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Illustrierte Historische Hefte / Heft 11 / 1978

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illustrierte h istorisc he hefte

Siegfried Epperlein

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D er G a n c i n a c

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Zug eines Königs mit Gefolge über die Alpen nach Italien

E in K ö n ig fic h t u m G n a b e

Aus dem von Schluchten zer-rissenen, zur Poebene hin abfallen-den Apennin erhebt sich zwi-schen Parma und Reggio, etwa500 Meter über dem Tiefland dervon einer Burg gekrönte Felsenvon Canossa. Bereits vor demJahre 950 befestigt, war dieseBurg in den folgenden Jahrhun-derten zu einer der stärkstenItaliens ausgebaut worden. Sie wardie Stammburg jenes Fürsten-geschlechtes Canossa, als dessenErbin die Markgräfin Mathilde vonTuszien über ein ausgedehntesHerrschaftsgebiet im oberenItalien gebot. Die Burg Canossawar der Ort, an dem sich vor nun-mehr 900 Jahren in den Januartagendes Jahres 1077 dramatische Ereig-nisse abspielten, die das mittel-alterliche Europa bewegten und diebis heute als sprichwörtlichesBeispiel für Reue und Bußfertig-keit gelten.Ende des Jahres 1076 hatte sichder deutsche König Heinrich IV.entschlossen, über die Alpen nachItalien zu ziehen. Das war im all-gemeinen nichts Ungewöhnliches.Das hatten auch seine Vorgängerseit dem I0.Jahrhundert wieder-holt getan. Mit berittenem, präch-tig ausgestattetem Gefolge warensie an der Spitze mächtiger Heeremehrfach nach Italien gezogen,um sich die Schätze des reichenLandes anzueignen, ihren Macht-bei ich noch weiter auf den SüdenEuropas auszudehnen, sich in Rom,der Ewigen Stadt, die Kaiserkronezu holen oder auch als KaiserPäpste ein- oder abzusetzen. DerZug Heinrichs IV. über die Alpenwar mit diesen Heereszügen abernicht zu vergleichen. Bei diesemZug nach Italien war alles anders.Was die erstaunten Chronistenihren Zeitgenossen damals mit-teilten, war noch nicht dagewesen.Mitten im bitterkalten Januar desJahres 1077 zog König Hein-rich IV. aus dem Geschlecht derSalier mit seiner Gemahlin Berta,

König(althochdeutsch: Kuning, zuKunni = Geschlecht)höchste Herrscherwürde nachdem Kaiser

KaiserVom Eigennamen und späteren

Titel Cäsar abgeleitet.Höchste monarchische Würde,

wurde vom Papst in Rom ver-liehen (Kaiserkrönung).Erster mittelalterlicher Kaiserin Westeuropa: Karl der Große.Erster Kaiser desdeutschen Feu-dalstaates: Otto 1. Seitdem blielim Heiligen Römischen ReichDeutscher Nation die Würde

bei den deutschen Königen:Auflösung des Reiches 1806.

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seinem zweijährigen SöhnchenKonrad und kleinem Gefolge beiklirrendem Frost über die Alpenund nach kurzem Aufenthalt imGebiet von Turin in die Lombardei.Aber auch hier gab es keine län-gere Rast. Weiter ging es südost-wärts bis Canossa. Die Burg warauch das Ziel von Papst Gregor VII.,

der von Mittelitalien kommendkurze Zeit vor dem deutschenKönig dort eintraf. Papst Gregorhatte Heinrich IV. im Jahre 1076 mitdem Bann belegt und ihn aus derGemeinschaft der Gläubigen aus-geschlossen. Dem deutschen Kö-nig war es aus den verschiedenstenGründen nicht möglich, als Ge-bannter zu leben und zu regieren.Daher wollte er Buße tun undden Papst veranlassen, den Bann

von ihm zu nehmen. In einemEnde Januar 1077 verfaßten Briefan die deutschen Fürsten schildert

Papst Gregor VII., was sich beiCanossa ereignete: „Und dortharrte er (Heinrich IV. - S. E.) dreiTage hindurch vor dem Tor derBurg aus ohne jedes Abzeichen derköniglichen Würde in jämmer-lichem Aufzug, nämlich ohneSchuhe und in wollenem Gewand;er hörte nicht eher auf, unter vielen

Tränen Hilfe und Trost des aposto-lischen Erbarmens zu erflehen, alsbis er alle, die dort waren und zudenen diese Kunde gelangte, zusolcher Teilnahme und solch mit-leidigem Erbarmen bewegte, daßsich alle für ihn mit vielen Bittenund Tränen verwandten und sichüber die ungewöhnliche Härteunserer (Gregors - S.E.) Haltungwunderten, einige aber sogar lautklagten, daß wir nicht die Schärfe

apostolischer Strenge, sonderndie Grausamkeit einer gleichsamtyrannischen Wildheit zeigten.

Schließlich ließen wir uns durchseine inständige Reue und die drin-gende Fürbitte aller Anwesendenüberwältigen, lösten ihn von derFessel des Bannfluchs und nahmenihn wieder in die Gnade desAbendmahles und in den Schoßder heiligen Mutter Kirche auf."Bereits die Zeitgenossen Hein-

richslV. empfanden die Bannungeines gekrönten Hauptes als etwasAußergewöhnliches. So schreibtder Chronist Otto von Freising:„Dieses ungewöhnliche Vorgehenerregte im Reich um so heftigereEmpörung, als man wußte, daß nie-mals bisher ein solcher Spruch ge-gen einen römischen Kaiser verkün-det worden war."Woher nahm Papst Gregor VII. dieMacht, einen Herrscher wie Hein-

richlV. zu bestrafen? Warumbelegte er den deutschen König mitdem Bann?

D je R eich6k irchen gigiatem

Das ganze Mittelalter hindurch

hatte die römisch-katholischeKirche außerordentlich große Be-deutung. Die Kirche verfügte in denmeisten europäischen Ländernüber riesigen Grundbesitz, den siemit allen nur erdenklichen recht-und unrechtmäßigen Mitteln zumehren suchte: Ein Weg war,Gläubige auf die verschiedensteWeise zu Schenkungen zu veran-lassen. Es kam den Priestern undhohen Würdenträgern der Kirche

nicht darauf an, alle „Gottesgnaden"zu versprechen, wenn damit einGeschäft zu machen war. DieKirche versprach Vergebung derSünden, Rettung aus dem Fege-feuer, Schutz vor Gefahren, Selig-keit im Jenseits, Heilung vonKrankheiten, die Erfüllung beson-derer Wünsche, wenn an dieKirche Schenkungen gegeben wur-den. Kirchliche Würdenträgerschreckten sogar vor Urkunden-

fälschungen nicht zurück, wenn dieKirche so in den Besitz möglichst

Der Teufel verschlingt einen Sünder

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ausgedehnter Ländereien gelangenkonnte. Viele Klöster beschafftensich Reliquien, die angeblich Wun-der wirkten, um die Schenklustbreitester Kreise der Gläubigenanzureizen. Wer es wagte, Schen-kungen an die Kirche anzufechten,mußte mit schweren kirchlichen

Strafen rechnen. Auf diese viel-fältige Weise wurde die römisch-katholische Kirche zum größtenGrundbesitzer der europäischen

Feudalgesellschaft, zu deren

Festigung sie als Trägerin und Ver-mittlerin christlichen Glaubens,der im Mittelalter vorherrschendenund die Feudalordnung stützendenWeltanschauung, wesentlich bei-trug. Die Kirche rechtfertigte diepolitische Stellung des Königs und

der feudalen Oberschichten alsgottgewollt und verpflichtete je-den „Untertan' zu unbedingtemGehorsam gegenüber dem Herren.

Die slawischen Provinzen sowieRom, Gallien und Germanien hul-digen Kaiser Otto III. (980-1002)

Wer sich den Herren widersetzte,verletzte nach Auffassung derKirche Gottes Gebot und machtesich damit schuldig. Es galt

also nach traditioneller kirchli-cher Auffassung als schweresVergehen, sich gegen die Feudal-gewalten aufzulehnen und ihnen

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Kaiser Otto III. auf dem Thron,umgeben von weltlichen und geist-lichen Würdenträgern

den Gehorsam oder eine der zahl-reichen geforderten Leistungen zuverweigern.Schon der fränkische König undKaiser Karl der Große (768-814),einer der bedeutendsten mittelal-terlichen Herrscher, erkannte derKirche und den von ihr verkünde-

ten Geboten der Bibel im gesamtengesellschaftlichen und politischenLeben seines Reiches einen zen-tralen Platz zu. Die Bibel war fürihn das „Staatsbuch" schlechthin.„Hier findet man die Norm, die be-stimmt, wie sich die Höheren

gegen die Untergebenen und die

Untergebenen gegen die Höherenzu führen haben; wie man die Ehehochhalten soll; wie in weltlichenDingen durch kluges Überlegen

Rat zu schaffen sei; wie man dasVaterland verteidigen, den Feindvertreiben soll, nach außen wie iminnern den Staat verwalte..." Sohieß es in den karolinischen

Büchern, die um 792 unter maß-geblicher Mitwirkung Karls desGroßen verfaßt wurden.

Wie seine Vorgänger benutzte Karlder Große die Kirche, über die ervon ornherein elbstherrlichverfügte, als Instrument staat-

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Leistungen der deutschen Bistümerund Abteien im HeeresaufgebotNach einem Aufgebotsbrief Kaiser Ottos II. von 981-983Insgesamt wurden 2090 Panzerreiter aufgeboten. Davon entfielen

auf die Kirche 1504 Reiter, während die weltlichen Feudal-herren lediglich 5 8 6 R e i t e r zu stellen hatten.

1. Bistümer . AbteienMainz, Köln, Straßburg und ulda und ReichenauA u g s b u r g je 100 = 400 e 60 = 120Trier, Salzburg und orsch und WeißenburgRegensburg je 70 = 210 e 60 = 12Ö

j Verdun, Lüttich und Würz- rüm, Hersfeld und EH-b u r g je 60 = 180 angen je 40 = 120Seben = 0 emten = 0

i V Konstanz, Chur, Worms und t. Gallen und MurbachFreising je 40 = 160 e 20 = 0Speyer, ichstadt nd Toulje2O= 0Cambrai = 14

Bistümer und Abteien stellten insgesamt 1504 Panzerreiter für

das Heeresaufgebot

]

Heinrich II. (1002-1024)und Bischöfe

licher Herrschaft. Synoden, Zu-sammenkünfte der Bischöfe undErzbischöfe des Reiches zur Be-ratung kirchlicher Angelegenheiten,wurden vom König einberufen.Er behielt sich für die Beschlüsse

solcher Bischof ssynoden ein Bestä-tigungsrecht vor und setzte Bi-schöfe nach eigenem Ermessenein. Die Kirche wurde auf dieseWeise immer mehr zu einer vonKarl dem Großen geleiteten Reichs-kirche. Der Herrscher gebot auchüber den Papst, wie ein an Leo III.im Jahre 796 gerichtetes Schreibenerkennen läßt; hierin vertrittKarl der Große folgenden Stand-punkt: „Unseres Amtes ist es, mit

göttlicher Hilfe die Heilige KircheChristi überall vor dem Einbruchder Heiden und der Verheerungdurch die Ungläubigen nach außenhin mit den Waffen zu beschirmenund im innern durch die Erkennt-nis des katholischen Glaubenszu festigen. Eures Amtes, heiligerVater, ist es, mit zu Gott erhobe-nen Händen gleich Moses unsereStreitmacht im Gebete zu unter-stützen."

An diese Politik knüpfte im 10.Jahr-hundert vor allem Otto 1. (936-973)an, der Karl den Großen bewun-derte und in ihm sein Vorbild er-blickte. Um die Zentralgewaltzu festigen, zog Otto 1. mehr undmehr Geistliche zu Aufgaben staat-licher Machtausübung heran. Be-sonders intensiv und konsequentbetrieb der König diese Politik nachden Erhebungen mächtiger Herzögein den Jahren 938/39 und 953/54.

Ein Gegengewicht gegen die Her-zöge suchte Otto 1. in der Geistlich-keit zu finden, die vielfach mit welt-lichen Feudalherren politischeMachtkämpfe ausfocht.Um über geistliche Würdenträgerverfügen zu können, war es fürden König wichtig, daß er nicht nurKönig, sondern gewissermaßenauch Priester war, also über Welt-liches und Geistliches gleicherma-ßen zu gebieten hatte. Zu einem

solchen „Priesterkönig" wurde derHerrscher durch die bei der Kö-nigskrönung nach alttestamentli-chem Vorbild vollzogene Salbung.

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Reichsapfel aus dem Grabe

Heinrichs III.

Krone aus dem Grabe Heinrichs III.

Heinrich III (1039-1056)

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Über das Recht der sächsischen Herrscher im

10. Jh. als Priesterkönige, Bistümer eigenhändigzu vergeben

•nehmen ganz allein unsere Könige und Kaiser

wahr, die auf unserer Pilgerfahrt als Stellvertreterfür den höchsten Lenker bestellt sind; und nur siestehen zu Recht über allen Hirten, denn es wäresehr unpassend, wenn Männer, die Christus umseinetwillen als die ersten auf Erden eingesetzthat, einer anderen Herrschaft unterständen als

derer, die wie der Herr durch den Glanz der Weiheund der Krone alle Sterblichen überragen."(Thietmar von Merseburg, Chronik, 1, 26)

Statue des Papstes Clemens II.im Bamberger Dom

Der König w urde dabei wie ein Prie-ster mit dem „01 der Gnade des Hei-ligen Geistes" gesalbt. Die Königs-weihe mit Salbung sollte demHerrscher eine sakrale Würde ver-leihen, die ihn deutlich von den

übrigen Gläubigen abhob. Damiterhielt der König eine einem Prie-ster ähnliche Stellung. Als solcherverfügte er über die Kirche undihre Repräsentanten souverän.Seine Stimme gab bei der Investi-tur, der Einsetzung von Bischöfenund Erzbischöfen sowie von Äbtender Reichsklöster, den Ausschlag.Der Herrscher konnte entsprechendseinen staatspolitischen Inter-essen einen Kandidaten vor-

schlagen oder auch nominieren;dieser wurde dann in der Regelauch gewählt. War bespielsweiseein Bischof verstorben, so wurdeder Bischofsstab, das Symbolder bischöflichen Amtswürde, demköniglichen Hof überbracht. Dortfanden die entscheidenden Ver-handlungen über den Nachfolgerstatt. Hatte man sich geeinigt,so übertrug der König das freigewordene Bistum dem neuen Bi-

schof durch Überreichung desBischofsstabes. In den erstenJahrzehnten des 10. Jahrhundertsnahm vor allem Otto . diese dieÜbertragung des Hirtenamtessymbolisierende Zeremonie selbstvor und forderte von dem neu ein-gesetzten Bischof auch den Treu-eid. Die der Kirche gegenüber ge-wachsene Machtstellung des Herr-schers fand darin besonders deut-lich ihren Ausdruck. Ihm stand nun

mit Priestern und Mönchen ein gutausgebildeter Personenkreis zurVerfügung, den er zu den verschie-densten Aufgaben der Reichsver-waltung heranziehen konnte. Abernicht nur dort, sondern auch imKriegsdienst erfüllten Geistliche,vor allem die Bischöfe und dieReichsäbte, wichtige Funktionenund Aufgaben. So hatten Kirchen-fürsten beispielsweise für dasHeer Ottos 1. beträchtliche Kon-

tingente an Panzerreitern zu stel-len. Außerdem waren die ver-schiedenen kirchlichen Einrich-tungen verpflichtet, den König

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und sein Gefolge zu beherbergen,wenn der König es wünschte. Dieumfangreichen Landschenkungendes Königs an die Kirche dientenalso nicht nur dem Unterhalt derGeistlichkeit und der Armenpflege,sondern sollten in hohem Maßeauch den königlichen Hof ver-sorgen. Zur Zeit Ottos 1. und auch

seiner nächsten Nachfolger hatteder König noch keinen ständigenAufenthaltsort, keine feste Re-sidenz. Mitte des 10. Jahrhundertsbemächtigte sich Otto 1., die po-litische Zersplitterung Italiensausnutzend, Nord- und teilweiseMittelitaliens, der Lombardei undder Toskana und ließ sich in Romzum Kaiser krönen.Das durch die Annexion italie-nischer Gebiete entstandene neue

Kaiserreich erhielt später die Be-zeichnung „Heiliges RömischesReich Deutscher Nation". DieserName zeugt von dem Streben derdeutschen Kaiser, ganz West-und Mitteleuropa zu beherrschen.Die Herrschaft über Nord- undMittelitalien mußte sich jeder

Kaiser durch neue Eroberungs-züge sichern. Der König regiertesein Reich von verschiedenen Ortenaus. Mit seinem zahlreichen Ge-

folge zog der König bzw. Kaiservon Pfalz zu Pfalz, wie die Hof-burgen, die zeitweiligen Regierungs-

sitze, hießen, von Bistum zu Bis-tum. Die Orte, an denen sich der

Herrscher aufhielt, waren ver-pflichtet, ihn und seine Gefolgs-leute zu ernähren und zu kleiden.Insgesamt gesehen war die Kirche

ein ußerordentlich ichtigerBestandteil des frühfeudalen deut-schen Staates. Der Geistlichkeitübertrug der König große Befug-nisse und stattete sie mit Privi-

legien aus. Auf diese Weise gelanges Otto 1., zwischen weltlichenFeudalherren und Klerus ein

„Gleichgewicht der Kräfte" her-zustellen, was im 10.Jahrhundertentscheidend zur Festigung desdeutschen Feudalstaates beitrug.Die an seiner Spitze stehendenHerrscher geboten im 10. Jahrhun-dert und in der ersten Hälfte des11. Jahrhunderts als Priesterkö-nige nicht nur über den deutschen

Klerus, sondern teilweise auchüber den Papst. So wurden zwi-schen 955 und 1057 durch das di-rekte Eingreifen deutscher Herr-scher von 25 Päpsten nicht wenigerals 5 Päpste abberufen und 12 Päp-ste neu eingesetzt. Es versteht sich,

daß unter diesen Bedingungenkein Papst dagegen angehen konnte,

daß der deutsche König das In-vestiturrecht ausübte, zumal es dendeutschen Königen zu Beginn des

10. Jahrhunderts durch Papst Jo-hannes X. ausdrücklich zugebilligtworden war.

In der ersten Hälfte des 11. Jahr-hunderts gebot vor allem Hein-

rich III. (1039-1056) souverän überKirche und Papst. Dieser Königging dazu über, dem als neuen Bi-schof auserwählten Geistlichen beider Übertragung des Amtes nichtnur den Stab, sondern auch denRing zu überreichen. Der Ring sym-bolisierte die geistige Ehe seinesTrägers mit der Kirche. Damit hatte

sich Heinrich III. ein weiteres,ursprünglich allein dem jeweiligenErzbischof zustehendes Recht an-geeignet - ein Zeichen dafür, daßinnerhalb der Kirche die Autoritätdes Königs stark zugenommenhatte. Diese Machtstellung wurdeauch sehr deutlich, als Heinrich III.am 20. Dezember 1046 auf einerKirchenversammlung in der italieni-schen Stadt Sutri drei von römi-schen rivalisierenden Adelscliquen

eingesetzte und sich nun befeh-dende Päpste, Benedikt IX., Silve-ster III. und Gregor VI., absetzteund die Erhebung des BischofsSuitger von Bamberg als Cle-mens II. zum Papst veranlaßte. Am25. Dezember ließ sich Heinrich .von Papst Clemens II. zum Kaiserkrönen.Insgesamt schien die kaiserlicheMachtstellung unerschütterlich zusein. Doch der Schein trog. Fast

genau 30 Jahre nach dem Triumphin Sutri wurde der Sohn des Kaisers

Heinrich IV. gebannt und mußteBuße tun. Wie war es dazu ge-kommen?

D e r ju n g e K ö n ig u n b o c in c G e g n e r

Anfang Oktober des Jahres 1056,so ist uns überliefert, hielt einvornehmer, nach Italien zurück-reisender Herr aus der Stadt Romin einem Dorfe unweit der Harz-pfalz Bodfeld Mittagsruhe, bis ihnplötzlich lautes Wehklagen weckte.Erschrocken fragte der Reisendenach den Gründen des Jammernsund erfuhr, daß soeben die Nach-richt vom Tode Kaiser Hein-

richs III. eingetroffen sei. In ge-wisser Weise war diese Totenklagenicht nur traditionelle Zeremonie.Man beklagte den Tod des Königs

auch deshalb, weil sein Thronfolgernoch nicht regierungsfähig war.„Gott möge sich erbarmen undFürsten einsetzen, welche Arm undReich zu leiten verstehen. Dennin diesem unserem kleinen Königkönnen wir, o Schmerz, lange Zeithindurch nichts von Herrschafts-übung haben." Solche Worte hörteman in Bodfeld und landauf, land-ab.

Und die Besorgnis war berechtigt.Beim Tode Heinrichs III. war seinSohn erst 6 Jahre alt. Da nachdamaliger Rechtsauffassung ein

König auch bei Minderjährigkeitzu regieren hatte, er selbst aber oft

viele Jahre noch nicht fähig dazuwar, übten faktisch zunächst die-jenigen die königliche Herrschaftaus, die das Kind in ihrer Obhuthatten. Das war beim Sohn Hein-richs III., König Heinrich IV.,

dessen Mutter, Kaiserin Agnes,die mit einem Kreis von Beraternals Regentin fungierte. Sie war

bemüht, das Reich innenpolitischweiter zu festigen. Deshalb ver-suchte sie einerseits, die schonunter Heinrich III. eingeleitete, ge-

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gen den Hochadel, also gegendie Fürsten, gerichtete Politikfortzusetzen und vor allem ausunfreien evölkerungsschichtenstammende Ministerialen zu be-günstigen. Zum anderen sollteneinflußreiche Fürsten durch Be-lehnungen mit Herzogtümern andas Königtum gebunden werden.So erhielt 1057 der mächtigste Feu-dalherr im Südwesten des Reiches,Rudolf von Rheinfelden, das Her-zogtum Schwaben als Lehen, und1061 wurden der Sachse Otto vonNortheim mit dem HerzogtumBayern und der schwäbische GrafBerthold von Zähringen mitKärnten belehnt. Das damit ver-folgte Ziel, der Zentralgewalt er-gebene Anhänger zu sichern, wurde,wie sich später zeigte, jedoch nicht

erreicht. Gerade diese Herzögeleisteten am entschiedensten Wider-stand und waren die bedeutendstenGegner Heinrichs IV., als dieserspäter in verstärktem Maße ver-suchte, die politische Macht derFeudalgewalten zu beschneiden.Die erste gewaltsame Reaktion desopponierenden Feudaladels aufdie Zentralisierungsbestrebungender Kaiserin Agnes erfolgte be-reits sechs Jahre nach ihrer Regent-

schaftsübernahme. Im Frühjahr1062 führten einige mächtige Für-sten des Reiches unter Führungdes ehrgeizigen Erzbischofs Annovon Köln einen entscheidendenSchlag: Der 12jährige Heinrichwurde zusammen mit den Reichs-insignien aus der Pfalz Kaiserswerthentführt. Anno von Köln wurde,weil sich der unmündige König janun in seiner Obhut befand, anstelleder Agnes Regent des Reiches.

Die Fürsten nutzten die neue Lagesofort dazu aus, solche Maßnahmenrückgängig zu machen, die Agnesim Namen des Königs durchgeführthatte, um die wirtschaftliche undpolitische Stärke der Feudalge-walten abzubauen. So mußten dieMinisterialen die ihnen verliehe-nen Ländereien den ehemaligenEigentümern zurückgeben. DurchÜbergriffe auf das Eigentum desKönigs, das sogenannte Königsgut,

suchten die Fürsten ihre Macht-basis zu erweitern. Auf diese Weisebüßte das Königtum vierzehnReichsabteien ein.

Der Handstreich von Kaiserswerth (April 1062)

\ Die Fürsten veranstalteten häufig Zusammenkünfte, er-füllten ihre Pflichten gegen das Reich nur lässig, reizten 5die Volksstimmung gegen die Kaiserin auf und trachtetenendlich mit allen Mitteln danach, den Sohn dem Einfluß

der Mutter zu entziehen und die Verwaltung des Reichs‚.

in ihre Hände zu bekommen. Schließlich fuhr der Erz-bischof von Köln, nachdem er sich mit Graf Ekbert undHerzog Otto von Bayern beraten hatte, zu Schiff auf demRhein an einen Ort, der Insel des hl. Switbert heißt.Dort hielt sich damals der König auf. Als dieser eines

& Tages nach einem festlichen Mahl besonders heiter war,redete ihm der Bischof zu, ein Schiff, das er zu diesemZweck überaus prächtig hatte herrichten lassen, zu be-

sichtigen.

Dazu ließ sich der arglose, an nichts weniger als an eineHinterlist denkende Knabe leicht überreden. Kaum aber

hatte er das Schiff betreten, da umringen ihn die vom Erz-bischof angestellten Helfershelfer seines Anschlags, raschstemmen sich die Ruderer hoch, werfen sich mit allerKraft in die Riemen und treiben das Schiff blitzschnellin die Mitte des Stroms. Der König, fassungslos über

3 1 I . diese unerwarteten Vorgänge und unentschlossen, dachtenichts anderes, als daß man ihm Gewalt antun und ihnermorden wolle, und stürzte sich kopfüber in den Fluß,und er wäre in den reißenden Fluten ertrunken, wäredem Gefährdeten nicht Graf Ekbert trotz dergroßen Gefahr,in die er sich begab, nachgesprungen und hätte er ihnnicht mit Mühe und Not vor dem Untergang gerettet undaufs Schiff zurückgebracht. Nun beruhigte man ihn durchallen nur möglichen freundlichen Zuspruch und brachteihn nach Köln.

Lampert von Hersfeld

Die Fürsten bereichern sich nach dem Handstreichvon Kaiserswerth (1062)

Nachdem nun der junge König der Mutterentrissen und zurErziehung in die Hände der Fürsten gekommen war, tater wie ein Kind alles, was sie ihm vorschrieben: wen siewollten, erhob er, wen sie wollten, verstieß er, und sokann man mit Recht sagen, daß sie nicht die Diener ihresKönigs waren, sondern seine Herren. Während sie dieGeschäfte des Reiches führten, sorgten sie weniger fürdas Reich als für sich selbst; in all ihrem Tun suchten sie 7

vor allem anderen ihren eigenen Vorteil.

Das Leben Kaiser Heinrichs IV.

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 ~ ~ Die Jugend Heinrichs IV.

11.11.1050 eburt Heinrichs IV. als Sohn Kaiser Hein-richs III. nd einer emahlin gnes on

Poitou31. 3.1051 aufe (l. Lebensjahr)

November 1053 ahl einrichs IV. um önig uf einer

Reichsversammlung in Tribur (3. Lebensjahr) v17. 7.1054 eihe und Krönung Heinrichs IV. (4. Lebens-

jahr)24. 12. 1055 erlobung Heinrichsl.V. mit der im Kindes-

alter stehenden Berta von Turin in der Pfalzzu Zürich. (5. Lebensjahr)

Anfang ntführung HeinrichslV. urch rzbischofApril 1062 nno von Köln von der Rheininsel Kaisers-

werth (12. Lebensjahr)

26. 3.1065 chwertumgürtung HeinrichsiV. in Worms,der damit ach fränkischem (ripuarischem)Recht für mündig erklärt wurde (15. Lebens-jahr)

Nach dem Handstreich von Kai-serswerth gingen die Kämpfe derFeudalherren untereinander umeinen möglichst großen Anteil ander Macht im Reiche weiter. Als derKölner Erzbischof Anno seinenRivalen zu mächtig geworden war,suchten sie ihn vom königlichenHofe zu verdrängen. Das gelang

schließlich dem Erzbischof vonBremen, Adalbert. Aber aucher konnte sich nicht lange halten.Seine rücksichtslose, gegen denAdel in Sachsen betriebene Po-litik sowie seine Versuche, dieReichsklöster Korvey und Lorschvon Bremen abhängig zu machen,führten schließlich 1066 zu seinerEntlassung durch Heinrich IV.

Daran, daß Adalbert von Bremenso schnell wieder gehen mußte, hat-

ten neben mißgünstigen Fürstenwahrscheinlich auch MinisterialeAnteil, die sich der „Gewaltherr-schaft" des Erzbischofs wider-setzten. Von dunkler Herkunft, wiesie der fürstenfreundliche Chronist

Lampert von Hersfeld beschrieb,erwiesen sich die Ministerialen imKampf zwischen König und Fürstenimmer mehr als verläßliche Ver-bündete des Königtums. Seit

dem Sturz Adalberts traten sie in

der engsten Umgebung des Königsimmer häufiger auf. Sie wurdenam Hofe des Herrschers mit wich-tigen Aufgaben betraut und bewähr-

ten sich als Verwalter des könig-lichen Grundbesitzes. Diesen

suchte Heinrich IV., nachdem erOstern 1065 für mündig erklärtworden war und nunmehr dieHerrschaft im Reiche selbst aus-übte, auszubauen. Zentren des Kö-nigsgutes befanden sich am unte-ren Main, am Mittelrhein, im öst-

lichen Sachsen und in Thüringen.Vor allem das Gebiet zwischenWerra und Elbe mit dem Harz alsMittelpunkt erwies sich für diePläne des Königs als besonders ge-

eignet, seine Herrschaft zu festi-gen. In den zum Königsgut gehören-

den Kerngebieten des HerzogtumsSachsen und des angrenzendenThüringen gab es große Waldungen,aus denen durch Rodungen undBesiedlung neue, dem König un-

mittelbar unterstehende Herr-schafskomplexe geschaffen werdenkonnten. Außerdem befand sichhier beträchtliches Königsgut, ausdem Heinrich IV. Ministeriale mitLand ausstattete. Pfalzen, Reichs-

abteien und Burgen, wie etwaQuedlinburg, Nordhausen, Eck-hardtsberga, Goslar, Werla, Bod-feld und Sangerhausen, wurdenzu Stützpunkten der königlichenMacht. Sie wurde vor allem durch

den Burgenbau weiter gestärkt.Solche neu angelegten Befestigun-gen waren die Harzburg, die Heim-burg und die Steinbergburg am

Nordwestrand des Harzes, die

Hasenburg und der Sachsensteinim südwestlichen Harzgebiet sowie

die Spatenburg bei Sondershausen.

Heinrich IV. besetzte sie vor allem

mit Ministerialen, die aus Schwabenstammten. Diese forderten von der

ländlichen Bevölkerung rücksichts-

los Frondienste für den Bau und für

die Instandhaltung der Befesti-gungsanlagen, erhoben Abgabenund griffen in die Marknutzungs-rechte der Bauern ein. Der über dasVorgehen der Ministerialen erboste,

dem König feindlich gesonnene,uns schon bekannte Chronist Lam-pert von Hersfeld schrieb darüber:„Täglich machten sie Ausfälleund raubten alles, was sie in denDörfern und auf den Feldern fan-den, erhoben unerträgliche hohe

Abgaben und Steuern von Wäldernund Feldern und trieben oft, angeb-lich als Zehnt, ganze Herden weg.Die Landesbewohner selbst, darunter viele Hochgeborene undüberaus Wohlhabende, zwangensie, ihnen wie gemeine Hörige Dien-

ste zu leisten... Wenn einer vonihnen wagte, über diese schmach-volle Behandlung aufzumucken,dann legte man ihn gleich in

Ketten, als hätte er ein schweres

Unrecht gegen den König be-gangen. Der sächsische und

thüringische Adel ereiferte sichvor allem deshalb gegen die For-derung von Frondiensten für denBurgenbau, weil dadurch letzt-

lich die Machtposition des Königsgefestigt wurde. Außerdem beein-trächtigte die Belastung der Bauern

mit Abgaben und Diensten die

Interessen der Feudalherren dieses

Gebietes, die selbst aus der Be-

völkerung soviel als möglich heraus-holen wollten.

Neben dem Burgenbau war dieRückforderung von Königsgut, dassich der Adel in beträchtlichem Um-

fange eigenmächtig angeeignethatte, eine wichtige Möglichkeit für

Heinrich IV., im thüringisch-sächsi-

schen Raum einen relativ ge-

schlossenen königlichen Herr-

schaftsbereich zu schaffen. Diesersollte Heinrich IV. als wirksamer

Rückhalt im Ringen mit den Fürstendienen. Deren Unmut über die vom

König zielstrebig betriebene Po-litik, die Position der Zentralge-

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;9Pf.I

walt dadurch zu stärken, daß erden Hochadel zugunsten der Mi-nisterialen von der Regierung aus-schloß und das Königsgut ausbaute,

wuchs ständig. Unter diesen Um-

ständen war es nur eine Frage

der Zeit, wann es zu offenen

Auseinandersetzungen zwischenden Fürsten und Heinrich IV. kom-

men würde.Als der König versuchte, den in

Sachsen zwischen königlichen

Gütern verstreut liegenden Be-

Sitz Ottos von Northeim an sich zu

bringen, kam es zum Zusammenstoß

mit diesem Fürsten, der ähnlichwie der König am West- und Süd-

rand des Harzes seine politischePosition weiter auszubauen suchte.

Die Kämpfe endeten im Januar 1071

mit der Unterwerfung Ottos, dem die

bayerische Herzogswürde genom-men wurde und der außerdem einen

Teil seiner sächsischen Besitzungen

an den König abtreten mußte. Damit

hatte Heinrich IV. zwar einen er

sten Erfolg errungen; die sich inSachsen immer stärker regendeOpposition der Feudalherren ge-gen diesen Teil seiner Zentralisie-

rungspolitik, den königlichen Bur-

genbau, war damit aber keines-

wegs überwunden. Eine ernste

Machtprobe zwischen König undFürsten stand unmittelbar bevor.

Schauplätze der Kämpfe wurden

Sachsen und Thüringen.

Die Überführung der Masse derfreien Bauern in die feudale Ab-hängigkeit wurde seitdem 10. Jahr-hundert durch Rodungsprivilegien

beschleunigt. Die Besitzer von

Fronhöfen orgenisierten, von Land-

gier getrieben, planmäßige Rodun-

gen. Auch die noch freien Dorf-

gemeinden beteiligten sich an die-

den Rodungen. So entstanden neue

Ackerflächen und auf ihnen neueSiedlungen und Dörfer. Ihre Be-

wohner gerieten jedoch dadurch,daß die Privilegien zur Rodung des

herrenlosen Landes meist nur anFronherren gegeben wurden, von

Anfang an in eine bestimmte Form

der Abhängigkeit vom Fronherrn.

Das ergab sich daraus, daß herren-

loses Land (Wälder, Ödland, Ge-

wässer) als königliches Land galt.

Landwirtschaftliche Arbeiten

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Au fstan ö in Sa ch sen

Die Erhebung flammte auf, als imJahre 1072 der Herzog von Sach-sen. Orduif, starb und Hein-

rich IV. zögerte, dessen Sohn Ma-gnus als Nachfolger im Herzogtumeinzusetzen. Der König konnte sichdeshalb nicht so leicht dazu ent-schließen, weil Magnus sich gegenihn gestellt und Otto von NortheimUnterstützung gewährt hatte.

Noch wurde Magnus vom Königin Haft gehalten. Was hatte

Heinrich IV. vor? Wollte er wo-möglich ganz Sachsen seinem kö-niglichen Besitz eingliedern und

seiner Herrschaft direkt unter-stellen? Die sächsischen „Großen",die sich durch die Stärkung der kö-niglichen Machtposition in Sachsenohnehin herausgefordert fühlten,stellten sich nun offen gegen Hein-rich IV. Im Sommer 1073 schlugensie los. An die Spitze des Aufruhrstrat als erklärter Feind des Königsder gedemütigte Otto von Northeim.Für den weiteren Verlauf der Er-hebung war es wichtig, daß sich an

ihr auch sächsische Bauern betei-ligten. Sie waren vor allem da-

durch hart betroffen, daß für dieErrichtung von Burgen durch sieAbgaben und Frondienste geleistet

werden mußten. Die sächsischenFeudalherren verstanden es sehrgeschickt, den Haß der Bauernweiter zu schüren. So gelang esden sächsischen Fürsten, im Kampfgegen das Königtum zunähstden Widerstand der Bauern, dersich vor allem gegen die Bedrückung

durch die Ministerialen richtete,zu mißbrauchen.Heinrich IV., der sich im Sommer1073 in seiner Pfalz Goslar auf-hielt, wurde dort von dem im Augustauflodernden Aufstand überrascht.Er floh und zog sich auf die Harz-burg zurück. Doch ein Heer derAufständischen, deren Angriffein erster Linie gegen die im Landeerrichteten Burgen, die Stützpunkteder königlichen Macht, zielten, zogauf die Harzburgzu. Heinrich mußteerneut fliehen. Nachdem er dieVerteidigung der Burgen einigen ihmtreu ergebenen Ministerialen über-

tragen hatte, verließ er verkleidetdie Harzburg. Er entkam nach

Franken. Hatte der König geglaubt,bei den süddeutschen FürstenHilfe zu finden, so sah er sichenttäuscht. Sie dachten nicht daran,Heinrich beizustehen, waren siedoch wie die Feudalherren inSachsen und Thüringen gegen diekonsequente Zentralisierungspo-litik des Königs eingestellt. Sieverweigerten ihm die geforderteHeerfolge.In dieser kritischen Lage traten imReich zum ersten Mal die Städteaktiv als Bundesgenossen der Zen-tralgewalt aktiv hervor, von der sie

Unterstützung im Kampf gegen diefeudalen Stadtherrn erwarteten. Vorallem in den Städten am Rhein,die, verkehrsgünstig gelegen, wirt-schaftlich zu erstarken begannen,fand der König Hilfe im Kampfmit seinen fürstlichen Gegnern.Als Heinrich IV. Sachsen flucht-artig verlassen mußte und seinenWidersachern weitgehend machtlos

gegenüberstand, leisteten ihm die

Ein verschuldeter Bauer wird in

das Gefängnis gebracht.

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Ei

Bäuerlicher Abgabenkalender

Bürger von Worms die dringendbenötigte Hilfe. Sie verjagten ihrenStadtherren, den Bischof Adalbert,

der den Einzug Heinrichs IV. in dieStadt verhindern wollte, öffnetendem König die Tore und gewährtenihm finanzielle Mittel sowie mili-tärischen Beistand. Dafür erteilte

Heinrich IV. der Stadt ein Zoll-privileg. In der am 18.Januar 1074der Stadt Worms ausgestelltenUrkunde wird unter anderem er-klärt: „Wir lernten sie (die Bürger –

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Die Bürger von Worms unterstützen Heinrich IV. im

Kampf gegen die Fürsten (1073)

Hier wurde er von den Bürgern mit großem Gepränge indie Stadt eingeholt" diese hatten, um ihre Parteinahme fürihn noch deutlicher zu beweisen, kurz vorher die Kriegs-mannen des Bischofs, die seinen Einzug verhindern woll-

ten, aus der Stadt gejagt, und sie hätten den Bischof sei- „ber gefangengenommen'und ihm in Ketten ausgeliefert,hätte er nicht in eiliger Flucht die Stadt verlassen. Beim 'JJIHerannahen des Königs also zogen sie ihm bewaffnetund gerüstet entgegen, nicht um Gewalt zu brauchen, son-dern damit er beim Anblick ihrer Menge, ihrer Rüstung,der großen Zahl kampfbereiter junger Männer in seiner Not &‚erkenne, wie große Hoffnung er auf sie setzen könne.Bereitwillig geloben ie ihm eistand, schwören hmTreue, erbieten sich, jeder nach besten Kräften aus seinem

1 Vermögen zu den Kosten der Kriegführung beizutragen, '4 und versichern ihm, zeit ihres Lebens treu ergeben für

seine Ehre kämpfen zu wollen. So hatte nun der König

eine sehr stark befestigte Stadt in Händen, und sie war seit-dem sein Hauptquartier, sie war die Schutzwehr seinesThrones, sie war für ihn, wie auch die Entscheidung fal-len würde, ein sicherer Zufluchtsort, denn sie war volk-reich, sie war wegen der Stärke ihrer Mauern uneinnehm-bar, sie war infolge der Fruchtbarkeit der Umgebung

j  außerordentlich reich und aufs beste mit allen für einenKrieg notwendigen Vorräten versehen.

Lampert von Hersfeld

rx

Kanonische Wahlen

Entsprechend den von derKirche anerkannten und fürverbindlich erklärten Schriftender Bibel vollzogene Wahleneines geistlichen Würdenträgers

Klerus

Alle Angehörigen des geist-lichen Standes

Episkopat

Gesamtheit der katholischenBischöfe in einem Land

Patriarch

In der christlichen Kirche Bi-schof in hervorgehobener Std-Ring

Zentralgewalt

Bezeichnung für das König-tum sowie für die von ihm ge-gen den Widerstand der weltli-chen und geistlichen Fürsten.den Partikulargewalten, ausge-übten Macht

S. E.) kennen, wie sie bei der ge-waltigen Bewegung im Reiche ihreAnhänglichkeit mit großer undausgezeichneter Treue bewiesenhaben, obwohl wir doch für diesehervorragende Treue weder münd-lich noch schriftlich, weder persön-lich noch durch Boten oder ir-gend jemanden Anlaß gaben. Wirnannten ihre Treue deshalb so hervorragend, weil sie allein todes-

mutig und Wider Willen ihrer Herren uns anhängen, während alleReichsfürsten ihre heiligen Treu-schwüre brechen und gegen unswüten... Sie mögen deshalb dieersten in der Belohnung ihresDienstes sein... Sie, die allen inPflichterfüllung und Treue voran-stehen. Die Bewohner aller Städte

aber", so heißt es weiter, „mögendurch die Hoffnung auf königlicheFreigiebigkeit, wie sie die Wormser

nunmehr erlangt haben, erfreutwerden.Sie alle sollen lernen, wie sie demKönig die Treue bewahren müssen."

Der Beistand der Wormser Bürgerund die Hilfe der Ministerialen er-möglichten es Heinrich IV. schließ-lich, mit einem kleinen Heer an diehessisch-thüringische Grenze vor-

zudringen. Da sich die Stärke derköniglichen Streitmacht aber nichtmit dem militärischen Aufgebotder sächsischen und thüringischenFürsten messen konnte und für grö-ßere kriegerische Aktionen zu

schwach war, suchte Heinrich IV.durch Verhandlungen seine Posi-tion gegenüber den Aufständischenzu festigen. Durch Konzessionenwollte der König den Adel kompro-mißbereit machen. So versprach er,Otto von Northeim, den einfluß-reichen Anführer der Erhebung,wieder in das ihm entzogene Her-zogtum Bayern einzusetzen, underklärte sich bereit, die Wünscheder Fürsten zu erfüllen. Der aus

Magdeburg stammende Verfasserdes Werkes „Lied vom Sachsen-krieg , Bruno, formulierte die

Bedingungen so: Der König müsse

seine Burgen schleifen und dürfesie nie wieder herstellen; er dürfeihr Land nicht mehr plündern undmüsse in Sachsen alle Anord-nungen nach dem Rat der Sachsen(des sächsischen Adels — S. E.)tref-

fen. Er dürfe keinen Mann aus frem-

dem Stamm als Berater bei den An-gelegenheiten hinzuziehen (d. h.keine schwäbischen Ministerialen —S.E.) und sich niemals an einem

von ihnen (den Fürsten - S.E.)wegen seiner Vertreibung rächen.Diese wichtigen Forderungenakzeptierte der König in demam 2. Februar 1074 in Gerstungengeschlossenen Frieden zunächstweitgehend, erfüllte sie dann abernur teilweise. So suchte er Vor-wände, „um seine Burgen nicht so-gleich ... zerstören zu müssen.Als einige unserer Fürsten sahen",so berichtet der Chronist Bruno,

„daß er die Sache hinauszuschie-ben trachtete, rieten sie ihm zu Ge-fallen,die Hauptburg, die er erhalten

wollte, einem sächsischen Fürsten

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scheinbar zu übergeben, bis sich derVolkszorn ein wenig gelegt habe,dann könne die Burg seinem Wun-sche gemäß unversehrt erhaltenbleiben. Das Volk bestand näm-lich ausdrücklich auf ihrer Schlei-fung und betonte, es werde sichsofort von neuem erheben, wenn

Goslarer Münze mit dem BildnisHeinrichs IV.

Die Kaiserpfalz zu Goslar

auch keine Hilfe für die Stadt, alses dem Erzbischof schließlich ge-lang, nach Köln zurückzukehrenund den Aufstand niederzuwerfen.Warum half der König der StadtKöln nicht? Dafür gibt es mehrereGründe. Einer davon ist, daßHeinrich IV. im Frühjahr 1074 ge-rade erst einen Kompromiß mit

den Fürsten ausgehandelt hatteund diese erzielte Übereinkunftnicht durch eine Parteinahme zu-gunsten der Bürger gegen den mäch-

das nicht geschehe." Damit deu-tet sich eine Entwicklung an, diedarauf hinauslief, daß der Adel dieInteressen seiner bäuerlichen Ver-bündeten schließlich verriet. Diesedrangen, als Heinrich IV. in derBurgenfrage nichts unternahm, ge-gen den Willen des Adels in diePfalz Goslar ein, wohin der Königzurückgekehrt war. Er suchte dieerregte Menge mit der Zusage zu

beschwichtigen, er werde alleBefestigungsanlagen unter derBedingung abbrechen lassen, daß„Sachsen und Thüringer" ihre neuerbauten Burgen ebenfalls nieder-legten. Die Adligen dachten jedochwie Heinrich IV. nicht daran, indieser Richtung aktiv zu werden,da beide auf Festungen zur Be-herrschung ihrer Untergebenennicht verzichten konnten.Als die Bauern merkten, daß sie

hintergangen werden sollten, daßKönig und Fürsten sich hinsicht-lich der bäuerlichen Hauptfor-derung, die Burgen abzubrechen,

auf Kosten der Bauern geeinigthatten, griffen sie zur Selbsthilfe.Ohne Wissen des sächsischenAdels rissen sie die Harzburg,„das Joch Sachsens", nieder, zer-störten die Feste „und ließen nichteinmal die Fundamente der gewal-tigen Mauern in der Erde".Im Frühjahr des Jahres 1074 kam esinnerhalb des deutschen Feudal-staates nicht nur zu Erhebungen

von Bauern, wie im sächsisch-thüringischen Raum, sondern auchzu Aufständen der Städtebürgergegen ihre Herren. Das Beispiel,das 1073 Worms gegeben hatte,zündete im April 1074 in Köln. Alsdort der Erzbischof Anno einSchiff eines Kölner Kaufmannsin seine Gewalt brachte, bewaff-neten sich die ergrimmten Bür-ger. Sie gingen gegen den Erzbi-schof vor, der gerade noch fliehen

konnte. Die Stadtbewohner batenden König, die Stadt unter seinenSchutz zu stellen - doch ohneErfolg. Der König entsandte

tigen Erzbischof Anno von Kölngefährden wollte. Ein anderer, sehrwichtiger Grund war der; Dieherrschende Klasse, der Königeingeschlossen, stand damals nochganz unter dem Eindruck der Zer-störung der Harzburg wenige Wo-chen zuvor. Sie führte allen Feu-dalherrren, den großen wie denkleinen, in alarmierender Weise dieGefahren vor Augen, die die Akti-

vität der Volksmassen, besondersder bewaffneten Bauern in sichbarg. Vor allem die süddeutschenFürsten, die noch im Herbst 1073dem König jede Hilfe verweigerthatten, hielten deshalb ein Zusam-menwirken aller Feudalgewalten,zumindest vorübergehend, für ge-boten und unterstützten Hein-rich IV. militärisch.Auch sächsische Adlige, wie Ottovon Northeim und Udo von der

Nordmark, die zunächst auf derSeite der sächsischen Bauern ge-kämpft hatten, ergriffen dieFlucht, als sich die Überlegenheit

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2 E ppe r le in , Canos s a

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des königlichen Heeres abzeichnete.

Viele sächsische Fürsten ließen ihre

bäuerlichen undesgenossen al-len. Der Klassenkampf zwischen ?Schilderung der Kämpfe um die Heimburg (1073)Bauern nd eudalherren er-

schärfte sich erneut. Die Bauern Diese hoch auf dem Berg gelegene Burg

waren in den nun folgenden be- umzingelten also 3000 Mann im Schweigen der Nacht.

waffneten useinandersetzungen Kaum erwarteten sie den Tag, da stürmten sie mit aller

mit den Feudalgewalten und dem Macht den Berg hinauf und versuchten, ihn im Kampf

Heer des Königs weitgehend auf zu ersteigen;sich gestellt. Ihr Kampfesmut war mittels eines Schutzdaches suchten sie den feindlichen

jedoch ungebrochen. Die Bauern Geschossen zu entgehen,

waren est ntschlossen, hren . von allen Seiten drangen sie heran und erklommen den

Bedrückern it allen zur Verfü- Abhang;

gung stehenden Mitteln entgegen- die Rechte half beim Klettern, während die Linke die

zutreten: „Alle Bauern zerbrachen Waffen trug.

ihr Ackergerät und machten Waf- So stiegen sie hinauf und näherten sich schon der

fen daraus, an chwere Hacken Umwallung,

schmedeten ie weischneidige . da sahen sie plötzlich tapfere Feinde von oben gegen sie

Schwerter aus gebogenen Sicheln, heranstürmen,

und auf Stangen setzten sie Spitzen. völlig zum Kampf gerüstet.

Ein eil ängte eichte childe Großes Geschrei erhob sich sofort auf beiden Seiten,an die Linke, die einen machten aus Geschosse, von weit her geschleudert, rissen zahlreiche

Eisen eine Art Reiterhelm, die an- Wunden.

deren aus dreifachem Filz; eiche- Dann kämpfte man mit dem Schwert, ein erschreckender

ne Knüppel für den Kampf be- Anblick.

reiteten sie zu Tausenden und be- Da gab es kein Zögern, kein Ruhen; die Burgmannen

schwerten sie mit Blei und Eisen. als die besseren

Auf vielfache Art bewaffneten sich Krieger schlugen das Volk aus dem Feld und in die

die Bauernhaufen zum Kriege." Flucht,...So werden im „Lied vom Sachsen-krieg" die Rüstungen der Bauerngeschildert. m uni 1075 tieß Die Zerstörung der Harzburg im Frühjahr 1074

das wohlbewaffnete, südlich desThüringer aldes ufgestellte Sie zerstörten die Mauern, erbrachen die königliche

Heer HeinrichslV. auf die säch- Schatzkammer,

sische treitmacht. as ufge- Schätze und neue, goldstarrende Kultgewänder,bot der Bauern wurde schließlich goldene Gefäße, Rauchfässer, Schalen und Herrschafts-nach erbittertem Kampf von den zeichen

überlegenen und kriegserfahrenen raubten sie in großer Zahl, äscherten die Gebäude ein

Streitkräften des Königs und an- und sogar gegen Gott wandten sie die Waffen ihrer

derer Feudalherren in der Schlacht Raserei:bei Homburg an der Unstrut am sie drangen in die Kirche ein, rissen von den heiligen9. J uni 1075 geschlagen. Altären den goldenenAls Heinrich IV. im Herbst einen Zierat, zerstörten Bilder und Schreine

nochmaligen Feldzug gegen ver- und den Geistlichen, die schon ihren heiligen Dienstschiedene sich noch widersetzende versahen,

sächsische Adlige plante, verwei- rissen sie die Gewänder vom Leib und wagten es, siegerten nunmehr die Herzöge Ru- mit Fäusten zu schlagen,dolf von Schwaben und Berthold goldene Kreuze mit ihren blutigen Händen zu zerstückelnvon Kärnten die Heerfolge, da sich und die Gräber der Toten zu schänden, indem sie diedie bewaffnete Aktion des Königs Gebeine zerstreuten;nach der Niederlage der Bauern nun es gab keine Schreckenstat, die sie nicht vollführtenin erster Linie gegen die sächsi-schen Feudalherren gerichtet hätte

und amit iner tärkung erZentralgewalt ugute ekommen Aus: Das Lied vom Sachsenkrieg

wäre. ennoch gelang es Hein-richlV. chließlich, die apitula-tion der sächsischen Fürsten zu - .

erreichen. Sie unterwarfen sich im -

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Oktober 1075 in der Ebene von rungen. Doch sollte sich bald zei- wenden. Im Papsttum fand sieSpier bei Sondershausen. en, daß sich diese noch längst ald einen mächtigen Verbündeten.

Damit hatte Heinrich IV. einen nicht geschlagen gab. Sie warteteeindrucksvollen Sieg über die nur auf eine günstige Gelegenheit,Adels- und Fürstenopposition er- sich erneut gegen den König zu

R e f o r m b e r K i r c h e

Gehen wir noch einmal zurück bisin das Jahr 1046. Der damals vonHeinrich 1 11. ingesetzte apst

Clemens . und sein Nachfolger,der im Dezember 1048 auf den„Stuhl Petri" erhobene Bischofvon Toul, Papst Leo IX., warenAnhänger einer Reformbewegung.

Diese begann sich seit dem Endedes 10. Jahrhunderts und Anfangdes 11. Jahrhunderts von Frank-reich und Lothringen aus zu ver-breiten und zielte darauf ab, dasstark zurückgegangene Ansehenvon Kirche und Klöstern wieder-herzustellen.Strenge Einhaltung der Kloster-regel, Keuschheit, verbesserte Be-wirtschaftung der Klostergüterwaren einige der wichtigsten For-derungen der Mönche des lothrin-gischen Klosters Gorze bei Metz,von dem die reformerischen Akti-vitäten ausgingen. Diese Forderun-gen, die zu Beginn des 11.Jahr-hunderts auch in das Rheingebiet,nach Bayern, Schwaben und Hes-sen getragen wurden, hatten dieUnterstützung der deutschen Zen-tralgewalt. Sie suchte das durchReform gehobene wirtschaftlicheLeistungsvermögen der Klöster fürihre Belange zu nutzen. Diese gutenBeziehungen der deutschen Königeund Kaiser zu den Reformern ver-schlechterten sich jedoch in demMaße, wie diese weitergehendeZiele verfolgten. Hier sind vorallem die Mönche des KlostersCluny in Burgund zu nennen, beidenen sich im 10. Jahrhundert eben-

falls ein Zentrum kirchlicher Re-formbestrebungen herausgebildethatte.Damals fehlte in Frankreich einestarke handlungsfähige Zentral-gewalt. Ständige Adelsfehden zogen

das Land in Mitleidenschaft. Die

weltlichen Feudalherren plündertenden Kirchenbesitz, viele Klösterverarmten, die Mönchsregeln wur-den kaum noch beachtet. DieMönche sah man eher bei Schmau-sereien und Gelagen als in der Kirche oder bi frommen Übungen.Die Klostergebäude verfielen, Un-

Vy'j hel,n. Abt ()t II,rsau

kraut und Gestrüpp wucherten inden Kreuzgängen derKlöster. Durch

Reformen sollte diesen in den ver-schiedenen Klöstern aufgetretenenMißständen begegnet werden.Im Gegesatz zu den gemäßigten

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Reformzielen des Klosters Gorzebeschränkten sich die Mönchedes Klosters Cluny, die Cluniazen-ser, jedoch nicht darauf, den Ver-fall des Mönchtums zu überwindenund die klösterliche Zucht zu

heben. Die Cluniazenser Reform-richtung war vielmehr bestrebt,die Klöster aus der Abhängigkeit

von weltlichen Feudalgewaltenherauszulösen und sie schließlichganz davon zu befreien. Letztlichmußte sich der Stoß dieser Reform-richtung auch gegen den deutschenKönig richten, der ja in der kaumbeschränkten erfügungsgewaltüber geistliche Institutionen diewichtigste innenpolitische Stützeseiner Herrschaft erblickte.Für die weitere geschichtlicheEntwicklung fällt ins Gewicht, daß

das Papsttum, das die cluniazen-sischen Reformvorstellungen inseinem Interesse wesentlich wei-terentwickelte, seine wirtschaft-liche Position stärken konnte, aufdiese Weise seine politische Stel-lung in der Feudalgesellschaftfestigte und allmählich immer mehran Einfluß gewann.

Kloster Cluny

Heinrich IV. verfügt selbstherrlich über Reichsab-teien, die er als königliches ‚Eigentum' betrachtet

Heinrich IV. hatte die Reichsabtei Lorsch am 6. Sept. 1065

dem Erzbischof Adalbert von Bremen geschenkt;dem widersetzte sich Abt Udalrich, und die Vasallendes Klosters erbauten sogar eine Burg. Daraufhin rich-tete der König an den Abt folgendes Schreiben: „Hein-rich, durch Gottes Gnade König, versichert Abt Udalricheinstweilen noch seiner Gunst.Wir wundern uns, dich, dem mehr als allen Gehorsamziemt, ungehorsam zu sehen, ohne daß du bedenkst, wasdu bist, und daß du nicht ungestraft handeln kannst. Wirhörten nämlich, daß du einen Aufruhr erregen willst; aberdu überlegst nicht sehr klug, was das Ende dieses Auf-ruhrs sein wird. Daher ist es unser Wille und befehlenwir nachdrücklich bei unserer Gnade, daß du ohne Zögernam Fest Allerheiligen (1. Nov.) zu uns nach Goslar kommst,falls du in unserem Reich noch etwas gelten willst."

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Das war der Titel einer Schrift,die 1058 der einflußreiche Geist-

liche und radikale Reformanhän-ger Kardinal Humbert von SilvaCandida vorlegte. In seiner Pro-grammschrift erweist sich Humbertals energischer Verfechter desprinzipiellen Vorranges der geist-lichen Gewalt vor aller weltlichen.In den Auffassungen Humbertsverhielten sich Staat und Kirchewie Leib und Seele, Glieder undHaupt, Mond und Sonne. So wiedie Seele den Körper leite und

lenke, so befehle die geistlicheGewalt dem König, dessen Pflichtes sei, dem Wort der Kirche Folgezu leisten. Humbert wendet sich inscharfen Worten gegen die Simo-nie, also den Schacher mit geistli-chen Ämtern. Doch nicht allein dieVergabe oder der Erwerb kirch-licher Würden für Geld waren fürihn Simonie, sondern auch derEmpfang geistlicher Ämter ausLaienhand überhaupt, und alsLaien im kirchlichen Sinne sah er

auch den König an. Es sei eine un-erhörte Anmaßung, wenn Laien

Geistliche mit Ring und Stab ver-sähen und in ein Amt einsetzten.„Ich selbst erinnere mich", schriebHumbert, „gesehen zu haben, wieeinzelne (der Bischöfe—S. E.)durchweltliche Fürsten durch die dasHirtenamt verleihenden Stäbe undRinge mit Bistümern und Abteien in-vestiert wurden, und daßderen Me-tropoliten (Erzbischöfe - S.E.)

obwohl sie anwesend waren,nicht herbeigezogen wurden und es

nicht wagten, irgendwie dagegenzu mucksen." Ein König, der sichsimonistischer Handlungen schuldig

mache, sei alles andere, nur keingottgewollter Herrscher. In diesemZusammenhang erhebt Humbertgegen Könige und Fürsten schwereVorwürfe. Sie trieben mit dem Gutder Kirche Handel, vernachlässig-ten ihre Herrscherpflichten, indemsie ihre Bestrebungen darauf rich-teten, die kirchlichen Besitztümer

an sich zu reißen. Ja, mehr noch.

Der König versuche, überhaupt inder Kirche zu herrschen. Auf den

Synoden hätte er den Vorsitz, undalles werde nach seinem Urteil ent-schieden. Bei den Bischofswahlengäbe das königliche Wort den Aus-schlag und nicht das der Metro-politen. Das sei gegen alles Recht.Überhaupt hielten die Könige seitder von Otto 1. vorgenommenenErneuerung des römischen Kaiser-tums, die Kirche in ärgster Knecht-schaft. Das war eine deutlicheKampfanansage an das Reichs-

kirchensystem und damit an diedominierende Stellung, die derdeutsche Herrscher als Priester-könig in der Kirche einnahm.Humbert begnügte sich indeskeineswegs nur damit, sich mitstarken Worten gegen das tradi-tionelle Schalten und Walten derHerrscher im kirchlichen Bereichzu wenden. Er ging noch einen wich-

tigen Schritt weiter und appelliertean das Volk, die Gegner der von ihm

geforderten Reformen zu verjagen.

Ein weiterer wichtiger Schritt

zur Zurückdrängung des Einflussesweltlicher Mächte auf kirchlicheAngelegenheiten wurde auf einerSynode getan, die am 13. April 1059in Rom unter Papst Nicolausil.zusammentrat. Diese Synode er-kannte den von Kardinal Hum-bert erweiterten Bedeutungsinhaltdes Begriffes Simonie ausdrücklichan und verwarf jede Investiturgeistlicher Würdenträger durchLaien entschieden. Ganz im Sinneder radikalen Reformanhänger wur-

den außerdem auch die Laien zumWiderstand gegen ungehorsamePriester aufgerufen.Ihre besondere Bedeutung erhieltdie Synode jedoch durch die von

ihr beschlossene Neuordnung derPapstwahl, die traditionsgemäß„Klerus und Volk" von Rom zu-stand. Jetzt wurde festgelegt, daßnach dem Tode eines Papstesdie Kardinäle die Wahl eines neuen

Papstes vorzunehmen hatten. DerWandel in den Beziehungen zwi-schen Zentralgewalt und Kuriewurde daran deutlich, daß die demdeutschen Herrscher zustehendenRechte in nur sehr unverbindlicherForm erwähnt werden. Hatte

Heinrich III. im Jahre 1046 nochsouverän in die Geschicke desrömischen Papsttums eingegriffen,so wurde nun lediglich davon ge-sprochen, man solle dem Königdie „schuldige Ehre" erweisen.

Was darunter zu verstehen war,wurde nicht gesagt. Praktisch wurdeder Einfluß des Kaisers bei derPapstwahl auf ein Zustimmungs-recht beschränkt. Aber selbst dieserletzte Rest einstiger kaiserlicherMachtfülle wurde als päpstlicherGnadenerweis angesehen. Da kein

Mensch, kein König und kein Kaiserdie römische Kirche gegründethabe, so dürfe auch niemand einVorrecht in dieser Kirche bean-spruchen, werde dennoch einemLaien eine Mitwirkung gestattet,dann wäre dies ein Geschenk, dasdie Kirche zurücknehmen dürfe.Insgesamt gesehen wurden die bis-her bei der Wahl eines Papstesexistierenden inwirkungsmög-

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lichkeiten des römischen Adels und gewalt wurde immer mehr zum Dinge trieben der Entscheidung zu,der deutschen Zentralgewalt aus- Schlachtruf, unter dem das Reform- als mit Gregor VII. eine überra-geschaltet. Freiheit für die Kirche papsttum seine Getreuen in den gende Persönlichkeit an die Spitzevon jeglicher weltlichen Feudal- ampf zu führen gedachte. Die der römischen Kirche trat.

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Im Gefolge Papst Leos IX. war1049 auch ein Mann nach Rom ge-kommen, der in den folgenden Jahr-

zehnten die künftigen Geschickedes Papsttums in tiefgreifenderWeise beeinflußte. Sein Name warHildebrand. Dieser als Sohn einesBauern in der Toskana geboreneGeistliche wurde unter Papst

Nicolaus 1059 Kardinal. Man nann-te Hildebrand das „scharfsichtigeAuge des Papstes". Tatsächlichwurde er zu einem der einfluß-reichsten Akteure an der römischenKurie, deren weitere ökonomischeStärkung, straffe ZentralisierungLind politische Festigung er ent-schlossen vorantrieb. Im April 1073

wurde er von radikalen Reform-anhängern als Gregor VII. zumPapst gewählt. Er suchte die derKurie aus kirchlichen Besitzungenzufließenden Einkünfte und fi-nanziellen Leistungen zu steigern.Hand in Hand mit wirtschafts-politischen Maßnahmen gingenaußerdem Versuche, das Ansehendes Reformpapsttums bei derGeistlichkeit außerhalb Italiensganz allgemein zu stärken. Auf drei-fache Weise forcierte Gregor VII.die in diesem Zusammenhangunternommene Zentralisierung der

Kirche. Hatten etwa bis PapstLeo IX. in den einzelnen Kir-

chenprovinzen von Erzbischöfengeleitete Synoden überwogen, sowurden nun die in Rom vor Osternstattfindenden, vom Papst gelei-teten sogenannten Fastensynodenzu einer bleibenden Einrichtung.Die geistlichen Würdenträger ausden verschiedenen europäischenLändern hatten hier zu erscheinen,um päpstliche Weisungen entge-

genzunehmen. Fanden Provinzial-synoden statt, so führten vom Papst

eigens dafür eingesetzte Legatenden Vorsitz. Aktivitäten auf miii-

tärischem und politischem Gebietrunden das Bild ab. Auch hier kon-solidierte das Reformpapsttum

seine Stellung.Ganz wesentlich für die Stärkungdes Reformpapsttums fiel schließ-lich ins Gewicht, daß es mit der von

Dictatus Papae (Papstdekret)

vom März 1075

Kardinal Humbert erhobenen For-derung Ernst machte, den Wider-stand des Volkes gegen Widersa-cher der Kirche zu mobilisieren -

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1

Äi

Investitur(lateinisch: investire) Einset-zung eines Geistlichen, z. B.eines Bischofs oder Erzbischofsin sein Amt

MinisterialenPersonen unfreier Herkunft,

die, seit dem 10. Jahrhundert mitDienstgütern und Einkünftenversehen, als Verwalter von Hof-ämtern in der unmittelbaren Um-gebung des Königs eine wich-tige Rolle spielen

MetropolitVorsteher einer Kirchenprovinz,

ErzbischofSynode

Kirchenversammlung

Römische KurieHofstaat des Papstes, ein-schließlich der römisch-katho-lischen Kirche

eine Haltung, die im Gegensatz zuder bisher vom Papsttum verfolgtenPolitik stand, gegen die ObrigkeitkeineGewalt zuzulassen. Besondersdeutlich kam dies am BeispielMailands zum Ausdruck, das inOberitalien eine beherrschendeStellung einnahm. Als sich hier umdie Mitte des Ii. Jahrhunderts dieStadtbewohner gegen den kaiser-treuen Erzbischof und den Teildes Klerus erhoben, der die Re-formgrundsätze mißachtete, griffdas Papsttum entschlossen ein.1059 verbündete es sich mit derstädtischen Opposition Mailands.Sechs Jahre später erhielt Erlem-bald, der Führer der „Pataria",wie sich dieser Bund der Oppo-sitionellen, wahrscheinlich nachdem Stadtviertel der Trödler undLumpenhändler, nannte, von Alex-ander , eine Petrusfahne undwurde damit Vasall Roms. Abernicht nur in der Stadt, sondern auchbei der ländlichen Bevölkerungblieb der Appell des Reformpapst-

Gefährdung der Christen durchden Teufel

Pontifex als Beschützer der Kirche(der oberste Priester, der Papst)

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tums, unter der Losung „Frei-heit und Reinheit der Kirche" ge-gen ungehorsame, also simonisti-sche oder verheiratete Priester vor-zugehen, nicht ungehört und nichtohne Folgen. Priester, die dasZölibat nicht einhielten, wurden ver-höhnt und mßhandelt. In Schwaben,

wo die von dem Kloster Hirsau

ausgehende Reformbewegung dieSimonie entschieden verwarf, ver-brannten Bauern auf ihren Feldernden Getreidezehnten, damit ernicht in die Hände unwürdigerPriester kam. Die von verheiratetenPriestern geweihten Hostien wur-den von den Gläubigen mit Füßen

getreten, der beim Abendmahlgereichte Wein wurde absichtlichverschüttet, die Beichte und dieletzte Ölung wurden ebenso ver-schmäht wie ein kirchliches Be-gräbnis, wenn der Priester zu den„Ungehorsamen" gehörte. Laienbegannen, Kinder selbst zu taufenin dem Glauben, die Sakramente

besser verwalten zu können alssolch ein Priester. Wenn die Gläu-

bigen schließlich die Weihe durcheinen simonistischen Priesterablehnten, so taten sie genau das,was Gregor VII. 1074 in einemBrief an den Erzbischof von Mainzgefordert hatte.

Die Unvermeidlichkeit des Zusam-menstoßes des Papsttums unddes deutschen Königs resultiertenaber nicht allein aus dem Reichs-kirchensystem in Deutschland.Vielmehr wurden die Spannungendurch die deutsche Italienpoli-tik, durch die Herrschaft des deut-schen Königs über Bistümer in

Ober- und Mittelitalien entschei-dend verschärft. Auf Eingriffe derdeutschen Herrscher in Gebietesüdlich der Alpen reagierte dasPapsttum besonders empfindlich,so daß der G egensatz zur deutschen

Reichsgewalt schließlich unüber-windlich wurde.

In tet)nBißchöfe

Angesichts dieser Situation war esselbstverständlich wichtig, wiesich der deutsche Klerus gegenüber

den immer entschiedener erhobe-nen Forderungen des Reform-papsttums verhielt. Da gab esmehr Streitpunkte als Überein-stimmung. Vor allem waren die

päpstlichen Legaten, die Synodenin Deutschland abhielten, ohnesich um das Einberufungsrechtder Bischöfe zu kümmern, äußerstunbeliebt. Verweigerten die geist-lichen Würdenträger den Legatenden Gehorsam, so wurden sie vorden Papst nach Rom geladen undmußten sich dort verantworten.Kamen sie nicht, wurden sie ihrer

Ämter enthoben. Das mußte auchErzbischof Liemar von Bremen

erleben. Er schrieb über Gregorvoller Zorn: „Der gefährliche

Mensch gedenkt, was er will, denBischöfen wie seinen Gutsverwal-tern zu befehlen. Und wenn sienicht alles getan haben, werden sienach Rom kommen oder ohne ge-richtliches rteil bberufen."Geschickt suchte Heinrich IV. dieMißstimmung der geistlichen

Würdenträger für sich auszunutzenund deren Sympatie für die könig-

liche Politik zu gewinnen.Der Papst war gewillt, sich durch-zusetzen. Er war fest entschlossen,

sich regende Widersetzlichkeiten

zu bestrafen, „den Trotz der Un-gehorsamen" zu bändigen, wieGregor in einem Brief an den Erz-

bischof vom Reims im März 1075schrieb.Im Frühjahr 1075 ließ Gregor VII.seine von ihm mit immer stärke-rem Nachdruck verfochtenen

Grundgedanken in 27 Thesen nie-derlegen. Der Inhalt der in dasBriefregister des Papstes einge-tragenen Thesen des „DictatusGregorii Papae" läßt sich folgen-dermaßen zusammenfassen: 1. DerPapst ist der unumschränkte Herrder Universalkirche. Er hat denabsoluten Vorrang vor allen

kirchlichen Würdenträgern in

Westeuropa und vor dem Patri-archen in Konstantinopel. Er

kann Metropoliten und Bischöfeab- und einsetzen. Seine Legatenstehen über den Bischöfen.2. Der Papst ist der oberste Herrder Welt. Er allein trägt kaiser-liche Insignien, die also in keinerWeise ein besonderes Symbolweltlicher Herrschaft sind. Tat-sächlich war die Tiara, die päpst-liche Kopfbedeckung, mit einemKronreif geschmückt. Ende des13. Jahrhunderts gesellte sich dazu

ein zweiter und im 14.Jahrhundertein dritter Kronreif.Weiter wurde festgelegt, daß alleFürsten dem Papst die Füße zu

küssen haben. Er kann Kaiserabsetzen und weltliche Unterta-nen vom Treueid lösen.Der Papst steht unter dem beson-deren Schutz des Apostels Petrus.Der rechtmäßig gewählte Papstwird durch die Verdienste des Pe-trus heilig. Er darf von niemandem

gerichtet werden.Kein Zweifel: aus der alten Re-formforderung nach Freiheit vonweltlicher Gewalt war nunmehrendgültig der Anspruch auf Vor-rang der Kirche vor allen welt-lichen Dingen geworden. Nurnoch wenige Monate vergingen,und es entluden sich die ständiggewachsenen Spannungen zwischen

Gregor VII. und Heinrich IV., der inwesentlichen Grundzügen seiner

Politik in diametralem Gegensatzzu dem stand, was der Papst dachte

und wollte. Der Konflikt ent-

zündete sich da, wo die Auffassun-gen am weitesten auseinander-gingen: an der Investiturfrage.Im Herbst 1075, nach der Nieder-werfung des Sachsenaufstandes,wandte sich Heinrich IV., der dieGrundlagen seiner Herrschaft wie-der gefestigt glaubte, erneut Italienzu. Hier, im Norden des Landes, in

Mailand, setzte Heinrich IV. einenneuen Erzbischof ein. Gleich-zeitig ernannte der König in •denetwa 100 Kilometer von Rom

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Investitur eines Bischofs. Über-reichung des Stabes durch denKönig

Heinrich IV. auf seinem erstenKaisersiege . Umschrift: HeinricusD(ei) gr(atia) ter ciu Romanoorumimperator aug(ustus)

entfernt gelegenen Orten Fermound Spoleto neue Bischöfe.Aber genau das, Bischöfe einzu-setzen, also Bistümer zu vergeben,hatte Gregor VII. im Februar 1075dem König untersagt.Am 8. Dezember 1075 sandte er

Heinrich IV.inen nverhüllt

feindseligen Brief, der nichts an-deres als ein Ultimatum war. Inihm wird der König hart dafür ge-tadelt, daß er noch immer nicht dieaus der Kirche ausgestoßenen Rat-geber aus seiner Umgebung ent-fernt habe. Ganz entschieden ver-bietet der Papst Heinrich IV., sichin irgendeiner Weise in die Ange-legenheiten der Stadt Mailand ein-zumischen. War schon der Wortlaut

des Briefes drohend, so nochmehr die geheime Botschaft, diedie Überbringer des Schreibensdem König mündlich zu übermittelnhatten. Sie sollten Heinrich IV.

unmißverständlich larmachen, zu erwarten habe, falls er sichdaß er nicht die erhoffte Kaiser- nicht schleunigst dem päpstlichenkrönung, sondern den Ausschluß Willen unterwerfe und unverzüg-aus der Kirche und die Absetzung lich Buße tue.

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K R Das deutsche Kaiserreich im 11. Jh.N E

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Goslarer Münze mit dem BildnisHeinrichs IV.

Kaiser Heinrich IV. 1

K a m p fa n o a g e K ö n ig H e in r ic h IV .

Den Brief und die Drohung desPapstes erhielt Heinrich IV. am Neu-

jahrstag des Jahres 1076 in seinerPfalz Goslar, wo man auf einemglanzvollen Hoftag soeben denschwer erkämpften Sieg über diesächsischen Rebellen gefeiert hatte.Heinrich IV. sah sich auf einemHöhepunkt seiner Macht. Gegen-über Gregor VII. konnte er zu-nächst auf Unterstützung durch

den deutschen Episkopat rechnen,hatte doch einer seiner namhafte-sten Vertreter, der Bremer Erzbi-schof, in gekränktem Selbstgefühl

den Papst „einen gefährlichen Men-schen" genannt, der die Bischöfeschikaniere. Außerdem vernahmman am königlichen Hofe ge-rüchteweise, daß am Weihnachts-tag 1075 ein bewaffneter Haufen,von einem erklärten Feind Gregorsgeführt, den Papst in der KircheSanta Maria Maggiore überfallen,mißhandelt, der Gewänder beraubtund in seine Gewalt gebracht hatte.

Selbst im Kardinalskollegium regtesich Widerstand.Alles in allem schien die Lagefür einen wirkungsvollen Gegen-

schlag Heinrichs IV. günstig zusein. Er berief unverzüglich dieReichsversammlung und eine

Synode nach Worms, an der nebenden weltlichen Fürsten 24 deut-sche Bischöfe sowie je ein Bischofaus Italien und Burgund teil-

nahmen. Der lange angesammelteGroll der geistlichen Würdenträgerüber den päpstlichen Zentralismusbrach nun offen hervor. In einem

von den Bischöfen unterschriebe-nen Absagebrief, in dem der Papstbezeichnenderweise nicht mehrmit seinem offiziellen Titel, son-

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dern als „Bruder Hildebrand" an-gesprochen wurde, wurden schwereVorwürfe erhoben. Er wolle diebischöfliche Amtsgewalt unter-graben, säe überall Zwietracht,bedrohe Frieden und Ordnung inder Kirche und habe unter Ver-letzung des Papstwahldekretesvon 1059 den „Stuhl Petri" be-stiegen. Daher könnten sie „Hilde-brand" nicht länger als kirch-

lichen Oberhirten anerkennen undkündigten ihm den Gehorsam auf.Der König selbst bezeichnete ineinem ebenfalls an „Hildebrand"gerichteten und nach Rom gelei-teten Schreiben Gregor VII. als„verderblichsten Feind unseresReiches", der den König seinerererbten Würde berauben wolleund Italien seiner Herrschaft zuentfremden suche. Er habe denEpiskopat geschädigt und schließ-lich gedroht, er wolle entwedersterben oder dem König Leben undHerrschaft nehmen. Daher schließeer, Heinrich IV., sich dem bi-

schöflichen Urteil an, entsetze ihnaller Rechte des Papsttums undbefehle ihm, abzutreten.Indem der König den Inhalt diesesBriefes „Klerus und Volk vonRom" mitteilen ließ und sie zumWiderstand gegen den „Feind Hil-debrand" aufrief, tat er einen er-sten Schritt, um seinerAufforderungan Gregor VII. zum Rücktritt dieTat folgen zu lassen.„Erhebt

Euch, Ihr Getreuesten, also gegenihn" so heißt es, „und der in derTreue zuerst stehende sei der

erste in seiner Verurteilung Dochwir sagen nicht, daß Ihr sein Blutvergießt, da ja für ihn nach seinerAbsetzung das Leben eine grö-ßere Strafe als der Tod ist, sonderndaß Ihr ihn, wenn er etwa nicht vonseinem Stuhl herabsteigen wolle,dazu zwingt ..." Weiterhin ließHeinrich IV. mitteilen, daß er mitdem Rat der Römer und aller Bi-schöfe einen neuen Anwärter fürdie Papstwürde erwählen werde,der die Wunden, die „Hildebrand"der Kirche geschlagen habe, heilenwolle und könne.Natürlich erhebt sich sofort die

Frage, ob die angesprochenen Rö-mer überhaupt bereit waren, in dervom König gewünschten Richtungetwas zu unternehmen. Was aber

Der Kaiserdom zu Speyer

Ein Kapitell in der Afrakapelledes Domes zu Speyer

sollte geschehen, wenn es nicht zuentsprechenden Aktionen kam, zudenen Heinrich IV. aufforderte?Bisher hatten deutsche Herrscherimmer, wenn sie über Päpste zuGericht gesessen hatten, mitHeeresmacht in Italien gestanden,

waren sie Herr der Lage gewesen.Würden diesmal Worte allein gegendas immer mächtiger gewordeneReformpapsttum ausreichen?

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Weihwasserwedel, Teil derReichsinsignien

Heinrich IV. befiehlt den in Worms versammeltenBischöfen, ‚Hildebrand' zu verdammen (24. 1. 1076)

Als sie nun mancherlei auf mancherlei Weise und ausführ-lich überlegten, dünkte es einigen von ihnen gut, wenn der iKönig in einer Versammlung der Bischöfe den Papst alssimonistisch mit einmütigem Beschluß verdammte undnach dessen Absetzung an seiner Stelle einen seiner eige-nen Freunde einsetzte, der dann alles, was dem Königbeliebte, bereitwillig ausführen würde. Er ging auf diesenRat ein und bestätigte ihn, ließ alle seine Bischöfe kommen ?und zwang sie, dem Hildebrand, der Papst genannt werde,es aber nicht sei, Unterwerfung und Gehorsam aufzu-kündigen, und damit dies auch späterhin niemand ableug-nen könnte, ließ er jeden von ihnen unter Anführungseines Namens die Absage an Hildebrand eigenhändig M

3'f und jeweils auf eine besondere Urkunde schreiben, indieser Weise: Ich, N., Bischof der Stadt N., kündige dem 7Hildebrand Unterwerfung und Gehorsam on dieser .

5

Stunde an und für die Zukunft auf und werde ihn von

jetzt an weder für den Papst halten noch so benennen. /Nur wenige, nämlich die Urheber dieses Planes, taten dasvon Herzen; die meisten schrieben vielmehr diesen Ab- .L.

' E sagebrief aus Furcht vor dem Tod, und daß sie es nurwider Willen getan hatten, bewiesen sie dadurch, daß sie

/ bei der ersten Gelegenheit Briefe mit demütigem Bekennt-nis an den Papst schickten und ihre Schuld anerkannten,sich aber durch den Zwang der Not zu entschuldigenuchten.

3 A Aus Bruno, Der Sachsenkrieg

Es wurde sehr schnell offenkun-dig, daß sich die Hoffnungen undErwartungen, die Heinrich IV.hegte, in keiner Weise erfüllten. Im

Gegenteil: Als die Boten des Kö-nigs auf einer in Rom versammeltenSynode den Brief Heinrichs IV.überbrachten und dabei dem Papstzuriefen, er, der „reißende Wolf",möge einem würdigeren Nachfol-ger Platz machen, brach ein Tu-mult aus. Man griff zu den Waffenund hieb auf die Gesandten Hein-richslV. so ein, daß sie, wie be-richtet wird, nur durch das per-sönliche Eingreifen des Papstes

einem gewaltsamen Tode entgin-gen. Doch die allgemeine Empörunghielt an. Man rief, die durch denKönig zugefügte Schmach dürfe

nicht ungerächt bleiben. Gregorsolle gegen den Lästerer vorgehen,

das Schwert gegen ihn ziehen. DieStunde des Papstes war gekommen.

In einem Gebet, das Gregor an denvon ihm besonders verehrten Apo-stel Petrus richtete, wurde derKönig feierlich verdammt. „UmDeinetwillen ist mir von Gott dieMacht gegeben, zu binden und zulösen im Himmel und auf Erden.Im Vertrauen hierauf untersageich im Namen Gottes des Vaters,des Sohn es und des Heiligen Geistes

kraft seiner Vollmacht zu Ehrenund Schutz Deiner Kirche König

Heinrich, dem Sohne Kaiser Hein-richs, der sich gegen Deine Kirchein unerhörtem Hochmut erhobenhat, die Regierung des ganzen

Königreiches der Deutschen undItaliens, befreie alle Christen vonden Fesseln des Eides, den sieihm geleistet haben oder leisten

werden, und verbiete jedermann,ihm als König zu dienen. Und weiler als Christ es verschmäht hat zugehorchen, nicht zu Gott zurück-gekehrt ist, den er durch Verkehrmit Ausgeschlossenen verlassenhatte, meine Mahnungen verachtet,sich von Deiner Kirche getrennt und

sie zu spalten versucht hat, sobinde ich ihn an Deiner Statt mitder Fessel des Fluches, auf daßdie Völker wissen und erfahren,

daß Du bist Petrus und daß auf Dei-nem Fels der Sohn des lebendigenGottes seine Kirche gebaut hatund die Pforten der Hölle sie nicht

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überwältigen werden." Zugleich das dem Heiligen Stuhl zugefügt nichtet würden. Erneut wird diewandte sich der Papst in einem worden sei. Alle werden aufgefor- Bannung des Königs und die Ent-Brief an alle Gläubigen, in dem er dert, mitzutrauern und zu beten, bindung seiner Untergebenen vomvon dem schweren Unrecht spricht, daß die Feinde bekehrt oder ver- Treueid bekanntgemacht.

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Heinrich IV. erfuhr von dem, wasauf der römischen Synode ge-schehen war, in Utrecht, wo er1076 das Osterfest feierte. Der König

nahm persönlich in demonstrativerMißachtung seiner Exkommuni-kation in vollem Königsornat amGottesdienst teil. Sogleich ließ ereine ausführlichere, effektvollereFassung des von der Synode inWorms im Jahre 1076 verabschie-deten Schreibens unter dem deut-schen Klerus kursieren, das an„Hildebrand, nicht mehr Papst,sondern den falschen Mönch"adressiert war. Heinrich lv. hälthier unter Berufung auf das Gottes-gnadentum seiner Würde demPapst entgegen, er hätte wissenmüssen, daß ein Herrscher nurvon Gott gerichtet werden könne.„Der selige Petrus ruft aus: fürchteGott, ehret den König. Du aber, derDu Gott nicht fürchtest, entehrstin mir seine Ordnung." Am Schlußdes Schreibens heißt es: „Du also,durch den Urteilsspruch aller unse-rer Bischöfe und den unsrigen ver-dammt, steige herab, verlasse denangemaßten apostolischen Sitz. Ein

anderer besteige den Thron desseligen Petrus, der nicht unter derHülle heiliger Satzung Gewalttatverberge, sondern die unverfälschteLehre des seligen Petrus lehrenmöge. Wir, Heinrich, König vonGottes Gnaden, mit allen unserenBischöfen sagen Dir: Steige herab,steige herab, der Du in Ewigkeitverdammt sein sollst."Mit diesen starken Worten warfreilich eine mit der Absetzungund Bannung HeinrichslV. ein-setzende Entwicklung nicht mehraufzuhalten, die schließlich zum

allgemeinen Abfall vom Könighinführte. Bereits auf der Wormser

Synode hatte es über das VorgehenHeinrichs unterschiedliche Auf-

Absagebrief Heinrichs IV. anPapst Gregor VII. im Winter desJahres 1077

fassungen gegeben. Widerstre-

bende hatte damals Bischof Wil-helm von Utrecht mit dem Hinweiszur Räson zu bringen versucht, daßkein Bischof dem König die Treue

halten könne, wenn er nicht mitGregor bräche. Dadurch konntenjedoch bei einigen Teilnehmern derSynode die Bedenken darüber nichtausgeräumt werden, ob man über

den Papst zu Gericht sitzenkönne, von dem es im „DictatusPapae" hieß, er dürfe von nie-mandem gerichtet werden? Der

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Krone aus dem Grab Heinrichs lV.im Dom zu Speyer

Kaiserthron Heinrichs IV. in Goslar

Brustkreuz aus dem Grab Hein-richslV. im Dom zu Speyer

König selbst zählte in Worms zwar

auf die Unterstützung seiner Bi-schöfe, wollte aber ganz sicher -gehen und veranlaßte jeden, diegefaßten Beschlüsse eigenhändigzu unterschreiben. Aber auchdabei suchte sich mancher nochein Hintertürchen offenzuhalten.

So brachte der Bischof von Hildes-heim unter seinen Namenszug dasZeichen des liegenden Spießes an,ein Zeichen, durch das Urkunden-schreiber stets die Ungültigkeitdes Wortes kenntlich machten,unter dem der Spieß lag. Wurdees einmal ernst, wurde vom Papst

einmal Rechenschaft gefordert,so konnte man sich auf die ange-deutete Zurückziehung seinerZustimmung berufen. All das zeigt,daß viele Geistliche nachdenklichwurden, weil sie es mit dem Papstnicht völlig verderben wollten.Dieser baute goldene Brücken, in-dem er ihnen Straffreiheit inAussicht stellte, wenn sie ver-sicherten, unter Druck gehandelt zuhaben, und wenn sie bis Juni 1076

Buße taten.In das weitere Geschehen griffennun entscheidend die Fürsten ein.Namentlich die sächsischenGroßen,

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die sich ein Jahr vorher, 1075, nurwiderwillig dem König gebeugthatten und nun die Stunde der Ver-geltung für gekommen hielten,riefen nun zur Erhebung gegenHeinrich IV. auf. An die Spitzeder Aufständischen trat Otto vonNortheim. Mit ihnen knüpftenauch die süddeutschen Herzöge

Verbindungen an. Einer von ihnen,Heinrichs Schwager, der HerzogRudolf von Schwaben, trat andie Spitze der antiköniglichenOpposition. Sie war entschlossen,sich mehr Einfluß auf die Re-gierung im Reich zu verschaffen.Es bot sich also den Fürsten ge-radezu an, als Vollstrecker despäpstlichen Urteilsspruches auf-zutreten, nachdem der gebannteKönig jedes Recht auf Herrschaft

verloren hatte. Schon wurde davongesprochen, daß ein neuer, geeig-neterer und besserer König ge-wählt werden müsse. Im Septemberdes Jahres 1076 kamen in Ulmin Anwesenheit zweier päpstlicherLegaten die Herzöge Rudolf vonSchwaben, WeIf von Bayern undBerthold von Kärnten sowie deraus seiner Stadt vertriebene Bi-schof Adalbert von Worms undBischof Adalbero von Würzburg

zusammen. Sie beschlossen, fürden Oktober eine Fürstenversamm-lung nach Tribur einzuberufen,auf der über alle anstehenden Fragen

verhande lt werden sollte.

Dorn zu Speyer, Mittelschiff

Im Jahre 1061 Einweihung des1030 begonnenen Dorns. Nachdem Sieg über den GegenkönigRudolf von Rheinfelden im

Jahre 10 80 läßt Heinrich IV. denDom umbauen—das M ittelschifferhält ein steinernes Gewölbeund einen Repräsentations-raum für Reichsversammlungen.Das ist ein Ausdruck der ge-wachsenen Macht des Kaisers.Neben den Domen zu Wormsund Mainz ist dieser Dom dergrößte deutsche romanischeKaiserdom.Im Dom befinden sich auch die

Grabstätten der salischen Herr-scher (Konrad II., 1024— 1039:Heinrich III., Heinrich IV.:Heinrich V., 1106-1125)

Heinrich IV. befiehlt ‚Hildebrand' (Papst Gre-

gor VII.) abzudanken (1076)

Heinrich, von Gottes Gnaden König, an Hilde-brand.

Während ich bisher das von dir erwartete, was demVerhalten eines Vaters entspricht, und dir in allemzur großen Entrüstung unserer Getreuen gehorchte,habe ich von dir eine Vergeltung erfahren, wie sienur von jemandem zu gewärtigen war, der der ver

derblichste Feind unseres Lebens und unserer Herrschaft ist. Denn nachdem du mir zunächst die ge-samte erbliche Würde, die mir jener Stuhl schuldet,in vermessenem Beginnen entrissen hattest, gingstdu noch weiter und versuchtest, mir das italienischeReich durch die schlimmsten Machenschaften zu

entfremden. Und auch damit nicht zufrieden, hastdu dich nicht gescheut, an die verehrungswürdigenBischöfe Hand anzulegen, die als die liebsten Glie-der mit uns vereint sind, und gegen göttliches undmenschliches Recht hast du sie, wie sie selbst sagen,

mit den hochmütigsten Beleidigungen und den bit-tersten Schmähungen traktiert. Da ich alles mit eini-ger Geduld hingehen ließ, hieltest du dies nicht fürGeduld, sondern für Feigheit und wagtest es, dichgegen das Haupt selbst zu erheben, und ließestverbreiten, was dir ja bekannt ist, nämlich - um

deine eigenen Worte zu gebrauchen - daß du ent-weder sterben oder mir Seele und Herrschaft neh-men wolltest.Diese unerhörte Verhöhnung glaubte ich nicht mitWorten, sondern durch die Tat zurückweisen zumüssen, und ich hielt einen Hof tag mit allen Fürstendes Reiches auf deren eigene Bitten hin ab. Sobalddas an die Öffentlichkeit gebracht wurde, was manbisher aus Scheu und Ehrfurcht verschwiegenhatte, da wurde auf Grund der wahrheitsgetreuenDarlegungen dieser Fürsten verkündet - du kannst

sie aus ihrem eigenen Schreiben entnehmen -‚ daßdu auf keinen Fall mehr auf dem apostolischenStuhl bleiben kannst. Da ihr Spruch vor Gott undden Menschen gerecht und billigenswert schien,stimmte auch ich zu und spreche dir jedes Recht,das du bisher am Papsttum zu haben schienst, ab;auf Grund des Patriziats über die Stadt Rom, dermir als von Gott gewährt und infolge der beschwore-nen Zustimmung der Römer rechtmäßig zusteht,befehle ich dir, von ihrem Thron herabzusteigen.

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3 Epperlein. Canossa

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IIMarkgraf Bonifaz von Canossa

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4 ;

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Mathilde von Tuszien

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Rt"v TCo (DTbiI.DIOS )TATq

Heinrich IV. zu Füßen der Mathilde von Tuszien bittet diese und Hugo,den Abt von Cluny, in der S. Nikolaus-Kapelle bei Canossa um Vermittlung bei Papst Gregor VIL

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Der Papst wurde von der Aktiondes Königs völlig überrascht - undzwar keineswegs angenehm. ImGegenteil: Das Eintreffen Hein-richs IV. in Italien kam Gregor VII.äußerst ungelegen. Der König wartatsächlich auf dem besten Wege,ein gemeinsames Vorgehen derFürstenopposition und des Papst-tums zu verhindern und damit denPlan Gregors zu durchkreuzen,auf dem Augsburger Reichstagpersönlich über die weiteren Ge-schicke von Krone und Reich zu

entscheiden. Dazu kam, daß Hein-richlV. in Italien zunächst vomunmittelbaren Druck der Fürstenfrei war und auf den Beistand derlombardischen Bischöfe rechnenkonnte, die als Stadtherren undStützen der königlichen Herrschaftin Italien von ihm immer wieder ge-fördert worden waren und auchweiterhin zu ihm standen.Insgesamt war also eine Situationeingetreten, die es Papst Gregor

angeraten scheinen ließ, seineReise zu unterbrechen und in dervon einem dreifachen Mauerringumgebenen Felsenburg CanossaZuflucht zu suchen. Dort erwarteteer auch die Ankunft HeinrichslV.,der dann am 21. Januar 1077 in derUmgebung der Feste eintraf. Eskam zu Verhandlungen. Aber dieBedingungen, die der Papst für dieLösung Heinrichs vom Bann stellte,erschienen den königlichen Bera-

tern zu hart, ja unannehmbar. Mandachte bereits an eine Abreise, alsHugo von Cluny, des Königs Tauf-pate, zur weiteren Fortsetzungder Gespräche ermunterte. Angeb-lich durch einen Fußfall vor seinerCousine, Mathilde von Tuszien,einer einflußreichen Persönlich-keit der engeren Umgebung desPapstes, erreichte Heinrich IV.deren Fürsprache bei Gregor. AuchHugo von Cluny sowie die Schwie-

germutter des Königs, Adelheidvon Turin, und der Markgraf Azzovon Este traten beim Papst für denKönig ein, der sich schließlich als

Büßer ohne königliche Insignien,im wollenen Gewand und ohneSchuhe vor dem Burgtor vonCanossa zeigte. Hier soll Hein-richlV. drei Tage fastend vonmorgens bis abends frierend inSchnee und Eis gestanden haben.Ob soviel Zeit verging, wissen wirnicht. Jedenfalls zögerte derPapst lange, den König zu emp-fangen. Das Verhalten Gregors isterklärlich, wenn man bedenkt, wasfür ihn auf dem Spiele stand, be-deutete doch die Bannlösung auto-

matisch einen entscheidenden Pre-stigegewinn für Heinrich IV. Vonseinen Beratern wegen allzugroßer Härte bereits getadelt,empfing der Papst schließlich denBüßer. Heinrich warf sich, soist uns überliefert, vor Gregor mitweit ausgebreiteten Armen zuBoden, so daß Körper und Armeein Kreuz bildeten. Der Papst er-hielt die eidlich erhärtete Zu-sicherung, daß Heinrich die Reise

des Papstes nach Augsburg wederselbst noch durch seine Anhängergefährden oder verhindern wolle.Heinrich werde innerhalb einer zubestimmenden Frist in seinem Streitmit den Fürsten die Vermittlungoder den Schiedsspruch des Papstesanerkennen. Nun wurde Heinrichvom Papst aufgerichtet, umarmtund gesegnet.„Wie viele Tränen dort beide ver-gossen, könnte nicht leicht jemand

erschöpfend angeben", meinte einzeitgenössischer Chronist.Als man von den Ereignissen ver-nahm, „erzitterte unser ganzerrömischer Erdkreis," schrieb Bo-nizo von Sutri. Sicher ist das über-trieben, aber die Bannung einesgekrönten Hauptes, seine Bußeund Unterwerfung unter den Papst,wie es in Canossa geschah, wurdeallgemein als etwas Unerhör-tes und Neues empfunden. Tat-

sächlich signalisieren die Tagevon Canossa geradezu schlaglicht-artig die erhebliche Verschiebungder Machtverhältnisse zwischen

Papsttum und Königtum. Der Ver-gleich mit der Synode von Sutri,wo dreißig Jahre vorher, 1046, eindeutscher Herrscher, Heinrich III.,noch souverän über das Papsttumgebot, macht das ganz deutlich.Zweifellos kam in der Handlungs-weise HeinrichslV. eine beträcht-liche Machteinbuße des Königsgegenüber dem Papsttum zum Aus-druck, dessen erheblich gewachse-ner politischer Einfluß deutlichhervortrat. Man darf allerdingsdabei auch nicht übersehen, daß

die Vergebung, die dem K önigdurchden Papst zuteil geworden war, fürHeinrich zunächst einen diplomati-schen Erfolg brachte. Mit seinemBußgang hatte er erreicht, daß eineVereinigung Gregors mit den Geg-nern des Königs im Reich unter-blieb. Die Reise des Papstes überdie Alpen wurde verschoben undschließlich ganz aufgegeben. Damitaber war auch der Plan Gregorsmißglückt, im Reiche selbst zwi-

schen Königtum und Fürsten dieRolle eines Schiedsrichters zuspielen. So hatte also insgesamtgesehen der König doch eine ge-wisse Handlungsfreiheit wieder-gewonnen, ohne freilich das ver-hindern zu können, was die Fürstenin Tribur angedroht hatten undwas von Heinrich nach wie vorbefürchtet werden mußte - dieWahl eines anderen Königs. Ent-täuscht über die Handlungsweise

des Papstes, dem die Fürsten zugroße Nachgiebigkeit gegenüberdem gebannten König vorwarfen,und ergrimmt über Heinrich IV.,der zunächst einmal die Absich-ten seiner Gegner vereitelt hatte,wählten die Fürsten ohne WissenPapst Gregors, aber mit Zustimmungseines Legaten am 15. März 1077in Forchheim den schwäbischenHerzog Rudolf von Rheinfeldenzum König. Zu dieser Zeit kam

es erneut zu Aktivitäten des Städte-bürgertums einiger rheinischerStädte, deren geistliche Stadtherrenverschiedentlich zu Rudolf von

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Rheinfelden überwechselten, weilHeinrich IV. mehrfach die Städtebegünstigt hatte. Dagegen hieltendie Bürger der Städte zu Hein-rich IV. So vertrieben die Bewohnervon Mainz 1077 den Gegenkönigund den Erzbischof dieser Stadt,Siegfried, der Rudolf von Rhein-felden am 26. März in Mainz ge-

krönt hatte. Rudolf mußte den Für-sten, denen er seine Wahl ver-dankte, weitgehende Konzessionenmachen: Er verzichtete auf diebisher als Gewohnheitsrecht exi-stierende Erblichkeit der könig-lichen Würde und erklärte feier-lich, die Bestimmung eines Nach-folgers, den der König traditions-gemäß vorgeschlagen hatte, demfreien Ermessen der Fürsten zuüberlassen. Den Papst unterrich-tete er von seiner Wahl, versprachihm Gehorsam und sicherte kano-nische Wahlen der Bischöfe zu,die der König erst nach erfolgterWeihe investieren durfte. Gerademit dem zuletzt genannten Zuge-ständnis kam Rudolf einer wesent-lichen Forderung des Reform-papsttums entgegen.Die Vorgänge in Forchheim illu-strierten anschaulich und ein-drucksvoll, daß die Fürsten, derenPosition sich ständig festigte, imReich immer mehr zur entschei-denden politischen Kraft gewordenwaren. Sie waren Heinrich IV.im Verlauf des Aufstandes inSachsci und Thüringen als ge-fährliche Kontrahenten entgegen-getreten, hatten ihn wenig spätermit der Androhung der Absetzungzur Buße vor dem Papst gezwun-gen und diktierten nun dem vonihnen gewählten Gegenkönig ihreForderungen. Kein Zweifel: Ohneden Hochadel konnte kein deut-scher König mehr regieren.Wichtig war in diesem Zusammen-hang, daß die Bestrebungen derdeutschen Fürsten durch die vomReformpapsttum verfolgte Politikunterstützt wurden. Es bekämpfteganz entschieden das von den deut-schen Herrschern immer wieder inAnspruch genommene Priester-königtum, als dessen Repräsentan-ten die deutschen Könige die volleVerfügungsgewalt über die Kirchebeanspruchten und ihre imperialePolitik gegenüber Italien durchge-

Schilderung der Überquerung der Alpen durch Hein-rich IV. im Winter 1077

Die sich ungeheuer weit hinziehenden und mit ihrenGipfeln fast bis in die Wolken ragenden Berge, über die derWeg führte, starrten so von ungeheuren Schneemassen

und Eis, daß beim Abstieg auf den glatten, steilen Hän-gen weder Reiter noch Fußgänger ohne Gefahr einenSchritt tun konnte. ...Daher mietete er um Lohn einigeortskundige, mit den schroffen Alpengipfeln vertrauteEingeborene, die vor seinem Gefolge über das steile Ge-birge und die Schneemassen hergehen und den Nachfol-genden auf jede mögliche Weise die Unebenheiten desWeges glätten sollten. Als sie unter deren Führung mitgrößter Schwierigkeit bis auf die Scheitelhöhe des Bergesvorgedrungen waren, da gab es keine Möglichkeit wei-terzukommen, denn der schroffe Abhang des Berges war,wie gesagt, durch die eisige Kälte so glatt geworden, daß

ein Abstieg hier völlig unmöglich schien. Da versuchtendie Männer alle Gefahren durch ihre Körperkraft zu über-winden: sie krochen bald auf Händen und Füßen vorwärts,bald tützten sie sich auf die Schultern ihrer Führer,manchmal auch, wenn ihr Fuß auf dem glatten Bodenausglitt, fielen sie hin und rutschten ein ganzes Stückhinunter, schließlich aber langten sie doch unter großerLebensgefahr endlich in der Ebene an. Die Königin und »die andren Frauen ihres Gefolges setzte man auf Rinder-häute, und die dem Zug vorausgehenden Führer zogensie darauf hinab. Die Pferde ließen sie teils mit Hilfe ge-wisser Vorrichtungen hinunter, teils schleiften sie sie mit > 4

. zusammengebundenen Beinen hinab, von diesen aberJ L krepierten viele beim Hinunterschleifen, viele wurden

schwer verletzt, und nur ganz wenige konnten heil undunverletzt der Gefahr entrinnen.

Lampert von Hersfeld zu 1077 4Schilderung der Folgen der Kriege zwischen Hein- i \rich IV. und Rudolf von Schwaben in der Zeit v'n‚

1077-1080.

Innere Kriege, schlimmer als Bürgerkriege, Menschen-mord ohne Zahl, Verwüstungen, Brände ohne Unterschied,ob Häuser oder Kirchen, unerhörte Bedrückung der klei-nen Leute, Plünderungen des Kirchenguts, wie wir sievorher nie sahen und hörten, Schwinden alles göttlichenund irdischen Rechts ohne Hoffnung auf Wiederherstel-lung, und endlich infolge des Kampfes zweier Könige,

'3E denen ihr beiden Hoffnung machtet, das Reich zu behaup-ten, eine solche Verschleuderung des Reichsguts, daß inZukunft die Könige unseres Landes sich eher vom Raubals vom Reichsgut werden unterhalten müssen.

"ltBruno, der Sachsenkrieg

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führt hatten. Mit der entschlossenen

Ablehnung wichtiger traditionellerPrinzipien der Innen- und Außen-politik deutscher Könige und Kaiserverband das Reformpapsttumdie Forderung, daß der deutscheKönig in seiner Herrschaftsaus-übung sich auf das „Königreichder Deutschen" zu beschränken ha-be, zu dem weder Burgund nochItalien gehörten. Dieses „König-reich der Deutschen" war die po-litische Kategorie, auf die der Papst

orientierte. Deutlichen Ausdruckfand die Unterscheidung von „Reg-num" (Königreich) und „Imperium"(Kaiserreich) dann in dem am

Matt-

1iena

Rom

23. September 122 wischen

Heinrich V. und Calixil. ge-schlossenen Wormser Konkordat,das den Investiturstreit beendete.Das deutsche Königreich wurdeals Staat von Italien und Burgunddeutlich abgehoben. Damit fanddie im Invesliturstreit von den Für-sten durchgesetzte neue Staats-auffassung auch ihren verfassungs-mäßigen Niederschlag.Im Wormser Konkordat verzich-tete der König auf die Investitur

mit Ring und Stab, gab also wich-tige, von den deutschen Herrschernbisher ausgeübte Befugnisse preis.Der König mußte kanonische

Wahlen der Bischöfe zugestehen.Bei diesen Wahlen übten nichtselten Geistliche einen besonderenEinfluß aus, die Adelsfamilien an-gehörten, welche der Bischofskirchebenachbart waren. Diese Wahlenfanden in Deutschland in der Ge-genwart des Königs statt, so daß der

Herrscher hier noch seinen Ein-

fluß geltend machen konnte, wäh-rend in Italien die königliche Prä-senz entfiel. Der König behieltdas Recht, dem Kandidaten denweltlichen Besitz mit dem Zepterzu übertragen. Dies geschah inDeutschland vor der Weihe, wasdem König hier gewisse Einwir-kungsmöglichkeiten beließ, in Ita-lien und Burgund dagegen danach.Damit wurde die Stellung des Kö-nigs gegenüber der Kirche in Italien

besonders geschwächt. Aber auchnördlich der Alpen kam es zu einerMachteinbuße der Zentralgewalt, da

unter denjenigen Personen, die dieWahl der Bischöfe vornahmen, dieSöhne des Hochadels eine do-minierende Rolle spielten. DieseAdligen schlugen entsprechendihren dynastischen Interessen Kan-

didaten vor und suchten dieseauch durchzusetzen.Generell wurde die Verfügungsge-

walt des Königs über die Kircheerheblich eingeschränkt, währenddie Macht der Fürsten wuchs. DieBischöfe und Erzbischöfe rücktenals Empfänger von Zepterlehenauf die gleiche Ebene wie die welt-lichen Feudalherren. Sie wurdenschließlich zu geistlichen Reichs-fürsten.Angesichts einer solchen Ent-wicklung mußte für das deutscheKönigtum eine wichtige Zukunfts-

aufgabe darin bestehen, den Macht-anteil der Fürsten in tragbarenGrenzen zu halten und möglichstzu verringern. Dabei kam allesdarauf an, daß die Zentralgewaltauf imperiale Abenteuer verzich-tete, sich in ihrer Politik voll aufdie Beherrschung der Gebietenördlich der Alpen konzentrierte,dort den Ausbau des Königsguteskonsequent vorantrieb und derFürstenopposition im Bunde mit

neuen gesellschaftlichen Kräften,vor allem dem Städtebürgertumund den M inisterialen, entschlossenentgegentrat.

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• bezeugte Aufenthaltsorte auch 1 ur die Gegend geltend)

o sonstige Oriehtierungsorte

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Zeittafet15. 10. 1080 er Gegenkönig Rudolf von Rheinfelden wird

Im Kampf gegen Heinrich IV. in der Schlacht

bei Hohenmölsen an der Elster tödlich ver-wundet.

August 1081 er aus Lothringen stammende Graf Hermannvon Salm wird von einigen Fürsten in Ochsenfurtham Main zum Gegenkönig gewählt(stirbt am 25. Mai 1088).

31.3. 1084 apst Clemens III. krönt Heinrich IV. in derPeterskirche in Rom zum Kaiser.

25.5. 1085 od Papst Gregors VII. im Exil

30.5. 1087 aiser Heinrich IV. läßt seinen Sohn Konradzum König krönen (Konrad stirbt 1101).

6. 1. 1099 n Aachen wird der im Mai 1098 zum Königgewählte Heinrich V., der zweite Sohn Hein-richs IV., gekrönt.

Dezember 1105 einrichV. nimmt seinen Vater am Mittel-rhein gefangen und erzwingt von ihm die Heraus-gabe der Reichskleinodien.

7.8. 1106 einrich IV. stirbt in Lüttich. Erst fünf Jahrespäter darf die Leiche des Gebannten im Domzu Speyer beigesetzt werden.

13.4. 1111 apst Paschalisil. krönt Heinrich V. zum Kaiser.

1111, 1114 einrich V. erteilt Speyer und Worms Privi-legien, um im Bunde vor allem mit den rheini-schen Städten die Zentralgewalt zu stärken.

1112-1115 einrich V. geht scharf gegen Fürsten in Thü-ringen und Sachsen vor und sucht durch Be-schlagnahme von Adelsbesitz das Königsgutzu vergrößern.

September 1112 einrich V. wird gebannt.

23.9. 1122 bschluß des Konkordats von Worms.

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Schreibender Mönch

Herausgeber: Zentralinstitutfür Geschichte der Akademieder Wissenschaften der DDRLeiter des Redaktionskollegiums:Dr. Klaus Scheel

Verlagslektor: Ursula SeilVerlagshersteller: Hildrun Jokisch

Lichtsatz: INTERDRUCKGraphischer GroßbetriebLeipzig - 111/18/97Druck und Bindearbeiten:Druckhaus Karl-Marx-StadtLSV 0269Bestellnummer: 5707085

DDR 3 ,SOM

München, der BibliotecaApostolica Vaticana,der Bibliothek des DomkapitelsKraköw, den Corpus ChristiCollege,Cambridge, der DeutschenFotothek, Dresden, der

Deutschen Staatsbibliothek, Berlin,dem Dom zu Speyer, dem