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GEHEIMDIENST-SPLITTER

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Im Fokus

BÜNDNISSE

Augen und Ohren auf: Großbri-tannien, Kanada, Neuseelandund Australien, mit diesen Län-dern pflegt Washington seitJahrzehnten im Spionagebünd-nis „Five Eyes“ („Fünf Augen“)einen engen Austausch. Im Bild:CIA-Chefin Gina Haspel. AP

Five Eyes

BÜNDNISSE

28 EU-Länder, Norwegenund die Schweiz sind Teildieses Bündnisses. Zwei Malpro Jahr finden die Treffender Chefs der Inlandsge-heimdienste der Mitgliederstatt. Der Club dient demMeinungsaustausch. FOTOLIA

Berner Club

CHINA

Schätzungen zufolge hat dasMinisterium für Staatssicher-heit in China rund 100.000 Mit-arbeiter, allein 40.000 davonsind im Ausland stationiert,so Thomas Riegler. Allein dastechnische Know-how machtChina zum Big Player. AP

Unterschätzte Macht

ISRAEL

Sagt man Geheimdienst, mussman auch Mossad sagen. ZuRecht, wie Experte ThomasRiegler meint. Der Dienst habeeines zur Meisterschaft erhoben:palästinensische Netzwerkeund arabische Staaten mitInformanten zu unterwandern. KK

Branchenprimus

Horch,was kommt von

draußen reinTarnen und täuschen, lauschen und

belauschen: Über die neuen Gegner der

Geheimdienste, riskante Manöver auf

fremden Territorien und warum

Eichhörnchen wohl keine Spione sind.Von Susanne Rakowitz

Auch wenn der Teufels-berg in Berlin seinenNamen vom nahe gele-genen See hat – man

hätte schlechtere Bezeichnun-gen finden können. Der Teufel,beständig auf der Lauer, hier einSchatten, dort ein Aufflackern,alles, nur nicht greifbar. Für denTeufelsberg, der Anfang No-vember unter Denkmalschutzgestellt wurde, passt das im Be-sonderen. Aus Trümmern desZweiten Weltkriegs aufgeschüt-tet, war darauf bis 1991 die Ab-höranlage der Briten und Ame-rikaner aktiv. In Zeiten des Kal-ten Krieges richteten die Lau-scher ihre Lauscher so bequemgegen Feindesland. Dabei ist dieAnlage ein Paradoxon: Spiona-ge, außergewöhnlich gut sicht-bar. Das ist in etwa so, als würdeJames Bond mit einem 007-Hoodie um die Häuser ziehen.

Geheimdienste und das Bild,das wir von ihnen haben, iststark von Film und Fernsehengeprägt, so Geheimdienstexper-te Thomas Riegler: „James Bondoder Jason Bourne sind absoluteZerrbilder. Die haben mit derRealität kaum mehr etwas zutun.“ Und er gibt Einblick in diePraxis, die dann doch ein biss-chen enttäuschend ist: „VieleCIA-Agenten sind nicht im Aus-landseinsatz, sondern mit derAuswertung in der Zentrale inLangley beschäftigt. Das kannman sich wie eine Denkfabrikvorstellen – nur hinter Stachel-draht und Sicherheitssperren.“Lang vorbei die Zeiten, als manin großem Stil Spione rekrutierthat. „Der Kalte Krieg war dasklassische Zeitalter der Human

dem nicht das alleinige Operati-onsfeld. Entwicklungen, wieder Mord am saudischen Jour-nalisten Jamal Khashoggi oderder Giftanschlag auf den russi-schen Ex-Agenten Sergei Skri-pal, öffnen ein anderes Pro-blemfeld: Immer öfter werdenGrenzen überschritten. „Dashängt mit den geopolitischenSpannungen zusammen. Schonwährend des Kalten Kriegesgab es ein Gentleman’s Agree-ment – über Sachen, die mannicht macht. Diese rote Linienwerden heute zunehmend über-schritten“, so Riegler. Die Fol-gen: „Das heißt, dass Geheim-dienste bewusst Operationenauf Territorien anderer Staatenausführen und dabei immer ris-kanter zu Werke gehen.“

Apropos riskant, wer glaubt, dasalles habe mit ihm nichts zu tun,könnte sich geirrt haben. Rieg-ler sieht in der „Über-Techno-logisierung eine Gefahr für denEinzelnen.“ Als Beispiel nennter den US-Drohnenkrieg. „Da-bei wurden auch Ziele nur aufBasis von Metadaten-Analyseund der Lokalisation des Mobil-telefons angegriffen. In diesenFällen war die genaue Identitätder Zielperson unbekannt undes ist nicht auszuschließen,dass auch Unschuldige getötetwurden.“ Wie schnell bei Ge-heimdiensten die Nerven blankliegen, hat man 2007 im Iran ge-sehen: Damals wurden 14 Eich-hörnchen „verhaftet“, die an-geblich mit modernsten Spio-nagegeräten ausgerüstet waren.Das könnte sich nicht einmalHollywood ausdenken.

hat laut dem Geheimdienstex-perten auch eine Verschiebunginnerhalb der Geheimdienstezur Folge: „Die CIA hat Schät-zungen zufolge rund 20.000Mitarbeiter. Die NSA hat dasDoppelte.“ Wer glaubt, dassCIA, BND, GRU & Co. hierDurchblicker sind, liegt falsch –von Klarsicht keine Spur, wieRiegler erklärt: „Schaut mansich Zahlen von Ende 2016 an,so zeigt sich, dass die NSA gera-de einmal 1,6 Prozent des globa-len Internetverkehrs absaugt.Von diesen Daten werden wie-derum nur 0,025 Prozent weiterausgewertet.“ Der neue Angst-gegner heißt: Datenflut.

Die Auseinandersetzungenverlegen sich immer mehr insNetz, vor allem die Themen Cy-berkrieg und Netzwerksicher-heit würden bei den Geheim-diensten ganz oben auf der Ta-gesordnung stehen, so der Ex-perte. Doch das Netz ist trotz-

Intelligence, also menschlicherInformationsquellen, die manversuchte zur Zusammenarbeitund somit zum Verrat zu bewe-gen“, so Riegler. Das Husaren-stück ist dem russischen Ge-heimdienst in den 1940er-Jahrengelungen: Bereits in den 30ernwurden mehrere Personen ander Universität Cambridge alsSpione angeworben, die späterSpitzenpositionen beim MI5und MI6 einnahmen. Ein Super-GAU für jeden Geheimdienst.Noch heute löst der Name derTruppe bei Geheimdienstmitar-beitern Unbehagen aus: „TheCambridge Five“.

Heutzutage ist die größte He-rausforderung für die Geheim-dienste der digitale Sumpf, soRiegler: „Die Datengewinnungwird immer wichtiger. Nochwichtiger ist es jedoch, die Ka-pazitäten zu entwickeln, umdiese Daten auszuwerten.“ Das

Die Monster, die ich rief: ein Teilder Abhöranlage auf demTeufelsberg in Berlin PICTUREDESK

Thomas Riegler ist Historikerund Affiliated Researcher amAustrian Center for Intelli-gence, Propaganda andSecurity Studies (ACIPSS).www.acipss.orgwww.thomas-riegler.netSIBRAWA

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