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GEHEIMDIENST-SPLITTER 4 | SONNTAG | 18. NOVEMBER 2018 18. NOVEMBER 2018 | SONNTAG | 5 Im Fokus BÜNDNISSE Augen und Ohren auf: Großbri- tannien, Kanada, Neuseeland und Australien, mit diesen Län- dern pflegt Washington seit Jahrzehnten im Spionagebünd- nis „Five Eyes“ („Fünf Augen“) einen engen Austausch. Im Bild: CIA-Chefin Gina Haspel. AP Five Eyes BÜNDNISSE 28 EU-Länder, Norwegen und die Schweiz sind Teil dieses Bündnisses. Zwei Mal pro Jahr finden die Treffen der Chefs der Inlandsge- heimdienste der Mitglieder statt. Der Club dient dem Meinungsaustausch. FOTOLIA Berner Club CHINA Schätzungen zufolge hat das Ministerium für Staatssicher- heit in China rund 100.000 Mit- arbeiter, allein 40.000 davon sind im Ausland stationiert, so Thomas Riegler. Allein das technische Know-how macht China zum Big Player. AP Unterschätzte Macht ISRAEL Sagt man Geheimdienst, muss man auch Mossad sagen. Zu Recht, wie Experte Thomas Riegler meint. Der Dienst habe eines zur Meisterschaft erhoben: palästinensische Netzwerke und arabische Staaten mit Informanten zu unterwandern. KK Branchenprimus Horch, was kommt von draußen rein Tarnen und täuschen, lauschen und belauschen: Über die neuen Gegner der Geheimdienste, riskante Manöver auf fremden Territorien und warum Eichhörnchen wohl keine Spione sind. Von Susanne Rakowitz A uch wenn der Teufels- berg in Berlin seinen Namen vom nahe gele- genen See hat – man hätte schlechtere Bezeichnun- gen finden können. Der Teufel, beständig auf der Lauer, hier ein Schatten, dort ein Aufflackern, alles, nur nicht greifbar. Für den Teufelsberg, der Anfang No- vember unter Denkmalschutz gestellt wurde, passt das im Be- sonderen. Aus Trümmern des Zweiten Weltkriegs aufgeschüt- tet, war darauf bis 1991 die Ab- höranlage der Briten und Ame- rikaner aktiv. In Zeiten des Kal- ten Krieges richteten die Lau- scher ihre Lauscher so bequem gegen Feindesland. Dabei ist die Anlage ein Paradoxon: Spiona- ge, außergewöhnlich gut sicht- bar. Das ist in etwa so, als würde James Bond mit einem 007- Hoodie um die Häuser ziehen. Geheimdienste und das Bild, das wir von ihnen haben, ist stark von Film und Fernsehen geprägt, so Geheimdienstexper- te Thomas Riegler: „James Bond oder Jason Bourne sind absolute Zerrbilder. Die haben mit der Realität kaum mehr etwas zu tun.“ Und er gibt Einblick in die Praxis, die dann doch ein biss- chen enttäuschend ist: „Viele CIA-Agenten sind nicht im Aus- landseinsatz, sondern mit der Auswertung in der Zentrale in Langley beschäftigt. Das kann man sich wie eine Denkfabrik vorstellen – nur hinter Stachel- draht und Sicherheitssperren.“ Lang vorbei die Zeiten, als man in großem Stil Spione rekrutiert hat. „Der Kalte Krieg war das klassische Zeitalter der Human dem nicht das alleinige Operati- onsfeld. Entwicklungen, wie der Mord am saudischen Jour- nalisten Jamal Khashoggi oder der Giftanschlag auf den russi- schen Ex-Agenten Sergei Skri- pal, öffnen ein anderes Pro- blemfeld: Immer öfter werden Grenzen überschritten. „Das hängt mit den geopolitischen Spannungen zusammen. Schon während des Kalten Krieges gab es ein Gentleman’s Agree- ment – über Sachen, die man nicht macht. Diese rote Linien werden heute zunehmend über- schritten“, so Riegler. Die Fol- gen: „Das heißt, dass Geheim- dienste bewusst Operationen auf Territorien anderer Staaten ausführen und dabei immer ris- kanter zu Werke gehen.“ Apropos riskant, wer glaubt, das alles habe mit ihm nichts zu tun, könnte sich geirrt haben. Rieg- ler sieht in der „Über-Techno- logisierung eine Gefahr für den Einzelnen.“ Als Beispiel nennt er den US-Drohnenkrieg. „Da- bei wurden auch Ziele nur auf Basis von Metadaten-Analyse und der Lokalisation des Mobil- telefons angegriffen. In diesen Fällen war die genaue Identität der Zielperson unbekannt und es ist nicht auszuschließen, dass auch Unschuldige getötet wurden.“ Wie schnell bei Ge- heimdiensten die Nerven blank liegen, hat man 2007 im Iran ge- sehen: Damals wurden 14 Eich- hörnchen „verhaftet“, die an- geblich mit modernsten Spio- nagegeräten ausgerüstet waren. Das könnte sich nicht einmal Hollywood ausdenken. hat laut dem Geheimdienstex- perten auch eine Verschiebung innerhalb der Geheimdienste zur Folge: „Die CIA hat Schät- zungen zufolge rund 20.000 Mitarbeiter. Die NSA hat das Doppelte.“ Wer glaubt, dass CIA, BND, GRU & Co. hier Durchblicker sind, liegt falsch – von Klarsicht keine Spur, wie Riegler erklärt: „Schaut man sich Zahlen von Ende 2016 an, so zeigt sich, dass die NSA gera- de einmal 1,6 Prozent des globa- len Internetverkehrs absaugt. Von diesen Daten werden wie- derum nur 0,025 Prozent weiter ausgewertet.“ Der neue Angst- gegner heißt: Datenflut. Die Auseinandersetzungen verlegen sich immer mehr ins Netz, vor allem die Themen Cy- berkrieg und Netzwerksicher- heit würden bei den Geheim- diensten ganz oben auf der Ta- gesordnung stehen, so der Ex- perte. Doch das Netz ist trotz- Intelligence, also menschlicher Informationsquellen, die man versuchte zur Zusammenarbeit und somit zum Verrat zu bewe- gen“, so Riegler. Das Husaren- stück ist dem russischen Ge- heimdienst in den 1940er-Jahren gelungen: Bereits in den 30ern wurden mehrere Personen an der Universität Cambridge als Spione angeworben, die später Spitzenpositionen beim MI5 und MI6 einnahmen. Ein Super- GAU für jeden Geheimdienst. Noch heute löst der Name der Truppe bei Geheimdienstmitar- beitern Unbehagen aus: „The Cambridge Five“. Heutzutage ist die größte He- rausforderung für die Geheim- dienste der digitale Sumpf, so Riegler: „Die Datengewinnung wird immer wichtiger. Noch wichtiger ist es jedoch, die Ka- pazitäten zu entwickeln, um diese Daten auszuwerten.“ Das Die Monster, die ich rief: ein Teil der Abhöranlage auf dem Teufelsberg in Berlin PICTUREDESK Thomas Riegler ist Historiker und Affiliated Researcher am Austrian Center for Intelli- gence, Propaganda and Security Studies (ACIPSS). www.acipss.org www.thomas-riegler.net SIBRAWA Zur Person

Im Fokus Zur Person A Horch,...diese Da ten aus zu w ert en.Ò Das Die Monster , die ich rief: ein T eil der Abh ranlage auf dem Teufelsberg in Berlin PICTUREDESK Thomas Riegler ist

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Page 1: Im Fokus Zur Person A Horch,...diese Da ten aus zu w ert en.Ò Das Die Monster , die ich rief: ein T eil der Abh ranlage auf dem Teufelsberg in Berlin PICTUREDESK Thomas Riegler ist

GEHEIMDIENST-SPLITTER

4 | SONNTAG | 18. NOVEMBER 2018 18. NOVEMBER 2018 | SONNTAG | 5

Im Fokus

BÜNDNISSE

Augen und Ohren auf: Großbri-tannien, Kanada, Neuseelandund Australien, mit diesen Län-dern pflegt Washington seitJahrzehnten im Spionagebünd-nis „Five Eyes“ („Fünf Augen“)einen engen Austausch. Im Bild:CIA-Chefin Gina Haspel. AP

Five Eyes

BÜNDNISSE

28 EU-Länder, Norwegenund die Schweiz sind Teildieses Bündnisses. Zwei Malpro Jahr finden die Treffender Chefs der Inlandsge-heimdienste der Mitgliederstatt. Der Club dient demMeinungsaustausch. FOTOLIA

Berner Club

CHINA

Schätzungen zufolge hat dasMinisterium für Staatssicher-heit in China rund 100.000 Mit-arbeiter, allein 40.000 davonsind im Ausland stationiert,so Thomas Riegler. Allein dastechnische Know-how machtChina zum Big Player. AP

Unterschätzte Macht

ISRAEL

Sagt man Geheimdienst, mussman auch Mossad sagen. ZuRecht, wie Experte ThomasRiegler meint. Der Dienst habeeines zur Meisterschaft erhoben:palästinensische Netzwerkeund arabische Staaten mitInformanten zu unterwandern. KK

Branchenprimus

Horch,was kommt von

draußen reinTarnen und täuschen, lauschen und

belauschen: Über die neuen Gegner der

Geheimdienste, riskante Manöver auf

fremden Territorien und warum

Eichhörnchen wohl keine Spione sind.Von Susanne Rakowitz

Auch wenn der Teufels-berg in Berlin seinenNamen vom nahe gele-genen See hat – man

hätte schlechtere Bezeichnun-gen finden können. Der Teufel,beständig auf der Lauer, hier einSchatten, dort ein Aufflackern,alles, nur nicht greifbar. Für denTeufelsberg, der Anfang No-vember unter Denkmalschutzgestellt wurde, passt das im Be-sonderen. Aus Trümmern desZweiten Weltkriegs aufgeschüt-tet, war darauf bis 1991 die Ab-höranlage der Briten und Ame-rikaner aktiv. In Zeiten des Kal-ten Krieges richteten die Lau-scher ihre Lauscher so bequemgegen Feindesland. Dabei ist dieAnlage ein Paradoxon: Spiona-ge, außergewöhnlich gut sicht-bar. Das ist in etwa so, als würdeJames Bond mit einem 007-Hoodie um die Häuser ziehen.

Geheimdienste und das Bild,das wir von ihnen haben, iststark von Film und Fernsehengeprägt, so Geheimdienstexper-te Thomas Riegler: „James Bondoder Jason Bourne sind absoluteZerrbilder. Die haben mit derRealität kaum mehr etwas zutun.“ Und er gibt Einblick in diePraxis, die dann doch ein biss-chen enttäuschend ist: „VieleCIA-Agenten sind nicht im Aus-landseinsatz, sondern mit derAuswertung in der Zentrale inLangley beschäftigt. Das kannman sich wie eine Denkfabrikvorstellen – nur hinter Stachel-draht und Sicherheitssperren.“Lang vorbei die Zeiten, als manin großem Stil Spione rekrutierthat. „Der Kalte Krieg war dasklassische Zeitalter der Human

dem nicht das alleinige Operati-onsfeld. Entwicklungen, wieder Mord am saudischen Jour-nalisten Jamal Khashoggi oderder Giftanschlag auf den russi-schen Ex-Agenten Sergei Skri-pal, öffnen ein anderes Pro-blemfeld: Immer öfter werdenGrenzen überschritten. „Dashängt mit den geopolitischenSpannungen zusammen. Schonwährend des Kalten Kriegesgab es ein Gentleman’s Agree-ment – über Sachen, die mannicht macht. Diese rote Linienwerden heute zunehmend über-schritten“, so Riegler. Die Fol-gen: „Das heißt, dass Geheim-dienste bewusst Operationenauf Territorien anderer Staatenausführen und dabei immer ris-kanter zu Werke gehen.“

Apropos riskant, wer glaubt, dasalles habe mit ihm nichts zu tun,könnte sich geirrt haben. Rieg-ler sieht in der „Über-Techno-logisierung eine Gefahr für denEinzelnen.“ Als Beispiel nennter den US-Drohnenkrieg. „Da-bei wurden auch Ziele nur aufBasis von Metadaten-Analyseund der Lokalisation des Mobil-telefons angegriffen. In diesenFällen war die genaue Identitätder Zielperson unbekannt undes ist nicht auszuschließen,dass auch Unschuldige getötetwurden.“ Wie schnell bei Ge-heimdiensten die Nerven blankliegen, hat man 2007 im Iran ge-sehen: Damals wurden 14 Eich-hörnchen „verhaftet“, die an-geblich mit modernsten Spio-nagegeräten ausgerüstet waren.Das könnte sich nicht einmalHollywood ausdenken.

hat laut dem Geheimdienstex-perten auch eine Verschiebunginnerhalb der Geheimdienstezur Folge: „Die CIA hat Schät-zungen zufolge rund 20.000Mitarbeiter. Die NSA hat dasDoppelte.“ Wer glaubt, dassCIA, BND, GRU & Co. hierDurchblicker sind, liegt falsch –von Klarsicht keine Spur, wieRiegler erklärt: „Schaut mansich Zahlen von Ende 2016 an,so zeigt sich, dass die NSA gera-de einmal 1,6 Prozent des globa-len Internetverkehrs absaugt.Von diesen Daten werden wie-derum nur 0,025 Prozent weiterausgewertet.“ Der neue Angst-gegner heißt: Datenflut.

Die Auseinandersetzungenverlegen sich immer mehr insNetz, vor allem die Themen Cy-berkrieg und Netzwerksicher-heit würden bei den Geheim-diensten ganz oben auf der Ta-gesordnung stehen, so der Ex-perte. Doch das Netz ist trotz-

Intelligence, also menschlicherInformationsquellen, die manversuchte zur Zusammenarbeitund somit zum Verrat zu bewe-gen“, so Riegler. Das Husaren-stück ist dem russischen Ge-heimdienst in den 1940er-Jahrengelungen: Bereits in den 30ernwurden mehrere Personen ander Universität Cambridge alsSpione angeworben, die späterSpitzenpositionen beim MI5und MI6 einnahmen. Ein Super-GAU für jeden Geheimdienst.Noch heute löst der Name derTruppe bei Geheimdienstmitar-beitern Unbehagen aus: „TheCambridge Five“.

Heutzutage ist die größte He-rausforderung für die Geheim-dienste der digitale Sumpf, soRiegler: „Die Datengewinnungwird immer wichtiger. Nochwichtiger ist es jedoch, die Ka-pazitäten zu entwickeln, umdiese Daten auszuwerten.“ Das

Die Monster, die ich rief: ein Teilder Abhöranlage auf demTeufelsberg in Berlin PICTUREDESK

Thomas Riegler ist Historikerund Affiliated Researcher amAustrian Center for Intelli-gence, Propaganda andSecurity Studies (ACIPSS).www.acipss.orgwww.thomas-riegler.netSIBRAWA

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