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Konzept zur Sprachförderung im Rahmen der Initiative „Frühe Chancen“ des Bundesministeriums für Bildung und Forschung im Kindergarten Mintraching Stand: März 2014 Verantwortliche: Anita Scharl

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Konzept zur Sprachförderung im Rahmen der Initiative „Frühe Chancen“

des Bundesministeriums für Bildung und Forschung

im Kindergarten Mintraching

Stand: März 2014

Verantwortliche: Anita Scharl

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Kindergarten Mintraching

Konzept zur Sprachförderung

Lachend Leben lernen 2

Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung ............................................................................................................. 3

2. Sprachpädagogische Arbeit mit dem Kind ........................................................... 6

3. Sprachpädagogische Arbeit mit dem Team ......................................................... 6

4. Sprachpädagogische Arbeit mit den Eltern ........................................................ 13

5. Mehrsprachigkeit ................................................................................................ 18

6. Beobachtung und Dokumentation ...................................................................... 20

7. Qualitätssicherung ............................................................................................. 21

8. Fazit ................................................................................................................... 22

Quellenverzeichnis ................................................................................................... 23

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1. Einleitung

Sprache ist in unserer Lebenswelt eine grundlegende Kompetenz. Ohne Sprache ist

eine Teilnahme und Mitgestaltung des öffentlichen Lebens – Gesellschaft, Arbeits-

welt, Politik, Kultur und Bildung – erschwert.

Sprache ermöglicht Kommunikation: sich mit einem Gegenüber zu verständigen und

auszutauschen. Ohne Sprache ist der Aufbau sozialer Beziehungen kaum möglich.

Ebenso sind der Erwerb von Wissen und die Erweiterung von Kenntnissen für uns

ohne Sprache undenkbar. Sprachkompetenz in Wort und Schrift ist in unserer Ge-

sellschaft mit ihrem spezifischen Bildungssystem eine unerlässliche Voraussetzung

zur Teilnahme an Bildungsprozessen und somit grundlegend für die gesamte berufli-

che Entwicklung.

Auch die Persönlichkeitsbildung ist stets an das Sprachvermögen des Individuums

gebunden. Mittels Sprache werden Interessen, Vorlieben, Abneigungen und Ge-

fühlszustände ausgedrückt. Somit hat Sprache neben der Bedeutung für gesell-

schaftliche Teilhabe und Bildungsprozesse auch eine grundlegende Funktion für die

Sozial- und Persönlichkeitsentwicklung.

Der kindliche Spracherwerb beginnt bereits vorgeburtlich über das Hören und Spüren

von Klängen im Mutterleib. Im Säuglingsalter beginnt sich das Sprachvermögen über

die kindliche Nachahmung des sprechenden Erwachsenen zu entwickeln, bis das

Kleinkind anfängt, Wörter, die wir verstehen können, selber zu sprechen.

Durch strukturelle Gegebenheiten und gesellschaftlichen Wandel wie längere Ar-

beitszeiten der Eltern, sich immer stärker unterscheidende Bildungsbiographien oder

Migrationshintergrund wird der Prozess des kindlichen Spracherwerbs mittlerweile

mit empfindlichen Störquellen konfrontiert.

Der Kindergarten reagiert auf diese Veränderungen mit längeren Öffnungszeiten,

einem verbindlichen Bildungsauftrag, aber auch der Möglichkeit des Einrichtungsbe-

suchs für Kinder unter drei Jahren, was wiederum besondere Anforderungen an die

Qualifikation des gesamten Kindergartenteams stellt.

Der Anspruch an die Bildungswege von Kindern ist gestiegen und zwar in dem Sin-

ne, dass von mehr Kindern erwartet wird, einen höheren Bildungsweg zu absolvie-

ren. Eine fundierte und ausreichende sprachliche Erziehung in der Familie mit star-

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ken und kompetenten Sprachvorbildern, die aus genannten Gründen Voraussetzung

für eine gelingende Bildungskarriere ist, ist jedoch nicht immer gewährleistet.

Wenn Deutsch als Zweitsprache für ein Kind hinzukommt, soll und kann der Zweit-

spracherwerb nur in der Bildungseinrichtung erfolgen, da in der Familie der Erwerb

der Erstsprache im Vordergrund steht.

Dies macht Sprachpädagogik zu einem unersetzlichen Bestandteil des Bildungsauf-

trags unserer Kindertageseinrichtung. Defizite und Auffälligkeiten im familiären

Spracherwerb können nur in der Bildungseinrichtung, die ein Kind besucht, aufge-

fangen werden. Der Besuch einer Bildungseinrichtung für Kinder soll die Chancen-

gleichheit entsprechend der Bedürfnisse aller Kinder ermöglichen.

Unser Fachpersonal kann und wird die gesamte Entwicklung unserer Kinder regel-

mäßig und auf Basis neuester wissenschaftlicher Erkenntnis beobachten und för-

dern. Der Beobachtung und Dokumentation der sprachlichen Entwicklung kommt auf

Grund der Besonderheit von Sprache als Schlüsselkompetenz eine hohe Bedeutung

in unserer Arbeit zu.

Durch die Teilnahme am Programm der Bundesregierung „Frühe Chancen“ konnten

wir die Weiterbildung einer Mitarbeiterin zur Sprachförderkraft finanzieren. Diese fun-

giert nun als Multiplikatorin und Ansprechpartnerin für alle Belange der Sprachförde-

rung. Neben allgemeinem Wissen über Praxis und Theorie der Sprachentwicklung

und –förderung qualifiziert sie das Team im Hinblick auf die besonderen sprachpä-

dagogischen Anforderungen von Kindern mit Migrationshintergrund und Kindern un-

ter drei Jahren, was wiederum Voraussetzung zur Teilnahme an „Frühe Chancen“ ist.

Der Spracherwerb des Kindes beginnt im Elternhaus als Interaktion zwischen Eltern

und Kind. In der Kindertageseinrichtung wird der Spracherwerb pädagogisch fundiert

angeleitet und gefördert. Die sprachpädagogische Arbeit im Rahmen der bundeswei-

ten Bildungsoffensive „Frühe Chancen“ gliedert sich in unserer Einrichtung daher in

drei Bereiche:

Die sprachpädagogische Arbeit mit dem Kind Die sprachpädagogische Arbeit mit dem Team

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Die sprachpädagogische Arbeit mit den Eltern

Da wir nicht nur Kinder aus deutschsprachigen Familien in unserem Kindergarten

begleiten, liegt ein großes Augenmerk auf dem Phänomen der Mehrsprachigkeit,

insbesondere in dem Erwerb von Deutsch als Zweit- oder Drittsprache. Daher ist der

Umgang mit Mehrsprachigkeit ein wichtiger Bestanteil in der Konzeption unserer

Sprachförderung.

Im Rahmen der Erziehungs- und Bildungspartnerschaft sind ausführliche Informatio-

nen über den individuellen Entwicklungsstand der Kinder unerlässlich. Eine gezielte

Beobachtung der Sprachentwicklung und deren Dokumentation sind damit wichtige

Bestandteile unseres Sprachförderkonzepts Beobachtung und Dokumentation.

Um unsere Arbeit stetig zu evaluieren und nachhaltiges Arbeiten zu gewährleisten,

gehört auch eine adäquate und wissenschaftlich abgesicherte Qualitätssiche-rung in unser Konzept zur Sprachförderung im Kindergarten Mintraching.

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2. Sprachpädagogische Arbeit mit dem Kind

In unserer sprachpädagogischen Arbeit mit dem Kind steht eine alltagsintegrierte und entwicklungsangemessene systematische sprachliche Bildung mit einzel-

nen Kindern und Kleingruppen im Vordergrund.

Wir bieten den Kindern viel Raum und vielfältige Möglichkeiten, ihr Sprachvermögen

und ihre Sprachkompetenz selbstständig und pädagogisch angeleitet zu erweitern:

Wenn Kinder von klein auf vielfältige Begegnungen mit Büchern, Lesen und Schrei-

ben haben, wachsen sie ganz selbstverständlich in eine Buch- und Lesekultur hinein.

Wichtige Voraussetzungen dafür sind:

o eine gute Ausstattung mit Materialien, die Sprache und Literacy anregen und,

o dass diese Materialien für Kinder gut aufbereitet und zugänglich sind (Das

heißt in Augenhöhe und in offenen Regalen.)

Unsere Bücher knüpfen an die aktuelle Lebenswelt der Kinder an und erschließen für

sie aber auch neue Themengebiete, die ein gewisses Abstraktionsniveau einfordern.

Eine gemütliche Sitzgelegenheit mit einer behaglichen Ausstattung wie Sitzkissen

fördert durch eine gute Atmosphäre die Nutzung dieser Bücher.

Vom Kontakt und der Auseinandersetzung mit Büchern gehen starke Impulse für die

Sprach- und Literacy-Entwicklung des Kindes Kind aus (Snow et al. 1998). Das

Kind genießt die Zuwendung des Erwachsenen in einer abgeschirmten sprachinten-

siven Situation, in einer Verbindung von Nähe und Zuwendung einerseits und

sprachlichen Aktivität andererseits (Ulrich 2005).

In pädagogischen Angeboten greifen wir auf

die Methode der dialogischen Bilderbuchbe-trachtungen zurück; das bedeutet, das Kind

wird angeregt, Dinge, Handlungen und Ereig-

nisse zu benennen und zu beschreiben. Dabei

wird selbstverständlich der altersbedingte Ent-

wicklungsstand berücksichtigt. Bei Kindern

zwischen zwei und drei Jahren wird eher auf

die einzelnen Seiten des Bilderbuchs fokussiert. Bei Vier- bis Fünfjährigen legen wir

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Impulse auf die Geschichte insgesamt und auf die persönlichen Bezüge der Kinder

zur Geschichte.

Dialogische Bilderbuchbetrachtungen gehören zu den wissenschaftlich am besten

abgesicherten Methoden sprachlicher Bildung. Diese Studien zeigen, dass die

sprachliche Entwicklung der Kinder positiv be-

einflusst wird. (Hargrave & Senechal 2000) Dia-

logische Bilderbuchbetrachtungen fördern

sprachliche Kompetenzen wie Grammatik,

Wortschatz, Phonologie, aber auch kommunika-

tive Kompetenzen wie der Wechsel zwischen

Sprechen und Zuhören. Dabei spielen Wieder-

holungen eine große Rolle, um das Erlernte zu festigen.

Bei Geschichten aus dem Schuhkarton haben die Kinder die Möglichkeit, die Ge-

schichte wieder und wieder auf die gleiche Weise zu hören. In einem Schuhkarton

finden sie Materialien und Gegenstände, die in der erzählten Geschichte als Teil der

Handlung vorkommen. Mit Hilfe der vorgefun-

denen Gegenstände erzählen die Kinder die

Geschichte in ihren eigenen Worten nach

oder übernehmen Formulierungen und

Sprachmelodie. Sie entwickeln so ein Gespür

für einen erzählerischen Aufbau. Gleichzeitig

lernen sie, Gegenstände zu benennen und

sich an Abläufe und Bestandteile einer Geschichte zu erinnern.

Was für Bücher und Geschichten wichtig ist, gilt auch für Materialien, die mit Lesen

und Schreiben zu tun haben. Aus der Forschung über frühe Literacy (z.B. Teale &

Sulzby 1986) wissen wir, dass sich viele Kinder schon sehr früh für Buchstaben inte-

ressieren, spielerisch einen „Brief“ kritzeln, ihren Namen schreiben usw. Solche frü-

hen Interessen und Kompetenzen lassen sich gezielt wecken und intensivieren durch

eine systematische Anreicherung der Umwelt (Morrow 1990). Dabei geht es zum ei-

nen um das Sichtbarmachen von Schriftlichkeit (z.B. Verschriftlichung von Regeln,

Beschriftung von Bildern, Texte in Portfolios), zum anderen um die Verfügbarkeit und

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Zugänglichkeit von Schreibmaterialien für Kinder (z.B. Stifte, Blätter, Stempel). Kin-

der können solche sprachbezogenen Materialien in ihre Spiele integrieren. Dies wirkt

sich wieder auf frühe Lese-und Schreibkompetenz aus (Christie 1991, S. 117).

Dabei haben wir folgende Ziele für die sprachpädagogische Arbeit:

o Die Impulse von Kindern, zu schreiben oder zu lesen, wertschätzen und

pädagogisch aufgreifen

o Kinder anregen, Schrift in der Umgebung bewusst wahrzunehmen und

zu verstehen

o Kinder ermutigen, Schrift und Schreiben zu nutzen

o Möglichst oft als positive Modelle für Lesen und Schreiben im Alltag

sichtbar zu sein

o Mit Kindern thematisieren, wofür man Lesen und Schreiben brauchen

kann

So wird den Kindern der Einstieg in das Schreiben lernen erleichtert. Eine weitere

Voraussetzung für das Erlernen der Schriftsprache ist eine ausgeprägte phonologi-

sche Bewusstheit bei den Kindern.

Phonologische Bewusstheit gehört zu den

wissenschaftlich am besten abgesicherten

frühen Literacy-Kompetenzen (Schnitzler

2008). Es geht dabei um die Fähigkeit, Laute

bewusst wahrzunehmen und zu verarbeiten,

z.B. Wörter in Silben zerlegen („Silbenklat-

schen“), heraushören mit welchem Laut ein

Wort anfängt. Phonologische Bewusstheit

spielt eine wichtige Rolle in der ersten Phase des Schriftspracherwerbs in der Schu-

le. Sie wird auch durch das Erkennen und Bilden von Reimen, das Zerlegen und Zu-

sammenfügen von Silben und Wörtern sowie Übungen zur Lautwahrnehmung und

Lautsynthese (z.B. Laute aus Wörtern heraushören) gefördert.

Die Beschäftigung mit den lautlichen und prosodischen Eigenschaften von Sprache stoßen wir gezielt an. Wir singen Lieder, bei denen Wörter mit Lauten er-

setzt werden. Wir entdecken Laute und Lautkombinationen in Bilderbüchern wie

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„Stomatenpaghetti“. Wir üben rhythmisches Sprechen durch Klatschen, Hüpfen und

Stampfen. Spracherwerb wird durch Rhythmik, Gestik, Mimik und feste Rituale ver-

stärkt. Dies ist besonders bei 1:1- Situationen realisierbar. Auch bei gezielten Ange-

boten wie Rhythmik oder Singspielen finden wir sprachliche Anregungen im Bereich

der „Laute und Prosodie“. Außerdem macht es den Kindern Spaß, und sie erleben

gegenseitige Anregung.

Zum Förderschwerpunkt im Bereich der „Laute und Prosodie“ gehören auch die Fes-

tigung und Erweiterung des Lautrepertoires in Spielsituationen. Dazu ahmen wir

auch Tiergeräusche nach. Dabei berücksichtigen wir, dass Tierlaute in einer anderen

„Sprache“ als einer wortbasierten gelernt werden müssen. So versuchen wir, das

Geräusch nachzuahmen und uns auf den Klang bzw. Laut zu konzentrieren.

Durch die Konzentration auf den Klang werden auch einzelne Buchstaben für die

Kinder interessant.

Das erwachende Interesse an Buchstaben fördern wir spielerisch: Wir ordnen Lau-

te Buchstaben zu. Wir erkennen Buchstaben in Namen, Wörtern und auf der Compu-

tertastatur. Wir ermutigen Kinder „Mama“ oder den eigenen Namen zu schreiben.

Dabei beobachten wir, dass für jüngere Kinder eher Spiele mit Lauten im Vorder-

grund stehen, für ältere Kinder sind eher Buchstaben und Schrift interessant. Wichtig

ist uns aber immer, von den Interessen der Kinder auszugehen. D.h. wir beobachten

Kinder im Freispiel und klinken uns, passend zu dem, was das Kind gerade tut, ein,

um sie durch unsere Anregung in die nächste Phase ihrer sprachlichen Entwicklung

zu bringen.

Die Kommunikation rund um Gesellschaftsspiele birgt oft ein unterschätztes Po-

tenzial für die sprachliche Bildung von Kindern. In diesen Spielformen - von Ge-

dächtnisspielen, Legespielen, Zuordnungs- oder Würfelspielen bis hin zu Kartenspie-

len und Wissensspielen - sind Kinder in vielen sprachlichen und nichtsprachlichen

Bereichen gefordert. Die Kinder kommen untereinander ins Gespräch, üben sich im

Begründen und Aushandeln neuer Regeln und entwickeln vielfältige soziale Fähig-

keiten. Je nach Spielform und Themenbereich erweitern und differenzieren Kinder so

im Spiel über beiläufiges Lernen ihr Wissen und ihren Wortschatz (Mierau et al.

2008).

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Kinder beginnen etwa mit dreieinhalb bis vier

Jahren mit freien Rollenspielen. Rollenspie-le haben eine wichtige Funktion für die Ent-

wicklung von literacy-bezogener Interessen

und Kompetenzen, weil sie z.B. authenti-

sche, sinnhafte und spielerische Kontexte für

Lese-und Schreibhandlungen bereitstellen

(Pellegrine & Galda 2000; Morrow & Schi-

ckedanz 2006). Rollenspiele bieten auch Lernchancen bezogen auf den Wechsel

von Sprechen und Zuhören sowie bezogen auf den abstrakten Sprachgebrauch. Mit

geeigneten Materialien in Bau - oder Puppenecke, Verkleidungsecke oder „Tafel und

Tisch“ zum „Schule spielen“ bieten wir den Kindern Raum und Möglichkeiten für Rol-

lenspiele. Dabei ist es wichtig, ausreichend sprachlich „gute“ Kinder in der Gruppe zu

haben. Kinder mit sprachlichen Defiziten profitieren sehr davon, wenn sie mit sprach-

lich gut entwickelten Kindern spielen.

In unserem Tagesablauf und den Bildungsbereichen des Bayerischen Bildungs- und

Erziehungsplanes finden sich vielfältige weitere Möglichkeiten für eine alltagsinte-

grierte sprachliche Bildung:

Im Morgenkreis erzählen die Kinder von ihren Erlebnisse vom Wochenende, brin-

gen ihre Meinungen zum Ausdruck, besprechen Wünsche und Änderungen in der

Gruppe, diskutieren über neue Projekte und bestimmen, was sie lernen oder zu-

sammen kochen wollen. Gesprächskreise mit einem respektvollen und empathischen

Umgang und körperliche Nähe fördern die Sprachfreude der Kinder bis 3 Jahre. Auch

die Texte für Dokumentationen von Projekten oder Kinderkonferenzen lassen wir die

Kinder selbst verfassen.

In einigen Gruppen haben die Kinder die Mög-

lichkeit, anhand einer Wanddokumentation mit

Smileys mit weinendem, ernstem und lachen-

dem Gesicht ihr Foto zuzuordnen, um so ihre

aktuelle Gefühlslage auszudrücken. Damit

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ermöglichen sie eine direkte Ansprache auf ihre Gefühlssituation. Bei Konflikten kön-

nen sie ihre Probleme und Schwierigkeiten artikulieren und zusammen mit dem pä-

dagogischen Personal im Gespräch eine Lösung bzw. einen Lösungsansatz suchen.

Im musischen Bereich ermöglicht das pädagogische Personal den Kindern, neue

Lieder und Kreisspiele zu lernen. Die Kinder wiederholen diese mit Orffinstrumenten

und raten Lieder anhand eines Liederbuches. Für Kinder, die die deutsche Sprache

erst noch erlernen müssen, sind Lieder und Singen ein guter Anhaltspunkt dafür, die

deutsche Sprachmelodie zu erlernen. Singen und Musik fördern bei allen Kindern

eine differenzierte Entwicklung des Gehörs und üben die Sprachwerkzeuge (Jam-

pert, Zehnbauer et al. 2011).

Im motorischen Bereich z. B. beim Turnen oder Rhythmik lernen die Kinder neue

Fachausdrücke wie rollen, prellen, anschleichen, balancieren etc. kennen.

Im Bereich der Medien nehmen sich die Kinder selbstständig Bilderbücher und tun

so, als ob sie lesen bzw. anderen Kindern etwas vorlesen. Bei Projekten suchen die

Kinder zusammen mit dem pädagogischen Personal im Internet nach Antworten auf

ihre Fragen. Wir zeigen den Kindern auch ihr eigenes Theaterspiel auf Video. Wir

üben den praktischen Umgang mit Medien und experimentieren mit ihnen, z. B. hö-

ren wir unsere Stimme durch ein Mikro und setzen dieses dann auch in Vorführungen

ein. Wir setzen uns aktiv mit den Medienerfahrungen der Kinder auseinander, in dem

wir z. B. ein Theaterstück auf Grundlage eines Films, den die Kinder kennen und

mögen, entwickeln.

Im Bereich Forschen und Experimentieren erweitern die Kinder ihren Wortschatz

und üben sich im Philosophieren. Dabei planen, handeln und entscheiden wir zu-

sammen mit den Kindern. Kinder und Erwachsene lernen voneinander und miteinan-

der. Gemeinsam gehen wir dabei auf die Suche nach Antworten auf unsere Fragen.

Im Bereich lebenspraktische Dinge, wie z.B. Kochen, lernen die Kinder neue Be-

griffe wie Temperatur und verschiedene Geschmacksrichtungen kennen. Außerdem

können sie Tätigkeiten wie messen, wiegen, vermischen, quirlen benennen.

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Bei der Zusammenstellung ihres Portfolios

schildern die Kinder ihre Fähigkeiten, Interes-

sen und Vorlieben. Sie erzählen anhand eines

Fotos oder ihrer Lerngeschichte, wie sie etwas

gelernt oder erlebt haben. Angeregt durch Fotos

von Erlebnissen wie Urlaub, Nikolaus, Gruppen-

festen, Waldwochen oder Geburtstagen be-

schreiben die Kinder die Situationen. So werden

auch Texte im Portfolio von den Kindern selbst verfasst.

Sie trainieren ihr Ausdrucksvermögen, erweitern ihren Wortschatz und lernen die

Grundlagen einer angemessenen Kommunikation. Sie setzen sich spielerisch mit

Syntax und Grammatik auseinander, probieren sich in der Prosodie und erlangen

phonologische Bewusstheit. Durch unsere Sprachpädagogik erlangen sie Sprach-

kompetenz.

Im Umgang mit dem Kind achten wir auf wichtige wissenschaftliche Erkenntnisse und

eine kindzentrierte Perspektive unserer (Sprach)Pädagogik, daraus leiten wir

unser sprachpädagogisches Handeln ab:

o Wir geben korrektives Feedback, das heißt, das Vom-Kind-Gesagte wird em-

pathisch in korrigierter Form wiedergegeben, wobei auf einen „einfachen

Wortschatz“ geachtet wird.

o Wir haben Zeit für jedes Kind.

o Wir kommunizieren mit dem Kind auf Augenhöhe, damit es sich ernst genom-

men fühlt.

o Wir achten auf aktives Zuhören: Das Kind ausreden lassen, keinen Druck

ausüben oder gar Sprache „trainieren“.

o Wir holen das Kind dort ab, wo es gerade steht. Nur dann ist es motiviert,

Neues zu lernen.

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3. Sprachpädagogische Arbeit mit dem Team

Ein wichtiger Punkt in der Bildungsoffensive neben der Arbeit am Kind ist die Qualifi-zierung des Teams durch die Sprachförderkraft, um ein langfristiges und nachhal-

tiges sprachpädagogisches Arbeiten zu gewährleisten. Das Team ist umfassend über

die Ziele und Aufgaben der zusätzlichen Fachkraft für sprachliche Bildung informiert.

Die Sprachbildungsarbeit mit den Kindern und die Elternarbeit werden aber vom ge-

samten Team umgesetzt.

Die Sprachförderkraft ist als Multiplikatorin eingesetzt und gibt ihr erworbenes Fach-

wissen an das gesamte Team weiter. Dazu gehören Informationen über die Entwick-

lung von Sprache, sprachbezogene Entwicklungspsychologie und Möglichkeiten zur

gezielten Beobachtung von Sprachstand und –entwicklung.

Die Bewusstheit jedes Einzelnen darüber, dass man als Sprachvorbild gegenüber

den Kindern fungiert, wird geweckt und gefestigt. Nonverbale Kommunikation wird

durch Rollenspiele aufgezeigt.

Auch die Materialien zur sprachpädagogischen Arbeit sind allen Mitarbeitern zugäng-

lich. „Sprache“ ist fester Tagesordnungspunkt bei Teamsitzungen. Es finden regel-

mäßig Reflexionsgespräche mit den anderen Kolleginnen statt ebenso wie kollegiale

Fallbesprechungen bei Teamsitzungen. Die Entwicklungsziele der Kinder werden

gemeinsam besprochen. Ziele der alltagsintegrierten sprachpädagogischen Arbeit

sind im Kindergartenkonzept verankert und werden regelmäßig gemeinsam über-

prüft.

Ebenso findet ein reger Austausch mit anderen Kindertageseinrichtungen, die am

„Frühe Chancen-Programm“ teilnehmen, statt und zur nachhaltigen Absicherung un-

ser Arbeit selbstverständlich auch mit Grundschulen.

Eine der wichtigsten Voraussetzungen für jede Bildungsarbeit ist eine intensive und

vertrauensvolle Beziehung zum Kind. Folgende grundlegende Kompetenzen einer

Fachkraft sind für eine gelingende sprachpädagogische Arbeit notwendig:

- Die Fachkraft sollte gut fundierte Deutschkenntnisse und eine reflektierte Ausdrucksfähigkeit haben, um ein gutes Sprachvorbild zu sein.

- Das pädagogische Personal sollte hoch qualifiziert sein und ein fundiertes Fachwissen über Sprachentwicklung und Entwicklungspsychologie mit-

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bringen, um den jeweiligen Sprachstand analysieren zu können. Dies wird er-

gänzt um Kompetenzen im Umgang mit dem Spracherwerb von Kindern unter

drei Jahren und dem Erwerb von Deutsch als Zweitsprache.

- Eine positive Lebenseinstellung, die Anerkennung der Kompetenzen von

Kindern sowie Freude an Kommunikation ist u.a. eine Grundlage für eine res-

pektvolle, feinfühlige und empathische Umgangsweise mit den Kindern.

- Ebenso wird eine gute Beobachtungs- und Wahrnehmungsgabe sowie die

Fähigkeit des aktiven Zuhörens benötigt.

- Es ist wichtig, Kinder ausreden zu lassen und auf ihre Bedürfnisse und In-teressen zu achten. Dabei muss das pädagogische Personal sich selbst zu-

rücknehmen können und geduldig sein.

- Wertschätzung und eine offene Art dem Kind gegenüber sind eine weitere

Voraussetzung des pädagogischen Personals.

- Eine Konzentration auf das einzelne Kind im Rahmen einer Gruppensituati-

on ist eine große Herausforderung, jedoch sehr wichtig für die individuelle Be-

gleitung der Kinder.

- Eine weitere Kompetenz ist, die nonverbalen Signale wie Mimik und Gestik der Kinder wahrzunehmen, zu verstehen und darauf adäquat zu reagieren.

- Zeit und Raum für Selbst- und Fremdreflexion muss im Kindergartenalltag in-

tegriert sein.

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4. Sprachpädagogische Arbeit mit den Eltern

Unsere sprachpädagogische Arbeit betrifft nicht nur die fremdsprachigen Eltern, son-

dern alle Eltern. Denn die ersten Grundlagen zum Sprachverständnis eines Kindes

legen die engsten Bezugspersonen, dies sind meist die Eltern. Sie gehen auf die Be-

dürfnisse ihres Kindes mit allen Sinnen ein und ermöglichen so die erste Verständi-

gung. Auf diesen ersten Erfahrungen des Kindes basiert jegliche Weiterentwicklung

der Kommunikation.

Der Kindergarten versucht die Individualität des einzelnen Kindes zu berücksichtigen,

seine Schwächen zu schwächen, um seine Stärken zu stärken.

So findet die sprachpädagogische Arbeit mit den Eltern Einzug in unseren Kindergar-

tenalltag:

Bereits beim Aufnahmegespräch wird den Eltern die Bedeutung von Sprache und

deren Auswirkung auf die gesamte Entwicklung feinfühlig erläutert.

Weiterhin bieten wir für die Eltern Aktivitäten mit Sprachschwerpunkt an, um die

elterliche Bewusstheit in Bezug auf Sprache und Sprachentwicklung zu fördern. An

einem Elternabend haben wir durch den Sprachbaum nach Wendtland den Eltern die

Entwicklung und Wichtigkeit der

Sprache näher erläutert. Dreimal

jährlich bieten wir in Kooperation mit

den anderen Diakoniekindergärten

in Neufahrn einen Elternabend mit

einem Thema aus dem Bereich

Sprache an.

Im Informationsnachmittag über

verschiedene Kulturen und Sprachen unseres Kindergartens wird die Bedeutung der

Familiensprache hervorgehoben und wertgeschätzt.

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Damit die Erkenntnisse nicht im Kindergarten verbleiben, sondern mit nach Hause

genommen werden können, haben wir auch hier verschiedene Angebote. An unse-

rem „Sprachfluss“ lernen Eltern neue Bilderbücher ihrer Familiensprache kennen und

können sich diese Bücher auslei-

hen. Eltern bringen Gegenstände

und Souvenirs aus dem Land mit,

das gerade „erforscht“ wird. Lieder-

texte, die im Kindergarten gesungen

werden, können mit nach Hause

genommen und dort geübt werden.

Begriffe, die für eine Zeit lang im

Kindergarten sehr wichtig sind, sollten die Kinder auch in der Muttersprache kennen-

lernen, damit sie zu Hause mit ihren Eltern darüber sprechen können. Dies wollen wir

mit einem Wörterplakat ermöglichen, indem ein oder zwei Begriffe in den Sprachen

der Kinder gesammelt und dokumentiert werden.

Eine Geschichte in zwei Sprachen zu hören, ermöglicht den Kindern den Inhalt bes-

ser zu verstehen und sich damit auseinanderzusetzen. Im anderen Fall gewöhnen

sich die Kinder daran, dass sie Geschichten nur ungefähr verstehen, mehr ahnen

und kombinieren und nicht den Anspruch haben, den Inhalt genau zu verstehen.

Dies ermöglichen wir den Kindern an unseren internationalen Nachmittagen, an dem

Eltern und Erzieherin ein zweisprachiges Bilderbuch vorlesen.

Wir wollen Kinderverse in verschiedenen Sprachen in den Kindergarten bringen. Kin-

derverse wirken nicht nur für Kinder sehr anregend, sondern auch für die Eltern, die

sich dadurch angenommen und verstanden fühlen.

Gerne schöpfen wir auch aus dem Potential, dass die Sprachvielfalt unseres Kin-

dergartens bietet. So fungieren mehrsprachige Eltern als Dolmetscher.

Eine ausführliche Öffentlichkeitsarbeit und Dokumentation der sprachpädagogi-

schen Arbeit am Kind ist unerlässlicher Bestandteil unserer Sprachkonzeption, damit

die Eltern für das Thema Sprache und Spracherwerb sensibilisiert werden, aber auch

über unsere Angebote in diesem Bereich bestens informiert sind.

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Gleichzeitig arbeiten wir stets an einer fruchtbaren Kommunikation mit den Eltern und

pflegen damit unsere Bildungs- und Erziehungspartnerschaft. Tür- und Angelge-

spräche begünstigen einen möglichst intensiven Kontakt, damit eine gute Zusam-

menarbeit gelingen kann. Anregungen von Eltern werden stets ernst genommen,

damit sich die Zusammenarbeit als besonders fruchtbar entwickeln kann.

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5. Mehrsprachigkeit

Sprache bedeutet nicht nur Teilhabe an Gesellschaft, Bildungs- und Berufswelt,

Sprache bedeutet auch Heimat und damit familiäre Geborgenheit. Nicht umsonst

spricht man von Muttersprache oder Familiensprache. Daher sind Offenheit und To-

leranz gegenüber anderen Kulturen für unsere Einrichtung sehr wichtig. Das Mitei-

nander-Lernen verschiedener Kulturen wird gefördert und die Kinder so zu toleranten

kleinen Mitbürgern erzogen. Die Familiensprache ist ein wichtiger Teil der Identität

und darf in der Kita nicht ausgeklammert werden. Das Kind muss Respekt vor seiner

Familiensprache erfahren, indem diese Sprache ernst genommen wird und einen

Platz in der Kita findet. Dabei sind Achtsamkeit und Wertschätzung seines Gegen-

übers gleich welcher Herkunft als Grundlage für eine gelungene Kommunikation sehr

wichtig.

Nichtsdestotrotz ist das Erlernen der deutschen Sprache für eine gelungene Bil-

dungsbiographie in Deutschland unerlässlich, da unser Bildungssystem, unser Leh-

ren und Lernen sprachbasiert ist. Migranten gehören leider aufgrund der Sprachbar-

rieren immer noch zu den Bildungsverlierern. Unter anderem ist dieser Aspekt ein

Grund für die Bildungsoffensive „Frühe Chancen“ der deutschen Bundesregierung.

Die verschiedenen Familiensprachen werden durch das pädagogische Personal her-

vorgehoben und wertgeschätzt. Wir achten darauf, dass auch die Sprachentwicklung

in der Familiensprache des Kindes Beachtung und Anerkennung bekommt. Das Kind

bekommt Sicherheit und Selbstvertrauen, wenn es Alltagsgegenstände mehrsprachig

benennen darf. Denn Kinder, die ihre Familiensprache gut beherrschen, lernen die

deutsche Sprache besser.

Das pädagogische Personal bringt mehrsprachigen Kindern mehr Geduld entgegen,

da oft ein „Übersetzen“ im Kopf des Kindes stattfindet. Ältere Kinder dürfen als Über-

setzer fungieren. Wir begleiten langsames, ausdrucksvolles Sprechen mit Mimik und

Gestik. Denn Sprache und Wörter werden nicht nur gehört. Der gesamte Körper ist in

den Sprechakt eingebunden; die Kinder nehmen diese Bewegungen unbewusst auf

und binden sie in ihre Sprechaktivität ein. Kreative Leistungen in der Sprache werden

anerkannt und wertgeschätzt. Das pädagogische Personal akzeptiert längere

Sprechpausen und langsames Sprechen.

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Kindergarten Mintraching

Konzept zur Sprachförderung

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Beim Erlernen von Deutsch als Zweitsprache gestehen wir den Kindern ein eigenes

Tempo zu. Wir geben den Kindern korrektives Feedback, aber verbessern die Kinder

nicht direkt. Spaß und Freude muss den Kindern beim Erlernen der zweiten Sprache

erhalten bleiben. Manche Kinder lernen die neue Sprache wie von selbst, viele brau-

chen eine Unterstützung. Dabei helfen wir ihnen gerne.

Was Eltern beim Erlernen einer zweiten Sprache wissen sollten:

o Bereits vor der Geburt erkennt das Kind Sprachmelodie, Klangfarbe, Gefühle

und Stimmungen seiner Familiensprache. Dadurch verbindet das Kind mit der

Erstsprache Gefühle von Geborgenheit und Sicherheit. Kinder lernen eine

Sprache anders als Erwachsene.

o Bitte sprechen Sie mit Ihrem Kind nicht mit der Umgebungssprache, wenn Sie

diese nur fehlerhaft und bruchstückhaft sprechen! Dadurch entsteht eine Halb-

sprachigkeit!

o Bitte fördern Sie Ihr Kind in der Erstsprache, indem Sie ihm viel in Ihrer Fami-

liensprache vorlesen. Ihr Kind sollte auch die Schriftsprache Ihrer Sprache be-

herrschen.

o Bitte denken Sie daran, dass Sie der Hauptverantwortliche beim Erwerb der

Erstsprache sind! Förderung in der Erstsprache ist ein Bestandteil der Förde-

rung in der Zweitsprache! In der Erstsprache lernt das Kind wie von selbst, wie

Sprache aufgebaut ist, mit Regeln, Gesetzmäßigkeiten und Ausnahmen.

o Wenn Ihr Kind in Ihrer Familie zweisprachig aufwächst, dann trennen Sie nach

Personen oder Situationen.

o Fernsehen in der zweiten Sprache ist nicht förderlich. Für die Sprachförderung

bringt es gar nichts!

o Unterstützen Sie den Umgang mit deutschen Kindern.

o Am allerwichtigsten sind aber Wertschätzung, Zuwendung und Liebe!

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6. Beobachtung und Dokumentation

Bei unseren Beobachtungen steht nicht die Früherkennung von Auffälligkeiten im

Vordergrund, sondern die Beobachtung der Sprachentwicklung. Dabei orientieren wir

uns verstärkt an den Kompetenzen des Kindes und nicht an seinen Defiziten.

Diese Orientierung an den Ressourcen der Kinder ist für uns besonders wichtig, da

auch „fitte“ Kinder im Rahmen der Chancengleichheit einen Anspruch auf sprachliche

Anregung haben, die auf ihre Interessen und Fähigkeiten abgestimmt sind.

Wir arbeiten mit mehreren Beobachtungsinstrumenten, um die Sprachentwicklung

nach wissenschaftlichen und gesetzlich vorgeschriebenen Standards zu beobachten

und zu dokumentieren:

o Bei den deutschsprachig aufwachsenden Kindern ist der Sprachstand ab der

ersten Hälfte des vorletzten Kindergartenjahres vor der Einschulung anhand

des Beobachtungsbogens SELDAK zu erheben (§5 Abs. 3 AVBayKiBiG).

Die AVBayKiBiG lässt für diese Altersgruppe kein Ersatzverfahren zu.

o Der Sprachstand von Kindern, deren Eltern beide nicht deutschsprachiger

Herkunft sind, ist in der ersten Hälfte des vorletzten Kindergartenjahres an-

hand des Sprachstandsbogens SISMIK zu erheben.

Mit Hilfe dieses Verfahrens wird entschieden, ob dem Kind der Besuch eines

Vorkurses „Deutsch 240“ empfohlen wir.

Auch hier ist kein Ersatzverfahren möglich.

o In unserem Kindergarten arbeiten wir weiterhin nach einem Beobachtungsver-

fahren, das Lernfortschritte im Rahmen von klar definierten Altersnormen und

Lernzielen kontrolliert: Nach der Entwicklungstabelle Beller & Beller 2000.

o Eine kindzentrierte Perspektive unserer Beobachtungen gewährleisten wir

zum einem mit dem Beobachtungsverfahren KOMPIK (Mayr et al. 2011), zum

anderen mit den Bildungs- und Lerngeschichten oder/und Portfolios.

Durch unsere Beobachtungen und Dokumentationen wollen wir unser pädagogi-

sches Handeln auf die subjektive Situation und Entwicklung sowie auf die individuel-

len Fähigkeiten und Interessen des Kindes abstimmen.

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7. Qualitätssicherung

Die Verantwortlichkeit für diese Aufgabe liegt beim Träger und der Leitung der Ein-

richtung. Ziel der Qualitätssicherung ist eine kontinuierliche Evaluation und die darauf

basierende Anpassung unseres pädagogischen Profils und dessen Umsetzung.

Wir nutzen für das Qualitätsmanagement des Kindergartens Mintraching aktuell fol-

gende Instrumente:

o Jährliche Elternbefragung

o Gesprächsangebote für Eltern

o Teilnahme an regelmäßigen Supervisionssitzungen

o Regelmäßige Sitzungen im Großteam

o Fort- und Weiterbildungsangebote der Mitarbeiter durch den Träger

o Regelmäßige Mitarbeitergespräche

o Ausführliche Dokumentation der pädagogischen Arbeit

o Klausurtage zur Supervision und Fortbildung

o Dokumentation des Entwicklungsstandes mittels der benannten Beobach-

tungsbögen, Portfolio und Lerngeschichten

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Konzept zur Sprachförderung

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8. Fazit

Unser Sprachförderkonzept greift an allen Parametern, die zu einem gelungenen

Spracherwerb beitragen.

Für das Team des Kindergarten Mintraching steht eine nachhaltige und alltagsinte-

grierte Sprachförderung im Mittelpunkt des pädagogischen Handelns. Wir konnten

uns weiterbilden und qualifizieren, damit haben wir unsere Kompetenzen im Bereich

der sprachlichen Bildung erweitert und fundiert, so dass auch das pädagogische

Konzept unserer Einrichtung entsprechend angepasst wurde.

Wir möchten die Eltern für das Thema Spracherwerb sensibilisieren, aber ihnen ge-

genüber auch aufklärend wirken, in dem wir sie über wichtige Bedingungen und die

nötigen Voraussetzungen eines gelungenen Spracherwerbs informieren. Daher ist

unsere Elternarbeit im besten Sinne auch als präventiv anzusehen.

In der Arbeit am Kind möchten wir kompensatorisch mit Sprachdefiziten umgehen,

gleichzeitig aber eine sprachanregende Umgebung und pädagogische Anleitung bie-

ten, die darauf zielt, sprachliche und daraus resultierende soziale Ungleichheiten

aufzufangen.

Wir möchten die Kinder mit den besten Voraussetzungen für eine gelungene Bil-dungskarriere in ihren weiteren Bildungsweg entlassen.

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www.frühe-chancen.de