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Im - Berest Gruppe · ten Lokal im Dreieck, das seit gut 20 Jahren «La Fonda» heisst und mexi-kanische Küche anbietet. Weil bei diesem Rundgang so manch einer einen zu viel über

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ImBasler

Bermuda

D r e ieck

Die Restaurantkultur ist im Wandel. Take-away, internationale Küche und Fastfood ersetzen immer mehr die althergebrachte, typische Gastronomie.

Doch wer genau hinschaut, findet sie noch : die traditionelle Beiz. Zum Beispiel in Grossbasel.

Text:

Ruth Marending

Fotos:

Gina Folly

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as «Bermuda-Dreieck» von Basel – oder zumindest das, was davon üb-rig geblieben ist – befindet sich an der Ecke Sattelgasse/Schneider-gasse. Die Strassenecke ist längst nicht mehr so wie einst – und doch irgendwie genau so wie früher. Es ist ein schöner Frühlingstag, sommer-lich die Temperaturen. Die Gäste sitzen draussen, vor dem «Gift-hüttli», der «Hasenburg» und auch vor dem «La Fonda». Viele essen et-was, Rösti mit Leberli bei der «Ha-

Dsenburg», ein deftiges Cordon bleu beim «Gifthüttli» und Tortillas beim «La Fonda». Es scheint, als ob das schon immer so war und immer so bleiben wird. Es ist eine schöne, idyllische Gegend, mitten in der Altstadt von Grossbasel, zwischen Schifflände und Spalenberg, Markt-platz und Andreashof.

Doch es ist eine Gegend des Wan-dels, auch wenn die Altstadthäuser noch immer die jahrhundertealte Kulisse bilden. «Das Ausgehverhal-ten verändert sich auch in unserer Stadt laufend», weiss Maurus Eb-neter, Delegierter des Wirteverban-des Basel-Stadt. Längst ist der Mit-telpunkt des Nachtlebens in andere Gebiete abgewandert, in die Stei-

nenvorstadt oder ins Kleinbasel, zur Kaserne beispielsweise. «Die Schneidergasse ist abends längst nicht mehr so belebt wie früher», so Ebneter.

Blenden wir zurück ins Jahr 1989.Damals begann Rita Klein als Ser-viertochter im Restaurant Gift-hüttli. Zu seinem originellen Namen kam das ehemalige Gasthaus «Zum Ritter St. Georg», als vor gut 120 Jahren der Wirt Innocenz Weiss es wagte, nebst Wein auch Bier auszu-schenken. Eine damalige Sünde für

Im Restaurant Gifthüttli wird im oberen Stock weiss aufgedeckt.

«Sprich, was

wahr ist,

trink, was klar

ist.»

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einen Gastronomiebetrieb, denn das Ausschenken von Bier war den Hausbrauereien vorbehalten. Die «Basler Nachrichten», Vorläufe-rin der heutigen «Basler Zeitung», schrieb damals: «Bier, das nicht direkt beim Bierbrauer getrunken wird, ist Gift.» Daraufhin taufte der Wirt seine Beiz in «Gifthüttli» um. Als sein Grossneffe Paul Weiss-Lipp 1913 in direkter Nachbarschaft ein neues Haus erbauen liess, über-nahm er den bereits etablierten Na-men für seine eigene Gaststätte. Das alte «Gifthüttli» veräusserte Weiss an den Staat, der die Liegenschaft für die Korrektur der Schneider-gasse benötigte.

Als Rita Klein ihren ersten Arbeits-tag hatte, war der gleichzeitige Ver-kauf von Bier und Wein längst eta-bliert. Beides wurde in grossen Mengen an die Gäste aus-geschenkt, zu denen auch ein stattlicher Stamm-kundenkreis zählte. Vor allem vormittags waren dies Marktfahrer aus der Region, aus der Baselland-schaft, dem Elsass und Südbaden, die auf dem na-hen Marktplatz zu Basel ihre Waren feilboten. Weil das Tragen der Gemüse-kisten und das viele Ste-hen am Stand ermüdend waren, suchten die Markt-fahrer immer wieder die umliegen-den Gaststätten auf. Rita Klein kann sich noch gut an diese Zeit erinnern: «Da wurde vor allem ein Einerli Weisswein getrunken, dann noch eines und noch eines, gefolgt von Schnäpsen wie Träsch und Chrü-ter.» Die Stimmung wurde heiterer und fröhlicher. Man zog weiter, zum Nachbarn: in die «Hasenburg» oder nobler «Château Lapin» genannt. Da ging es im gleichen Stil weiter, wie auch bei der nächsten Station, dem «Grünen Heinrich», dem drit-ten Lokal im Dreieck, das seit gut 20 Jahren «La Fonda» heisst und mexi-kanische Küche anbietet. Weil bei diesem Rundgang so manch einer einen zu viel über den Durst trank, nannte der Volksmund den Ort mit den drei gegenüberliegenden Beizen bald einmal «Bermuda Dreieck»,

nach dem magischen Ort, wo so manches «Schiff» unterging.

Längst vergangene Zeiten. Die Stammkundschaft von einst ist grösstenteils weggestorben. Alkohol-limite und Rauchverbot veränderten das Gäste-verhalten. An den «Grü-nen Heinrich» erinnert nur noch ein verblasster Schriftzug an der Haus-mauer. Und die beiden anderen Re-staurants, die «Hasenburg» und das «Gifthüttli», sind heute mehr Spei-selokale als verrauchte Trinkbei-zen. Rita Klein, die seit mehr als 20 Jahren im «Gifthüttli» die Gäste be-dient, selber aber erst Mitte vierzig ist, hat den Wandel miterlebt. «Es ist heute komplett anders als früher»,

stellt sie fest. Geblieben aber ist die Ambiance ih-rer Arbeitsstätte, denn das «Gifthüttli» präsentiert sich nach einer eingehen-den Renovation im letzten Jahr frischer als zuvor. Bei der Renovation sind alte Fresken wieder hervorge-holt worden. Historische und typische Elemente der Gaststätte sind ge-blieben, wie zum Beispiel der Tisch der Wahrheit, S t a m m t i s c h

der Regierungsmitglie-der, die im nahen Rathaus am Marktplatz ihren Ge-schäften nachgingen und sich im Rund des Tisch-plateaus namentlich ver-ewigten. Eine Tradition, die am Leben erhalten geblieben ist: «Die heuti-gen Regierungsräte kom-men noch immer regel-mässig zu uns», freut sich Olivier Flota. Der gebür-tige Elsässer hat im letz-ten Jahr die Geschäfts-führung des «Gifthüttli» übernommen, das heute zur Berest-Gruppe ge-hört. Flota ist bereits seit zehn Jahren in verschie-denen Gastrobetrieben in Basel tätig, und ein Lo-

kal wie das «Gifthüttli» zu führen, war für den ge-lernten Koch und Absol-vent der Hotelfachschule von Strassburg schon im-mer ein Traum. «Als El-sässer bin ich zwar auch nach zehn Jahren noch immer ein Ausländer, aber ich habe mir schon immer eine solche Traditionsbeiz gewünscht.» Er setzt sich deshalb intensiv mit den örtlichen Gepflogenhei-

ten auseinander, damit er bei seinen einheimischen Gästen keinen allzu schweren Stand hat.

Die kommen immer noch, vor al-len, wenn es um die Fasnacht geht. Verschiedene Formationen haben hier ihren Stamm, etwa die «Gläb-berewaggis» oder die Trommelfor-mation «Griene Hind», die ihren Stammplatz mit eindrücklichen La-ternen und anderen Emblemen ge-kennzeichnet haben. Geblieben ist auch die Tradition, als Einstieg ins Erwachsenenalter im «Gifthüttli» einen Stiefel Bier zu trinken. Oder die Speisekarte, die nach wie vor in vier Sprachen, Deutsch, Fran-zösisch und Englisch sowie «Ba-seldyytsch» verfasst ist. Da ist von «Dommaatesalaat» (Tomatensalat), von «Badroon-Salat mit Kalbslää-berli» (Saisonsalat mit geschnetzel-

Typisch baslerische Lällekönig-

Begrüssung im «Gifthüttli».

Beim Tisch der Wahr-

heit ziert der Baslerstab die

Mitte.

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ter Kalbsleber), von «Flaischsuppe ooni nyt» (Rindfleischsuppe natur), von «Daigwiirm Gifti» (Spaghetti mit Knoblauch und Kräutern), von «Ruummilch-Schniifel» (Rahm-schnitzel), von «Scheeflirugge noo provenzalischer Art» (Lamm- rücken nach provenzalischer Art), «Giggelibruscht anere Zitrone-Gmiessoosse» (Maispoularden-brüstchen an Zitronen-Gemüse-sauce) und «Allergattig Gmies uf em Däller» (Gemüseteller) die Rede. Be-kannt aber ist das «Gifthüttli» vor allem für seine grosse Auswahl an Cordon bleus: fünf Kalbs- und sie-ben Schweinsvarianten. Eines ori-gineller in der Zusammensetzung als das andere. Zum Beispiel nach Thurgauer Art mit Vorderschinken und Apfelchutney gefüllt, nach «Tessiner Art» mit Salami und Mozzarella, nach «Alemannischer Art» mit Vorderschinken, Camembert und Preisel-beeren oder nach «Jäger Art» mit Vorderschin-ken, Pilzen und Speck. Ein Stammgast ist so Cordon-bleu-verrückt, dass er jede Woche eine andere Ver-sion ausprobiert. Wenn Olivier Flota ihn fragt, welches denn sein Lieb-lings-Cordon-bleu sei, pflegt er zu sagen: «Jede Variante ist auf seine Art hervorragend.» Die Entste-hung des Cordon bleu ist übrigens eine eigene Geschichte: Leopold Ziegenbaum, Kapitän und Offizier auf verschiedenen Dampfschiffen, holte sich 1929 das für die Schiff-fahrt begehrte «Blaue Band». Als er vier Jahre später die Seefahrten-trophäe ein zweites Mal ergatterte, wies der norddeutsche Seebär sei-nen Schweizer Küchenchef an, ein besonderes Gericht zu servieren, et-was mit Käse, da er ja Schweizer sei. Dieser hatte jedoch bereits Kalbs-schnitzel vorbereitet. Kurzerhand entschied sich der Koch, Fleisch und Käse zusammen zu braten und nannte das Gericht aus aktuellem Anlass: Cordon bleu – Blaues Band.

Mit dem Wirtewechsel im «Gift-hüttli» ist zwar die Speisekarte ge-blieben, geändert hat sich aber das

Pachtverhältnis. Olivier Flota ist nicht mehr Päch-ter, sondern Manager, an-gestellt von der Berest AG, die insgesamt 16 Gastro-nomiebetriebe führt, da-runter bekannte Basler Traditionslokale wie das Restaurant Löwenzorn oder der Gasthof zum Gol-denen Sternen. Der Be-trieb muss rentieren. Oli-vier Flota sitzt in der Regel nicht mit den Gästen an den Tisch wie sein Vor-gänger Walter Braun, auch wenn viele alte Stamm-gäste das wünschen. «Ich höre immer wieder mal, dass der Walti beim Ein-

schenken nicht auf den Strich geschaut habe, doch ich ver-trete eine neue Genera-tion, wo der Wirt Manager ist. Bei uns sind nicht die Umsätze relevant, son-dern das, was unter dem Strich übrig bleibt.» Heute beträgt der Foodanteil 65 Prozent und der Beverage- anteil 35 Prozent. Früher war das «Gift-

hüttli» auch nachmittags randvoll und eine richtige Raucherhöhle, eine richtige «Baiz» eben. Mario Nanni, Archivar des Wirteverban-des Basel-Stadt und selber Wirt im «Bierhuus zem Pinguin», weiss um die Bedeutung dieses Wortes für die Bas-ler: «Fühlen sich die Bas-ler in einem Lokal wohl, bezeichnen sie es von je-her als ‹Baiz›.» Dies sei nicht als Abwertung, son-dern als Wertschätzung gemeint. Mario Nanni hat im Buch «Die Geschichte der Basler Gastronomie», erschienen im Friedrich-Reinhardt-Verlag, die Basler Beizenkultur auf-gearbeitet. «Restaurants, wie wir sie heute kennen, gab es in den An-fangszeiten der Gastronomie noch nicht.» Früher traf man sich in den Irtenstuben der Zünfte (Zunftstu-

ben), die den Zunftbrüdern vorbe-halten waren. Auch Bruderschaften und Logen hatten ihre eigenen Stu-ben. Erst im Verlauf der Zeit wurden diese Stuben öffentlich zugänglich und als Tavernen, Pinten, Gast-höfe, Gaststuben, Gastwirtschaften, Temperenzwirtschaften (mit zeit-lich beschränkten Öffnungszeiten) und Kaffeehäuser bezeichnet.

Im Vergleich zu anderen Basler Gaststätten ist das «Gifthüttli» eher jüngeren Datums und längst nicht so traditionell, wie viele Leute glau-ben. Das findet auch Maurus Eb-

neter: «Für Basler Ver-hältnisse entstand es relativ spät.» Dennoch ist die Ambiance der bei-den noch bestehenden Betriebe im ehemaligen «Bermuda-Dreieck» ein-drücklich. Doch wer sich auf die Spuren macht nach Geschichten rund um die beiden Beizen, wird nicht so richtig fündig. Olivier Flota erklärt dies damit: «Die Geschichte ist nicht so minutiös dokumen-

tiert worden wie bei Zunftstuben, wie etwa der ‹Safran-Zunft». Mit dem letztjährigen Wirtewechsel sind im «Gifthüttli» auch die vor-her vorhandenen historischen Bil-

In der «Hasenburg» begrüsst eine Wildsau die

Gäste.

Auch typisch für die «Hasenburg» ist die Karikatur

von Niklaus Stöcklin.

Beispiel eines Mittagsmenüs in der «Hasenburg»: Hackfleisch im Teig, weisse Spargeln an Sauce hollandaise und Bratkartoffeln.

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der verschwunden. Flota vermutet, dass sie beim Verkauf des Mobili-ars mitveräussert wurden. Und in der «Hasenburg» wollen die lang-jährigen Wirte nichts erzählen über ihre legendäre «Baiz». Wirtin Li-selotte Schwendinger, seit 27 Jah-ren am Ruder, meint nur: «Ich habe so viele erstaunliche Geschichten über die ‹Hasenburg› gehört, dass ich mich immer wundere: Woher haben die Leute all das?» Und: «Es soll sich jeder unvoreingenommen selber einen Eindruck von unserem Lokal machen. Die ‹Hasenburg› soll so lebendig bleiben, wie sie es immer war.» Konsultiert man Tripadvisor, findet man verschiedene Gäste-einträge, die nicht alle euphorisch

klingen: «Unten ist die Beiz, im ers-ten Stock sitzt man etwas eleganter. Wir waren im urigen Teil unten. In der Schweiz ist grundsätzlich alles teuer. So auch die Kalbsbratwurst mit Zwiebelsauce und Rösti in der ‹Hasenburg›.» Und: «Das Restau-rant Hasenburg verkauft ein Weiss-bier für sagenhafte acht Franken. Damit ist dieses Restaurant, das von der Ausstattung her gesehen eher eine Spelunke ist, absoluter Spitzen-reiter im Weissbierpreis.» Moment-aufnahmen und persönliche Emp-findungen, die gästeabhängig sind. Beim Besuch finden wir keine Spe-lunke vor, die Tasse Kaffee ist nicht überrissen teuer. Doch die wirkli-chen Geschichten bleiben im Dun-

keln. Oder entstehen gerade deshalb, weil sie verschwiegen werden. Nur so viel sei gesagt: Bei unserem Be-such in jenem besagten Lokal sass zufällig am Nebentisch Emil Stein-berger mit zwei attraktiven Damen.

restaurant zur HasenburgSchneidergasse 204000 Baselrestaurant zum GifthüttliSchneidergasse 114051 Baselwww.gifthuettli.ch

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