner momentanen Ausgestaltungs-form nicht das Resultat einer wie auch immer gearteten ge-sundheitspolitischen Strategie, sondern das Ergebnis his-torischer Zufälligkeiten. Bei der Einführung der GKV im Jahr1884 entfielen deutlich mehr als die Hälfte der Versicherungs-

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Martin Nell*

* Prof. Dr. Martin Nell ist Geschäftsführender Direktor des Instituts für Versi-cherungsbetriebslehre an der Universität Hamburg.

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leistungen auf das Krankentagegeld. Da das Krankentage-geld eine Lohnersatzleistung ist, waren die einkommens-abhängigen Versicherungsprämien Ausdruck einer grund-sätzlichen Äquivalenz zwischen Beitrags- und Leistungs-höhe (vgl. bspw. Breyer 2012, S. 656). Des Weiteren wur-den Besserverdienende von der Versicherungspflicht in derGKV ausgenommen, da sie im Krankheitsfall nicht existen-tiell auf das Krankentagegeld angewiesen waren. Mittlerwei-le hat sich die Situation grundlegend geändert, da die Lohn-ersatzleistung Krankentagegeld bei den Ausgaben der GKVnur noch eine sehr untergeordnete Rolle spielt und der weit-aus größte Teil der Ausgaben für ambulante und stationäreLeistungen sowie Medikamente anfallen. Damit haben alleGKV-Versicherten praktisch den gleichen Leistungskatalog.Da aber die Versicherungsbeiträge nach wie vor einkom-mens- und nicht etwa risikoabhängig erhoben werden, fin-det letztlich bedingt durch historische Zufälligkeiten inner-halb der heutigen GKV eine erhebliche Umverteilung statt,indem tendenziell Besserverdienende, Kinderlose und Ge-sunde die Gesundheitsausgaben von Geringverdienern, Fa-milien mit mehreren Kindern und chronisch Kranken sub-ventionieren. Diese systematische Umverteilung wird im Wei-teren als Solidarprinzip bezeichnet.

Ein Solidarprinzip kann sinnvoll nur innerhalb eines Pflicht-systems umgesetzt werden. Eine Wahlfreiheit einzelnerGruppen, ob sie an einem Solidarprinzip partizipieren wol-len, führt dagegen zwangsläufig zu kontraproduktiven Se-lektionseffekten. Genau dies ist aber in der Krankenversi-cherung der Fall, da zwar die große Mehrheit der Bevöl-kerung in der GKV pflichtversichert sind, Gutverdiener mitEinkommen oberhalb der Versicherungspflichtgrenze, Selb-ständige sowie Beamte aber von der Versicherungspflichtin der GKV befreit sind. Diese Gruppen können sich alter-nativ in der PKV versichern, bei der es kein Solidarprinzipgibt und stattdessen die Prämien nach dem individuellenGesundheitsrisiko kalkuliert werden. Gutverdiener undSelbstständige werden sich in der Regel nur dann für dieGKV entscheiden, wenn ihre Versicherungsprämie niedri-ger als die nach ihrem individuellen Krankheitskostenrisi-ko kalkulierte Prämie in der PKV liegt.1 Dies bedeutet aber,dass die Gruppe der freiwilligen Mitglieder von den übri-gen Beitragszahlern in der GKV subventioniert wird. Da-mit existiert momentan ein pervertiertes Solidarprinzip, indem die mittleren Einkommensbezieher sowohl Geringver-diener als auch Bezieher hoher Einkommen subventionie-ren. Darüber hinaus gibt es im Segment der freiwillig Ver-sicherten weitgehend keinen fairen, sinnvollen Wettbewerbzwischen GKV und PKV sondern es herrscht vielmehr einSelektionswettbewerb zu Lasten der GKV, da für junge undgesunde Versicherte ohne Kinder die PKV schon allein des-halb attraktiv ist, da sie dort Solidarbeiträge sparen, wäh-

rend für chronisch kranke Versicherte die PKV in der Re-gel nicht in Betracht kommt.

Das bestehende Krankenversicherungssystem ist daherweder unter verteilungspolitischen noch unter wettbewerb-lichen Gesichtspunkten sinnvoll und dringend reformbe-dürftig.

Eine auf den ersten Blick attraktive Option besteht darin, dasSolidarprinzip in der Krankenversicherung aufzugeben undnotwendige Umverteilungen vollständig auf das Steuer- undTransfersystem zu verlagern.2 Dies würde eine weitgehen-de Übernahme des PKV-Modells für die gesamte Kranken-versicherung bedeuten. Eine solche Reform ist allerdingspolitisch unrealistisch und inhaltlich mit erheblichen Proble-men verbunden.3 Eine andere Reformoption, die deutlichmehr Aufmerksamkeit erlangt hat und um die es im Fol-genden geht, besteht in einer Krankenversicherung gemäßden Spielregeln der GKV für alle Bürger. Die impliziert dieAbschaffung des PKV-Modells.

Die Bürgerversicherung: Stärken und Schwächen

Das bekannteste und meist diskutierte Reformkonzept imBereich der Krankenversicherung ist die Bürgerversiche-rung. Das duale Versicherungssystem soll durch einen ein-heitlichen, alle Bürger einbeziehenden Krankenversiche-rungsmarkt ersetzt werden, für den im Wesentlichen die Re-geln der GKV gelten. Es werden einkommensabhängige Prä-mien erhoben, wobei ein im Vergleich zu heute erweiterterEinkommensbegriff verwendet wird. Es gilt das Umlagever-fahren, so dass die Gesundheitsausgaben aus laufendenPrämieneinnahmen finanziert werden und innerhalb desKrankenversicherungssystems kein Kapitalstock gebildetwird. Der Umfang des Versicherungsschutzes ist für alle Bür-ger einheitlich. Weitergehende Wünsche können über pri-vate Zusatzversicherungen abgedeckt werden.

Ein Vorteil der Bürgerversicherung besteht darin, dass dieunsinnigen Verteilungswirkungen des Status quo vermiedenwerden, da das Solidarprinzip konsistent umgesetzt wird.Dieser Vorteil wird allerdings teuer erkauft: Erstens wird derVersicherungsschutz in der Grundversicherung normiert undsomit die Wahlfreiheit der Versicherten beschränkt. Es gibtzwar mehrere Versicherer, zwischen denen die Versicher-ten wählen können, so dass der Begriff Einheitskasse über-zeichnet ist, diese können sich aber lediglich einen Preis-wettbewerb liefern, während ein Produktwettbewerb aus-geschlossen ist. Ein solcher Produktwettbewerb mit demAngebot unterschiedlicher Tarife mit Selbstbeteiligungen wä-

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1 Bei Beamten ist die Situation etwas anders, da für sie aufgrund der Bei-hilferegelung eine Versicherung in der GKV in aller Regel nicht in Betrachtkommt und sie sich somit de facto in der PKV versichern müssen.

2 Dies ist der Kern des Konzepts der Bürgerprivatversicherung, vgl. Eekhoffet al. (2008).

3 Für eine detailliertere Auseinandersetzung mit dem Konzept der Bürger-privatversicherung vgl. Kifmann und Nell (2013, S. 3 ff.).

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re nicht nur aufgrund unterschiedlicher Bedürfnisse der Ver-sicherten, sondern auch wegen Steuerungsdefiziten im Ge-sundheitssystem wichtig. Zweitens schafft die zwingendeAufteilung in Grund- und Zusatzversicherung verstärkte In-formations- und Abgrenzungsprobleme. Drittens schwächtdie Ausweitung des Umlageverfahrens die Nachhaltigkeitdes Krankenversicherungssystems und stellt vor dem Hin-tergrund des demographischen Wandels eine Benachteili-gung künftiger Generationen dar. Viertens bestehen bei derEinführung der Bürgerversicherung erhebliche juristische Ri-siken. Die PKV ist ein partiell kapitalgedecktes System, sodass die Versicherten dort Alterungsrückstellungen aufbau-en. Eine Überführung der Privatversicherten mit ihren Alte-rungsrückstellungen in eine Bürgerversicherung ist aufgrundvon § 14 GG vermutlich nicht möglich, da Alterungsrück-stellungen Eigentumscharakter haben.4 Dieses Problemkönnte umgangen werden, indem die vorhandenen Privat-versicherten von einer Pflichtmitgliedschaft in der Bürger-versicherung ausgenommen würden. Die Konsequenz wä-re allerdings, dass es noch ca. 70 Jahre dauern würde, bisdie gesamte Bevölkerung in der Bürgerversicherung ver-eint wäre. Bis dahin würde die PKV im Bereich der Kran-kenvollversicherung als Zombie des deutschen Gesund-heitssystems ihre Bestände abwickeln. Diese Aussicht er-scheint wenig erbaulich.

Insgesamt fällt die Beurteilung des Konzepts der Bürgerver-sicherung negativ aus. Sie überwindet zwar die unsinnigenVerteilungswirkungen im Status quo, weist aber gravieren-de Nachteile auf und ist juristisch zudem mit großen Risi-ken verbunden. Eine weitgehend analoge Beurteilung gilt imÜbrigen für das Konzept der Gesundheitsprämie, das im po-litischen Bereich häufig als Gegenpol zur Bürgerversiche-rung angesehen, strukturell jedoch starke Gemeinsamkei-ten mit ihr aufweist. Der einzige grundsätzliche Unterschiedbesteht darin, dass die Versicherten einen einheitlichen, ein-kommensunabhängigen Beitrag zahlen, so dass ein Soli-darausgleich innerhalb des Krankenversicherungssystemsnur bzgl. unterschiedlicher Gesundheitsrisiken, nicht aber inBezug auf Einkommensunterschiede vorgenommen wird.Die genannten Kritikpunkte für die Bürgerversicherung tref-fen aber alle, wenn auch zum Teil in abgeschwächter Form,auf das Konzept der Gesundheitsprämie zu.

Die bessere Alternative: Reform des dualenKrankenversicherungssystems

Die Bürgerversicherung (und das Modell der Gesundheits-prämie) implizieren die Abschaffung des dualen Krankenver-sicherungssystems in Deutschland zugunsten eines einheit-lichen Versicherungsmarktes nach dem Vorbild der GKV.Dies ist wenig einleuchtend, weil beide Systeme ihre spezi-

fischen Vorteile gegenüber dem anderen System aufweisen.Die GKV hat einen klaren, teilweise regulatorisch beding-ten, Kompetenzvorsprung bei der Vertragsgestaltung mitden Leistungserbringern, und das in der GKV verwendeteSachleistungsprinzip hat Vorteile gegenüber dem Kostener-stattungsprinzip in der PKV. Dafür weist die PKV über dieKapitaldeckung in Zeiten des demographischen Wandelsein höheres Maß an Nachhaltigkeit auf und besitzt die deut-lich höhere aktuarielle Kompetenz bei der Gestaltung un-terschiedlicher Versicherungskonzepte. Bei einer Abwick-lung der PKV gingen diese Vorteile verloren. Damit stellt sichdie Frage, ob zur Beseitigung der verteilungs- und wettbe-werbspolitischen Unzulänglichkeiten des Status quo die Ab-schaffung des dualen Krankensystems wirklich notwendigist oder ob dies nicht wesentlich eleganter durch eine Re-form des dualen Systems erreicht werden kann.

Im Folgenden wird ein Reformkonzept skizziert, dass dasduale Krankenversicherungssystem erhält, mit moderatenÄnderungen des Status quo auskommt, konsistente Ver-teilungswirkungen und einen fairen Wettbewerb zwischenGKV und PKV sicherstellt, Produktvielfalt ermöglicht, dieTrennung von Grund- und Zusatzversicherung überflüssigmacht, die Kapitaldeckung des Gesundheitssystems nichtverringert und rechtssicher ist.5

Das zentrale Problem der momentanen Situation bestehtdarin, dass zwar grundsätzlich ein Solidarprinzip gilt, demsich aber Teile der Bevölkerung durch einen Wechsel in diePKV entziehen können. Um diesen Konstruktionsfehler zuheilen, muss sichergestellt werden, dass sich auch die PKV-Versicherten am Solidarprinzip beteiligen. Dies lässt sichvergleichsweise einfach mit einem bereits vorhandenenIns trumentarium bewerkstelligen. Um innerhalb der GKVtrotz des dort geltenden Solidarprinzips einen reinen Se-lektionswettbewerb um gesunde und gutverdienende Ver-sicherte zwischen den Versicherern zu verhindern, wurdedort der Gesundheitsfonds mit dem morbiditätsorientier-ten Risikostrukturausgleich (MorbiRSA) geschaffen. DieBeiträge der Versicherten fließen in den Gesundheitsfonds,der wiederum den Versicherern den nach MorbiRSA risi-kogerechten Betrag bezogen auf das GKV-Leistungsni-veau für jeden Versicherten überweist. Ist der MorbiRSArichtig justiert, so entspricht die Differenz zwischen der ein-kommensabhängigen Beitragszahlung an den Gesund-heitsfonds und der Zahlung des Gesundheitsfonds an denjeweiligen Krankenversicherer dem Solidarbeitrag einesVersicherten. Ist die Differenz positiv, leistet der Versicher-te einen Solidarbeitrag, ist sie negativ, empfängt er einenSolidarbeitrag. Der Konstruktionsfehler im momentanenSystem ließe sich folglich einfach heilen, indem jeder Bür-ger einen einkommensabhängigen Beitrag in den Gesund-heitsfonds zahlt und sein Versicherer unabhängig ob GKV

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4 Neben dem Problem mit § 14 GG käme bei der Einführung der Bürger-versicherung auch ein Verstoß gegen § 12 GG in Betracht.

5 Für eine ausführliche Darstellung des Reformvorschlags siehe Kifmann undNell (2013).

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oder PKV im Gegenzug aus dem Gesundheitsfonds denrisikoadjustierten Beitrag erhält. Eine solche Reform hättenicht nur eine konsistente Umsetzung des Solidarprinzipszur Folge, sondern würde einen fairen und umfassendenWettbewerb zwischen GKV und PKV ermöglichen. Es gä-be keinen Grund mehr, dem Großteil der Bevölkerung dieWahlfreiheit zwischen den Systemen zu nehmen, so dassdie Versicherungspflichtgrenze abgeschafft werden könn-te.6 Gute Risiken würden nicht allein deshalb die PKV be-vorzugen, weil sie dadurch ihren Solidarbeitrag sparen kön-nen, und umgekehrt käme ein Wechsel in die PKV auch fürGeringverdiener und/oder chronisch Kranke in Betracht,weil der Solidarbeitrag in die PKV mitgenommen wird. DesWeiteren könnte auf die Regulierung der Versicherungs-produkte weitgehend verzichtet werden, so dass auch dieTrennung in Grund- und Zusatzversicherung überflüssigwird.

Am Geschäftsmodell der GKV würde sich nichts ändern.Auch bei der PKV wären die Änderungen gering. Die Ver-sicherer erhalten Zahlungen aus dem Gesundheitsfonds,die in die Kalkulation eingehen und die Prämien verringernwürden.

Eine zentrale Voraussetzung der Reform ist ein leistungsfä-higer MobiRSA, in den alle relevanten medizinischen Infor-mationen einfließen und der regelmäßig weiterentwickeltwird. Die momentan politisch festgelegte Begrenzung auf80 Krankheiten gehört abgeschafft. Es ist eine aktuarielleund keine politische Frage, welche und wie viele Krankhei-ten in den MorbiRSA eingehen. Ohne solche willkürlichenpolitischen Restriktionen kann der MorbiRSA zu einem Sys-tem entwickelt werden, das die erwarteten zukünftigen Ge-sundheitsausgaben eines Versicherten gemäß den verfüg-baren Informationen bestmöglich schätzt und bei Auftretenneuer Informationen anpasst.

Die Einbeziehung der PKV-Versicherten in den Gesundheits-fonds bewirkt einen partiellen Übergang zum Umlageverfah-ren. Die künftigen Alterungsrückstellungen in der PKV wer-den niedriger ausfallen, wodurch sich die Kapitaldeckungdes Gesundheitssystems insgesamt verringert. Dieser Ef-fekt lässt sich aber neutralisieren, indem die zusätzlichenNettoeinnahmen des Gesundheitsfonds im Zuge der Re-form nicht in Beitragssenkungen, sondern in die Bildung ei-nes Kapitalstocks fließen. Dann käme es zu keiner Entlas-tung älterer Generationen und damit auch nicht zu einerBelastung künftiger Generationen.

Fazit

Die Bürgerversicherung beseitigt den Konstruktionsfehlerunseres Gesundheitssystems mit dem Holzhammer undschweren Nebenwirkungen. Das bestehende duale System

wird unter Inkaufnahme gravierender juristischer Risiken ab-gewickelt zugunsten eines staatlich verordneten, einheitli-chen Versicherungsmarktes ohne nennenswerte Produkt-vielfalt. Dabei wäre es viel besser, durch eine Reform desdualen Systems die Voraussetzungen für einen fairen Wett-bewerb zu schaffen, in dem sich die Unternehmen der GKVund der PKV bewähren müssen.

Literatur

Breyer, F. (2012), »Legale und illegale Wege zu einer Bürgerversicherung«,Wirtschaftsdienst 92, 655–658.

Eekhoff, J., V. Bünnagel, S. Kochskämper und K. Menzel (2008), Bürgerpri-vatversicherung, Mohr Siebeck, Tübingen.

Kifmann, M. und M. Nell (2013), »Fairer Systemwettbewerb zwischen gesetz-licher und privater Krankenversicherung«, hche Research Paper No. 2013/01,Hamburg, Juli.

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6 Ebenso sollten bestehende Wettbewerbshindernisse, wie Restriktionen fürdie PKV bei der Vertragsgestaltung mit Leistungserbringern, abgeschafftwerden.

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Die Alternative zur Einheitskasse lautet:Neue Dualität!

Die Frage »Kommt die Einheitskasse?« wäre auch eine Her -ausforderung für britische Buchmacher. Denn wer hat schonbesondere Einsichten in die Wertvorstellungen und Abwä-gungen der Wähler und Bürger und könnte somit eine sol-che Frage beantworten? Auch den Kollegen der Demosko-pie mag dies wohl nicht ganz gelingen. Insofern können wirhier gleich zu Anfang zu Protokoll geben: Wir wissen es nicht,ob in Zukunft in Deutschland eine Einheitskasse (oder einfaktisches Oligopol von einigen großen Krankenkassen) dievielfältigen Strukturen im deutschen Krankenversicherungs-wesen ablöst. Was wir allerdings wissen, ist, dass Deutsch-land in naher Zukunft in der Gesundheitspolitik eine Ent-scheidung treffen muss – eben hin zur Einheitskasse oderaber in eine neue Dualität in der Krankenversicherung.

Finanzierungsproblem I: Gesetzliche Kranken -versicherung

Derzeit befinden sich die gesetzlichen Krankenkassen auf-grund der guten Konjunktur noch in einer relativ komfor-tablen Position. Dies wird sich jedoch im Zeitablauf – unab-hängig von der konjunkturellen Entwicklung – ändern. DieEinnahmen werden bei Beibehaltung der lohnabhängigenBeiträge aufgrund des demographischen Wandels auf je-den Fall relativ zurückgehen. Derzeit ist noch ein großer Teilder sogenannten Baby-Boomer-Kohorten in Lohn und Brot,doch selbst bei steigendem Renteneintrittsalter werden die-se geburtenstarken Jahrgänge immer weniger zur Finan-zierung der gesetzlichen Krankenversicherung beitragen.Selbst bei erheblicher Nettozuwanderung ist dieser Effektauf der Einnahmenseite nicht auszugleichen. Zeitgleich wer-

den die Ausgaben relativ stark ansteigen. In welchem Ma-ße ist unter Medizinern und Gesundheitsökonomen nochumstritten, hängt dies doch davon ab, ob wir gesund oderkrank altern werden und wie erfolgreich (und damit ausga-bensteigernd) die Kollegen der Medizin in Zukunft forschenwerden. Doch selbst im optimistischen Szenario einer ge-sunden Alterung und eines medizinischen Fortschritts, wel-cher Produkt- und Prozessinnovationen in der Balance hält,gilt, dass die geburtenstarken Kohorten altern und damitmehr Leistungen in Anspruch nehmen werden.

Finanzierungsproblem II: Die Beihilfe der Beamten

In der Diskussion um die Entwicklung der Umlagefinanzie-rung im deutschen Krankenversicherungssystem wird oftvergessen, dass neben der gesetzlichen Krankenversiche-rung noch ein weiteres System existiert, welches ebenfallsUmlagecharakter besitzt: Die Beihilfe der Beamten. Hier istdas Problem noch etwas diffiziler als im oben beschriebe-nen Fall der gesetzlichen Krankenversicherung. Denn dieEinnahmen sind mehr oder minder durch die Demographieder Gesamtbevölkerung bzw. der Steuerzahler determiniert.Somit greift auch hier das Argument der langsam in den Ru-hestand gehenden Baby-Boomer-Generationen. Auf derAusgabenseite allerdings ist die Einstellungspolitik der Ge-bietskörperschaften der vergangenen Jahrzehnte entschei-dend. Die Einstellungswellen der 1970er Jahre im Bildungs-bereich führen dazu, dass die Ausgaben für die Beihilfe nochschneller und stärker ansteigen werden, als dies bei dergesetzlichen Krankenversicherung der Fall ist. Auch hiermuss es somit zu einer gesundheitspolitischen Richtungs-entscheidung kommen.

Der gesundheitspolitische Scheideweg

Aufgrund der beschriebenen, wenig nachhaltigen Finanzie-rung großer Teile der öffentlichen Gesundheitsabsicherungsteht die deutsche Gesundheitspolitik in den kommendenJahren am Scheideweg. Denn um das Problem der fehlen-den Tragfähigkeit von gesetzlicher Krankenversicherung undBeihilfe zu lösen, gibt es grundsätzlich zwei Möglichkeiten– natürlich wiederum mit zahlreichen Varianten. Die ersteMöglichkeit dabei ist tatsächlich der Weg in die Einheits-kasse. Dieser wurde in Teilen bereits in den Gesundheitsre-formen des vergangenen Jahrzehnts angelegt. Würde mandiesen Weg weiter fortbeschreiten, hätte dies zur Konse-quenz, dass wir die notwendige Rationierung im Gesund-heitswesen dem Staat überlassen. Die Verstaatlichung dürf-te dann nicht bei den Krankenkassen aufhören. Ärzte undandere Leistungserbringer würden dann quasi zu Beam-ten, die nach Wartelisten und Punktesystemen behandel-ten, alle paar Jahre vom »Qualitätssicherungshauptamt«

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Bernd Raffelhüschen* Christian Hagist**

* Prof. Dr. Bernd Raffelhüschen ist Direktor des Instituts für Finanzwissen-schaft I/Forschungszentrum Generationenverträge an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg.

** PD Dr. Christian Hagist ist Akademischer Rat am Institut für Finanzwis-senschaft I/Forschungszentrum Generationenverträge an der Albert-Lud-wigs-Universität Freiburg.

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überprüft würden, und täglich um fünf Uhr nach Hause gin-gen. Das klingt abschreckend, wäre aber durchaus eine rea-listische Option – der Preis ist jedoch eine Zwei-Klassen-Medizin per se: Der Arme bekommt die Grundversorgung,der Reiche geht, wie in Großbritannien, woanders hin.

Die Alternative hierzu ist die Rationierung durch den Markt,und diese geht dann über Wettbewerb und Preise. Ärzteund Krankenhäuser würden zu Unternehmen, die mit derGesundheit Geld verdienen wollen und sollen. Die Patien-ten wären dann entsprechend Kunden und bekämen für dieLeistungen eine Rechnung, die sie selbst beglichen und des-halb gut kontrollierten, da sie nur einen gewissen Anteil er-stattet bekommen würden. Wie ein solches System auf derVersicherungsseite aussehen könnte, soll in den kommen-den Zeilen unter dem Titel der »neuen Dualität« vorgestelltwerden. Das Attraktive an dieser Idee, die keineswegs al-lein aus unserer Feder stammt, sondern wohl eher einenKonsens vieler Volkswirte darstellt, ist, dass sie einzelne Teil-aspekte der Vorstellungen verschiedener gesellschaftlicherGruppen aufgreift und vereint.

Die neue Dualität

Lehnt man die Einheitskasse aufgrund befürchteter Ineffi-zienzen bzw. aufgrund von Wertvorstellungen (Wahlfreiheit,Individualismus etc.) ab und will man sich trotzdem dem Pro-blem der fehlenden Nachhaltigkeit der bisherigen Gesund-heitspolitik stellen, so bleibt nichts anderes übrig, als kon-sequent den Weg in ein wettbewerbliches Krankenversiche-rungsumfeld zu gehen. Doch wie kann dies ausgehend vonder aktuellen, historisch gewachsenen Zweiteilung des deut-schen Krankenversicherungsmarktes geschehen? Die Ant-wort lautet darauf, dass es nicht der Abschaffung der Dua-lität à la Bürgerversicherung bedarf, sondern vielmehr denGang in eine neue Dualität aus Basis- und Zusatzversor-gung. So könnte die historisch bedingte Teilung der Versi-chertenschaft aufgelöst und trotzdem die Vorteile beider Sys-teme genutzt bzw. aufrechterhalten werden.

Die Basisversorgung stellt dabei den Ausgangspunkt dar.Alle Bürger sind verpflichtet, eine Versicherung über den zudefinierenden Basiskatalog abzuschließen – auch soweitrechtlich möglich heutige Privatversicherte. Hierin sind sichBürgerversicherung und Marktlösung also durchaus gleich.Die Finanzierung erfolgt ebenfalls im Umlageverfahren – al-lerdings nicht mit lohnabhängigen Beiträgen, sondern mitsogenannten Bürgerpauschalen. Diese werden durch einensteuerfinanzierten Solidarausgleich flankiert. Der reichereHaushalt solidarisiert sich also auch weiterhin mit dem är-meren Pendant, allerdings in transparenter Weise und un-ter Heranziehung aller Einkunftsarten und nicht nur des Loh-nes. Wie bereits im jetzigen System sollte ein Risikostruk-turausgleich die Risikoauslese hemmen. Ein Selbstbehalts-

system, ähnlich dem in der Schweiz, verhindert die in -effiziente Nutzung von Leistungen in dieser Pflichtversor-gung. Die Preisverhandlungen mit den Leistungserbringernsowie die Qualitätskontrolle müsste durch eine unabhängi-ge Ins tanz wie etwa einem erweiterten Institut für Qualitäts-sicherung und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen er-folgen, und auch die Administration sollte möglichst vomPolitikbetrieb fern, analog bspw. zur Bundesbank, gestaltetwerden.

Der kritische Leser könnte an dieser Stelle einwenden, dasseine solche Basisversorgung durchaus auch den Charak-ter einer Einheitskasse hat. Denn auch wenn in unseren Vor-stellungen die Basisversorgung wiederum ähnlich wie inder Schweiz von mehreren Profit- oder Non-Profit-Unter-nehmungen angeboten werden könnte, so ergeben sichdoch einige Parallelen wie etwa das erweiterte IQWiG als»Qualitätssicherungshauptamt«. Doch ist dies genau derPunkt. Der Staat sollte eben nur den unverzichtbaren Teilder Gesundheitsabsicherung organisieren. Dies kann er auf-grund asymmetrischer Information und anderer Aspekte desMarktversagens sicher besser als der Markt. Die entschei-dende Frage ist dabei gar nicht, wie genau das »Qualitäts-sicherungshauptamt« aussehen müsste, sondern was alsunverzichtbar in den Leistungskatalog der Basisversorgungaufgenommen werden muss. Dies ist keine einfache Frage,doch eine Antwort ist sicher: Sie sollte wohl deutlich gerin-ger ausfallen als der derzeitige Leistungskatalog der gesetz-lichen Krankenversicherung. In unseren durchaus deutlichreicheren Nachbarländern wie der Schweiz oder Norwe-gen ist z.B. die dentalmedizinische Absicherung Privatsa-che: Die kaum lebensbedrohlichen Krankheitsbilder, die Mög-lichkeit von Kostenvoranschlägen sowie einfache Präventi-onsmaßnahmen und sich wiederholende Behandlungsmus-ter prädestinieren die Zahnmedizin für eine rein marktwirt-schaftliche Allokation. Auch auf andere Bereiche wie etwadie Kuren könnte sich die Gesellschaft sicherlich schnell ei-nigen, während es bei anderen Feldern (freie Arztwahl, stren-ger Generikavorrang etc.) sicherlich kontroversen Diskussi-onsbedarf geben dürfte.

Genauso wichtig wie der heutige Umfang der Basisversor-gung ist es, den zukünftigen zu begrenzen. Will heißen: Ei-ne Dynamisierung der Leistungen kann nur im Umfang derWachstumsrate der Einnahmebasis erfolgen. Einnahmenund Ausgaben müssen sich im Einklang entwickeln. Diesbedeutet jedoch, dass das Gros des medizinisch-techni-schen Fortschritts zur zweiten Säule der Gesundheitsabsi-cherung – der Zusatzversorgung – gehören würde.

Im Gegensatz zur Basisversorgung sollte die Zusatzversor-gung so frei und wettbewerblich wie möglich ausgestaltetsein. Auf der einen Seite hieße dies, dass die Versicherungs-unternehmungen Gesundheitsprüfungen durchführen kön-nen und diese sich dann auch in risikoabhängigen Prämien

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widerspiegeln würden. Auf der anderen Seite gilt ein stren-ger Wettbewerb der Anbieter, egal ob profit- oder gemein-wohlorientiert, ob als Aktiengesellschaft, Versicherungsver-ein auf Gegenseitigkeit oder eingetragene Gesundheitsge-nossenschaft. Wichtig dabei ist nur, dass für alle Organisa-tionsformen die gleichen Spielregeln gelten; sowohl im Steu-errecht als auch in kartellrechtlicher Hinsicht.

Die Tarife können nach versicherungsmathematischenGrundsätzen natürlich kapitalgedeckte Elemente enthalten– sofern dies eben sinnvoll ist. Die bisherigen Anwartschaf-ten der heutigen Privatversicherten könnten hierin auch auf-gehen. Jedoch wäre darauf zu achten, dass es sich um ei-ne echte Kapitaldeckung handelt wie bspw. beim norwegi-schen Generationenfonds. Die derzeitigen Anlagevorschrif-ten des Versicherungsaufsichtsgesetzes führen nämlich zueiner weiteren Umlagefinanzierung durch die Hintertür – in-dem die Versicherungsunternehmungen faktisch gezwun-gen werden, Staatsschuldtitel zu kaufen und zu halten. Woaber der Beitragszahler für die heutigen Krankenkassen nichtgeboren wurde, fehlt auch der Steuerzahler zur Bedienungder Staatspapiere.

Fazit

Niemand weiß, ob die Einheitskasse kommt. Möglich ist sieauf jeden Fall. Doch es gibt durchaus attraktive Alternativen.Die derzeitige Zweiteilung des Krankenversicherungsmark-tes ist absurd, denn sie verordnet 90% der Bevölkerung dasgleiche Maß an Krankenversicherungsschutz. Es bedarf nichtviel Phantasie, dass dies keineswegs den Präferenzen die-ser 90% entspricht und dass es wohl effizientere Lösungengeben dürfte – wo der risikoaverse Familienvater sich einMehr an Gesundheitsschutz leistet als die risikofreudige Al-leinstehende.

Ein solches System würde nicht nur die Tragfähigkeit deröffentlichen Gesundheitssicherung stärken und somit einegleichmäßigere Verteilung der Lasten über die Generatio-nen induzieren, sondern auch aufgrund der Bürgerpauscha-len die Finanzierung vom Arbeitsmarkt abkoppeln. Der inder zweiten Säule herrschende Wettbewerb dürfte auchdas Missverhältnis von Produkt- zu Prozessinnovationenbeim medizinisch-technischen Fortschritt gerade rückenund somit ebenfalls die Tragfähigkeit des Gesundheitssys-tems stärken.

Welcher Weg der beiden skizzierten nun allerdings beschrit-ten werden soll, bleibt ein politisches Werturteil, bei dem derÖkonom als Gesellschaftsingenieur nur die Qual der Wahlbeschreiben kann und nichts mit dem Ausgang zu tun hat.Statistisch gesehen handelt es sich um die Entscheidungzwischen zwei Verteilungen. Der kollektivistische Weg sorgtdafür, dass bei einer politisch vorgegebenen Durchschnitts-

versorgung kaum eine Varianz im Versorgungsniveau auf-tritt. Er ist also essentiell egalitär im Gegensatz zur markt-wirtschaftlichen Allokation der Gesundheitsversorgung, dietoleriert, dass der Reiche sich viel mehr vom Gut »Gesund-heit« leisten kann als der »Arme«. Allerdings ist es nicht un-wahrscheinlich, dass Letzterer durch Formen der Quersub-ventionierung und die Schöpfung von Effizienzreserven amEnde auch im Durchschnitt besser versorgt wird.

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Extremereignisse, wie Stürme, Dürren undÜberschwemmungen, werden – wie man-che meinen – zahlreicher und drastischer,und zwar als Folge des Klimawandels. Vordiesem Hintergrund stellt sich die Frage,welche Auswirkungen das Auftreten vonNaturkatastrophen auf die Wirtschaftsleis-tung haben.

In der Theorie ist die Vorhersage klar: Wenneine Naturkatastrophe einen Teil des Be-stands des produktiven Kapitals und derInfrastruktur eines Landes zerstört, dannsinkt zunächst die Produktionskapazität,und das Pro-Kopf-Einkommen fällt; d.h.,der kurzfristige Wachstumseffekt ist nega-tiv. In der Folge steigt der Kapitalstock wie-der durch verstärkte Investitionen, wo-durch das Wachstum des Landes kurz-fristig über den langfristigen Trend geho-ben wird. Wenn die neuen Kapitalgüter ef-fizienter sind als der Bestand, können dievorzeitigen Ersatzinvestitionen das Pro-duktivitätswachstum kurzfristig noch be-schleunigen. Wie stark diese Aufholpro-zesse ausfallen, hängt von den Institutio-nen und der Offenheit eines Landes ab:Offene Volkswirtschaften können den Ka-pitalstock durch Importe schneller wiederaufbauen als geschlossene. Das heißt, dieKatastrophe führt unmittelbar zu einemEinbruch der Wirtschaftsleistung, im An-schluss ist eine kurzfristige Erhöhung desWachstums über den Trend möglich. Si-cher ist aber, dass die Katastrophe denGegenwartswert des Einkommens derVolkswirtschaft absenkt.

Die empirische Literatur findet allerdingshöchst unterschiedliche Ergebnisse (vgl.

Albala-Bertrand 1993; Skidmore und Toya 2002; Noy 2009; Cavallo et al. 2010;Strobl 2011; Loayza et al. 2012; Felber-mayr und Gröschl 2013a). In Felbermayrund Gröschl (2013b) haben wir368 Punktschätzer aus der Literatur un-tersucht, mit dem Ergebnis, dass in etwadie Hälfte der statistisch signifikanten Ko-effizienten für die unmittelbaren BIP-Ef-fekte positive Vorzeichen hat, also im Wi-derspruch zu den theoretischen Überle-gungen steht. Dieser Befund ist, nach un-serer Annahme, auf die Verwendung in-adäquater Daten zurückzuführen.

Aktuelle Trends und Kosten

Bereits existierende Datensätze zu Natur-katastrophen, die – wie etwa die Emer-gency Events Database (EM-DAT) – aufVersicherungs- und Pressemeldungenaufbauen, sind aus zwei Gründen nichtfür die empirische Kausalanalyse der Aus-wirkungen von Naturkatastrophen auf dieWirtschaftsleistung geeignet: Erstenshängt es von Ländercharakteristika ab(z.B. von der Versicherungsdurchdrin-gung), welche Extremereignisse sich inder Datenbank befinden, zweitens basie-ren die Daten weitgehend auf ökonomi-schen Schadensmeldungen und sind da-her selbst eine Funktion der ökonomi-schen Entwicklung, die es in den Schätz-gleichungen zu erklären gilt (vgl. Kahn2005; Toya und Skidmore 2007). Damitentsteht das Problem einer Scheinkorre-lation: In Ländern mit hohem BIP pro Kopfwerden Naturkatastrophen mit einer hö-heren Wahrscheinlichkeit überhaupt ge-

von Naturkatastrophen

Gabriel Felbermayr und Jasmin Gröschl

Natürlich negativ: Der Wachstumseffekt

Während vor allem der Klimawandel und extreme Wetterereignisse fortwährendes Interesse an den

Konsequenzen von Naturkatastrophen für die Wirtschaftsleistung von Ländern hervorrufen, lei-

den empirische Untersuchungen unter einer unzureichenden Datenlage. Typischerweise werden

Schadensmeldungen zur Messung von Katastrophen verwendet, wodurch die Identifikation eines

kausalen Effektes auf das Wirtschaftswachstum erschwert wird: Über Wetterereignisse in reiche-

ren Ländern wird häufiger berichtet, und ihre Schwere korreliert mit dem Pro-Kopf-Einkommen der

Länder. Dies führt dazu, dass die negativen Effekte von Katastrophen unterschätzt werden. Eine

neue Datenbank, die ausschließlich physikalische Maßeinheiten von Naturkatastrophen beinhal-

tet, erlaubt unverzerrte Antworten auf zwei bedeutende Fragen: Wie wirken sich Naturkatastro-

phen auf das Pro-Kopf-Einkommen aus? Kann der Effekt durch qualitativ bessere Institutionen,

mehr Handelsoffenheit und Offenheit der Finanzmärkte entschärft werden?

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meldet, und die Intensität der Katastropheist umso höher, je höher das Pro-Kopf-Ein-kommen ist.

Um jedoch den kausalen Zusammenhangzwischen Naturkatastrophen und dem Pro-Kopf-Einkommen eindeutig bestimmen zukönnen, sind exogene Maße, wie etwa phy-sikalische Intensitätsmaße der Naturkata-strophen, notwendig (vgl. Noy 2009; Ca-vallo et al. 2010). Aus diesem Grund erstel-len wir einen umfangreichen Datensatz(GeoMet-Daten), der alle Naturereignisseund ihre physikalische Intensität enthält. DieGeoMet-Daten werden aus geophysischenund meteorologischen Primärquellen ge-wonnen.1 Daraus entstehen zwei Daten-sätze: (i) ein auf Ereignissen basierenderDatensatz mit Informationen zur Intensitätder jeweiligen Naturkatastrophe, dem Mo-nat, Jahr und Land und (ii) ein zweiter ma-kroökonomischer Datensatz auf Länder-Jahr Ebene.

Die Probleme schadensbasierter Kennzahlen werden schnelldeutlich, wenn man die Anzahl der erfassten Naturkatas -trophen über die Zeit betrachtet. Abbildung 1 stellt beispiel-haft für geophysische und meteorologische Ereignisse Erd-beben und Stürme dar. Um die Daten von GeoMet und EM-DAT vergleichen zu können2, normieren wir das Aus-gangsjahr 1979 auf 100. Die Erwartung, dass Erdbeben überden betrachteten Zeitraum von 30 Jahren keinen Trend überdie Zeit aufweisen, bestätigt sich. Weder die EM-DAT nochdie GeoMet-Zeitreihe zeigen einen statistisch signifikantenTrend. Allerdings ist die Volatilität der EM-DAT-Reihe deut-lich höher als die der GeoMet-Daten.

Betrachtet man die Anzahl der Stürme, stellt sich die Situa-tion anders dar. Hier weist die EM-DAT-Reihe einen eindeu-tigen und starken Trend auf, die GeoMet-Reihe zeigt zwarseit 1979 auch einen Anstieg der Anzahl der jährlichen Stür-me; dieser fällt aber wesentlich geringer aus, und der inden EM-DAT-Daten beobachtete starke Anstieg seit 1985ist überhaupt nicht zu sehen. Wieder fällt auf, dass die Ver-sicherungsdaten sehr viel volatiler sind. Diese Beobach-tung legt nahe, dass die steigende Versicherungsdurchdrin-gung und das Wirtschaftswachstum selbst mit dem Anstiegder berichteten Ereignisse in EM-DAT zu tun haben könn-ten. Abbildung 1 sagt indes nichts über die Intensität derStürme im Zeitverlauf aus.3

Auffällig ist, dass sich die Verteilung der physischen Ausprä-gungen von Erdbeben, Vulkanausbrüchen, Stürmen undHurrikanen, Dürren und Temperaturextremen (abgesehenvon Überflutungen) in den GeoMet-Daten stark von denenin EM-DAT unterscheidet und oftmals links von dieser liegt(vgl. Abb. 2), d.h., EM-DAT listet große Katastrophen mit ho-hen Intensitätsausprägungen sehr viel häufiger auf als Er-eignisse mit kleinen Ausprägungen.

Die EM-DAT (oder ähnliche Daten) sind dennoch nützlich:Kombiniert man die Schadensinformation mit den Geo-Met-Daten, lässt sich die Frage beantworten, welche Ein-flüsse die Intensität einer Naturkatastrophe und die insti-tutionellen Eigenschaften der Länder auf die gemeldetenKosten haben. Tabelle 1 zeigt die Ergebnisse einer Regres-sionsanalyse4, in der menschliche und monetäre Schä-den durch Erdbeben und Stürme mit Hilfe der physischenStärke der Ereignisse und mit Ländereigenschaften er-klärt werden sollen. Dabei unterstellen wir einen exponen-tiellen Zusammenhang zwischen Naturkatastrophenstär-ke und Schaden.

Es zeigt sich, dass höhere Ausprägungen der physikalischenIntensität der Ereignisse zu höheren Schäden führen, undzwar in der Tat exponentiell. Ein Erdbeben der Stärke 7 aufder Richterskala verursacht um 83% mehr Tote und nega-

20

40

60

80

100

120

140

160

180

1980 1985 1990 1995 2000 2005 2010

GeoMet-Dat

100

200

300

400

500

600

1980 1985 1990 1995 2000 2005 2010

EM-DAT

Erdbeben Stürme und Hurrikane

Naturkatastrophen in EM-DAT und GeoMet-Daten über die Zeit

Anzahl, normalisiert auf 100 in 1979

Korrelation Erdbeben: -0186 (0.3060) Korrelation Stürme u. Hurrikane: 0.543 (0.0013)

Anmerkung: Ereignisbasierter Datensatz (EM-DAT + GeoMet-Daten). Anzahl der Naturkatas -trophen auf 100 im Jahr 1979 normiert. Um hinreichend große Ereignisse zu erfassen, wer-den Erdbeben ab einer Richterskala von 4 und Stürme ab einer Windgeschwindigkeit von64 Knoten (Hurrikan Skala 1 und höher) abgebildet. Für EM-DAT nutzen wir alle aufgelistetenEreignisse.

Quelle: Berechnungen der Autoren.

Abb. 1

1 Das heißt, die Primärdaten kommen von Wettersatelliten, Klimastationenund seismographischen Messungen. Für eine detaillierte Beschreibungdes GeoMet-Datensatzes vgl. Felbermayr und Gröschl (2013b).

2 Die Datenbanken verwenden unterschiedliche Mindestanforderungen da-für, dass ein Naturereignis eine Naturkatastrophe darstellt.

3 In der Periode 2000–2010 gab es relativ weniger Stürme von 60–90 km/hWindgeschwindigkeit und relativ mehr stärkere Stürme als in der Periode1990–2000. Der Unterschied ist allerdings statistisch nicht von null zu un-terscheiden.

4 Mit unserer Analyse erweitern und aktualisieren wir eine Untersuchungvon Kahn (2005).

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tiv betroffene Personen sowie einen um 62% höheren mo-netären Schaden als ein Erdbeben der Stärke 6. Ein Sturmmit Geschwindigkeit 120 km/h verursacht um 30% mehr To-te, um 68% mehr negativ Betroffene und einen um 62%höheren monetären Schaden als ein Sturm mit Geschwin-digkeit von 100 km/h.

Außerdem zeigt sich sehr deutlich, dass das Pro-Kopf-Ein-kommen einen signifikanten Einfluss auf die Höhe der Kos-ten hat. In reicheren Volkswirtschaften verursachen Na-turkatastrophen höhere monetäre Schäden, während dieAnzahl der Toten oder negativ betroffenen Personen ge-ringer ausfällt. Dies ist keineswegs verwunderlich: Rei-chere Länder verfügen über mehr und wertvolleres Kapi-tal, das zerstört werden kann. Und sie sind besser in derLage, ihre Bevölkerung vor Gesundheitsschäden zu schüt-zen. Die Analyse liefert ein weiteres Indiz dafür, dass dieVerwendung von Schadensmeldungen in einer Wachs-tumsregression eine kausale Interpretation der Ergebnis-se verunmöglicht.5

Auswirkungen von Naturkatastrophen auf dieWirtschaftsleistung

Um den Einfluss von Naturkatastrophen auf das Wirt-schaftswachstum zu untersuchen, schätzen wir ein dyna-misches Wachstumsmodell. Dabei folgen wir Mankiw et al.(1992), Islam (1995) und der darauf folgenden empirischenWachstumsliteratur. Wir erklären die Wachstumsrate desBIP pro Kopf eines Landes durch das (logarithmierte) Ni-veau des BIP des vorangegangenen Jahres und durchwachstumsrelevante Variablen wie Bruttoinvestitionen, Be-völkerungsentwicklung, ausländische Direktinvestitionen,Offenheit der Ökonomie oder Indikatoren der Qualität derInstitutionen (vgl. Skidmore und Toya 2002; Noy 2009;

0 2 4 6 8 10Richterskala

Kernel = Epanechnikov, Bandbreite = 0.5

Erdbeben

−2 0 2 4 6 8Vulkanexplosivitätsindexx

Kernel = Epanechnikov, Bandbreite = 1.2

0 50 100 150 200Windgeschwindigkeit in Knoten

Kernel = Epanechnikov, Bandbreite = 6.0

−10 −5 0 5Log Differenz des monatlichen Niederschlags in mm

Kernel = Epanechnikov, Bandbreite = 0.2

−10 −8 −6 −4 −2 0Absolute log Differenz des monatlichen Niederschlags in mm

Kernel = Epanechnikov, Bandbreite = 0.5

−15 −10 −5 0 5Log Differenz der monatlichen Temperatur in °C

Kernel = Epanechnikov, Bandbreite = 0.55

GeoMet−Daten EM−DAT

Stürme und Hurrikane

Dürren

Vulkanausbrüche

Überflutungen

Temperaturextreme

0.4

0.3

0.2

0.1

0.4

0.3

0.2

0.1

0

0.4

0.3

0.2

0.1

0

0.020

0.015

0.010

0.005

0

0.3

0.2

0.1

0

0.05

0.15

0.25

0.20

0.10

0

Anmerkungen: Kerndichteschätzung nach Naturkatastrophentyp. Intensitätsmaßeinheiten wie gemeldet unter Nutzung der ereignisbasierten Datenbank(EM-DAT und GeoMet-Daten).

Quelle: Berechnungen der Autoren.

Abb. 2Naturkatastrophen in EM-DAT- und GeoMet-Daten

5 Interessant ist auch, dass eine höhere Bevölkerungsdichte (d.h. Bevölke-rung bei gegebener Ländergröße (Fläche)) zu höheren humanen undmenschlichen Schäden führt. Die geographische Lage eines Landes be-wirkt ebenso einen Unterschied, vor allem bei Stürmen: Ein Sturm mit ge-gebener Stärke betrifft 242% mehr Personen, wenn ein Land vollständigder Tropenzone zuzuordnen ist. Auch andere ökonomische Charakteristi-ka von Ländern korrelieren mit den Schäden.

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Loayza et al. 2012).6 Um unbeobachtete länderspezifischeEinflussfaktoren zu erfassen, ergänzen wir das Modell mitsogenannten Länder-Dummys (108, ein Dummy pro Land),und – um Zeittrends zu erfassen – mit Jahres-Dummys (31,ein Dummy pro Jahr für die Periode 1979–2010). Im Re-sultat zeigt sich, nicht überraschend, dass Länder mit ho-hem Pro-Kopf-Einkommen langsamer und offene Ländermit guten Institutionen schneller wachsen.

In dieses Modell werden nun drei verschiedene Typen vonIndizes, die angeben, in welchem Ausmaß ein bestimmtesLand in einem bestimmten Jahr von Naturkatastrophen heim-gesucht wurde, eingeführt. Unser erstes Maß ist ein Index,der die physischen Ausprägungen etwaiger Katastrophenin einem Jahr ungewichtet addiert. Zuvor wurden die phy-sischen Ausprägungen mit der Ländergröße (Fläche) desbetroffenen Landes normiert und so skaliert, dass alle In-dexbestandteile denselben Stichprobenmittelwert haben.Das zweite Maß verwendet bei der Aggregation der verschie-denen Katastrophenmaße die Inverse der Standardabwei-chung jedes Maßes als Gewichte (precision weights), sodass einzelne Katastrophentypen den aggregierten Indika-

tor nicht dominieren. Außerdem verwenden wir die physi-kalische Naturkatastrophenausprägung relativ zur Länder-größe separat.

Die Normalisierung des physikalischen Intensitätsmaßesdurch die Fläche des betroffenen Landes trägt der Tatsa-che Rechnung, dass eine gegebene Naturkatastrophe vielstärkere Spuren im BIP eines kleinen Landes hinterlassenwird als in einem großen. Sie macht allerdings auch dieInterpretation der Schätzergebnisse schwierig, weil im-mer auch die logarithmierte Fläche des Landes bekanntsein muss.

Die empirischen Ergebnisse zeigen, dass es einen signi-fikanten negativen Zusammenhang zwischen Naturkatas -trophen und dem BIP pro Kopf gibt (Spalte 1 und 2 inTab. 2). Abbildung 3 betrachtet die Perzentile der Natur-katastrophenverteilung. Für den einfachen Naturkatastro-phenindex finden wir, dass das Pro-Kopf-Einkommen ei-nes Landes, das von einer schweren Naturkatastropheim oberen 1-Perzentil getroffen wird, um mindestens 5,3%sinkt. Wenn dasselbe Land von einer Naturkatastropheder schwersten 5% getroffen wird, so sinkt das BIP proKopf um mindestens 0,33%, wohingegen die 25% kleins-ten Naturkatastrophen einen Einkommensverlust vonhöchstens 0,009% verursachen (vgl. Abb. 3a). Ähnlich fal-len die Ergebnisse aus, betrachtet man den gewichtetenNaturkatastrophenindex in Tabelle 2, Zeile (2) und Abbil-

Tab. 1Naturkatastrophen und ihre ökonomischen Kosten (1979–2010, 108 Länder)

Erdbeben(Richterskala)

Stürme und Hurrikane(Windgeschwindigkeit)

(1)Anzahl der Toten (log)

(2)Anzahl der Be-troffenen (log)

(3)Sachscha-den (log)

(4)Anzahl der Toten (log)

(5)Anzahl der Be-troffenen (log)

(6)Sachschaden

(log)Naturkatastrophe 0,827*** 0,827*** 0,623*** 0,015*** 0,034*** 0,031***(Ausprägung) (0,13) (0,13) (0,15) (0,00) (0,00) (0,00)KontrollvariablenBIP pro Kopf (log) 0,003 – 0,286* 1,132*** – 0,323*** – 0,452*** 0,293**

(0,18) (0,17) (0,25) (0,06) (0,11) (0,14)Bevölkerung (log) 0,099 0,356*** 0,550*** 0,479*** 0,741*** 0,404***

(0,13) (0,13) (0,17) (0,04) (0,08) (0,08)Finanzoffenheit – 0,866* – 1,781*** – 1,314** 0,019 – 1,976*** 1,292***

(0,52) (0,46) (0,62) (0,23) (0,43) (0,45)Handelsoffenheit – 0,584* – 0,193 – 0,424 – 0,349*** 0,207 – 0,885***

(0,31) (0,31) (0,51) (0,12) (0,23) (0,24)% Land in Tropen – 0,232 – 0,275 – 0,493 0,617*** 2,417*** – 0,386

(0,34) (0,32) (0,52) (0,14) (0,30) (0,28)Ländergröße (log) – 0,139 – 0,111 – 0,649*** – 0,214*** – 0,173** – 0,041

(0,14) (0,15) (0,17) (0,03) (0,07) (0,06)Beobachtungen 472 641 268 1332 1157 929Angepasstes R2 0,106 0,177 0,245 0,342 0,297 0,323Anmerkungen: ***, **, * signifikant auf dem 1%-, 5%-, 10%-Level. Alle Regressionen beinhalten Jahres-Dummy, die nicht ausgewiesen werden. Robuste Standardfehler in Klammern. Ereignisbasierter Datensatz (EM-DAT + GeoMet-Daten).

Quelle: Berechnungen der Autoren.

6 Strukturelle Faktoren beinhalten die Größe einer Nation (Gesamtbevölke-rung), einen Demokratieindex (Polity Index) und ein Maß für die Handels-offenheit (Importe plus Exporte diviert durch das BIP). Innenpolitische Va-riablen sind Inflation, Inlandsdarlehen, Bruttokapitalbildung und die Saldender laufenden Konten. Externe Faktoren beinhalten Auslandsdirektinves-titionen und den realen Zinssatz. Details hierzu finden sich in Felbermayrund Gröschl (2013b).

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dung 3b. Der negative und signifikante Effekt auf die Wirt-schaftsleistung besteht weiterhin. Das Pro-Kopf-Einkom-men fällt um mindestens 6,9%, wenn ein Land von einerschweren Katastrophe des obersten 1-Perzentil getroffenwird, wohingegen die 5% schwersten Naturkatastropheneinen Einkommensverlust von 0,44% verursachen. Diekleinsten 25% reduzieren das Einkommen höchstens um0,013%.

Spalte (3) in Tabelle 2 zeigt die Auswirkungen einzelner Ty-pen von Extremereignissen. Sowohl Erdbeben, Stürme, Dür-reperioden als auch extreme Temperaturen schlagen sichnegativ auf das Einkommen nieder. Die einzelnen Ereignis-se sind so skaliert, dass sie jeweils den gleichen Mittelwertvon 0,009 aufweisen. Erdbeben und Stürme haben mithinden gleichen negativen Effekt: Naturkatastrophen mittlererAusprägungen reduzieren jeweils das BIP pro Kopf um0,16% (– 0,177 x 0,009). Mittlere Dürren und Hitzewellenhaben geringere negative Effekte, vermutlich weil sie haupt-sächlich die Landwirtschaft betreffen und mit keiner Zer-störung von Kapitalbestand verbunden sind.

Beispielhaft greifen wir einige Ereignisse her -aus: Im August 2005 verwüstete HurrikanKatrina die US-Golfküste. Der in EM-DAT be-richtete monetäre Schaden betrug 125 Mrd.US-Dollar, was 0,01% des BIP ausmacht.Unsere Berechnungen implizieren einen Ein-kommensverlust im Jahre 2005 von 0,002%des BIP. Diese Größenordnungen sind plau-sibel und entsprechen einer Output-Elastizi-tät des Kapitals von 0,2.7

Das Erdbeben in Haiti am 2. Januar 2010war von der Stärke 7,8 auf der Richterskalaund verursachte laut EM-DAT 8 Mrd. US-Dol-lar Schaden, was 0,56% des BIP entspricht.Gemäß unserem Modell war dies mit einemEinbruch des BIP von 0,05% verbunden, wasdie niedrige Kapitalintensität der Produktionin Haiti widerspiegeln könnte. Die Winterstür-me Lothar und Martin verursachten 1999 ei-nen monetären Schaden von circa 2,6 Mrd.US-Dollar in Dänemark; dies entspricht in et-wa 0,86% des BIP. Unseren Berechnungengemäß belief sich der Einkommensverlust imJahr 1999 auf 0,27%, was auf eine Elastizi-tät von ungefähr 0,3 hin ausliefe. Haiti undDänemark sind relativ kleine Länder, in de-nen einzelne Naturkatastrophen entspre-chend stark auf gesamtwirtschaftliche Er-gebnisse durchschlagen.

Auch Dürreperioden können gravierendeAuswirkungen auf das Pro-Kopf-Einkommenhaben. So verursachte eine schwere Dürre-

periode in Syrien einen Verlust beim syrischen BIP pro Kopfum 0,157% im Jahr 1983. In Guatemala verringerte eineDürreperiode im Jahr 1998 das Pro-Kopf-Einkommen um0,265%. 2006 wurden etliche europäische Staaten von ei-ner Hitzewelle getroffen, wobei der Einkommensverlust z.B.in Ungarn bei 0,370% lag. Im Mai 2007 traf eine Hitzewel-le einige asiatische Staaten, wodurch China 0,022% undSingapur 0,519% ihres Einkommens, unter der Annahmesonst unveränderter Bedingungen, verloren.

Welche Faktoren mildern den negativen Effektvon Naturkatastrophen auf das BIP pro Kopf?

Inwieweit mildern die Einbindung eines Landes in globale Fi-nanzstrukturen und Gütermärkte oder die Qualität der jewei-ligen Institutionen die Folgen von Naturkatastrophen auf

Tab. 2 BIP pro Kopf und Naturkatastrophen mit Kontrollvariablen (1979–2010)

Abhängige Variable: ln BIP pro Kopf (1) (2) (3) Naturkatastrophenindex – 0,046***

(0,01) Naturkatastrophen index, gewichtet – 0,063***

(0,01) Erdbeben (Richterskala) – 0,177***

(0,06) Vulkanausbrüche (Explosivitätsindex) 0,029**

(0,01) Stürme (Windgeschwindigkeit) – 0,177***

(0,06) Fluten (Niederschlagsabweichung vom langjährigen Mittel) – 0,020

(0,020) Dürren (Dummy) – 0,013***

(0,00) Hitzewellen (Temperaturabwei-chung vom langjährigen Mittel) – 0,052***

(0,02) Angepasstes R2 0,242 0,243 0,242 Anmerkungen: ***, **, * signifikant auf dem 1%-, 5%-, 10%-Level. 1 787 Be-obachtungen. Alle Regressionen beinhalten Kontrollvariablen, Länder- und Zeit-Fixe-Effekte, die nicht ausgewiesen werden. Robuste Standardfehler in Klam-mern. Asymmetrisches Panel mit 108 Ländern. Spalte (1) einfacher Naturkatas-trophenindex relativ zur Ländergröße. Spalte (2) Naturkatastrophenindex ge-wichtet durch die Inverse der Standardabweichung jedes Naturkatastrophen-typs innerhalb eines Landes relativ zur Ländergröße. Spalte (3) maximale Na-turkatastrophenausprägungen innerhalb eines Jahres und eines Landes relativ zur Ländergröße.

Quelle: Berechnungen der Autoren.

7 Im neoklassischen Wachstumsmodell ist die Veränderung des Pro-Kopf-Einkommens Δ%y = αΔ%K, wobei y das BIP pro Kopf, K der Kapitalbe-stand und α die Output-Elastizität des Kapitals ist. Δ% deutet eine pro-zentuale Änderung an.

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die Ökonomie? Wir beantworten diese Frage, indem wir In-teraktionsterme zwischen der jeweiligen Katastrophenvaria-ble und den um ein Jahr zeitversetzten Indikatoren zu Insti-tutionen, Handelsoffenheit und Finanzmarktoffenheit nutzen.

Tabelle 3 zeigt, dass Länder mit qualitativ besseren Institu-tionen (höherem Demokratieindex) besser dazu in der Lagesind, mit Naturkatastrophen umzugehen. Naturkatastrophen,die in den stärksten 5% der Verteilung des einfachen Na-turkatastrophenindex liegen, reduzieren das BIP pro Kopfum mindestens 1,9% in einer Nation mit einem niedrigenDemokratieindex von 0,05. Dieselbe Naturkatastrophenaus-prägung führt in einem Land mit qualitativ relativ besserenInstitutionen (Demokratieindex von 0,45) zu einem Einkom-mensverlust von nur 0,17%. Einkommensverluste fallen füralle Ausprägungen von Naturkatastrophen in Nationen mitqualitativ besseren Institutionen weniger schwer aus.

Länder, die offener in Bezug auf Handel sind, verzeichnenoftmals auch höhere internationale Kapitalzuflüsse. Handels-

offenheit kann somit dazu führen, dass offenere Volkswirt-schaften besser mit den negativen Folgen von Naturkata-strophen umgehen können. Ein ganz ähnliches Bild ergibtsich, wen man an Stelle des einfachen Desaster-Indizes dengewichteten Index verwendet oder auf spezifische Naturer-eignisse (Erdbeben, Stürme) abzielt.

In Tabelle 3 nutzen wir den sogennannten Sachs-Warner-Offenheitsindex8 und finden, dass die 5% schwersten Erd-beben in geschlossenen Volkswirtschaften (Offenheit derHandelspolitik von 0) einen Einkommensverlust von mindes-tens 0,27% verursachen, wohingegen dasselbe Erdbebenin einer offenen Volkswirtschaft (Offenheit der Handelspoli-tik von 1) das Einkommen um nur 0,05% reduziert. Gene-

-0.0035-0.0074-0.0094-0.0124-0.0154-0.0190

-0.0227-0.0300-0.0355

-0.0400-0.0491

-0.0677

-0.0866

-0.1055

-0.1545

-0.1866

-0.2229

-0.3330

-0.35

-0.30

-0.25

-0.20

-0.15

-0.10

-0.05

0.00

5 10 15 20 25 30 35 40 45 50 55 60 65 70 75 80 85 88 90 95

Naturkatastrophenindex Perzentile

Reduktion des BIP pro Kopf in %

Index

Mittelwert

-0.0015-0.0060

-0.0128-0.0182-0.0229-0.0287

-0.0357-0.0446

-0.0533-0.0610

-0.0720

-0.0971

-0.1275

-0.1801

-0.2533

-0.4384-0.45

-0.40

-0.35

-0.30

-0.25

-0.20

-0.15

-0.10

-0.05

0.00

5 10 15 20 25 30 35 40 45 50 55 60 65 70 75 80 85 90 95

Naturkatastropheindex, gewichtet Perzentile

Reduktion des BIP pro Kopf in %

Index, gewichtet

Mittelwert

-0.0017-0.0050-0.0085-0.0106-0.0153

Abb. 3Auswirkungen von Naturkatastrophen auf das BIP pro Kopf nach Perzentilen

a b

Quelle: Berechnungen der Autoren.

8 Das Sachs-und-Warner-Maß (Sachs Warner 1995), aktualisiert durch Waczi-arg und Welch (2008), klassifiziert eine Volkswirtschaft als offen, wenn:(i) der durchschnittliche Zollsatz unter 40% liegt, (ii) nicht-tarifäre Handels-maßnahmen weniger als 40% der Importe betreffen, (iii) diese keine sozia-listische Wirtschaftsordnung aufweist, (iv) diese kein staatliches Monopolauf wichtige Exportgüter erhebt und (v) die Schwarzmarktprämie auf denDevisenmärkten unter 20% liegt.

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rell gilt für alle Naturkatastrophen, je höher die Handelsof-fenheit ist, desto geringer ist der negative Einkommensef-fekt von Extremereignissen

Auch Finanzströmen kommt eine entscheidende Rolle zu,wenn es um die wirtschaftliche Erholung nach Naturkatas -trophen geht (vgl. Yang 2008). Das Chinn-und-Ito-Offen-heitsmaß der Finanzmärkte zeigt, dass eine stärkere An-bindung eines Landes an die internationalen Finanzmärktegeringere Wachstumseffekte von Naturkatastrophen mit ge-gebener Stärke zeitigen (vgl. Chinn und Ito 2006). In einerrelativ geschlossenen Volkswirtschaft (Finanzmarktoffenheitvon 0,1) führt ein schwerer Sturm des oberen 5-Perzentils,unter sonst gleichen Umständen, zu einem Einkommens-verlust von mindestens 2,43%, währed dieselbe Sturmaus-prägung in einem relativ offenen Land (Finanzmarktoffenheitvon 0,8) das BIP pro Kopf um nur 0,52% verringert.

Fazit

Bisher waren empirische Studien meist durch selektierteergebnisbasierte Daten eingeschränkt. Die vorliegende Stu-die präsentiert eine alternative Datenbank, die sich auf phy-sikalische Maßeinheiten von Naturkatastrophen stützt undsomit die Möglichkeit eröffnet, den kausalen Zusammen-hang zwischen Naturkatastrophen und der Wirtschaftsleis-tung zu schätzen. Naturkatastrophen wirken sich im Durch-schnitt ganz klar negativ auf das BIP pro Kopf aus. Der ne-

gative Effekt kann jedoch durch qualitativbessere Institutionen, stärkere Anbindung aninternationale Finanz- und/oder Gütermärk-te entschärft werden.

Literatur

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Tab. 3BIP pro Kopf und Naturkatastrophen – der Effekt von Institutionen und Offenheit

(1) (2) (3) (4)

Desaster-Index, einfach

Desaster-Index,

gewichtet

Erdbeben (Richter-

skala)

Stürme (Wind-

geschwin-digkeit)

Desaster – 2,196** – 2,369*** – 35,966*** – 9,134**(0,96) (0,82) (10,39) (4,12)

Desaster x Demokratieindex 1,817** 1,999** 36,903*** 7,625**

(0,87) (0,79) (11,59) (3,76)Desaster x Handelsoffenheit 1,165* 1,279** 14,803** 4,613*

(0,61) (0,51) (6,03) (2,60)Desaster x Finanzoffenheit 0,300*** 0,273*** 7,377*** 1,444***

(0,08) (0,07) (2,14) (0,34)Adjusted R2 0,260 0,258 0,256 0,259Anmerkungen: Alle Regressionen verwenden 1 719 Beobachtungen von 108 Ländern über die Periode 1979–2010. ***,**,* bedeuten statistische Signifikanz auf dem 1%-, 5%-, 10%-Niveau. Alle Regressionen beinhalten die direkten Effekte des Demokratieindex (Polity IV), der Handelsoffenheit (Sachs-Warner-Index) und der Finanzoffenheit (Ito-Chinn-Index) sowie eine Reihe von weiteren Kontrollvariablen. Sie enthalten vollständige Listen von Länder-Dummys und Jahres-Dummys.

Quelle: Berechnungen der Autoren.

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Das Konzept des WES

Ziel des WES ist es, durch die vierteljähr-liche Befragung von mehr als 1 000 Wirt-schaftsexperten ein möglichst aktuellesBild über die Wirtschaftslage sowie Prog-nosen für wichtige Industrie-, Schwellen-und Entwicklungsländer zu liefern. Im Ge-gensatz zur amtlichen Statistik, die in ers-ter Linie auf quantitativen Informationenaufbaut, werden beim WES qualitative In-formationen – Urteile und Erwartungenvon Wirtschaftsexperten – abgefragt.Während amtliche Statistiken auf interna-tionaler Ebene oft nur mit großen Zeitver-zögerungen erhältlich sind, zeichnen sichdie WES-Umfrageergebnisse durch ihrehohe Aktualität und internationale Ver-gleichbarkeit aus. Darüber hinaus be-schränkt sich die Umfrage nicht auf ge-wisse Produktgruppen, Branchen oderUnternehmen, sondern beschäftigt sichmit ganzen Volkswirtschaften.

Bei der Auswahl der Experten kommt esnicht vorrangig auf die zahlenmäßige Prä-senz in den jeweiligen Ländern, sondernvielmehr auf ihre Fachkompetenz in volks-wirtschaftlichen Fragen an. Abgesehenvon der hohen fachlichen Qualifikation istder Teilnehmerkreis mit Repräsentantenvon multinationalen Unternehmen und In-stitutionen, Stiftungen und Wirtschaftsfor-schungseinrichtungen sehr heterogen.Die Teilnahme an der Umfrage beruht auffreiwilliger Basis. Der Fragebogen bestehtaus acht Standardfragen und abwech-selnden regulär wiederkehrenden Zusatz-fragen. Für die Untersuchung sind insbe-sondere die Fragen zur Einschätzung derallgemeinen wirtschaftlichen Lage sowiezur Entwicklung in den kommenden sechs

Monaten relevant, aus deren Mittelwertsich das Wirtschaftsklima eines Landesberechnet. Aktuell beteiligen sich jedesQuartal rund 1 200 Wirtschaftsexpertenan der Umfrage, die derzeit über 120 Län-der abdeckt. Das ergibt im Durchschnittzehn Fragebögen pro Land und Quartal.Tatsächlich jedoch variiert die Anzahl derBefragten pro Land sehr stark und reichtvon vier bis hin zu über 40 Befragten. All-gemein gilt, je wirtschaftlich bedeuten-der das Land (gemessen am jeweiligenAußenhandelsanteil in der Welt), destomehr Umfrageteilnehmer für die jeweiligeVolkswirtschaft gibt es.

Für die Einschätzung der gesamtwirt-schaftlichen Situation und der Erwartungder künftigen Entwicklung in den nächs-ten sechs Monaten gibt es drei möglicheAntwortkategorien: »good/better« für ei-ne positive Einschätzung der Situationoder Verbesserung der Lage, »satisfacto-ry/about the same« für eine neutrale Ein-schätzung bzw. eine künftig gleichbleiben-de Lage und »bad/worse« für eine nega-tive Einschätzung bzw. eine Verschlech-terung der Lage in den kommenden sechsMonaten. Die individuellen Antworten wer-den auf eine Ordinalskala von 1 (negativ)bis 9 (positiv) übertragen, wobei 5 derNeutralkategorie entspricht. Das Gesamt-ergebnis eines Landes ergibt sich ausdem arithmetischen Mittel aller Experten-meinungen des entsprechenden Landes.Demnach überwiegen bei einem Skalen-wert von größer als 5 die positiven Mel-dungen, und zwar umso stärker, je mehrsich der Wert dem oberen Skalenendeund damit 9 nähert. Vice versa gilt dies fürden unteren Bereich der Skala von 1 bis 5.5 steht für eine neutrale Antwort, das

Entwicklung in ausgewählten Ländern

Evgenia Kudymowa, Johanna Plenk und Klaus Wohlrabe

Der Ifo World Economic Survey und die realwirtschaftliche

Der Ifo World Economic Survey (WES) ist eine internationale Konjunkturumfrage, die seit 1981

vom ifo Institut vierteljährlich erhoben wird. Wirtschaftsexperten aus einer Vielzahl von Ländern

werden zu ihrer Einschätzung zur aktuellen Wirtschaftslage, der erwarteten Konjunkturentwick-

lung und anderen Wirtschaftsdaten in ihrem jeweiligen Beobachtungsgebiet befragt. Der vorlie-

gende Beitrag untersucht die Aussagekraft der WES-Umfrageergebnisse in Bezug auf den Kon-

junkturzyklus ausgewählter Länder. Dabei wird das Wirtschaftsklima eines Landes den jeweiligen

Jahreswachstumsraten des realen Bruttoinlandsprodukts (BIP) gegenübergestellt. Die Ergebnis-

se zeigen deutlich, dass das ifo Wirtschaftsklima ein verlässlicher Indikator zur Bewertung der

weltweiten wirtschaftlichen Lage und Entwicklung des jeweiligen Landes ist.

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Daten und Prognosen

heißt, die Einschätzung, dass die Situation sich weder ver-bessert noch verschlechtert. Als normiertes Maß dient derIndex für das Wirtschaftsklima nicht dazu, die absoluten Wer-te des Wirtschaftswachstums abzubilden, sondern Wende-punkte und Veränderungen im Trend zu zeigen und zu prog-nostizieren. Bei der Aggregation der Ergebnisse zu Länder-gruppen (z.B. Euroländer, EU 27) entspricht die jeweilige Ge-wichtung des Landes dem Anteil dieser Volkswirtschaft amWeltaußenhandelsvolumen. Für die Errechnung dieses An-teils werden die von der UNO veröffentlichten Außenhan-delszahlen (Im- und Exporte eines Landes in US-Dollar1) ver-wendet.

Die Daten für die vierteljährliche WES-Umfrage werden je-weils zum ersten Quartalsmonat erhoben, das heißt, dieWES-Teilnehmer beantworten den Fragebogen im Januar,April, Juli und Oktober. Die Veröffentlichung der Daten er-folgt im zweiten Quartalsmonat (Februar, Mai, August undNovember) in den Pressemitteilungen zum ifo Wirtschafts-klima im Euroraum und zum ifo Weltwirtschaftsklima. Die de-taillierten WES-Ergebnisse mit einer ausführlichen Länder-analyse erscheinen in der englischsprachigen PublikationCESifo World Economic Survey (vgl. Nerb et al. 2013) undin deutscher Sprache im ifo Schnelldienst (vgl. Nerb undPlenk 2013). Für weitere Informationen zum WES vgl. u.a.Stangl (2004; 2007a; 2007b).

Literatur

Die aus dem WES gewonnenen qualitativen und quantita-tiven Umfragedaten waren bereits Grundlage für mehrereStudien, insbesondere zum Thema Inflationsprognose.Haupt und Waller (2004) untersuchten den Informationsge-halt der quantitativen WES-Inflationsprognose für Deutsch-land, die USA und Japan. Henzel und Wollmershäuser (2005)verwendeten die WES-Inflationsprognosen für die Entwick-lung einer Alternative zur Carlson-Parkin-Methode für dieQuantifizierung qualitativer Inflationserwartungen. In der Fol-gestudie (vgl. Henzel und Wollmershäuser 2006) verwende-ten sie die WES-Inflationserwartungen, um die Inflationsdy-namik (Neukeynesianische Phillips-Kurve) in ausgewähltenEuroländern, den USA und dem Vereinigten Königreich auf-zuzeigen. Andere Studien zeigten, wie die WES-Indikato-ren mit anderen verfügbaren Frühindikatoren für Progno-sen verwendet werden können (vgl. Brand et al. 1990; Hülsewig et al. 2008). Abberger et al. (2009) wiederum zeig-ten, dass das ifo Weltwirtschaftsklima gut mit der OECD-Industrieproduktion korreliert. Die Aussagekraft der WES-Indikatoren für sich allein wurde im zwölften Jahr nach Im-plementierung des WES ausführlich untersucht (vgl. Brandund Pouquet 1993). Stangl (2009) beschäftigte sich mit derErwartungsbildung der WES-Umfrageteilnehmer.

Methoden und Vorüberlegungen

Inwieweit der aus der Expertenumfrage gewonnene ifo Wirt-schaftsklimaindikator zur Beobachtung des Konjunkturzy-klus geeignet ist, soll mittels einer Korrelationsanalyse un-tersucht werden. Dazu wird das BIP in Jahreswachstums-raten (Quelle: OECD) als Referenzreihe mit dem Indikator fürdas Wirtschaftsklima verglichen. Es liegen nicht für alle imWES erfassten Länder Informationen über die Wirtschafts-aktivität auf Quartalsebene vor. Auch die für über 100 Län-der vorliegenden WES-Zeitreihen wurden hinsichtlich derdurchschnittlichen Stichprobengröße selektiert und nur Län-derreihen in die Analyse miteinbezogen, die mindestensvier Expertenmeinungen beinhalteten.

Die Analyse wird deshalb nur für 43 Länder und zwei Län-deraggregate durchgeführt (vgl. Tab. 1), für die die ent-sprechenden Informationen, BIP und ausreichend Umfra-geteilnehmer, vorliegen.2 Die Länge des Beobachtungs-zeitraums erstreckt sich dabei im Idealfall vom ersten Quar-tal 1989 bis zum vierten Quartal 2012, d.h., im optimalenFall liegen für beide zu vergleichenden Zeitreihen – demWES-Indikator und der jeweiligen jährlichen Wachstums-rate des BIP – 96 Beobachtungspunkte vor. Die Informa-tionen für das BIP sind teilweise nur für eine kürzere Pe-riode verfügbar. Entsprechend verkleinert sich der Zeit-raum der Analyse, auch wenn WES-Daten für einen län-geren Zeitraum vorliegen. Die Anzahl der Beobachtungen(N) ist in Tabelle 1 angegeben. Zwar liegen Daten des WESbereits seit 1983 vor, jedoch wurde die Umfrage bis 1988nur dreimal jährlich durchgeführt. Erst seit 1989 ist ein Ver-gleich beider Zeitreihen konsequent auf vierteljährlicherBasis möglich.

Die vierteljährlichen WES-Umfragen werden jeweils im ers-ten Quartalsmonat durchgeführt. Konkret bedeutet dies,dass die Erhebung bereits am Ende des ersten Quartalsmo-nats (z.B. Januar) abgeschlossen ist. Beim Vergleich mit den»harten« BIP-Daten, die die wirtschaftliche Aktivität eines ge-samten Quartals (in diesem Fall Januar bis März) wider-spiegeln, sind gegebenenfalls nicht alle relevanten Wirt-schaftsereignisse in den Umfragedaten enthalten. So kön-nen exogene Schocks wie beispielsweise Naturkatastro-phen oder starke Rohstoffpreisanpassungen, die erst nachErhebungsabschluss der Umfrage auftreten, nur zeitlich ver-

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24

1 United Nations Monthly Bulletin of Statistics, International MerchandiseTrade, Table 34.

2 Für folgende 43 Länder liegen die jährlichen Wachstumsraten des realenBIP für mindestens neun Jahre auf Quartalsbasis vor: Argentinien, Aust-ralien, Belgien, Brasilien, Bulgarien, Chile, Dänemark, Deutschland, Est-land, Finnland, Frankreich, Hongkong, Indien, Indonesien, Irland, Italien,Japan, Kanada, Lettland, Mexiko, Neuseeland, Niederlande, Norwegen,Österreich, Philippinen, Polen, Portugal, Russland, Schweden, Schweiz,Slowakei, Slowenien, Spanien, Südafrika, Südkorea, Taiwan, Thailand,Tschechische Republik, Türkei, Ungarn, Uruguay, USA, Vereinigtes Kö-nigreich sowie die Eurozone und die EU 27 als aggregierte Länderregio-nen. Für China sind nur jährliche Wachstumsraten des realen Bruttoin-landsprodukts für die acht Quartale von Anfang 2011 bis Ende 2012 vor-handen, weswegen für dieses Land eine Analyse im Detail keine verläss-lichen Informationen liefert und hier nicht behandelt wird.

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Daten und Prognosen

zögert vom WES-Indikator für das Weltwirtschaftsklima ab-gebildet werden.

Der Korrelationskoeffizient ist ein standardisiertes Maß für denlinearen Zusammenhang zweier Variablen, der Werte zwi-

schen – 1 und + 1 annehmen kann. Bei einem Wert von + 1(bzw. − 1) besteht ein vollständig positiver (bzw. negativer) li-nearer Zusammenhang zwischen den betrachteten Merkma-len. Weist der Korrelationskoeffizient den Wert 0 auf, existiertzwischen beiden Merkmalen kein linearer Zusammenhang.

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Tab. 1 Kreuzkorrelationen: WES-Wirtschaftsklima und BIP-Jahreswachstumsraten

<-----Vorlauf Nachlauf ----->

N – 4 – 3 – 2 –1 0 1 2

Argentinien 76 0,15 0,34 0,51 0,61 0,66 0,60 0,49

Australien 96 0,27 0,31 0,37 0,44 0,44 0,43 0,36

Belgien 68 0,11 0,34 0,53 0,67 0,73 0,66 0,51

Brasilien 88 – 0,18 0,04 0,27 0,37 0,48 0,40 0,25

Bulgarien 60 0,20 0,32 0,55 0,59 0,71 0,66 0,67

Chile 36 0,48 0,61 0,69 0,71 0,68 0,63 0,44

Dänemark 88 0,20 0,29 0,40 0,45 0,44 0,41 0,34

Deutschland 84 0,00 0,25 0,48 0,68 0,75 0,67 0,52

Estland 68 0,30 0,47 0,61 0,73 0,79 0,74 0,64

EU 27 68 0,29 0,53 0,73 0,85 0,85 0,73 0,56

Eurozone 68 0,28 0,52 0,72 0,85 0,85 0,74 0,58

Finnland 88 0,39 0,53 0,67 0,76 0,81 0,81 0,76

Frankreich 96 0,21 0,41 0,60 0,75 0,77 0,68 0,57

Hongkong 92 – 0,02 0,25 0,55 0,71 0,80 0,68 0,42

Indien 63 0,22 0,32 0,49 0,62 0,62 0,62 0,47

Indonesien 88 0,27 0,41 0,59 0,65 0,64 0,58 0,46

Irland 60 0,62 0,72 0,79 0,84 0,88 0,81 0,77

Italien 96 0,33 0,49 0,61 0,70 0,69 0,59 0,47

Japan 72 0,03 0,24 0,44 0,54 0,54 0,42 0,27

Kanada 96 0,44 0,57 0,68 0,72 0,66 0,52 0,36

Lettland 68 0,48 0,59 0,68 0,73 0,76 0,72 0,66

Mexiko 76 – 0,11 0,18 0,41 0,62 0,68 0,58 0,44

Neuseeland 96 0,45 0,56 0,65 0,68 0,65 0,58 0,47

Niederlande 96 0,34 0,50 0,64 0,71 0,71 0,64 0,54

Norwegen 96 – 0,11 0,04 0,18 0,23 0,35 0,26 0,25

Österreich 96 0,31 0,46 0,59 0,71 0,76 0,68 0,50

Philippinen 56 0,12 0,28 0,43 0,50 0,53 0,41 0,27

Polen 68 0,34 0,42 0,51 0,53 0,57 0,54 0,39

Portugal 68 0,58 0,67 0,77 0,81 0,79 0,71 0,57

Russland 68 0,16 0,24 0,41 0,61 0,72 0,74 0,64

Schweden 76 – 0,08 0,19 0,45 0,64 0,72 0,66 0,49

Schweiz 96 0,04 0,26 0,48 0,70 0,78 0,71 0,50

Slowakei 60 0,27 0,47 0,60 0,71 0,74 0,65 0,49

Slowenien 63 0,28 0,42 0,57 0,69 0,73 0,66 0,58

Spanien 68 0,81 0,89 0,93 0,92 0,89 0,82 0,75

Südafrika 96 0,57 0,63 0,67 0,68 0,67 0,64 0,55

Südkorea 96 – 0,03 0,16 0,37 0,53 0,56 0,43 0,18

Taiwan 92 – 0,15 0,00 0,25 0,44 0,53 0,47 0,30

Thailand 76 0,26 0,45 0,55 0,65 0,66 0,54 0,43

Tschech. Republik 64 0,06 0,28 0,50 0,69 0,78 0,79 0,73

Türkei 56 – 0,14 0,03 0,22 0,41 0,55 0,61 0,56

Ungarn 68 0,45 0,51 0,56 0,58 0,58 0,49 0,35

Uruguay 59 0,50 0,61 0,72 0,81 0,79 0,70 0,61

USA 96 0,40 0,53 0,65 0,70 0,67 0,58 0,45

Verein. Königreich 96 0,48 0,61 0,69 0,72 0,66 0,56 0,45

Quelle: Berechnungen des ifo Instituts.

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Daten und Prognosen

Ein graphischer Vergleich

Um einen ersten Eindruck bezüglich der Qualität des ifo Wirt-schaftsklimas zu bekommen, sind in Abbildung 1 für fünfausgewählte Länder (USA, Vereinigtes Königreich, Brasilien,Japan und Russland) und eine Region (EU 27) jeweils dasKlima und die Jahreswachstumsraten des BIP dargestellt.Es zeigt sich, dass das Wirtschaftsklima die tatsächlicheWirtschaftsentwicklung sehr gut abbildet. Dies ist insbeson-dere wichtig, da die Ergebnisse im laufenden Quartal veröf-fentlicht werden, und damit erheblich früher als die offiziel-len Statistiken der Länder. Die Ergebnisse des WES gebensomit einen sehr guten Hinweis auf den aktuellen Standder Wirtschaft.

Kreuzkorrelationen

Betrachtet man den Korrelationskoeffizienten des Wirt-schaftsklimas des jeweiligen Landes mit den Jahreswachs-tumsraten des BIP (vgl. Tab. 1) lässt sich feststellen, dass

von den 45 untersuchten Ländern bzw. Ländergruppen 34– rund 75% – einen Wert von mindestens 0,6 für die kon-temporäre Korrelation (t = 0) annehmen. Es ist also ein star-ker positiver statistischer Zusammenhang gegeben, der ei-nen Gleichlauf von WES und BIP-Wachstumsrate darstellt.Rund 24% der Länder erreichen immerhin einen Korrelati-onskoeffizient von 0,4 bis 0,6 und weisen damit einenschwachen linearen Zusammenhang zum BIP-Wachstumauf. Norwegen befindet sich knapp unterhalb dieser Mar-ke. Spitzenwerte werden bei der EU 27 (0,85), der Euro-zone (0,85), Finnland (0,81), Hongkong (0,80), Irland (0,88)und Spanien (0,89) erreicht. Der starke Zusammenhangist vor allem dahingehend bemerkenswert, dass die Exper-ten zu Beginn eines jeweils laufenden Quartals ihre Mei-nungen abgeben, d.h. noch über relativ wenige Informa-tionen über die aktuelle wirtschaftliche Entwicklung verfü-gen. Hinsichtlich der beobachteten Unterschiede zwischenden Ländern stellt sich die Frage, ob ein positiver Zusam-menhang zwischen der Korrelation und der Stichproben-größe besteht. Diese Vermutung kann durch eine OLS-Regression jedoch nicht bestätigt werden, das heißt, es

besteht kein signifikanter Zusammenhangzwischen diesen beiden Größen. Diesspricht für die Güte der Expertenmeinun-gen, die nicht vorrangig von der Quantität,sondern vielmehr von der fachlichen Kom-petenz abhängt.

Wird der Vorlauf des Wirtschaftsklimaindika-tors von einem Quartal betrachtet, bleibendie Ergebnisse sehr gut. Erneut beträgt inmehr als 70% der Fälle die Korrelation mehrals 0,6. In einigen ausgewählten Ländern,wie z.B. Chile oder Portugal, ist die Korrela-tion sogar leicht größer. Die höchste Korre-lation weist Spanien mit 0,93 bei einem Vor-lauf von zwei Quartalen auf.

Insgesamt sind die Ergebnisse sehr vielver-sprechend. Das WES-Wirtschaftsklima zeigteinen guten bis sehr guten Zusammenhangmit der tatsächlichen Wirtschaftsentwicklungauf. Kreuzkorrelationen geben zwar keineAuskunft über die tatsächliche Wachstums-rate, jedoch geben sie einen Hinweis, in wel-che Richtung sich die Wachstumsrate im je-weiligen Land entwickeln wird.

Rollierende Korrelation

Die bisherigen Ergebnisse könnten in vieler-lei Hinsicht verzerrt sein. Nur im Fall einer lan-gen Zeitreihe mit einer hohen Korrelationkann von einem stabilen Zusammenhang ge-

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Quelle: OECD; Ifo World Economic Survey.

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BrasilienVereinigtes Königreich

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BIP, jährliche Wachstumsraten in % (rechte Skala)

Abb. 1

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Daten und Prognosen

sprochen werden. Eine hohe (niedrige) Korrelation kann beieinem kurzen Beobachtungszeitraum rein zufällig sein, weildie Stichprobe zu klein ist. Aber auch eine niedrige Korre-lation bei einer langen Zeitreihe muss nicht unbedingt dar -auf hindeuten, dass der Indikator keine Prognosekraft für dieReferenzreihe hat. Dies ist dann z.B. der Fall, wenn der Zu-sammenhang am Beginn des Beobachtungszeitraums eherschwach ist, aber im Zeitablauf zunimmt. In diesem Fall istdie Korrelation eher durchschnittlich.

Um diesem Problem zu begegnen, werden sogenannte rol-lierende Korrelationen ermittelt. Dabei wird die Korrelationüber ein bestimmtes Zeitfenster berechnet. Dieses Fensterwird dann rollierend in der Zeit nach vorne geschoben. Hatdas Fenster z.B. eine Größe von 7, wird die Korrelation zumZeitpunkt t, mit den Beobachtungen von t – 3 bis t + 3 be-rechnet. Bei der Wahl des Fensters besteht ein potenziellerTrade-off. Wird das Fenster zu klein gewählt, dann bestehtdie Gefahr, dass der Zusammenhang nur unzureichend er-fasst wird. Darüber hinaus sind die rollierenden Korrelatio-nen sehr erratisch und lassen kaum Schlussfolgerungenzu. Bei einem sehr großen Fenster ist der erfasste Zusam-

menhang sehr zuverlässig, jedoch verkürzt sich das Beob-achtungsfenster zum Teil erheblich, da am Anfang und amEnde jeweils Beobachtungen zur Berechnung wegfallen. Inder vorliegenden Analyse wird ein Fenster von 15 Quarta-len verwendet. Dies entspricht einem Zeitraum von knappvier Jahren.

In rund 83% der beobachteten Länder nimmt die Korrela ti-on im Lauf der Jahre zu. Dies kann auf einen Lernprozessder Befragten hindeuten, die mit der Zeit lernen, die gesamt-wirtschaftliche Entwicklung immer treffender einzuschätzen.In Abbildung 2 werden die Ergebnisse für die bereits erwähn-ten fünf Länder und die EU 27 dargestellt. Die Ergebnisselassen sich am besten in Zusammenhang mit Abbildung 1interpretieren.

Die besten Ergebnisse werden bei der EU 27 erzielt. DerKorrelationskoeffizient von 0,85 weist auf einen durch-schnittlich sehr starken linearen Zusammenhang hin. Dierollierende Korrelation schwankt zwischen Werten von 0,45und 0,93.

Betrachtet man die rollierende Korrelation derUSA, fällt auf, dass diese abgesehen von ei-nem Ausreißer 1998 durchweg stark aus-geprägt ist und einen positiven Trend auf-weist, also sich im Laufe der Zeit sogar ver-bessert. 1998 verschlechterte sich das ifoWirtschaftsklima in den USA aufgrund sehrpessimistischer Erwartungen. Die Lagekom-ponente hielt sich dagegen im gesamten Jahrauf relativ gutem Niveau. Die von vielen Ex-perten erwartete Verschlechterung stehtwahrscheinlich mit der damaligen Südost-asienkrise in Verbindung. Viele Experten rech-neten womöglich mit einer Ansteckung überden Handelskanal. Tatsächlich kam es in denUSA zu keinem Wirtschaftseinbruch. DasPlatzen der Dotcom-Blase im Jahr 2000 so-wie die Wirtschaftskrise von 2007 wurdenvon den Experten richtig eingeschätzt. DieKorrelation schwankt um einen Mittelwert von0,67 und erreicht einen Höchstwert von 0,872007.

Das Vereinigte Königreich kann trotz schwan-kenden Ergebnissen noch eine mittlere Kor-relation von 0,66 vorweisen. Die Zeitreihenmachen deutlich, dass die WES-Experten aneine schnellere Überwindung der Rezession1991 glaubten. Während die Lage in demZeitraum durchgängig schlecht beurteilt wur-de, schnellten die Erwartungen bereits abdem zweiten Quartal in den positiven Bereich,was zu einem besseren Wirtschaftsklima

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Quelle: Berechnungen des ifo Instituts.

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Abb. 2

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Daten und Prognosen

führte als das tatsächlich eingetretene. Seit der Weltwirt-schaftskrise 2007 wurden durchweg hervorragende Ergeb-nisse erzielt und die Korrelation schwankt seither zwischen0,68 bis 0,84.

Trotz der sehr volatilen wirtschaftlichen Entwicklung Brasi-liens spricht eine durchgängig positive Korrelation für dietreffende Urteilskraft der Experten. Die rollierende Korrelati-on stieg im Lauf der Zeit an und schwankt seit 2007 zwi-schen 0,77 und 0,89. Während der Wirtschaftsklimaindika-tor die Brasilienkrise 1999 recht gut abbildet, entsprachder Verlauf des Indikators in den Jahren 2002 und 2003 nichtdem tatsächlichen Konjunkturverlauf.

In Japan gibt es eine durchweg positive Korrelation, einzigEnde 2003 sinkt der Korrelationskoeffizient auf 0,19 ab,schwankt aber sonst um einen Mittelwert von 0,54 und er-reicht einen Höchstwert von 0,86 Ende der 1990er Jahre.Dennoch wird an diesem Beispiel deutlich, dass nicht alleEntwicklungen vorhersehbar sind. Der WirtschaftseinbruchAnfang 2011 infolge des Erdbebens und der daraus resul-tierenden Nuklearkatastrophe von Fukushima konnte vonden WES-Experten nicht in dem Ausmaß erkannt werden.Dagegen lag die Einschätzung des Wirtschaftsklimas zu Zei-ten der Finanz- und Wirtschaftskrise ab 2007 richtig.

Ebenfalls beachtlich ist die meist sehr treffende Einschät-zung der russischen Experten. Durchschnittlich liegt die Kor-relation bei 0,72. Lediglich 2001 herrscht eine geringfügignegative Korrelation. Beim Betrachten von Abbildung 1 wirddeutlich, dass in diesem Jahr das Wirtschaftsklima im Ver-gleich zum BIP-Wachstum einen sehr ähnlichen Verlauf, je-doch eine leichte zeitliche Verzögerung aufweist. An die-sem Beispiel wird deutlich, dass aufgrund der frühzeitigenErhebung der WES-Umfragen am Ende des ersten Quar-talsmonats bisweilen nicht alle relevanten Informationen zurWirtschaft im jeweiligen Quartal enthalten sind, sondern zumTeil mit zeitlicher Verzögerung abgebildet werden. Auch hiersteigt die rollierende Korrelation im Zeitverlauf an und sinktab Anfang 2005 nicht mehr unter den Wert von 0,65.

Prognosebias und -effizienz

In der WES-Umfrage des zweiten Quartals wird jeweils auchdie quantitative Punktprognose für das Wachstum des BIPfür das laufende Jahr abgefragt.3 Nun kann getestet wer-den, inwieweit diese Angabe mit der tatsächlichen Jahres-wachstumsrate in den jeweiligen Ländern übereinstimmt.Zunächst soll untersucht werden, wie groß die durchschnitt-lichen Prognosefehler sind. Sei yt,i die realisierte Wachstums-rate im Jahr t von Land i. Die entsprechende Prognose wirdmit pt,i bezeichnet. Ob die Prognosen einen Bias, d.h. eine

systematische über- oder Unterschätzung, aufweisen, kannmit folgender Regression getestet werden:

(1) yt,i – pt,i = bi + ut,i

Die Gleichung (1) regressiert die Prognosefehler auf eineKonstante bi (Bias). Die Variable ut,i stellt den Fehlerterm dar.Im Fall unverzerrter Prognosen gilt bi = 0, was für jedes Landgetestet wird. Wenn bi > 0, dann sind die Prognosen der Ex-perten für das BIP im Durchschnitt zu niedrig (pessimistisch),falls bi < 0 zu hoch (optimistisch).

Zusätzlich können die Prognosen auf ihre Effizienz getestetwerden. Eine schwache Form der Effizienz ist durch folgen-de Gleichung gegeben:

(2) yt,i = ai + bipt,i + ut,i

Dabei wird gleichzeitig getestet, ob ai = 0 und bi = 1. ImFalle einer Ablehnung der Nullhypothese nehmen die Prog-nosefehler mit dem Niveau der Prognose zu oder ab.

Eine stärkere Form der Effizienz (semistarke Effizienz) wirdmit folgender Gleichung getestet:

(3) yt,i – pt,i = ai + ci (yt–1,i – pt–1,i) + ut,i

Hierbei wird untersucht, ob die Experten aus ihren eigenenPrognosefehlern lernen. Wenn dies der Fall ist, dann ist ci

nicht signifikant von null verschieden. Die Prognosefehlersind dann nicht autokorreliert.

In Tabelle 2 sind die Ergebnisse für alle drei Tests (Glei-chung 1 bis 3) dargestellt. Für jedes Land und jeden Testist jeweils ein Koeffizient aus der Schätzgleichung angege-ben. Zusätzlich wird die Entscheidung, ob die Nullhypo-these abgelehnt werden kann oder nicht, angegeben. EinNein entspricht jeweils der Entscheidung, dass die Hypo-these nicht abgelehnt werden kann – was dem gewünsch-ten Ergebnis entspricht.

Mit Blick auf den Prognosebias fallen die Ergebnisse sehrgut aus. In 32 von 45 Fällen ist der durchschnittliche Prog-nosefehler kleiner als 0,5 Prozentpunkte. In einigen Fällenist die Prognose durchschnittlich sogar sehr nah an dem tat-sächlich realisierten Wert, wie z.B. in den USA, der Tsche-chischen Republik, Japan und der EU 27. In nur zwei Fäl-len, Irland und Italien, weichen die Prognosen systematischvon ihren Realisationen ab.

Die Form der schwachen Effizienz wird auch in einer Mehr-heit der Länder erfüllt. Nur in Bulgarien, Finnland, Indone-sien, Irland, Italien, Kanada, Österreich, Slowenien und Uru-guay nehmen die Prognosefehler mit dem Niveau der Prog-nosen zu. Das heißt, je höher das Wachstum, desto größer

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3 Im Wortlaut: »Expected growth of real Gross Domestic Product (GDP)this year in %: …«

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Daten und Prognosen

der Prognosefehler in diesen Ländern. In den anderen Län-dern besteht kein Zusammenhang zwischen Prognosefeh-lern und dem Niveau der Prognose.

Die semistarke Effizienz ist in fast 90% der untersuchten Län-der erfüllt, das heißt, die Experten lernen aus ihren Fehlernund beziehen jeweils die aktuellsten ihnen zur Verfügung ste-

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Tab. 2 Tests auf Prognosebias und -effizienz

Bias Schwache Effizienz Semistarke Effizienz Gleichung (1) Gleichung (2) Gleichung (3)

Test b = 0 a = 0 und b = 1 c = 0

Land b Signifikant? b Signifikant? c Signifikant?

Argentinien 1,05 nein 1,29 nein 0,32 nein

Australien 0,36 nein 0,89 nein – 0,18 nein

Belgien 0,09 nein 0,96 nein – 0,32 nein

Brasilien 0,09 nein 0,86 nein – 0,34 nein

Bulgarien 0,10 nein 1,49 ja 0,09 nein

Chile 0,76 nein 1,25 nein 0,04 nein

Dänemark – 0,35 nein 1,61 nein 0,19 nein

Deutschland 0,20 nein 1,31 nein 0,16 nein

Estland 1,04 nein 1,49 nein 0,32 nein

EU 27 0,10 nein 1,29 nein 0,16 nein

Eurozone – 0,11 nein 1,26 nein 0,00 nein

Finnland – 0,40 nein 1,51 ja 0,24 nein

Frankreich – 0,21 nein 1,23 nein 0,04 nein

Hongkong – 0,11 nein 0,92 nein 0,01 nein

Indien 0,26 nein 0,87 nein – 0,02 nein

Indonesien 0,56 nein 1,20 ja 0,03 nein

Irland 1,33 ja 1,28 ja 0,25 nein

Italien – 0,45 ja 1,34 ja – 0,06 nein

Japan – 0,09 nein 1,19 nein – 0,01 nein

Kanada – 0,13 nein 1,50 ja 0,32 nein

Lettland 1,28 nein 0,90 nein 0,32 nein

Mexiko 0,29 nein 1,43 nein – 0,05 nein

Neuseeland 0,30 nein 1,44 nein 0,12 nein

Niederlande 0,43 nein 1,25 nein 0,42 ja

Norwegen – 0,05 nein 0,94 nein 0,40 nein

Österreich 0,35 nein 1,31 ja 0,18 nein

Philippinen – 0,16 nein 0,96 nein – 0,07 nein

Polen 0,30 nein 1,05 nein 0,15 nein

Portugal 0,32 nein 1,38 nein 0,23 nein

Russland 0,66 nein 1,00 nein – 0,05 nein

Schweden 0,59 nein 1,16 nein 0,13 nein

Schweiz 0,20 nein 1,40 nein 0,21 nein

Slowakei 1,01 nein 0,94 nein 0,32 ja

Slowenien – 0,04 nein 1,80 ja 0,18 nein

Spanien 0,20 nein 1,26 nein 0,42 ja

Südafrika 0,09 nein 1,33 nein 0,17 nein

Südkorea 0,59 nein 1,11 nein – 0,33 nein

Taiwan 0,55 nein 0,89 nein – 0,14 nein

Thailand – 0,15 nein 1,17 nein 0,18 nein

Tschech. Republik – 0,04 nein 1,08 nein 0,36 nein

Türkei 0,38 nein 1,45 nein – 0,27 nein

Ungarn – 0,64 nein 1,34 ja 0,42 ja

Uruguay 0,69 nein 0,92 nein 0,06 nein

USA – 0,01 nein 1,44 nein 0,46 ja

Vereinigtes Königreich 0,39 nein 1,35 nein 0,35 nein

Quelle: Berechnungen des ifo Instituts.

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Daten und Prognosen

henden Informationen in ihre Erwartungsbildung mit ein. Nurim Fall der Niederlande, der Slowakei, Spaniens, Ungarnsund der USA sind die Fehler autokorreliert.

Fazit

Die Ergebnisse zeigen deutlich, dass das ifo Wirtschaftskli-ma ein verlässlicher Indikator zur Bewertung der wirtschaft-lichen Lage und Entwicklung des jeweiligen Landes ist. Diegelegentlichen Abweichungen zum BIP sind nicht überra-schend, zumal die befragten Wirtschaftsexperten für die Be-wertung der Wirtschaftslage und der erwarteten Entwick-lung nicht nur rein die wirtschaftliche Aktivität sehen, son-dern auch andere Faktoren wie Inflation, Arbeitsmarktver-fassung, die politische Stabilität, Finanzierungsbedingungenoder die Armutsgrenze in ihre Beurteilung entsprechend mit-einfließen lassen. Zudem können plötzlich eintretende Ereig-nisse, wie beispielsweise Naturkatastrophen oder Terror-anschläge und deren eventuelle weitreichende Nachwirkun-gen nicht oder nur sehr schwierig vorhergesehen werden.Sicherlich lässt sich das Wirtschaftsgeschehen aufgrund dersich ändernden Rahmenbedingungen sowie des ständi-gen und teilweise sehr schnellen Wandels, dem wirtschaft-liches Verhalten unterliegt, nicht exakt voraussehen. Den-noch weisen die Expertenmeinungen größtenteils in die rich-tige Richtung und können verlässlich Wendepunkte in derKonjunktur bestimmen. Zudem zeigte sich, dass auch diequantitativen Punktprognosen für das BIP für die große Mehr-heit der untersuchten Länder unverzerrt und effizient sind.Das heißt, die WES-Experten haben im zweiten Quartal ei-ne genaue und im Durchschnitt korrekte Vorstellung be-züglich der BIP-Jahreswachstumsrate.

Hervorzuheben ist, dass sich der Zusammenhang zwischenden Einschätzungen der Experten und dem tatsächlichenKonjunkturverlauf mit der Zeit in den meisten Ländern im-mer weiter verbessert hat. Daraus können gewisse Lernef-fekte der Befragten abgeleitet und somit eine signifikanteVerbesserung der Aussagekraft des Indikators im Verlauf derletzten 20 Jahre unterstellt werden. Ein weiterer Vorteil ist,dass die Qualität der Antworten nicht von der Anzahl der Ex-perten pro Land abhängt, sondern das Meinungsbild vonwenigen, aber hoch qualifizierten Fachexperten benötigtwird. Trotz weniger Schwächen ist und bleibt das ifo Welt-wirtschaftsklima ein wichtiger Indikator für die Orientierungder Entscheidungsträger von Wirtschaft und Politik.

Literatur

Abberger, K., M. Frey, M. Kesina und A. Stangl (2009), »Indikatoren für dieglobale Konjunktur«, ifo Schnelldienst 62(16), 32–41.

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Wie das Amt am 23. August 2013 be-richtete, gewann die deutsche Wirtschaftnach dem schwachen Jahresauftakt anDynamik. Die erste Schätzung für dasreale BIP im zweiten Quartal zeigt einenAnstieg gegenüber dem Vorquartal von0,7% und im Vergleich zum Vorjahres-quartal von 0,9% an (vgl. StatistischesBundesamt 2013). Positive Impulse ka-men dabei vor allem aus dem Inland. So-wohl die staatlichen (0,6%) als auch dieprivaten Konsumausgaben (0,5%) zogenim Vorquartalsvergleich deutlich an,ebenso wie die Investitionen in Ausrüs-tungen, das sind vor allem Maschinenund Geräte sowie Fahrzeuge (real: 0,9%).Die Bauinvestitionen legten vor allem we-gen witterungsbedingter Nachholeffek-te sogar um 2,6% zu.

Die nunmehr erfolgten diversen Aufwärts-revisionen für die Konjunkturprognose desJahres 2013 sind der überraschend güns-tigeren Entwicklung im zweiten Quartal,aber auch den aktuellen Korrekturen desStatistischen Bundesamtes – vor allem fürdas Schlussquartal von 2012 – geschul-det, das nun einen geringeren Einbruchund damit auch einen geringeren statisti-schen Unterhang verzeichnet. Rechtdeutlich fielen die Revisionen bei den Aus-rüstungsinvestitionen aus.

Schon bei seiner ersten Veröffentlichungerschien uns der Wert für die Entwick-lung der nominalen Ausrüstungsinves-titionen im vierten Quartal 2012 – vonbeachtlichen – 9% gegenüber der Vor-jahresperiode und von – 4,5% für denJahresdurchschnitt –, als Folge einesbloßen, durch Planungsunsicherheitenausgelösten Attentismus der Unterneh-men etwas zu negativ (vgl. Strobel undStädtler 2013). Der neue Wert für dasSchlussquartal beträgt jetzt – 5,5% und

das Minus für das gesamte Jahr 2012nur mehr – 3,4% (vgl. Statistisches Bun-desamt 2013).

Eine deutlich nachlassende Dynamik istschon seit 2012 bei den Fahrzeuginves-titionen festzustellen, da sich die Automo-bilkonjunktur deutlich abgekühlt hat undvermehrt auch strukturelle Faktoren wirk-sam sind. Immerhin ist die Eintrübung inDeutschland nicht so stark ausgefallenwie im Durchschnitt Westeuropas. Im bis-herigen Jahresverlauf 2013 entwickeltensich die Pkw-Neuzulassungen rechtschwach. In den ersten acht Monaten istein Minus von 6,6% aufgelaufen. Ange-sichts dieser Zahlen erscheint die Schät-zung des Branchenverbandes VDA für diePkw-Zulassungen im Gesamtjahr, von na-hezu – 3%, eher optimistisch (vgl. o.V.2013a). Bei den Nutzfahrzeugen gab eseinen Rückgang von 8%.

Die Signale, die von verschiedenen an-deren Konjunkturindikatoren ausgehen,lassen jedoch erkennen, dass die deut-sche Wirtschaft wieder auf Expansions-kurs geht:

Die Kredithürde für die gewerbliche Wirt-schaft Deutschlands ist im August leichtgesunken und im September unverän-dert geblieben. Von den befragten Un-ternehmen berichteten 19,7% von einemrestriktiven Zugang zu Bankkrediten. Seitmehr als drei Jahren haben nie mehr alsein Drittel der Firmen Probleme bei derKreditfinanzierung angegeben. Die Un-ternehmen bewegen sich damit in einemkonstant freundlichen Finanzierungsum-feld (vgl. Carstensen 2013a). Viele sindzudem recht liquide, im Mittelstand hatdie Eigenkapitalquote zuletzt sogar ei-ne rekordverdächtige Höhe erreicht (vgl.o.V. 2013b).

trotz Rückgangs überdurchschnittlich

Thomas Strobel und Arno Städtler

Investitionsklima bessert sich – Leasing entwickelt sich

Die Abkühlung der Weltwirtschaft, die Schuldenkrise in Europa und wohl auch die extrem winter-

liche Witterung sorgten dafür, dass im Auftaktquartal 2013 die Wirtschaftsleistung in Deutsch-

land stagnierte und im Vorjahresvergleich sogar um 1,6% zurückging. Das veranlasste diverse

Ins titutionen, wie OECD, IWF und Bundesbank, zu einer Abwärtsrevision ihrer Prognosen für das

Bruttoinlandsprodukts (BIP) im laufenden Jahr. Das war wohl etwas verfrüht, wie die vom Statis-

tischen Bundesamt kürzlich bekannt gegebene erste Schätzung für das zweite Quartal 2013 und

die Revisionen für die Werte von 2012 nahe legen.

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Daten und Prognosen

Der ifo Indikator für das Wirtschaftsklima im Euroraum hatsich zuletzt verbessert, liegt aber wie bisher unter seinemlangfristigen Durchschnittswert. Die aktuelle Lage im Euro-raum hellte sich nur geringfügig auf und liegt weiterhin aufeinem niedrigen Niveau. Die Erwartungen für die nächstensechs Monate fielen dagegen erheblich positiver aus als imVorquartal. Eine konjunkturelle Stabilisierung im Euroraumscheint sich abzuzeichnen (vgl. Carstensen 2013b).

Wie eine Umfrage der Marktforscher von Markit zeigt, deu-tet der erneute Anstieg beim Einkaufsmanager-Index daraufhin, dass die deutsche Wirtschaft im September an Schwunggewonnen hat (vgl. o.V. 2013c). Die ZEW-Konjunkturerwar-tungen für Deutschland haben sich im September 2013ebenfalls erneut verbessert, und zwar um 7,6 auf 49,6 Punk-te. Der Konjunkturoptimismus wird offenbar durch die ro-buste deutsche Binnenkonjunktur gestützt. Die Bewertungder aktuellen konjunkturellen Lage für Deutschland hat sichim September ebenfalls um 14,4 Punkte verbessert (vgl.ZEW 2013). Und auch der ifo Geschäftsklimaindex für diegewerbliche Wirtschaft Deutschlands ist im September dasfünfte Mal in Folge gestiegen (vgl. Carstensen 2013c; Wohl-rabe 2013).

Die Investitionspläne der Industrieunternehmen vom Früh-jahr deuten auf eine zunehmende Investitionsneigung 2013hin. Nach den Ergebnissen des ifo Investitionstests wollendie Unternehmen im Jahr 2013 nominal 4% (real: 3%) mehrinvestieren als im Vorjahr (vgl. Weichselberger 2013). DieErgebnisse des ifo Investitionstests im Handel vom Früh-jahr 2013 zeigen, dass die Unternehmen gegenüber demVorjahr zumindest gleichhohe Investitionen erwarten (vgl.Sauer 2013).

Die Kapazitätsauslastung in der Industrie ist im Verlaufdes zweiten Quartals um 1,1 Prozentpunkte deutlich auf83,2% angestiegen. Das ist der höchste Wert seit fünfQuartalen, der damit fast seinen langjährigen Durchschnitts-wert erreicht hat.

Die Investitionen der Leasinggesellschaften entwickeln sichzwar seit acht Quartalen wesentlich positiver als die gesamt-wirtschaftlichen Ausrüstungsinvestitionen, was Marktanteils-gewinne bedeutet, seit dem dritten Quartal 2012 weisensie jedoch auch leicht negative Veränderungsraten auf. DieErgebnisse der ifo Konjunkturumfragen im Leasingsektorzeigen, dass die Geschäftslage und -erwartungen der Lea-singgesellschaften schon im Jahr 2012 nach unten ten-dierten. Im ersten Halbjahr 2013 wurde im Neugeschäft einMinus von 1,5% registriert, womit das Mobilien-Leasing je-doch besser abschnitt als die gesamtwirtschaftlichen Aus-rüstungsinvestitionen einschließlich der sonstigen Anlagen(– 3,7%). Der Rückgang wurde im zweiten Quartal von ei-nem Minus im Pkw-Leasing ausgelöst; bisher konnten dieLeasinggesellschaften in der für sie wichtigsten Sparte, trotz

der seit längerem anhaltenden Erosion bei den Neuzulas-sungen, noch Zuwächse erzielen. Deutliche Wachstumsra-ten wurden hingegen bei den klassischen Investitionsgütern,wie Maschinen für die Produktion, Büromaschinen und EDV,Luft-, Schienen- und Wasserfahrzeuge, immaterielle Wirt-schaftsgüter sowie den sonstigen Ausrüstungen, verzeich-net (vgl. BDL 2013).

Die konjunkturelle Gangart der Leasinggesellschaften ver-lief in den letzten Monaten in ruhigen Bahnen, wie die Er-gebnisse der Konjunkturumfragen des ifo Instituts im Lea-singsektor belegen. Während die Geschäftslageurteile erstim Sommer etwas nach oben tendierten, zeigen die Ge-schäftserwartungen schon seit Monaten eine klare Aufwärts-tendenz (vgl. Abb. 1).

Der Leasingverband (BDL) geht gegenwärtig davon aus,dass das Mobilien-Leasing 2013 das Niveau des Vorjahreserreichen wird, für das die Ergebnisse des ifo Investitions-tests eine sehr moderate Zunahme der Leasinginvestitionenausweisen. Das Neugeschäft mit Mobilien wuchs um 0,5%auf rund 47,2 Mrd. Euro. Da das entsprechende gesamt-

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LeasingDienstleistungen

Unternehmensnahe Dienstleister und Leasing

Quelle: ifo Konjunkturtest Dienstleistungen, Berechnungsstand: 26. September 2013.

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Werte saisonbereinigt und geglättet

a) Durchschnitt der Salden aus den Prozentsätzen der positiven und der negativen Meldungen zu den Größen "Geschäftslage" und "Geschäftserwartungen".b) Differenz aus den Prozentanteilen der positiven und negativen Firmenmeldungen.

Geschäftsklimaa)

Prozentpunkte

Mobilien-LeasingSaldenb)

aktuelle GeschäftslageGeschäftsentwicklung in den nächsten 6 Monaten

Abb. 1

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Daten und Prognosen

wirtschaftliche Aggregat einen nominalenRückgang von 2,6% zu verzeichnen hatte,stieg die Mobilien-Leasingquote im vergan-genen Jahr gleichwohl kräftig, von 22,4 auf23,1% (vgl. Städtler 2012).

Der auf den Geschäftslagebeurteilungen derLeasinggesellschaften basierende Investiti-onsindikator1, den das ifo Institut und derBundesverband Deutscher Leasing-Unter-nehmen gemeinsam ermitteln, wird starkvom Input der Daten der amtlichen Statis-tik dominiert. Nach deren deutlich negati-ven Werten für die letzten drei Quartale von2012 ergab sich für das Gesamtjahr – nachder jüngsten Revision – ein nominaler Rück-gang der Ausrüstungsinvestitionen ein-schließlich der sonstigen Anlagen (letzte-res sind vor allem Software-Produkte) von 2,6%. Im ers-ten Quartal 2013 setzte sich der negative Trend verstärktfort. Das nominale Minus belief sich gegenüber Vorjahr al-lein bei den Ausrüstungen auf 8,8%, die damit wohl ihrenTiefpunkt erreicht haben. Im zweiten Quartal ergab sichnur noch ein Rückgang von 0,6%. Von dieser Basis aus-gehend, signalisiert der ifo Investitionsindikator für das Jahr2013 nunmehr einen Rückgang der Ausrüstungsinvestitio-nen einschließlich der sonstigen Anlagen von 0,7%. Nachdem Minus im ersten Halbjahr werden für das dritte undvierte Quartal Zuwächse angezeigt; auf eine starke Dyna-mik deuten die Werte für die ersten drei Quartale 2014hin, die ein Wachstum von etwa 8% bedeuten würden (vgl.Abb. 2). Damit würde zwar das Vorkrisenniveau noch nichterreicht, aber es käme zumindest in Sichtweite, und die In-vestitionsquote bei den Ausrüstungsinvestitionen inDeutschland würde nach den Rückgängen 2012 und 2013wieder zunehmen, wenn auch auf sehr niedrigem Niveau.Ein Risiko für Abwärtsrevisionen in diesem Bereich bestehtvor allem bei einem möglichen Wiederaufflammen der Eu-rokrise.

Es scheint also, dass sich die Unternehmensinvestitionenangesichts geringerer Unsicherheit, dem Auslaufen der Re-zession in der Eurozone, steigender Kapazitätsauslastung,günstigerer Exportaussichten und nicht zuletzt sehr niedri-ger Zinsen endlich wieder beleben und diverse Projekte,die bis zuletzt aufgeschoben wurden, nun realisiert wer-den. Damit wäre auch eine Grundlage für ein deutlichesWachstum des BIP gelegt. Für eine nachhaltige Überwin-

dung der hartnäckigen strukturellen Investitionsschwächein Deutschland, die von einigen nationalen und internatio-nalen Institutionen beklagt wird (vgl. Piper 2012), müsste einInvestitionsboom indessen einige Jahre anhalten. Nach Be-rechnungen des Instituts der deutschen Wirtschaft weistDeutschland von 2001 bis 2012 gegenüber dem Durch-schnitt des Euroraums eine Investitionslücke von jahres-durchschnittlich 2,9% des BIP auf, die kumuliert 826 Mrd.Euro beträgt (vgl. Hüther 2013).

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Indikator für die Trend-Konjunktur-KomponenteInvestitionenTrend-Konjunktur-Komponente der Investitionen

Investitionsindikator

in Mrd. €

Berechnungsstand: 26. September 2013.Quelle: ifo Konjunkturtest Dienstleistungen; Statistisches Bundesamt; Berechnungen des ifo Instituts.

Abb. 2

1 Dieser Forschungsansatz basiert auf den Urteilen zur aktuellen Geschäfts-lage der Leasinggesellschaften aus dem monatlichen ifo KonjunkturtestDienstleistungen. Er benutzt ein strukturelles Zeitreihenmodell, das dieZeitreihen Geschäftslage und Investitionen in ihre Bestandteile Trend, Zyklus, Saison und irreguläre Komponente zerlegt. Dabei dient insbe-sondere die Zykluszerlegung der Geschäftslage zur Prognose der Inves-titionszeitreihen. Detaillierte Informationen zur Methode finden sich inGürtler und Städtler (2007).

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Daten und Prognosen

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Statistisches Bundesamt (2013), »Ausführliche Ergebnisse zur Wirtschafts-leistung im 2. Quartal 2013«, Pressemitteilung Nr. 278, 23. August.

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Weichselberger, A. (2013), »Deutsche Industrie: Für 2013 erneutes Investiti-onsplus geplant«, ifo Schnelldienst 66(15), 53–57.

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Flexibilisierungsmaßnahmen vorallem in großen Unternehmen

Die Ergebnisse der Sonderfrage, die imvierten Quartal 2012 gestellt wurde, zei-gen auf, wie die Personalleiter die Folgeneiner schwachen gesamtwirtschaftlichenEntwicklung abschätzten. Es wurde ge-fragt, ob und wie die Personalleiter denBestand der Stammbelegschaft, vonÜberstunden, Arbeitszeitkonten, befriste-ten Verträgen bzw. den Einsatz von Zeit-und Kurzarbeit voraussichtlich verändernwerden, sollte sich die Konjunktur im ers-ten Halbjahr 2013 weiter abschwächen.Interessante Einblicke in das Personalma-nagement der befragten Unternehmen lie-fert bereits eine Auswertung der Antwort-möglichkeit »trifft nicht zu«; diese stellt dieAnteile der befragten Unternehmen her -aus, in denen die genannten Flexibilisie-rungsmaßnahmen (nicht) eingesetzt wer-den (vgl. Abb. 1).

In den Wirtschaftsbereichen Verarbeiten-des Gewerbe, Handel und weitere Dienst-leistungen (ohne Handel) weicht die Ver-teilung der Antworten nicht nennenswertvom Durchschnitt ab; differenziert nachBeschäftigtengrößenklassen sind jedocheinige Unterschiede erkennbar. So setzen

kleine Unternehmen (mit weniger als50 Mitarbeitern) alle genannten Flexibili-sierungsmaßnahmen unterdurchschnitt-lich häufig ein. Überstunden werden inallen Beschäftigtengrößen sehr häufig ein-gesetzt (in ca. 94% der Unternehmen).Kurzarbeit spielt in der Größenklasse ab500 Mitarbeitern eine größere Rolle (in ca.55% dieser Firmen, gesamt: 39%); Un-ternehmen mit weniger Beschäftigten nut-zen dieses Instrument unterdurchschnitt-lich. Zeitarbeit findet in Unternehmen mit250 und mehr Mitarbeitern am häufigstenAnwendung (84%, gesamt: 55%). In die-ser Beschäftigtengrößenklasse werdenauch befristete Verträge (96%, gesamt:74%) und Arbeitszeitkonten (95%, ge-samt: 84%) am häufigsten eingesetzt.

Reaktion auf Konjunkturabküh-lung in erster Jahreshälfte 2013

Die Frage, wie sich eine weitere Konjunk-turabkühlung im ersten Halbjahr 2013 auf

Sonderfragen

Anita Jacob-Puchalska

ifo Personalleiterbefragung – Ergebnisse ausgewählter

Das ifo Institut befragt im Auftrag der Randstad Deutschland GmbH & Co. KG viermal im Jahr Per-

sonalleiter aus unterschiedlichen Wirtschaftsbereichen nach der Bedeutung verschiedener Flexi-

bilisierungsinstrumente im Personaleinsatz, wie etwa Zeitarbeit, Überstunden oder freie Mitar-

beit.1 Zudem greift in jeder Befragung eine Sonderfrage ein aktuelles personalpolitisches Thema

auf. Im Folgenden werden die Ergebnisse ausgewählter Sonderfragen vorgestellt: Im vierten Quar-

tal 2012 wurde die Reaktion der Unternehmen auf eine weitere Abschwächung der Konjunktur

thematisiert; im ersten Quartal 2013 wurde der Frage nachgegangen, wie sich die Nachfrage von

Arbeitsuchenden aus den GIIPS-Ländern im vergangenen Jahr verändert hat; im zweiten Quartal

2013 hatte die Sonderfrage das Teilzeitangebot der Unternehmen zum Gegenstand.

1 Befragt werden Personalleiter in Unternehmen desVerarbeitenden Gewerbes, des Groß- und Einzel-handels sowie der »Dienstleistungsbereiche ohneHandel« (ohne Finanzdienstleistungen). Die Perso-nalleiter bewerten in der Befragung die aktuelle Be-deutung sowie die erwartete Bedeutung der Fle-xibilisierungsinstrumente Überstunden, Zusatz-bzw. Ersatzpersonal auf Basis befristeter Verträge,Zusatz- bzw. Ersatzpersonal auf Minijob- bzw. Midijobbasis, Einsatz von Zeitarbeitnehmern, Ein-satz freier Mitarbeiter, Outsourcing, innerbetriebli-che Umsetzungen, Arbeitszeit- bzw. Gleitzeitkon-ten. Weiterführende Informationen zur Befragungunter http://www.cesifo-group.de/de/ifoHome/facts/Survey-Results/Personalleiterbefragung.html.

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Quelle: ifo Personalleiterbefragung im 4. Quartal 2012.

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Einsatz der Flexibilisierungsmaßnahmennach Beschäftigtengrößenklassen

Beschäftigte

Abb. 1

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Daten und Prognosen

den Bestand bzw. Einsatz der genannten Personalflexibili-sierungsinstrumente voraussichtlich auswirken wird, beant-worteten die Personalleiter in allen Wirtschaftsbereichen ähn-lich. Die Ergebnisse beziehen sich dabei anteilig auf die Un-ternehmen, die im ersten Teil der Frage angaben, das je-weilige Flexibilisierungsinstrument auch zu nutzen.

Rund 20% der befragten Unternehmen gaben an, bei einerweiteren Konjunkturabkühlung voraussichtlich ihre Stamm-belegschaft zu reduzieren; das Gros der Unternehmen (71%)plant jedoch keine Veränderung des Personalbestands (vgl.Abb. 2). Die Mehrheit der Unternehmen (75%) reagiert miteiner Reduktion der Überstunden auf die erwartete Konjunk-turabkühlung. Ähnlich fallen die Antworten für Arbeitszeit-konten aus: Etwa 52% der befragten Unternehmen wollendiese reduzieren; 9% planen, sie weiter aufzustocken. Auchwurden die Unternehmen nach ihrem geplanten Einsatz vonKurzarbeit gefragt – von den Unternehmen, die ihren Per-sonalbestand auf diese Art flexibilisieren wollen, gaben 46%an, Kurzarbeit vermehrt einzusetzen. Jeder fünfte Perso-

nalleiter wollte sich hierzu noch nicht sicheräußern.

Bei den Flexibilisierungsmaßnahmen Zeit-arbeit und befristete Verträge gibt es sowohlzwischen den Wirtschaftsbereichen als auchden Beschäftgtengrößenklassen etwas grö-ßere Abweichungen. Nach den Ergebnissender Befragung wollen rund 52% der Perso-nalleiter den Einsatz von Zeitarbeit reduzie-ren. Im Verarbeitenden Gewerbe planen dies71% der befragten Unternehmen, wenigerhäufig wollen Betriebe im Handel und denweiteren Dienstleistungen vermindert Zeitar-beit einsetzen (38% bzw. 39%). Differenziertnach Beschäftigtengrößenklassen ist der An-teil der Antworten »reduzieren« in Unterneh-men mit 50 und mehr Beschäftigten amhöchsten ausgeprägt. Im Durchschnitt überalle Betriebe wollen dagegen 7% der befrag-ten Unternehmen den Einsatz von Zeitar-beit weiter ausbauen.

Mit einer Zunahme von befristeten Verträgenrechnen durchschnittlich 20% der befragtenPersonalleiter. Insbesondere in großen Un-ternehmen (mit 250 und mehr Mitarbeitern)sowie im Verarbeitenden Gewerbe (57%bzw. 50%) wurde »reduzieren« häufiger alsim Durchschnitt angegeben. Dagegen wol-len die Dienstleistungsbereiche (inkl. Handel)sowie Unternehmen mit bis zu 249 Beschäf-tigten den Einsatz von befristeten Verträgenstärker erhöhen.

Großteil der Unternehmen verzeichnet keine Bewerber aus den GIIPS-Staaten

Die Sonderfrage im ersten Quartal 2013 widmete sich ei-nem weiteren Thema: In den Medien wurde aufgrund derangespannten Beschäftigungssituation in den GIIPS-Staa-ten vermehrt von in Deutschland steigenden Bewerberzah-len aus diesen Ländern berichtet. Die Ergebnisse der Per-sonalleiterbefragung im ersten Quartal 2013 ergeben, dasseher große Unternehmen von Bewerbern aus überwiegendsüdeuropäischen Ländern berichteten. Der Großteil der be-fragten Teilnehmer hatte im vergangenen Jahr jedoch keineBewerber aus Griechenland, Irland, Italien, Portugal oderSpanien zu verzeichnen.

Rund 21% der Personalleiter berichteten von Bewerbungenaus Spanien, gefolgt von Griechenland (15%), Italien (14%)und Portugal (14%) (vgl. Abb. 3). Nur 8% der Umfrageteil-nehmer registrierten irische Bewerber. Eine im vergange-

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Auswirkungen der Konjunkturabkühlung im ersten Halb-jahr 2013 auf den...

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keine Antwort reduzieren

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nicht verändern erhöhen

Quelle: ifo Personalleiterbefragung im 4. Quartal 2012.

Bestand der Stammbelegschaft Bestand der Überstunden

Bestand der Arbeitszeitkonten Einsatz von Kurzarbeit

Einsatz von Zeitarbeit Bestand von befristeten Verträgen

Abb. 2

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Daten und Prognosen

nen Jahr gestiegene Nachfrage von Arbeitsuchenden ausSpanien stellten 11% der befragten Personalleiter fest, beietwas weniger Unternehmen nahm die Nachfrage aus Grie-chenland (5%) oder Portugal (4%) zu. Aus Irland stellten diebefragten Unternehmen keine gestiegenen Bewerberzahlenfest. Von einem Rückgang der Bewerbungen aus den ge-nannten Ländern berichteten weniger als 1% der Umfrage-teilnehmer.

Bewerbungen von Spaniern am häufigsten

Die meisten Bewerbungen registrierten die Personalleitervon spanischen Arbeitssuchenden. Besonders häufig be-richteten dabei Unternehmen mit 250 und mehr Beschäf-tigten von Bewerbungen aus Spanien (47%), zudem regis-trierten 20% dieser Betriebe im vergangenen Jahr (2012)eine gestiegene Bewerberzahl.

Die Personalleiter wurden zudem gefragt, obsie aktiv nach Bewerbern aus den GIIPS-Staa-ten suchen. Nur ein Bruchteil der Firmen konn-te dies bestätigen (4%) (vgl. Abb. 4). Im Han-del wie auch im Dienstleistungsbereich (jeweils5%) waren die Anteile nur etwas höher als imVerarbeitenden Gewerbe (3%). Größere Un-terschiede resultieren aus einer nach Beschäf-tigtengrößen differenzierten Betrachtung. Vonuntergeordneter Bedeutung ist das Thema inBetrieben mit 50 bis 249 Mitarbeitern (3%);4% der Unternehmen mit bis zu 49 Beschäf-tigten gaben an, aktiv nach Bewerbern ausden genannten EU-Staaten zu suchen. Da-gegen bestätigten 8% der größeren Unterneh-men (mit 250 und mehr Beschäftigten), sichaktiv um Bewerber aus den genannten Staa-ten zu bemühen.

Fast jedes Unternehmen beschäftigt Teilzeitmitarbeiter

Die Befragung, die im zweiten Quartal 2013 durchgeführtwurde, thematisierte das Teilzeitangebot der Unternehmen.Konkret wurden die Personalleiter gefragt, wie sich die An-zahl der angebotenen Teilzeitstellen bis Ende des Jahres2014 voraussichtlich verändert wird und wie das Teilzeitan-gebot in den vergangenen Jahren verändert wurde.

Wie die Ergebnisse der Befragung zeigen, ist der Anteil derUnternehmen, die aktuell Mitarbeiter in Teilzeit beschäftigen,in allen drei Wirtschaftsbereichen sehr hoch. Im Durchschnittbieten 92% der befragten Unternehmen Teilzeitstellen an(vgl. Abb. 5). Zwar sind die Antworten unter den Wirtschafts-bereichen ähnlich verteilt, jedoch geht aus der Befragunghervor, dass große Unternehmen mit 250 und mehr Beschäf-

tigten Teilzeitmodelle am häufigsten anbie-ten (98%); kleinere Betriebe beschäftigen ih-re Mitarbeiter etwas weniger häufig in Teilzeit(90%).

Die nachfolgenden Ergebnisse beziehen sichnur auf den Anteil der Unternehmen, die an-gaben, Teilzeitstellen anzubieten. Auf die Fra-ge, wie die befragten Personalleiter das An-gebot an Teilzeitstellen bis Ende 2014 voraus-sichtlich ändern werden, gab ein Großteil derUnternehmen (83%) an, die Anzahl der Teil-zeitstellen bis Ende des Jahres 2014 etwagleichzulassen (vgl. Abb. 6). Dagegen planen10%, mehr Mitarbeiter in Teilzeit zu beschäf-tigen; 6% wollen das Angebot eher reduzie-ren. Differenziert nach Wirtschaftsbereichenoder Beschäftigtengrößenklassen variieren die

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85

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9 105

0 2 4

11

0

20

40

60

80

100

Griechenland Irland Italien Portugal Spanien

keine Bewerber unverändert gestiegen

Abweichungen von 100 durch Runden bedingt.Quelle: ifo Personalleiterbefragung im 1. Quartal 2013.

%

Bewerbungen aus den GIIPS-Staaten im Jahr 2012

"Wie hat sich die Nachfrage von Arbeitsuchenden aus den folgenden EU-Staaten in den letzten 12 Monaten geändert?"

Abb. 3

3

55

4

3

8

4

0

2

4

6

8

10

VerarbeitendesGewerbe

Handel Dienstleistungen(ohne Handel)

1–49 50–249 250 u. mehr Summe

Quelle: ifo Personalleiterbefragung im 1. Quartal 2013.

%

Anteil der Firmen, die aktiv nach Bewerbern aus den GIIPS-Staaten suchen

Wirtschaftsbereiche Beschäftigtengrößenklassen

Beschäftigte

Abb. 4

Page 40: ifo Schnelldienst 19/2013 · Nach dem Minus im ersten Halbjahr 2013 werden für das dritte und vierte Quartal Zuwächse angezeigt. Auf eine starke Dynamik deuten die Werte für die

Daten und Prognosen38

Ergebnisse kaum. Am häufigsten gaben abergroße Unternehmen mit 250 und mehr Mit-arbeitern an, bis Ende 2014 mehr Mitarbei-ter als aktuell in Teilzeit zu beschäftigen (14%).

Jedes dritte Unternehmen hat Anzahl der Teilzeitstellen erhöht

Zudem wurden die Unternehmen gefragt,wie sie das Angebot an Teilzeitstellen in denvergangenen zwei bis drei Jahren veränderthaben. Im Durchschnitt gaben 60% der be-fragten Firmen an, die Anzahl der Teilzeitstel-len in den vergangenen Jahren ungefährgleich gelassen zu haben (vgl. Abb. 7). Wei-tere 33% der Personalleiter berichteten, dieAnzahl der Beschäftigten in Teilzeit erhöht zuhaben; insbesondere in Firmen mit 250 undmehr Mitarbeitern (41%) und im Dienstleis-tungsbereich (37%) wurden diese Beschäf-tigungsform vermehrt angeboten. Dagegenhatten im Durchschnitt nur 7% der Firmendie Anzahl der in Teilzeit beschäftigten Mit-arbeiter reduziert. Im Verarbeitenden Gewer-be und in kleineren Betrieben (mit wenigerals 50 Mitarbeitern) lag dieser Anteil etwasüber dem Durchschnitt (jeweils 8%). GroßeBetriebe mit 250 und mehr Mitarbeitern ga-ben weniger häufig an, diese Beschäfti-gungsform in den vergangenen zwei bis dreiJahren zurückgefahren zu haben (2%).

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9094 94

9093

9892

0

20

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100

VerarbeitendesGewerbe

Handel Dienstleistungen(ohne Handel)

1–49 50–249 250 u. mehr Summe

Quelle: ifo Personalleiterbefragung im 2. Quartal 2013.

%

Anteil der Unternehmen, die aktuell Teilzeitmodelle anbieten

Wirtschaftsbereiche Beschäftigtengrößenklassen

Beschäftigte

Abb. 5

613 12 11 9

14 10

89 79 81 83 8582

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5 7 7 7 6 3 6

0

20

40

60

80

100

VerarbeitendesGewerbe

Handel Dienstleistungen(ohne Handel)

1–49 50–249 250 u. mehr Summe

auszubauen gleichzulassen zu reduzieren

Quelle: ifo Personalleiterbefragungim 2. Quartal 2013.

%

Veränderung von Teilzeitstellen bis Ende 2014

"Wir planen, das Angebot an Teilzeitstellen in unseren Unternehmen bis Ende 2014 ..."

Wirtschaftsbereiche Beschäftigtengrößenklassen

Beschäftigte

Ohne Berücksichtigung der Unternehmen, die keine Mitarbeiter in Teilzeit beschäftigen.Abweichungen von 100% durch Runden bedingt.

Abb. 6

29 3137

2937 41

33

64 6157

6558

5661

8 7 6 8 6 2 7

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20

40

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VerarbeitendesGewerbe

Handel Dienstleistungen(ohne Handel)

1–49 50–249 250 u. mehr Summe

erhöht gleich gelassen reduziert

Quelle: ifo Personalleiterbefragung im 2. Quartal 2013.

%

Veränderung von Teilzeitstellen in den letzten Jahren

"Wir haben das Angebot an Teilzeitstellen in den letzten 2 bis 3 Jahren ..."

Wirtschaftsbereiche Beschäftigtengrößenklassen

Beschäftigte

Ohne Berücksichtigung der Unternehmen, die keine Mitarbeiter in Teilzeit beschäftigen.Abweichungen von 100% durch Runden bedingt.

Abb. 7

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i fo Schne l ld ienst 19/2013 – 66. Jahrgang – 15. Oktober 2013

39

Innerhalb des Dienstleistungssektors nimmt der Wirtschafts-bereich Verkehr und Lagerei mit etwa 2 Mill. tätigen Perso-nen und einem jährlichen Umsatz von rund 270 Mrd. Euroeine bedeutende Rolle ein. Das Spektrum der Verkehrs-wirtschaft umfasst dabei vor allem die Beförderung von Gü-tern und Personen zu Land, zu Wasser und in der Luft so-wie verschiedene Hilfs- und Nebentätigkeiten. Tabelle 1 zeigtdie Untergliederung des Abschnitts Verkehr und Lagerei inder aktuellen Wirtschaftszweigklassifikation WZ2008 (vgl.Destatis 2008) sowie den Anteil der einzelnen Wirtschafts-abteilungen am Gesamtumsatz. Die hier dargestellten Um-satzzahlen stammen aus der Strukturerhebung des Statis-tischen Bundesamtes, die wichtige Kenngrößen des Dienst-leistungsbereichs Verkehr und Lagerei beschreibt und de-ren aktuellste Ergebnisse sich auf das Jahr 2011 beziehen(Destatis 2013).

Vom Gesamtumsatz dieses Jahres in Höhe von 268 Mrd.Euro entfielen demnach 40,6% auf Lagerei und die Erbrin-gung von sonstigen Dienstleistungen für den Verkehr, zu de-nen u.a. die Unterbereiche Spedition sowie Frachtumschlagzählen. Ebenfalls einen bedeutenden Anteil(29,8%) erwirtschafteten die Unternehmendes Wirtschaftszweiges Landverkehr undTransport in Rohrfernleitungen. Auf die Schiff-fahrt entfielen 11,1% und auf die Post-, Ku-rier- und Expressdienste 10,5% des Gesamt-umsatzes des Wirtschaftsbereichs Verkehrund Lagerei. Die Luftfahrt trug mit einem Um-satz von 21,6 Mrd. Euro einen Anteil von8,0% bei.

Die Dienstleistungsstatistik für das Jahr2011 weist aus, dass knapp 50 Mrd. Euro,18,6% des Gesamtumsatzes, von Unter-nehmen erwirtschaftet wurden, die Perso-nenbeförderung anbieten. Die Nachfragenach Leistungen der öffentlichen Personen-verkehrsmittel (Eisenbahnen, Omnibusse,S-, Straßen- und U-Bahnen sowie Schiffe)wird langfristig vor allem durch demographi-sche und strukturelle Faktoren wie Einwoh-ner- und Schülerzahlen, Motorisierungsgradsowie Siedlungsstruktur geprägt. Konjunk-turelle Einflüsse gehen zum einen von derArbeitsmarktsituation aus, sie determiniertdie Nachfrage im Berufsverkehr. Zum ande-ren wirken sich Veränderungen bei den Kon-sumausgaben auf den Freizeit-, Urlaubs-und Einkaufsverkehr aus. Letztere beeinflus-sen auch die Nachfrage nach privaten Ta-xifahrten sowie privaten Flugreisen. BeideVerkehrsmittel profitieren bei einer steigen-den gesamtwirtschaftlichen Produktion zu-dem von zusätzlichen Dienst- und Ge-schäftsreisen.

Der Umsatz der Unternehmen, die Güter für Dritte trans-portieren, umschlagen, lagern sowie die Transporte organi-sieren oder sonstige Dienstleistungen im Zusammenhangmit der Beförderung von Gütern erbringen, betrug 2011gut 218 Mrd. Euro. Die umsatzstärkste Wirtschaftsabteilungist dabei die Lagerei, einschl. der Erbringung von sonstigenDienstleistungen. Da zunehmend Speditions- und Logistik-unternehmen in die Organisation und die Abwicklung vonGütertransporten eingeschaltet werden, erzielten allein dieSpeditionen einen Umsatz von 78,4 Mrd. Euro. Als unter-nehmensnahe Dienstleister sind Transporteure sowie alleUnternehmen, die Dienstleistungen im Zusammenhang mitGütertransporten anbieten, in starkem Maße in den arbeits-teiligen Produktions- und Distributionsprozess von Verladernund Handel integriert und daher stark von der gesamtwirt-schaftlichen Entwicklung abhängig. Die Nachfrage nachTransportleistungen wird darüber hinaus nicht nur von derdeutschen Industrieproduktion, sondern auch von der kon-junkturellen Situation in Europa und in anderen Kontinentenbestimmt. Vor allem der Seeverkehr und die Luftfracht wer-den von der Entwicklung des grenzüberschreitenden Wa-

für die Verkehrswirtschaft

Hildegard Arnold-Rothmaier und Stefan Sauer

Konjunkturtest im Fokus: Gute Geschäftsperspektiven

Tab. 1 Umsätze im Wirtschaftsbereich Verkehr und Lagerei 2011

Umsatz in Mrd. Euro

Anteil in %

Landverkehr und Transport in Rohrfern-leitungen (WZ 49) 79,92 29,8 Personenbeförderung 32,32 12,0

im Eisenbahnfernverkehr 11,77 4,4

im Straßenpersonenfernverkehr 4,59 1,7

im Nahverkehr/ohne Taxi 13,16 4,9

im Taxi 2,81 1,0

Güterbeförderung 47,59 17,7

im Eisenbahnverkehr 6,46 2,4

im Straßenverkehr 36,79 13,7

Umzugstransporte 0,74 0,3

in Rohrfernleitungen 3,61 1,3 Schifffahrt (Binnen-, See- , Küstenschifffahrt) (WZ 50) 29,78 11,1 Personenbeförderung 1,28 0,5

Güterbeförderung 28,51 10,6

Luftfahrt (WZ 51) 21,55 8,0 Personenbeförderung 16,34 6,1

Güterbeförderung 5,21 1,9 Lagerei, Erbringung von sonstigen Dienstleis-tungen (WZ 52) 109,00 40,6 Lagerei 7,08 2,6

Frachtumschlag 3,24 1,2

Speditionen 78,41 29,2

sonstige Dienstleistungen für den Verkehr 20,27 7,6

Post-, Kurier- und Expressdienste (WZ 53) 28,10 10,5 Verkehr und Lagerei (WZ 49–53) 268,35 100 Personenbeförderung 49,94 18,6 Güterbeförderung 218,41 81,4

Quelle: Statistisches Bundesamt.

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Im Blickpunkt

renhandels determiniert. Dagegen befördernder Lkw und die Eisenbahnen vorwiegendim Binnenverkehr.

Aufschlüsse über die gegenwärtige kon-junkturelle Situation des Wirtschaftsbe-reichs Verkehr und Lagerei liefern die Er-gebnisse des ifo Konjunkturtests Dienst-leistungen.1 Die Bewertungen der aktuel-len Geschäftslage durch die teilnehmendenUnternehmen deuteten in den vergange-nen Monaten nach einer leichten Eintrü-bung zur Jahresmitte auf einen sich wie-der erheblich verbessernden Geschäftsver-lauf hin (vgl. Abb. 1). Die zufriedenen La-geurteile überwogen im September in et-wa so stark wie zum gleichen Zeitpunkt desVorjahres, als sich der Indikator allerdingsin einer Abwärtsentwicklung befand. Dabei profitieren dieFirmen im Binnenverkehr derzeit von der weiterhin robus-ten Bau- und Konsumnachfrage sowie von den zuletzt an-ziehenden Geschäften im Investitionsgüterbereich. Die eherschwache Konjunktur im übrigen Euroraum beeinflusst da-gegen den grenzüberschreitenden Verkehr negativ. Be-züglich der Perspektiven für die kommenden Monate zeig-ten sich die Testteilnehmer zuletzt optimistisch und rech-neten mit einer positiven Geschäftsentwicklung in naherZukunft.

Die Meldungen der am ifo Konjunkturtests teilnehmendenVerkehrsunternehmen belegen die Abhängigkeit des Be-reichs Verkehr und Lagerei von der gesamtwirtschaftlichenEntwicklung sehr deutlich. Während konjunkturelle Schwä-chephasen zumeist auch das Geschäft der Verkehrswirt-schaft einschränken, wirken die Ausweitung der gesamt-wirtschaftlichen Produktion sowie der höhere Konsum inPhasen mit guter Konjunktur stimulierendauf die Verkehrsmärkte. Vergleicht man denVerlauf des Geschäftsklimas im Bereich Ver-kehr und Lagerei mit dem Geschäftsklimain-dikator für die gesamte gewerbliche Wirt-schaft, ist ein weitestgehend paralleler Ver-lauf der beiden Kurven in den vergange-nen Jahren festzustellen (vgl. Abb. 2). Soverschlechterte sich etwa während der Wirt-schafts- und Finanzmarktkrise in den Jah-ren 2008 und 2009 auch das Geschäfts-klima in der Verkehrswirtschaft beträchtlich.Die Schwächephase der Konjunktur inDeutschland in der zweiten Jahreshälfte

2012 wirkte sich ebenfalls dämpfend auf den Geschäfts-verlauf der am ifo Konjunkturtest teilnehmenden Verkehrs-unternehmen aus.

Das Anziehen der Konjunktur in der gewerblichen Wirtschaft,auf das die Umfrageergebnisse in den vergangenen Mona-ten hindeuteten, schlug sich zuletzt auch in einer wiedergünstigeren Geschäftslage und optimistischeren Geschäfts-erwartungen im Verkehrsbereich nieder. Die teilnehmendenFirmen rechnen den Testergebnissen zufolge in den kom-menden Monaten mit einer schwungvollen Nachfrage undeiner positiven Umsatzentwicklung; darüber hinaus beab-sichtigen sie, ihren Personalstand auszuweiten.

Betrachtet man das Geschäftsklima getrennt nach den ein-zelnen Wirtschaftsbereichen, so stellt sich dieses besondersim Bereich Landverkehr sowie bei den Speditionen positivdar. Vor dem Hintergrund der guten Binnenkonjunktur be-richten die Unternehmen von einer günstigen Geschäftsla-

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40

Geschäftsklima im Wirtschaftsbereich Verkehr und Lagerei

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2008 2009 2010 2011 2012 2013

Salden saisonbereinigt und geglättet

Beurteilung der Geschäftslage

Quelle: ifo Konjunkturtest.

Geschäftsklima

Geschäftserwartungen

Geschäftsklima im Vergleich

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2008 2009 2010 2011 2012 2013

Salden saisonbereinigt und geglättet

Verkehr und Lagerei

Quelle: ifo Konjunkturtest.

gewerbliche Wirtschafta)

a) Verarbeitendes Gewerbe, Bauhauptgewerbe, Groß- und Einzelhandel.

Abb. 1

Abb. 2

1 Seit März 2013 werden die Ergebnisse des Konjunk-turtests Dienstleistungen auf Basis der aktualisiertenWirtschaftszweigklassifikation (WZ 2008) veröffentlicht.Die Ergebnisse sind rückwirkend und saisonbereinigtausgewiesen.

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Im Blickpunkt

ge und blicken dem kommenden Geschäftsverlauf überwie-gend optimistisch entgegen. Auch die Firmenmeldungen zurNachfrage- bzw. Umsatzentwicklung im Vergleich zum Vor-jahr deuten hier wieder auf eine Aufwärtstendenz hin, nach-dem die Unternehmen vor allem in der zweiten Jahreshälf-te 2012 und zu Beginn des laufenden Jahres vermehrt vonNachfragerückgängen berichtet hatten. Die Antworten aufdiese monatlich gestellte Frage können auch als wichtigerIndikator für die Abschätzung der Umsatzentwicklung in denVerkehrsbereichen dienen, da sie einen zeitlichen Vorlauf vorden quartalsweise veröffentlichten Zahlen des StatistischenBundesamtes haben. Abbildung 3 zeigt für das Beispiel desBereichs Lagerei und sonstige Dienstleistungen für den Ver-kehr, dass die Nachfrage in den vergangenen Monaten wie-der etwas angezogen hat und die Entwicklung der amtlichenUmsatzzahlen weitestgehend durch den Verlauf der saldier-ten Ergebnisse der Umsatzfrage im ifo Konjunkturtest an-genähert werden kann.

Angesichts der in der gesamten gewerblichen Wirtschaft alsgünstig eingeschätzten Geschäftsperspektiven für das kom-mende halbe Jahr lassen die Ergebnisse des ifo Konjunk-turtests auch in naher Zukunft auf einen positiven Geschäfts-verlauf und eine schwungvolle Nachfragesituation in der Ver-kehrswirtschaft hoffen. Vor allem die im Gütertransport tä-tigen Unternehmen dürften dabei von der gesamtwirtschaft-lichen Aufwärtsentwicklung profitieren.

Literatur

Arnold-Rothmaier, H. (2013a), »Güterbeförderung im Straßenverkehr«, Bran-chen special, Juli.

Arnold-Rothmaier, H. (2013b), »Spedition und Logistik«, Branchen special,Juli.

Destatis (2008), Klassifikation der Wirtschaftszweige, Ausgabe 2008, Statis-tisches Bundesamt, Wiesbaden.

Destatis (2013), Strukturerhebung im Dienstleistungsbe-reich Verkehr und Lagerei, 2011, Statistisches Bundes-amt, Wiesbaden.

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Lagerei und sonstige Dienstleistungen für den Verkehr

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Umsatzentwicklung zum VorjahresquartalVeränderungsrate in %

Quelle: Statistisches Bundesamt; ifo Konjunkturtest.

Nachfrageentwicklung zum VorjahresmonatSalden saisonbereinigt und geglättet

Abb. 3

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42

Der ifo Geschäftsklimaindex für die gewerbliche WirtschaftDeutschlands ist das fünfte Mal in Folge gestiegen. Zwar be-urteilen die Unternehmen ihre aktuelle Geschäftslage alsetwas weniger zufriedenstellend als im Vormonat. Die Er-wartungen an die weitere Geschäftsentwicklung sind abererneut optimistischer ausgefallen. Die deutsche Wirtschaftist mit Zuversicht in den Herbst gestartet.

Die Entwicklung des ifo Geschäftsklimas verlief in den ein-zelnen Branchen unterschiedlich. Während der Index im Ver-arbeitenden Gewerbe, dem Dienstleistungssektor und imEinzelhandel stieg, gab er im Großhandel und im Bau-hauptgewerbe nach. Nur im letztgenannten Sektor ist derSaldo des Geschäftsklimas negativ, während er in den an-deren Sektoren weiterhin positiv bleibt.

Das ifo Beschäftigungsbarometer für die gewerbliche Wirt-schaft Deutschlands, inklusive des Dienstleistungssektors,ist im September leicht gesunken. Im Moment zeichnet sichkeine große Änderung der Dynamik am Arbeitsmarkt ab.Eine kleine Mehrheit der Firmen will weiterhin verstärkt Per-sonal einstellen. Im Verarbeitenden Gewerbe ist der Indexzum dritten Mal in Folge gestiegen. Es zeigt sich eine leich-te Aufwärtstendenz insbesondere im Investitionsgüterbe-reich. Da im Bauhauptgewerbe weiterhin neues Personalgesucht wird, stieg der Index deutlich. Im Groß- und Ein-zelhandel gab das Beschäftigungsbarometer leicht nach,verbleibt aber im positiven Bereich. Hier kann mit weiterenEinstellungen gerechnet werden. Obwohl der Index imDienstleistungsbereich leicht sank, wird weiterhin zusätzli-ches Personal gesucht.

Der Geschäftsklimaindikator für das Verarbeitende Gewer-be ist erneut gestiegen. Die aktuelle Geschäftslage wird et-was weniger positiv beurteilt. Jedoch sind die Erwartungenan den weiteren Geschäftsverlauf auf den höchsten Wertseit Juni 2011 geklettert. Auch vom Export werden weiter-hin Impulse erwartet. Die Produktion konnte nur selten er-höht werden, gleichzeitig wurde jedoch der Lagerbestandverkleinert. Vereinzelt können die Verkaufspreise wieder stei-gen. Über die einzelnen Industriebranchen hinweg zeigt sichein ähnliches Bild: Während die aktuelle Lage leicht weni-ger positiv beurteilt wurde, verbesserten sich die Erwartun-gen an den weiteren Geschäftsverlauf. Im Vorleistungsgü-tergewerbe fielen die Lageurteile angesichts abgebremsterNachfragedynamik und stagnierender Produktion etwas we-niger positiv aus als zuletzt. In den Geschäftserwartungenkam eine sichtlich gestiegene Zuversicht zum Ausdruck. AlsFolge verbesserte sich das Geschäftsklima. Im Investiti-onsgüterbereich kühlte sich das Geschäftsklima leicht ab.

Klaus Wohlrabe

ifo Konjunkturtest September 2013 in Kürze1

1 Die ausführlichen Ergebnisse des ifo Konjunkturtests, Ergebnisse vonUnternehmensbefragungen in den anderen EU-Ländern sowie des Ifo World Economic Survey (WES) werden in den »ifo Konjunkturpers -pektiven« veröffentlicht. Die Zeitschrift kann zum Preis von 75,– EUR/Jahrabonniert werden.

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2008 2009 2010 2011 2012 2013

Geschäftserwartungen

Gewerbliche Wirtschafta)

GeschäftslageGeschäftsklima

Indexwerte, 2005 = 100, saisonbereinigt

a) Verarbeitendes Gewerbe, Bauhauptgewerbe, Groß- und Einzelhandel.

Geschäftsentwicklung

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2008 2009 2010 2011 2012 2013 a) Verarbeitendes Gewerbe, Bauhauptgewerbe,Groß- und Einzelhandel, Dienstleistungssektor.

ifo Beschäftigungsbarometer Deutschland

Indexwerte, 2005 = 100, saisonbereinigt

Gewerbliche Wirtschafta)

im September 2013

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Klima positivaber verschlechtert

Klima positivund verbessert

Klima negativaber verbessert

Klima negativund verschlechtert

Geschäftsklima nach Wirtschaftsbereichen

Salden, saisonbereinigte Werte

Veränderung in Prozentpunkten

Verarbeitendes Gewerbe Einzelhandel Großhandel

im September 2013

Bauwirtschaft

Dienstleistungen

Abb. 1

Quelle: ifo Konjunkturtest.

Abb. 2

Quelle: ifo Konjunkturtest.

Quelle: ifo Konjunkturtest.

Abb. 3

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Im Blickpunkt 43

Die Firmen bezeichneten ihre aktuelle Lage zwar erneut alsgut, jedoch in einem nicht mehr so hohen Maße wie im Vor-monat. Das Nachfragewachstum hat sich verlangsamt, dieAuftragsbestände gingen zurück. Daher füllten sich die La-ger wieder etwas. Der zukünftigen Geschäftsentwicklungblickten die Firmen angesichts weiterhin hoher Exporter-wartungen optimistischer entgegen. Die Konsumgüterin-dustrie (ohne Ernährungsgewerbe) verzeichnete einen star-ken Anstieg des Geschäftsklimaindikators. Die zuletzt guteGeschäftslage wurde von den Firmen angesichts anzie-hender Nachfrage und Produktion als noch etwas bessereingestuft. Die leichte vormonatliche Skepsis bezüglich derweiteren Geschäftsentwicklung wurde – unterstützt von stei-genden Ausfuhrerwartungen – von einer zuversichtlichenStimmung abgelöst. Im Ernährungsgewerbe hat sich dasGeschäftsklima infolge weniger günstiger Urteile zur Ge-schäftslage und zu den Geschäftsperspektiven abgekühlt.Die Nachfrage legte nur noch moderat zu. Obwohl die Pro-duktion zurückgefahren wurde, kam es zu einem leichtenAufbau der Fertigwarenlager. Vom Auslandsgeschäft wur-den kaum neue Impulse erwartet, und die Produktionsplä-ne blieben weitgehend unverändert. Im Bereich Metaller-zeugung und -bearbeitung stieg das Geschäftsklima deut-lich. Beide Komponenten konnten zulegen. Die Erwartun-gen lagen erstmals seit mehr als einem Jahr wieder überdem langfristigen Durchschnitt. Die aktuelle Lage wird wei-terhin mehrheitlich als schlecht eingestuft. Dies ist sicher-lich vor allem auf den herrschenden Preisdruck der letztenMonate zurückzuführen. Erstmals seit mehr als einem Jahrkonnten die Preise vielerorts wieder angehoben werden,nachdem sie in den zurückliegenden Monaten oft gesenktwerden mussten. Die Exporterwartungen mussten nach ei-nem optimistischen Ausblick im Vormonat wieder zurück-genommen werden. Das gute Geschäftsklima im Fahr-zeugbau ist weiterhin durch gute Exportaussichten getra-gen. Bei weiter anziehender Nachfrage und steigender Pro-duktion wird der Lagerbestand als zu niedrig eingestuft.

Im Bauhauptgewerbe ist der Geschäftsklimaindex erneutgesunken, befindet sich historisch betrachtet jedoch wei-terhin auf einem hohen Niveau. Die aktuelle Geschäftslagewird wieder etwas günstiger beurteilt. Die Baufirmen blickenjedoch skeptischer auf den weiteren Geschäftsverlauf. DieGerätekapazitäten waren ähnlich stark ausgelastet wie imAugust; mit 74% lag der Nutzungsgrad um 1 Prozentpunktüber dem Niveau des Vorjahres. Die Reichweite der Auf-tragsbestände verharrte im Durchschnitt der Bauspartenweiterhin bei 3,0 Monaten und liegt damit geringfügig überdem vergleichbaren Vorjahreswert. Ein Viertel der Testteil-nehmer klagte über Behinderungen bei der Bautätigkeit. Ins-gesamt hatte jede zehnte Firma mit Auftragsmangel zukämpfen; fast ebenso viele berichteten über Arbeitskräfte-mangel. Nach den Angaben der Firmen konnten die Preiseähnlich oft angehoben werden wie zuletzt. Für die nächs-ten Monate rechneten die Testteilnehmer zudem mit grö-

ßeren Preiserhöhungsspielräumen. Im Rahmen der Sep-tember-Sonderfrage berichteten 59% der Teilnehmer überspezielle Schwierigkeiten in den zurückliegenden sechs Mo-naten. So beklagten 39% der Befragten die säumige Zah-lungsweise der Auftraggeber, 11% die Abwerbung von Ar-beitskräften und 8% Auftragsstornierungen. Darüber hinausberichteten insgesamt 42% der teilnehmenden Baufirmenüber Verletzungen der Bestimmungen der »Vergabe- undVertragsordnung für Bauleistungen« (VOB): 31% bemän-gelten die Zuschlagserteilung auf das billigste und nicht aufdas wirtschaftlich annehmbarste Angebot, 19% der Betrie-be litten unter Baubehinderungen durch den Auftraggeber,und weiteren 14% machte die verzögerte Bauabnahme desBauherrn zu schaffen. Im Tiefbau gab der Geschäftskli-maindex erneut etwas nach. Sowohl die aktuelle Lage alsauch der Ausblick auf die nächsten Monate fielen wenigerpositiv aus als zuletzt. Es zeigt sich, dass in den letzten

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2008 2009 2010 2011 2012 2013

saisonbereinigtsaisonbereinigt, geglättet

Salden aus den Prozentsätzen der Meldungen über zu- und abnehmende Anzahl von Beschäftigten.

Bauhauptgewerbe

Salden

Beschäftigtenplanungen

Abb. 5

Quelle: ifo Konjunkturtest.

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2008 2009 2010 2011 2012 2013

saisonbereinigt, geglättet saisonbereinigt

Verarbeitendes Gewerbea)

Salden

Salden aus den Prozentsätzen der Meldungen über zu große und zu kleine Lagerbestände. a) Ohne Ernährungsgewerbe und Tabakverarbeitung.

Beurteilung der Fertigwarenlager

Abb. 4

Quelle: ifo Konjunkturtest.

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Im Blickpunkt

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Monaten ein verstärkter Arbeitskräftemangel im Tiefbauherrscht. Im September berichteten 11% der Baufirmen überProblemen bei der Rekrutierung von Personal. Die Geräte-auslastung sank auf den niedrigsten Wert seit Januar die-ses Jahres. Aufgrund deutlich eingetrübter Erwartungen gabauch das Geschäftsklima im Hochbau nach, die aktuelle La-geeinschätzung besserte sich jedoch etwas. Der Grad derGeräteauslastung wurde wieder erhöht, zudem soll die Bau-tätigkeit weiter ausgebaut werden.

Im Einzelhandel ist der Geschäftsklimaindex deutlich ge-stiegen. Insbesondere die Erwartungen fielen erheblich op-timistischer aus und weisen den höchsten Wert seit Febru-ar 2011 auf. Auch mit ihrer aktuellen Geschäftslage sinddie Einzelhändler wieder zufriedener. Der Lagerbestand bliebnahezu unverändert, während die Preise teilweise gesenktwerden mussten. Trotzdem wird mancherorts mit weiterenPreiserhöhungen in naher Zukunft gerechnet. Die Bestell-tätigkeit fiel wieder etwas weniger restriktiv aus. Im Ge-brauchsgüterbereich hat sich das Geschäftsklima aufgrundweniger negativer Urteile zur Geschäftslage und einer nichtmehr so pessimistischen Einschätzung der Perspektivendeutlich verbessert. Angesichts etwas verringerter Lager-bestände wollten sich die Unternehmen bei den Bestellun-gen nicht mehr so stark zurückhalten. Die Mitarbeiterzahlsoll aber weiterhin verringert werden. Der Geschäftskli-maindikator im Verbrauchsgüterbereich ist gestiegen. DieGeschäftslage wurde nicht mehr ganz so negativ bewertet,und im Hinblick auf das kommende halbe Jahr keimte Zu-versicht auf. Da die Lagerbestände unverändert hoch blie-ben, beabsichtigten die Unternehmen, weniger Waren zubestellen. Im Kfz-Einzelhandel ist der Geschäftsklimaindi-kator das dritte Mal in Folge gestiegen. Die Lageurteile fie-len weniger negativ aus, und den kommenden Monatenblickten die Unternehmen nicht mehr so pessimistisch ent-gegen. Angesichts verringerter Lagerüberhänge waren dieBefragungsteilnehmer bereit, ihre restriktive Orderpolitik zulockern. Die Personalpläne deuten jedoch auf weitere Kür-zungen hin. Im Kraftwagenhandel setzte sich die Aufwärts-entwicklung fort. Die Neuwagenhändler bewerteten sowohldie aktuelle Lage als auch die Perspektiven weniger un-günstig als im Vormonat. Im Gebrauchtwagengeschäft be-zeichneten die Händler die momentane Geschäftssituationals gut, und bei den Geschäftserwartungen kehrte die Zu-versicht zurück. Im Bereich Kraftwagenteile und -zubehörhat sich das Geschäftsklima dagegen stark eingetrübt. DieEinzelhändler berichteten zunehmend von einer ungünsti-gen Geschäftslage und rechneten auch mit einer Ver-schlechterung der Gesamtsituation in den nächsten Mona-ten. Die Händler sahen sich zu Preisabschlägen gezwun-gen. Das Geschäftsklima im Nahrungs- und Genussmittel-einzelhandel hat sich leicht abgekühlt, da die befragten Un-ternehmen die momentane Geschäftslage weniger gut be-werteten. Die Perspektiven für das kommende halbe Jahrwurden aber erneut besser eingeschätzt. Die Unterneh-

men planten nicht mehr so häufig, die Verkaufspreise an-zuheben. Sowohl die Personal- als auch die Orderpläne wa-ren expansiv ausgerichtet.

Im Großhandel hingegen hat der Geschäftsklimaindex et-was nachgegeben. Während die Großhändler leicht opti-mistischer auf die weitere Geschäftsentwicklung blicken,schätzen sie die aktuelle Situation etwas weniger positiv ein.Trotz leicht angestiegener Lagerüberhänge wollten die Un-ternehmen die Zurückhaltung bei den Bestellungen verrin-gern. Die Verkaufspreise dürften in naher Zukunft vermehrterhöht werden. Im Produktionsverbindungshandel ist derGeschäftsklimaindikator erneut gestiegen. Die Firmen be-werteten ihre Geschäftssituation nahezu unverändert güns-tig, und bezüglich der zukünftigen Entwicklung gewannendie optimistischen Erwartungen die Oberhand. Im Kon-sumgüterbereich sank das Geschäftsklima trotz leicht opti-mistischerer Erwartungen, da die deutlich positive Bewer-tung der aktuellen Geschäftslage vom Vormonat wieder zu-

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Geschäftserwartungen

Geschäftslage

Geschäftsklima

Dienstleistungen

Salden, saisonbereinigt

Geschäftsentwicklung

Abb. 7

Quelle: ifo Konjunkturtest.

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saisonbereinigtsaisonbereinigt, geglättet

Einzelhandel

Salden

Salden aus den Prozentsätzen der Meldungen über erhöhte und verringerte Bestellplanungen.

Bestellpläne

Quelle: ifo Konjunkturtest.

Abb. 6

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Im Blickpunkt 45

rückgenommen wurde. Auch der Lagerdruck nahm wiederzu, und die Zurückhaltung bei der Ordertätigkeit kehrte zu-rück. Im Nahrungs- und Genussmittelgroßhandel ist der Ge-schäftsklimaindikator nach dem beträchtlichen Vormonats-anstieg wieder stark gefallen und liegt nun knapp unter sei-nem Juli-Wert. Die Unternehmen empfanden ihre aktuelleGeschäftslage als verschlechtert. In Anbetracht der erhöh-ten Lagerüberhänge sowie der eingetrübten Geschäftsaus-sichten wollten sie sich bei der Ordervergabe zukünftig wie-der etwas zurückhalten.

Der ifo Geschäftsklimaindikator für das Dienstleistungsge-werbe Deutschlands ist im September gestiegen. Die Be-urteilung der aktuellen Geschäftslage hat sich zwar leichteingetrübt. Die Dienstleister blicken aber deutlich optimisti-scher auf die weitere Geschäftsentwicklung; ein höherer Wertwurde zuletzt im Juli 2011 erreicht. Auch die Personalplä-ne bleiben weiterhin expansiv ausgerichtet. Im Bereich Tou-ristik hat sich das Geschäftsklima verbessert. Die Architek-tur- und Ingenieurbüros bewerteten ihre gute Geschäftsla-ge im September noch günstiger, die Perspektiven für daskommende halbe Jahr hingegen mit leicht abnehmender Zu-versicht. Der Klimaindikator war zum zweiten Mal in Folgeleicht rückläufig. Die Firmen rechneten zwar nur mit mode-raten Umsatzsteigerungen in der nächsten Zeit, planten aber,den Personalbestand forcierter als bisher aufzustocken. DieReisebüros und Reiseveranstalter äußerten sich hinsicht-lich ihrer Geschäftsentwicklung etwas weniger zuversicht-lich als im August, beurteilten ihre aktuelle Lage jedoch merk-lich günstiger. Die positive Umsatzentwicklung in den ver-gangenen Monaten dürfte sich sogar noch etwas verstärktfortsetzen. Die Bereitschaft, zusätzliche Mitarbeiter einzu-stellen, hat stark zugenommen. Der Bereich Vermittlung undÜberlassung von Arbeitskräften beurteilte seine momenta-ne Situation etwas günstiger. Die Firmen zeigten sich aberin ihren Umsatzerwartungen und vor allem auch bezüglichder weiteren Geschäftsentwicklung weniger zuversichtlich.Dennoch planten sie eine stärkere Ausweitung des Perso-nalbestandes. Im Bereich Mobilien-Leasing machten die Un-ternehmen bei der Beurteilung ihrer per saldo positiven Ge-schäftslage leichte Abstriche. Die Perspektiven für die kom-menden sechs Monate schätzten sie nicht mehr ganz so gutein wie im August.

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Mittwoch, 6. November 2013

IHK-Akademie München,Orleansstraße 10–12

Beginn: 9:15 Uhr

Ab Hauptbahnhof mit der S-Bahn (alle Linien) zumOstbahnhof, Ausgang Orleansplatz, von dort 5 Minuten zuFuß, links durch die Orleansstraße bis über die Kreuzungmit der Rosenheimer Straße.

Vgl. Stadtplan. Bitte berücksichtigen Sie die begrenzteZahl von Parkplätzen in der Tiefgarage und in derUmgebung der IHK-Akademie.

Ab Flughafen München mit der S8 bis Ostbahnhof,Ausgang Orleansplatz, von dort 5 Minuten zu Fuß, linksdurch die Orleansstraße bis über die Kreuzung mit derRosenheimer Straße.

Anreise zur IHK-Akademie München, Orleansstraße 10–12

Mit der Bahn:

Mit dem Auto:

Mit dem Flugzeug:

Veranstalter:

Projektleiter und Ansprechpartner:

Organisation:

Informationen:

Anmeldung:

Teilnahmegebühr:

ifo Institut – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschungan der Universität München e.V.Poschingerstraße 5, 81679 MünchenPostfach 860460, 81631 MünchenTel.: 089/92 24-0 Fax: 089/98 53 69

Dr. Gernot NerbDr. Hans-Günther Vieweg

Tel.: 089/9224-1604 (Frau Marquardt)Fax: 089/9224-1267E-Mail: [email protected]

www.cesifo-group.de/de/branchendialog

Anmeldung bis spätestens 30. Oktober 2013 erbeten.Bitte benutzen Sie das beiliegende Formular oder dasAnmeldeformular im Internet.

Die CESifo-Gruppe (Center for Economic Studies, ifoInstitut und CESifo GmbH) informiert die Öffentlichkeitüber ihre Veranstaltungen mit unterschiedlichem Bild-und Tonmaterial: mit Liveübertragungen ins Internetsowie mit Videoaufzeichnungen oder Fotografien, die indas Internet-Portal der CESifo-Gruppe eingestellt wer-den. Mit ihrer Anmeldung erklären sich Teilnehmer anVeranstaltungen des ifo Instituts damit einverstanden,dass sie auf solchen auch für die Veröffentlichung imInternet-Portal der CESifo-Gruppe vorgesehenen Über-tragungen, Video-Aufzeichnungen oder Fotografienabgebildet werden.

V.i.S.d.P.: ifo Institut, Presse, Redaktion, Konferenzen

Die Teilnahmegebühr beträgt 250 € (plus 7% MwSt).Für Mitglieder des ifo Instituts, der Fördergesellschaftund Teilnehmer am ifo Konjunktur- und/oderInvestitionstest gilt eine ermäßigte Gebühr von 175 €(plus 7% MwSt).

In der Teilnahmegebühr sind die Tagungsmappe sowiedas Mittagsbuffet und Getränke enthalten.

Mit der Bestätigung Ihrer Anmeldung erhalten Sie eineRechnung über die Teilnahmegebühr. Bei Teilnahme-verhinderung nach Anmeldung werden die Tagungs-unterlagen geliefert. Kostenfreier Rücktritt möglich biseinschließlich 16. Oktober 2013. Danach sind 50% derGebühr zu tragen.

Analyse und Prognose

der konjunkturellen Entwicklung

in der Gesamtwirtschaft

und in wichtigen Branchen

ifo Branchen-Dialog 2013

InstitutLeibniz-Institut für Wirtschaftsforschung

an der Universität München e.V.

gefördert durch:

Industrie- und Handelskammer für

München und Oberbayern

Bayerisches Staatsministerium für

Wirtschaft, Infrastruktur, Verkehr und Technologie

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FORUM 1: Industrie

Bewährung in schwierigem Umfeld

FORUM 3: Bauwirtschaft

Wohnungsbau im Fokus der Politik

FORUM 2: Handel

Online-Handel stimuliert Strukturwandel

FORUM 4: Dienstleistungen

Auf dem Weg in eine Dienstleistungsgesellschaft?

Programm Die Weltwirtschaft ist in eine Phase schwächeren Wachstums ein-getreten, dies hat Implikationen für die deutsche Industrie. Die Ri-siken werden nach Branchen und regional differenziert untersucht.Mit Blick auf weltweit wichtige Absatzmärkte wird eine Prognosefür die deutsche Kfz-Industrie präsentiert. Inwieweit sind dieRahmenbedingungen geeignet, um langfristig Fertigung im Inlandhalten zu können?Der Informations- und Kommunikationstechnik in Deutschlandkommt eine wichtige Rolle für ein leistungsfähiges Angebot pro-fessioneller Dienstleistungen und der Infrastruktur zu. Über dieMarktentwicklung werden wichtige Anwendungen wie Cloud-Com-puting mit Blick auf effiziente Betriebsabläufe untersucht. WelchenEinfluss haben angesichts des Abhörskandals Sicherheitsüber-legungen von Unternehmen auf die Diffusion neuer Technologien?Die Industrie hat sich in Deutschland nach der globalen Finanz-krise 2008 als Anker für Beschäftigung erwiesen. International wirdDeutschland inzwischen als Modell betrachtet. Was müsste dieerst ins Amt gekommene Bundesregierung tun, um Wirtschaft undIndustrie nachhaltig zu stärken?

Diskussionsleitung/ Dr. Hans-Günther Vieweg, ifo Institut,Einführung: MünchenExpertenbeiträge: Marius Baader, Leiter Abteilung Statistik,

Analysen und Prognosen, Verband derAutomobilindustrie (VDA), BerlinMichael Ebnet, ifo Institut, MünchenDr. Hans-Joachim Haß, AbteilungsleiterWirtschafts- und Industriepolitik, Bundes-verband der Deutschen Industrie e.V.(BDI), BerlinDr. Axel Pols, Geschäftsführer, BITKOMResearch GmbH, Berlin

Aktuelle wirtschaftliche Situation und Konjunkturperspektivenfür die wichtigsten Dienstleistungsbranchen Dienstleistung als Schlüssel für WachstumNew Mobility: Vom Fahrzeug-Leasing zum neuen TrendproduktDie neue Rolle der Werbung in der Gesellschaft: WirdWerbung zu einer Einflugschneise für staatlichen Dirigismus?

Diskussionsleitung: Wolfgang Fischer, Geschäftsführer,CityPartner, München

Einführung: Arno Städtler (unter Mitarbeit vonJosef Lachner), ifo Institut, München

Expertenbeiträge: Prof. Dr. Gerrit Heinemann, Leiter eWebResearch Center, Hochschule Niederrhein,MönchengladbachKlaus Ortner, Geschäftsführer,BVO Ortner Ltd., Bernau

Diskussionsleitung: Dr. Robert Obermeier, Leiter Abteilung Volkswirtschaft, IHK für München und Oberbayern, München

Einführung: Dr. Gernot Nerb (in Zusammenarbeit mitAnita Jacob-Puchalska und Harald Blau),ifo Institut, München

Expertenbeiträge: Dr. Frank Woesthoff, Geschäftsführer, Euromobil Autovermietung GmbH, IsernhagenLothar Leonhard, Chairman, Ogilvy & Mather Group Germany and Switzerland, Präsident Gesamtverband Kommunikationsagenturen GWA e.V., Frankfurt

Diskussionsleitung: Robert Scholl, Ministerialdirektor a.D.,BMVBS, Berlin

Einführung: Ludwig Dorffmeister, ifo Institut, MünchenExpertenbeiträge: Dr. Reiner Braun, Vorstandsmitglied,

empirica ag, BerlinDr. Christian Lieberknecht, Mitglied derGeschäftsführung, GdW Bundesverbanddeutscher Wohnungs- und Immobilien-unternehmen e.V., Berlin

9:15 Uhr

9:30 Uhr

11:00 Uhr

11.30 Uhr

13:00 Uhr

14:00 Uhr

15:30 Uhr

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17:00 Uhr

BegrüßungPeter Driessen

Hauptgeschäftsführer der IHK für München undOberbayern

Wirtschaftliche Perspektiven für die Weltwirtschaftund EuropaProf. Dr. Dr. h.c. mult. Hans-Werner Sinn

Präsident des ifo Instituts

Kaffeepause

Dialog zur sektoralen Entwicklung – Parallele Forenzur Konjunkturanalyse und -prognose

FORUM 1: Industrie

FORUM 2: Handel

Mittagspause

Dialog zur sektoralen Entwicklung – Parallele Forenzur Konjunkturanalyse und -prognose

FORUM 3: Bauwirtschaft

FORUM 4: Dienstleistungen

Kaffeepause

Eine neue Energie- und Industriepolitik für Europaund speziell auch für Deutschland Günther Oettinger

EU-Kommissar für Energie

Ausklang

Die Umsätze des Online-Vertriebs wachsen – speziell in manchenFachsparten des Handels mit Nicht-Nahrungsmitteln – infolge derzunehmenden Attraktivität dieser Vertriebsform überproportionalstark. Die einzelnen Betriebstypen verfolgen recht unterschiedlicheKonzepte, um darauf zu reagieren:– Firmen des katalogbasierten Versandhandels sowie größere

Unternehmen des stationären Einzelhandels, häufig Filial-systeme, engagieren sich im internetbasierten Handel undagieren somit zunehmend als Mehrkanalunternehmen.

– Trotz der Bemühungen des stationären Einzelhandels, sich zubehaupten, dürfte sich seine Marktbedeutung verringern. SeineFunktionen werden sich ebenfalls verändern: Manche Ge-schäfte werden eher den Charakter von Ausstellungs- undPräsentationsräumen einnehmen.

– Mittelständische stationäre Einzelhändler verfolgen mit Hilfeverschiedener Instrumente eine Intensivierung des Kunden-kontaktes: Durchführung von Veranstaltungen, Service-aktivitäten, Sortimentsausrichtung.

Der Wirtschaftsbau läuft trotz anhaltender Eurokrise weiterhin gut.Und die öffentliche Baunachfrage profitiert von der verbessertenFinanzlage vieler Kommunen. Die weitaus größten Zuwächse ver-zeichnet derzeit aber der Wohnungsneubau. Gleichwohl ist derWohnungsmarkt das beherrschende Thema: So fehlen in den Bal-lungsgebieten immer mehr bezahlbare Wohnungen. Fraglich bleibt,welche Lösungsansätze von der Politik letztlich umgesetzt werden.– Wie lange werden Verkaufspreise und Mieten von Wohn-

immobilien noch deutlich anziehen? Welche Maßnahmen könn-ten nach der Bundestagswahl von Seiten der Politik ergriffenwerden, um den Wohnungsneubau anzuregen?

– Welche Konsequenzen ergeben sich daraus für die privateWohnungsnachfrage sowie die Investitionsbereitschaft derWohnungsunternehmen?

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im Internet: http://www.cesifo-group.de

ifo Institut

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