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KULTUR DK Nr. 70, Donnerstag/Freitag, 24./25. März 2016 18 „Die Macht fürchtet nichts mehr als das Lachen“ Der italienische Satiriker und Literaturnobelpreisträger Dario Fo wird an diesem Donnerstag 90 Jahre alt Von Carola Frentzen Rom (dpa) Schwere Kost, wie etwa Shakespeare sie schuf, so was liegt ihm nicht. Dario Fo sieht sich eher als Possenrei- ßer, als Satiriker, als Panto- mimen. „Ich bin nicht mit der Idee zum Theater gegangen, Hamlet zu spielen, sondern um ein Clown zu sein, ein Hans- wurst“, sagte er, als er 1997 den Literaturnobelpreis erhielt. Kaum einer in Italien verfügt über einen solchen Sprach- witz und ein solches Talent zum Geschichtenerzählen wie er. Am heutigen Donnerstag wird der Polit-Clown 90 Jahre alt. „Die Macht, und zwar jede Macht, fürchtet nichts mehr als das Lachen, das Lächeln und den Spott“, so Fos Credo. Sa- tire sei letztlich nichts ande- res, als das schlechte Gewis- sen der Macht. Deshalb war es wohl kein Zufall, dass Fo rund 40-mal wegen Beleidigung und Verhöhnung der Mächtigen vor Gericht geladen wurde. Mehr- mals wurde er gleich von der Bühne abgeführt. Im Theater verkörperte er be- reits lüsterne Päpste, skurrile Politiker und redegewaltige Trunkenbolde. „Wir sind Fle- gel, und wie alle Flegel dieser Welt gefällt es uns, zu lachen und zu spotten, grotesk, vul- gär und manchmal auch pos- senhaft zu sein“, sagte der für seine ausdrucksstarke Mimik bekannte Norditaliener ein- mal. Sein außergewöhnliches Ta- lent und seine politische und soziale Theaterarbeit wurden in Stockholm mit dem Nobel- preis gewürdigt. Das Komitee bezeichnete ihn als Schriftstel- ler, „der in Nachfolge der mit- telalterlichen Gaukler die Macht geißelt und die Würde der Schwachen und Gedemütigten wieder aufrichtet“. Mit Blick auf seine im Jahr 2013 gestorbene Frau Franca Rame sprach Fo stets von „unserem Nobel- preis“. Über 70 Stücke haben die beiden gemeinsam ge- schrieben, seit sie 1954 ge- heiratet hatten, ihre ersten Er- folge feierten sie in den 60er- Jahren. Sie gehörten wie Pech und Schwefel zusammen, wa- ren ein eingespieltes Paar, auch wörtlich, standen sie doch oft gemeinsam auf der Bühne. Noch Jahre nach Rames Tod sagte Fo in Interviews, er träu- me jede Nacht von ihr. Mehr als 30 Werke Fos wur- den ins Deutsche übersetzt, da- runter „Mistero Buffo“ (1969), „Die offene Zweierbeziehung“ (1983) und „Der Teufel mit den Titten“ (1997) – die Titel ver- raten, wie schmunzelnd, bei- ßend und obszön es da manch- mal zugeht. Ob Mafia oder Waf- fenindustrie, Kirchenstaat oder Umweltsünden – Fo hat sie al- le im Visier. Die Provokation ist sein täg- lich Brot. Selbst ein Schlag- anfall 1995 brachte ihn nicht zum Schweigen: 2006 kandi- dierte er zum zweiten Mal – ver- geblich – für das Amt des Bür- germeisters in Mailand. 2012 erschien sein Theater- und Buchprojekt „Picasso des- nudo“. Zwei Jahre später ge- stand er, dass er dafür zu- sammen mit seiner Malschule 80 Werke des Künstlers ge- fälscht hatte, um so Zwist mit Picassos Erben aus dem Weg zu gehen. Denn als Picassos Sohn übertriebene Summen für die Bildrechte gefordert habe, habe er sich gedacht: „Dann mache ich eben falsche Pi- cassos.“ Später waren die Ge- mälde unter dem Titel „Falso Picasso“ unter anderem bei Ausstellungen in Deutschland zu sehen. Überhaupt ist kaum bekannt, dass der Autor Dario Fo auch seit über 75 Jahren zeichnet und malt. Nicht sel- ten helfe ihm das, eine Schreib- krise zu überwinden. Auf der Leinwand „legt sich dann of- fen, was ich eigentlich schrei- ben wollte“. Im Alter nicht ruhiger geworden: Dario Fo. Foto: Di Meo/dpa Adidas gegen Puma Berlin (dpa) Am Anfang stand die gemeinsame kleine Sport- schuhmanufaktur, am Ende gibt es zwei rivalisierende Weltkon- zerne: Der RTL-Film „Duell der Brüder“ erzählt das Leben der Brüder Dassler nach. Nach sei- ner Ausstrahlung am Karfreitag (20.15 Uhr) läuft im Anschluss (22.45 Uhr) die Dokumentation „Adidas vs. Puma – Die Ge- schichte des Dassler-Clans“. Erzählt wird über 30 Jahre hinweg die Geschichte der Brü- der Adolf (Ken Duken) und Ru- dolf Dassler (Torben Lieb- recht). 1924 bauen sie eine klei- ne Schuhmanufaktur im frän- kischen Herzogenaurach auf. Durch die perfekte Zusammen- arbeit des Tüftlers Adi und des Verkaufstalents Rudi entsteht schnell ein erfolgreicher Be- trieb, der sich auf Sportschuhe aller Art spezialisiert. Doch Adi und Rudi, die mit ihren Fami- lien unter einem Dach leben, verstricken sich immer mehr in Streitigkeiten. 1948 wird das Stammwerk schließlich in die zwei späteren Weltkonzerne Adidas und Puma aufgespal- ten. „Es ist eine faszinierende Familiengeschichte in einer unglaublich spannenden Zeit“, sagt Produzent Uwe Kersken (66, „Die Deutschen“). „Was bringt zwei erfolgreiche Brüder dazu, sich so grandios zu über- werfen?“, ergänzt Mitprodu- zent Christian Schnalke. „Da ist der Keim schon ganz früh an- gelegt.“ Der Film bietet gute Schau- spieler, eine tolle Ausstattung und rasante Schnitte. Autor Schnalke und Regisseur Oliver Dommenget greifen einige we- nige historische Wahrheiten auf, aber sie fügen umso aus- führlicher allerhand fiktionale Freiheiten hinzu, die nicht all- zu viel Tiefgang bieten. Insgesamt jedoch bleibt RTL seinem neuen Weg treu, end- lich relevantere zeitgeschicht- liche Spielfilme zu produzie- ren. Bei der ARD könnte der Film nicht laufen: Dort bastelt man gerade an einem ganz ähnlichen Projekt mit dem Ar- beitstitel „Die Dasslers“ (Regie: Cyrill Boss und Philipp Sten- nert) und den Hauptdarstellern Hanno Koffler (35) und Chris- tian Friedel (36). Der Zweiteiler kommt voraussichtlich in die- sem Herbst ins TV-Programm. Zunächst gemeinsam erfolg- reich: Adi (Ken Duken, l.) und Ru- di Dassler (Torben Liebrecht). Foto: Kaiser/dpa Dauerbrenner Brecht Nach Joachim Langs Rückzug soll Patrick Wengenroth das Brechtfestival in Augsburg leiten – zumindest erst mal 2017 Von Kristin Deibel Augsburg (DK) Nun steht fest, wie es mit dem Brechtfestival 2017 weitergehen wird: Fern- sehredakteur Joachim Lang, der das Festival in den vergange- nen sieben Jahren leitete, wird nicht mehr zur Verfügung ste- hen. Stattdessen entschied sich der Kulturausschuss in einer Sondersitzung am Dienstag- abend für den Regisseur Pat- rick Wengenroth. Eigentlich hätten im Kultur- ausschuss die Konzepte beider Kandidaten ausführlich disku- tiert werden sollen. Doch dann zog Lang am Montag (unsere Zeitung berichtete) unerwartet seine Bewerbung als Leiter des Festivals 2017 zurück. Berufli- che und terminliche Gründe hätten es nicht zugelassen, im März 2017 das Festival zu be- treuen, gab er an, übte aber in einem Interview auch heftige Kritik an der Stadt über den Umgang mit seiner Person und dem Festival. Kulturreferent Tho- mas Weitzel dankte Lang während der Sit- zung für seine seit 2010 geleistete Arbeit. „Nun werden die Weichen für eine inhaltliche und personelle Zu- kunft des Brechtfesti- vals gestellt.“ Vor dem Festival lägen schwierige Zeiten, denn die Interims-Phase des Thea- ters stehe kurz bevor, so der Kulturreferent. Das Große Haus steht zwar bis Sommer 2017 noch zur Verfügung, trotzdem sollen dort nur die Eröffnung am 3. März, ein Gastspiel am 11. März und die „Lange Nacht der Augsburger Kulturszene“, welche die bisherige Brecht- nacht ersetzt, stattfinden. Wengenroths Konzept orien- tiert sich weitestge- hend an den konkre- ten Vorstellungen Weitzels, der den Ber- liner ohnehin bevor- zugt hatte. Beispiels- weise stehen beide hinter der Idee, die lo- kale Kulturszene deutlich stärker mit einzubeziehen, statt nur „Al- mosen in Form von Geldern und Auftrittsmöglichkeiten zu ver- teilen“. Thematisch soll Brechts Freundschaft zu Walter Benja- min im Fokus stehen, ebenso eine Analyse von Feminismus und Chauvinismus in Brechts Werken. Auch die Mitglieder des Kul- turausschusses fanden das Konzept offenbar überzeugend und stimmten im nicht-öffent- lichen Teil der Sitzung mehr- heitlich für die Pläne Wengen- roths. Die Fraktionsvorsitzenden der CSU und SPD, Bernd Kränzle und Margarete Hein- rich, teilten in einer gemeinsa- men Pressemitteilung ihr Be- dauern über den Rücktritt Langs mit. Sein Konzept habe für 2017 vorgesehen, Brecht und Reli- gion zu verknüpfen, so Kränzle. Mit Blick auf das Lutherjahr sei sein Ausscheiden vor einer Ent- scheidung des Stadtrats über die künftige Leitung deshalb be- sonders schade. Lang habe das Festival in den vergangenen Jahren zu einer „starken Marke in der öffentlichen Wahrneh- mung auch über Augsburg hi- naus entwickelt“, ergänzte Heinrich. Verena von Mutius (Grüne) scheint der Abschied von Lang nicht so schwer zu fallen. Es sei gut, bewährte Formate beizu- behalten, vor allem aber wünscht sie sich frische Im- pulse und einen neuen Stil. Ge- rade das Interimsjahr sei gut, um etwas Neues auszuprobie- ren. Wengenroths Konzept zei- ge die kritische Auseinander- setzung Brechts mit der Ge- sellschaft, die von Mutius für einen der Kernpunkte des Fes- tivals hält. Dem einen oder an- deren Stadtrat bereitet es al- lerdings Sorgen, dass lediglich Leitung und Konzept für 2017 unter Dach und Fach sind. Denn wie es danach weitergeht, ist noch völlig offen. Foto: oh Im Fieber auf den Zauberberg Eine Ausstellung im Münchner Literaturhaus führt mitten hinein in die Atmosphäre von Thomas Manns Roman Von Annette Krauß München (DK) Türen öffnen sich geradeaus, eine nach der anderen, und geben den Blick frei auf weitere Zimmer. Zur linken Seite leuchten mächtige Berggipfel im Sonnenlicht, da- vor ruhen Menschen auf Lie- gestühlen. Und irgendwo hus- tet jemand – oder ist es nur ein unterdrücktes Hüsteln? Wir sind auf dem Zauberberg, mitten in dem Tausend-Seiten-Roman, den Thomas Mann zwischen 1913 und 1924 zu Papier ge- bracht hat. Und wer es nicht versäumt, sich in der Ausstel- lung des Münchner Literatur- hauses mit einem Audio-Guide auszurüsten, der hört den Au- tor sprechen, aber auch Fami- lienmitglieder, die die Entste- hung und die Erzählstränge dieses Meisterwerkes, das in ei- nem Lungensanatorium spielt, erhellen. In vier unterschiedlich ge- staltete Räume gliedert sich die Ausstellung, und jedes dieser Zimmer mit Tür und Fenster gibt Blicke frei auf wichtige Fa- cetten des Romans. Initialzün- dung für das Schreiben war ein Aufenthalt von Katja Mann, der Ehefrau des Schriftstellers, die 1912 in Davos zum Auskurie- ren eines Lungenspitzkatarrhs weilte. Katja war fasziniert vom Alltag und der Atmosphäre auf 1600 Metern Höhe. Minutiös hat sie ihrem Mann Charaktere be- schrieben, wie sie es selbst in einem Interview erzählt. Ihre Milieuschilderungen sind in den Roman eingeflossen – lei- der gingen sie mit dem Manu- skript von Thomas Mann ver- loren. Sieben Uhr Aufstehen, erstes Frühstück und Dusche, danach ein Wechsel aus Bewegung, Liegekur und Mahlzeiten bis zur Nachtruhe um 22 Uhr – der Tag der Kranken war streng struk- turiert. Doch es sind die Men- schen und ihre Emotionen, es sind die Tuberkulose-Kranken aus aller Welt, die schließlich den ganzen Mikrokosmos der Kurklinik in Bewegung bringen und immer wieder zu großen und kleinen Katastrophen füh- ren. Die Ausstellung mit dem Untertitel „Tod und Amüse- ment“ zeigt originale Gegen- stände wie etwa die Bambus- Liegesessel, das blau-silberne Spuckgefäß „Blauer Heinrich“, ein altertümliches Fieberther- mometer und das wuchtige Röntgengerät mit Lungen-Auf- nahmen, die zugleich Neugier- de wecken und Schrecken er- zeugen. Und ja, auch der silberne „Crayon“ liegt hier, der Blei- stift, der im Roman zum Lie- bespfand wird zwischen dem Hamburger Hans Castorp und der Russin Clawdia Chauchat in jener unvergleichlichen Sze- ne, als allein der Wechsel der Sprache ins Französische einen erotischen Schub bewirkt. Denn „es ist in gewisser Weise ein Sprechen ohne zu sprechen – ohne Verantwortlichkeit, oder wie wir im Traum sprechen“, so fließt es plötzlich in der fremden Sprache aus dem Mund des Romanhelden he- raus. Eigentlich wollte Castorp nur für drei Wochen seinen Vetter besuchen daraus werden schließlich sieben Jahre. Denn der Zauberberg ist der Ort, wo die eigene Befindlichkeit in Frage gestellt wird: „So überaus gesund war er doch eben auch nicht.“ Und es wird die Zeit au- ßer Kraft gesetzt – vor allem bei jenem orientierungslosen Schneespaziergang, an den ein projiziertes Flocken-Gestöber auf einem weißen Vorhang am Ende der Ausstellung erinnert. Wer diese Ausstellung besucht, läuft Gefahr, diesen Roman (wieder) lesen zu wollen, ein- zutauchen in die Sprachmagie des „Zauberers“ Thomas Mann, sich seitenweise dem schlei- chenden Krankheitsprozess der Romanfiguren auszusetzen und sich fieberkrank im Schnee- sturms zu verirren wie jener Hans Castorp, der in den Ber- gen alle Orientierung verliert, um doch auf gewisse Weise zu sich selbst zu finden. Selten war eine Literaturaus- stellung, die zugleich Informa- tionen vermittelt und in die At- mosphäre des Romans ein- taucht, schöner inszeniert. „Wer die Ausstellung betritt, betritt den ,Zauberberg’.“ Dieser An- spruch von Reinhard G. Witt- mann, dem scheidenden Di- rektor des Münchner Litera- turhauses, wird eingelöst. Die Ausstellung ist bis zum 26. Juni im Münchner Literaturhaus zu se- hen, sie ist von Mo bis Fr von 10 bis 19 Uhr, Sa und So sowie an Feier- tagen von 10 bis 18 Uhr geöffnet. Das reale Vorbild: Das Sanatorium Valbella (Aufnahme um 1915) lieferte Thomas Mann das Erschei- nungsbild für sein Sanatorium Berghof im Roman. Foto: Literaturhaus München

Im Fieber auf den Zauberberg Adidas gegen Puma · 2017. 10. 8. · rade das Interimsjahrsei gut, um etwasNeues auszuprobie-ren. Wengenroths Konzept zei-ge die kritische Auseinander-setzung

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Page 1: Im Fieber auf den Zauberberg Adidas gegen Puma · 2017. 10. 8. · rade das Interimsjahrsei gut, um etwasNeues auszuprobie-ren. Wengenroths Konzept zei-ge die kritische Auseinander-setzung

KULTUR DK Nr. 70, Donnerstag/Freitag, 24./25. März 2016 18

„Die Macht fürchtet nichts mehr als das Lachen“Der italienische Satiriker und Literaturnobelpreisträger Dario Fo wird an diesem Donnerstag 90 Jahre alt

Von Carola Frentzen

Rom (dpa) Schwere Kost, wieetwa Shakespeare sie schuf, sowas liegt ihm nicht. Dario Fosieht sich eher als Possenrei-ßer, als Satiriker, als Panto-mimen. „Ich bin nicht mit derIdee zum Theater gegangen,Hamlet zu spielen, sondern umein Clown zu sein, ein Hans-wurst“, sagte er, als er 1997 denLiteraturnobelpreis erhielt.Kaum einer in Italien verfügtüber einen solchen Sprach-witz und ein solches Talent zumGeschichtenerzählenwie er. Amheutigen Donnerstag wird derPolit-Clown 90 Jahre alt.„Die Macht, und zwar jede

Macht, fürchtet nichts mehr alsdas Lachen, das Lächeln undden Spott“, so Fos Credo. Sa-tire sei letztlich nichts ande-res, als das schlechte Gewis-sen der Macht. Deshalb war es

wohl kein Zufall, dass Fo rund40-mal wegen Beleidigung undVerhöhnung der Mächtigen vorGericht geladen wurde. Mehr-mals wurde er gleich von derBühne abgeführt.Im Theater verkörperte er be-

reits lüsterne Päpste, skurrilePolitiker und redegewaltigeTrunkenbolde. „Wir sind Fle-gel, und wie alle Flegel dieserWelt gefällt es uns, zu lachenund zu spotten, grotesk, vul-gär und manchmal auch pos-senhaft zu sein“, sagte der fürseine ausdrucksstarke Mimikbekannte Norditaliener ein-mal.Sein außergewöhnliches Ta-

lent und seine politische undsoziale Theaterarbeit wurden inStockholm mit dem Nobel-preis gewürdigt. Das Komiteebezeichnete ihn als Schriftstel-ler, „der in Nachfolge der mit-telalterlichenGaukler dieMacht

geißelt und die Würde derSchwachen und Gedemütigtenwieder aufrichtet“. Mit Blick aufseine im Jahr 2013 gestorbeneFrau Franca Rame sprach Fostets von „unserem Nobel-

preis“. Über 70 Stücke habendie beiden gemeinsam ge-schrieben, seit sie 1954 ge-heiratet hatten, ihre ersten Er-folge feierten sie in den 60er-Jahren. Sie gehörten wie Pech

und Schwefel zusammen, wa-ren ein eingespieltes Paar, auchwörtlich, standen sie doch oftgemeinsam auf der Bühne.Noch Jahre nach Rames Todsagte Fo in Interviews, er träu-me jede Nacht von ihr.Mehr als 30 Werke Fos wur-

den ins Deutsche übersetzt, da-runter „Mistero Buffo“ (1969),„Die offene Zweierbeziehung“(1983) und „Der Teufel mit denTitten“ (1997) – die Titel ver-raten, wie schmunzelnd, bei-ßend und obszön es da manch-mal zugeht. ObMafia oder Waf-fenindustrie, Kirchenstaat oderUmweltsünden – Fo hat sie al-le im Visier.Die Provokation ist sein täg-

lich Brot. Selbst ein Schlag-anfall 1995 brachte ihn nichtzum Schweigen: 2006 kandi-dierte er zum zweitenMal – ver-geblich – für das Amt des Bür-germeisters in Mailand.

2012 erschien sein Theater-und Buchprojekt „Picasso des-nudo“. Zwei Jahre später ge-stand er, dass er dafür zu-sammen mit seiner Malschule80 Werke des Künstlers ge-fälscht hatte, um so Zwist mitPicassos Erben aus dem Wegzu gehen. Denn als PicassosSohn übertriebene Summen fürdie Bildrechte gefordert habe,habe er sich gedacht: „Dannmache ich eben falsche Pi-cassos.“ Später waren die Ge-mälde unter dem Titel „FalsoPicasso“ unter anderem beiAusstellungen in Deutschlandzu sehen. Überhaupt ist kaumbekannt, dass der Autor DarioFo auch seit über 75 Jahrenzeichnet und malt. Nicht sel-ten helfe ihm das, eine Schreib-krise zu überwinden. Auf derLeinwand „legt sich dann of-fen, was ich eigentlich schrei-ben wollte“.Im Alter nicht ruhiger geworden: Dario Fo. Foto: Di Meo/dpa

AdidasgegenPuma

Berlin (dpa) Am Anfang standdie gemeinsame kleine Sport-schuhmanufaktur, amEndegibtes zwei rivalisierende Weltkon-zerne: Der RTL-Film „Duell derBrüder“ erzählt das Leben derBrüder Dassler nach. Nach sei-ner Ausstrahlung am Karfreitag(20.15 Uhr) läuft im Anschluss(22.45 Uhr) die Dokumentation„Adidas vs. Puma – Die Ge-schichte des Dassler-Clans“.Erzählt wird über 30 Jahre

hinweg die Geschichte der Brü-der Adolf (Ken Duken) und Ru-dolf Dassler (Torben Lieb-recht). 1924 bauen sie eine klei-ne Schuhmanufaktur im frän-kischen Herzogenaurach auf.Durch die perfekte Zusammen-arbeit des Tüftlers Adi und desVerkaufstalents Rudi entstehtschnell ein erfolgreicher Be-trieb, der sich auf Sportschuhealler Art spezialisiert. Doch Adiund Rudi, die mit ihren Fami-lien unter einem Dach leben,verstricken sich immer mehr inStreitigkeiten. 1948 wird dasStammwerk schließlich in diezwei späteren WeltkonzerneAdidas und Puma aufgespal-ten. „Es ist eine faszinierendeFamiliengeschichte in einerunglaublich spannenden Zeit“,sagt Produzent Uwe Kersken(66, „Die Deutschen“). „Wasbringt zwei erfolgreiche Brüderdazu, sich so grandios zu über-werfen?“, ergänzt Mitprodu-zent Christian Schnalke. „Da istder Keim schon ganz früh an-gelegt.“

Der Film bietet gute Schau-spieler, eine tolle Ausstattungund rasante Schnitte. AutorSchnalke und Regisseur OliverDommenget greifen einige we-nige historische Wahrheitenauf, aber sie fügen umso aus-führlicher allerhand fiktionaleFreiheiten hinzu, die nicht all-zu viel Tiefgang bieten.Insgesamt jedoch bleibt RTL

seinem neuen Weg treu, end-lich relevantere zeitgeschicht-liche Spielfilme zu produzie-ren. Bei der ARD könnte derFilm nicht laufen: Dort basteltman gerade an einem ganzähnlichen Projekt mit dem Ar-beitstitel „Die Dasslers“ (Regie:Cyrill Boss und Philipp Sten-nert) und den HauptdarstellernHanno Koffler (35) und Chris-tian Friedel (36). Der Zweiteilerkommt voraussichtlich in die-sem Herbst ins TV-Programm.

Zunächst gemeinsam erfolg-reich: Adi (Ken Duken, l.) und Ru-di Dassler (Torben Liebrecht).

Foto: Kaiser/dpa

Dauerbrenner BrechtNach Joachim Langs Rückzug soll Patrick Wengenroth das Brechtfestival in Augsburg leiten – zumindest erst mal 2017

Von Kristin Deibel

Augsburg (DK) Nun steht fest,wie es mit dem Brechtfestival2017 weitergehen wird: Fern-sehredakteur Joachim Lang, derdas Festival in den vergange-nen sieben Jahren leitete, wirdnicht mehr zur Verfügung ste-hen. Stattdessen entschied sichder Kulturausschuss in einerSondersitzung am Dienstag-abend für den Regisseur Pat-rick Wengenroth.Eigentlich hätten im Kultur-

ausschuss die Konzepte beiderKandidaten ausführlich disku-tiert werden sollen. Doch dannzog Lang am Montag (unsereZeitung berichtete) unerwartetseine Bewerbung als Leiter desFestivals 2017 zurück. Berufli-che und terminliche Gründehätten es nicht zugelassen, im

März 2017 das Festival zu be-treuen, gab er an, übte aber ineinem Interview auch heftigeKritik an der Stadt über denUmgang mit seiner Person unddem Festival.Kulturreferent Tho-

mas Weitzel dankteLang während der Sit-zung für seineseit 2010geleistete Arbeit. „Nunwerden die Weichenfür eine inhaltlicheund personelle Zu-kunft des Brechtfesti-vals gestellt.“ Vor dem Festivallägen schwierige Zeiten, denndie Interims-Phase des Thea-ters stehe kurz bevor, so derKulturreferent. Das Große Haussteht zwar bis Sommer 2017noch zur Verfügung, trotzdemsollen dort nur die Eröffnungam 3. März, ein Gastspiel am

11. März und die „Lange Nachtder Augsburger Kulturszene“,welche die bisherige Brecht-nacht ersetzt, stattfinden.Wengenroths Konzept orien-

tiert sich weitestge-hend an den konkre-ten VorstellungenWeitzels, der den Ber-liner ohnehin bevor-zugt hatte. Beispiels-weise stehen beidehinter der Idee, die lo-kale Kulturszenedeutlich stärker mit

einzubeziehen, statt nur „Al-mosen inFormvonGeldernundAuftrittsmöglichkeiten zu ver-teilen“. Thematisch soll BrechtsFreundschaft zu Walter Benja-min im Fokus stehen, ebensoeine Analyse von Feminismusund Chauvinismus in BrechtsWerken.

Auch die Mitglieder des Kul-turausschusses fanden dasKonzept offenbar überzeugendund stimmten im nicht-öffent-lichen Teil der Sitzung mehr-heitlich für die Pläne Wengen-roths.Die Fraktionsvorsitzenden

der CSU und SPD, BerndKränzle und Margarete Hein-rich, teilten in einer gemeinsa-men Pressemitteilung ihr Be-dauernüberdenRücktritt Langsmit. Sein Konzept habe für 2017vorgesehen, Brecht und Reli-gion zu verknüpfen, so Kränzle.Mit Blick auf das Lutherjahr seisein Ausscheiden vor einer Ent-scheidungdesStadtratsüberdiekünftige Leitung deshalb be-sonders schade. Lang habe dasFestival in den vergangenenJahren zu einer „starken Markein der öffentlichen Wahrneh-

mung auch über Augsburg hi-naus entwickelt“, ergänzteHeinrich.Verena von Mutius (Grüne)

scheint der Abschied von Langnicht so schwer zu fallen. Es seigut, bewährte Formate beizu-behalten, vor allem aberwünscht sie sich frische Im-pulse und einen neuen Stil. Ge-rade das Interimsjahr sei gut,um etwas Neues auszuprobie-ren. Wengenroths Konzept zei-ge die kritische Auseinander-setzung Brechts mit der Ge-sellschaft, die von Mutius füreinen der Kernpunkte des Fes-tivals hält. Dem einen oder an-deren Stadtrat bereitet es al-lerdings Sorgen, dass lediglichLeitung und Konzept für 2017unterDachundFachsind.Dennwie es danach weitergeht, istnoch völlig offen. Foto: oh

Im Fieber auf den ZauberbergEine Ausstellung im Münchner Literaturhaus führt mitten hinein in die Atmosphäre von Thomas Manns Roman

Von Annette Krauß

München (DK) Türen öffnensich geradeaus, eine nach deranderen, und geben den Blickfrei auf weitere Zimmer. Zurlinken Seite leuchten mächtigeBerggipfel im Sonnenlicht, da-vor ruhen Menschen auf Lie-gestühlen. Und irgendwo hus-tet jemand – oder ist es nur einunterdrücktesHüsteln?Wir sindauf dem Zauberberg, mitten indem Tausend-Seiten-Roman,den Thomas Mann zwischen1913 und 1924 zu Papier ge-bracht hat. Und wer es nichtversäumt, sich in der Ausstel-lung des Münchner Literatur-hauses mit einem Audio-Guideauszurüsten, der hört den Au-tor sprechen, aber auch Fami-lienmitglieder, die die Entste-hung und die Erzählsträngedieses Meisterwerkes, das in ei-nem Lungensanatorium spielt,erhellen.In vier unterschiedlich ge-

staltete Räume gliedert sich dieAusstellung, und jedes dieserZimmer mit Tür und Fenstergibt Blicke frei auf wichtige Fa-cetten des Romans. Initialzün-dung für das Schreiben war einAufenthalt von Katja Mann, derEhefrau des Schriftstellers, die1912 in Davos zum Auskurie-ren eines Lungenspitzkatarrhsweilte. Katja war fasziniert vomAlltag und der Atmosphäre auf1600MeternHöhe.Minutiöshatsie ihrem Mann Charaktere be-schrieben, wie sie es selbst ineinem Interview erzählt. IhreMilieuschilderungen sind inden Roman eingeflossen – lei-der gingen sie mit dem Manu-skript von Thomas Mann ver-loren.Sieben Uhr Aufstehen, erstes

Frühstück und Dusche, danachein Wechsel aus Bewegung,Liegekur undMahlzeiten bis zur

Nachtruhe um 22 Uhr – der Tagder Kranken war streng struk-turiert. Doch es sind die Men-schen und ihre Emotionen, essind die Tuberkulose-Krankenaus aller Welt, die schließlichden ganzen Mikrokosmos derKurklinik in Bewegung bringenund immer wieder zu großenund kleinen Katastrophen füh-ren. Die Ausstellung mit dem

Untertitel „Tod und Amüse-ment“ zeigt originale Gegen-stände wie etwa die Bambus-Liegesessel, das blau-silberneSpuckgefäß „Blauer Heinrich“,ein altertümliches Fieberther-mometer und das wuchtigeRöntgengerät mit Lungen-Auf-nahmen, die zugleich Neugier-de wecken und Schrecken er-zeugen.

Und ja, auch der silberne„Crayon“ liegt hier, der Blei-stift, der im Roman zum Lie-bespfand wird zwischen demHamburger Hans Castorp undder Russin Clawdia Chauchatin jener unvergleichlichen Sze-ne, als allein der Wechsel derSprache ins Französische einenerotischenSchubbewirkt.Denn„es ist in gewisser Weise ein

Sprechen ohne zu sprechen –ohne Verantwortlichkeit, oderwie wir im Traum sprechen“,so fließt es plötzlich in derfremden Sprache aus demMund des Romanhelden he-raus.Eigentlich wollte Castorp nur

für drei Wochen seinen Vetterbesuchen – daraus werdenschließlich sieben Jahre. Dennder Zauberberg ist der Ort, wodie eigene Befindlichkeit inFrage gestellt wird: „So überausgesund war er doch eben auchnicht.“ Und es wird die Zeit au-ßer Kraft gesetzt – vor allem beijenem orientierungslosenSchneespaziergang, an den einprojiziertes Flocken-Gestöberauf einem weißen Vorhang amEnde der Ausstellung erinnert.Wer diese Ausstellung besucht,läuft Gefahr, diesen Roman(wieder) lesen zu wollen, ein-zutauchen in die Sprachmagiedes „Zauberers“ ThomasMann,sich seitenweise dem schlei-chenden Krankheitsprozess derRomanfiguren auszusetzen undsich fieberkrank im Schnee-sturms zu verirren wie jenerHans Castorp, der in den Ber-gen alle Orientierung verliert,um doch auf gewisse Weise zusich selbst zu finden.Selten war eine Literaturaus-

stellung, die zugleich Informa-tionen vermittelt und in die At-mosphäre des Romans ein-taucht, schöner inszeniert. „Werdie Ausstellung betritt, betrittden ,Zauberberg’.“ Dieser An-spruch von Reinhard G. Witt-mann, dem scheidenden Di-rektor des Münchner Litera-turhauses, wird eingelöst.

Die Ausstellung ist bis zum 26. Juniim Münchner Literaturhaus zu se-hen, sie ist von Mo bis Fr von 10 bis19 Uhr, Sa und So sowie an Feier-tagen von 10 bis 18 Uhr geöffnet.

Das reale Vorbild: Das Sanatorium Valbella (Aufnahme um 1915) lieferte Thomas Mann das Erschei-nungsbild für sein Sanatorium Berghof im Roman. Foto: Literaturhaus München