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© Springer-Verlag 2009 wobl Rechtsprechung/MRG 231 2009, Heft 7/8 Juli/August weisende Ersturteil in der Hauptsache wiederherzustel- len. 7. (. . .) * * * Der vorliegenden, im zweiten Rechtsgang ergangenen Entscheidung des 3. Senates ist vollinhaltlich zuzustim- men. Völlig richtig (wenngleich bei ausschließlicher Kon- zentration auf den einschlägigen dogmatischen Problem- kern [zu diesem zuletzt eingehend F. Bydlinski, Ge- schäftsraummiete oder Unternehmenspacht im EKZ: Eine Suche nach dem Problemkern, JBl 2007, 273ff] bei weitem keiner derart aufwendigen Begründung, wie vom 3. Senat vorgenommen, bedürftig) ist zunächst, dass im gegenständlichen Fall – EKZ- und Nebenbetriebsjudika- tur hin oder hier (zu letzterer vgl im übrigen jüngst völlig zutreffend 1 Ob 25/08w = wobl 2009, 164/58) – keinerlei Rede davon sein kann, dass die klagende Messeveranstal- tungsgenossenschaft der beklagten Möbelhausgesell- schaft ein Unternehmen (welches denn auch?) verpachtet hätte. Einmal mehr zeigt sich freilich anlässlich der vor- liegenden Entscheidung, welche große Bereitschaft ge- genwärtig sowohl in der kautelarjuristischen Praxis als auch im Zuge rechtsfreundlicher Vertretung besteht, selbst eindeutige Mietverträge in „Pachtverträge“ umzu- interpretieren (bzw derartiges zumindest bis hin zum Höchstgericht zu versuchen), bloß um Bestandnehmern die ihnen gemäß dem MRG zukommenden Rechtsposi- tionen entziehen zu können (vgl zu diesem Problem, das sein Entstehen vor allem auch Fehlentwicklungen in der Judikatur im Zusammenhang mit Bestandverträgen in Einkaufszentren verdanken dürfte, auch schon Vonkilch, Anmerkung zu wobl 2007, 321/126 [„Volksprater“]). Ebenfalls völlig richtig gelangt der 3. Senat zu dem Er- gebnis, dass es dem Vorliegen von Geschäftsraummiete, dh der Vermietung von (selbständigen) „Geschäftsräum- lichkeiten“ iSv § 1 Abs 1 MRG keineswegs entgegensteht, wenn diese Räumlichkeiten nicht gleichsam hermetisch abgeriegelt sind, sondern ua mit Stiegenhäusern verbun- den sind, die ihrerseits wieder mit anderen Geschäfts- räumlichkeiten verbunden sind. In der Tat kann derarti- ges der Bejahung einer baulichen Abgrenzung (und damit dem Vorliegen eines [selbständigen] Geschäftsraums als Bestandobjekt) nicht entgegenstehen, bestünde doch an- derenfalls sogar die Gefahr, dass gerade Baulichkeiten wie die gegenständlichen Messehallen (bei denen wohl sämtliche Räumlichkeiten durch Gänge, Stiegenhäuser, Aufzüge etc mehr oder weniger baulich verbunden sind) zu „Ein- oder Zwei-Objekt-Gebäuden“ iSv § 1 Abs 2 Z 5 MRG mutieren, dh zu Gebäuden mit nicht mehr als zwei selbständigen Geschäftsräumlichkeiten, und solcherart dann aus dem Anwendungsbereich des MRG fallen (was der Intention des Gesetzgebers der MRN 2001, der diesen Tatbestand geschaffen hat, wohl keineswegs entspricht). Ergänzend zu verweisen ist in diesem Zusammenhang vor allem auch auf die in wobl 1991, 10/4 veröffentlichte E des erkennenden Senates, nach der als (selbständige) „Geschäftsräumlichkeit“ iSd MRG jeder Teil eines Ge- bäudes anzusehen ist, der eine auch vertikale bauliche Abgrenzung aufweist, wobei als hinreichende vertikale bauliche Abgrenzung bereits eine zT offene Teilumwan- dung anzusehen ist, sodass es dem Vorliegen einer (selb- ständigen) „Geschäftsräumlichkeit“ iSv § 1 Abs 1 MRG nicht etwa schadet, wenn der erforderliche Zugang sowie die Verkaufsfläche des durch eine Verkaufspultzusam- menfügung abgegrenzten Teiles eines Gebäudes von des- sen Rest baulich n i c h t v ö l l i g vertikal abgetrennt ist. Schließlich ist dem 3. Senat dahingehend zuzustim- men, dass er die vom BerG vorgenommene Vertragsaus- legung korrigiert hat. In der Tat sollte kein Zweifel beste- hen, dass auf Basis des festgestellten Sachverhaltes den Vorgaben des § 914 ABGB einzig ein Auslegungsergebnis des Inhalts entspricht, dass durch die Vereinbarung im Jänner 2003 nicht etwa eine definitive Schuldänderung des schon bestehenden Vertrages (und zwar in Richtung von dessen Umwandlung in einen Zeitmietvertrag) vor- genommen wurde, sondern diese Vereinbarung bloß unter dem Vorbehalt gelten sollte, dass die Beklagte nicht schon weitergehende Bestandrechte erlangt hat. Und dass sie diese weitergehenden Bestandrechte bereits er- langt hatte, verdankte die Beklagte nun einmal zweifels- frei dem (rechtspolitisch an Kuriosität freilich kaum zu überbietenden) Umstand, dass im Österreich des Jahres 1999 Geschäftsraummietverträge noch in erheblich ge- ringerem Umfang wirksam befristet werden konnten, als Wohnraummietverträge. Denn bekanntlich war es ja erst der WRN 2000 zu verdanken, dass im Hinblick auf die Vereinbarung eines Zeitmietvertrages auch im österrei- chischen Gewerberaummietrecht (wieder) der Grundsatz „pacta sunt servanda“ umfassend gilt. a. Univ.-Prof. Dr. Andreas Vonkilch 77. Im Zweifel keine konkludente Vereinbarung eines mietrechtlich geschützten Vertragsverhältnisses (öffentliches Dienst- und Besoldungsrecht) DOI 10.1007/s00719-009-1246-1 § 863 ABGB (§§ 1090 ff ABGB; §§ 1 ff MRG; § 23 Abs 2 GÜG): Die zunächst öffentlich-rechtlich erfolgte Wohnungs- überlassung steht einer späteren konkludenten Begrün- dung eines Mietverhältnisses (§ 863 ABGB) regelmäßig (also auch in den Fällen der Weiterbelassung von Ange- hörigen in dieser Wohnung) entgegen. An die Annahme der Absicht, dennoch ein solches Mietverhältnis begrün- den zu wollen, sind sehr strenge Maßstäbe iSd § 863 ABGB zu setzen, weil bei Überlegung aller Umstände sehr wohl daran gezweifelt werden kann, dass ein Dienstgeber durch eine Weiterbelassung bereit ist, ohne gesetzliche Notwendigkeit und ohne wirtschaftlichen Vorteil ein mietrechtlich geschütztes Vertragsverhältnis begründen zu wollen (dass die seitens des Dienstgebers von der Bf eingehobene Vergütung als „Miete“ bezeich- net wurde, bietet jedenfalls keinen Anhaltspunkt dafür, dass damit der Abschluss eines Bestandverhältnisses zum Ausdruck gebracht werden sollte). VwGH 5. 9. 2008, 2005/12/0070 78. Formwechselnde Umwandlung des Bestandgebers; Vermietung im Rahmen des Betriebs eines Ver- kehrsunternehmens DOI 10.1007/s00719-009-1319-1 § 1120 ABGB; § 29 BundesbahnG; § 1 Abs 2 Z 1 MRG: Unter „Veräußerung“ iSd § 1120 ABGB ist die deriva- tive Einzelrechtsnachfolge unter Lebenden oder von To- des wegen zu verstehen. Ebensowenig wie die Vererbung der Bestandgeberposition bedürfen Fälle von Gesamt- rechtsnachfolge bei juristischen Personen des Rückgriffs auf § 1120 ABGB. Für sie gilt § 1116 a ABGB. Bei der Prüfung der Frage, ob die Vermietung im Rah- men des Betriebs des Verkehrsunternehmens des Vermie- ters erfolgte (§ 1 Abs 2 Z 1 MRG), ist auf den Zeitpunkt des Abschlusses des Mietvertrags abzustellen. Wesentlich ist, ob die Vermietung nach dem Bestandzweck an sich in

Im Zweifel keine konkludente Vereinbarung eines mietrechtlich geschützten Vertragsverhältnisses (öffentliches Dienst- und Besoldungsrecht)

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Page 1: Im Zweifel keine konkludente Vereinbarung eines mietrechtlich geschützten Vertragsverhältnisses (öffentliches Dienst- und Besoldungsrecht)

© Springer-Verlag 2009

woblRechtsprechung/MRG 2312009, Heft 7/8

Juli/August

weisende Ersturteil in der Hauptsache wiederherzustel-len.

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Der vorliegenden, im zweiten Rechtsgang ergangenenEntscheidung des 3. Senates ist vollinhaltlich zuzustim-men.

Völlig richtig (wenngleich bei ausschließlicher Kon-zentration auf den einschlägigen dogmatischen Problem-kern [zu diesem zuletzt eingehend F. Bydlinski, Ge-schäftsraummiete oder Unternehmenspacht im EKZ:Eine Suche nach dem Problemkern, JBl 2007, 273ff] beiweitem keiner derart aufwendigen Begründung, wie vom3. Senat vorgenommen, bedürftig) ist zunächst, dass imgegenständlichen Fall – EKZ- und Nebenbetriebsjudika-tur hin oder hier (zu letzterer vgl im übrigen jüngst völligzutreffend 1 Ob 25/08w = wobl 2009, 164/58) – keinerleiRede davon sein kann, dass die klagende Messeveranstal-tungsgenossenschaft der beklagten Möbelhausgesell-schaft ein Unternehmen (welches denn auch?) verpachtethätte. Einmal mehr zeigt sich freilich anlässlich der vor-liegenden Entscheidung, welche große Bereitschaft ge-genwärtig sowohl in der kautelarjuristischen Praxis alsauch im Zuge rechtsfreundlicher Vertretung besteht,selbst eindeutige Mietverträge in „Pachtverträge“ umzu-interpretieren (bzw derartiges zumindest bis hin zumHöchstgericht zu versuchen), bloß um Bestandnehmerndie ihnen gemäß dem MRG zukommenden Rechtsposi-tionen entziehen zu können (vgl zu diesem Problem, dassein Entstehen vor allem auch Fehlentwicklungen in derJudikatur im Zusammenhang mit Bestandverträgen inEinkaufszentren verdanken dürfte, auch schon Vonkilch,Anmerkung zu wobl 2007, 321/126 [„Volksprater“]).

Ebenfalls völlig richtig gelangt der 3. Senat zu dem Er-gebnis, dass es dem Vorliegen von Geschäftsraummiete,dh der Vermietung von (selbständigen) „Geschäftsräum-lichkeiten“ iSv § 1 Abs 1 MRG keineswegs entgegensteht,wenn diese Räumlichkeiten nicht gleichsam hermetischabgeriegelt sind, sondern ua mit Stiegenhäusern verbun-den sind, die ihrerseits wieder mit anderen Geschäfts-räumlichkeiten verbunden sind. In der Tat kann derarti-ges der Bejahung einer baulichen Abgrenzung (und damitdem Vorliegen eines [selbständigen] Geschäftsraums alsBestandobjekt) nicht entgegenstehen, bestünde doch an-derenfalls sogar die Gefahr, dass gerade Baulichkeitenwie die gegenständlichen Messehallen (bei denen wohlsämtliche Räumlichkeiten durch Gänge, Stiegenhäuser,Aufzüge etc mehr oder weniger baulich verbunden sind)zu „Ein- oder Zwei-Objekt-Gebäuden“ iSv § 1 Abs 2 Z 5MRG mutieren, dh zu Gebäuden mit nicht mehr als zweiselbständigen Geschäftsräumlichkeiten, und solcherartdann aus dem Anwendungsbereich des MRG fallen (wasder Intention des Gesetzgebers der MRN 2001, der diesenTatbestand geschaffen hat, wohl keineswegs entspricht).Ergänzend zu verweisen ist in diesem Zusammenhangvor allem auch auf die in wobl 1991, 10/4 veröffentlichteE des erkennenden Senates, nach der als (selbständige)„Geschäftsräumlichkeit“ iSd MRG jeder Teil eines Ge-bäudes anzusehen ist, der eine auch vertikale baulicheAbgrenzung aufweist, wobei als hinreichende vertikalebauliche Abgrenzung bereits eine zT offene Teilumwan-dung anzusehen ist, sodass es dem Vorliegen einer (selb-ständigen) „Geschäftsräumlichkeit“ iSv § 1 Abs 1 MRGnicht etwa schadet, wenn der erforderliche Zugang sowiedie Verkaufsfläche des durch eine Verkaufspultzusam-menfügung abgegrenzten Teiles eines Gebäudes von des-sen Rest baulich n i c h t v ö l l i g vertikal abgetrennt ist.

Schließlich ist dem 3. Senat dahingehend zuzustim-men, dass er die vom BerG vorgenommene Vertragsaus-

legung korrigiert hat. In der Tat sollte kein Zweifel beste-hen, dass auf Basis des festgestellten Sachverhaltes denVorgaben des § 914 ABGB einzig ein Auslegungsergebnisdes Inhalts entspricht, dass durch die Vereinbarung imJänner 2003 nicht etwa eine definitive Schuldänderungdes schon bestehenden Vertrages (und zwar in Richtungvon dessen Umwandlung in einen Zeitmietvertrag) vor-genommen wurde, sondern diese Vereinbarung bloß unterdem Vorbehalt gelten sollte, dass die Beklagte nichtschon weitergehende Bestandrechte erlangt hat. Unddass sie diese weitergehenden Bestandrechte bereits er-langt hatte, verdankte die Beklagte nun einmal zweifels-frei dem (rechtspolitisch an Kuriosität freilich kaum zuüberbietenden) Umstand, dass im Österreich des Jahres1999 Geschäftsraummietverträge noch in erheblich ge-ringerem Umfang wirksam befristet werden konnten, alsWohnraummietverträge. Denn bekanntlich war es ja erstder WRN 2000 zu verdanken, dass im Hinblick auf dieVereinbarung eines Zeitmietvertrages auch im österrei-chischen Gewerberaummietrecht (wieder) der Grundsatz„pacta sunt servanda“ umfassend gilt.

a. Univ.-Prof. Dr. Andreas Vonkilch

77.Im Zweifel keine konkludente Vereinbarung einesmietrechtlich geschützten Vertragsverhältnisses(öffentliches Dienst- und Besoldungsrecht)

DOI 10.1007/s00719-009-1246-1

§ 863 ABGB (§§ 1090ff ABGB; §§ 1ff MRG; § 23 Abs 2GÜG):

Die zunächst öffentlich-rechtlich erfolgte Wohnungs-überlassung steht einer späteren konkludenten Begrün-dung eines Mietverhältnisses (§ 863 ABGB) regelmäßig(also auch in den Fällen der Weiterbelassung von Ange-hörigen in dieser Wohnung) entgegen. An die Annahmeder Absicht, dennoch ein solches Mietverhältnis begrün-den zu wollen, sind sehr strenge Maßstäbe iSd § 863ABGB zu setzen, weil bei Überlegung aller Umständesehr wohl daran gezweifelt werden kann, dass einDienstgeber durch eine Weiterbelassung bereit ist, ohnegesetzliche Notwendigkeit und ohne wirtschaftlichenVorteil ein mietrechtlich geschütztes Vertragsverhältnisbegründen zu wollen (dass die seitens des Dienstgebersvon der Bf eingehobene Vergütung als „Miete“ bezeich-net wurde, bietet jedenfalls keinen Anhaltspunkt dafür,dass damit der Abschluss eines Bestandverhältnisses zumAusdruck gebracht werden sollte).VwGH 5. 9. 2008, 2005/12/0070

78.Formwechselnde Umwandlung des Bestandgebers;Vermietung im Rahmen des Betriebs eines Ver-kehrsunternehmens

DOI 10.1007/s00719-009-1319-1

§ 1120 ABGB; § 29 BundesbahnG; § 1 Abs 2 Z 1 MRG:Unter „Veräußerung“ iSd § 1120 ABGB ist die deriva-

tive Einzelrechtsnachfolge unter Lebenden oder von To-des wegen zu verstehen. Ebensowenig wie die Vererbungder Bestandgeberposition bedürfen Fälle von Gesamt-rechtsnachfolge bei juristischen Personen des Rückgriffsauf § 1120 ABGB. Für sie gilt § 1116a ABGB.

Bei der Prüfung der Frage, ob die Vermietung im Rah-men des Betriebs des Verkehrsunternehmens des Vermie-ters erfolgte (§ 1 Abs 2 Z 1 MRG), ist auf den Zeitpunktdes Abschlusses des Mietvertrags abzustellen. Wesentlichist, ob die Vermietung nach dem Bestandzweck an sich in