25

Click here to load reader

Industrielle Mikrobiologie || Verfahren der Abwasserreinigung

  • Upload
    ralf

  • View
    228

  • Download
    4

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: Industrielle Mikrobiologie || Verfahren der Abwasserreinigung

13 VerfahrenderAbwasserreinigung

Claudia Gallert und Josef Winter

13.1 Einleitung 272

13.1.1 Historische Entwicklung 272

13.1.2 Abwasser als Ressource 272

13.1.3 Abwasser- und Regenwasserableitung sowie Kosten für die Reinigung 273

13.1.4 Abwassercharakterisierung und Verfahrensschritte zur Reinigung 273

13.1.5 Belebtschlamm und Biofilme als Biokatalysatoren 274

13.2 Biologische Grundlagen der C-, N- und P-Elimination 276

13.2.1 Aerober und anaerober Abbau von Kohlenstoffverbindungen 276

13.2.2 Biologische Grundlagender Nitrifikation 282

13.2.3 Nitratentfernung durch Denitrifikation 283

13.2.4 Biologische P-Elimination 284

13.3 Abwasserreinigung 285

13.3.1 Typische Verfahrenssequenz in kommunalen Kläranlagen 285

13.3.2 Belebtschlammverfahren 287

13.3.3 Tropfkörper 287

13.3.4 Denitrifikationsverfahren 289

13.3.5 Bio-P-Elimination 289

13.3.6 Schlammbehandlung 290

13.4 Weitergehende Abwasserreinigung 292

13.4.1 Elimination von Mikroverunreinigungen 292

13.4.2 Abwasserdesinfektion 294

13.5 Ausblick 294

H. Sahm, G. Antranikian, K.-P. Stahmann, R. Takors (Hrsg.), Industrielle Mikrobiologie, DOI 10.1007/978-3-8274-3040-3_13,© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2013

Page 2: Industrielle Mikrobiologie || Verfahren der Abwasserreinigung

272 Kapitel 13 ⋅Verfahren der Abwasserreinigung

13.1 Einleitung

13.1.1 Historische Entwicklung

Die Begriffe Abwasser und Abwasserreinigunggehen auf die zweite Hälfte des 19. Jahrhundertszurück. Ausgangspunkt war die Erkenntnis, dassder Kontaktmit Abfällen und Fäkalwässern Cho-lera, Tuberkulose und Typhus-Epidemien verur-sachen kann. Erste Hygienemaßnahmen haben„nur“ den Bau von zunächst offenen Abwas-serkanälen zum Abtransport der Abwässer undAbfälle in das nächste Oberflächengewässer vor-gesehen. Mit zunehmender Abwassermenge und-verschmutzung wurde die Selbstreinigungskraftder Oberflächengewässer schnell überschrittenund erforderte den Bau von Kläranlagen.

Ab 1842 wurde in Hamburg das erste Kanal-netz installiert und etwas später folgten weitereStädte dem Hamburger Beispiel. Heute werdenmehr als 95% aller Abwässer in unterirdischenKanälen zur Abwasserreinigung abgeleitet.

Die ersten Kläranlagen bestanden lediglichaus Absetzbecken, in denen Schwebstoffe deshäuslichen Abwassers (ca. 30% der organischenVerschmutzung mit einem Großteil der Abwas-serbakterien) durch Sedimentation abgetrenntwurden. Bis in die 1950er-Jahre hatten kleinereKläranlagen lediglich Sedimentationsbecken zurKlärung des Abwassers. Neue mikrobiologischeErkenntnisse zum aeroben und anaeroben Ab-bau von Schmutzstoffen führten zur Entwicklungvon kombinierten mechanisch-biologischen Rei-nigungsverfahren, wie z. B. dem Imhoff-Tankoder Emscherbrunnen, in dem gleichzeitig eineaerobe Abwasserreinigung und anaerobe Boden-schlammstabilisierung stattfand. Zur vollständi-gen Elimination von Partikeln und gelösten Koh-lenstoffverbindungen aus dem Abwasser wurdenschließlich Tropfkörper bzw. Belebungsbeckenmit Vor- und/oder Nachklärbecken kombiniert.Für die inzwischen erforderliche weitergehen-de Abwasserreinigung müssen Nährstoffe wiez. B. Stickstoff durch Nitrifikation und Denitri-fikation biologisch und Phosphat durch Fällung

mit Eisen- oder Aluminiumchlorid chemischoder durch Phosphat-akkumulierende Bakterienbiologisch entfernt werden. Zukünftig werdenauch noch xenobiotische Spurenstoffe (z. B. An-tibiotikarückstände) und Restkeimbelastungenaus dem gereinigten Abwasser entfernt werdenmüssen.

13.1.2 Abwasser als Ressource

Zur Versorgung derWeltbevölkerung mit Trink-wasser ist sauberes Süßwasser nötig. Wasser-knappheit liegt vor, wenn die natürlichen Was-serreserven pro Person und Jahr 1000m unter-schreiten. In vielen Ländern des Nahen Ostensund in Afrika herrscht daher Wassermangel.Beim Millenniumsgipfel in New York wurde un-ter anderem „die Halbierung des Anteils derMenschen ohne dauerhaft gesicherten Zugangzu hygienisch einwandfreiem Trinkwasser von65% auf 32% bis 2015“ gefordert. In Indus-trieländern sollte der sparsame Umgang mitsauberem Wasser prioritäres Ziel aller Nutzersein.

Abwasser ist Wasser mit geänderten physi-kalischen, chemischen oder biologischen Eigen-schaften. Ein Großteil des Trinkwassers wirdz. B. als Transportmittel für menschliche Aus-scheidungen und Küchenabfälle in Abwasser-kanälen zu Abwasser. Der Abwasseranfall könn-te durch Wiederverwendung von gereinigtemund hygienisiertem Dusch- oder Waschwas-ser als Brauchwasser für Toilettenspülung oderzur Bewässerung reduziert werden. Eine Ab-wasseraufbereitung zu Trinkwasser wäre zwargrundsätzlich möglich, wird aber aufgrund derhohen Kosten nicht durchgeführt. Die direkteVerwendung von hygienisierten Fäkalien undUrin als Düngemittel wäre in dünn besiedel-ten Regionen nachhaltiger und wirtschaftlicherals die Reinigung in einer kommunalen Klär-anlage ohne Nährstoffnutzung. Sie könnte zurRessourcenschonung, insbesondere des Phos-phats, beitragen.

Page 3: Industrielle Mikrobiologie || Verfahren der Abwasserreinigung

13.1 ⋅ Einleitung 273

13

13.1.3 Abwasser- undRegenwasserableitung sowieKosten für die Reinigung

Die Abwasserableitung erfolgt entweder in einerMischkanalisation oder in einer Trennkanali-sation. In der Mischkanalisation wird häusli-ches Abwasser und Regenwasser gemeinsam zurKläranlage transportiert. In einer Trennkana-lisation wird häusliches Abwasser in kleinerenSchmutzwasserkanälen zur Kläranlage und Re-genwasser in größeren Regenwasserkanälen zurRegenwasseraufbereitung, z. B. durch Schweb-stoffsedimentation, geleitet. Unabhängig vomKanalsystem ist der Zulauf von kommunalemAbwasser in eine Kläranlage nicht gleichmäßig,sondern folgt einer „Tagesganglinie“ mitMaximaam Morgen und um die Mittagszeit.

Die Deutsche Vereinigung für Wasserwirt-schaft, Abwasser und Abfall (DWA) hat fürDeutschland eine Abwassermenge von 9108Mill. m pro Jahr mit einem spezifischen Ab-wasseranfall pro Einwohner und Jahr von 82m

ermittelt. Bei einem Trinkwasserverbrauch von120 l pro Einwohner und Tag errechnen sich nur44m pro Einwohner und Jahr, sodass 38m

pro Jahr aus anderen Quellen, z. B. oberflächlichabfließendes Regenwasser und Fremdwasserin-filtration (Sickerwasser oder Grundwasser) inundichte Kanäle, stammen müssen. Gebührenfür die Reinigung kommunaler Abwässer werdenentweder nach dem „Frischwassermaßstab“ ausdem Trinkwasserverbrauch plus einer Kosten-pauschale für Sammlung und Behandlung vonNiederschlagswasser oder nach dem „gesplitte-tenGebührenmaßstab“ anhand des verbrauchtenTrinkwassers plus einer Niederschlagsgebühr,die sich an den versiegelten Flächen orientiert,erhoben. 2009 betrugen die Abwasserbehand-lungskosten nach dem Frischwassermaßstab2,46 € pro m verbrauchtem Trinkwasser, nachdem gesplitteten Gebührenmaßstab 1,95 € prom Schmutzwasser (= Trinkwasserverbrauch)und 0,89 € pro m abfließendem Niederschlags-wasser.

13.1.4 Abwassercharakterisierungund Verfahrensschritte zurReinigung

Die Verschmutzung von kommunalem Abwasserwird mit Summenparametern gemäß „Deut-schen Einheitsverfahren (DEV) zur Wasser-,Abwasser- und Schlammuntersuchung“ angege-ben. Dazu muss der Trockensubstanzgehalt (TS),der organische Trockensubstanzgehalt (oTS), derAschegehalt sowie der biochemische Sauerstoff-bedarf in fünf Tagen (BSB), der chemische Sau-erstoffbedarf (CSB), der Gesamt-Stickstoffgehaltnach Kjeldahl (TKN), der organische Stickstoff-gehalt (Norg) und der Phosphorgehalt bestimmtwerden. In � Tab. 13.1 sind einige typische Wertefür kommunales Abwasser sowie die Reinigungs-ziele nach Anhang 1 der Abwasserverordnung(AbwV, 2004) genannt. Die auf eine Personbezogene spezifische Schmutzfracht ist ein Ein-wohnerwert (EW) und beträgt 60 g BSB proEinwohner und Tag, d. h. für die täglich anfal-lende, aerob bakteriell abbaubare Schmutzstoff-fraktion eines Einwohners werden 60 g Sauerstoffin fünf Tagen benötigt. Die Schmutzfracht vonIndustrieabwässern wird, da diese häufig in kom-munalen Kläranlagen mit behandelt werden, fürdie Gebührenerhebung ebenfalls in Einwohner-werte umgerechnet. Die Gesamtheit der organi-schen Verschmutzung, einschließlich des nichtbiologisch abbaubaren Anteils, wird als CSBdurch Oxidation der organischen Komponen-ten mit z. B. Kaliumdichromat in Schwefelsäurebei ○C für 2 h bestimmt.Mit demCSBwerdenauch die schwer oder gar nicht abbaubarenXeno-biotika im Abwasser erfasst. Die Messgröße EWdient zur Ermittlung der biologisch abbaubarenSchmutzfracht in gewerblichen und industriel-len Abwässern. EW-Werte sind unabhängig vomWasserverbrauch undwerden zusammenmit derAbwassermenge für die Auslegung einer Kläran-lage und die Festlegung von Behandlungsgebüh-ren benötigt. Die in der � Tab. 13.1 angegebenendurchschnittlichen Konzentrationen der Sum-menparameter beziehen sich auf einen täglichen

Page 4: Industrielle Mikrobiologie || Verfahren der Abwasserreinigung

274 Kapitel 13 ⋅ Verfahren der Abwasserreinigung

� Tabelle 13.1 Zusammensetzung von kommunalem Abwasser und Reinigungsziele

Summenparameter SpezifischeSchmutzfracht

Konzentration imRohabwasser

Reinigungszieleb

(KA der GK 5)Elimination

(g/E d) (mg/l)a (mg/l) (%)

BSB 60 500 ≤ ≥

CSB 120 1000 ≤ ≥ ,

TKN 11 92

NH+ -N ≤

Ngesamt ≤ ≥ ,c

Pgesamt 2,5 21 ≤ ≥ ,2

E = Einwohner; KA = Kläranlage; GK 5 = Größenklasse 5, d. h. > 6000 kg BSB pro Taga bezogen auf einen Wasserverbrauch von 120 l pro Tagb Reinigungsziele gemäß Abwasserverordnung (AbwV) vom 17. Juni 2004 (BGBl. I, S. 1106): Die Anforderungen gelten fürAmmonium-N und Gesamt-N bei einer Abwassertemperatur von ≥ ○C im Ablauf der Kläranlage. An Stelle von ≥ ○Ckann auch die zeitliche Begrenzung vom 1. Mai bis 31. Oktober treten.c bezogen auf TKN im Zulauf

Pro-Kopf-Verbrauch von 120 l Wasser. Währendder Abwasserreinigung werden Schwebstoffemechanisch, Kohlenstoff- und Stickstoffver-bindungen durch biologischen Abbau und dasgelöste Phosphat durch Fällung bzw. Polyphos-phatakkumulation in Bakterien entfernt. DieGrenzwerte für gereinigtes Abwasser richten sichnach den in der AbwV festgelegten Kläranlagen-größen. In einer Kläranlage der Größenklasse 5(BSB-Fracht > kg pro Tag; > EW)müssen demnach 97% des BSB, 92,5% des CSB,85,9% des TKN und 95,2% des Pgesamt aus demAbwasser entfernt werden (� Tab. 13.1).

Unter Abwasserreinigung wird häufig nur dieBehandlung von Abwasser in einer Kläranlageverstanden. Die anaerobe Behandlung von Vor-klärschlamm und Überschussschlamm (über-schüssiger Nachklärschlamm; Abschn. 13.3.6)wird in der Regel nicht zur Abwasserreinigunggezählt. Für eine landwirtschaftliche Nutzungdieser Schlämme nach Stabilisierung, Hygie-nisierung und Entwässerung gelten die Grenz-werte der Klärschlammverordnung (AbfKlärV)bzw. die der Düngemittelverordnung (DüMV)

(� Tab. 13.2). Die DüMV enthält weitere hygie-nische Vorgaben, die in der AbfKlärV nichtenthalten sind.

13.1.5 Belebtschlammund Biofilmeals Biokatalysatoren

In Belebtschlammbecken aggregieren filamen-töse und extrazelluläre polymere Substanzen(EPS) bildende Bakterien der Gattungen Achro-mobacter, Aerobacter, Alcaligenes, Bacillus, Ci-tromonas, Escherichia, Pseudomonas oder Zoo-gloea zu Schlammflocken bzw. zu Granula. Be-lebtschlamm enthält Mischbiozönosen für denAbbau organischer Stoffe, die Nitrifikation unddie Denitrifikation. Ein kleiner Schlammvolu-menindex (SVI ≤ bis 120ml/g TS nach 30minAbsetzdauer) ist ein Indiz für kompakte Anord-nung und gute Absetzeigenschaften. Sind dieWerte des SVI größer, dann spricht man vonBlähschlamm, Schwimmschlamm oder Schaum(Box „Monitoring der Mikrobiologie in Kläran-

Page 5: Industrielle Mikrobiologie || Verfahren der Abwasserreinigung

13.1 ⋅ Einleitung 275

13

� Tabelle 13.2 Grenzwerte für das Ausbringen von Klärschlamm auf gärtnerisch oder landwirtschaftlich genutztenFlächen gemäß Klärschlammverordnung (AbfKlärV)a und Düngemittelverordnung (DüMV)b

Parameter Grenzwert nach AbfKlärV Grenzwert nach DüMV

Schwermetalle (mg/kg TS)

Blei 900 150

Cadmium 10/5c 1,5

Chrom 900 2 (als CrVI)

Kupfer 800 –

Nickel 200 80

Quecksilber 8 1

Arsend 40

Thalliumd 1

Zink 2500/2000c –

AOXe (mg/kg TS) 500

persistente organische Schadstoffe

PCBf (mg/kg TS) je 0,2 für 6 Kongenere

PCDD/PCDFg 100 ng Toxizitätsäquivalentea AbfKlärV = Klärschlammverordnung vom 15. April 1992 (BGBl. I, S. 912), zuletzt geändert durch Artikel 9 derVerordnung vom 9. November 2010 (BGBl. Nr. 56, S. 1 504)b DüMV = Düngemittelverordnung vom 16. Dezember 2008 (BGBl. I, S. 2524), zuletzt geändert durch Artikel 1 derVerordnung vom 14. Dezember 2009 (BGBl. I, S. 3905)c in Böden, die bei der Bodenschätzung als leichte Böden eingestuft wurden und deren Tongehalt unter 5% liegt oderderen pH-Wert zwischen 5 und 6 liegtd Ungeachtet der geplanten Novellierung der AbfKlärV gelten nach einer Übergangsfrist bis zum 31.12.2016 zukünftig fürSchwermetalle die Grenzwerte der DÜMV.e AOX = Summe der an Aktivkohle adsorbierbaren Halogen-organischen Verbindungenf PCB = polychlorierte Biphenyleg PCDD/PCDF = polychlorierte Dibenzodioxine/Dibenzofurane

lagen“). Tenside, Fette oder Öle und viele andereFaktoren verschlechtern das Absetzverhalten(Gerardi 2006).

In Fest- oder Fließbettreaktoren werden ge-schüttete oder strukturierte inerte Trägermate-rialien (z. B. poröses Lavagestein oderKunststoff-Füllkörper) für den Aufwuchs von Abwasser-bakterien als Biofilm auf mineralischen oderorganischen Oberflächen eingebracht. Klassi-sche Beispiele für aerobe Festbettreaktoren sind

Tropfkörper in Kläranlagen. Die Mikroorganis-men haften sich elektrostatisch und mit EPS ander Oberfläche und in den Poren des Trägerma-terials dauerhaft an. Gelöste Schmutzstoffe desvon oben durch den Tropfkörper sickernden,mechanisch geklärten Abwassers werden vonden EPS absorbiert und von den Mikroorganis-men des Biofilms abgebaut (Abschn. 13.3.2). Einausgewogenes „Abweiden“ der Aufwuchsflächendurch bakterienfressende Protozoen undMakro-

Page 6: Industrielle Mikrobiologie || Verfahren der Abwasserreinigung

276 Kapitel 13 ⋅Verfahren der Abwasserreinigung

Monitoring derMikrobiologie in Kläranlagen

Die biologischen Abwasserreini-gungsanlagen reagieren sensitivauf verschiedenste Umwelt-einflüsse. Da die Kläranlageneinen wesentlichen Beitrag zurUmweltschonung leisten, istes wichtig, dass die Funktions-fähigkeit der Biokatalysatorenauf einem hohen Niveau ge-währleistet wird. Eine Kontrolleder Abundanz und Aktivität derjeweiligen spezifischen Mikroor-ganismen ist daher unerlässlich.Im Gegensatz zur Qualitäts-kontrolle bei Wasser- oderLebensmittel-Untersuchungen,wo kulturabhängige Verfahrendominieren, ist es bei Kläranla-gen wichtig, das Vorhandenseinspezifischer Bakterien, die sich

schlecht oder gar nicht kulti-vieren lassen, regelmäßig zukontrollieren. Beispiel hierfürist das Monitoring von Nitrifi-kanten oder schwimmschlamm-oder schaumbildenden Orga-nismen, die große Probleme beider Abwasserreinigung durchVerhinderung der Schlammsedi-mentation und durch Schlamm-abtrieb hervorrufen. Diese Mi-kroorganismen können mithilfeder Fluoreszenzmikroskopiedetektiert und identifiziert wer-den. Hierbei macht man sich dasPrinzip der Fluoreszenz-in situ-Hybridisierung (FISH) zunutze.Spezielle Oligonukleotidsonden,bestehend aus ca. 25 Nukleo-tiden, die mit einem Farbstoff

markiert sind, binden nach Vor-behandlung der Organismen anfür diese jeweils komplemen-tären Bereiche der 16S-rRNA.Nicht gebundene Sonden wer-den in einemWaschschritteliminiert. Diese Art der Fär-bung erlaubt die Detektion undQuantifizierung von lebendenund metabolisch aktiven Or-ganismen. Für die Kläranlagegibt es spezielle, vorgefertigteSchnellnachweissysteme. Die zuuntersuchenden Schlamm- oderAbwasser-Proben werden direktverwendet, und die Ergebnissekönnen nach wenigen Stundenmithilfe eines Fluoreszenzmikro-skops ausgewertet werden.

invertebraten sorgt zusammen mit regelmäßigenSpülungen des Tropfkörpers dafür, dass es zukeinen Verstopfungen kommt. In� Tab. 13.3 sindWechselbeziehungen von Mikroorganismen beider Abwasserreinigung und Schlammbehand-lung zusammengestellt. Wird die Interaktiongestört, leidet die Effizienz der Abwasserreini-gung.

13.2 Biologische Grundlagen derC-, N- und P-Elimination

Bei der kommunalen Abwasserreinigung mussdie Verschmutzung bis zu den in� Tab. 13.1 aufge-führten Grenzwerte (Reinigungsziele) eliminiertwerden. Das Abwasser darf nicht toxisch sein,und die Verschmutzung muss in einer für dieBakterien zugänglichen Form, also überwiegendgelöst oder lösbar (hydrolysierbar) vorliegen.Die Abbauraten hängen unter anderem von der

Substrat- und Bakterienkonzentration sowie vonTemperatur, pH-Wert und Salzgehalt ab.

13.2.1 Aerober und anaerober Abbauvon Kohlenstoffverbindungen

Für den aeroben Abbau organischer Stoffe imAbwasser ist Sauerstoff erforderlich, für denanaeroben Abbau muss Sauerstoff ausgeschlos-sen werden. Der aerobe Abbau wird über dieBSB-Abnahme, der anaerobe Abbau über dieAbnahmedesCSB, der oTS (organischeTrocken-substanz), des TOC (total organic carbon) bzw.des DOC (dissolved organic carbon) bestimmt.Aerobe und anaerobe Bakterien unterschei-den sich grundlegend voneinander. WesentlicheUnterscheidungsmerkmale sind in� Tab. 13.4 zu-sammengestellt.

Der aerobe Abbau (Mineralisation) liefertüber Glykolyse und/oder Citratzyklus CO und

Page 7: Industrielle Mikrobiologie || Verfahren der Abwasserreinigung

13.2 ⋅ Biologische Grundlagen der C-, N- und P-Elimination 277

13

� Tabelle 13.3 Interaktionen von Mikroorganismen im Abwasser und Bedeutung für die Abwasserreinigung undSchlammbehandlung

Bezeichnung Definition Prozess Rolle

mutualistischeSymbiose

für beide Partner vorteil-hafte Lebensgemeinschaft

Nitrifikation AOB produzieren Nitrit für dieNOB. NOB oxidieren das für AOBschädliche Nitrit zu Nitrat

Syntrophie gegenseitige Abhängig-keit mit beiderseitigemNutzen

Interspezies-H-Transferbei der Methanogenese,z. B. im Faulbehälter

Der H-Produzent kann nurH freisetzen, wenn der H-Konsument H regelmäßigverbraucht (≪ pH)

Konkurrenz Wettbewerb zwischenArten um eine begrenzteRessource

C-Abbau und Nitrifikationin der Belebtschlamm-flocke

Wettbewerb von heterotrophenund nitrifizierenden Bakterien umgelösten O

Nahrungskette,Nahrungsnetz

stoffliche oder energeti-sche Beziehungen, wobeidie gebildeten Produktedie Substrate der nächstenEbene darstellen

anaerober Abbauim Faulbehälter

Die von acidogenen Bakterienproduzierten Fettsäuren müssenin Syntrophie von acetogenenundmethanogenen Bakterien zuBiogas umgesetzt werden

Räuber-Beute-Beziehung

Nahrungskette, wobei diejeweiligen Organismenund nicht deren Produkteals Nahrung dienen

Fraßorganismen Protozoen, Ciliaten im Tropf-körper, die sich von Bakterienernähren

AOB = Ammonium-oxidierende Bakterien, NOB = Nitrit-oxidierende Bakterien, pH =Wasserstoffpartialdruck

Reduktionsäquivalente, die in der Atmungskettemit O zu Wasser umgesetzt werden. Fast zweiDrittel der Energie eines SubstrateswerdendurchAtmungskettenphosphorylierung in ATP für denErhaltungs- und Baustoffwechsel konserviert,ca. ein Drittel geht als Wärme verloren. AerobeBakterien benötigen eine CSB:N:P-Versorgungvon 100:5:1. Ist überschüssiges Substrat vor-handen, wie z. B. in einer Hochlast-Belebung,dann werden bis zu 50% des BSB für Bakteri-enwachstum verwendet, ist dagegen Substrat nurin umsatzlimitierender Menge vorhanden, wiein einer Schwachlast-Belebung, so werden biszu 75% des Substrates veratmet. Von der in ATPkonservierten Energie muss dann proportionalmehr zur Aufrechterhaltung der Lebensvorgängein einzelnen Zellen verwendet werden, und eswerden nur ca. 25% des BSB für Biomassever-mehrung genutzt (siehe auch Kap. 2). Verfahrenzur anaeroben Behandlung von Abwässern ha-ben sich nur für die Abwasserreinigung von

konzentriertem Industrieabwasser, nicht aberfür das vergleichsweise „dünne“ kommunale Ab-wasser durchgesetzt. Im kommunalen Bereichwerden Klärschlämme meist anaerob behan-delt.

Beim anaeroben Abbau von organischenSchmutzstoffen in Klärschlämmen (Methan-gärung) entsteht Faul- oder Biogas. Da anaerobeBakterien keine sauerstoffabhängige Elektronen-transportphosphorylierung wie die aeroben Bak-terien vornehmen können, steht wenig Energiefür Wachstum und Vermehrung zur Verfügung.Es können nur maximal bis zu 10% des abge-bauten CSB für die Überschussschlammbildunginvestiert werden, d. h. es wird imVerhältnis zumC-Bedarf weniger N und P gebraucht. Das idealeCSB:N:P-Verhältnis beträgt 800:5:1. Die Ener-gie der Klärschlammkomponenten wird zumgroßen Teil im Methan konserviert. Die geringeWärmefreisetzung beim Wachstum anaeroberBakterien reicht nicht aus, um eine optimale

Page 8: Industrielle Mikrobiologie || Verfahren der Abwasserreinigung

278 Kapitel 13 ⋅ Verfahren der Abwasserreinigung

� Tabelle 13.4 Unterschied zwischen aerobem und anaerobem Abbau komplexer Biopolymere

Parameter Aerobe Bakterien Anaerobe Bakterien

Lebensweise aerob, fakultativ anaerob obligat/strikt anaerob

Vorkommen gut durchlüftete Standorte, ubiquitärverbreitet

Sedimente von Süß-/Salzwasser, Pansen,Reisfelder, Faulbehälter

Oxidation Substratrespirationmit O2 zuCO2 + H2O über Glykolyse, Citratzyklus(TCC), Atmungskette (Mineralisation)

vollständige/teilweise Oxidation vonGlykolyseprodukten zu CO2 (z. B. Sulfat-reduktion) oder Disproportionierung zuCO2 + CH4 (z. B. Methangärung)

terminale Elektronenak-zeptoren

O2, NO−3 , NO−

2 SO2−4 , CO2, Fe3+ , Mn4+, Cr6+, Se6+ , As5+ ,

U+

Energieertrag hochmax. 38Mol ATP pro Mol Glucose

geringmax. 4Mol ATP pro Mol Glucose

Biomasseproduktion viel50% des abgebauten BSB bei Überlas-tung (Hochlastbelebung),25% des abgebauten BSB bei Substrat-mangel (Schwachlastbelebung)

wenig10% des abgebauten CSB bei Überlas-tung (Hochlastbelebung),5% des abgebauten CSB bei Substrat-mangel (Schwachlastbelebung)

Stoffdurchsatz bei über-schüssiger C-Versorgung

hoher Stoffdurchsatz bei hoher Teilungs-rate der Mikroorganismen

hoher Stoffdurchsatz bei geringer Tei-lungsrate der Mikroorganismen

NährstoffbedarfCSB:N:P

100 : 5 : 0,5–1 800 : 5 : 1

Biokatalysatoren einzelne Arten von Bakterien können diegesamte Reaktion katalysieren

sequenzielle Nahrungskette von ver-schiedenen Bakterien, mutualistischeVergesellschaftung nötig

Prozesstemperatur ohne Heizung zu gewährleis-ten.

Der aerobeAbbau von Biopolymeren zu CO

undWasser (� Abb. 13.1) ) kanndurch eine einzigeBakterienart erfolgen, während für den anaero-ben Abbau zu Biogas (� Abb. 13.2) ) fermentativeund methanogene (�Abb. 13.2a) oder fermen-tative, acetogene und methanogene Bakterien(� Abb. 13.2b) in syntropher Vergesellschaftungnötig sind. Die Hydrolyse von Biopolymerenund der glykolytische Abbau verlaufen unteraeroben und anaeroben Bedingungen ähnlich.Aerobe Bakterien haben jedoch den Citratzy-klus zur Oxidation von Acetat aus Glykolyseund Pyruvatdecarboxylation, der den anaero-

ben Bakterien fehlt. Die fermentativen Bakterienkönnen Polysaccharide und Fette nur dann zuAcetat, CO und H abbauen, wenn Methanbak-terien den Wasserstoffpartialdruck (pH) durchMethanbildung kleiner als 0,1 Pa (<− bar) hal-ten (�Abb. 13.2a). Bei Substratüberschuss odertoxischen Einflüssen verbrauchen die Methan-bakterien den Wasserstoff nicht schnell genug,der pH steigt an und die fermentativen Bakteri-en müssen ihre H-übertragenden Koenzymeüber die Bildung von Buttersäure, Propion-säure, Milchsäure oder Alkoholen re-oxidieren(�Abb. 13.2b). Fettsäurebildung führt zumAbsin-ken des pH-Wertes und schließlich zum Erliegender Methanogenese. Sobald Propionat, Butyrat

Page 9: Industrielle Mikrobiologie || Verfahren der Abwasserreinigung

13.2 ⋅ Biologische Grundlagen der C-, N- und P-Elimination 279

13

Lignin

Zuckerphosphate[H]

[H]Pyruvat

AcetylCoA

TCC

Kohlenhydrate Lipide Proteine NukleinsäurenBiopolymere:

aromatischeVerbindungen

Pentosen Hexosen Fettsäuren,Glycerin

Aminosäuren NukleotideMonomere:

Endprodukte:

Hydrolyse durch extrazelluläre Enzyme

AKX [H]

O2

CO2 + Wärme + S2– + NH4+ + PO4

3– + ÜSSH2O

[H]

�Abb. 13.1 Schema des aeroben Abbaus von Biopolymeren (AK: Atmungskette mit Elektronenüberträgern X, TCC:Tricarbonsäurezyklus, ÜSS: Überschussschlamm)

und Alkohole entstanden sind, werden aceto-gene Bakterien gebraucht. Die Fettsäuren undAlkohole werden von den acetogenen Bakterienzu Acetat, CO und H abgebaut, wenn die me-thanogenen Bakterien den pH auf unter 0,1 Paabsenken. Für Propionat ist dies in Gl. 13.1 bei-spielhaft dargestellt:

pH < , Pa

CH–CH–COO− + HO

→ CH–COO− + CO + H (13.1)

ΔGo′= +, kJ/mol

Die Propionatoxidation (Gl. 13.1) ist ein ender-goner Prozess und kann aus thermodynami-schen Gründen nur unter Mithilfe eines H-verbrauchenden Partners katalysiert werden.Diese syntrophe Beziehung zwischen Was-serstoff-Produzenten und Wasserstoff-Konsu-menten (� Tab. 13.3) wird als Interspezies-H-Transfer bezeichnet und gewährleistet den voll-ständigen Abbau unter anaeroben Bedingungen.Der pH, bei dem die syntrophe Propionatoxida-

tion unter Methanogenese möglich ist, wird alsthermodynamisches Fenster bezeichnet.

Alternativ könnten Sulfatreduzierer als syn-trophe Partner den niedrigen pH einstellen. Inschwefelarmem Milieu dominieren Methanbak-terien, in sulfathaltigem Milieu dagegen Sulfat-reduzierer. Wasserstoff bzw. der pH hat einezentrale Regelfunktion beim anaeroben Abbauorganischer Substanzen zu Biogas.

Massen- und EnergiebilanzOrganische C-Quellen in Abwässern oderSchlämmen dienen den Abwasserbakterien fürEnergie- und Baustoffwechsel. Aerobe Bakteri-en verwenden bis zu 50%, anaerobe Bakterienbis zu 10% der C-Quellen für das Zellwachs-tum.

Für die vollständige Oxidation von einemMol Glucose (= 180 g = 1,07mol BSB, Mo-dellsubstanz für Kohlenhydrate) werden stö-chiometrisch sechs Mol Sauerstoff (192 g) ver-braucht (Gl. 13.2). Kohlenhydrate und ande-re C-Quellen in Abwässern werden aber nurdann vollständig veratmet, wenn die Energie-konservierung und damit das Bakterienwachs-tum künstlich unterbunden werden: In einer

Page 10: Industrielle Mikrobiologie || Verfahren der Abwasserreinigung

280 Kapitel 13 ⋅ Verfahren der Abwasserreinigung

Zuckerphosphate

Pyruvat Acetyl-CoA + CO2 + [H]

Acetat CO2 H2 Acetat FormiatCO2 H2

Kohlenhydrate

Hexosen, Pentosen

b) pH2 > 0,1 Paa) pH2 < 0,1 Pa

Monomere:

Endprodukte:

Fettsäuren,Alkohol Acetyl-CoA + CO2 + [H]

Acetat

Acetogenese

Methanogenese

CO2 H2

Zuckerphosphate

Pyruvat Acetyl-CoA + CO2 + [H]

Milch-säure

Butter-säure

EtOHButOH

Propion-säure

Hydrolyse durch extrazelluläre Enzyme

CO2 + 4 H2 2 H2O + CH4

CH3COOH CO2 + CH4

CO2 + CH4 + Wärme + Überschussschlamm

[H][H]

Fermentation Fermentation

� Abb. 13.2 Schema des anaeroben Abbaus von Biopolymeren mit Wasserstoff-Syntrophie unter Substratlimitierungbei niedrigemWasserstoffpartialdruck (pH ) (a) und mit überschüssigem Substrat bei hohem pH (b)

Hochlast-Belebungsanlage werden bis zu 50%der Intermediate aus Glykolyse und Citratzyklusfür die Zellvermehrung abgezweigt, sodass nurdrei Mol Sauerstoff für die Veratmung des Resteszu CO und HO nötig sind (Gl. 13.3). In einerSchwachlast-Belebungsanlage muss dagegenmehr Energie für den Erhaltungsstoffwechselbei wachstumslimitierender Substratversorgungaufgewendet werden. Es muss ein höherer An-teil der Glucose mit Sauerstoff veratmet werden,

und es können nur deutlich weniger als 50%(minimal ca. 25%) der C-Intermediate aus demAbbau der Glucose für die Biomassevermehrunginvestiert werden (Gl. 13.4).

CO und Wasser als Endprodukte des aero-ben Abbaus enthalten keine Energie, währendbeim anaeroben Abbau (Gl. 13.5) die Energieder Ausgangssubstrate weitgehend im Methankonserviert wird. Daher entsteht in Anaerob-reaktoren nur wenig Überschussschlamm.

Aerober, künstlich wachstumsentkoppelter Abbau von Glucose:

Stöchiometrie: CHO + O → CO + HO +WärmeEnergiebilanz: kJ → kJ + kJ + kJMassenbilanz: g + g → g + g

(13.2)

Page 11: Industrielle Mikrobiologie || Verfahren der Abwasserreinigung

13.2 ⋅ Biologische Grundlagen der C-, N- und P-Elimination 281

13

AeroberAbbau vonGlucose in einerHochlast-Belebung – Substratüberschuss,maximalesWachstum:

Stöchiometrie: CHO + O → CO + HO + Biomasse +WärmeEnergiebilanz: kJ + kJ → kJ + kJ + kJ + kJ

% + % → % + % + % + %Massenbilanz: g + g → g + g + g

(13.3)

(Energiegehalt von Biomasse: 22 kJ/g TS)

Aerober Abbau von Glucose unter Schwachlast-Bedingungen – Substratlimitation, stark einge-schränktes Wachstum:

Stöchiometrie: CHO + ,O → ,CO + ,HO + Biomasse +WärmeEnergiebilanz: kJ + kJ → kJ + kJ + kJ + kJ

% + % → % + % + ,% + ,%Massenbilanz: g + g → g + g + g

(13.4)Anaerober Abbau von Glucose zu Biogas mit 5% Bakterienwachstum:

Stöchiometrie: CHO → ,CO + ,CH + Biomasse +WärmeEnergiebilanz: kJ → kJ + kJ + kJ + kJ

% → % + ,% + ,% + ,%Massenbilanz: g → , g + , g + g

(13.5)

Die beim aeroben Abbau frei werdende Reak-tionswärme wird mit der Abluft ausgetragen,sodass es nicht wie bei der Kompostierung zurSelbsterwärmung kommt. Die technische Um-setzung der hier dargestellten biologischen Ab-bauvorgänge wird in Abschn. 13.3 beschrieben.

Bei der anaeroben Abwasserreinigung bzw.Schlammfaulung reicht die nutzbare Energie ausdem CSB-Abbau nur für die Bildung von 5 bis10% Überschussschlamm. Gut 90% der Energiebleiben im Methan konserviert, und nur wenigEnergie geht als Wärme verloren. Zur Quan-tifizierung der Energiekonservierung werdendie Biogasmenge und die Zusammensetzungbenötigt. Nach Gl. 13.5 entstehen aus einemMol Glucose 5,7 Mol Biogas mit einer theore-tischen Zusammensetzung von 50% CO und50% CH. Für ein molares Gasvolumen von22,4 lN (Standardbedingungen) entstehen aus180 g Glucose 127,7 l Biogas bzw. 63,8 l Methan,wenn 5% für Bakterienwachstum berücksichtigt

werden. Da Abwässer komplexe Substanzlösun-gen bzw. -gemische sind, können die theoretischeGasmenge und Gasqualität nach Elementar-analyse über die Buswell-Gleichung (Gl. 13.6;Buswell undMueller 1952), erweitert umN- undS-haltige Komponenten (Boyle 1976), ermitteltwerden. Die tatsächliche Gasmenge hängt vomAbbaugrad des Substrates, vom pH-Wert sowievom Substratanteil für das Bakterienwachstumab.

Buswell-Gleichung (bei 100%igem Stoffum-satz ohne Berücksichtigung der Biomasseneubil-dung):

CcHhOoNnSs + (c − h − o + n + s)HO

(c − h + o + n + s)CO

+

(c + h − o − n − s)CH

+ nNH + sHS (13.6)

Page 12: Industrielle Mikrobiologie || Verfahren der Abwasserreinigung

282 Kapitel 13 ⋅Verfahren der Abwasserreinigung

13.2.2 Biologische Grundlagender Nitrifikation

Im kommunalen Abwasser kommt Stickstoffals Harnstoff, Aminostickstoff oder heterocycli-scher Stickstoff vor. Die N-Elimination erfolgtüber Ammonifikation, Nitrifikation und Deni-trifikation. Harnstoff wird bereits im Kanal vonUrease-bildenden Bakterien ammonifiziert:

NH–CO–NH +HO→ NH +CO (13.7)

Weiterer Ammoniumstickstoff (NH ↔ NH+ )entsteht durch Eiweißabbau und Desaminierungvon Aminosäuren:

Eiweiß → Peptide/Oligopeptide→ Aminosäuren → Fettsäuren +NH (13.8)

Ammoniumstickstoff ist fischgiftig, zehrt Sau-erstoff bei der Nitrifikation in Gewässern undmuss deshalb aus dem Abwasser durch Nitri-fikation/Denitrifikation entfernt werden. DieNitrifikation verläuft über Nitritation und Ni-tratation und benötigt zwei Bakteriengruppen:Ammonium-oxidierende Bakterien (AOB),die Ammonium (NH+ ) mit Sauerstoff zu Ni-trit (NO− ) oxidieren (Gl. 13.9a), und Nitrit-oxidierende Bakterien (NOB), die Nitrit mitSauerstoff zu Nitrat (NO− ) oxidieren (Gl. 13.9b).

NH+ + ,O → NO− + H+

+HO (13.9a)

NO− + ,O → NO− (13.9b)

Der Energieertrag für die Nitritation beträgt−, kJ/mol, der für die Nitratation nur−, kJ/mol (� Tab. 13.5). Da Nitrifikanten auto-troph mit CO wachsen, sind die Wachstumsra-ten und Zellausbeuten gegenüber heterotrophenAbwasserbakterien sehr viel kleiner und die Ge-nerationszeiten sehr viel länger (≥ sechs Tage imVergleich zu wenigen Stunden bei heterotrophenAbwasserbakterien).

Die Nitrifikation ist umso mehr gehemmt, jemehr der pH-Wert von 7,2 nach oben oder un-ten abweicht. Undissoziierter Ammoniak (NH;pH ≫ ,) hemmt die Nitratation, währendundissoziierte salpetrige Säure (HNO; pH ≪,) die Nitritation hemmt (� Tab. 13.5). DieWachstumsraten der NOB sind für typische Ab-wassertemperaturen deutlich höher als die derAOB. Erst bei ○C wachsen NOB und AOB et-wa gleich schnell. In Kläranlagen sollte es dahernicht zur Anreicherung des stark giftigen Nitritskommen.

Die Nitrifikation von einem Mol Ammo-niumstickstoff benötigt zwei Mol Sauerstoff.Für die Oxidation von einem Gramm NH+ –N werden daher 4,57 g O oder 3,2 l O oderca. 16 l Luft benötigt, wenn O zu 100% insAbwasser übergehen würde. Da Belüftungs-systeme nicht so effizient arbeiten, sind hoheBelüftungsraten nötig, umO-Mangel zu verhin-dern. Aufgrund des höheren C- als N-Gehaltesvon kommunalen Abwässern und der sehr vielhöheren Wachstumsraten von C-abbauendenBakterien gegenüber den autotrophen Nitri-fikanten kommt es in Belebtschlammflockenzu einer Zonierung. In den oberflächennahenSchichten sind fast ausschließlich schnell wach-sende heterotrophe Bakterien anzutreffen, die,solange organische Schmutzstoffe im Abwas-ser vorliegen, den gesamten gelösten Sauerstoff(cmax = ,mg O/l) verbrauchen. Für dielangsam wachsenden Nitrifizierer in den dar-unterliegenden Schichten ist O daher nur dannverfügbar, wenn er von den heterotrophen Bak-terien aufgrund von Substratmangel nicht mehrverbraucht wird. Für die vollständige Oxidationvon 500mg/l BSB im kommunalen Abwassermüssendahermindestens 500 mgO/l Abwasser,für dieNitrifikation von 92 mg/l TKN (� Tab. 13.1)420mg O/l Abwasser eingetragen werden. Dietechnische Umsetzung des Kohlenstoffabbausund der Nitrifikation in einer Belebungsanlageoder in Tropfkörpern wird in denAbschn. 13.3.2und 13.3.3 erläutert.

Page 13: Industrielle Mikrobiologie || Verfahren der Abwasserreinigung

13.2 ⋅ Biologische Grundlagen der C-, N- und P-Elimination 283

13

� Tabelle 13.5 Nitrifikation – Vergleich zwischen Nitritation und Nitratation

Parameter Nitritation durch AOB Nitratation durch NOB

Beschreibung Oxidation von Ammonium zu Nitrit Oxidation von Nitrit zu Nitrat

Reaktion NH+4 + 1,5O2 → NO−2 + 2H++ H2O NO−2 + 0,5O2 → NO−3

freie Energie ΔG0′−274,7 kJ/mol −74,1 kJ/mol

Sauerstoffbedarf 3,43 g O2 pro g N 1,14g O2 pro g N

Gattungen Nitrosomonas, Nitrosococcus, Nitro-sospira, Nitrosolobus,Nitrosovibrio

Nitrobacter, Nitrococcus, Nitrospina,Nitrospira

Wachstumsrate μa

10 °C 0,29 0,58

20 °C 0,76 1,04

30 °C 1,97 1,87

Halbsättigungskonzentration(mg N/l)b

2,8 2,3

Hemmung durch NHc3 (mg/l) 10–150 0,1–10

Hemmung durch HNOd2 (mg/l) 0,15× 10−3 0,6

optimaler pH 7,2–8,8 7,2–9,0

AOB = Ammonium-oxidierende Bakterien, NOB = Nitrit-oxidierende Bakteriena Mudrack und Kunst 1991b Werte für Nitrifikation im Tropfkörper nach Siegrist und Gujer 1987c Anthonisen et al. 1976d Bergeron 1978

13.2.3 Nitratentfernung durchDenitrifikation

Denitrifikanten können Nitrat oder Nitrit in Ab-wesenheit von Sauerstoff für die Veratmung vonorganischen Substanzen verwenden. Die Ener-gieausbeute bei der Nitratatmung ist geringfügigniedriger als bei der Sauerstoffatmung. Für dieDenitrifikation werden organische C-Quellen,wie z. B. Methanol oder Acetat als Elektronen-donatoren gebraucht. Die C-Substrate werdenoxidiert (Gl. 13.10a) und die Elektronen für denNitratumsatz zu N verwendet (Gl. 13.10b).Während für die Denitrifikation von einem

Mol Nitrat fünf Elektronen benötigt werden(Gl. 13.10b), sind für die Denitrifikation voneinem Mol Nitrit nur drei Elektronen nötig(Gl. 13.10c). Die Stöchiometrien für die Deni-tratation bzw. Denitritation mit Acetat zeigendie Gl. 13.10d und 13.10e. Nitratreste im Abwas-ser verschlechtern bei langen Absetzzeiten imNachklärbecken über N-Bildung die Schlamm-abtrennung.

Denitrifikation mit Acetat als Elektronendonor(Teil- und Summenreaktionen):

CH–COOH + HO→ CO + H+ + e− (13.10a)

Page 14: Industrielle Mikrobiologie || Verfahren der Abwasserreinigung

284 Kapitel 13 ⋅ Verfahren der Abwasserreinigung

HNO + H+ + e−

→ N + HO (13.10b)HNO + H+ + e−

→ N + HO (13.10c)CH–COOH + HNO

→ CO + N + HO (13.10d)CH–COOH + HNO

→ CO + N + HO (13.10e)

Könnte die Nitrifikation beim Nitrit unterbro-chen werden, so würden nur 1,5 statt zwei MolSauerstoff benötigt und ca. 25% der Belüftungs-kosten eingespart. Die Denitritation würde zu-demwenigerC-Quelle benötigenund zuweitererKostenersparnis führen. Die Betriebssicher-heit von N-Eliminierungsverfahren über Ni-tritation/Denitritation (short cut-Verfahren) fürdie kommunale Abwasserreinigung muss nochnachgewiesen werden. Auch die Stickstoffentfer-nung durch Disproportionierung von Nitrit mitAmmonium durch anaerobe Ammoniumoxi-dation mit „Anammox-Bakterien“ ist möglich.Anammox-Bakterien (Planctomyceten) wur-den isoliert, wachsen aber extrem langsam mitVerdopplungszeiten von elf Tagen. Sie lassensich in Kläranlagen nur nach Monaten undmit Biomasserückhalt ansiedeln, wenn Nitritund Ammonium vorhanden ist. Die VerfahrenCANON (completely autotrophic nitrogen remo-val over nitrite), SHARON (single reactor systemfor high activity ammonium removal over nitrite)und OLAND (oxygen-limited ammonia nitrifi-cation and denitrification) sind alternative N-Eliminierungsverfahren, die aber noch nicht be-triebssicher einsetzbar sind.

13.2.4 Biologische P-Elimination

Trotz Ersatz von phosphathaltigen Waschmittelnbefinden sich immer noch ca. 20mg/l Phosphorim kommunalen Abwasser (� Tab. 13.1), die aufunter 1mg/l reduziert werden müssen. Bei derklassischen Abwasserreinigung wird das Phos-phat mit Eisen- oder Aluminiumsalzen ausgefällt

und zusammen mit mikrobiell gebundenemPhosphat (Abwasserbakterien bestehen zu 1%aus Phosphat) mit dem Überschussschlamm ab-getrennt.

Eine biologische Phosphorentfernung ausdem Abwasser kann mit Polyphosphat-ak-kumulierenden Mikroorganismen (PAO, z. B.Acinetobacter spp., Microlunatus phosphovorus,Lampropedia spp.) durch wechselweise anaero-be/aerobe Verfahrensführung erreicht werden(�Abb. 13.3). ). Dafür haben die obligat aerobenPAO drei Reservestoffspeicher: Polyphosphat(PPn), Poly-β-hydroxybutyrat (PHB) und Gly-kogen. Vereinfacht betrachtet hydrolysieren diePAO unter anaeroben Bedingungen einen ge-ringen Teil des PPn und geben anorganischesPhosphat (Pi) ab, während sie bei anschließenderaerober Inkubation deutlich mehr Pi aufnehmenund als PPn+x festlegen (luxury uptake).

Unter anaeroben Bedingungen nutzen die ae-roben PAO den Glykogenspeicher als C-Quelleund Elektronenquelle sowie den PPn-Speicherals Energiequelle für den Erhaltungsstoffwech-sel und die PHB-Synthese (� Abb. 13.3a). DieSynthese von β-Hydroxybuttersäure geschiehtmit Acetat aus dem Rohabwasser und den beimGlykogenabbau frei werdenden Reduktionsäqui-valenten. β-Hydroxybuttersäure polymerisiertdann zuPHB.Die beimAbbaudes PPn-Speichersabgespaltenen Phosphatreste werden ins Abwas-ser ausgeschieden (Phosphatrücklösung).

Folgt dann eine aerobe Inkubation der PAO,wird intrazellulärGlykogen alsKohlenhydratspei-cher und PPn als Energiespeicher wieder an-gelegt. Die dafür nötige Energie stammt ausder Veratmung von BSB des Abwassers undvon β-Hydroxybuttersäure aus dem Abbau desPHB-Speichers. Da die PAO im Belebungs-becken mit den Abwasserbakterien um BSBkonkurrieren müssen, nutzen sie überwiegendihren PHB-Speicher für den Bau- und Ener-giestoffwechsel. Die Energie aus der Oxidationvon β-Hydroxybuttersäure wird für die Zellver-mehrung und den Aufbau des Glykogen- undPolyphosphatspeichers verwendet (�Abb. 13.3b).Es wird mehr Phosphat aus dem Abwasser auf-genommen als vorher unter anaeroben Bedin-

Page 15: Industrielle Mikrobiologie || Verfahren der Abwasserreinigung

13.3 ⋅Abwasserreinigung 285

13

Belüftung

Schlammrückführung ÜSS

• Pi-Rücklösung aus Polyphosphat• PHB-Synthese• Glykogenabbau

• luxury uptake von Pi zur Polyphosphatbildung• aerober PHB-Abbau• Glykogenbildung

a) anaerobes Becken b) aerobes Becken

Acetat

Pi

PPnPHB

Glyk

PPn·xPHB

Glyk

PPn+xPHB

Glyk

PPn·xPHB

Glyk

CO2

Pi O2

Pi

�Abb. 13.3 Phosphat-Elimination durch Polyphosphatbildung (PPn) in Phosphat-akkumulierenden Bakterien durchabwechselnd anaerobe (a) und aerobe (b) Inkubation. (PHB: Poly-β-hydroxybutyrat; Glyk: Glykogen, ÜSS: Überschuss-schlamm)

gungen durch Hydrolyse von Polyphosphat insAbwasser abgegeben („rückgelöst“) wurde. Die-ses als luxury uptake bezeichnete Phänomenist die Grundlage für die biologische Phosphor-Elimination aus Abwasser. PAO aus demSchlamm des Nachklärbeckens müssen dafürin ein der Belebung vorgeschaltetes anaerobesBecken zurückgeführt und mit Rohabwasservermischt werden. Die verfahrenstechnischeRealisierung wird in Abschn. 13.3.5 erläutert.

Weil die Phosphorvorräte auf der Erde zurNeige gehen und Klärschlamm viel mit Eisen-oder Aluminiumsalzen ausgefälltes und in derBiomasse fixiertes Phosphat enthält, werden der-zeit verstärkt Verfahren zur P-Rückgewinnungaus Klärschlämmen entwickelt.

13.3 Abwasserreinigung

13.3.1 Typische Verfahrenssequenz inkommunalen Kläranlagen

Die im kommunalen Abwasser enthaltenen or-ganischen und anorganischen Verschmutzungenwerden durch mechanische, chemische und bio-logische Reinigungsprozesse eliminiert.

In � Abb. 13.4 ist dies beispielhaft dargestellt:In einer kommunalen Kläranlage wird das ge-samte Abwasser in einem Einlaufbauwerk (1)gesammelt. DurchmechanischeReinigungwer-den aus dem Abwasser nicht gelöste Stoffe mitGrob- und Feinrechen oder Sieben (2), durchSedimentation/Flotation in Sand-/Fettfängen (3)und durch Sedimentation vor oder nach biologi-schen Behandlungsschritten (5, 8, 9) abgetrennt.Die Rückstände aus der Klärschlammfaulungwerden durch Zentrifugation (11) und wei-tere Entwässerung in Filterpressen (12) vomSchlammwasser getrennt. Zur Entfernung vonPhosphor werden chemische Verfahren zurFällung und Flockung mit Eisen- oder Alumi-niumsalzen (4) oder biologische Verfahren mitPolyphosphat-akkumulierenden Bakterien (Ver-fahrensmodifikation siehe�Abb. 13.3) eingesetzt.

Die C- und N-Fracht des Abwassers wirdausschließlich mit biologischen Verfahren eli-miniert. Dazu wird in Anlagen mit vorgeschal-teter Denitrifikation (�Abb. 13.4) nitrathaltigesAbwasser aus dem Belebungsbecken und Über-schussschlamm zurückgeführt, mit mechanischvorgeklärtem Rohabwasser vermischt und un-ter Ausschluss von Sauerstoff denitrifiziert (6).Alternativ zur vorgeschalteten Denitrifikationkann eine nachgeschaltete Denitrifikation imAnschluss an die Belebung erfolgen. Dazu mussder BSB desAbwassers in der Belebung ebenfalls

Page 16: Industrielle Mikrobiologie || Verfahren der Abwasserreinigung

286 Kapitel 13 ⋅ Verfahren der Abwasserreinigung

1Einlauf-

bauwerk

a) Abwasserreinigung

b) Schlamm- behandlung

2Rechen,

Siebe

3Sandfang u.Fettflotation

5Vorklärbecken

8Nachklärbecken

9Voreindicker

10Anaerobreaktor

11Schlamm-zentrifuge

12Filterpresse

6vorgeschalteteDenitrifikation,

anoxisch

7Belebung

mit Nitrifikation,aerob

4P-Fällung

Zulauf

interne Rezirkulation desnitrifizierten Abwassers

Schlammrückführung

Überschussschlamm

Trübwasser

Klärschlamm

Faulgas

Filter-kuchen

Schlamm-/Presswasser

Entsorgung,Verwertung

Ablauf

Primär-schlamm

Polymerzugabe

Belüftung

� Abb. 13.4 Verfahrensschema der Abwasserreinigungmit vorgeschalteter Denitrifikation (a) und anaeroberSchlammbehandlung (b). In Kläranlagenmit nachgeschalteter Denitrifikation ist das Denitrifikationsbecken nach Be-lebung und Nitrifikation angeordnet. Für die C-Versorgung dienen entweder externe C-Quellen (Methanol, Acetat) odergeklärtes Rohabwasser aus dem Ablauf des Vorklärbeckens, das im Bypass in entsprechender Menge zugegeben wer-den muss. Das Foto oben zeigt die Kläranlage Regensburg (© Herbert Stolz)

komplett abgebaut und Ammonium vollständigzu Nitrat oxidiert werden. Für die nachgeschal-tete Denitrifikation muss dem nitrathaltigenAbwasser eine externe C-Quelle, z. B. Methanoloder Acetat, im stöchiometrischen Verhältniszum Nitrat bzw. geklärtes Rohabwasser im By-pass zudosiert werden.

Kohlenstoff- und Stickstoffverbindungenwer-den bei der aeroben und anoxischen Abwasser-

behandlung zu HO, CO undN umgesetzt unddienen dem Wachstum der beteiligten Mikro-organismen. Es entsteht Überschussschlamm,der im Nachklärbecken (8) abgetrennt und zu-sammen mit dem Primärschlamm aus demVorklärbecken (5) stabilisiert werden muss. Dader Trockensubstanzgehalt von Vorklär- undinsbesondere von Überschussschlamm aus derNachklärung bei unter 4% liegt, wird eine Vor-

Page 17: Industrielle Mikrobiologie || Verfahren der Abwasserreinigung

13.3 ⋅Abwasserreinigung 287

13

eindickung (9) auf über 6% vorgenommen. Dereingedickte Schlamm wird in einem Faulbehäl-ter (10) unter Biogasbildung stabilisiert. Dienicht zu Biogas abbaubaren Feststoffe im Ab-lauf des Anaerobreaktors (ca. 50%) müssen vomSchlammwasser zunächst durch Zentrifugation(11) abgetrennt und mit Filterpressen (12) oderScheibentrocknern weiter entwässert werden.Die anfallenden Wasserfraktionen sind orga-nisch und mit Ammonium hoch belastet undwerden in die Belebungsanlage zurückgeleitet.

13.3.2 Belebtschlammverfahren

Die biologische Reinigung mechanisch vorge-klärter kommunaler Abwässer erfolgt überwie-gend in Belebungsbecken. Die gelöste C- bzw.N-Fracht wird von den Belebtschlammbakteri-en mit Sauerstoff veratmet bzw. nitrifiziert. DieBelüftung dient außer zur Sauerstoffversorgungund Durchmischung auch dem Austrag von gas-förmigen Abbauprodukten (z. B. CO) und vonReaktionswärme. Damit eine hydraulische Auf-enthaltszeit (HRT) des Abwassers von 16 h fürdie Reinigung in Belebungsbecken ausreicht,muss eine Schlammkonzentration von 4,5 kg/m

durch Schlammrückführung aus dem Nach-klärbecken (NKB) aufrechterhalten werden. Bei16 h HRT erfolgt ein C-Abbau mit Nitrifikationnur, wenn das Schlammalter (durchschnittli-che Aufenthaltszeit im Belebungsbecken) durchSchlammrückführung mehr als sechs Tage be-trägt und eine geringe Schlammbelastung BTSmit BSB (z. B. 0,15 kg BSB/kg TS d) vorliegt.Die Schlammkonzentration sollte 4,5 kg TS/m

nicht übersteigen, weil sonst eine ausreichendeO-Versorgung nicht mehr gewährleistet ist.

In Hochlast-Belebungsanlagen (Selektoren)fallen bei einem BTS von 0,3 bis 2 kg BSB/kgTS d bis zu 50% des BSB als Überschuss-schlamm an (Gl. 13.3). Der BSB wird nur un-vollständig abgebaut, und es findet keine Ni-trifikation statt. Hochlastverfahren können nurals erste Reinigungsstufe (�Abb. 13.5a, Selek-tor) eingesetzt werden. Der Ablauf erreicht nicht

die geforderten Grenzwerte für C und N undmuss in einem Schwachlast-Belebungsverfahrenfür den vollständigen C-Abbau und die Nitri-fikation weiter behandelt werden (� Abb. 13.5a,Schwachlast-Belebungsbecken).

In Schwachlast-Belebungsanlagen wird beieinem geringen BTS von 0,15 bis 0,3 kg BSB/kgTS d der BSB vollständig in nur einem Be-lebungsbecken abgebaut (� Abb. 13.5b) und esfällt viel weniger Überschussschlamm (mini-mal 25%) an (Gl. 13.4). Je niedriger die BSB-Schlammbelastung ist, desto früher beginnt dieNitrifikation im Belebungsbecken. Sie wird not-falls in einem Tropfkörper (Abschn. 13.3.3)abgeschlossen. Die Wachstumsraten von Ni-trifikanten sind verglichen mit denen von he-terotrophen Abwasserbakterien deutlich kleinerund zeigen eine starke Temperaturabhängig-keit (� Tab. 13.5). Bei ○C Abwassertemperaturwachsen die AOB etwa doppelt so schnell wiedie NOB, sodass es selbst im Winter zu keinerNitritanreicherung kommt.

13.3.3 Tropfkörper

Tropfkörper werden zur C-Elimination undhäufig zur vollständigen Nitrifikation von Am-monium im Abwasser nach der C-Eliminati-on eingesetzt. Die Abwasserbakterien wach-sen als Biofilm auf geschüttetem Lavagesteinoder geordneten Plastikfüllkörpern. Mechanischoder biologisch vorgereinigtes Abwasser wirdauf den Tropfkörper gepumpt und mit einemDrehsprenkler gleichmäßig über dem Festbettverrieselt (� Abb. 13.6). Die biologischen Umset-zungen laufen im Biofilm des Festbettmaterials(Rieselfilter) ab. Überschüssiger Biofilm wirdvon Fraßorganismen „abgeweidet“.

Während in Belebungsbecken der Sauerstoffüber Oberflächenbelüfter oder über Belüftungs-düsen am Beckenboden eingetragen wird, erfolgtdie Versorgung des Biofilms in Tropfkörpernpassiv mit Luft von den unteren Auslassöffnun-gen des Tropfkörpers. Die beim aeroben Abbaudes BSB oder bei der Nitrifikation frei werden-

Page 18: Industrielle Mikrobiologie || Verfahren der Abwasserreinigung

288 Kapitel 13 ⋅ Verfahren der Abwasserreinigung

ÜberschussschlammRücklaufschlamm

nitrifiziertes Abwasser Denitrifikation (Abb. 13.7)

mechanischvorgereinigtesAbwasser

Hochlast-Belebung:z. B. SelektorC-Abbau

Schwachlast-Belebungsbecken:Rest-C-Abbau undNitrifikation

Nachklärbecken:Schlamm-sedimentation

Ablauf

Belüftung

ÜberschussschlammRücklaufschlamm

nitrifiziertes Abwasser Denitrifikation (Abb. 13.7)

mechanischvorgereinigtesAbwasser

Schwachlast-Belebungsbecken:C-Abbau und Nitrifikation

Nachklärbecken:Schlamm-sedimentation

Ablauf

Belüftung

a

b

� Abb. 13.5 a Zweistufiges Belebtschlammverfahren mit vorgeschaltetem Selektor (Hochlast-Belebung) und nach-folgender Schwachlast-Belebung. b Einstufiges Belebtschlammverfahren mit C-Abbau und Nitrifikation in einerSchwachlast-Belebung

� Abb. 13.6 Tropfkörperver-fahren für C-Abbau und/oderNitrifikation

Tropfkörper

Tropfkörper-pumpwerk

nitrifiziertes Abwasser Denitrifikation(Abb. 13.7)

Nachklärbecken:Schlamm-sedimentation

Ablauf

de Wärme verursacht einen Kamineffekt, derFrischluft von unten nachzieht.

Für die Dimensionierung eines Tropfkörperswird die Raumbelastung BR (kg BSB/m d)oder die Flächenbelastung BA (kg BSB/m d)

verwendet. Je größer die Raumbelastung BR ist,desto größer ist die Biofilmdicke auf den Träger-materialien. Um Verstopfungen („bio-clogging“)zu vermeiden,muss regelmäßig gespült und/oderdie Belastung niedrig gehalten werden.

Page 19: Industrielle Mikrobiologie || Verfahren der Abwasserreinigung

13.3 ⋅Abwasserreinigung 289

13

Eine vollständige Nitrifikation von mecha-nisch vorgereinigtem Abwasser ist mit einemhoch belasteten und einem schwach belaste-ten Tropfkörper in Folge zu erzielen. Bei einerRaumbelastung BR von über 0,75 kg BSB/m dfindet in Tropfkörpern keine Nitrifikation statt,bei einer BR von 0,2 bis 0,45 kg BSB/m d findetNitrifikation teilweise statt, und bei einer BR vonunter 0,2 kg BSB/m d sollte eine vollständigeNitrifikation stattfinden.

13.3.4 Denitrifikationsverfahren

Nitrat im Abwasser muss durch Denitrifikationbeseitigt werden. Die häufigsten Verfahren sindvor- oder nachgeschaltete Denitrifikation:

Bei der vorgeschalteten Denitrifikation(�Abb. 13.4, Verfahrensstufe 6) wird der BSBdes Rohabwassers als Elektronendonator ge-nutzt. Dazu wird nitrifiziertes Abwasser in einder Belebung vorgeschaltetes anoxischesDenitri-fikationsbecken zurückgeführt und mit frischemAbwasser vermischt. Zur Verbesserung der Um-satzleistung wird Impfschlamm aus dem NKBbis zu einer Schlammkonzentration von ca.4,5 kg/m zurückgeführt. Um die Ablaufgrenz-werte von Nges ≤ mg/l (� Tab. 13.1) einzuhalten,muss eine mindestens viermalige Abwasserrück-führung in das Denitrifikationsbecken erfolgen.Vorteilhaft bei dieser Verfahrensführung ist dieEinsparung einer externen C-Quelle, nachteiligsind die hohen Energiekosten für die Abwasser-und Schlammrezirkulation.

Bei der nachgeschalteten Denitrifikationwird das nitrifizierte Abwasser aus dem Bele-bungsbecken in ein anoxisches Denitrifikati-onsbecken weitergeleitet. Es muss ein externerElektronendonator, z. B. Methanol, Essigsäureoder Rohabwasser, (über einen Bypass) in stö-chiometrischer Menge zum Nitrat (für AcetatsieheGl. 13.10d,e) zugegebenwerden.Vorteilhafthierbei ist der schnellere Nitratumsatz und derWegfall der Rückführung des nitrifizierten Ab-wassers, nachteilig wirken sich die zusätzlichenKosten für die C-Quelle und/oder der erhöh-

te Steuerungsaufwand für on-line-Messungenvon Nitrat und die Zugabe der C-Quelle aus.Ungünstig wirkt sich auch der Sauerstoffgehaltim nitrifizierten Abwasser aus, der zuerst mitAcetat oder Methanol veratmet wird, bevor dieDenitrifikation einsetzt (überstöchiometrischeC-Dosierung).

Alternativen zur vorgeschalteten oder nach-geschalteten Denitrifikation sind Verfahren, beidenen C-Abbau, Nitrifikation und Denitrifika-tion im gleichen Becken durch abwechselndeaerobe, anoxische und anaerobe Phasen er-folgt. In den Phasen mit Belüftung wird BSB

abgebaut und nitrifiziert, in Phasen ohne Belüf-tung wird Nitrat mit Rest-BSB denitrifiziert.In Kläranlagen werden mindestens zwei Be-cken benötigt. Während der Reaktionszeitenim ersten Becken wird das zweite Becken ge-füllt und umgekehrt. Eine simultane C- undN-Eliminierung kann auch in Umlaufbeckenstattfinden, in denendasAbwassermitMammut-Rotoren belüftet und in Umlauf gebracht wird.Bei mehrfachem Umlauf finden zeitgleich inden sauerstoffhaltigen Zonen unmittelbar nachdem Rotor BSB-Abbau und Nitrifikation undin den folgenden anoxischen Zonen weitererBSB-Abbau und Denitrifikation statt. Eine inter-essante Verfahrensalternative zur Denitrifikationin anoxischen Becken ist die Modifikation ei-nes Tropfkörpers in einen allseits geschlossenenanoxischen Festbettreaktor. Alternativ könnenTropfkörper zu diesem Zweck nach Umbau „ein-gestaut“ werden.

13.3.5 Bio-P-Elimination

Die biologische P-Elimination erfolgt durch ae-robe Bakterien, die im Belebungsbecken mehrPhosphat aus dem Abwasser aufnehmen undals Polyphosphat speichern, als vorher währendeiner anaeroben Inkubation abgegeben wurde(Abschn. 13.2.4). Im sogenannten Hauptstrom-verfahren (�Abb. 13.7) erfolgt die Phosphat-Elimination mit der Überschussschlamment-nahme. In einem vor dem Denitrifikations-

Page 20: Industrielle Mikrobiologie || Verfahren der Abwasserreinigung

290 Kapitel 13 ⋅ Verfahren der Abwasserreinigung

ÜberschussschlammRücklaufschlamm

NO3–-haltiges Abwasser

anoxischesDenitrifikations-becken

aerobesBelebungsbecken

anaerobesBecken

Pi-Freisetzung

nachbelüftetesSedimentations-becken

Ablaufvermehrte Pi-Aufnahme

Belüftung

� Abb. 13.7 Biologische P-Elimination im Hauptstromverfahren

becken angeordneten anaeroben Becken wirdPAO enthaltender Rücklaufschlamm mit Roh-abwasser vermischt. Dort bauen die PAO ih-ren PHB-Speicher mit Acetat aus Rohabwasserund Reduktionsäquivalenten aus dem Abbaudes Glykogenspeichers auf. Die Energie da-für und für das Überleben unter anaerobenBedingungen stammt aus dem Abbau des Po-lyphosphatspeichers. Anschließend passierendie PAO das vorgeschaltete Denitrifikationsbe-cken, in dem Denitrifikanten Acetat und andereFettsäuren des Abwassers für die Denitrifikationaufbrauchen. Die denitrifizierenden Bakterienwären damit direkte Konkurrenten zu den PAOum organische Substrate, wenn das nitrifizierteAbwasser des Rücklaufs direkt in dasAnaerobbe-cken geleitet würde. Im Belebungsbecken habendie PAO dann wieder Sauerstoff für die Verat-mung von BSB und Hydroxybuttersäure ausdem PHB-Speicher verfügbar. Sie wachsen undfüllen den Glykogen- und Polyphosphatspei-cher auf. Durch luxury uptake wird deutlichmehr Phosphat inkorporiert als im Anaerob-becken freigesetzt wurde. Damit die PAO bei derSchlammabtrennung im NKB Phosphat nichtwieder abgeben, müssen anaerobe Phasen durchkurze Schlammentnahmezyklen vermieden wer-den. Wie alle biologischen Prozesse ist auch dieBio-P-Elimination stark temperaturabhängig.Deswegen muss in Bio-P-Anlagen bei Kälte eineMöglichkeit zur Fällmittelzugabe für die Einhal-tung des P-Grenzwertes (� Tab. 13.1) vorgesehenwerden.

13.3.6 Schlammbehandlung

Die bei der Abwasserreinigung anfallendenSchlämme aus Vorklärung, Fällungs- und Flo-ckungsreaktionen sowie der Nachklärung müs-sen für die weitere Behandlung durch Kom-postierung oder Methangärung statisch, durchZentrifugation oder Filtration eingedickt wer-den. Der im Vorklärbecken anfallende Primär-schlamm trägt mit 40 g TS pro Einwohner undTag deutlich zum Schlammaufkommen bei.Nach der biologischen Abwasserbehandlung fal-len nochmals 30 bis 45 g TS pro Einwohner undTag als Überschussschlamm an. Der bei der P-Fällung entstandene Fällschlamm macht 3 bis 7 gTS pro Einwohner und Tag aus.

Aerobe oder anaerobeSchlammstabilisierungDie Schlammstabilisierung kann aerob oderanaerob erfolgen. Bei der aeroben Schlamm-stabilisierung finden die gleichen biologischenProzesse statt wie bei der Abwasserreinigungim Belebungsbecken (�Abb. 13.1). Es werdenvorwiegend partikulär vorliegende Biopolymeredurch Hydrolyse mit Exoenzymen zu löslichenMonomeren umgesetzt. Diese werden von ae-roben Bakterien aufgenommen und mit O zuCO und HO veratmet und zum Wachstumgenutzt. Die Mikroorganismen befinden sich inder Wasserphase bzw. im Wasserfilm um dieSchlammpartikel. Bei niedrigen Belüftungsraten

Page 21: Industrielle Mikrobiologie || Verfahren der Abwasserreinigung

13.3 ⋅Abwasserreinigung 291

13

�Abb. 13.8 Schlammfaulung ineinem Rührkessel mit Schlamm-rückführung (Kontaktverfahren)

Rohschlamm

Faulgas

Schlammwasser BelebungausgefaulterKlärschlamm

Entwässerung

Schlamm-rückführung

Gasspeicher Gasverwertungz. B. Blockheizkraftwerk

mit „Rein-Sauerstoff“ kann es zur Selbsterhit-zung kommen, weil die Wärme aus dem aerobenAbbau nicht ausreichend mit dem Abgas ausge-tragen wird. Der stabilisierte Schlamm enthältdie biologisch nicht abbaubaren Schlamman-teile und die aeroben Bakterien, die nach guterSchlammstabilisierung ausgezehrt, d. h. weitge-hend „mineralisiert“ sind.

Bei der anaeroben Schlammstabilisierungoder Schlammfaulung darf kein Sauerstoff vor-handen sein. Hydrolyse, Fermentation, Acetoge-nese und Methanogenese (�Abb. 13.2) benötigenein stark negatives Redoxpotenzial. Endproduktist Faulgas, das aufgrund seines hohen Me-thangehalts zur Strom- und Wärmeerzeugunggenutzt wird. Der anaerobe Abbau findet in ge-schlossenen Reaktoren statt, wobei der Schlammentweder mechanisch mit Rührern, hydraulischdurch Schlammzirkulation (in Verbindung mitTemperierung) oder pneumatisch durch Faulgas-Einpressen durchmischt wird (�Abb. 13.8). Fürdie Klärschlammfaulung werden voll durch-mischte Reaktoren bei einer HRT von zehnbis 20 Tagen mit Klärschlamm beschickt. Einelängere HRT von Klärschlamm in Faultürmenwurde früher hauptsächlich zur Abtötung vonWurmeiern vorgesehen, um wenigstens eineTeilhygienisierung zu erreichen. Zur Erhöhungder Umsatzleistung kann, ähnlich wie beim Be-lebtschlammverfahren, der vom Auslauf in einerSchlammzentrifuge abgetrennte Schlamm alsImpfschlamm dem Zulauf beigemengt werden.Ist dies der Fall, liegt ein sogenanntes Kontaktver-fahren vor (�Abb. 13.8). Für die mesophile Fau-lung wird der Reaktorinhalt auf ± ○C, für einethermophile Faulung auf ± ○C erwärmt. DieSchlammstabilisierung erfolgt entweder einstufigin einem Faulbehälter oder parallelen Faulbehäl-

tern mit gleicher Raumbelastung oder zweistufigin sequenziellen Reaktoren mit unterschiedli-cher Belastung, wobei der erste Reaktor häufigeine höhere Raumbelastung aufweist. Güns-tig ist eine Kombination von mesophiler undthermophiler Behandlung, weil die thermophileSchlammbehandlung mit einer Hygienisierungeinhergeht.

Während bei der kommunalen Abwasser-reinigung eine BSB-Eliminierung von 97%durch Abbau und Zellinkorporation erreichtwird (� Tab. 13.1), liegt die oTS-Eliminierung beider Klärschlammfaulung mit einem Gemischaus primärem und sekundärem Absetzschlammnach einer HRT von mindestens zehn Tagen imFaulbehälter nur bei 50 bis 60%. Damit ist dietechnische Faulgrenze erreicht, weil selbst einestark verlängerteHRT zu keinemweiterenAbbauführen würde. Die spezifische Faulgasprodukti-on von Klärschlamm beträgt etwa 740 lN/kgabgebauter oTS.

Die Umsatzraten in mesophilen und ther-mophilen Faulbehältern sind nicht signifikantunterschiedlich, d. h. die Reaktionstemperaturhat nur einen geringen Einfluss auf die Um-satzgeschwindigkeit. Die thermophile Faulungbei Temperaturen über ○C wird zunehmendinstabiler, und die Schlammabtrennung wirdschwieriger. Die bei der Entwässerung vonmeso-phil oder thermophil stabilisierten Klärschläm-men anfallenden Trübwässer haben einen hohenCSB- und Ammoniumgehalt und müssen in dieKläranlage zurückgeführt werden.

Hygienisierung undQualitätssicherung von SchlämmenUm den direkten Kontakt mit Krankheitserre-gern zu vermeiden, ist die Aufbringung von nicht

Page 22: Industrielle Mikrobiologie || Verfahren der Abwasserreinigung

292 Kapitel 13 ⋅Verfahren der Abwasserreinigung

hygienisiertem Klärschlamm auf Grün- undWeideland sowie auf Flächen zum Futteranbauverboten. Das Infektionsrisiko muss durch ei-ne Entseuchung von Klärschlamm ausgeschaltetwerden. Zur Hygienisierung von schadstofffrei-en Klärschlämmen oder festen Rückständenaus Methanreaktoren muss eine Abtötung vonKrankheitserregern durch Kompostieren, Er-hitzen oder Kalkung erfolgen. Die Gesellschaft„Qualitätssicherung Landbauliche Abfallver-wertung“ hat die Anforderungen dafür festge-legt. Danach müssen entseuchte Schlämme mit„hohem Standard“ eine Reduktion von Salmo-nella senftenbergii W775 um mindestens fünfZehnerpotenzen aufweisen, erreichbar durchthermophile aerobe Stabilisierung (≥ 20 Tagebei ≥ 55 °C), thermophile anaerobe Faulung(≥ 20 Tage bei ≥ 53 °C) oder Kalkkonditionie-rung (Zugabe von Kalk bis zum Erreichen vonpH > 12 und dann mindestens 24 h Inkuba-tion). Als seuchenhygienisch unbedenklichgelten Klärschlämme, wenn sie nach „höheremStandard“ behandelt wurden und dabei Salmo-nella senftenbergii W775 um mindestens fünfZehnerpotenzen reduziert und die Embryoni-sierungsrate von exponierten Ascaris-Eiern um99,9% gesenkt wurde. Dies kann z. B. durcheine thermophile aerobe Stabilisierung (≥ 20 hbei ≥ 55 °C im Chargenbetrieb), eine thermo-phile anaerobe Faulung (≥ 20 h bei ≥ 53 °C imChargenbetrieb), Pasteurisierung von Flüssig-schlamm bei 70 °C für mindestens 30min beieiner Partikelgröße von ≤ 5mmmit anschließen-der mesophiler Faulung bei ≥ 35 °C für ≥ zwölfTage oder Zugabe von Brandkalk bis pH > 12und Aufrechterhaltung der Selbsterhitzung auf≥ 55 °C für 2 h erfolgen.

Zur Qualitätssicherung sind in der Klär-schlammverordnung (AbfKlärV) bis dato ledig-lich Grenzwerte für Schwermetallgehalte und or-ganische Stoffe wie AOX, PCB und PCDD/PCDFfestgelegt (� Tab. 13.2). Schadstoffhaltige Klär-schlämme sollten durch Klärschlammverbren-nung beseitigt werden. Eine Deponierung aufHausmülldeponien ist wegen des hohen oTS-Gehalts nicht mehr erlaubt.

13.4 WeitergehendeAbwasserreinigung

Die mikrobielle Stickstoff- und Phosphor-Elimi-nation aus Abwässern gehört inzwischen wie dieC-Elimination zu den „allgemein anerkanntenRegeln der Technik“ (a. a. R. d. T.). Die etablier-ten Verfahren gewährleisten die Einhaltungder Grenzwerte nach der AbwV (� Tab. 13.1).Liegen verschärfte Grenzwerte wie z. B. für Phos-phor bei Abwassereinleitung in den Bodensee(< ,mg/l) vor, können diese nur durch zusätz-liche Maßnahmen wie z. B. Flockungsfiltrationoder Einsatz von Membranverfahren erreichtwerden.

In der Zukunft muss die Abwasserreinigungdurch Entfernung von Mikroverunreinigun-gen und pathogenen Keimen weiter verbessertwerden. Zu den Mikroverunreinigungen (Kon-zentration unter 1mg/l) durch Xenobiotikazählen Human- und Tierpharmaka, endokrinwirkende Substanzen, Desinfektionsmittel, Kör-perpflegemittel (Moschusduftstoffe), Tenside,Pestizide und Insektizide sowie Industriechemi-kalien (z. B. Flammschutzmittel). Einige habeneine toxische Wirkung auf die Wasserfauna,sind persistent und reichern sich in der Nah-rungskette an. Im outpacient-care-Bereich erfolgtinzwischen ca. zwei Drittel der Medikation zuHause – mit der Konsequenz, dass Pharmaka-Rückstände vermehrt in Kläranlagen und vondort in Gewässer gelangen. Auch Fäkalbakteri-en gelangen in Gewässer, weil selbst bei einerElimination von 99,99% (vier log-Stufen) imgereinigten Abwasser bei einer Ausgangskon-zentration von Keimen pro ml immer noch Keime pro ml in die Vorflut gelangen.

13.4.1 Elimination vonMikroverunreinigungen

Die Elimination von Spurenstoffen aus Abwäs-sern erfolgt beispielsweise durch Adsorption an

Page 23: Industrielle Mikrobiologie || Verfahren der Abwasserreinigung

13.4 ⋅Weitergehende Abwasserreinigung 293

13

Keimreduktion durch UV-Desinfektion

Viele Oberflächengewässereignen sich aufgrund von bak-teriologischen Kriterien nicht alsBadegewässer. Hauptverursa-cher sind punktuelle Einleitun-gen von Kläranlagenabläufen,Mischwasserüberläufen oderRegenwassereinleitungen. Da-neben spielen diffuse Einträgewie Abschwemmungen vonlandwirtschaftlichen Nutzflä-chen, besonders nach Düngung

mit Gülle eine weitere Rolle.Durch eine Abwasserdesinfek-tion von Kläranlagenabläufenkönnen zumindest punktuelleEinträge von möglicherweisepathogenen Bakterien vermin-dert werden. Zur Keimelimina-tion werden mechanisch undbiologisch gereinigte Kläranla-genabläufe in Langsamsand-filtern oder Schönungsteichenweiter behandelt. Zur Ab-

wasserdesinfektion kommenMembrananlagen oder UV-Desinfektion in Kombination mitOzon oder Wasserstoffperoxidzum Einsatz. Die biologischeWirkung von UV-Strahlen derWellenlänge 245 bis 260 nmberuht auf der Veränderungder DNA, da Nukleinsäuren dieStrahlung absorbieren (sieheAbsorptionskurve).

Absorptionskurve von Nukleinsäuren und spektrale Wirkungskurve einer Hg-Niederdrucklampe zurZellinaktivierung (Schlegel 1992, AllgemeineMikrobiologie)

Charakteristische UV-Schädensind kovalente Verknüpfung vonzwei Thyminresten oder Ver-knüpfung von zwei Pyrimidinenzu einem Pyrimidin-Pyrimidon-Reaktionsprodukt. Dadurch wirddie DNA-Struktur verändert,und es kommt zur Verhinderungder DNA-Replikation. Bakteri-en haben zwar ausgeklügelteReparaturmechanismen ge-genüber diesen UV-Schäden

entwickelt, aber bei dauerhaf-ter Bestrahlung kommt es zumAbsterben. Die UV-Dosis ist dasIntegral der Bestrahlungsinten-sität entlang der Fließstreckeüber die Bestrahlungszeitund drückt die Intensität anUV-Strahlung aus, die auf dieMikroorganismen einwirkt.Dabei ist unter idealen Bedin-gungen die dezimale Reduktionder Keime proportional zur UV-

Dosis. In der Praxis mindernPartikel die Effektivität der Be-strahlung. UnterschiedlicheUV-Resistenz oder Repara-turmechanismen, Erregerart,Schutzmechanismen durchAgglomeration oder Biofilm-bildung sowie die Schwierigkeiteiner gleichförmigen Bestrah-lung sind weitere Kriteriender Effizienzminderung. EineUV-Bestrahlungsdosis

Page 24: Industrielle Mikrobiologie || Verfahren der Abwasserreinigung

294 Kapitel 13 ⋅ Verfahren der Abwasserreinigung

bei λ = 254nm von 350 bis500 J/m2 wird üblicherweiseangewendet. Je nach Men-ge des zu desinfizierendenAbwassers kommen Hg-Niederdruckentladungsstrahleroder Hg-Mitteldruckentla-dungsstrahler zum Einsatz.

Eine regelmäßige Reinigungvon Verschmutzungen an denStrahlern muss beim Betriebvon UV-Desinfektionsanlagenerfolgen. Ein gut dokumen-tiertes Beispiel für die Nach-rüstung von Kläranlagen mitUV-Desinfektionsanlagen zur

Einhaltung der Badegewässer-qualität in der oberen und mitt-leren Isar ist dem folgenden Linkzu entnehmen: http://www.lfu.bayern.de/analytik_stoffe/biol_analytik_mikrobielle_oekologie/abtoetung_krankheitserreger/index.htm.

Aktivkohle, die als „Pulverkohle“ z. B. in die Be-lebung oder den Ablauf des Nachklärbeckenszugegeben wird. Alternativ werden Spurenstoffeaus gereinigtem Abwasser mit Aktivkohlefil-tern entfernt. Mit Pulverkohle ist ein besseresAbsetzverhalten des Schlamms und eine gerin-gere Trübung im Klarwasser zu beobachten. ZurKeim- und Spurenstoffverminderung kommenFiltrationsverfahren zum Einsatz. In Sandfilternberuht das Rückhaltevermögen hauptsächlichauf Adsorptionsprozessen, bei Membranfilternauf Rückhalt. Durch Nanofiltration oder Um-kehrosmose können Mikroverunreinigungenwirkungsvoll zurückgehalten werden. Da aberdas gesamte Abwasser die Membranen passierenmuss, entstehen hohe Investitions- und Betriebs-kosten.

Bei Oxidationsverfahren als Endreinigungs-stufe wird Ozon oderWasserstoffperoxid (HO)zur Zerstörung von Restverunreinigungen undvon Keimen dem gereinigten Abwasser zuge-setzt. Die Oxidation kann durch UV-Strahlungunterstützt werden.

13.4.2 Abwasserdesinfektion

Abwasserdesinfektion zur Reduktion von Kei-men (Box „Keimreduktion durch UV-Desinfek-tion“) sollte sich an den Zielvorgaben der Bade-gewässerrichtlinie (EG-Badegewässerrichtlinie2006/7/EG vom 15.02.2006) orientieren. Dortwerden Badegewässer nach der Keimbelastungin die Kategorien „mangelhaft“, „ausreichend“,

„gut“ und „ausgezeichnet“ eingeteilt. Bis zumAbschluss der Badesaison 2015 müssen Badege-wässer mindestens die Kategorie „ausreichend“erreichen. Außerdem müssen Maßnahmen er-griffen werden, die zur Erhöhung der Zahl derals „ausgezeichnet“ oder als „gut“ eingestuftenBadegewässer führen. Als mikrobiologische Pa-rameter werden in der Richtlinie nur noch dieintestinalen Enterokokken (IE) und E. coli alscolony forming units (cfu) pro 100ml aufgeführt.Für eine ausgezeichnete Qualität eines Bade-gewässers darf die Anzahl der cfu für IE bzw.für E. coli einen Wert von 200 bzw. 500 (bei 95Perzentil-Bewertung) nicht überschreiten. ZurDesinfektion von Abwasser kommen thermischeBehandlung, UV-Bestrahlung, Filtration, Ozo-nierung, Chlorung oder Kombinationsverfahrenzum Einsatz.

13.5 Ausblick

Die Verfügbarkeit von 100 bis 150 l hygienischeinwandfreiem Trinkwasser pro Person und Tag,des Weiteren von sauberen, wenig Abwasser-belasteten See- oder Flusswässern als Badegewäs-ser sowie in zunehmender Menge als schadstoff-freies Bewässerungswasser zur Sicherstellungder Ernährung in Industrieländern stellt dieAbwasserreinigung vor immer höhere Anforde-rungen. In Entwicklungsländern wird Abwasserzum Teil gar nicht gereinigt und gelangt beisteigendem Wasserverbrauch stark keimbelas-tet in den Nutzwasserkreislauf mit schlimmen

Page 25: Industrielle Mikrobiologie || Verfahren der Abwasserreinigung

Literaturverzeichnis 295

13

Folgen für die Gesundheit. Bei fortschreiten-dem Klimawandel und steigenden Wasserprei-sen wird man langfristig um die Verwendungvon gereinigtem Abwasser als Brauchwasser fürProduktionsprozesse und im Haushalt auch inIndustrieländern nicht herumkommen. Dazumuss eine Abkehr von den end of pipe-Lösungenhin zu angepassten Reinigungsverfahren für un-terschiedlich belastete Teilströme, wie sie beider Industrieabwasserreinigung teilweise schonverwirklicht sind, erfolgen. Für Verfahrensop-timierungen fehlen vielfach exakte Kenntnissezu den mikrobiellen Grundlagen und Wachs-tumsansprüchen. Ob sich Spezialkulturen odergentechnisch veränderte Mikroorganismen beider kommunalen Abwasserreinigung gegenüberder natürlich vorkommenden Flora durchsetzenkönnen, ist wegen der hohen Anfangskeimdich-te und der Komplexität des Abwassers fraglich.In der Zukunft müssen vor allem die neuen,mikrobiologischen Erkenntnisse zur N- undP-Eliminierung in für die Abwasserreinigungbetriebssicher zu handhabende technische Pro-zesse überführt werden.

b Literaturverzeichnis

Anthonisen AC, Loehr RC, Prakasam TBS, Sri-nath EG (1976) Inhibition of nitrification by am-monia and nitrous acid. J Water Poll Contr Fed48: 835–852Bergeron P (1978) Untersuchungen zur Kinetikder Nitrifikation. Karlsruher Berichte zur Inge-nieurbiologie 12

Boyle WC (1976) Energy recovery from sanitarylandfills – a review. A seminar held in Göttingen1976. In: Schlegel HG, Barnea S (Hrsg) Microbi-al Energy Conversion. Oxford Pergamon Press,119–138Buswell AM, Mueller HF (1952) Mechanism ofmethane fermentation. Ind Eng Chem 44: 550–552Gerardi MH (2006) Wastewater bacteria. Waste-water Microbiology Series, John Wiley & Sons,Inc., Hoboken, New YerseyGujer W (1999) Siedlungswasserwirtschaft.Springer Verlag, Berlin, Heidelberg, New YorkImhoff K, Imhoff KR (2007) Taschenbuch derStadtentwässerung. 30. Aufl. Oldenbourg Indus-trieverlag, MünchenJördening H-J, Winter J (2005) Environmen-tal Biotechnology – Concepts and Applications.Wiley-VCH Verlag, WeinheimMudrack K, Kunst S (1991) Biologie der Ab-wasserreinigung. 3. Aufl. Gustav Fischer Verlag,StuttgartSchlegel (1992) Allgemeine Mikrobiologie. Ge-org Thieme Verlag, Stuttgart, New YorkSiegrist H, Gujer W (1987) Demonstration ofmass transfer and pH effects in a nitrifying bio-film. Wat Res 21: 1481–1487Thauer RK, Jungermann K, Decker K (1977)Energy conservation in chemotrophic anaerobicbacteria. Bacteriol Rev 41: 100–180Weiterbildendes Studium Wasser und Umwelt(Hrsg) (2009)Abwasserbehandlung. 3. Aufl.Uni-versitätsverlag Weimar