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____ ~---------------------------L-I-N-Z-2-0-0-0-I-S-T-~-ND-A-R-D-IS-IE_R_U_N_G_V_O_N_Z_E_LL_K_U_L_JU_R_E_N ~~~ In vitro Permeabilitatsuntersuchungen als Ersatz fur Tier- und Humanstudien - welche Voraussetzungen mussen erfullt sein? Eleonore Haltner, Stefan Schmitz, Christiane Gindorfund Jorg Ruoff Across Barriers GmbH, D-Saarbrticken Zusammenfassung Urndie hohen Kosten und die langen Entwicklungszeiten bis zur Markteinfuhrung eines Arzneimittels zu reduzieren, konnen zur Untersuchung der Permeabilitdt von ArzneistoJfen neben anderen in vitro Methoden auch Zell- und Gewebekulturmodel- le eingesetzt werden. Dabei sind allerdings vergleichbare Anforderungen an die Qualitdt der Methode zu stellen, wie sie im Rahmen von klinischen Untersuchungen und Tierstudien ublicn sind. Das Caco-2 Modell ist in Forschung und Industrie ebenso wie im Drug Discovery Bereich etabliert und anerkannt. Die mangelnde Standardisierung der Arbeitsmethodenfiihrt allerdings zu einer hohen Variation der mit Hilfe dieses Modells erhobenen Daten. Am Beispiel Caco-2 wird darge- stellt, wie ein Zellkulturmodell zur Untersuchung der Permea- bilitiit von Arzneistoffen qualifiziert werden kann. Neben der Charakterisierung morphologischer Parameter gehoren dazu diefunktionelle Beurteilung sowie die periodische Kontrolle der Permeabilitdtseigenschaften, Bedingung fiir die Vergleich- barkeit von Permeabilitatsdaten sowie del' Pradiktion von in vivo Permeabilitaten istferner eine Klassifizierung der in vitro Permeabilitdten im Sinne des von der FDA vorgeschlagenen Biopharmaceutics Classification System (BCS). 1 Einleitung und Fragestellung Urn die hohen Sicherheitsstandards der pharmazeutischen Industrie und der Zulas- sungsbehorden zu erfullen, werden an AI- temativmethoden fur Tier- und Humanstu- dien hoheAnforderungen gestellt. Grund- legend sind dabei intemationale Richtlini- en zur Qualitatssicherung aus den Berei- chen Good Laboratory Practice (GLP, www.glpguru.com/index.shtml)oder Good Manufacturing Practice (GMP). Aus diesen leiten sich auch die sogenann- ten Good Cell Culture Practice (GCCP) Empfehlungen ab, die beim 3. Weltkon- gress zur Entwicklung von Altemativme- thoden in Bologna vorgestellt worden sind und momentan weiter ausgearbeitet wer- den. ALTEX18, 1/01 Summary: In vitro permeability studies as substitute for in vivo studies - which requirements have to be met? In order to reduce costs and shorten time-to-market, the permeability of drug substances can be characterized by in vitro techniques including the use of cell and tissue models. It is required to apply appropriate quality standards similar to those used in animal or clinical studies. The Caco-2 cell model is a well-established and recognized in vitro technique in research, industry and in the drug discovery sector. However, the lack of standardized operating is reflected in the hetero- geneity of the data acquired using this model. Using the Caco- 2 cell model as an example, this paper demonstrates how to test the suitability of a cell culture model for conducting drug permeability studies. The procedures involve not only the characterization of cell morphology but also functional assessment of the model and the periodic testing of monolayer permeability. Both the useful comparison of permeability data and the reliable prediction of in vivo permeability require prior classification of the in vitro permeability in accordance with the FDA's Biopharmaceutics Classification System (BCS). Keywords: drug absorption, gastrointestinal, bioavailability, validation, qualification Angelehnt an die ICH-Vorgaben (1nter- national Conference on Harmonization, www.ifpma.org/ichl.htmi) zur Methoden- validierung wurden Selektivitat, Reprodu- zierbarkeit und Robustheit der Permeabi- litasbestimmung an Caco-2 Zellmonolay- em uberpruft. Dazu wurden reprasentati- ve Markersubstanzen ausgewahlt, welche niedrig oder hoch permeable Substanzen beziehungsweise passiv oder aktiv trans- portierte Substanzen darstellen. Die Ro- bustheit der Methode wurde anhand des Einflusses organischer Li:isungsmitteloder BSA auf die Permeabilitat untersucht. Da sich die Permeabilitatskoeffizienten von schnell zu langsam transportierten Sub- stanzen zum Teil nur urn den Faktor 5-10 unterscheiden, mtissen auch an die Prazi- sion der Methode hohe Anforderungen gestellt werden. Eine mangelnde Standar- disierung von Untersuchungstechniken, aber auch die Variabilitat der polyklona- len Caco-2 Zelilinie erschweren den di- rekten Vergleich yon Permeabilitatsdaten aus verschiedenen Laboratorien. Urn ei- nen solchen Vergleich zu ermoglichen, muf die Permeabilitat von Wirkstoffen in Relation zu der von bekannten Modellsub- stanzen beurteilt werden. Das von der FDA vorgeschlagene Biopharmaceutics Classification System (BCS) erlaubt die Klassifizierung von Arzneistoffen hin- sichtlich der in vitro Permeabilitat, stellt aber gleichzeitig hohe Anforderungen an das verwendete Testsystem. Die im fol- genden beschriebenen Mafinahmen zur Sicherstellung der Systemeignung (system suitability) stellen eine wesentliche 81

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____ ~---------------------------L-I-N-Z-2-0-0-0-I-S-T-~-ND-A-R-D-IS-IE_R_U_N_G_V_O_N_Z_E_LL_K_U_L_JU_R_E_N

~~~

In vitro Permeabilitatsuntersuchungen alsErsatz fur Tier- und Humanstudien - welcheVoraussetzungen mussen erfullt sein?Eleonore Haltner, Stefan Schmitz, Christiane Gindorfund Jorg RuoffAcross Barriers GmbH, D-Saarbrticken

ZusammenfassungUrndie hohen Kosten und die langen Entwicklungszeiten biszur Markteinfuhrung eines Arzneimittels zu reduzieren, konnenzur Untersuchung der Permeabilitdt von ArzneistoJfen nebenanderen in vitro Methoden auch Zell- und Gewebekulturmodel-le eingesetzt werden. Dabei sind allerdings vergleichbareAnforderungen an die Qualitdt der Methode zu stellen, wie sieim Rahmen von klinischen Untersuchungen und Tierstudienublicn sind.Das Caco-2 Modell ist in Forschung und Industrie ebenso wieim Drug Discovery Bereich etabliert und anerkannt. Diemangelnde Standardisierung der Arbeitsmethodenfiihrtallerdings zu einer hohen Variation der mit Hilfe diesesModells erhobenen Daten. Am Beispiel Caco-2 wird darge-stellt, wie ein Zellkulturmodell zur Untersuchung der Permea-bilitiit von Arzneistoffen qualifiziert werden kann. Neben derCharakterisierung morphologischer Parameter gehoren dazudie funktionelle Beurteilung sowie die periodische Kontrolleder Permeabilitdtseigenschaften, Bedingung fiir die Vergleich-barkeit von Permeabilitatsdaten sowie del' Pradiktion von invivo Permeabilitaten ist ferner eine Klassifizierung der in vitroPermeabilitdten im Sinne des von der FDA vorgeschlagenenBiopharmaceutics Classification System (BCS).

1 Einleitung und Fragestellung

Urn die hohen Sicherheitsstandards derpharmazeutischen Industrie und der Zulas-sungsbehorden zu erfullen, werden an AI-temativmethoden fur Tier- und Humanstu-dien hoheAnforderungen gestellt. Grund-legend sind dabei intemationale Richtlini-en zur Qualitatssicherung aus den Berei-chen Good Laboratory Practice (GLP,www.glpguru.com/index.shtml)oderGood Manufacturing Practice (GMP).Aus diesen leiten sich auch die sogenann-ten Good Cell Culture Practice (GCCP)Empfehlungen ab, die beim 3. Weltkon-gress zur Entwicklung von Altemativme-thoden in Bologna vorgestellt worden sindund momentan weiter ausgearbeitet wer-den.

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Summary: In vitro permeability studies as substitute for in vivostudies - which requirements have to be met?In order to reduce costs and shorten time-to-market, thepermeability of drug substances can be characterized by invitro techniques including the use of cell and tissue models. Itis required to apply appropriate quality standards similar tothose used in animal or clinical studies. The Caco-2 cell modelis a well-established and recognized in vitro technique inresearch, industry and in the drug discovery sector. However,the lack of standardized operating is reflected in the hetero-geneity of the data acquired using this model. Using the Caco-2 cell model as an example, this paper demonstrates how totest the suitability of a cell culture model for conducting drugpermeability studies. The procedures involve not only thecharacterization of cell morphology but also functionalassessment of the model and the periodic testing of monolayerpermeability. Both the useful comparison of permeability dataand the reliable prediction of in vivo permeability require priorclassification of the in vitro permeability in accordance withthe FDA's Biopharmaceutics Classification System (BCS).

Keywords: drug absorption, gastrointestinal, bioavailability,validation, qualification

Angelehnt an die ICH-Vorgaben (1nter-national Conference on Harmonization,www.ifpma.org/ichl.htmi) zur Methoden-validierung wurden Selektivitat, Reprodu-zierbarkeit und Robustheit der Permeabi-litasbestimmung an Caco-2 Zellmonolay-em uberpruft. Dazu wurden reprasentati-ve Markersubstanzen ausgewahlt, welcheniedrig oder hoch permeable Substanzenbeziehungsweise passiv oder aktiv trans-portierte Substanzen darstellen. Die Ro-bustheit der Methode wurde anhand desEinflusses organischer Li:isungsmitteloderBSA auf die Permeabilitat untersucht. Dasich die Permeabilitatskoeffizienten vonschnell zu langsam transportierten Sub-stanzen zum Teil nur urn den Faktor 5-10unterscheiden, mtissen auch an die Prazi-sion der Methode hohe Anforderungen

gestellt werden. Eine mangelnde Standar-disierung von Untersuchungstechniken,aber auch die Variabilitat der polyklona-len Caco-2 Zelilinie erschweren den di-rekten Vergleich yon Permeabilitatsdatenaus verschiedenen Laboratorien. Urn ei-nen solchen Vergleich zu ermoglichen,muf die Permeabilitat von Wirkstoffen inRelation zu der von bekannten Modellsub-stanzen beurteilt werden. Das von derFDA vorgeschlagene BiopharmaceuticsClassification System (BCS) erlaubt dieKlassifizierung von Arzneistoffen hin-sichtlich der in vitro Permeabilitat, stelltaber gleichzeitig hohe Anforderungen andas verwendete Testsystem. Die im fol-genden beschriebenen Mafinahmen zurSicherstellung der Systemeignung (systemsuitability) stellen eine wesentliche

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Grundlage fur die behordliche Akzeptanzdef erzeugten Daren dar.

2 Material und Methoden

2. 1 MaterialDulbecco's Modified Eagles Medium(DMEM), nicht-essentielle Aminosauren(NEA), Trypsin-EDTA-Lasung und Gen-tamicinsulfat wurden von Biochrom KG(D-Berlin) geliefert. Atenolol, Proprano-lol, Metoprolol Fluorescein, Rhodamin123, Dimethylsulfoxid (DMSO), Bromo-chloroindolylphosphat, Tetranitrobluete-trazolium, Glutaraldehyd, Osmiumtetra-oxid, Dimethylformamid und Hamatoxy-lin wurden von Sigma Chemicals (D-Dei-senhofen), fatales Kalberserum (FKS) vonGreiner Labortechnik (D-Frickenhausen)bezogen. Salze zum Ansetzen der Puffer-losungen lieferten Merck (D-Darmstadt)oder Fluka (D-Neu-Ulm). Es wurden Zell-kulturflaschen (75 cm-) und Transwellplat-ten der Firma Costar (D-Wiesbaden) ver-wendet. Aile anderen Einmalartikel fur dieZellkultur wurden von Biochrom KG (D-Berlin) bezogen. Die Phasenkontrastauf-nahmen von Caco-2 Zellen wurden inKulturmedium mit einem Olympus CK 2Mikroskop (Olympus Optical CompanyGmbH, D-Hamburg), ausgerustet mit ei-ner Fotoeinrichtung Wild MPS 46/52 (Fa.Wild, Heerbrugg, Schweiz), aufgenom-men.

2.2 ZellkulturDie verwendeten Caco-2 Zellen wurdenfreundlicherweise vom Institut fur Bio-pharmazie und Pharmazeutische Techno-logie (Saarbrucken) zur Verfugung ge-stellt. Die Caco-2 Zellen wurden inDMEM, (pH 7,2 - 7,4), welches mit 10%FKS, 1% NEA und 50 /J-g·mL-1Gentami-cin supplementiert war, bei 37°C, 5% CO2und 90% relativer Luftfeuchte kultiviert.Zur Vermehrung der Zellen erfolgte dieAussaat in 75 ern?Kulturflaschen mit ei-ner Dichte von 106 Zellen pro Flasche.Das Kulturmedium wurde aIle 2-3 Tagegewechselt. Die Zellen wurden einmal proWoche passagiert. Fur Transportexperi-mente wurden die Zellen mit Hilfe vonTrypsin-EDTA Losung geerntet und miteiner Dichte von 6.104 Zellen-cm? aufTranswellv-Filtereinsatze ausgesat, DieFilter bestehen aus Polyester und habeneine Flache von 1,13 em? sowie einenPorendurchmesser von 0,4 urn. Fur die

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Versuche wurden Caco-2 Monolayer derPassagen 11-46 verwendet. Die verwen-deten Zellen reprasentieren die parentaleCaco-2 Zellinie, welche auch bei Zellkul-tursammlungen wie ATCC oder DSZMerhaltlich ist. Die Passagennummer gibtdie Anzahl der Subkultivierungen nachdem Erhalt der Zellen an und ist demnachkein absoluter Wert. Zur Durchfuhrungder Versuche wurden Zellen mit der Pas-sagennummer 9 frisch aufgetaut und vorBeginn der Permeabilitiitsuntersuchungenzweimal in Zellkulturflaschen subkulti-viert.

2.3 MorphologischeCharakterisierung

2.3.1 LichtmikroskopieFur die Semi-Dtinnschnitte wurden Caco-2 Zellen auf Polyesterfiltern zur Konflu-enz gezlichtet. Der Puffer im apikalen undbasolateralen Kompartiment wurde ent-fernt und die Monolayer fur eine Stundemit 2% Glutaraldehyd in Sorensen-Puffer(pH 7,4) fixiert. Nach einem weiteren Fi-xierungsschritt mit 1% Osmiumtetraoxidin Phosphatpuffer (pH 7,3) nach Millonig(1961), wurden die Zellen mit Ethanoldehydriert und in Araldit 502 (Polysci-ences, Paesel, Frankfurt) eingebettet. DieFarbung erfolgte mit Methylenblau undAzur II nach Richardson (1960).

2.3.2 ElektronenmikroskopieFlir transmissionselektronenmikro-skopische Aufnahmen wurden Ultradunn-schnitte der fixierten Praparate hergestellt.Die Ultradunnschnitte wurden mit Bleizi-trat und Uranylazetat kontrastiert und ineinem Transmissionselektronenrnikroskop(Zeiss EMIO CR, Oberkochen) des Insti-tuts fur Anatomie der Universitat des Saar-landes, Homburg bei 60kV untersucht.Zellmonolayer fur die Rasterelektronen-mikroskopie wurden auf Glasdeckglasern(l em Durchmesser) gezuchtet, Die Fixie-rung mit Glutaraldehyd und Osmiumtetra-oxid erfolgte wie oben beschrieben. Da-nach wurden die Zellen mit 1% Tannin-saure und anschlietsend mit 1% Uranyl-azetat fixiert. Die Entwasserung erfolgtein einer aufsteigenden athanolischen Rei-he bis 100%. Die Kritische-Punkt-Trock-nung wurde mit CO2 durchgeftihrt. DiePraparate wurden mit einer 2-5 nm dik-ken Goldschicht bedampft und in einemCamScan S2 bei 10-20 kV im Institut fur

Anatomie der Universitat des Saarlandes,Homburg bei 60kV untersucht untersucht.

2.3.3 Alkalische PhosphataseCaco-2 Zellen wurden auf Glasdeckglas-chen (10 mm Durchmesser, AssistentHecht, Sondheim) ausgesat, Zur Herstel-lung der Praparate wurden die Zellen mitPhospate Buffered Saline (PBS, pH 7,4)zweimal gewaschen und anschlieliend bei4°C, 30 Minuten mit Athanol fixiert. DieFarbelosung, bestehend aus 1,5 mg Bro-mochloroindolylphosphat in 200 ul Tris-puffer (20 mM, pH 8,9 - 9,2) und 3,5 mgTetranitrobJuetetrazolium in 200 /J-1Dime-thylformamid (DMF), wurde unmittelbarbevor sie eingesetzt wurde, durch Mischender beiden Komponenten in 5 ml Tris-Puf-fer hergestellt. Nach der Fixierung wur-den die Zellen dreimal mit PBS, einmalmit Tris-Puffer gewaschen und anschlie-Send mit der Farbelosung fur 10-30 Mi-nuten bei Raumtemperatur inkubiert. DieFarbentwicklung wurde mikroskopischkontrolliert. Die Gegenfarbung mit Hama-toxylin nach Gilles fur 2 Minuten erfolg-te, nachdem die Zellen dreimal mit destil-liertem Wasser gewaschen worden waren.Bevor die Deckglaser mit Aqua Poly-mount (Polysciences, Paesel, Frankfurt)auf Glasobjekttrager aufgebracht wurden,wurde iiberschussiges Hamatoxylin durchdreimaliges Waschen mit destilliertemWasser und einem 10 minutigen Wasch-schritt mit Leitungswasser entfemt. DieBeobachtung erfolgte mit einemAuflicht-mikroskop Olympus BH2 (Olympus Op-tical Company GmbH, D-Hamburg) aus-gerustet mit einem Wild MPS 46/52 Fo-toautomat (Fa. Wild, CH-Heerbrugg).

2.4 Monitoring des ZellwachstumsNeben einer lichtmikroskopischen Uber-wachung des Zellwachstums wurde dieAusbildung konfluenter Monolayer mitfunktionellen tight junctions wahrend desZeUwachstums vor jedem Medium-wechsel uber die Messung des transepi-thelialen elektrischen Widerstandes(TEER) kontrolliert. Hierfur wurde dieEVOM" Apparatur mit einer STX2-Elek-trode (World Precision Instruments, Sara-sota, USA) eingesetzt.

2.5 TransportversucheDie Transportstudien wurden in Trans-well+-Platten mit jeweils 12 Filtereinsat-zen durchgeftihrt. Das Kulturmedium im

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Donor- und Akzeptor-Kompartiment wur-de entfemt und durch 500 ul, (apikal) bzw.1500 ul, (basolateral) physiologischenKrebs-Ringer Puffer ersetzt. Nach einereinstundigen Aquilibrierung der ZeIlenwurde der Krebs-Ringer Puffer im Donor-kompartiment durch eine Losung der je-weiligen Markersubstanz ersetzt. AIleMarkersubstanzen wurden in Krebs-Rin-ger Puffer (pH 7,2-7,4) gelost. Zu definier-ten Zeiten wurden Proben yon jeweils 100ul. aus dem Akzeptorkompartiment ent-nommen und das entnommene Volumendurch Krebs-Ringer Puffer ersetzt. Derapparente Permeationskoeffizient (Papp

[cm-s+l) wurde mit der Gleichung Papp=dQ/dt·l/mo·l/AV Donor berechnet. Der Quo-tient dQ/dt beschreibt die Steigung derTransportkurve, die sich fur den jeweiligenMarker aus der Auftragung des Massen-transportes dQ in das Akzeptorkomparti-ment gegen die Zeit ergibt. Der AusdruckV Donor (Donorvolumen)·dQ/dt beschreibtden "steady state flux" in ug-ml' pro Zeit-einheit. A (1,13 cm-) ist die Flache desexponierten Zellmonolayers und mo dieAusgangsmasse (ug) der Markersubstanzim Donor. Im Rahmen yon Transportstu-dien zur Identifikation aktiver Transport-komponenten wurde der bidirektionaleTransport in Richtung apikal nach baso-lateral (ab) und umgekehrt (ba) unter-sucht.

2.6 Qualitiitsmonitoring der Caco-2ZellmonolayerDie Integritat der ZeIlmonolayer sowiedie Expression yon Effluxproteinen wur-de fur jede verwendete Zellcharge durchdie Bestimmung der Permeabilitat zwei-er Markersubstanzen uberpruft. Die Ex-perimente wurden wie unter 2.5 beschrie-ben durchgeftihrt. Dabei diente Fluor-escein (10 ug-ml') zum Monitoring desparazellularen Transportes (ab), mit Pro-pranolol (10 ug-ml') wurde der transzel-lulare Transport (ab) uberpruft. Urn eineKonforrnitat der unterschiedlichenZellchargen (Pas sagen) zu gewahrleisten,wurden diese Permeabilitatsstudien iiber38 Wochen durchgefiihrt. Anhand dergewonnenen Daten konnen Akzeptanzkri-terien festgelegt werden, welche zur Be-urteilung yon Zellchargen bezliglich ih-rer absorptiven Eigenschaften herangezo-gen werden konnen. So wurde fiir denapparenten Permeationskoeffizienten des"low permeability" Markers Fuorescein

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ein oberer Grenzwert yon 1.10-6 em-s:'und fur den "high permeability" MarkerPropranolol ein unterer Grenzwert yon5.10-6 em-s:' festgelegt (siehe Abbildung3). Die angegebenen Grenzwerte sind la-borspezifisch.

2.7 Selektivitat / Spezifitat der Metho-de zur PermeabilitiitbestimmungUrn die Selektivitat des Caco-2 Modellszu uberprufen, ermittelten wir die Trans-portgeschwindigkeiten fur verschiedeneparazellular und transzellular transportier-te Markersubstanzen. Als parazellulareMarker wurden Fluorescein (10 ug-rnl')und Atenolol (80 ug-ml'), als transzellu-Iare Marker Propranolol (10 ug-rnl') undMetoprolol (10 ug-ml') eingesetzt. Desweiteren wurden der Transport yon Fl uo-rescein und Rhodamin 123 (3,8 ug-rnl"),welches ein Substrat fur die Effluxpum-pe P-Glykoprotein darstellt (Hunter et a!.,1993; Sakei et al., 1994), in beiden Trans-portrichtungen verglichen. Die Transport-untersuchungen wurden wie unter 2.5 be-schrieben durchgefuhrt,

2.8 Robustheit der Methode zurPerrneabilitatbestimmungDie richtige Interpretation yon Ergebnis-sen setzt die Kenntnis und Abschatzbar-keit verschiedener Einflubgrolsen auf denTransport yon Arzneistoffen voraus. Mit-tels Transportstudien (vgl. 2.5) unter-suchten wir exemplarisch den EinfluBzweier potentieller Storgroben auf dasTestsystem. Zum einen wurde die Wir-kung yon Losungsmitteln (hier DMSO)auf die Integritat Yon Caco-2 Zellmono-layern untersucht. Dazu wurden demTestmedium im apikalen Kompartimentverschiedene Konzentrationen an DMSO

sowie 10 ug-rnl' des IntegritatsmarkersFluorescein zugesetzt. Die Fluorescein-durchlassigkeit der unterschiedlich be-handelten Monolayer wurde verglichenund anhand der zuvor festgelegten Ak-zeptanzkriterien beurteilt. Zum anderenwurde der EinfluB yon verschiedenenKonzentrationen an Rinderserumalbumin(BSA) im apikalen Testmedium auf dieTransportgeschwindigkeit yon Marker-substanzen untersucht, fur die eine un-terschiedliche Affinitat zu Serumprotei-nen bekannt ist.

2.9 AnalytikPropranolol und Metoprolol wurden mit-tels HPLC (Waters Alliance'", WatersCorporation USA-Milford) vermessen.Die Fluorescein- und Rhodaminprobenwurden durch Fluoreszenzmessung (Wal-lac Victor; Microplate Fluorescence Rea-der, Wallac D-Freiburg; Ex: 485 nm, Em:535 nm, lamp intensity 5000, aperture set-ting: damp) analysiert.

2.10 SoftwareDie Analysengerate waren mit einem PCverbunden, welcher die Daten mit Hilfeeiner proprietaren Software dokumentiertund in das MS Excel 5.0 Format konver-tiert. Die Daten wurden mit Hilfe eines aufMicrosoft Excel basierenden Auswerte-schemas verarbeitet. Die graphischen Pra-sentationen wurden mit Microcal Origin6.0 erstellt.

3 Ergebnisse

3.1 ZellmorphologieNach Aussaat der Caco-2 Zellen auf Ge-webekulturplatten oder Filtern, sind diemeisten Zellen nach 12 Stunden adhariert.

Abb. 1: Links: Rasterelektronenmikroskopische Aufnahme eines "domes" einer 18Tagealten Caco-2 Kultur. Rechts: Lichtmikroskopische Aufnahme von Caco-2 Zellen nachalkalischer Phosphatase-Hiimatoxylin Doppelfiirbung (VergroBerung 400 x).

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Abb. 2: Verlauf des TEER wahrend der Anzucht der Caco-2 Zellmonolayer (verschiede-ne Passagen) i.iber 19 Tage. Die Werte stellen Mittelwerte des TEER (± SO) von jeweils12 Monolayern einer Transwell® Platte dar.

OQQo ~~ Q 00 QA 2Q 0 ~o~~~ 0 Q ~OQ@@~ A ~QO 2R@ A~@rQQI "':c "'~" unterer Grenzwert~------------~----~~------~~---

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Nach vier Tagen in Kultur haben sie sichschon stark vermehrt und bilden zusam-menhangende lnseln. Mit beginnenderKonfluenz beginnt die Polarisation derCaco-2 Zellen und die Ausbildung derMikrovilli (Hidalgo et al., 1989). Wenndie Zellen Konfluenz erreicht haben, bil-den sie flussigkeitsgefullte Halbzysten,die sog. "domes" aus. Die rasterelektro-nischeAufnahme eines "domes" ist inAb-bildung 2 (links) zu sehen. Ein weiteresDifferenzierungsmerkmal fur Caco-2 Zel-len ist die Expression van Brush BorderMembran Enzymen, wie der AlkalischenPhosphatase (Pinto et al., 1983; Howellet al., 1992; Brewis et a1., 1993). Diesewurde mit Hilfe der Tetrazoliumsalzme-thode nachgewiesen (Romeis, 1989). DieZellkerne der Caco-2 Zellen wurden mitHamatoxylin gegengefarbt. Sie sind imPraparat blau zu erkennen. Die dunklenZellen in der Aufnahme sind alkalischePhosphatase positiv (Abbildung 1,rechts).

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3.2 Monitoring des ZellwachstumsDas Wachstum der Caco-2 Zellen und dieAusbildung einer dichten Zellbarrierekann uber die Messung des transepithe-lialen elektrischen Widerstandes verfolgtwerden. Wenn die Monolayer konfluentsind (Tag 4-6) wird der Anstieg des TEERdurch die weitere Differenzierung der Zel-len (Madara et al., 1987) und die Ausbil-dung funktioneller dichter Zellkontakte(tight junctions) bestimmt. Der linke Teilder Abbildung 2 zeigt den Veriauf desTEER wahrend der Anzucht von unter-schiedlicher Zellpassagen (p22, p28-p32).Rechts ist der Verlauf des TEER bei derAnzucht von Caco-2 Zellen derselben Pas-sage auf parallel kultivierten Zellkultur-platten dargestellt.Der TEER stieg wahrend der Anzucht

der Caco-2 Monolayer der Zellpassagen19,22 und 28-32 kontinuierlich an. Maxi-male TEER-Werte wurden typischerwei-se am Tag 19 erreicht. Fur die Zellpassa-gen 22, 28 und 29 wurden die TEER -Wer-

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Wochen

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Abb. 3: Apparenter Permeationskoefiizient von Fluorescein (parazelluiar) und Propra-nolol (transzellular) i.iber 38 Wochen (n=3 ± SO).

84

te bis zum Tag 2] nach der Aussaat be-stimmt. Hier ist ein Abknicken der TEER-Kurve nach dem Tag 19 zu erkennen. Diesstimmt mit unabhangigen Versuchen uber-ein, welche zeigen, dass sich die TEER-Werte nach Erreichen eines Maximums amTag 19-21 eincm konstanten Wert anna-hem, welcher mindestens bis zum Tag 30erhalten bleibt (Daten nicht dargestellt). DieErgebnisse zeigen, dass der TEER wahrendder Anzucht sowohl fur parallel kultivierteZellen als auch fur verschiedene Zellpas-sagen, welche zu unterschiedlichen Zeitengezuchtet wurden, einen reproduzierbarenVerlauf zeigt. Die Konstanz des TEER istein Merkmal fur die Vergleichbarkeit derQualitat unterschiedlicher Monolayer undZellpassagen.

3.3 Monitoring der Permeabilitiityon Markersubstanzen an Caco-2ZellmonolayernUrn die Konformitat sukzessiver Zellpas-sagen zu uberprufen, wurde ihre Permea-bilitat fur dieMarkersubstanzen Fluoresceinfur den parazellularen Transport und Pro-pranolol fur den transzellularen Transporttiber 38 Wochen untersucht. Die Ergebnis-se sind in Abbildung 3 dargestellt.Der apparente Permeationskoeffizient fur

Fluorescein lag stets unter 1.10-6em-s", 1mVergleichdazu liegt der Fluoresceinfluxubereinen zellfreien Filter bei 1,4 .10-5em:', alsoum mehr als den Faktor 14 hoher als derTransort tiber einen Filter plus Zellmono-layer. Caco-2 Zellen bieten somit ein funk-tionelles, reproduzierbares Modell zur Un-tersuchung von Transportvorgangen uberdie gastrointestinale Barriere. Aus kontinu-ierlich erhobenen Permeabilitatsdaten las-sen sich systemspezifische Akzeptanzkri-terien ableiten, nach denen sich einzelneZellchargen bezuglich ihrer Gtite fur Per-meationsstudien beurteilen lassen.Ftir den apparenten Permeationskoeffizi-

enten des "lowpermeability" Markers Fuo-rescein wurde ein oberer Grenzwert von1.10-6em-s:' und fur den "high permeabili-ty" Marker Propranolol ein unterer Grenz-wert von 5.10-6 em-s:' festgelegt. Die Fest-legung solcher Grenzwerte ist laborspezi-fisch und kann nur bedingt auf das Caco-2Modell eines anderen Labors ubertragenwerden.

3.4 SelektivitiitDie Selektivitat eines in vitro Modells er-moglicht eine Untertei1ung in hoch und

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Fluorescein Atenolol

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Propranolol Metoprolol

Abb. 4: Selektivltat des caco-z Modells bezOglich der Permeabtlltat (passiver Trans-port) von Markersubstanzen. Die dargestellten apparenten Permeationskoeffizientenwurden an drei verschiedenen Zellpassagen tur jeweils 3 Monolayer (n=3 ± SO) be-stimmt.

niedrig permeable Substanzen und ist so-mit Voraussetzung flir die Zuordnung yonArzneistoffen zu Permeabilitatsklassen imSinne des Biopharmaceutics Classificati-on System (BCS, Amidon et aI., 1995;Dressman et aI., 2000). Die Geschwindig-keit, mit der ein Arzneistoff eine biologi-sche Barriere passiert, spielt eine wichti-ge Rolle fur seine Bioverfugbarkeit. Einepassive Diffusion ist im wesentlichen yondem bevorzugten Transportweg (parzellu-lar oder transzellular) abhangig. Daruber-hinaus kann die Aktivitat von Carrierpro-teinen den Transport (apikal-basolateral)beschleunigen (aktive Absorption) oderverlangsamen (aktiver Efflux). Abbildung4 zeigt exemplarisch die Perrneabilitats-bestimmung fur jeweils zwei Marker, wel-che den Zellmonolayer uber den (typi-

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a."

Rhodamin 123 Rhodamln 123 FluoresceinenneVerapamll 40~ verepema ohneVerapamll

Abb. 5: Selektivitat des Caco-2 Modells be-zOglich der Permeabiliti:it (EinfluB aktiverTransport-mechanismen) von Markersub-stanzen. Die dargestellten apparentenPermeationskoeffizienten tur Rhodamin123 und Fluorescein wurden an unter-schiedlichen Zellpassagen (n=3 ± SObzw.n=6 ± SO) bestimmt.

ALTEX 18, 1/01

scherweise langsamen) parazellularenTransportweg bzw. den (typischerweiseschnellen) transzellularen Transportwegpassieren. Abbildung 6 vergleicht den bi-direktionalen Transport der beiden Mar-ker Rhodamin 123 (Pgp Substrat) undFluorescein (kein Pgp-Substrat).

Es zeigt sich, dass die parazellular trans-portierten Marker Fluorescein und Ateno-101den Monolayer sehr langsam passieren(P (Fluorescein)= 2,9 - 4,3.10.7 em-s:',appP (Atenolol) = 4,5 - 5,2.10.7 em-s"), wah-apprend der Transport der transzellular trans-portierten Substanzen durchschnittlich urnden Faktor 30 hoher ist (Papp (Proprano-10/)= 0,9 - 1,6.10.5 em-s:', Papp(Metopro-101) = 1,0 - 1,6.10.5 cm-s'). Das Caco-2Modell erlaubt demnach eine selektiveIdentifikation yon "high permeability" und"low permeability" Substanzen.

Die Transportgeschwindigkeit des Pgp-Substrates Rhodamin 123 ist sehr starkyon der Transportrichtung abhangig. InRichtung basolateral-apikal ist der Trans-port urn den Faktor 40 schneller als derTransport in die umgekehrte Richtung.Dieser Unterschied ist auf eine aktive Rho-daminsekretion durch das in der apikalenZellmembran lokalisierte P-Glykoproteinzuruckzufuhren. Auf den Transport vonFluorescein hat das P-Glykoprotein dage-gen keinen EinfluB. Der aktive Rhoda-minefflux laBt sich durch den P-Glykopro-tein Inhibitor Verapamil sehr stark redu-zieren, so dass sich die Transportge-schwindigkeiten fur beide Richtungenangleichen.

3.5 RobustheitUrn die Resultate yon Permeabilitatsstu-dien korrekt interpretieren zu konnen, muBman fur den Versuchsaufbau oder die Fra-gestellung relevante Einflulsgroben auf dasTestsystem kennen und hewerten. Bei-spielsweise konnen schlecht wasserlosli-che Substanzen die Verwendung eines or-ganischen Losungsmittels notwendig ma-chen. Ein solcher Versuchsansatz ist abernur dann sinnvoll, wenn der Einfluf desLosungsmittels auf die Integritat der Zell-monolayer bekannt ist und die maximalzulassige Losungsmittelkonzentration er-mittelt wurde. In Abbildung 6 ist der Ein-fluB yon verschiedenen Konzentrationenan DMSO auf die Integritat yon Caco-2Zellmonolayern dargestellt.

Veranderte Transporteigenschaften kon-nen sich auch durch die Bindung von Arz-neistoffen an Proteine des Nahrungsbreisoder des Blutplasmas ergeben. Abbildung7 zeigt den EinfluB verschiedener Kon-

1,4x10"

1,2x10-5

1,ox10"

,~ 8,Ox10"E£~ 6,Ox10"0."

4,ox10"

2,ox10"

Abb. 6: Robustheit des Caco-2 Modells -EinfluB von OMSO auf die IntegriUit vonCaco-2 Zellmonolayern. Oargestellt sinddie apparenten PermeationskoeffizientenfOr den Integritatsmarker Fluorescein beimTransport uber Caco-2 Monolayer (n=3 ±SO) und einen zellfreien Filter (n=1).

8,0.10"

1,O~10"

6,OX10"

it>5,ox10" r- ~ohne BSA

E c:::::JO,S% BSA'1 4,OX10" ~ .:I1%BSA0.'

_S%BSA

3,011.10"

2,0 •.10" i:1,0.10

01 InAtenolol Fluorescein

Abb. 7: Robustheit des Caco-2 Modells •EinfluB von BSA auf die Transportge-schwindigkeit verschiedener Markersub-stanzen. Oargestellt sind die apparentenPermeationskoeffizienten (Pap) von Ateno·101, Fluorescein und Propranorol ohne BSAund mit BSA in verschiedenen Konzentra-tionen. (n=3 ± SO).

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_L_IN_Z_2_0_0_0_I_H_A_LT_N_E_R_E_T_A_L_. ~~----~c,~,

zentrationen an BSA im apikalen Testme-dium auf die Transportgeschwindigkeityon Markersubstanzen. Weitere EinfluB-graBen sind beispielsweise pH Variatio-nen oder die Art des Transportmediums(hier nicht dargestellt).Die in Abbildung 6 dargestellten Ergeb-

nisse zeigen, dass DMSO in Konzentra-tionen bis zu 2% v/v keinen Einfluf aufdie Integritat des Caco-2 Zellmonolayershat. Die apparenten Permeationskoeffizi-enten fur Fluorescein (Integritatsrnarker)liegen deutJich unter dem in unserem La-bor maximal zulassigen Wert yon 1.10-6cm-s'. Abbildung 7 zeigt, dass der Fluo-resceintransport in Abhangigkeit yon derapikalen BSA-Konzentration deutlichsinkt, wahrend der Transport von Ateno-101 nur wenig beeinfluBt wird.

4 Diskussion

Die Caco-2 Zellen entwickeln sich so-wohl auf festen Substraten als auch aufporosen Filtern aus Polyester zu differen-zierten Enterozyten. Dabei bilden siedichte Zellverbande, in denen die benach-barten Zellen durch "tight junctions" mit-einander verbunden sind. Neben der Aus-bildung eines Burstensaums, bilden dieMonolayer flussigkeitsgefullte Halbbla-sen, die sogenannten "domes", (sieheelektronenmikroskopische Aufnahme:Abbildung I). Als weiteres Differenzie-rungsmerkmal ist schon 6 Tage nach derAussaat alkalische Phosphatase nachzu-weisen. Bei 14 Tage alten Zellen sindnahezu alle Zellen positiv fur alkalischePhosphatase. Wenn die Zellen auf per-meablen Filtern wachsen, konnen derWachstumsverlauf und die Ausbildungvon dichten Zell-Zell-Kontakten durchdie regelmatiige Messung des transepithe-lialen elektrischen Widerstandes (TEER)verfolgt werden. Durch die Messung desTEER und die Permeation von hydrophi-len Markersubstanzen wie Fluorescein,die den Zellmonolayer parazellular uber-winden, ist es moglich, die Integritat derZellmonolayer zu uberwachen. Daruber-hinaus laBt sich durch Langzeitmonito-ring der absorptiven Eigenschaften mitgeeigneten Permeabilitatsrnarkern dieKonformitat verschiedener Zellpassagenuberprufen. Die Generation einer groBenAnzahl solcher Permeabilitatsdaten bildetdie Grundlage zur Festlegung von Quali-fikationskriterien, mit deren Hilfe sich die

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Qualitat einzelner Monolayerchargen imHinblick aufTransportstudien uberprufenlaBt.Die dargestellten Untersuchungen zei-

gen, dass mit Hilfe des Caco-2 Modellslangsamer parazellularer und schnellertranszellularer Transport unterschiedenwerden konnen. Femer konnen durch Ver-gleich des Transportes in die absorptiveRichtung (apikal-basolateral) und die se-kretive Richtung (basolateral-apikal) Sub-stanzen identifiziert werden, die mit ak-tiven Carrierproteinen wechsel wirken.Neben den hier untersuchten Effluxsyste-men, wie dem P-Glykoprotein, welcheseine bedeutende Rolle bei der sekretori-schen Detoxifikation im Gastrointestinal-trakt spieIt, sind auch zahlreiche Syste-me identifiziert, welche primar der Auf-nahme yon Nahrstoffen (Peptiden, Ami-noasauren, kurzkettigen Fettsauren,Hexosen), Hormonen, Vitaminen oderIonen dienen. Uber solche Transportsy-sterne werden auch manche Arzneistoffeaktiv in die Zelle transportiert. Peptid-oder peptidahnliche Arzneistoffe wie ~-Lactam-Antibiotika, Bestatin oder das alsAcyclovir-Prodrug dienende L-Valin-Acyclovir werden beispielsweise uberden Oligopeptid-Transporter Pept-l auf-genommen, welcher sowohl von intesti-nalen Epithelzellen als auch von Caco-2Zellen exprimiert wird (Adibi, 1997; Sai-to, 1997; Han et al., 2000).Weitere Beispiele sind die Aufnahme

des HMG-CoA Reduktase InhibitorsAtorvastatin durch den Ht/Monocarbon-saure Co-Transporter (MCT) (Wu et a!.,2000) oder des Antikonvulsivums Prega-balin uber den LNAA-Transporter, des-sen physiologischeAufgabe im TransportgroBer neutraler Arninosauren wie Phe-nylalanin und Prolin Jiegt (Jezyk, 1999).Der LNAA-Transporter wird jedoch nurvom gastrointestinalen Epithel expri-miert, wahrend Caco-2 Zellen unter Stan-dardkulturbedingungen keine LNAA-Aktivitat zeigen (Jezyk et al., 1999).Die durchgeftihrten Untersuchungen

zeigen, dass Selektivitat und Spezifitatdes Caco-2 Systems als Modell der inte-stinalen Barriere im Hinblick auf das Ef-fluxsysetm P-Glycoprotein gegeben sind.Diese Parameter rnussen jedoch flir jedenCarrier, der am Transport eines untersuch-ten Arzneistoffs beteiligt ist, ilberpniftwerden. Je umfassender aktive Transport-systeme charakterisiert werden, desto ge-

nauer kann die in vivo Absorption vonArzneistoffen mit Hilfe des Caco-2 Mo-dells oder anderen in vitro Modellen pro-gnostiziert werden.Die Robustheit des fur Transportstudi-

en eingesetzten Systems von Caco-2 Zell-monolayern auf permeablen Filtem teste-ten wir fur zwei potentielle Einflubgro-Ben. Zum einen wurde der Einfluf vonbis zu 2% v/v DMSO, welches haufigzum Losen schlecht wasserloslicher Test-substanzen verwendet wird, auf die Inte-gritat yon Caco-2 Zellmonolayern unter-sucht. Zum anderen uberpruften wir dieWirkung von Protein (hier BSA) im api-kalen Testmedium auf die Transportge-schwindigkeit von Markersubstanzen.Die eingesetzten Mengen an DMSO

zeigten keinen Einfluf auf die Integritatder Caco-2 Zellmonolayer. Das Caco-2Testsystem fur Permeabil itatsstudienkann demnach auch fur Substanzen ein-gesetzt werden, deren geringe Wasserlos-lichkeit die Verwendung des organischenLosungsmittels DMSO erfordert.Die Ergebnisse der hier beschriebenen

Experimente mit BSA zeigen, dass Pro-teinbindung einen unterschiedlich starkenEinfluB auf die Transportgeschwindigkeitbestimmter Substanzen hat. Vergleichtman beispielsweise die beiden parazellu-laren Marker Atenolol und Fluorescein,so zeigt sich, dass der Fluoresceintrans-port unter BSA-EinfluB viel starker redu-ziert wird als der Transport von Atenolol.BSA wurde hier stellvertretend fur kom-plexere Proteinzusammensetzungen, wieder des Blutserums eingesetzt. Mit der be-schriebenen Versuchsanordnung ist daherzwar keine quantitative Beurteilung, je-doch eine qualitative Abschatzung derPlasmaproteinbindung moglich. Fur Ate-nolol und Fluorescein ist die beobachteteBSA-Bindung mit unabhangigen Plasma-bindungsdaten vergleichbar. Wahrend furFluorescein eine 60%ige Bindung anPlasmaproteine angegeben wird (person-liche Mitteilung), zeigt Atenolol nur einegeringe Affinitat (6-16 %) zu Proteinendes Blutplasmas (personliche Mitteilung).Zusammenfassend belegen die darge-

stellten Daten die Eignung des Caco-2Modells zur schnellen und reproduzier-baren Bestimmung der Permeabilitat vonArzneistoffen. Die Selektivitat des Mo-dells ermoglicht die Einteilung von Arz-neistoffen in Permeabilitatsklassen, waseine Grundvoraussetzung fur eine Ver-

ALTEX 18, 1/01

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__ ~~ L_IN_Z_20_0_0_I_H_A_L_TN_E_R_E_T_A_L.

~c.~

gleichbarkeit von Daten unterschiedli-cher Laboratorien darstellt. SpezifischeInteraktionen von Arzneistoffen mit Car-rierproteinen konnen teilweise am Caco-2 Modell untersucht werden. Abweichun-gen in der Aktivitat von Carrierproteinenund metabolischen Enzymen zwischenCaco-2 Modell und dem gastointestina-len Epithel miissen weiter herausgearbei-tet werden, urn die Voraussagbarkeit derin vivo Permeabilitat zu prazisieren. Diezunehmende Charakterisierung und Qua-lifizierung des Caco-2 Modells spiegeltsich in seinem Bedeutungswandel vomexperimentellen Arbeitsmittel zur Unter-suchung der gastrointestinalen Barrierezum qualifizierten Modell, welches Tier-versuche teilweise ersetzen kann, wider.

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