68
EMW • Weltmission heute Nr. 45/2002 Kriegs-Diamanten Weltmission heute Nr. 46 Kriegs- Diamanten Illegaler Diamanten-Handel und die Kriege Afrikas Evangelisches Missionswerk in Deutschland

Illegaler Diamanten-Handel und die Kriege Afrikas · Die Reise von Bischof Humper und Imam Jah, die miteinander befreundet sind und innerhalb des Interreligiösen Rates von Sierra

Embed Size (px)

Citation preview

1EMW • Weltmission heute Nr. 45/2002Kriegs-Diamanten

Weltmission heute Nr. 46

Kriegs-Diamanten

Illegaler Diamanten-Handel unddie Kriege Afrikas

Evangelisches Missionswerk in Deutschland

2 EMW • Weltmission heute Nr. 45/2002Kriegs-Diamanten

ImpressumHerausgeber: Evangelisches Missionswerk in Deutschland (EMW)Konzept und Redaktion: Freddy DutzLayout: Birgit ReggeTitelfoto: Kadir von Lohuisen/Agence VuÜbersetzungen: Freddy DutzUmschlag: Ralph S. KöneckeDruck: Breklumer Druckerei Manfred Siegel KG, Breklum 2002Bezug: EMW, Normannenweg 17-21, 20537 Hamburg

Tel: 040/ 254 56-148, Fax: 040/ 254 56-448E-mail: [email protected]

(Bezug kostenlos, Spende zur Deckung der Herstellungskosten herzlich erbeten:Konto 400 300 bei der EDG Kiel, BLZ 210 602 37)

Hamburg, September 2002 ISSN: 1430-6530

3EMW • Weltmission heute Nr. 45/2002Kriegs-Diamanten

Inhaltsverzeichnis

Vorwort ....................................................................................................... 5Freddy Dutz

Für Gerechtigkeit und Frieden ................................................................... 6Paul Dirdak

Den Sumpf austrocknen............................................................................ 10Tony Hall

Mehr als eine Meditation .......................................................................... 12Klaus Schäfer

Illegal und tödlich: .................................................................................... 21Freddy Dutz

Herkunft der Preziosen ............................................................................. 25Freddy Dutz

Härter geht nicht ....................................................................................... 29Freddy Dutz

Das Geheimnis einer faszinierenden Leidenschaft– Kriegsdiamanten .................................................................................... 31Anne Jung

Menschenrechte und Konflikt-Diamantenam Beispiel Sierra Leones ........................................................................ 39Kolja Jeuthe

„Saubere“ Bodenschätze für den Frieden................................................ 43Freddy Dutz

Ausweg aus dem Teufelskreis .................................................................. 46Freddy Dutz

Waffen für Rohstoffe ................................................................................ 50Anne Jung

Perfekte Killer: ......................................................................................... 52Freddy Dutz

4 EMW • Weltmission heute Nr. 45/2002Kriegs-Diamanten

Kriegsgrund: Öl ........................................................................................ 54Anne Jung

Kriegsgrund: Coltan ................................................................................. 56Anne Jung/Freddy Dutz

Sicherheit wird zur Ware .......................................................................... 57Anne Jung

Die Macht der Käufer – Was wir tun können ........................................... 59Freddy Dutz

Kampagne Fatal Transactions .................................................................. 61Anne Jung

Weiterführende Literatur .......................................................................... 62Autorenverzeichnis ................................................................................... 64

5EMW • Weltmission heute Nr. 45/2002Kriegs-Diamanten

Vorwort

„Besser als einen Boykott auszurufen, wäre es, die Industrie so zu beein-flussen, dass sie sich für die Durchsetzung der Menschenrechte stark macht,“hatte 1999 der damalige südafrikanische Präsident, Nelson Mandela, in Jo-hannesburg angesichts der Diskussion über illegale Konflikt-Diamanten be-tont. Bereits damals hatten Menschenrechts-Organisationen und die Verein-ten Nationen auf die Verbindung zwischen Konflikt-Diamanten und Kriegehingewiesen. Auch heute fordern Menschenrechtsgruppen und Kirchen, denHandel mit „Kriegs-Diamanten“ zu stoppen und jene zu ächten, die es trotz-dem tun. Der Handel mit Diamanten muss so transparent sein, dass diejeni-gen Verkäufer und Käufer, die mit „sauberen“ Diamanten handeln, nichtebenfalls in Misskredit geraten. Gleichzeitig muss alles getan werden, dassder Handel mit Waffen eingedämmt wird.

Auch andere Bodenschätze sind Grund für kriegerische Auseinanderset-zungen zwischen Völkern und Volksgruppen. Dies muss allen Konsumen-tinnen und Konsumenten klar sein, damit sie einerseits als verantwortlicheKunden auftreten und andererseits auf nationale und internationale Gesetz-geber einwirken, um ungerechte Strukturen abzuschaffen. Denn nur da, wodie Gerechtigkeit wächst, kann auch der Frieden sprießen und die Bewah-rung der Schöpfung zum Anliegen der Menschen werden.

Freddy DutzHamburg, Sommer 2002

6 EMW • Weltmission heute Nr. 45/2002Kriegs-Diamanten

Für Gerechtigkeit und FriedenAmerikas Methodisten im Kampf gegen

Konflikt-Diamanten

Paul Dirdak

„Bis zu 18 Jahre wurden die Banden-Mitglieder hinter Gittergeschickt, die im Sommer 2000 versucht hatten, Diamantender Firma De Beers im Wert von 300 Millionen US-Dollar beieinem Einbruch in Londons Millennium Dome zu rauben. DerRichter verurteilte ihre Tat als ‚böse’ und ‚professionell’. DieMedien sprachen vom ‚größten Raub aller Zeiten’. Damithatten sie allerdings Unrecht.

Ein weit böserer, allerdings unauffälliger, aber mindestensgenau so professioneller Raub wie der in London, geschieht inZentralafrika – und darüber wird selten berichtet. Hundert-tausende sind als Folge davon gestorben. Millionen vonMenschen werden staatliche Leistungen vorenthalten, die ihreHeimat-Länder durch Einnahmen aus dem legalen Diaman-ten-Handel hätten bezahlen können. In diesen Fällen urteiltkein Richter, niemand kommt hinter Gitter, kein Betroffenerwird bestraft, keine Braut muss auf ihren Ring verzichten.“(aus: Christian Dietrich: Hard Currency – The Criminalized Diamond Eco-nomy of the Democratic Republik of Congo and its Neighbors, Juni 2002)

Als der Jahrzehnte dauernde Konflikt in Sierra Leone am Überkochen war,erfuhr die weltweit arbeitende Hilfsorganisation der Evangelisch-methodis-tischen Kirche, United Methodist Committee On Relief (UMCOR), 1999 dieWahrheit über die Konflikt-Diamanten. Die Steine haben zwar schon immerauch dazu gedient, Kriege und Revolutionen zu finanzieren, aber in SierraLeone betraf das Problem die Kirche hautnah, denn wir verfügten über Infor-mationen aus erster Hand.

Im Januar 1999 hatte der General-Sekretär der Abteilung Weltmission undEntwicklungszusammenarbeit der methodistischen Kirche, Dr. Randolph

7EMW • Weltmission heute Nr. 45/2002Kriegs-Diamanten

Nugent, und ich permanent Kontakt zum Bischof der United MethodistChurch in Freetown, Sierra Leone, Joseph Humper. Dieser musste von einemsicheren Versteck zum nächsten flüchten, um den Rebellen zu entgehen, diein die Stadt eingedrungen waren. Brandstiftung, Raub, Mord, Verstümme-lungen, Banden-Vergewaltigungen waren an der Tagesordnung. Manchmalwurden Lehrer Opfer ihrer Schüler. Andere Lehrkräfte und Pastoren wurdenbewusst von ihren Angreifern verschont, weil sie sie erkannt hatten.Geradezu heroische Taten wurden vollbracht, um Gemeinde-Leiter, wie z.B.Bischof Joseph Humper, zu retten. Muslime retteten Christen und umge-kehrt. Irgendwann ging den Kriegsparteien die Munition aus. Dann wurdenMacheten zu Waffen. Die brachten zwar nicht sofort den Tod, aber viele ver-stümmelte Opfer starben langsam und leidvoll. Die Überlebenden werdenihre Narben für immer tragen, die abgehackten Glieder werden sie und ihreUmwelt immer an die Grauen erinnern.

Kriegsgrund: DiamantenBei dem Krieg in Sierra Leone ging es nicht um hehre politische Ziele.

Niemand starb für Demokratie, keiner kam ums Leben im Kampf um höhereLöhne oder gegen Rassen-Diskriminierung. Der Krieg in Sierra Leone warangeheizt durch die Gier nach Diamanten. Das Land und die Kirchen verlo-ren ungezählte Krankenschwestern, Pastoren, Lehrer, Gemeindeglieder,Führungspersonal, Krankenhäuser, Kirchen …

Der Wiederaufbau steht nun an erster Stelle. Die Diamanten haben dieVerwüstung bezahlt, für den Heilungsprozess ist nur wenig davon vorhan-den. UMCOR hat sich im Jahr 2000 überlegt, wie das Interesse der Diaman-ten-Kunden auf Sierra Leone gelenkt werden könne und hat dazu ein3-Punkte-Programm entwickelt.

Strategien für AmerikaZuerst organisierte UMCOR eine Großveranstaltung in New York. Dann

wurden Bischof Joseph Humper und der Imam von Freetown, Uns Jah, alsGastredner eingeladen. Und drittens schalteten wir Anzeigen in verschiede-nen Zeitschriften.

Am Anfang des Engagements der Evangelisch-methodistischen Kirchestand der Kontakt zu Ian Smillie und Lansana Gberie von der Nicht-Regie-rungs-Organisation „Partnership Africa Canada – PAC“, die in Ottawa, Ka-nada, ihr Büro hat. Sie hatten im Januar 2000 eine 90-seitige Studie veröf-

8 EMW • Weltmission heute Nr. 45/2002Kriegs-Diamanten

fentlicht („The Heart of the Matter“), die in Europa und Afrika schnell, in denUSA aber nur zögerlich zur Kenntnis genommen wurde. Als erste Aktionflogen wir die Autoren nach New York und luden Vertreter der VereintenNationen und Politiker und Diplomaten aus Washington ein.

Mittlerweile hat PAC eine Studie („Fire on Ice“) über die Diamanten-Vor-kommen in Kanada veröffentlicht. Ein weiteres Papier („Diamonds Foreveror Diamonds For Good“) beschäftigt sich mit Diamanten aus Südafrika undBotswana. Der neueste Report („Hard Currency: The Criminalized DiamondEconomy of the Democratic Republic Of Congo and its Neighbors”) behan-delt die Thematik im Kongo. Bei Kampagnen gegen Konflikt-Diamanten istes wichtig, dass das Geschäft mit legaler Ware nicht in Mitleidenschaft gezo-gen wird. Aber auch dort, wo die Beteiligten behaupten, alle Geschäfte seien„sauber“, wie z.B. in Botswana, müssen die Praktiken genau unter die Lupegenommen werden.

Die Reise von Bischof Humper und Imam Jah, die miteinander befreundetsind und innerhalb des Interreligiösen Rates von Sierra Leone wichtige Posi-tionen bekleiden, war unser zweites Anliegen. Bei den Vorträgen in Kirchen,Moscheen und Universitäten konnten die Gastredner authentisch aus ihrerHeimat berichten und außerdem demonstrieren, dass manche Christen undMuslime gemeinsam Schritte zur positiven Veränderung unternehmen wollen.

Mit der dritten Aktion wandten wir uns mit der bezahlten Anzeige „Wis-sen Sie, wo Ihr Diamant gewesen ist?“ in säkularen und christlichen Zeit-schriften unterschiedlicher Färbung an die Öffentlichkeit. Das abgebildeteKind sollte die fürchterliche Verstümmelung zeigen, ohne seiner Würde be-raubt zu werden.

Strategie für AfrikaIn Sierra Leone sind die Konflikt-Diamanten nicht das einzige Thema.

Durch den Krieg wurde das früher gut funktionierende Gesundheitssystemder methodistischen Kirche stark beschädigt. Das Allgemeinkrankenhaus,die Zahn- und die Augenklinik in Freetown und andere Hospitäler im Landemüssen wieder aufgebaut werden. Personal für die Verwaltung, für die medi-zinische Grundversorgung und für die HIV/AIDS-Vorsorge muss ausgebil-det werden. Künstliche Gliedmaßen müssen gebaut und angepasst werden.Ein regionales Büro der methodistischen Hilfsorganisation wurde im Landeröffnet und kann nun für die östlichen Landesteile 560 000 US-Dollar ausdem staatlichen Katastrophenfonds für Gesundheits- und Bildungsprojekteund für landwirtschaftliche Programme ausgeben.

9EMW • Weltmission heute Nr. 45/2002Kriegs-Diamanten

Kleine SchritteSeit wir uns mit dem Thema „Konflikt-Diamanten“ beschäftigen, gibt es

immer wieder Anknüpfungspunkte: Pastoren beten über die in den USA weitverbreiteten diamantenen Eheringe bei Hochzeiten. Wie kann man sich imInternet an Heiratswillige wenden, damit sie ihre Aufmerksamkeit der The-matik zuwenden? Könnte man den schön gestalteten Hochzeitsanzeigen, die

an die Gäste versendetwerden, Informatio-nen über die Konflikt-Diamanten beilegen?Manche Mädchen ausSierra Leone könnennicht nur keinen Ver-lobungsring tragen,weil sie arm sind, son-dern weil ihnen dazudie Finger fehlen. Wiekönnte eine Kampag-ne aussehen, die sicht-bar das Schicksal einerFrau aus Afrika mitdem einer ebenso jun-gen Frau aus Amerikaoder Europa verknüpft,an deren Finger ein Di-amant funkelt, der wo-möglich mit denGliedmaßen der Afri-kanerin bezahlt wurde?

Das Abendmahl, das die Kirche durch Jesu Hände empfing, wird auchheute von Händen ausgeteilt. Das Geld des Verrats wechselte Hände. SeineHände erlitten tödliche Wunden. Für uns ist es eine Ehre, unter den heilendenHänden Gottes mit der Evangelisch-methodistischen Kirche von Sierra Leo-ne zusammen zu arbeiten, deren Nachbarn zu viele Hände verloren haben.

10 EMW • Weltmission heute Nr. 45/2002Kriegs-Diamanten

Den Sumpf austrocknen

Tony Hall

Tony Hall, Abgeordneter des amerikanischen Kongresses,engagiert sich im Kampf gegen illegale Diamanten. Er erklärtseinen Einsatz:

„In der Kampagne gegen ‚Blut-Diamanten’ engagiere ich mich seitEnde 1999, als ich feststellte, dass nur die Kontrolle dieser illegalen Ma-chenschaften einen dauerhaften Frieden für Sierra Leone und andere betrof-fene Länder bringen kann. Im November `99 schlug ich entsprechende Ge-setze vor, die ich anschließend, im Dezember, in Sierra Leone und Guineadiskutierte. Mein Mitstreiter in dieser Sache, der Republikaner FrankWolf, und ich waren überwältigt von der Zustimmung der politischenFührer im Parlament und in der Verwaltung von Präsident Ahmed TejareKabbah in Sierra Leone. Auch während einer langen Sitzung bei De Beersin London sprach ich über die Problematik. Damals hatte ich das Gefühl,dass sich die Industrie – vor allem die Marktführer – nicht vor ihrer Ver-antwortung gegenüber den Opfern der illegalen Diamanten-Gewinnungdrücken werden.

Ich habe zwar nicht ausdrücklich eine finanzielle Wiedergutmachung ge-fordert, aber Mitte 2000 und nochmals 2001 wies ich in einer Rede vor Indus-trie-Vertretern darauf hin, dass sie sich ihrer Verantwortung gegenüber jenenbewusst werden müssen, deren Rohstoffe ihren Firmen phänomenale Profitesichern. Ich empfahl damals die Einrichtung eines Fonds für Kleinkredite fürKleinunternehmer. Mein Vorschlag: Man solle den eigenen Empfehlungenfolgen und das Einkommen von zwei Monaten investieren. Das wärenimmerhin 1 Milliarde US-Dollar. 95 Prozent dieses Betrages wären dann alsRückzahlung zu erwarten, wenn das Mikrokredit-Programm von einer kom-petenten Nicht-Regierungs-Organisation verwaltet würde. Außerdem dräng-te ich bei den Unternehmen darauf, auch für geschmuggelte Diamanten Steu-ern zu entrichten. Der Betrag beliefe sich, grob gerechnet, auf 60 Mio. US-Dollar pro Jahr; dieses Geld sollte UNICEF oder anderen effektiv arbeiten-den Organisationen zukommen.

11EMW • Weltmission heute Nr. 45/2002Kriegs-Diamanten

Zwar kann die Industrie durch den Kimberley-Prozess diesen Sumpf tro-ckenlegen, aber sie hat noch nichts gegen die schrecklichen Begleiterschei-nungen bei den Betroffenen des illegalen Diamanten-Handels unternommen.Wenn die Endverbraucher darüber aufgeklärt würden, wäre das Prestige vonSchmuck-Diamanten zerstört. Solange die Branche sich nicht um ein verän-dertes Umfeld – das aus Vergewaltigung, Verstümmelung, Mord, Vertrei-bung und den tödlichen Folgen von Hunger und Krankheit besteht – küm-mert, solange ist das Endprodukt befleckt. Ich hoffe, sie packt die Gelegen-heit beim Schopf und setzt Standards auch für andere Unternehmen, die Afri-kas Rohstoffe plündern und sie gegen ihre rechtmäßigen Eigentümer ver-wenden.

Natürlich liegt die Verantwortung nicht nur bei der Diamanten-Industrie.Die USA und andere Staaten müssen beträchtlich mehr tun. Ich wünsche,dass sich Hilfsorganisationen darum kümmern, dass ihr Engagement den Op-fern des blutigen Geschäfts zu Gute kommt. Aber es bedarf vor allem deskonstruktiven Mitwirkens der Industrie, um Lösungen für die vielen Proble-me des illegalen Diamantenhandels zu finden.“

12 EMW • Weltmission heute Nr. 45/2002Kriegs-Diamanten

Mehr als eine MeditationNicht nur Mädchens bester Freund

Faszination und Fluch der edlen Steine

Klaus Schäfer

„Diamonds are a Girl’s Best Friend“ singt Marilyn Monroe in einem ihrerberühmten Filme, der Antwort auf die Frage zu geben versucht, wie man sicheinen Millionär angelt. Diamanten sind hier nicht nur edle, kostbare Steine,sondern zugleich Symbole für Schönheit und ein unbeschwertes Leben – fürGlanz und Heiterkeit, Leichtigkeit und Luxus, die das Leben erheben, aberauch für Feuer und Farbe, die dem Leben Tiefe geben. Diamanten sind dasKostbarste und Edelste, was Menschen sich denken können. Sie sind für die,die sie haben, Symbol für Status und Privilegien; und für die, die sie nichthaben, sind diese wunderschönen Steine Objekt der Begierde und des Ver-langens.

Der luxuriöse Glamour, der im lasziv vorgetragenen Song Marilyn Mon-roes mit einem leichten Augenzwinkern daherkommt, wird manchen alsetwas zu trivial erscheinen. Die Naivität, mit der die amerikanische blon-de Schönheit sich dem Stereotyp einer Frauenrolle anpasst, mag sogarärgerlich sein – jedenfalls für die, die die den Film ganz Ernst nehmen. Aberauch die Bedeutung der Diamanten wird in diesem Song auf die Symbole fürdie Glitzer- und Glamourwelt des Luxus reduziert – und damit auch trivi-alisiert.

Symbolwert der Steine– religiöse und biblische Perspektiven

Tatsächlich haben die Menschen Edelsteine als ganz besondere Kostbar-keiten geschätzt, seit man sie in der aufgegrabenen Erde gefunden hatte.1 IhreSeltenheit, vor allem aber ihre farbliche Schönheit, der Glanz und die durch-sichtige Reinheit dieser Mineralien und die Härte und Schleifbarkeit habensie als etwas Wertvolles und Edles erscheinen lassen, das die Augen erfreutund die Phantasie anregte. Edelsteine waren Königen und Herrschern für die

13EMW • Weltmission heute Nr. 45/2002Kriegs-Diamanten

Mehrung ihres Staatsschatzes willkommen, sie dienten als Schmuck derMenschen, besonders der Frauen, sie wurden zur Verzierung von Möbeln,Geräten, Gefäßen und Gebäuden herangezogen und in geschliffener, mitGravuren versehener Form als Siegel verwandt. Edelsteine waren für dieMenschen der Antike auch von symbolisch-religiöser Bedeutung. In der As-trologie wurden sie zu Symbolen der Sternenwelt, vor allem aufgrund derLichtbrechung und ihres „Feuers“, des auf starker Brechung, Reflexion oderStreuung des Lichts beruhenden Farbenspiels. Allgemein verbreitet war derGlaube, dass Edelsteine – zu denen man früher auch Elfenbein, Perlen undBernstein rechnete – teilhaben an den Kräften des Himmels; sie vermittelnihren Trägern etwas von der Macht, Schönheit und Reinheit der Gestirne, sieschützen als Amulette vor schädlichem, überirdischem Einfluss, sie könnenBlut stillen, Schmerzen vertreiben und Krankheiten heilen.

Auch in der religiösen Lebenswelt spielten Edelsteine eine außerordent-lich bedeutende Rolle als Symbole für die transzendente, göttliche Welt, fürdas Reich der Reinheit, Schönheit und Klarheit jenseits der menschlichenErfahrungswirklichkeit. Im alten Israel gehörten Edelsteine zum Ornat desHohenpriesters, wie die Listen der Edelsteine auf dem Priestergewand zei-gen, die im Alten Testament überliefert sind (vgl. 2. Mose 28,6ff.; 39,10ff.).Die Steine zeichnen den Priester als Repräsentanten des göttlichen Glanzesaus, und sie verleihen ihm die Reinheit, der er zur Begegnung mit Gott be-darf. Die Zwölfzahl der Edelsteine war wohl ursprünglich Symbol der zwölfSternbilder, wurden in Israel dann aber zum Zeichen für die zwölf Stämme,aus denen sich das Volk Israel zusammensetzte. Kostbare Steine finden sichin den Heiligtümern der antiken Welt, sie zieren die Götterbilder und sindauch im Tempel Israels verwendet worden. Edelsteine galten als Symbole fürdas Paradies, wie die beim Propheten Ezechiel überlieferte bewegte Toten-klage für den tyrannischen König von Tyrus erkennen lässt:

„Das Wort des Herrn erging an mich:Menschensohn, stimm die Totenklage an überden König von Tyrus und sag zu ihm:So spricht Gott, der Herr:Du warst ein vollendet gestaltetes Siegel,voll Weisheit und vollkommener Schönheit.Im Garten Gottes, in Eden, bist du gewesen.Allerlei kostbare Steine umgaben dich:Rubin, Topas, dazu Jaspis,Chrysolith, Karneol und Onyx,Saphir, Karfunkelstein und Smaragd.

14 EMW • Weltmission heute Nr. 45/2002Kriegs-Diamanten

Aus Gold war alles gemacht,was an dir erhöht und vertieft war,all diese Zierde brachte man an,als man dich schuf.Einen Kerub mit ausgebreiteten, schützendenFlügeln gesellte ich dir bei.Auf dem heiligen Berg der Götter bist dugewesen.Zwischen den feurigen Steinen gingst duumher.Ohne Tadel war dein VerhaltenSeit dem Tag, an dem man dich schuf,bis zu dem Tag, an dem du Böses getan hast.Durch deinen ausgedehnten Handelwarst du erfüllt von Gewalttat,in Sünde bist du gefallen.Darum habe ich dich vom Berg der Götterverstoßen,aus der Mitte der feurigen Steinehat dich der schützende Kerub verjagt.Hochmütig warst du geworden,weil du so schön warst.Du hast deine Weisheit vernichtet,verblendet vom strahlenden Glanz.Ich stieß dich auf die Erde hinab.Den Blicken der Könige gab ich dich preis,damit sie dich alle begaffen.Du hast durch gewaltige Schuld,durch unredliche Handelsgeschäftedeine Heiligtümer entweiht.So ließ ich mitten in dir ein Feuer ausbrechen,das dich verzehrt hat.Vor den Augen all derer, die dich sahen,machte ich dich zu Asche auf der Erde …“

(Ez. 28,11-18)

Wie für das Paradies, sind Edelsteine dann auch die Insignien für die neue,zukünftige Welt, die Gott für die Menschen bereiten wird. Schon im AltenTestament wird die zukünftige Gottesstadt, die Wohnstätte der Erlösten, alsmit Edelsteinen erbaut dargestellt:

15EMW • Weltmission heute Nr. 45/2002Kriegs-Diamanten

„Du Ärmste, vom Sturm Gepeitschte,die ohne Trost ist,sieh her: Ich selbst lege dir ein Fundament ausMalachitund Grundmauern aus Saphir.Aus Rubinen mache ich deine Zinnen,aus Beryll deine Toreund alle deine Mauern aus kostbaren Steinen.Alle deine Söhne werden Jünger des Herrn sein,und groß ist der Friede deiner Söhne.Du wirst auf Gerechtigkeit gegründet sein.Du bist fern von Bedrängnis,denn du brauchst dich nicht mehr zu fürchten,und bist fern von Schrecken;er kommt an dich nicht heran…“

(Jes. 54,11-14)

Das neue Jerusalem, das der Seher der Offenbarung des Johannes ausdem Neuen Testament dann in einer Vision schauen darf, ist mit Edelstei-nen geschmückt. Die neue Welt Gottes, in der alle Tränen abgewischt wer-den und alle Trauer, Klage und Mühsal aufhören wird, kann nicht anders alsdurch die reine Welt der kostbaren Edelsteine dargestellt werden (vgl. Offen-barung 21).

Zu den Edelsteinen, die an solchen Stellen erwähnt werden, gehören auchDiamanten. Selbstverständlich war man sich ihrer Schönheit und ihres Glan-zes bewusst, aber man assoziierte mit diesen besonderen Steinen auch dasMoment des Harten, Beständigen, beinahe Unerbittlichen. „Judas Sünde istaufgeschrieben mit eisernem Griffel, mit diamantenem Stift eingegraben indie Tafeln ihres Herzens und in die Hörner ihrer Altäre“, heißt es beim Pro-pheten Jesaja (Jes. 17,1). „Sie machten ihr Herz hart wie Diamant, um dieWeisung und die Worte nicht hören zu müssen, die der Herr der Heere in derKraft seines Geistes durch die früheren Propheten gesandt hat“, klagt derProphet Sacharja über das Volk Israel (Sach. 7,12). Und um dem „hartköpfi-gen“ und „hartherzigen“ Volk Israel, das sich von Gott entfremdet hat, wi-derstehen zu können, spricht Gott dem Propheten Ezechiel zu: „Ich aber ma-che dein Gesicht ebenso hart wie ihr Gesicht und deine Stirn ebenso hart wieihre Stirn. Wie Diamant und härter als Kieselstein mache ich deine Stirn.Fürchte sie nicht, erschrick nicht vor ihrem Blick; denn sie sind ein wider-spenstiges Volk.“ (Ez. 3,8f.)

16 EMW • Weltmission heute Nr. 45/2002Kriegs-Diamanten

Indische Diamanten– Legenden, Reichtum und Tragödien

Mit Edelsteinen und Diamanten sind aber nicht nur vielfältige Symbol-werte verbunden. Um einige der größten und wertvollsten Diamanten rankensich auch eine ganze Reihe von Legenden und Erzählungen, die zum Teil bisin die mythologische Welt der Götter zurückreichen. Das berühmteste Bei-spiel ist der „Kohinoor“, der wohl aus den Diamanten-Minen von Kollur amKrishna-Fluss auf dem südlichen Deccan in Indien stammt und im Laufe derGeschichte durch viele Hände lief – unter anderem war er zeitweise im Be-stand des Schatzes der Mughal-Imperiums von Delhi –, bis er schließlich1849 in die Hände der Britischen Ostindien-Kompanie fiel und als Geschenkfür Königin Victoria nach England kam, wo er noch heute an zentraler Stelledie Krone von König Elisabeth II. ziert. Ist die historisch einigermaßen ver-bürgte Überlieferung dieses Steines schon verschlungen genug – und auchnicht frei von Hypothesen –, so ist doch für viele Inder klar, dass dieservielleicht berühmteste aller Diamanten mit dem „Samantik Mani“ identischist, dem außerordentlich großen und kostbaren Stein, der einst dem Sonnen-gott Satrajit gehört hatte und der sowohl in der Götter- wie auch der Men-schenwelt Glück und Verwirrung stiftete. Nicht nur der Gott Krishna warzeitweise im Besitz dieses Steines, so glaubt man, sondern auch Alexanderder Große und der große indische König Ashoka, der 237 v. Chr. in Delhi denThron bestieg und seine Herrschaft über ganz Indien ausdehnte.2

Eine Beschäftigung mit den berühmten Diamanten aus Indien, die manMitte des 16. Jahrhunderts in Kollur am Krishna-Fluss fand, zeigt aber auchetwas von der Ambivalenz, die mit Diamanten verbunden ist. Die Funde, zudenen unter anderem später so berühmte Diamanten wie der „Große Mo-ghul“ – er ist heute verschwunden; manche Experten glauben aber, dass der„Kohinoor“ ein Teil dieses größeren Diamanten war –, der „Shah“, der „Flo-rentiner“ und der „Regent“ gehörten – begründete den Reichtum und Glanzdes Königtums von Golkonda und Hyderabad und ließ noch den letztenHerrscher der Nizam-Dynastie von Hyderabad, der im Zuge der indischenUnabhängigkeit abtreten musste, als den reichsten Mann der Welt erschei-nen. Die kleinen Steine von weniger als 10 Karat verkaufte man schon seitMitte des 16. Jahrhunderts auf dem Markt von Golkonda und später der neu-erbauten Stadt Hyderabad an ausländische Diamantenhändler. Steine über 10Karat wanderten in die königliche Schatztruhe. Hyderabad wurde zum Zen-trum des Diamantenhandels in Asien; hier, wo die Diamanten auch geschlif-fen wurden, wurden im Laufe der Jahrzehnte geschätzte 12 Millionen Karatan Diamanten gehandelt. Mitte des 17. Jahrhunderts, als der französischeDiamantenhändler Tavernier – der „De Beers“ des 17. Jahrhunderts – Ge-

17EMW • Weltmission heute Nr. 45/2002Kriegs-Diamanten

schäfte mit den Herrschern von Hyderabad machte, war er erstaunt über dieGroßartigkeit der Steine und die Betriebsamkeit in den Diamantenschleife-reien und auf den Märkten.

Der Preis für den Reichtum war allerdings teuer erkauft und brachte demKönigtum von Golkonda und Hyderabad letztlich auch nicht nur Glück. DieArbeit in den Diamantenminen im Süden des Königtums war außerordent-lich hart. Zu Beginn der Ausbeutung waren 90.000 Arbeiter mit primitivstenMitteln gleichzeitig mit Graben beschäftigt, und die Zahl wurde auch später,im 17. Jahrhundert auf dem Höhepunkt der Diamantenfunde, nicht geringer;die Arbeit war sehr mühsam und kostete Menschenleben. Zudem weckten dieDiamantenfunde Begehrlichkeiten, zunächst vor allem auf Seiten des Mo-ghul-Königtums in Delhi, das Hyderabad tributpflichtig machte undschließlich die Stadt auch eroberte und das Fort Golkonda einnahm, dannaber auch auf Seiten der zahlreichen ausländischen Mächte – Holländer, Por-tugiesen, Engländer und Franzosen –, die am Horizont auftauchten und zumTeil nicht nur Handel treiben, sondern auch eigene Rechte an der Ausbeu-tung haben wollten. Hinzu kamen interne Machtkämpfe, vor allem als MirJumla, ein ehemaliger Angestellter eines Diamantenhändlers aus Isfahan inPersien in Hyderabad zum Premierminister aufstieg, die Ausbeutung derDiamantenminen forcierte und sich die Erträge selbst in die Tasche steckte,Diamanten aus den Hindu-Tempeln raubte und damit den religiösen Friedenim islamisch-schiitischen Königreich von Hyderabad zerrüttete undschließlich zu den feindlichen Moghul-Herrschern überlief. Die Geschichteder Diamanten, so kann die Geschichte von Hyderabad lehren, ist eine Ge-schichte von Aufstieg und Reichtum, von Faszination und Glück, zugleichaber auch eine Geschichte von Gier und ungezügeltem Verlangen, von Tra-gödie und Fluch. Das innere Feuer der Diamanten ist wunderbar und faszi-nierend, aber es entfacht auch ein Feuer in den Menschen, entflammt ihreGier und hat die Macht, sie zu verbrennen. Diamanten sind wunderschön,aber sie sind ambivalent.

Die Ambivalenz der schönen Steine unddie Werte des Lebens

Diese Ambivalenz führt noch einmal zurück zur biblischen Tradition.Edelsteine sind Symbole für Kostbarkeit, Schönheit, Reinheit, für die göttli-che Welt und die Ewigkeit. Aber sie können auch Mächte der Verführungsein, die Menschen in Illusionen führen und letztlich menschliches Zusam-menleben wie auch das Leben der Träger der Edelsteine selbst zerstören. Derin prophetischer Kritik bereits zu Lebzeiten des Königs gesungene Klagege-

18 EMW • Weltmission heute Nr. 45/2002Kriegs-Diamanten

sang über den König von Tyrus – er ist oben bereits zitiert –, der wegen sei-nes „ungerechten Handels“ aus dem Edelsteinparadies gestoßen wurde,bringt diese von den biblischen Schriftstellern wohl grundsätzlich empfun-dene Ambivalenz im Blick auf die Edelsteine sehr eindrucksvoll auf denPunkt. Auch die Kritik an dem prunkvollen Auftreten der Frauen, die sich inder Bibel gelegentlich findet, weiß um diese Ambivalenz. Ein Beispiel dafürist vielleicht die Anklage des Propheten Jesaja gegen die hochmütigen undprunksüchtigen Frauen in Jerusalem:

„Der Herr sprach: Weil die Töchter Zions hochmütig sind, ihre Hälse re-cken und mit verführerischen Blicken daherkommen, immerzu trippelnd da-herstolzieren und mit ihren Fußspangen klirren, darum wird der Herr denScheitel der Töchter Zions mit Schorf bedecken und ihre Schläfen kahl wer-den lassen. An jenem Tag wird ihnen der Herr ihren Schmuck wegnehmen:die Fußspangen, die kleinen Sonnen und Monde, die Ohrgehänge und Arm-kettchen, die Schleier und Turbane, die Fußkettchen und die Prachtgürtel,die Riechfläschchen und die Amulette, die Fingerringe und Nasenreife, dieFestkleider und Umhänge, die Umschlagtücher und Täschchen und die Spie-gel, die feinen Schleier, die Schals und die Kopftücher. Dann habt ihr Moderstatt Balsam, Strick statt Gürtel, Glatze statt kunstvolle Locken, Trauerge-wand statt Festkleid, ja Schande statt Schönheit.“ (Jesaja 3,16-24)

Man wird diese Kritik nicht als Zurückweisung von Schönheit und ästheti-schem Empfinden zu interpretieren haben. Was der Prophet aus dem 8. Jahr-hundert v. Chr. hier vielmehr harsch anklagt, ist das Faktum, dass dieserPrunk und Glanz mit dem Schweiß der Armen, der brutalen und rücksichtslo-sen Ausbeutung der kleinen Leute erkauft ist. Unmittelbar vor den geradezitierten Versen heißt es, gerichtet an die Führer des Volkes: „Ihr, ihr habtden Weinberg geplündert; eure Häuser sind voll von dem, was ihr den Armengeraubt habt. Wie kommt ihr dazu, mein Volk zu zerschlagen? Ihr zermalmetdas Gesicht der Armen – Spruch des Herrn.“

Auf diesem Hintergrund wird man selbst die gewiss aus heutiger Sichtnicht problematische Anweisung mancher neutestamentlicher Briefschreiberan die Frauen, sich den Männern unterzuordnen und sich nicht zu sehr mitäußerem Schmuck zu behängen (vgl. 1. Petr. 3,1ff.), noch als Protest gegeneine Umwelt ansehen können, die allzu sehr auf äußeren Schein, Prunksuchtund Luxus setzte und dabei die wirklichen Werte des Lebens – wie Liebe undFürsorge, Hilfsbereitschaft und Aufmerksamkeit füreinander und für Andere– aus den Augen verloren hatte. Bei allem äußeren Glanz, den sich die Kirchespäter selbst zulegte, sind diese Stimmen des Protestes gegen Luxus undPrunksucht, Gier und Appetit auf Reichtum und Macht, doch immer lebendiggeblieben.

19EMW • Weltmission heute Nr. 45/2002Kriegs-Diamanten

„Diamonds are a Girl’s Best Friend“? – Diese Bewertung der Diamantenist wohl eine Illusion, eine Verführung zum Materialismus und zum äußerenSchein. Das Leben und die Werte, die im Leben zählen – Freundschaftgehört gewiss dazu – wird man durch Diamanten nicht bekommen, ge-schweige denn besitzen. Diamanten sind wunderschöne Gaben Gottes, abersie sind für die Bibel und für die wahren Religionen der Menschheit – dieReligion des Materialismus und Konsumismus gehört nicht zu den wahrenReligionen, sondern ist Götzendienst – vor allem auch Zeichen auf eine an-dere, transzendente Wirklichkeit, die erst die Fülle des Lebens erschließenkann.

Auch Marilyn Monroe, mit der wir diese Betrachtung begonnen haben, hatletztlich erfahren, dass der mit dem Reichtum der Millionäre verbundeneGlamour nicht das Leben bietet, nach dem man sich sehnt. Das „Gebet fürMarilyn Monroe“, das Ernesto Cardenal schon vor Jahrzehnten schrieb, kannauch als eine Erinnerung daran gelesen werden, dass die Welt der Diamantenletztlich nicht erfüllt, was sie so verführerisch verspricht3:

„Gebet für Marilyn Monroe“:

„Herrnimm auf dieses Mädchen, in der ganzen Weltbekannt als Marilyn Monroe,wenn das auch nicht ihr wirklicher Name war(doch Du kennst ihren wirklichen Namen, denNamen des kleinen Waisenkindes, das mit9 Jahren vergewaltigt wurde,und der Verkäuferin, die mit 16 Selbstmordversuchte)und die nun vor Dir steht, ohne Schminke,ohne ihren Presseagenten,ohne Photographen und ohne Autogramme zugeben,allein wie ein Astronaut vor der Nacht desWeltraums…

Der Film ging zu Ende ohne den Kuss im Finale.Man fand sie tot in ihrem Bett, ihre Hand amTelefon.Und die Detektive fanden nicht heraus, wen sieanrufen wollte.

20 EMW • Weltmission heute Nr. 45/2002Kriegs-Diamanten

Es war,als habe jemand die Nummer der einzigenfreundlichen Stimme gewähltund nur die Stimme vom Band gehört, die sagt:

WRONG NUMBER.Oder als habe jemand, von Gangstern überfallen,die Hand nach dem unterbrochenen Telefonausgestreckt.

HerrWer immer es auch war, den sie anrufen wollteund den sie nicht erreichte (und vielleicht war esniemandoder jemand, dessen Nummer nicht im Telefon-buch von Los Angeles steht)

Antworte Du ihrem Anruf!“

1 Interessante Informationen über die Symbolik von Edelsteinen aus dem Bereich vonReligionsgeschichte, Bibel und Kirchengeschichte bietet der von Otto Böcher undChristel Meier-Staubach verfasste Artikel: Edelsteine, in: Theologische Realenzyklopä-die, Bd. IX, Berlin/New York 1982, S. 266-277.

2 Vgl. dazu Ian Austin, City of Legends. The Story of Hyderabad, New Delhi u. a. 1992, S.52ff. Zur folgenden Darstellung über den Diamantenhandel in Golkonda und Hydera-bad bietet das Buch von Austin eine Fülle von Einzelheiten. Angemerkt werden mussallerdings, dass Hypothesen zur Herkunft und Geschichte einzelner im Folgenden er-wähnter Diamanten unter Experten z. T. umstritten sind; für einen Überblick über dieGeschichte berühmter Diamanten vgl. etwa den Artikel: Diamonds in der Encyclopae-dia Britannica.

3 Auszugsweise zitiert aus Ernesto Cardenal, Gebet für Marilyn Monroe und andere Ge-dichte, hrsg. von Stefan Baciu, Wuppertal 1972, S. 102-104.

21EMW • Weltmission heute Nr. 45/2002Kriegs-Diamanten

Illegal und tödlich:Afrikas glitzernder Rohstoff ist zum Fluch geworden

Freddy Dutz

Wer sie schürft, wird sich kaum einen leisten können. Wer ihnverschenkt, will der möglichen Vergänglichkeit der Liebevorbeugen. Und wer einen hat, muss seine Vergangenheitkennen, um ihn mit gutem Gewissen tragen zu können. DennDiamanten können sehr, sehr schmutzig sein.

Kohlenstoff-Klumpen, geboren in der Tiefe der Erde, sind zum Inbegriffder ewigen Liebe geworden. Diamanten waren in Indien Gaben für die Göt-ter, dort und an anderen Orten Präsente für Könige, und nicht erst seit kurzemGeschenke als Liebesbeweis. Sie machen nicht unsterblich, nicht einmal ge-sund, trotzdem sind sie heiß begehrt. Fachleute sind sich einig: Es gibt mehrDiamanten – im Rohzustand, poliert oder geschliffen – als gekauft werden,trotzdem kann die Schmuck-Industrie den Eindruck der Einzigartigkeit auf-rechterhalten und die Preise sinken nicht. Die Steine dienen nicht der Ener-gie-Gewinnung, machen nicht wirklich schön, trotzdem zählen sie zu denwertbeständigsten Gütern auf der Welt.

Für viele Volkswirtschaften sind die glitzernden Bodenschätze wichtigerBestandteil der Handelsbilanz. Zwei Millionen Menschen finden weltweitdurch Schmuck-Diamanten eine Arbeit, ob als garimpeiros (Schürfer) inAngola, Schleifer in Indien, Aufkäufer in Südafrika, Börsenhändler in Ant-werpen, Schmuckhersteller in Idar-Oberstein, Schmuck-Modell in NewYork oder Juwelier in Deutschland. 67 Mio. Schmuckstücke werden proJahr an die Frau und den Mann gebracht. In den kommenden Jahren wirddie Suche nach Diamanten weiterhin intensiviert; bis zum Jahr 2005 sol-len 120 Mio. Karat (1 Karat entspricht 0,2 Gramm) im Wert von bis zu 9,2Milliarden Dollar geschürft werden, berichtet die Fachzeitschrift „Mazal uBracha“.

Nicht nur die Schmuck-Industrie, die 36 Prozent der geförderten Diaman-ten verarbeitet, ist ganz „heiß“ auf die Kohlenstoff-Stückchen. Für viele an-

22 EMW • Weltmission heute Nr. 45/2002Kriegs-Diamanten

dere Branchen sind die „Sternen-Splitter“ – wie sie von den alten Griechengenannt wurden – lebenswichtig. Für Schneid- Bohr- und Schleifwerkzeuge,optische Geräte und als Wärmeleiter in der Elektronik eignet sich das festestealler Materialien besonders gut. Vor allem kleine Steine und der „Abfall“,der beim Bearbeiten der Schmucksteine anfällt, werden dafür verwendet.

UnauffälligWeil Diamanten so begehrt und sie zudem klein und handlich sind, sie an

manchen Stellen der Welt ohne viel technischen Aufwand gewonnen wer-den, und sie schnell zu Geld gemacht werden können, sind sie die idealeGrundlage für kriminelle Geschäfte. Afrikas Rohdiamanten sind wegen ihrerGröße und Qualität besonders beliebt und gesucht.

Vor allem Diamanten, die zu Schmucksteinen verarbeitet werden, sind in-teressante Schmuggel-Objekte. Ihr Wert ist hoch und sie werden einzeln,oder in geringer, übersichtlicher Stückzahl vermarktet. Steine, die zur indus-triellen Verarbeitung gebraucht werden, nehmen auch den Weg über die in-ternationalen Börsen und wandern durch die Hände der großen Handelshäu-ser. Menschenrechtler befürchten, dass Konflikt-Diamanten mit „sauberen“Gebinden gemischt werden.

Ein Rohdiamant ist bestenfalls eine Geldanlage, denn nur geschliffen – jeperfekter geschliffen, desto besser – ist er wirklich etwas wert. Als die bestenihres Faches gelten Diamantschleifer in Belgien und Israel, allerdings sindsie auch teuer. Viel teurer als die Inder, denn dort werden auch Jugendlichebeschäftigt. Aber selbst ein geschliffener Stein nützt den wenigsten Men-schen. Damit er seine Wirkung auch für Laien sichtbar entwickelt, bedarf eseiner Fassung: Goldschmiede kommen nun zum Einsatz. Und all dies kostetviel Geld.

Davon sehen die Schürfer vor Ort nur wenig. Höchst selten werden Steineheutzutage von der Erdoberfläche gesammelt. Der Schatz wird aus Wasserlö-chern und Flüssen ausgesiebt oder, primitive Luftrohre benutzend, hoch ge-taucht. In den Minen wird teure Technik eingesetzt, um an die Kohlenstoff-molekül-Ansammlungen zu gelangen. Während viele Schürfer auf eigeneRechnung arbeiten, gehören die Minen staatlichen oder halbstaatlichen Un-ternehmen oder den großen Diamanten-Imperien. Aufkäufer, teilweise ange-stellt bei den international tätigen Firmen, bei den (halb-)staatlichen Betrie-ben, oder freischaffend, legen die Preise gemäß dem vermuteten Potential derRohdiamanten fest.

23EMW • Weltmission heute Nr. 45/2002Kriegs-Diamanten

VerdächtigDen Steinen ist nicht anzusehen, woher sie stammen und welchen Weg sie

genommen haben, oder ob sie rechtmäßig in die Hände ihres Besitzers ge-langt sind. Für Rebellen und Verbrecher ist es einfach, mit Waffengewalt andie Kostbarkeiten zu gelangen. Aus Sierra Leone wird berichtet, dass dieGuerillas in die Dörfer der Diamanten-Schürfer gekommen seien, die Bevöl-kerung massakrierten und die Beute nach Europa verscheuert haben. Der Prä-sident des Landes, Ahmad Tejan Kabbah, soll anlässlich versprochener Wah-len den Slogan erfunden haben: „Gebt mir eure Hände“. Die Rebellen hattenDorfbewohnern Gliedmaße abgehackt und den verstümmelten Opfern zuge-rufen: „Nun bringt ihm eure Hände“.

Die geraubten Steine, oder die, die aus Gebieten stammen, die Banditenoder bewaffnete Miliz kontrollieren, werden in den regulären Verkehr einge-schleust. Entweder gelangen sie über Mittelsmänner zu den Einkäufern odersie werden gleich als Zahlungsmittel verwendet. Mindestens 3 Prozent derSchmucksteine, wahrscheinlich aber viel mehr, schätzen Menschenrechts-Organisationen wie amnesty international oder medico international, füllendie Kriegskassen von Rebellen in Afrika. Als unterster Geldbetrag wird von210 Millionen US-Dollar ausgegangen, Geld genug für 84 000 nagelneueKalaschnikows zu 2 500 Dollar das Stück – gebrauchte Ware sei mancherortsfür 15 Dollar zu kriegen, erklärte UN-Generalsekretär Kofi Annan im Juli2001.

Auch die an den Kriegen beteiligten Regierungen verfügen über Einkünfteaus ihren Bodenschätzen, auch aus den Verkäufen von Diamanten, die sieihrerseits entweder schürfen lassen oder als Zahlungsmittel akzeptieren. So-mit steigt der angenommene Prozentsatz an „Kriegs“-Diamanten erheblich.Selbst die Nachbarländer „profitieren“ von dieser Kriegs-Ökonomie, dennsie bieten unter anderem den Beteiligten Wegerechte, bilden Truppen aus,stellen Söldner und liefern Kriegsmaterial und Verpflegung. Weil so vieleMenschen – auch im Norden – an diesen Kriegen verdienen, ist das Interessesie zu beenden gering.

Die Vereinten Nationen wissen seit Jahren um die Bedeutung von Roh-stoffen für die Finanzierung von Kriegen, ja, sie definieren den Wunsch nachBodenschätzen als eigentlichen Kriegsgrund. Deshalb wurde der Handel mitDiamanten aus Kriegsgebieten verboten. Zwar unterwarfen sich die Diaman-tenhändler offiziell dieser Anordnung, aber durch allerhand Tricks umgehenviele von ihnen bestehende Gesetze.

24 EMW • Weltmission heute Nr. 45/2002Kriegs-Diamanten

UnangenehmSeit einigen Jahren propagieren Kirchengruppen und Menschenrechtsor-

ganisationen weltweit die Bedeutung von Diamanten für die Kriege in Afri-ka. Sich daran erinnernd, wie geschäftsschädigend sich die Anti-Pelz-Kam-pagne von Tierschützern auf die Pelz-Industrie auswirkte, ist die Schmuck-Diamanten-Branche zum Einlenken bereit. Die Idee von Liebes-Beweisen,an denen Blut klebt, schadet dem Image. Die Absichtserklärungen, die dieTeilnehmer des „Kimberley-Prozesses“ Ende 2001 abgegeben haben, müs-sen alle umgesetzt werden, damit der Sumpf des Handels mit illegalen Dia-manten weltweit ausgetrocknet werden kann. Gleichzeitig müssen Endver-braucher das Bewusstsein des Einzelhandels schärfen, indem sie auf „saube-re“ Steine bestehen, deren Herkunft zweifelsfrei bewiesen werden kann.Zwar gehören Diamanten zu den überflüssigen Luxus-Gegenständen, dieanders als Kaffee, Kakao oder Tee nicht „mal eben“ gekauft werden, den-noch entscheiden sie für einige Volkswirtschaften über das Wohl und Weheeines Staates. Und das Urteil, ob der Erwerb von „echtem“ Schmuck mora-lisch vertretbar ist, ist nicht verbindlich zu fällen.

25EMW • Weltmission heute Nr. 45/2002Kriegs-Diamanten

Herkunft der Preziosen

Freddy Dutz

Im Jahr 2000 wurden weltweit im Wert von 7,5 Milliarden US-Dollar Diamanten gehandelt. 69 Prozent stammen aus afrika-nischen Ländern, 21 Prozent aus Russland, 6 Prozent ausKanada und 5 Prozent aus Australien. In den Erzeuger-Ländern sind sie ein wichtiges, in manchen sogar das wich-tigste Wirtschaftsgut. Fachleute halten die Abhängigkeit vonnur einem Produkt für bedenklich.

Indien28 000 Diamanten sind in die Krone der indischen Gottheit Balaji gesetzt.

Sie stammen wahrscheinlich aus der Gegend der östlichen Dekhan-Hoch-ebene und wurden vor vielen hundert Jahren gefördert. Heute werden in Indi-en kaum Diamanten geschürft, im Geschäft ist Indien aber trotzdem.

Mittlerweile haben sich dort Edelstein-Schleifereien auf das Bearbeitenvon winzigkleinen Diamanten spezialisiert, die bis vor wenigen Jahren vonGoldschmieden nicht mehr zu Schmuckstücken verarbeitet wurden, sondernvon der Industrie verbraucht wurden. In den siebziger Jahren des 20. Jahr-hunderts begann die Religionsgemeinschaft der Jaines, Kleinst-Diamantenfür die Schmuckindustrie zu bearbeiten. Später verlegten sie ihre Ge-schäfte in die Hafenstadt Surat, wo es 50 000 Schleifereien mit mehr als300 000 Mitarbeitern, darunter auch Jugendliche und Kinder, geben soll.Es wird befürchtet, dass Diamanten ungeklärter Herkunft in Indien „ge-waschen“ werden, wenn nämlich Steine unterschiedlicher Herkunft ver-mischt werden.

AfrikaSeitdem im 19. Jahrhundert im südlichen Afrika Diamanten gefunden

worden waren, haben Europäer durch die Vermarktung der Steine Unsum-men verdient. Am Anfang haben weiße Glücksritter, die vom Diamanten-

26 EMW • Weltmission heute Nr. 45/2002Kriegs-Diamanten

Rausch erfasst waren, die Kohlenstoff-Klumpen zu Tage gefördert. Nur we-nige waren wirklich erfolgreich und starben als reiche Männer. Heutzutageschuften Afrikaner in den unterirdischen Minen, suchen die Erdoberflächeoder Wasserläufe ab. Ob sie auf eigene Rechnung arbeiten oder sich verdin-gen, ihre Arbeit ist schwer und sehr gefährlich. Reich wird kaum einer.

In friedlichen afrikanischen Staaten tragen Diamanten wesentlich zumstaatlichen Haushalt und zu privatem Einkommen bei. Länder wie Botswana(29 Prozent der weltweit geförderten Steine; Umsatz 1,78 Milliarden US-Dollar), Südafrika (Anteil am Weltmarkt: 11 Prozent; im Jahr 1999 beliefsich der Umsatz auf 776 Millionen US-Dollar) und Namibia (6 Prozent; 430Millionen US-Dollar) sind im hohen Maße abhängig von dem Exportartikel.Neue Diamanten-Minen werden seit kurzem in Tansania erschlossen. 1999wurden dort für 24 Millionen US-Dollar Rohdiamanten gefördert, die auchdort einen wichtigen Beitrag zum Staatshaushalt leisten. Die wertvollstenDiamanten werden in Namibia und Angola gefunden, für die Höchstpreisebezahlt werden.

Angolasiehe Seite 43

BotswanaSeit 1971 ist das afrikanische Muster-Land erfolgreich beim Diamanten-

Finden, denn auf seinem Territorium liegen die reichsten Vorkommen, dienoch 50 Jahre lang ausgebeutet werden können. 77 Prozent der Export-Ein-nahmen und 45 Prozent des Brutto-Inlandsproduktes sind den Steinen zu ver-danken. Dank der Einnahmen gibt es in Botswana eine Infrastruktur, eineGratis-Schulbildung bis zur 9. Klasse, ein funktionierendes Gesundheitswe-sen. Botswanas Diamanten sind „sauber“, betonen die Regierung und dieWirtschaft immer wieder und sie weisen unisono darauf hin, dass sie mit denBlut-Diamanten anderer afrikanischer Länder nichts zu tun hätten. Botswanagehört innerhalb des Kimberley-Prozesses zu den führenden Nationen, denendaran gelegen ist, jeden Schatten, der auf Diamanten fallen könnte, fernzu-halten. Und das Energie-Ministerium setzt sich für einen hohen Zertifizie-rungs-Standard ein. Es wird aber immer wieder versucht, Konflikt-Diaman-ten unter Steine aus Botswana zu schmuggeln.

27EMW • Weltmission heute Nr. 45/2002Kriegs-Diamanten

Demokratische Republik KongoNeben verschiedenen edlen Steinen, Kupfer und Coltan werden in der De-

mokratischen Republik Kongo auch Diamanten gefördert, die sowohl vonder offiziellen Regierung, als auch von Rebellen zur Finanzierung des Krie-ges benutzt werden. Ein Grund der Auseinandersetzungen zwischen denKriegsparteien ist der Kampf um die Rohstoffe.

Sierra Leonesiehe Seite 39

Südafrika1867 wurde in Südafrika der erste Diamant von Weißen entdeckt, der ei-

nen Diamanten-Rausch auslöste. Heute werden 11 Prozent der Welt-Produk-tion in der Republik Südafrika gefördert. Dort ist auch das größte von Men-schenhand gegrabene Loch zu sehen: heute misst das „Big Hole“ in Kimber-ley 215 Meter und im Durchmesser 470 Meter. Auf dem Gelände wurden 2722 kg Diamanten gefunden und dafür 22,5 Millionen Tonnen Aushub be-wegt. Über die Zahl der Opfer wurde nicht Buch geführt.

Begründer des Diamantenhandels waren Barney Barnato und Cecil Rho-des. Das Diamanten-Imperium De Beers gründete Sir Ernest Oppenheimer.Der Firmen-Name geht auf den Calvinisten Johannes Nicholas de Beer zu-rück, der in Südafrika 1871 eine Farm gekauft hatte, auf der reiche Diaman-ten-Vorkommen geschürft wurden. Bis vor einigen Jahren war De Beers dieFirma mit den höchsten Beteiligungen an unterschiedlichen Unternehmen inder Diamanten-Branche. Mittlerweile wurde das einstige 90-Prozent-Mono-pol aufgegeben.

AustralienFünf Prozent der jährlichen Diamanten-Funde werden in Australien ge-

macht. Die Argyle-Mine im Nord-Westen des Kontinents gehört nicht DeBeers, sondern der Konkurrenz, dem Bergbau-Unternehmen Rio Tinto unddem drittgrößten Diamantenminen-Betreiber Ashton Mining, auch wenn DeBeers sich sehr um Firmen-Anteile bemüht hat. Zwar werden in der Mine, dieerst 1979 entdeckt wurde, vor allem kleine Steine gefunden, aber ihre Jahres-Kapazität liegt bei 40 Millionen Karat und sie ist damit die ergiebigste Mine

28 EMW • Weltmission heute Nr. 45/2002Kriegs-Diamanten

der Welt. Ihre Betreiber haben das Diamanten-Kartell verlassen und verkau-fen seit 1996 direkt nach Indien, wo die Steine bearbeitet werden.

Um die Marktposition zu festigen, hatten die Südafrikaner vor einigenJahren den Markt mit Rohdiamanten überschwemmt. Zwar kamen die Preisekleiner Steine ins Schlingern, aber sie erholten sich schnell wieder und stabi-lisierten sich auf hohem Niveau.

KanadaAls Newcomer in der Diamanten-Förderbranche gilt Kanada, nachdem

1991 im Northwest Territories Kimberlit, diamantenhaltiges Gestein, gefun-den wurde. Vorher waren nur vereinzelt Diamanten entdeckt worden. ZehnJahre später produzierte Kanada in verschiedenen Minen bereits Diamantenvon hoher Qualität im Wert von 400 Millionen US-Dollar und befriedigt 6Prozent des Weltmarktes. Auch De Beers ist an den Minen in den NorthwestTerritories beteiligt. Menschenrechtsgruppen fordern, dass Kanadamöglichst bald klärt, welche Steine als „Kanadische Diamanten“ bezeichnetwerden. Wenn dies nicht nur für Steine gilt, die im Lande gefunden wurden,sondern auch für andere, z.B. diejenigen, die in Kanada be- oder verarbeitetwerden, dann sei der Anspruch „saubere“ Diamanten zu handeln nicht mehrangemessen, meinen sie. Denn seit vor allem in den USA die Debatte um„blutige Diamanten“ ausgebrochen ist, war das Verkaufsargument für kana-dische Steine ihre „Sauberkeit“

RusslandBereits zu Zeiten des Kalten Krieges waren Diamanten ein wichtiges Han-

delsprodukt der UdSSR. Boris Jelzin hatte damit 1996 einen Teil seinerWahlkampfkosten bestritten, als er nämlich einen Teil der russischen Bestän-de zu Bargeld machte. Der 600 Meter tiefe Minen-Schacht der Diamanten-grube „Mir“ im Perma-Frost gilt seit seiner Stilllegung im Jahr 2000 als In-dustriedenkmal. Eingestiegen wird jetzt an anderer Stelle. Die Mine, die seit1957 betrieben wird, gilt als weiterhin ertragreich. Russland ist seit einigenJahren führend in der Herstellung von synthetischen Diamanten, die in derMaschinen- und Werkzeugindustrie verbraucht, aber auch zu Schmuckstü-cken verarbeitet werden. Die russischen „echten“ Steine werden meist ex-portiert.

29EMW • Weltmission heute Nr. 45/2002Kriegs-Diamanten

Härter geht nicht

Freddy Dutz

Unbearbeitet gleicht kristalliner reiner Kohlenstoff (chemisch: C) Kiesel-steinen. Im Erdinneren entstand vor 2 Milliarden Jahren unter großem Druckund unvorstellbarer Hitze aus Kohlenstoff das härteste Material (auf der Här-teskala nach Knoop mit dem absoluten Höchstwert von 90 Gpa). Eingebettetin Muttergestein, Kimberlit, und bewegt von vulkanischen Kräften fandendie Kristalle den Weg teilweise bis zur Erdoberfläche. Seinem Namen „Dia-mant“ (griech. adamas: der Unbesiegbare, Stahl) macht der Stoff alle Ehre,denn er ist nur mit gleichem Material ritz- oder schleifbar (Ritzhärte 10), isttrotzdem aber gut spaltbar. Nur eines verträgt so ein Diamant nicht: Hitze;bei 800 – 900°C wird die meta-stabile Substanz zu Graphit.

Unpoliert oder ungeschliffen sind Diamanten nur von geübten Augen er-kennbar. Die Kristallform, Farbe, Reinheit und Größe bestimmen den Wertdes Rohdiamanten. „Farblos“ und „ohne Einschlüsse“ gelten als höchsteQualitätsmerkmale. Je größer ein bearbeiteter Stein ist und je besser seineSchönheit durch den Schliff zur Geltung kommt, desto höher ist sein Preis.Seine Wirkung als Schmuckstein verleiht ihm ein Diamantenschleifer, derden Stein so bearbeitet, dass sich das Licht optimal in den Facetten bricht undden Kohlenstoff zum Glitzern bringt (Brechzahl 2,417). Das größte Elendder Branche ist der Umstand, dass das Schleifen den Stein verkleinert.Mittlerweile verlassen sich die Fachleute nicht mehr nur auf ihren geschultenBlick, sondern setzten auf den Computer, um die Facetten und den Schliffvorher zu bestimmen.

Diamanten werden heute in „sekundären“ Lagerstätten, erdoberflächen-nah oder in Flüssen „gefunden“, oder im Tagebau oder in unterirdischen Mi-nen abgebaut. Der Wunsch an die Funkelsteine zu gelangen, spornt die Men-schen zu gigantischer Leistung an. Kein Ort zu entfernt, keine Lagerstätte zutief, keine Wüste zu heiß oder zu kalt: Sobald Diamanten in der Erde vermu-tet werden, beginnt die Suche.

30 EMW • Weltmission heute Nr. 45/2002Kriegs-Diamanten

Aus Menschenhand

Wenn sich im Entstehungsprozess des Diamanten Fremdatome in denKohlenstoff gemischt haben, verleihen sie dem Stein typische Farben.Mittlerweile können farblose Steine technisch so behandelt werden, dass sieeine Tönung erhalten.

In den 20-er Jahren des 20. Jahrhunderts gelang der Nachweis, dass Dia-manten synthetisch hergestellt werden können. 1953 erzeugte ein schwedi-sches Forscherteam künstliche Steine. 1965 gab die Rheinische Post das „Re-zept“ zur Herstellung von Diamanten bekannt. Es wurde empfohlen, Graphitund Nickelpulver als Katalysator zwischen drei Scheiben einer Temperaturvon 1240 Grad einem Druck von 60 000 Atmosphären auszusetzen.

Heutzutage werden, vor allem für die Verwendung in der Industrie, Dia-manten synthetisch hergestellt. 1999 waren es 200 Tonnen, während 24 Ton-nen natürliche Steine gefördert wurden. Aber auch die Schmuckbranchezeigt Interesse an den „unechten“ Steinen, deren Qualität und Größe immerbesser wird. Fachleute können synthetische Diamanten von natürlichen un-terscheiden, indem sie sie mit ultraviolettem Licht bestrahlen und unter-schiedliche Farbmuster erkennen. Russische Labors sind bereits in der Lage,Diamanten im Gewicht bis zu 6 Karat (1,2 Gramm) herzustellen. Auch künst-liche Diamanten werden bei der Herstellung von Schneid-, Trenn-, Bohr- undSchleifwerkzeugen eingesetzt; sie schützen Metall vor Verschleiß. Das Bre-mer Institut für angewandte Strahlentechnik meldete kürzlich, es sei ihnengelungen Diamanten außerhalb von Druckkammern sechzig mal schnellerals durch andere Methoden „züchten“ zu können. Das Interesse an der Erfin-dung sei groß, Lizenzvergaben und Industrieaufträge werden bereits verhan-delt.

MarkierungMit Laser können Markierungen in die Steine graviert werden, um ihre

Identifizierung zu ermöglichen. Die mikroskopisch-feine Beschriftung kanndurch Polieren wieder entfernt werden. Dieses Markieren gilt als eine derwichtigsten Möglichkeiten Diamanten kenntlich zu machen, um ihren Wegverfolgen zu können. Die Diamantenbranche nutzt diese Kennzeichnungauch, um schnell und einfach natürliche Diamanten von synthetischen Stei-nen unterscheiden zu können.

31EMW • Weltmission heute Nr. 45/2002Kriegs-Diamanten

Das Geheimnis einerfaszinierenden Leidenschaft –

Kriegsdiamanten

Anne Jung

Es ist gewinnbringender, einen Krieg auszubeuten als den Sieg davonzu-tragen. Das ist das nüchterne Fazit der nicht enden wollenden Kriege in Afri-ka. Nie zuvor gab es dort so viele Konflikte wie heute; „Stammeskriege“oder „ethnische Konflikte“ – so fast unisono die vereinfachende Formelwestlicher Erklärungsversuche. Doch die Deutungsansätze greifen zu kurz:Bei genauerem Hinsehen wird eine politische Ökonomie des Krieges erkenn-bar, deren Gewinner transnationale Konzerne, korrupte Regierungen, Nach-barstaaten, Warlords, private Söldnerfirmen und die Eliten der jeweiligenLänder sind. Die global player sind dabei ebenso austauschbar wie die Han-delsware oder das Land.

Für diese Art von Konflikten hat Mary Kaldor den Begriff der „neuenKriege“ geprägt, um sie von jener Art von bewaffneten Auseinandersetzun-gen zu unterscheiden, die vier Jahrzehnte des Kalten Krieges dominierten. Indiesen Jahren verloren viele afrikanische Länder wie Mosambik oder Ango-la, die Schauplatz von Stellvertreterkriegen der Großmächte waren, weitge-hend ihre geostrategische Bedeutung. Beide Großmächte reduzierten ihre fi-nanzielle Unterstützung oder froren sie ein. Damit brach die finanzielle Basisfür viele Kriegsparteien zusammen. Es entwickelte sich eine „politischeÖkonomie des Krieges“, die die Kontrolle der lokalen Ressourcen und dieBeherrschung des Marktes weiterhin gewährleisten konnte. Die Rohstoff-Kontrolle sicherte nicht nur die Machtstellung im Krieg, sie wurde selbstmehr und mehr zur Ursache des Krieges: Ideologische und politische Gegen-sätze traten hinter den kurzfristigen ökonomischen Interessen zurück.Anders gesagt: Krieg muss nicht nur als Zerstörung und Verlust gesehenwerden, sondern kann für bestimmte Gruppen auch profitabel sein. Dieseneue Sicht auf Kriege und ihre politische und wirtschaftliche Funktion führtezur Prägung des Begriffes der „politischen Ökonomie des Krieges“. Gemeintist damit der Prozess, durch den bewaffnete Konflikte aufrechterhalten und

32 EMW • Weltmission heute Nr. 45/2002Kriegs-Diamanten

Gewalt organisiert werden, um Macht, Reichtum und Armut zu schaffen undzu verteilen (Philippe Le Billon: Risiko Ressourcenreichtum. Vortrag 2001).Einige Kriege werden um die Kontrolle des Diamanten-, Öl- oder Goldhan-dels geführt.

Das schwer durchschaubare Geflecht der unterschiedlichen Akteure imKampf um die Rohstoff-Kontrolle soll im Folgenden am Beispiel des angola-nischen Diamanten- und Ölhandels dargestellt werden. Exkurse in andereBürgerkriegsökonomien sollen die Funktionsweise der „neuen“ Kriege ver-stehen helfen.

Ein Alptraum im Wachzustand„Eine Apokalyse. Die Angolaner wurden ihrer Gegenwart, ihrer Vergan-

genheit und sogar ihrer Zukunft beraubt. In dieser totalen Zerstörung gibt eseinen Moment, wo all das, was zum Leben gehört, zur absoluten Bewegungs-losigkeit kommt. Es gibt keine Zeit mehr, sie ist eingefroren.“ So beschreibtder Schriftsteller Pedro Rosa Mendes nach einer Reise das riesige südwest-afrikanische Land, das seit drei Jahrzehnten mit dem immensen Rohstoff-reichtum seinen Krieg finanziert – die eine Kriegspartei mit Diamanten, dieandere mit Öl.

Weit über zehn Jahre dauerte der bewaffnete Kampf gegen die portugiesi-sche Kolonialherrschaft. Nach der Unabhängigkeit 1974 ging die bewaffneteAuseinandersetzung in einen Bürgerkrieg zwischen der MPLA-Regierung(Volksbewegung für die Befreiung Angolas) und der RebellenbewegungUNITA (Nationalunion für die volle Unabhängigkeit Angolas) über. Auchnach dem Ende der Blockkonfrontation – in dieser Phase war Angola Schau-platz eines klassischen Stellvertreterkrieges, die MPLA wurde von derUdSSR und Kuba unterstützt, die UNITA vom Apartheidsstaat Südafrikaund den USA – hat Angola nur fünf Jahre eines brüchigen Friedens erlebt. Obdie nach der Ermordung des Rebellen-Chefs Jonas Savimbi im Februar 2002ausgehandelte Waffenruhe Bestand hat, wird sich in den nächsten Monaten,wenn nicht Jahren zeigen.

Der Rüstungsetat des Landes beträgt ca. 1 Milliarde US-Dollar und machtdamit 25 Prozent des Bruttoinlandproduktes aus – die Regierung leistet sicheine der größten Armeen des Kontinents. Der Krieg hat seit 1961 über500 000 Angolanerinnen und Angolanern das Leben gekostet, zehntausendesind nach Unfällen mit Landminen verkrüppelt. Millionen von Minen liegennoch in der Erde und stellen auf Jahre hinaus eine permanente Gefahr für dieBevölkerung dar. 176 000 angolanische Kinder sind im Jahr 2000 gestorben,

IEMW • Weltmission heute Nr. 45/2002Kriegs-Diamanten

Die Rebellen haben ihr die Hände abgeschlagen. 1998 lebte die damals17-Jährige im Camp Waterloo der Vereinten Nationen in Sierra Leone.

Foto: Giacomo Pirozzi

II EMW • Weltmission heute Nr. 45/2002Kriegs-Diamanten

Alluv Diamantenminein Südafrika.Foto: Technische UniversitätDelft, Niederlande

Kinderarbeit in einer Diamantenmine im Kongo.Foto: ai

IIIEMW • Weltmission heute Nr. 45/2002Kriegs-Diamanten

Mittlerweile stillgelegt ist die Diamentenmine Big Holeam Rande der Stadt Kimberley in Südafrika.

Fot

o: S

ueda

frik

a.ne

t

Erst von einemGoldschmiedgesetzt, können dieedlen Steine ihreganze Prachtentfalten.Foto: Gerlinde Grossmann

IV EMW • Weltmission heute Nr. 45/2002Kriegs-Diamanten

Für das bloße Auge ist die Gravur der Polar-Bear-Mine, Kanada, nicht erkennbar.

Foto: Raymond Je

wels

33EMW • Weltmission heute Nr. 45/2002Kriegs-Diamanten

bevor sie das fünfte Lebensjahr erreicht haben; damit hat das Land die höchs-te Kindersterblichkeit weltweit. Weniger als die Hälfte der Kinder hat jemalseine Schule besucht.

Der Krieg erlaubt es der Regierung wie den Rebellen, die furchtbaren Fol-gen der Gewalt zu ignorieren. Die Menschen werden von beiden Kriegspar-teien terrorisiert und ausgeplündert. Angola ist eines der ärmsten Länderüberhaupt, aber in Bezug auf Bodenschätze das viertreichste Land derWelt.

Einkommensquelle DiamantenHauptfinanzierungsquelle der UNITA sind Diamanten. Aus den Verkäu-

fen auf den Märkten Europas erzielte sie zwischen 1992 und 1998 Gewinnevon mindestens 3,7 Milliarden US-Dollar. Angolanische Diamanten gehörenmit durchschnittlich 250 Dollar pro Karat zu den besten weltweit.

Wichtiger Abnehmer der UNITA war jahrzehntelang der Großkonzern DeBeers. Seit 60 Jahren dominieren das südafrikanische Unternehmen und sei-ne Central Selling Organization – CSO (etwa: Verkaufszentrale) die interna-tionale Diamantenindustrie, indem sie über 65 Prozent der weltweiten Pro-duktion klassifizieren, bewerten und verkaufen. Im Zuge der gigantischenWerbekampagne zum Millenniumswechsel stieg das Verkaufsvolumen derCSO um 57 Prozent auf 5,2 Milliarden US-Dollar. De Beers und andere Di-amantenkonzerne haben in den vergangenen Jahren mit UNITA-DiamantenMillionen verdient, die Summe lässt sich jedoch nicht exakt beziffern.

Handelsembargo gegen KriegsdiamantenZur Unterbindung dieser Geschäfte verabschiedete der UN-Sicherheitsrat

1998 eine Resolution, die den direkten oder indirekten Export von nicht-offi-ziellen Diamanten aus Angola und Sierra Leone verbietet. Das Embargorichtet sich gegen Diamanten, die kein Herkunftszeugnis (Certificate of Ori-gin) besitzen und schließt daher die von offiziellen Regierungen gehandeltenSteine, so undemokratisch oder korrupt sie auch sein mögen, nicht mit ein.Die sogenannten Kriegsdiamanten machen zwischen 4 und 15 Prozent desWelthandels aus, wobei bereits 4 Prozent einem Wert von ca. 270 MillionenUS-Dollar entsprechen.

Nachdem mehrere Untersuchungen seitens der UN aufzeigen konnten,dass die Sanktionen nicht zuverlässig greifen, bewies ein Fernsehteam der

34 EMW • Weltmission heute Nr. 45/2002Kriegs-Diamanten

ARD auf spektakuläre Weise, dass das Problem mit den Kriegsdiamantennoch nicht gelöst ist. In Sambia erstanden die Journalisten problemlos ille-gale Diamanten aus Angola und ließen sie von korrupten Beamten mit einemgefälschten Zertifikat versehen. Ebenso problemlos fanden sich in der euro-päischen Diamanten-Hochburg Antwerpen potentielle Käufer – obwohl je-der Diamantenhändler weiß, dass es in Sambia kaum Diamantenvorkommengibt.

Auch der UN-Bericht über die Einhaltung der internationalen Sanktionengegen die Kriegsdiamanten kommt zu dem Ergebnis, dass die Steine der Re-bellenbewegung nach wie vor an die Börse von Antwerpen gelangen. Dassdie UNITA dazu nicht auf De Beers angewiesen ist, war schon vor Monatendeutlich; sie nahm den Rückzug von De Beers aus Angola schulterzuckendzur Kenntnis und ließ verlautbaren: „Wer auch immer Millionär ist, wer auchimmer einer Frau einen Ring an den Finger stecken möchte, wer das Gelddafür hat, der bekommt Diamanten, das ist das Prinzip“ (Alcides Sakala,Pressesprecher). Organisiert wird der Verkauf hauptsächlich von einem inAntwerpen operierenden Netz von Händlern und Gesellschaften, die dieUNITA-Kämpfer im Austausch mit Waffen versorgen (Basler Zeitung24.04.01).

Raffinierter StrategiewandelDiamanten-Monopolist De Beers bekundete nach der Lancierung der

Kampagne „Fatal Transactions“, sich vollständig vom Markt in Angola undSierra Leone zurückziehen zu wollen und damit über die Vorgaben des UN-Embargos hinauszugehen. Der Großkonzern wirbt mittlerweile mit seinerneuen Geschäftsidee der konfliktfreien Diamanten und betont: „Mit der Ent-scheidung, diesen Schritt zu machen, versucht De Beers, die internationalenBemühungen für einen Frieden in mehreren afrikanischen Staaten zu unter-stützen und sicherzustellen, dass der legale Diamantenhandel kein negativesImage bekommt durch die Diamanten, die von Rebellen zur Finanzierungvon Kriegen eingesetzt werden.“ (Geschäftsbericht De Beers 2000)

Das Einlenken von De Beers liegt vor allem in der Angst vor einem Image-schaden begründet, denn die Diamantenindustrie lebt in doppelter Hinsichtvom symbolischen Wert der Diamanten. Zum einen verkörpern die Steine dieStereotypen von unvergänglicher Liebe, Glück und Wohlstand – jeder kenntdie großen Anzeigen auf Plakatwänden und in den Hochglanz-Zeitschriften.Eine Verbraucher-Kampagne gegen Diamanten aus Kriegsgebieten würdemit Sicherheit zu Umsatzeinbußen führen – blutige Diamanten sind ein zuunpassendes Geschenk zur Silberhochzeit. US-amerikanische Analysten ra-

35EMW • Weltmission heute Nr. 45/2002Kriegs-Diamanten

ten bereits wegen der „drohenden Kampagne von Dritte-Welt-Gruppen“ zumVerkauf von De Beers-Aktien (Handelsblatt 12.04.00). Zum anderen lebt dieBranche von dem selbstgeschaffenen Mythos, die Steine seien selten. Umdiesen Mythos aufrechtzuerhalten, hält De Beers Vorräte im Wert von ca. 2Milliarden US-Dollar zurück, um den Preis hoch zu halten. Die Kunden be-zahlen Millionen für Diamanten, deren Wert jedoch ausschließlich in derVorstellung ihrer Käufer und Käuferinnen existiert: „Nimm den Steinen ihresymbolische Kraft und der gesamte Markt bricht zusammen.“ (Stan Correy,Diamanten-Experte).

Die Stabilität des Diamantpreises ist zusätzlich durch die Konkurrenz ausdem informellen Sektor gefährdet – durch den illegalen Markt schwer kon-trollierbarer Diamantenschmuggler und Kleinförderer. Schon vor Jahren hatDe Beers Söldnerfirmen beauftragt, die Schmuggelroute zwischen Sierra Le-one und Liberia zu unterbrechen, um die Kontrolle über den Markt zu si-chern. Die neue Strategie ist besser durchdacht: De Beers befürwortet dieEinhaltung des Embargos und versucht damit, konkurrierende Förderer mitHilfe von Standards vom Markt zu drängen, die andere Händler nicht erfüllenkönnen. Der Diamanten-Experte Ed Epstein, Autor des Buches „The Riseand Fall of Diamonds“, wirft De Beers sogar vor, die Sanktionspolitik derUN zu funktionalisieren: „Mit der Unterstützung des UN-Embargos hat DeBeers die UN auf sehr effektive Weise dazu verwendet, als Polizei den Job zuübernehmen, den bislang Söldner und Diktatoren übernahmen: den Marktvon billigen Diamanten freizuhalten.“ (Comtex 24.08.00) Ein Sprecher desHohen Diamantenrats (das wichtigste offizielle Gremium der Diamanten-händler), warnt unverblümt: „Wenn man die Entwicklung Angolas zu einemder größten Diamantenproduzenten der Welt aufhalten will, muss man esjetzt tun.“ (taz 13.03.00)

Die veränderte Haltung von De Beers entpuppt sich so als geschickterSchachzug, den Markt wieder in den Griff zu bekommen. Nicht mehr Söld-ner, sondern die UN sorgen dafür, die eigene Marktstellung zu sichern.

Eine Folge der Einhaltung des Embargos ist die weitere Marginalisierungder Armutsbevölkerung in der Region: Wird der Kleinschmuggel in denGrenzregionen z.B. zu Sambia unterbunden, können Diamanten nicht mehrals Zahlungsmittel eingesetzt werden. In Ländern mit prekären Währungensind Diamanten jedoch ein wertbeständiges Zahlungsmittel, das sich demZugriff der Regierungen weitgehend entzieht. Mit der konsequenten Durch-setzung des Embargos würden die im informellen Sektor gehandelten Dia-manten einen Großteil ihres Wertes verlieren, weil es keine gesicherten Ab-satzmärkte mehr gäbe.

36 EMW • Weltmission heute Nr. 45/2002Kriegs-Diamanten

Machen die dargestellten Probleme und Widersprüche die Kampagne ge-gen Kriegsdiamanten nutzlos? „Nein“ meint der Schweizer Journalist MarcelHänggi, „sie hat Möglichkeiten und Grenzen einer Marktregulierung fürkriegsrelevante Güter aufgezeigt. Und sie haben ein Bewusstsein geschaffenfür eine Thematik, die sich auf andere Waren übertragen ließe, die Kriegefinanzieren: Erdöl, Holz, Coltan, Drogen…“ (Marcel Hänggi: Blutdiaman-ten. In: medico-Rundschreiben 01/02)

Der Kimberley-ProzessDie Angst vor einem Imageschaden hat nicht nur De Beers, sondern auch

die offiziellen Gremien in der Diamantenindustrie zum Handeln gebracht:Ende Juli 2000 fand in Antwerpen der World Congress of Diamonds stattund beschloss, in Zukunft keine Schlupflöcher für Kriegsdiamanten zu las-sen: Händler, die mit nicht-zertifizierten Steinen Handel treiben, sollen aufeine schwarze Liste gesetzt und von allen 23 Diamantenbörsen ausgeschlos-sen werden. Zudem sollen weitere Prüfinstanzen, besetzt mit internationalenExperten, eingeführt werden. Unterzeichnet wurde die Resolution vom Inter-nationalen Diamantenherstellerverband und dem Weltbund der Diamanten-börsen.

Die Diamanten-Industrie nimmt an den Treffen des von Nichtregierungs-organisationen initiierten Kimberley-Prozess teil, dessen Ziel die Erörte-rung, Erarbeitung und Implementierung eines globalen Zertifizierungssys-tems für den Import und Export von Rohdiamanten auf der Grundlage nati-onaler Initiativen ist. Beteiligt sind Vertreter von 38 Regierungen sowieder Hohe Diamantenrat, UN-Vertreter und Nichtregierungsorganisationen.Gemeinsam wurde ein ausführlicher Richtlinienkatalog erarbeitet, der dieEinhaltung des Embargos sicherstellen soll. Dieser Katalog orientiertsich am UN-Embargo, d.h. er beschränkt sich auf den Handel, mit demRebellen-Bewegungen ihren Kampf gegen offizielle Regierungen finan-zieren.

Der Richtlinienkatalog sollte nicht zu positiv bewertet werden, denn:„Der Beruf der Diamanthändler war es seit jeher, möglichst billig Steineeinzukaufen – Steine, die oft unter Sklaverei-ähnlichen Bedingungen ge-schürft wurden. Sollten diese Leute sich plötzlich für Menschenrechteinteressieren?“ (Christian Dietrich vom belgischen Forschungsinstitutipis). Solange keine effektiven Kontrollen vorhanden sind und keine Händlerbestraft werden, bleiben die Ankündigungen der Industrie nur Lippenbe-kenntnisse. Effektive Kontrollen aber sieht der Kimberley-Prozess nichtvor. „Einen guten Wachhund ohne Zähne“ nannte Judith Sargentini, die

37EMW • Weltmission heute Nr. 45/2002Kriegs-Diamanten

internationale Koordinatorin von Fatal Transactions, das bisherige Ergeb-nis, welches es auch dem deutschen Bundesverband der Juweliere erlaubt,sich nur unpräzise zu äußern: „In aller Regel kaufen auch die dem Einzelhan-del angeschlossenen Mitgliedsbetriebe ihren Diamantenschmuck bei Dia-mantenschleifereien und Diamantenhändlern, die absolut vertrauenswürdigund seriös sind.“ (Antwort-Brief vom 18.07.01 nach einer Anfrage von medi-co international) Welche Ausnahmen diese Regel vorsieht, wurde nicht wei-ter ausgeführt.

Daher bleiben folgende Forderungen derKampagne Fatal Transactions aktuell:

Alle Diamantenkonzerne, Händler und Regierungen müssen ihren Handeltransparent gestalten. Die am Diamantenhandel beteiligten Akteure müssenverpflichtet werden, mit unabhängigen Prüfinstanzen – unabhängigen Exper-ten – zusammenzuarbeiten. Diamantenhändler, die sich nicht an das Embar-go halten, müssen auf eine schwarze Liste gesetzt und von allen Diamanten-börsen ausgeschlossen werden.

1 Der Begriff Warlord bezeichnet Personen, die eine Region in einem bewaffneten Konf-likt kontrollieren und keinem weiteren Befehlshaber unterstehen. Die Macht des War-lords wird durch die Existenz einer schwachen Regierung begünstigt, die er weiter zuschwächen versucht. Eine »Mischform« stellen die sog. Sobels dar (soldier by day, re-bel by night), bestehend bspw. aus Soldatengruppen, die ihren Sold lange Zeit nichtausgezahlt bekommen und deshalb nachts Dörfer überfallen.

2 Vgl. Mary Kaldor: Neue und alte Kriege – Organisierte Gewalt im Zeitalter der Globa-lisierung, Frankfurt/M. 2000.

3 Dies soll im Umkehrschluss nicht heißen, dass ökonomische Interessen vor dem Zusam-menbruch des Ostblocks keine Rolle gespielt hätten: Sie waren nur weniger augen-scheinlich, solange sie mit einem ideologischen Überbau versehen waren.

4 In den vergangenen Jahren gab es immer wieder Bemühungen zivilgesellschaftlicherKräfte, die Kriegsparteien an den Verhandlungstisch zu bringen. Die Arbeit gestaltetsich jedoch schwierig, da die Friedensaktivisten und Friedensaktivistinnen in hohemMaße staatlicher Repression ausgesetzt sind. Im September 2001 gründete sich dieKampagne gegen Krieg in Angola, bestehend aus der Open Society Foundation und derMovimento Pro-Pace, die von der katholischen Kirche getragen wird.

38 EMW • Weltmission heute Nr. 45/2002Kriegs-Diamanten

Die katholische Kirche brandmarkt den Krieg als Völkermord. Die Friedensbewegunghat bereits zahlreiche Appelle verfasst und sich auf Demonstrationen für das Ende desKrieges ausgesprochen.

5 Andere Zahlen sprechen von bis zu 41 Prozent. (Wissenschaft und Frieden, 3/01)6 Auf die katastrophalen, sklavenähnlichen Arbeitsbedingungen in den Diamantenminen

in Angola, Sierra Leone, in der Demokratischen Republik Kongo sowie in den indischenSchleifereien (Kinderarbeit!) kann hier nicht genauer eingegangen werden.

7 Die neu gegründete und von De Beers kontrollierte Diamond Trading Company (DTC)hat mittlerweile die Central Selling Organisation abgelöst: Damit agiert De Beers nichtmehr als Kartell und kann auch in den USA und Kanada ungehindert Geschäfte ma-chen. (Pressemitteilung 13.07.2000)

8 2000 betrug der Umsatz 5.67 Milliarden US$.9 Die Herkunft eines Päckchens, eines sog. Parcels, ungeschliffener Diamanten kann

nach seiner Herkunft bestimmt werden.10 Thomas Aders und Stefan Schaaf: Die blutige Spur der Diamanten. ARD 200211 Ein Name sollte in diesem Kontext nicht unerwähnt bleiben: Lev Leview. Seine Firma

Lev Leview Diamonds (LLD) ist ansässig in Tel Aviv und wird als größter Konkurrentzu De Beers angesehen (Frederic Dorce, Siona Casimiro: Diamonds. The RussianOgre, 16.04.01). Er ist der einzige Diamantenhändler, der seine eigenen Minen besitzt.In Angola gehört er zu den Mitgründern der Angolan Selling Corporation (ASCORP)(WOZ, 30.08.01) Leview verfügt über hervorragende Kontakte zu den großen Waffen-händlern, vor allem in Russland.

39EMW • Weltmission heute Nr. 45/2002Kriegs-Diamanten

Menschenrechte und Konflikt-Diamanten am Beispiel

Sierra Leones

Kolja Jeuthe

Im Oktober 2000, mehr als drei Monate nach der Verhängung eines Em-bargos durch den UN-Sicherheitsrat gegen Konflikt-Diamanten aus SierraLeone, hatte ein Diamantenhändler in Antwerpen auf eine entsprechendeFrage von amnesty international (ai) reagiert:

„If someone offers me a diamond at 30 per cent discount, will I suspectsomething? Of course. It is probably a conflict diamond. Will I buy it? Ofcourse. I'm here to do business. Have I done it? I can't tell you that''.

Auch wenn es dieser Händler leugnet, so tragen die wirtschaftlichen Ak-teure doch eine besondere Verantwortung für die Menschenrechte. Die Grau-samkeiten, die im Zusammenhang mit dem Diamantenhandel stehen, zeigen,wie wichtig es ist, Bewusstsein auf allen Ebenen für die Menschenrechte zuschaffen.

In jahrelanger Recherchearbeit hat ai in Sierra Leone und in dessen Nach-barländern die Menschenrechtssituation beobachtet, Menschenrechtsverlet-zungen dokumentiert und Forderungen für ein Ende der Menschenrechtskri-se vorgelegt. Der Einsatz für die Beendigung des illegalen Diamantenhan-dels, der ursächlich mit schweren Übergriffen der Rebellen der RUF (Revo-lutionary United Front, Revolutionäre Vereinigte Front) zusammenhängt, istnur eine Forderung im Hinblick auf die Verbesserung der Lage.

Seit Ausbruch des Bürgerkrieges im März 1991 kam es zur Ermordungund Verstümmelung Tausender unbewaffneter Zivilisten. Sowohl auf Seitender RUF, als auch auf Seiten der sierra-leonischen Armee und deren Verbün-deten, kam es zu schwersten Menschenrechtsverletzungen. Die Dimensionder Gewalt seitens der Rebellen lässt sich angesichts der zeitweise über 1,5Millionen Vertriebenen, 4 000 verschleppten Kinder, die als Kindersoldaten

40 EMW • Weltmission heute Nr. 45/2002Kriegs-Diamanten

eingesetzt wurden, der systematischen Vergewaltigung und sexuellen Ver-sklavung von Mädchen und Frauen nur annähernd beschreiben.

Durch die Gräueltaten der Rebellen haben Frauen, Kinder und Männer dieVerstümmelung und Zwangsamputation ihrer Hände, Arme, Beine, Lippenoder Ohren erleiden müssen. Dorfbewohner wurden bei lebendigem Leib inihren Hütten verbrannt. Mädchen und Frauen wurden vergewaltigt. Män-nern, die sich weigerten, Mitglieder ihrer eigenen Familie zu vergewaltigen,wurden zur Strafe Gliedmaßen abgehackt. Kinder wurden vom Rücken ihrerMütter gerissen, und mit Messern getötet.

Auch die Kämpfer der regierungstreuen Milizen verübten schwere Men-schenrechtsverletzungen und enthaupteten Gefangene und verbrannten ande-re bei lebendigem Leib. Tausende von Kindern wurden von ihnen als Solda-ten zwangsrekrutiert.

Den politischen Hintergrund bildet die Auseinandersetzung zwischen denRebellen der RUF und sierra-leonischen Regierungstruppen sowie deren ver-bündeten Milizen. Nach mehreren gewaltsamen Regierungswechseln wurde1996 Ahmad Tejan Kabbah zum Präsidenten Sierra Leones gewählt, jedochvon der RUF nicht anerkannt. Zwei Friedensabkommen (Abidjan 1997;Lomé 1999) konnten kein Ende der Gewalt herbeiführen, erst seit der schritt-weisen Stationierung eines massiven Aufgebotes an Blauhelmsoldaten seitMitte 2000 kann man von einer Entspannung der Lage sprechen.

Die Forderungen von ai zur Beendigung der Menschenrechtskrise in Sier-ra Leone richten sich nicht nur an die Rebellen der RUF, sonderninsbesondere an die Regierung Sierra Leones: Sie alle müssen das humanitä-re Völkerrecht und die grundlegenden Menschenrechtsstandards achten.

Konflikthintergrund und präventiveMenschenrechtsarbeit

Die RUF eroberte und kontrolliert große Gebiete von Sierra Leone und istdadurch im Besitz von großen Diamantenvorkommen. Durch eine Studie, dieAnfang 2000 von Nichtregierungsorganisationen durchgeführt wurde, istbekannt, dass die RUF ihre Waffenkäufe durch Erlöse aus Diamantenverkäu-fen finanziert1. Mit diesen Waffen werden auch heute noch Menschenrechts-verletzungen an Zivilisten verübt. Die Rüstungstransfers erfolgen über dieNachbarstaaten, in erster Linie über Liberia und Burkina Faso. Die Regierun-gen dieser beiden Länder nutzen internationale Netzwerke privater Waffen-

41EMW • Weltmission heute Nr. 45/2002Kriegs-Diamanten

vermittler, die ihre tödlichen Geschäfte auch vom Boden der EuropäischenUnion aus organisieren. Ein bereits seit Juni 1998 bestehendes Waffenem-bargo der Vereinten Nationen2 gegen alle Rebellen in Sierra Leone konnte someist erfolgreich unterlaufen werden.

Dieser Hintergrund veranlasst ai zur Forderung nach einem Ende des Han-dels mit Konfliktdiamanten und nach der scharfen Kontrolle des legitimenDiamantenhandels. Es muss verhindert werden, dass die Täter von Men-schenrechtsverletzungen zu den Mitteln gelangen, mit denen sie ihre Blutta-ten finanzieren und durchführen.

Im Falle Sierra Leones setzte sich ai für den Import-Stopp von Diamantenaus Rebellengebieten bei der UNO ein. Der UN-Sicherheitsrat beschloss imJuli 2000 ein Embargo gegen alle nicht-zertifizierten Diamanten aus SierraLeone3 und ein generelles Embargo gegen alle Diamanten aus Liberia – daüber Liberia ein Großteil der Diamanten aus den Gebieten der RUF ge-schmuggelt wird.

Außerdem richtete ai seine Forderungen an zahlreiche Regierungen, an dieEuropäische Union und an den Hohen Rat für Diamanten in Antwerpen. ai-Mitglieder aus den USA hatten wesentlichen Anteil am Zustandekommeneines Gesetzes über den Diamantenimport4, das vom US-Kongress verab-schiedet wurde und eine strikte Kontrolle aller Diamantenimporte vorsieht.Im Rahmen einer Koalition von Nichtregierungsorganisationen begleitet aidie Verhandlungen des „Kimberley-Prozesses“ kritisch und bringt dort ihreForderungen für eine lückenlose, unabhängige und transparente Überprü-fung des Systems der Herkunftszertifikate ein.

Es sei kurz darauf hingewiesen, dass ai mit gleichem Nachdruck auch aufandere präventive Lösungsansätze hinarbeitet, wie beispielsweise die Been-digung der Straflosigkeit und der Lösung des Flüchtlingsproblems in SierraLeone.

Leider finden aber immer noch zu viele blutige Diamanten den Weg zuAbnehmern in Europa und anderen Industriestaaten. Dies birgt die Gefahreines neuerlichen Aufflammens gewaltsamer Auseinandersetzungen, die imFalle Sierra Leones glücklicherweise seit der offiziellen Beendigung desBürgerkrieges im Januar 2002 signifikant zurückgegangen sind. Der fragileFrieden muss aber noch von Blauhelm-Soldaten geschützt werden. Trotz al-ledem gibt es Anzeichen einer Verlagerung des Kriegsschauplatzes insNachbarland Liberia. Dies gibt weiter Anlass zur Sorge, zumal der dortigePräsident Charles Taylor den Slogan „Waffen für Diamanten“ prägte...

42 EMW • Weltmission heute Nr. 45/2002Kriegs-Diamanten

1 vgl.: Ian Smillie, Lansana Gberie, Ralph Hazleton (Partnership Africa Canada), THEHEART OF THE MATTER; SIERRA LEONE, DIAMONDS & HUMAN SECURITY,2000.

Auch eine Studie im Auftrag des UN-Sicherheitsrates kam zu gleichen Ergebnissen be-züglich des Zusammenhangs von Menschenrechtsverletzungen und Diamantenverkäu-fen aus RUF-Beständen

2 Resolution 1171 des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen vom 5. Juni 19983 Resolution 1306 (2000) des UN-Sicherheitsrates.4 Clean Diamonds Act, 2001

SEin frommer Wunsch: Mazal u’Bracha

Seit Jahrhunderten kennen und schätzen sie sich:die Diamantenhändler jüdischer Herkunft. Keineschriftlichen Aufzeichnungen oder Verträge seien biszum heutigen Tage nötig, um die Gewähr zu haben,dass Käufer und Verkäufer ihre Pflichten einhalten,betont die Fachzeitschrift „Mazal u Bracha“ imInternet (www.ihom.com). Per Handschlag und denjiddischen Worten „Mazel und brucha“ (alternativ„mazal u’bracha“ auf hebräisch oder auf arabisch„mabruk“) werde der Handel abgeschlossen. „DerLegende nach geht die ‚Mazal u’barach’-Traditionbis ins 12. Jahrhundert zurück auf die FamilieMaimon. „Mazal“ (Glück) bezieht sich auf David benMaimon, „bracha“ (Segen) symbolisiert Rabbi Mosheben Maimon (Maimonides). Es heißt, Maimonidesbat seinen Bruder David, Geschäfte mit diesenWorten zu besiegeln.“

Freddy Dutz

43EMW • Weltmission heute Nr. 45/2002Kriegs-Diamanten

„Saubere“ Bodenschätzefür den Frieden

Freddy Dutz

Jonas Malheiro Savimbi ist seit dem 22. Februar 2002 tot.Der angolanische Rebellenführer und Diamanten-Schwarz-händler stand viele Jahre lang dem Frieden in seinem Landgewichtig im Weg; zu viel hatte er mit dem Krieg verdient.Jetzt könnten bessere Zeiten anbrechen.

Portugals Kolonial-Herrschaft endete mit der Gründung der Republik An-gola 1975. Schon seit 1966 hatte sich die anti-kommunistische NationaleUnion (UNITA) unter Leitung ihres Gründers Savimbi für die Unabhängig-keit eingesetzt, doch die neue Regierung bestand aus Kuba-treuen Leuten derVolksfront für die Befreiung Angolas (MPLA). Savimbi, von den USA undSüdafrikas Apartheid-Regierung unterstützt, begann einen Krieg gegen dieRegierung, der 27 Jahre dauern sollte. Angola war so zu einem der Schau-plätze der Stellvertreter-Kriege zwischen Ost und West in Westafrika gewor-den. Nach dem Ende des Kalten Krieges blieben die Waffen- und Geldliefe-rungen aus. Der Krieg ging trotzdem weiter, seine wirklichen Gründe dafür,so Savimbis Kritiker, waren schon lange nicht mehr klar gewesen.

70 Prozent des Staatsgebietes und zwei Drittel der Diamanten-Vorkom-men Angolas wurden von der UNITA kontrolliert, die seit 1992 vier Milliar-den Dollar am Handel mit den Steinen verdient haben soll. Die Öl-Vorkom-men und die -Raffinerien waren in Regierungshand. Deren Haushalt speistesich zu 98 Prozent aus dem Verkauf von Rohöl. Aus den einstigen Gegnernwaren Geschäftspartner geworden: vor allem an US-Firmen wurde das„schwarze Gold“ verkauft, die im großen Stil in die Gewinnung investierthatten. Gleichzeitig wurden amerikanische Waffenhändler mit Angolas Re-gierung handelseinig; und an Waffen bestand eine rege Nachfrage: 1999wurde Kriegsmaterial für 41 Prozent des Staatshaushaltes gekauft, währendim gleichen Jahr für Soziales knappe 10 Prozent ausgegeben worden waren.Angola war wichtigster Waffen-Importeur Afrikas.

44 EMW • Weltmission heute Nr. 45/2002Kriegs-Diamanten

Ein Bericht der Menschenrechtsorganisation „Ärzte ohne Grenzen“ imNovember 2000 vermerkte, dass weder die Regierungs-Armee, noch die Re-bellen „Rücksicht auf die Zivilbevölkerung“ nähme. Die Versorgung derhungernden Bevölkerung werde ausländischen Helfern, z.B. dem RotenKreuz, überlassen. 2,8 Millionen Angolaner, so schätzen die Vereinten Nati-onen, seien im Jahre 2000 auf der Flucht gewesen.

Am 29.11.2000 hatte die Regierung denjenigen Rebellen Straffreiheit zu-gesichert, die ihre Waffen abgäben. Angeblich folgten 17 000 Kämpfer bisFebruar 2001 dem Aufruf.

Jetzt, nach dem Tod des Anführers Savimbi, wurde den übrig gebliebenen8 000 UNITA-Leuten – es sollen einstmals 70 000 gewesen sein – angebo-ten, in die bewaffneten Einheiten der Regierung aufgenommen zu werden.Die Bilanz nach 27 Jahren Bürgerkrieg: 500 000 Tote, 65 Prozent der Bevöl-kerung leben in absoluter Armut, und auch noch jetzt werden Tausende Op-fer von Landminen.

Der Fluch der Steine und der WaffenOhne die Rohstoffe Angolas – Öl aus den westlichen und Diamanten aus

den nord-östlichen Provinzen – hätte der Bürgerkrieg zwischen MPLA undUNITA keine 27 Jahre gedauert. Und als nach dem Ende des Kalten Kriegesdie politisch motivierten Waffenlieferungen ausblieben, kauften die Rebel-len mit dem Erlös aus dem Diamantenhandel Waffen in Bulgarien.

Unter Druck war der Hauptabnehmer für Angolas Klunker, der Diaman-tenkonzern De Beers, 1997 gekommen, als die Vereinten Nationen ein Em-bargo gegen angolanische Diamanten verhängt hatten, das wenig später ver-schärft wurde. De Beers erklärte 1999, keine Diamanten der Rebellen mehrzu kaufen. Doch die Kontrollen waren lax und die Schätze wurden über Um-wege in den Verkehr gebracht, deklariert als Steine aus anderen (afrikani-schen) Ländern. Auch die Waffenlieferungen kamen – trotz eines Waffen-Embargos – weiterhin über dunkle Kanäle ins Land. Illegale Diamanten imWert von bis zu 420 Millionen Dollar pro Jahr sollen so in Umlauf gebrachtworden sein.

Vom Fluch zum SegenMit Hilfe seiner Rohstoffe könnte die Regierung nun das Land aus der

Krise führen, eine Wirtschaft aufbauen, das Gesundheitswesen organisieren

45EMW • Weltmission heute Nr. 45/2002Kriegs-Diamanten

und für eine angemessene Bildung sorgen. Dazu ist sie auf die zivilgesell-schaftlichen Kräfte im eigenen Lande, denen auch sie in der Vergangenheitdas Leben schwer gemacht hat, angewiesen. Zusammen mit anderen Organi-sationen hatte auch die katholische Kirche Krieg als Völkermord gebrand-markt und gleichzeitig immer wieder ihre Bereitschaft zur Friedensarbeit an-geboten.

Am Aufbau des Landes müssten sich, so fordern in- und ausländischeMenschenrechtsgruppen, auch jene Kräfte, Firmen und Nationalstaaten, be-teiligen, die in der Vergangenheit vom Krieg profitiert haben. Abgesehendavon könne Angola, so meinen Wirtschaftsfachleute, dank seiner reichenBodenschätze, der Nachfrage auf dem Weltmarkt und der Bereitschaft derIndustrien zu investieren, sich langfristig selbst finanzieren. Allerdingsmüssten diejenigen, die sich privat aus dem Schatzkästlein der Nation –sprich den Diamanten-Vorkommen – bedient haben, zu Wiedergutmachungveranlasst werden. Und das sollen seit dem Friedensschluss auch Regie-rungsvertreter, hohe Militärs und Beamte gewesen sein. Gleichzeitig müss-ten es ausländische Regierungen unterlassen, weiterhin „sanften“ Druck aus-zuüben und sich bei den anstehenden Neuwahlen zurückhalten. Dann könntegewährleistet sein, dass die Regierung „sauberes Öl“ und „saubere Diaman-ten“ anbietet, aber nur wenn und solange sie sich von korrupten und illegalenGeschäftspartnern aus dem In- und Ausland fernhält.

46 EMW • Weltmission heute Nr. 45/2002Kriegs-Diamanten

Ausweg aus dem TeufelskreisDer Kimberley-Prozess als Hoffnungsschimmer

Freddy Dutz

Seit Jahren tadeln die Vereinten Nationen das Geschäft mit illegalenDiamanten. Auch die EU schimpft ein wenig. Es wurde gedroht, ein paarEmbargos gegen Kriegsparteien verhängt, wirkliche handhabbare Kon-trollen aber nicht installiert. Die Zusagen und Beteuerungen von Händ-lern, Agenten und Regierungen, sich an die Abmachungen zu halten, wur-den immer wieder gebrochen. Politiker überall in der Welt profitiertenentweder von den Deals oder sie hatten die Zusammenhänge nicht ka-piert.

Internationale KontakteBis sich im November 2001 der Verdacht erhärtete, dass Osama bin Laden

bei weltweiten Geldgeschäften auch Diamanten der Rebellen aus Sierra Leo-ne ins Spiel bringt, waren „Blut-Diamanten“ das Spezial-Thema wenigerMenschenrechtsgruppen. Nun scheinen weltweit die Politiker aufge-schreckt.

Seit drei Jahren, so betonten verschiedene Geheimdienste, habe die AlQaida Kontakte nach Westafrika gepflegt. Bereits 1998 hätten deren Anfüh-rer Monrovia (Liberia) besucht, um von dort aus, geschützt durch die Verbin-dungen zu Charles Taylor, mit den RUF-Rebellen zu verhandeln. Dies seiauch deswegen geschehen, weil die Al Qaida die Sperrung ihrer Konten nachdem 11. September 2001 voraus gesehen hätten und deshalb nach diesemZeitpunkt mit den Rohdiamanten weiter Geschäfte tätigen wollten. Über diemutmaßlichen Aufkäufer der Steine in Europa und Amerika äußerten sich diestaatlichen Stellen nicht. Allerdings scheint es ebenfalls bewiesen, dass AlQaida schon 1995 erste Kontakte zu Edelstein-Händlern in London suchte,schrieb der Spiegel im Januar 2002.

47EMW • Weltmission heute Nr. 45/2002Kriegs-Diamanten

KalkülZwar können Fachleute durch komplizierte Verfahren die Heimat eines

jeden Steines feststellen und ihn sogar einer bestimmten Mine zuordnen,aber dies sagt noch nichts darüber aus, ob für die Rohware im Herkunfts-land Steuern, Zölle und Gebühren gezahlt worden sind, ob sie mit einemder Wahrheit entsprechenden Zertifikat versehen, die legalen Exportbe-stimmungen einhaltend, ihre Heimat verlassen und auf ebensolchem Weglegal Grenzen passiert hat, um ordnungsgemäß an einer der Börsen denBesitzer zu wechseln.

Bereits im Mai 2000 hatten sich Vertreter der Industrie und nationalerOrganisationen auf Initiative der südafrikanischen Regierung das ersteMal getroffen, um auf den Druck, den Menschenrechtsgruppen und ein-zelne Politiker auf sie ausübten, zu reagieren. Noch zu gut waren dieKampagnen der Pelz-Gegner in der Erinnerung, deren Aktionen schwereEinbußen für die Industrie und die Züchter zur Folge hatte. Für ein Zerti-fizierungssystem, wie auch Organisationen wie medico international undamnesty international forderten, konnte sich die Branche bedingt erwär-men, denn Herkunft und Handelsweg der Rohdiamanten würden dadurchgenauso offenbar, wie Gepflogenheiten der jeweiligen Konkurrenz. DennTransparenz ist eine Tugend, die die Diamantenbranche nicht zu den ih-ren zählt: Seit Jahrhunderten in der Hand von wenigen Familien, gibt esauch heute noch kaum Aufzeichnungen über Transaktionen. Ein Hand-schlag, inklusive einem frommen Wunsch, genügen, um Millionenge-schäfte abzuschließen. Und die aufgeschriebenen Zahlen sind anschei-nend auch nicht eindeutig.

Eine Abteilung des amerikanischen Finanzministeriums meldete fürdas Geschäftsjahr 2000: Während die offizielle belgische Export-Statis-tik Rohdiamanten im Wert von 355 Millionen US-Dollar mit Ziel USAausweist, verzeichnen amerikanische Import-Papiere Steine im Wert von192 Millionen US-Dollar.

Kimberley-ProzessAm 29. November 2001 war es dann so weit. Feierlich verabschiedeten die

32 Vertreter der einschlägigen Wirtschaftsunternehmen und Staaten den vor-läufigen Abschluss des Kimberley-Prozesses, der seine 11. Sitzung mit ei-nem Empfehlungs-Katalog für die nationalen und internationalen Gesetzge-ber beendete. Von „Freiwilligkeit“, „Selbstverpflichtung“ und guten Absich-ten ist in dem Papier die Rede, das 2002 von den Unterzeichnerländern ratifi-

48 EMW • Weltmission heute Nr. 45/2002Kriegs-Diamanten

ziert werden soll. Zwar waren nicht einmal alle afrikanischen Länder mit vonder Partie, deren Verstrickung in den Handel mit „Blut-Diamanten“ bekanntist, aber das merkten anscheinend nur die Kritiker.

Gut, aber nicht sehr gutZertifizierungen zu entwickeln, Kontrollen zu schaffen und durchzufüh-

ren und ein Bestrafungssystem einzurichten, ist der richtige Weg, umeinerseits den Herkunftsländern die ihnen zustehenden Steuern, Gebührenund Zölle zukommen zu lassen und andererseits Käufer und Verkäufer sicht-bar zu machen und dem illegalen Diamantenhandel auf die Spur zu kommen.Die Ehrlichen in der Branche könnten dann ihre Integrität auch beweisen.

Zu den „Spielregeln“ im sauberen Diamanten-Handel zählen:

❏ Alle Rohdiamanten müssen in allen Herkunftsländern dokumentiertund markiert werden.

❏ Weder Klein-Schürfer noch Minengesellschaften dürfen Steine außerLandes schmuggeln.

❏ Angestellte der Zertifizierungs-Organisation müssen absolut unbe-stechlich sein.

❏ Ursprungszeugnisse können von entsprechenden Stellen, die über dasentsprechende Fachwissen verfügen, auf ihre Richtigkeit geprüftwerden. Dann würde als Herkunftsland z.B. Norwegen oder Madagas-kar nicht akzeptiert werden, denn dort sind keine Diamantenfundebekannt.

❏ Nur markierte Steine mit Ursprungszeugnis werden an den Börsengehandelt. Bisher haben auch die Großen der Branche nachweislichSchmuggelware gekauft.

❏ Nur zertifizierte Rohdiamanten werden weiterverarbeitet. Bisherkonnten Steine „ungeklärter“ Herkunft zu „sauberen“ Steinen werden,indem sie erst bearbeitet und dann dokumentiert wurden.

❏ Nicht-zertifizierte Steine werden erfasst und ihre Herkunft erforscht.❏ Angedrohte Strafen werden auf jeder Ebene und in jedem Land ange-

wendet.

Auch wenn die Beteiligten am Kimberley-Prozess von einem großen Er-folg der Ehrlichkeit sprechen, sehen Fachleute die Ergebnisse skeptisch unddie Bemerkung vom „zahnlosen Wachhund“ macht die Runde.

Nachweislich wurden in der letzten Zeit Diamanten aus angolanischer Re-bellenhand von sambischen Beamten mit einem „echten“ Herkunftszeugnis

49EMW • Weltmission heute Nr. 45/2002Kriegs-Diamanten

versehen. Journalisten boten in Genf, New York und London Händlern Stei-ne von „zweifelhafter Herkunft“ (Marcel Hänggi, Frankfurter Rundschau20.5.2002) an; die Mehrzahl der Käufer hätten das günstige Angebot trotz-dem angenommen. Obwohl eine UN-Experten-Kommission im Oktober2001 schrieb, ihr seien 16 in Antwerpen registrierte Handelshäuser bekannt,die in den vergangenen zwei Jahren die verhängten Embargos verletzt hätten,geschah ihnen nichts. Und obwohl man sicher war, dass das neue „Saubere-Diamanten-Gesetz“ verabschiedet werden würde, stoppte es der Senat derVereinigten Staaten von Amerika, mit dem Hinweis, es sei nicht „stark“genug. Ob und wann eine neue Vorlage eingereicht wird, ist nicht sicher. DerKongressabgeordnete Tony Hall aus Ohio, der sich seit vielen Jahren für dieInitiative engagiert, vermutet, dass Branchenführer De Beers hinter der Ver-zögerung stecke. Er warnte schon vor einiger Zeit: „Wenn die Bevölkerungmerkt, dass die Industrie nichts gegen den Schmuggel afrikanischer Diaman-ten tut, dann gibt es einen Diamanten-Boykott. Wir dürfen nicht vergessen:der Handel mit Konflikt-Diamanten hat keinen Schutz verdient.“ Außerdemforderte er, dass die Industrie einen Wiedergutmachungs-Fond einrichtet,dessen 60 Millionen US-Dollar denjenigen zu Gute kommen sollte, die unterden Diamanten-finanzierten Kriegen in Afrika leiden. „Um die Käufer zuüberzeugen, dass die Industrie es ernst meint“ mit dem Handel mit Blut-Dia-manten seien solche Schritte unumgänglich.

50 EMW • Weltmission heute Nr. 45/2002Kriegs-Diamanten

Waffen für Rohstoffe

Anne Jung

Internationale Rüstungsfirmen und Waffenhändler sorgen dafür, dass dieKriege in Afrika nicht aus Nachschubmangel zum Erliegen kommen. DieHändler machen Geschäfte mit beiden Kriegsparteien – legal oder illegal. Sielassen sich teilweise in Handelskonzessionen bezahlen oder liefern, wie dasBeispiel der Demokratischen Republik Kongo (DRK) zeigt, militärischeDienstleistungen: Im Sommer 2000 hat die kongolesische Regierung mit derisraelischen Firma International Diamond Industries (IDI) einen Vertrag ge-schlossen, nach dem Israel Soldaten des afrikanischen Landes ausbilden undim Gegenzug eine Lizenz zur Vermarktung kongolesischer Diamanten erhal-ten soll. Die Förderlizenz brachte Präsident Joseph Kabila (der 2000 ermor-det wurde) einen Gewinn von 20 Millionen US-Dollar ein. Fünfzehn einhei-mische Diamanten-Agenturen mussten schließen.

„Waffen für Diamanten“ lautet das Motto von Liberias Präsident CharlesTaylor und Burkina Fasos Staatsoberhaupt Blaise Compaoré. An beideschickte RUF-Führer Foday Sankoh aus Sierra Leone seine Einkaufslistenfür Waffen, Munition und Lebensmittel. Compaoré geriet früher schon in dieSchlagzeilen, weil er die angolanische UNITA unter Bruch des Embargosmit Waffenlieferungen unterstützte. Die Diamanten-Kontrolle erlaubt derUNITA nicht nur Waffen zu kaufen, sie erhält auch diplomatische und logis-tische Unterstützung von regionalen Führern wie Taylor oder Compaoré.Diese guten nachbarschaftlichen Beziehungen stabilisieren die Kriegsöko-nomie.

Nicht nur die afrikanischen Nachbarländer, auch Regierungen im Nordenverdienen an den Bürgerkriegen in Afrika. Frankreich z.B. wurde im Jahr2000 von einem Skandal erschüttert: Jean-Christophe Mitterand, Sohn desfrüheren Präsidenten Frankreichs, verschaffte als Leiter der sogenannten Af-rika-Zelle Waffenhändlern Kontakte zur angolanischen Regierung und half,illegal russische Waffen nach Angola und in die DRK zu liefern (FR21.12.00). In diesen Skandal war nicht nur Mitterand, sondern auch Öl-Kon-zerne, internationale Banken und französische wie angolanische Beamte ausden höchsten Reihen involviert (Guardian 27.12.00). Der einflussreicheWaffenhändler Pierre Falcone diente als Zwischenhändler: „Es gibt einen

51EMW • Weltmission heute Nr. 45/2002Kriegs-Diamanten

eindeutigen Zusammenhang zwischen den Waffenverkäufen Falcones undder verbesserten Beziehung zwischen Frankreich und Angola“, schreibt einefranzösische Menschenrechtsgruppe (Angolagate 11.01.02). Sonia Falcone,Geschäftsfrau und verheiratet mit dem Waffenhändler, hält enge Kontakte zuUS-Präsident Bush und hat seinen Wahlkampf mit mehreren Millionen un-terstützt.

Ohne die Verhängung eines strengeren Waffengesetzes ist eine Lösungnicht in Sicht. Die bislang unverbindlichen Verhaltensregeln der UN müssenin verbindliche Rechtsvorschriften gegossen werden, die eine Kontrolle desEndverbleibs von Waffen international möglich machen. Nur so lässt sichverhindern, dass nationale und internationale Kontrollen immer wieder un-terlaufen werden. (vgl. Steve Wright in: Le monde diplomatique 16.02.01)

52 EMW • Weltmission heute Nr. 45/2002Kriegs-Diamanten

Perfekte Killer:Kleinwaffen sind Massenvernichter

Freddy Dutz

Die Eingabe der Worte „Kalaschnikow + Preisliste“ in eine Internet-Such-maschine bringt den Benutzer des modernen Mediums nach einem weiterenKlick auf die Angebotsseite der entsprechenden Firma, und man erfährt, dassein nagelneues Gewehr für 2 500 Dollar zu bestellen ist. Gebrauchte Waffensind bereits für 15 Dollar erhältlich, berichtete UN-Generalsekretär KofiAnnan vor der UNO-Konferenz über den Handel mit Kleinwaffen (dazu zäh-len Pistolen, Revolver, Karabiner, Maschinenpistolen, Sturmgewehre undleichte Maschinengewehre) im Juli 2001. 70 Millionen AK-47 Kalaschni-kow-Gewehre und 10 Millionen G3-Gewehre der deutschen Firma Hecklerund Koch sind weltweit im Umlauf.

Seit 1990 sind mehr als drei Millionen Menschen durch Kleinwaffen getö-tet worden, mehr als durch anderes Kriegsgerät wie Panzer und Raketen. Undnicht alle Opfer lebten vorher in Kriegsgebieten, sondern auch in Erfurt,Frankfurt, München oder Hamburg. Kleinwaffen sind wahrhaftig kinder-leicht zu bedienen: 300 000 Minderjährige werden weltweit als Kindersolda-ten eingesetzt, und auch im zivilen Umfeld werden die „Täter“ immer jünger.In den USA bringen 135 000 Kinder täglich Schusswaffen mit zur Schule.Entsprechende Erhebungen in Deutschland gibt es nicht.

In 52 Ländern produzieren 300 Firmen Kleinwaffen, 25 Prozent mehr als1985. Führende Herstellerländer sind die USA, Russland, China, England,Frankreich, Belgien und Deutschland. 22 Entwicklungsländer stellen Waffenin Lizenz her, 16 exportieren sie auch. Pro Jahr werden offiziell Kleinwaffenim Wert von 5 Milliarden Dollar gehandelt und machen so bis zu 20 Prozentdes Waffenhandels aus.

Nach dem Ende des Kalten Krieges hat sich die Zahl der im Umlauf be-findlichen Waffen vergrößert, nachdem Armee-Altbestände in die Händevon Regierungen, Zivilisten und Para-Militärs gekommen sind. Aus demWaffenarsenal der DDR-Volksarmee verkaufte die Bundesrepublik 250 000Schnellfeuergewehre vom Typ AK-47 an die Türkei. Seit den 80er Jahren

53EMW • Weltmission heute Nr. 45/2002Kriegs-Diamanten

wurden 850 000 afrikanische Soldaten offiziell demobilisiert; ihre Waffenexistieren immer noch. Zudem haben die Waffenhändler neue Absatzmärkteerschlossen. Gerade in die rohstoffreichen Gebiete Afrikas gelangen vieleWaffen. Egal, ob die Ressourcen von offiziellen Regierungen oder Rebellenausgebeutet werden: wer Geld hat, scheint es auch in Waffen anlegen zu wol-len. Die einen, um die Schätze zu erobern, die anderen, um sie zu verteidigen.Obwohl in Krisengebiete keine Waffen geliefert werden dürfen, finden dieTotmacher ihren Weg, oft genug sogar auf legalem Weg.

Nationale BemühungenSeit Januar 2000 sollen die Rüstungsexport-Richtlinien den offiziellen

Waffenhandel deutscher Firmen transparenter gestalten. Wenn z.B. „hinrei-chender Verdacht“ besteht, dass exportierte Waffen zur „internen Unterdrü-ckung“ oder zu „systematischen Menschenrechtsverletzungen missbrauchtwerden“, dürfen Waffen nicht ausgeführt werden. Und im jährlichen Rüs-tungsexport-Bericht werden Exportgenehmigungen dokumentiert. Die„Endverbleibskontrollen“ sollen gewährleisten, dass die Waffen dort blei-ben, wohin sie geliefert wurden.

Nachdem die Vereinten Nationen erlebt haben, dass sogar ihre Truppendurch (illegale) Kleinwaffen bedroht sind, haben sie dem unerlaubten Handelmit Kleinwaffen den Kampf angesagt. Die Organisation AmerikanischerStaaten versucht seit 1998 durch strengere Grenzkontrollen, die Entwicklungvon Systemen zur Markierung neuer Waffen und einer besseren Zusammen-arbeit zwischen Herstellern, Händlern und Transporteuren den Sumpf derWaffenschieberei auszutrocknen. Die Westafrikanische Wirtschaftgemein-schaft will keine Kleinwaffen mehr herstellen, noch im- oder exportieren.Aus einem „legitimen Sicherheitsbedürfnis“ heraus hat die EU einen freiwil-ligen Verhaltenskodex entwickelt. Und in Deutschland wurde das nagelneueWaffengesetz nach dem Amoklauf in Erfurt noch einmal überarbeitet undverabschiedet.

Aber alle Verordnungen nützen nicht, wenn nicht überall wirksam kon-trolliert wird, erklären Fachleute. Nationale Waffenlager müssen dokumen-tiert und kontrolliert werden. Der Handel mit und der Transport von Waffenund Munition muss weltweit offen gelegt werden. Zoll und Polizei müssensich verstärkt um das Thema kümmern. Nationale Altbestände müssen kon-trolliert vernichtet werden. Soldaten und Söldner müssen die Möglichkeitzum „Umschulen“ bekommen, damit sie sich und ihre Familien nach einerEntwaffnung ernähren können. Diese Angebote müssen sich an Kinder undErwachsene richten.

54 EMW • Weltmission heute Nr. 45/2002Kriegs-Diamanten

Kriegsgrund: Öl

Anne Jung

Öl ist neben Gold und Diamanten einer der wichtigsten Rohstoffe zur Fi-nanzierung von Kriegen. Die Erdölförderung bringt z.B. für Angola 94 Pro-zent der Exporterlöse ein und ist damit der wichtigste Devisenbringer. Nachneuen Funden wird Angola bald zum größten Erdölexporteur Afrikas südlichder Sahara aufsteigen. Die guten Rahmenbedingungen – die Ölfelder, die vorder Küste liegen – locken immer mehr Investoren ins Land. Die Namen derbedeutendsten Öl-Konzerne finden sich hier zusammen: Chevron, ElfAquitaine, BP-Amoco, Shell und Exxon/Mobil. „Wir sind in der Lage,Angola beim Wachstum seiner Ökonomie zu helfen und die sozialen Be-dürfnisse der Bevölkerung zu befriedigen“, ließ Chevron-Direktor RichardMatzke verlauten. Keine Rede davon, dass die Öleinnahmen von der Regie-rung vorab verpfändet wurden, da sie jene Waffenkäufe ermöglichen, die denKrieg seit Jahrzehnten verlängern1. Die Abhängigkeit der angolanischen Re-gierung macht sie für die Ölkonzerne zu einem willkommenen Handelspart-ner.

Kredite für Öl und WaffenEine Studie der britischen Organisation global witness hat aufgedeckt,

dass einige Ölfirmen (Elf, Chevron, Agip) gleich doppelt am Handel mitAngola profitieren, indem sie einerseits Öl exportieren und andererseits Waf-fen (zumeist über Zwischenhändler) importieren. So musste der Direktorvon Elf-Aquitaine in Angola zugeben, dass sein Vorgänger jahrelang illegalWaffen für die UNITA gekauft und nach Angola geschmuggelt hat. (epd-Entwicklungspolitik 1/2001)

Der angolanische Bürgerrechtler Rafael Marques greift die Haltung dertransnationalen Konzerne und Banken an: „Der Krieg ist nicht nur ein ango-lanisches Problem, sondern auch ein internationales. Einige Länder heizenden Konflikt in Angola noch an. Die Amerikaner können in Angola nichtnach Öl suchen, ohne sich an irgendwelche Moralvorstellungen halten zumüssen. Die Regierung sagt ihnen: Kümmert euch nicht drum... In Angola

55EMW • Weltmission heute Nr. 45/2002Kriegs-Diamanten

können Leute gut Geschäfte machen. Moral spielt keine Rolle.“ (Angola –ein angolanisches Kosovo. Ein Film von Stefan Schaaf 1999)

1 Auch Deutsche Banken halfen der staatlichen angolanischen Ölgesellschaft Sonangoldurch großzügige Kreditvergabe bei der Ausbeutung der Ölquellen. Als Teil eines euro-päischen Konsortiums (geführt von der Schweizer UBS-Bank) wurden 310 MillionenUS-Dollar zur Verfügung gestellt.

56 EMW • Weltmission heute Nr. 45/2002Kriegs-Diamanten

Kriegsgrund: Coltan

Anne Jung/Freddy Dutz

Einer der Rohstoffe, um den die Kriegsparteien in der DemokratischenRepublik Kongo (DRK) kämpfen, ist Columbit-Tantalit, kurz Coltan. DasMetall ist ein hitzebeständiges und außergewöhnlich leitfähiges Puder undwird in der Computer- und Kommunikationstechnologie verarbeitet; deshalbwurde es von der US-Regierung als „strategisches Gut“ eingestuft. Coltan istunverzichtbarer Bestandteil von Mobiltelefonen oder Spielkonsolen. EinNetz von Geschäftsleuten kauft allen Kriegsparteien Coltan ab und leitet esan Konzerne im Norden weiter. Der Preis für ein Kilo lag Ende 2000 bei 360US$; Anfang 2002 werden $ 400 gezahlt.

Das begehrte Metall wird ohne besondere Maschinen von Arbeitern vorallem im Ost-Kongo gewonnen: Die Oberflächen-Erde wird auf die Seitegeschaufelt und die darunter liegende Schicht in Siebe gefüllt. Im Wassersinkt das Metall auf den Grund der Behältnisse. Ein Arbeiter kann pro Tagbis zu einem Kilo Coltan gewinnen und so bis zu $ 50 pro Woche verdienen,während das Durchschnittseinkommen bei $ 10 pro Monat liegt.

„Der Kongo wird systematisch ausgeplündert“, stellt die UN in einem Be-richt fest, in dem die USA und Deutschland als wichtigste Kunden ausge-macht werden. Deutsche Firmen wie die Bayer-Tochter H.C. Starck und dieBASF-Tochter Kraft sind an der Förderung, der Verarbeitung und dem Han-del mit dem wertvollen Stoff beteiligt. Starck soll nach Angaben der Was-hington Post der wichtigste Handelspartner sein.

Der UN-Bericht kommt ungewohnt deutlich zu dem Ergebnis, dass Sank-tionen gegen alle Länder verhängt werden müssten, die an der illegalen Aus-fuhr von Gütern aus der DRK beteiligt sind. Profiteure müssten darüber hin-aus zu Reparationszahlungen verpflichtet werden (dpa, 16.04.01), denn dieZerstörung der Umwelt durch den Coltan-Abbau ist beträchtlich. Auch vordem Kahuzi Biega National Park machen die Umwelt-Räuber nicht Halt.Doch so skrupellos die Geschäfte mit dem kongolesischen Reichtum sind, esgibt bislang keinen Beschluss der internationalen Gemeinschaft, der sie ver-bietet.

57EMW • Weltmission heute Nr. 45/2002Kriegs-Diamanten

Sicherheit wird zur Ware

Anne Jung

Bei der Kontrolle von Bodenschätzen stehen Privatarmeen und private Si-cherheitsdienste den Großkonzernen und den Warlords zur Seite. Das Endedes Ost-West-Konflikts und die Dynamik der neoliberal geprägten Globali-sierung hat zu Entstaatlichung und zum Schrumpfen der regulären Ökonomiegeführt, in die private Sicherheitsakteure eindringen. Die reguläre Ökonomieverliert in diesem Prozess zunehmend an Bedeutung gegenüber dem infor-mellen Sektor und kriminellen Netzwerken, die global operieren. „Dadurchentstehen so genannte gewalt-offene Räume, die privaten Sicherheitsanbie-tern ungeahnte Möglichkeiten der Entfaltung und Expansion eröffnen“ (Pe-ter Lock in: Brühl, 2001, S.202). Das Business der privaten Sicherheit istnicht neu, aber die Ausweitung der Kompetenzen stellen eine neue Dimensi-on dar.

Privatarmeen und private Sicherheitsdienste bieten vielfältige Dienste an:Sie nehmen direkt an militärischen Operationen teil. Oft übernehmen sie be-ratende und ausbildende Funktionen, die militärisches Training und Analyseeinschließen. Des Weiteren bieten sie dem Auftraggeber logistische Unter-stützung an, z.B. durch die Auslieferung von Material oder beteiligen sich anso genannten präventiven Maßnahmen zur Verbrechensverhinderung, z.B.Geiselbefreiung.1

Ein besonders hoher Bedarf an privater Sicherheitsdienstleistung findetsich in allen Ländern, die für den Weltmarkt von Interesse sind und in denendie staatliche Gewalt nicht in der Lage oder Willens ist, für Recht und Ord-nung zu sorgen. Nicht-staatliche Sicherheitskräfte übernehmen Polizeiaufga-ben, Schutz- und Kontrollfunktionen, manchmal umfasst deren Angebotspa-lette auch militärische Dienstleistungen, die für einen Bodenkrieg notwendigsind.

Mit dem Phänomen privater Sicherheitsfirmen hat sich ein Markt heraus-gebildet, in dem militärische Offensiven, wirtschaftliche Ambitionen undhumanitäre Erwägungen ineinander greifen. Oft werden die afrikanischenRegierungen durch die Interessenallianz von privaten Sicherheitsfirmenund ausländischen Konzernen in eine Geiselrolle gebracht: eine Art

58 EMW • Weltmission heute Nr. 45/2002Kriegs-Diamanten

„multinationaler Neokolonialismus“ am Ende des 20. Jahrhunderts. Raschund vor allem jenseits von langwierigen internationalen Einsatzverhandlun-gen und Einspruchsmöglichkeiten sind die stand-by-Söldnerheere jederzeiteinsatzbereit.

1 Diese Kriterien wurden erarbeitet von David Shearer: Private Armies and Military In-tervention. New York 1998

59EMW • Weltmission heute Nr. 45/2002Kriegs-Diamanten

Die Macht der Käufer –Was wir tun können

Freddy Dutz

Diamanten sind wunderschön. Das wissen wir, seit wir von den Karfun-kelsteinen durch die Märchen als kleine Kinder gehört haben. Auch vieleErwachsene fühlen sich von dem Zauber der völlig unnötigen Luxus-Gegen-stände angezogen. Kleine Diamanten, Splitter und Staub werden in verschie-denen Industrien verwendet. Diamanten gehören zu den Bodenschätzen, die,weil heiß begehrt, für die Herkunftsländer dann eine Einnahmequelle bedeu-ten, wenn die Steine legal in den Handel kommen.

Wer Diamanten kauft, muss wissen, dass die meisten Schmuckdiamantenunter den schwierigsten und unmenschlichsten Arbeitsbedingungen gewon-nen werden. Fachleute sprechen von Sklaverei. Die Schürfer und Minenar-beiter erhalten einen geringen „Lohn“, den wirklichen Gewinn machen dieHändler. Viele Minen und ihre unmittelbare Umgebung gleichen Hochsi-cherheitstrakten, bewacht von bewaffneten Sicherheitsleuten und scharfenHunden. Selbst bei den aufwändig „geernteten“ Steinen aus den Permafrost-Minen macht der Preis für den Rohdiamanten nur einen Bruchteil des Ver-kaufspreises eines geschliffenen Brillianten aus.

Liebhaber der Klitzersteinchen sollen nicht nur ein Zeugnis über die„4Cs“ des Steines (Carat = Gewicht; Clarity = Reinheit; Color = Farbe; Cut =Schliff) von ihrem Händler erwarten, sondern auch ein lückenloses Her-kunftszeugnis verlangen.

Schreiben Sie an Ihre Volksvertreter und machen Sie sie auf die Zusam-menhänge zwischen illegalen Diamanten und Kriegen aufmerksam. AuchDeutschland, als Diamanten-Importeur, muss die Forderungen des Kimber-ley-Prozesses ratifizieren. Die Bundesregierung kann tätig werden, in demsie auf die Länder Einfluss nimmt, die sich nicht einmal mit der Absichtser-klärung des Kimberley-Prozesses einverstanden erklärt. Informieren Sieauch Ihr Umfeld über die Zusammenhänge!

60 EMW • Weltmission heute Nr. 45/2002Kriegs-Diamanten

Materialmedico international (mi) hat umfangreiches Info-Material zur „Kampag-

ne gegen Kriegsdiamanten“ produziert. Eine Ausstellung mit Erlebnis-Par-cour (Siebe für Diamantenschürfbecken, Puzzle, Mobile, Fragebogen, CD-Rom) kann ausgeliehen werden. Mitarbeitende von mi halten Vorträge zumThema „Konflikt-Diamanten“ und führen Multiplikatoren in einem Kurz-Seminar in die mögliche Anwendung des Ausstellungs-Materials ein. EinePostkarten-Aktion wurde ins Leben gerufen, mit der auch Sie sich an „Ihren“Juwelier wenden können.

Informationen zur Kampagne und das entsprechende Material gibt es zu be-stellen bei:

medico internationalObermainanlage 760314 Frankfurt/M.Tel. 069 94438-27Fax.069 [email protected]

61EMW • Weltmission heute Nr. 45/2002Kriegs-Diamanten

Kampagne Fatal Transactions

Anne Jung

Über die Hintergründe der Kriege in Afrika und die skrupellose Ausbeu-tung von Bodenschätzen informiert die von medico international1 gemein-sam mit den europäischen Partnerorganisationen „global witness“, NOVIBund NIZA gegründete internationale Kampagne Fatal Transactions. Von denmilliardenschweren Geschäften mit Bodenschätzen wie Diamanten, Öl, Goldund neuerdings auch Coltan profitieren internationale Unternehmen genausowie korrupte Politiker, Warlords, Waffenhändler und private Söldnerfirmen.Sie konkurrieren und kooperieren miteinander (je nach Bedarf) und sorgen sofür die Weiterführung der Kriege.

Fatal Transactions hat es sich zur Aufgabe gemacht

❏ über Geschäfte, die Kriege in Afrika in Gang halten, aufzuklären,❏ internationale Unternehmen zum Rückzug aus dem schmutzigen

Rohstoffhandel zu bewegen,❏ Konzerne, die in den vergangenen Jahrzehnten an dem illegalen

Handel profitiert haben, für die Beseitigung der Kriegsschäden und dieEntschädigung der Opfer verantwortlich zu machen,

❏ Aufklärungs-Material zu erstellen und zu verbreiten.

1 Die Frankfurter Hilfsorganisation medico international initiierte die InternationaleKampagne zum Verbot von Landminen und erhielt 1997 für dieses Engagement gemein-sam mit Partnerorganisationen den Friedensnobelpreis.

62 EMW • Weltmission heute Nr. 45/2002Kriegs-Diamanten

Weiterführende Literatur

Björn Aust: Die ökonomische Logik kriegerischer Gewalt. In: ami 1/99Michael Bolling: Die Gewalt und die Geschäfte afrikanischer Warlords.

In: Frankfurter Rundschau 09.01.2001Tanja Brühl (u.a.) Hg.: Die Privatisierung der Weltpolitik. Entstaatli-

chung und Kommerzialisierung im Globalisierungsprozess. Bonn 2001Christian Dietrich: What a Conflict Diamonds? ipis paper 21.11.01global witness: A crude awaking. London 1999global witness: A rough trade. London 1998ICRC: War, money and survival. London 2000Institute for Security Studies (ISS) (Hg.): Angola's war economy. The

role of oil and diamonds. Pretoria 2000Francois Jean und Jean-Christophe Rufin (Hg.): Ökonomie der Bürger-

kriege. Hamburg 1999Peter Lock: Privatisierung der Sicherheit oder private Militarisierung?

Aktuelle Entwicklungen in Afrika. In: Afrika-Jahrbuch 1997Siegfried Pater: Blutige Diamanten. Lamuv-Verlag. Köln 2001Walter Schicho: Handbuch Afrika, Bd. I. Frankfurt 1999Wolf Christian Paes: Reiches Land, armes Land - Ölproduktion und der

Krieg in Angola. Bonn 2000Dokumente der General Assembly der United Nations: Resolution der

55.Sitzung, Agenda item 175 (Veröffentlichung: 29.1.2001) The Role ofDiamonds in Fuelling Conflicts

Matthew Hart: Diamond, A Journey To The Heart Of An Obsession,276pp., Penguin Viking Press

Ian Smillie: Fire in the Ice: Benefits, Protection and Regulation in theCanadian Diamond Industry (www.partnershipafricacanada.org)

Loren Yager: International Trade: Significant Challenges Remain inDeterring Trade in Conflict Diamonds (www.gao.gov/new.items/d02425t.pdf)

auch lesenswert:Faye Kellerman: Weder Tag noch Stunde (Kriminal-Roman) btb Taschen

buch, München

63EMW • Weltmission heute Nr. 45/2002Kriegs-Diamanten

Im Internet:Initiativen, Gruppen, Organisationen:

www.medico.dewww.globalwitness.orgwww.amnesty.de/www.amnesty-usa.org/diamonds/www.un.org/News/Press/docs/2000/20000705.sc6886.doc.htmlwww.gbgm-umc.org/umcor/emergency/conflictdiamonds.stmwww.umc-gbcs.org/advocacy30_letter.htmwww.regenwald.orgwww.partnershipafricacanada.orgwww.gwinkler.de/guenterwinkler/index.htmlwww.uni-bayreuth.de/departments/didaktikchemie/umat/rekorde1/ rekorde.htmlDiamantwww.diamond-key.com/mazeltov/www.akplasma.org/diamant.php3www.uni-kassel.de/fb10/frieden/Welcome.html

64 EMW • Weltmission heute Nr. 45/2002Kriegs-Diamanten

Autorenverzeichnis

Paul Dirdak ist stellvertretender General-Sekretär der Mission- und Ent-wicklungsabteilung der Vereinten Methodistischen Kirche in Amerika (Uni-ted Methodist Committee On Relief, Health & Welfare).

Freddy Dutz, Journalistin, Publizistin, ist Pressereferentin im Evangeli-schen Missionswerk.

Tony Hall ist Kongress-Abgeordneter in den USA und stammt aus Ohio. Erengagiert sich besonders für die Menschenrechte.

Kolja Jeuthe, geb. 1976, studiert „Wirtschafts- und Kulturraumstudien“ ander Universität Passau. Seit 2000 ist er Mitglied des Arbeitskreises „Wirt-schaft und Menschenrechte“ der deutschen Sektion von amnesty internatio-nal (ai) und dort Experte für Diamantenhandel. Mehrere Auslandsaufenthalteführten ihn ins südliche Afrika und nach Lateinamerika, wobei er praktischeErfahrungen im Bereich der Entwicklungshilfe und des Außenhandels sam-meln konnte.

Anne Jung ist Politologin und Öffentlichkeitsreferentin von medico interna-tional. Sie koordiniert die Kampagne „Fatal Transations“ in Deutschland, diees sich zur Aufgabe gemacht hat, über Geschäfte, die Kriege in Afrika inGang halten, aufzuklären, internationale Unternehmen zum Rückzug ausdem schmutzigen Rohstoffhandel zu bewegen, Konzerne, die in den vergan-genen Jahrzehnten von dem illegalen Handel profitiert haben, für die Beseiti-gung der Kriegsschäden und die Entschädigung der Opfer verantwortlich zumachen und Aufklärungs-Material zu erstellen und zu verbreiten.

Pastor Dr. Klaus Schäfer ist Grundsatz-Referent im Evangelischen Missi-onswerk in Deutschland.