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1. Einleitung "Mit dem Konstrukt Informationsmanagement wird also das Lei- tungshandeln (Management) in einer Betriebswirtschaft in bezug auf Information und Kommunikation bezeichnet, folglich alle Fiihrungs- aufgaben, die sich mit Information und Kommunikation in der Be- triebswirtschaft befassen." (Heinrich (1999), S. 8) "Das Informationsmanagement ist der Teil der Unternehmensfiih- rung, der fur das Erkennen und Umsetzen der Potentiale der In- formationstechnik in Losungen verantwortlich ist." (Brenner (1994), S. 5)1 "Informationsmanagement ist die richtige Information zur richtigen Zeit am richtigen Ort." (Oracle Werbung, 1995) "Informationsmanagement ist die wirtschaftliche (effiziente) Planung, Beschaffung, Verarbeitung, Distribution und Allokation von Informa- tionen als Ressource zur Vorbereitung und Unterstiitzung von Ent- scheidungen (Entscheidungsprozessen) sowie die Gestaltung der dazu erforderlichen Rahmenbedingungen." (VoB (1995)) Bereits Mitte der 40er Jahre hat Hayek (1945) festgestellt , daB das eigent- liche Problem des Entscheidens die Informationsbeschaffung darstellt. Sobald alle Informationen bekannt sind, reduziert sich das Problem der Entscheidung auf ein rein logisches. Das Bekanntsein aller Informationen bezieht sich dabei auf genau diejenige Person, welche die Entscheidung trifft , d.h. es ist un- geniigend, wenn sie verteilt im Unternehmen vorliegen. Die Komplexitat der Entscheidungsinhalte ist seit 1945 im Kontext von Globalisierung und zu- nehmender technologischer Entwicklungsgeschwindigkeit tendenziell groBer geworden, und damals wie heute ist die Informationsbeschaffung (eines Ent- scheiders) der eigentliche EngpaB im EntscheidungsprozeB. Fur unternehmerische Entscheidungen waren schon immer ahnliche Infor- mationen notwendig. Durch Nutzung neuer Informationen, die 1945 in dieser Form nicht erreichbar waren, sind im Grunde qualitativ bessere Entscheidun- gen moglich. Dadurch aber, daB tendenziell alle Unternehmen eines Marktes 1 Brenner bezieht sich bei seiner Definition auf Osterle (1987), Griese (1990) und Schwarze (1990) . S. Voß et al., Informations-management © Springe-Verlag Berlin Heidelberg New York 2001

Informationsmanagement || Einleitung

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Page 1: Informationsmanagement || Einleitung

1. Einleitung

"Mit dem Konstrukt Informationsmanagement wird also das Lei­tungshandeln (Management) in einer Betriebswirtschaft in bezug aufInformation und Kommunikation bezeichnet, folglich alle Fiihrungs­aufgaben, die sich mit Information und Kommunikation in der Be­triebswirtschaft befassen." (Heinrich (1999), S. 8)

"Das Informationsmanagement ist der Teil der Unternehmensfiih­rung, der fur das Erkennen und Umsetzen der Potentiale der In­formationstechnik in Losungen verantwortlich ist ." (Brenner (1994),S. 5)1

"Informat ionsmanagement ist die richtige Information zur richtigenZeit am richtigen Ort." (Oracle Werbung, 1995)

"Informationsmanagement ist die wirtschaftliche (effiziente) Planung,Beschaffung, Verarbeitung, Distribution und Allokation von Informa­tionen als Ressource zur Vorbereitung und Unterstiitzung von Ent­scheidungen (Entscheidungsprozessen) sowie die Gestaltung der dazuerforderlichen Rahmenbedingungen." (VoB (1995))

Bereits Mitte der 40er Jahre hat Hayek (1945) festgestellt , daB das eigent­liche Problem des Entscheidens die Informationsbeschaffung darstellt. Sobaldalle Informationen bekannt sind, reduziert sich das Problem der Entscheidungauf ein rein logisches. Das Bekanntsein aller Informationen bezieht sich dabeiauf genau diejenige Person, welche die Entscheidung trifft , d.h. es ist un­geniigend, wenn sie verteilt im Unternehmen vorliegen. Die Komplexitat derEntscheidungsinhalte ist seit 1945 im Kontext von Globalisierung und zu­nehmender technologischer Entwicklungsgeschwindigkeit tendenziell groBergeworden , und damals wie heute ist die Informationsbeschaffung (eines Ent­scheiders) der eigentliche EngpaB im EntscheidungsprozeB.

Fur unternehmerische Entscheidungen waren schon immer ahnliche Infor­mationen notwendig. Durch Nutzung neuer Informationen, die 1945 in dieserForm nicht erreichbar waren, sind im Grunde qualitativ bessere Entscheidun­gen moglich. Dadurch aber, daB tendenziell alle Unternehmen eines Marktes

1 Brenner bezieht sich bei seiner Definition auf Osterle (1987), Griese (1990) undSchwarze (1990) .

S. Voß et al., Informations-management© Springe-Verlag Berlin Heidelberg New York 2001

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2 1. Einleitung

die gleichen Informationen erreichen konnen, wird die qualitative Verbes­serung natiirlich nur deutlich, wenn Wettbewerber auf diese Informationenexplizit oder implizit "verzichten" . Ein Verzicht kann aber zumindest mittel­oder langfristig den Unternehmensfortbestand gefahrden.

Betrachtet man die Basis, auf der der neuere Zugewinn an Informatio­nen fuBt, so wird deutlich, daB die Informationstechnologie ein Gegenstandist, dem sich auch die Betriebswirtschaftslehrc maBgeblich zuwenden muB.Nur durch sie werden neue (oder besonders aufbereitete) Informationen fiirindividuelle Entscheidungsprozesse verfiigbar. Letztere haben sich in der Ver­gangcnheit nicht verandert - und Modelle des individuellen Entscheidungs­verhaltens haben nach wie vor Bestand: Nach dem Satisficing-Konzept nachSimon (1982) werden Informationen nur bis zum Erreichen eines bestimmtenAnspruchsniveaus gesammelt, wobei dieses Niveau zusatzlich Schwankungenunterliegt. Die computergestiitzte Aufbereitung oder Veredelung der Infor­mationen, die dem Entscheider zur Verfiigung gestellt wcrden, stellen somiteinen wesentlichen Beitrag zur Steigerung der Entscheidungsgiite dar.

Es existieren unterschiedliche Herangehensweisen, die dann zu verschie­denen Definitionen des Informationsmanagements fiihren .? Brenner (1994)geht z.B. in seinen Ausfiihrungen zur (zukiinftigen) Bedeutung des Informa­tionsmanagements vor allem auf die Informationstechnik (IT)3 ein und fiihrtden Strukturwandel an, wie ihn Nefiodow (1991) analysiert hat. Nefiodowhat 40 bis 60 Jahre umfassende Konjunkturzyklen, sogenannte Kondratieff­Zyklen, anhand von Innovationsschiiben herausgestellt. Die ersten vier Zyklensind durch Innovationen in den Bereichen Dampfmaschine und Baumwolle,Eisenbahn und Stahl, Elektrotcchnik und Chemie sowie Petrochemie undAutomobil gekennzeichnet. Der fiinfte Kondratieff-Zyklus beruht auf der In­formationstechnik.

Brenner stellt allerdings nicht explizit die eigentliche Bedeutung der In­formationstechnik im Sinne einer Zielrichtung heraus. Aus betriebswirtschaft­licher Sicht , und er ordnet das Informationsmanagement in die Unternehmcns­fiihrung ein, dient die Informationstechnik allein der Verbesserung von Pro­zessen und der Entscheidungsfindung im Unternchmen. Hier liegt der Unter­schied zu den Innovationen der iibrigen Kondratieff-Zyklen. Die Infonnati­onstechnik ist ein ermoglichendes Instrumentarium der Reorganisation vonProzessen (betrieblichen Ablaufen) und der Entscheidungsfindung an sich.

2 Diese werden wir im Kapitel 3 im Lichte "philosophischer" Betrachtungen ver­tiefen.

3 Die Informationstechnologie umfafit alle Prinzipien, Methoden und Mittel derBereitstellung, Verarbeitung, Uberrnittlung und Verwendung von Informationensowie der Gestaltung und Nutzung von Informationssystemen; vgl. Zahn (1997).Trotz der im deutschen Sprachraum gegebenen, begrifflichen Abgrenzung zur In­formationstechnik, die eine konkrete Anwendung von Technologie (als Produktoder Verfahren) darstellt, werden die Begriffe Technologie und Technik in Anleh­nung an den englischen Sprachgebrauch im folgenden beide unter dem AkronymIT zusammengefafit .

Page 3: Informationsmanagement || Einleitung

1. Einleitung 3

Sie ist Basis fiir eine Querschnittsfunktion, die aIle Branchen durchdringt,die innerhalb der vorherigen Innovationsschiibe entstanden sind; vgl. auchBayer (1994).

DaB die Informationstechnik aus volkswirtschaftlicher Sicht als wesent­licher Innovationsschub betrachtet wird, verdeutlicht, in welchem MaBe Op­timierungspotentiale in den Prozessen der Entscheidungsfindung und der be­trieblichen Ablaufe liegen miissen, d.h. wie gering die momentane Ausnut­zung bestehender (oder noch zu schaffender) Potentiale der Organisation derEntscheidungsfindung ist. Es stellt sich jedoch die Frage, ob allein durch dieInformationstechnik eine solche Reorganisation ermoglicht wird (und somitdie bisherige Form der Fiihrung nur an unzureichenden Instrumenten "ge­scheitert" ist) oder ob die Fokussierung des Forschungsgebiets Organisation(-sentwicklung) vielleicht prinzipiell revidiert werden muB.

Wir werden sehen, daB sich die Lehre des Informationsmanagements nichtallein auf die Informationstechnik, sondern vielmehr auf die Modellierungvon Daten, Prozessen und Kommunikationsbeziehungen, die den Ubergangzur softwaretechnischen Realisierung manifestieren, sowie auf eine geeigneteIntegration von TransaktionsdatenverfUgbarkeit und Planungsfunktionalitatkonzentrieren sollte. Die oft angefiihrten Rahmenbedingungen fiir das Ma­nagement der kommenden Jahre benotigen (formale) Modelle , urn die Kom­plexitat zu beherrschen, die mit der informationsbasierten Vernetzung vonUnternehmen - bei gleichzeitig steigender Divisionalisierung oder Dezentra­lisierung - entsteht. Auch ist ein Informationsmanagement zur Umsetzungschneller Innovationsfolgen (in Produkte und Verfahren) unabdingbar. Zudiesen Modellen gehoren neben Daten- und Wissensmodellen, die originar mitdem Begriff Information im Zusammenhang stehen, auch Modelle von Kom­munikationsstrukturen und Modelle iiber Prozesse und Verfahrensablaufe imUnternehmen. Diese Modelle bergen Informationen iiber das Unternehmen,bieten gegebenenfalls Analysemoglichkeiten und stellen die Basis fiir die Ge­staltung von Softwaresystemen dar.

Wir ordnen das Informationsmanagement in die Betriebswirtschaftslehreein, allerdings nicht als Teilgebiet der Unternehmensfiihrung, sondern als ei­genstandigen Bereich. Urn Studierenden (und allen anderen Lesern) etwas andie Hand geben zu konnen, das iiber Beschreibungen der strategischen Be­deutung der Informationstechnik (und deren Planung) hinausgeht, versuchenwir, Verfahren (auch auf operativer Ebene) anzusprechen und (vor allem)jeweils den Bezug zu benachbarten Disziplinen zu schaffen. Dies erscheintaufgrund des breit gefacherten Aufgabenspektrums des Inforrnationsmana­gements nicht nur sinnvoll, sondern erforderlich. Wir teilen die Kritik vonKrcmar (2000), daB die meisten Ansatze zur Beschreibung des Aufgabenfel­des (und die daraus resultierenden Lehrbiicher) im deutschsprachigen Raumden Eindruck langer Listen mit iibergestiilpter Gliederung erwecken.

Da wir das Informationsmanagement in die Betriebswirtschaftslehre ein­ordnen, werden in diesem Kapitel die wesentlichen Begriffe vorgestellt. Hier

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4 1. Einleitung

ist es notwendig, zunachst vom zentralen Begriff der betriebswirtschaftlichenPlanung auszugehen. Jegliche Planung, die in einem engen Zusammenhangmit dem EntscheidungsprozeB steht, beruht auf impliziten oder explizitenInformations- und Entscheidungsmodellen. Die Grundlagen in diesem Be­reich sol1en im folgenden Abschnitt erlautert werden .

Auf der Basis dieser Begriffe kann dann eine fiir die Betriebswirtschafts­lehre relevante Definition fiir Information angegeben werden. 1m Abschnitt1.2 solI der Zusammenhang zwischen Entscheidungsmodell , Information undWissen verdeutlicht werden ." Den AbschluB des einleitenden Kapitels bildetein Abschnitt iiber den weiteren Aufbau des Buches .

1.1 Planung, Modelle und Entscheidungen

Unter Planung versteht man die geistige Vorwegnahme zukiinftiger Hand­lungsalternativen, deren Bewertung anhand zu verfolgender Zielsetzungenund die dementsprechende Auswahl einer oder mehrerer zu realisierenderAlternativen (Losungen). Planung dient somit der Entscheidungsvorberei­tung und -findung. Bei der Planung wird auf systematische Weise versucht ,ein Problem durch Abstraktion, d.h. durch Beschrankung auf wesentlicheProblemmerkmale, und durch eine moglichst gute Prognose zukiinftiger Ent­wicklungen zu analysieren bzw. zu losen; vgl. z.B. Domschke et al. (1997).

Jede Planung entsteht durch eine Differenz zwischen einem Istzustandund einem angestrebten Sol1zustand. Durch Planung solI versucht werden,den Sol1zustand mit moglichst geringem Ressourcenverbrauch zu erreichen ;vgl. Adam (1996) . Wir unterscheiden hierfiir zunachst zwischen Problem undAufgabe. Ein Problem kann durch einen unerwiinschten Anfangszustand Aund einen erwiinschten Endzustand E gekennzeichnet sein. Es gibt aber Bar­rieren, die die Transformation von A nach E verhindern.

Eine Aufgabe ist im Gegensatz dazu reproduktiver Natur, d.h . es sindbekannte Mittel auf bekannte Weise einzusetzen, urn den klar definiertenund erwiinschten Endzustand zu erreichen. Die Notwendigkeit fiir eine echteEntscheidung ist hingegen nur gegeben , wenn auch ein Problem vorliegt .

Manko der Definition des Problembegriffs ist, daB ein "gewiinschter End ­zustand" oftmals nicht formulierbar ist und verschiedene Losungsalternativenzu unterschiedlichen Endzustanden fiihren konnen. Eine Klassifikation ver­schiedener Problemarten findet sich bei Ackoff (1974) bzw. Ackoff (1979).Er unterscheidet zwischen Puzzles (Puzzlespiel) und Messes (Durcheinan­der oder Chaos, vollkommen unstrukturierte Probleme). Pidd (1996) erwei­tert diese V nterteilung urn Problems (Probleme), die zwischen den beidenExtrempunkten liegen. Eine Vnterscheidung erfolgt anhand der (generel­len) Ubereinstimmung iiber die Problemformulierung und der (generellen)Ubereinstimmung iiber die Losung (vgl. Tab. 1.1).

4 Eine weitergehende Betrachtung von Informations-, Kommunikations- und Ent­scheidungsmodellen findet sich im Kapitel 2.

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1.1 Planung, Modelle und Entscheidungen 5

ProblemformulierungLosung

PuzzlesUbereinstimmungUbereinstlmmung

ProblemsUbereinstimmungdiskutierbar

Messesdiskutierbardiskutierbar

Tabelle 1.1. Puzzles, Problems, Messes; nach Pidd (1996)

Puzzles sind dadurch gekennzeichnet, daB fiir diese Probleme genau einerwiinschter Endzustand existiert. Dies entspricht der oben gegebenen Defini­tion fur ein Problem. Zu diesen Problemen zahlen z.B. Mathematikaufgaben.Der Entscheider kann allerdings unterschiedliche Wege beschreiten, urn zueinem Ergebnis zu gelangen. Dadurch, daB nicht alle Wege (direkt) zu einerLosung fiihren oder keine zulassige Losung existiert, konnen bereits Vertre­ter dieser Problemklasse sehr kompliziert sein. Das Operations Research alsWissenschaftsdisziplin beschaftigt sich (momentan) weitestgehend mit dieserArt von Problemen.

Zur Klasse der Problems gehoren die Probleme, fur die die Korrektheiteiner Losung nicht definitiv bestimmt werden kann. Als Beispiel soll folgen­des Problem dienen: "Wieviele Mitarbeiter eines Help Desks" benotigen wir,urn alle Anfragen der zu betreuenden Abteilungen rechtzeitig beantwortenzu konnen?" In dieser Problemstellung miissen vollkommen unterschiedlicheAspekte im EntscheidungsprozeB betrachtet werden. Es hangt jetzt von der(expliziten) Formulierung des Problems ab , welche dieser Aspekte des Pro­blems Beriicksichtigung finden. Eine Formulierung ware z.B.: "Unter der An­nahme, daB die Qualifikation der Mitarbeiter und die Anzahl der zu betreu­enden Abteilungen konstant bleiben, wieviele Mitarbeiter eines Help Desksbenotigen wir, urn eine Bearbeitung aller Anfragen innerhalb eines verein­barten Zeitfensters von 30 Minuten zu garantieren?"

Durch diese Spezifizierung (Transformation) des Problems erhalt manim Grunde ein Puzzle, fiir das moglicherweise eine optimale Losung ange­geben werden kann. Es existieren aber auch andere, ahnliche Problemfor­mulierungen, die zu anderen Losungen fiihren konnen. Dieser ProzeB derTransformation erlaubt natiirlich erst, bekannte (oder zu modifizierende)Losungsverfahren (z.B. aus dem Operations Research) auf neue , speziellereProbleme anzuwenden.

Messes sind dadurch gekennzeichnet, daB eine Reihe von moglichen De­finitionen und Beschreibungen angegeben werden konnen und Unklarheitdariiber besteht, ob iiberhaupt eine Losung existiert. Hier sind verstarktInterdependenzen zwischen Teilproblemen zu beachten. Messes konnen alsSystem von Problemen verstanden werden; vgl. hierzu Pidd (1996). Fur dieProblemanalyse bzw. -formulierung ist es daher von graBter Bedeutung, nicht

5 Ein Help Desk ist eine organisatorische Instanz zur Bewaltigung von Proble­men bei Nutzung spezieller Systeme, z.B. Softwareanwendungen, oder techni­scher Produkte; vgl. z.B. Jagodic und Ungerer (1998) .

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6 1. Einleitung

nur Teilaspekte zu erkennen (und zu formulieren), sondern auch die Interde­pendenzen zwischen den einzelnen Teilproblemen. Eine Analogie zu dieserKlassifikation findet sich in der Unte rte ilung in eine st rategische, takt ischeund operative Planung. Idealisiert setzt sich die st rategische Planung mitMesses auseina nder und definiert aus diesem System von Problemen relevanteProblems fur die taktische Planung. Der Ubergang zu Puzzles ents pricht danndem Uberga ng von der taktischen Pl anung zur operativen Planung.

Fur alle Eb enen der Planung sind aber immer die komplexen Zusam­menhange in einem geschlossenen System und die Zusammenhange mit derAuBenwelt zu berficksichtigen, urn alle Auswirkungen einer Entscheidung zuerfassen.

Unte r einem System wird im allgemeinen eine geordnete Gesamtheitvon zueinander in Beziehung ste henden Elementen verst and en. Nach derVielfaltigkeit kann zwischen einfachen und komplexen Systernen unterschie­den werden. Komplexe Systerne sind durch eine groBe Anzahl an Elementenund Beziehungen gekennzeichnet. Weiterhin lassen sich nach der Veranderungim Zeitverlauf statische und dynamische Systeme unterscheiden. GemaB derVerbindung zur Systemumwelt wird schlieBlich noch zwischen offenen undgeschlossenen Syst emen unterschieden. Offene Syst eme sind dur ch eine inter­akt ive Beziehung zum Umsystem gekennzeichnet.

Informationssysteme (IS) bezeichnen wir speziell als Mensch-Maschine­Syst eme. Korrekt ware der Begriff Informations- und Kommunikationssy­stem; wir beschranken uns (in Anlehnung an die Literatur) aber auf denkiirzeren Begriff, da sich Information und Kommunikation gegenseitig be­dingen (vgl. Heinr ich (1999), S. 7). In der Organi sationsth eorie wird vondem einen Informationssystem ausgegangen, welches die Aufgaben der Pla­nung, Steuerung und Kontrolle erfiillt . Aus dieser Sichtweise kann das be­triebliche Geschehen auch als komplexes Geflecht von Willensbildungs- undWillensdurchsetzungsprozessen (Entscheidungen und Entscheidungsprozes­sen) interpretiert werden. Eine Dar stellung des Unte rnehmens als dynami­sches, offenes und komplexes System von Entscheidungsinstanzen ist somitsinnvoll.

Die Planung erfordert vernetzt es und ganzheitl iches Denken und muf alleBereiche des Unternehmens und deren Beziehungen zueinand er abbilden undkoordinieren (Adam (1996), S. 3). Der PlanungsprozeB laBt sich in folgendeSchritte unterteilen:

1. Erkennen von (Entscheidungs-) Problemen und Zerlegen in handhabbareTeilprobleme (Problemanalyse)

2. Setzen von Zielen (Zielbildung) unter Beachtung iibergeordneter Unter-nehmensziele

3. Alternativensuche4. Prognose zukiinftiger Erwar tungen und Datenermi ttlung5. Bewertung und Auswahl von Alte rnativen

Page 7: Informationsmanagement || Einleitung

1.1 Planung, Modelle und Entscheidungen 7

Bei der zur Beherrschung der Komplexitat erforderlichen Zerlegung inEinzelprobleme ist zu beriicksichtigen, daf die Interdependenzen zu ande­ren Problemen innerhalb der Messes transparent bleiben. Hier ist eine Do­kumentation der Annahmen und Schnittstellen zu anderen Problemen bzw.Modellen erforderlich.

Der ProzeB der Abstraktion eines Problems, einschlieBlich der Definitionvon Modellannahmen (Pramissen), kann als ModellierungsprozeB verstandenwerden. Ein Modell ist eine vereinfachende und abstrahierende DarsteHungeines Realitatsausschnitts, anhand dessen die jeweils relevanten Eigenschaf­ten eines Originals erkannt, verstanden und analysiert werden k6nnen. DieModellierung (im Sinne einer Strukturierung) ist notwendig, urn Problemeund Sachverhalte iiberhaupt greifbar zu machen und urn zu Entscheidungengelangen zu konnen .

In diesem Zusammenhang ist es sinnvoll, den Begriff der Kornplexitatnoch einmal zu betrachten. Biedenkopf (1994) unterscheidet zwischen Kom­plexitat und Kompliziertheit . Die Kornplexitat ist immer systembedingt, d.h.eine Eigenschaft des Systems, und die Art der Modellierung bestimmt dieKompliziertheit des Systems. So konnen einfache Systeme durch eine kom­plizierte Darstellung komplex erscheinen. Da ein Ziel des Modellierens dasm6glichst einfache Verstehen und Gestalten eines gegebenen Sachverhaltsbzw. Systems ist, sollte das entsprechende Modell moglichst unkompliziertsein. Ein adaquates Modell ist demnach dadurch gekennzeichnet, daB alle(problem-) relevanten Elemente dargestellt sind, wobei das Modell moglichsteinfach zuganglich ist oder zumindest die Illusion des Einfachen erweckt .Hier ist weiterhin anzumerken, daB effizienter modelliert werden kann, wenndem Modellierer einfache, aber machtige Methoden und Werkzeuge zur Dar­steHung eines komplexen Realitatsausschnitts zur Verfiigung stehen. Durchsolche Werkzeuge konnen somit auch Entscheidungen und Entscheidungspro­zesse unterstiitzt werden.

Eine Entscheidung ist ein kognitiver ProzeB mit dem Ziel der Auswahl undRealisation einer Handlungsalternative aus mindestens zweien. Entscheidun­gen werden Ld.R. unter Unsicherheit getroffen , d.h. eine Handlungsalterna­tive ist mit einem Risiko behaftet, dem ein bestimmtes Ergebnis gegeniiber­steht. Der EntscheidungsprozeB ist analog zum PlanungsprozeB durch vierPhasen gekennzeichnet, die Problemidentifikation, die Problemanalyse undProblemformulierung, die Phase der Entwicklung von Losungsmoglichkeitenund Handlungsalternativen und die abschlieBende Phase der Bewertung, desVergleichs und der Auswahl. Je hoher die Ebene in der Unternehmenshier­archie ist, auf der Entscheidungen gefallt werden , desto grofer ist Ld.R. dieBedeutung (und das Risiko) fiir das Gesamtunternehmen.

Die Frage nach Entscheidungsinstanzen und Entscheidungshierarchien in­nerhalb des Unternehmens fiihrt zum Begriff Management. Dieser Begriffwird in der Literatur nicht einheitlich definiert, es wird aber iiblicherweiseeine institutionale und eine funktionale Betrachtungsweise unterschieden.

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8 1. Einleitung

In der institutionalen Betrachtung (gemaf des institutionalen Organisati­onsbegriffs) werden alle Personen eines Unternehmens, die eine Leitungsfunk­tion ausiiben, dem Management zugerechnet. Eine Unterscheidung erfolgthier beziiglich der Organisationshierarchie:

• Top Management (Ld.R. 1. und 2. Fiihrungsebene, z.B. Vorstand, Ge­schiiftsleitung, gegebenenfalls Bereichsleitung)

• Middle Management (Ld.R. 3. und 4. Fiihrungsebene, z.B. Fachbereichs­leitung und Abteilungsleitung)

• Lower Management (untere Fiihrungsebene, z.B. Gruppenleitung oderTeamleitung)

In der funktionalen Betrachtungsweise werden als Management alle zurSteuerung eines Unternehmens notwendigen Aufgaben und Tiitigkeiten be­zeichnet, die nicht allein ausfiihrender Natur sind. Dies bedeutet, daB we­sentliche Spezifikationen beziiglich der Ziele, Strategien, MaBnahmen undMittel vorzunehmen sind. Als Management kann das Treffen und Durchset­zen von Entscheidungen iiber die Verwendung bzw. Aufteilung von in eigenerVerfiigbarkeit befindlichen Ressourcen (Finanz- und Sachmittel, Personal, In­formationen) bei konkurrierenden Handlungsalternativen unter Beriicksichti­gung von EngpaBfaktoren durch Planung, Steuerung und Kontrolle bezeich­net werden . Vereinfacht dargestellt bedeutet funktionales Management dasTreffen von Entscheidungen (innerhalb eines definierten Kontexts, z.B. ineinem Unternehmen).

1.2 Information und Wissen

"Information ist Wissen in Aktion. " (Whoever was first)

"Between thought and expression lies a lifetime." (Lou Reed)

Im vorherigen Abschnitt wurde verdeutlicht, daB sich das Managementmit betrieblichen Entscheidungen befaBt. Ein Modell des Unternehmens, dasfiir die weiteren Betrachtungen wichtige Eigenschaften enthiilt, findet sichin Abb. 1.1. Die Organisation ist als die Menge aller Entscheidungsinstanzendargestellt, die sich wiederum aus Einzelentscheidern (dem Management) zu­sammensetzen. Das Unternehmen ist durch ein zielsetzendes System gekenn­zeichnet. Die Aufnahme dieses Zielsystems ist wichtig, da sich Entscheidungs­instanzen innerhalb des Unternehmens prinzipiell an diesem System orientie­ren sollen. Da (Einzel-) Entscheider aber wiederum ihr eigenes Zielsystembesitzen, was prinzipiell zu Zielkonflikten mit den Unternehmenszielen oderbei Gruppenentscheidungen zu gruppeninternen Zielkonflikten fiihren kann ,sind diese ebenfalls in das Modell aufgenommen. Entscheidungen entstehenim Umfeld dieser Zielsystem-Beziehungen.

Page 9: Informationsmanagement || Einleitung

1.2 Information und Wissen 9

Zielsctzendes SystemUnternehmensphilosophie, -ziele

,,,Zielkonflikte,

Organisation,,,~

if Entscheidungsinstanzen- - - - - - -

Entsche idungen und (mit eigencm Zielsystern)Entsche idungsproz esse I

..... . ... . . _. Einzelentscheider ,I

TMitglied einerEntscheidungs -

II instanz (mil eigenem IZielsystern)

bcziehen und erzeugen

Infonnationen(intern / extern)

Abbildung 1.1. Ein erstes Unternehmensmodell

Die Begriffe Daten, Information und Wissen in den Kontext von Planungs­bzw. Entscheidungspro zessen zu setzen , erfordert , Planung als Informati­onsverarbeitungsprozeB zu betrachten. Jede Planung geht von einem Satzvon Dat en aus (z.B. Absatzmoglichkeit en, Verkaufsp reise, Beschaffungsko­sten etc .).

Unter Daten versteht man eine Folge von Zeichen, iiber deren Bedeutungweitestgehend Konsens besteht , d.h, die verstanden werden konnen. Dat enkonnen also prinzipiell von einer Person aufgenommen werden.

Urn Entscheidun gen zu treffen, werden Eingangsdaten ben6tigt . Diesewerden von den Entscheidern bezogen und erzeugt, miissen aber nicht un­bedingt aus dem dargestellten Syst em selbst kommen, sondern k6nnen auchextern bezogen sein. Ob es sich bei den Dat en, welche eine Person aufnimmt ,urn Informationen handelt , hangt nun davon ab, ob sich diese fiir die Personals relevant erweisen. Wittmann (1959) definiert Informat ionen als zweckori­ent iertes Wissen, dessen Zweck in der Vorb ereitung und Durchfiihrung vonHandlungen und Entscheidungen liegt . Wir modifizieren diesen Begriff, indemwir den ProzeBdes Verstehens der Daten , d.h . das Erkennen der Relevan z, dasnicht objekt iv gegeben ist , einbeziehen. Informationen dienen dazu, zweckori-

Page 10: Informationsmanagement || Einleitung

10 1. Einleitung

entiertes Wissen zu bilden. Wissen ist die Grundlage jedes wirtschaftlichenHandelns und Entscheidens.f

Wissen kann als Kenntnis von Sachverhalten (Mustern) oder als Bewufit­sein entsprechender Denkinhalte definiert werden." In der Literatur findetman oftmals eine Unterscheidung in implizites (tacit Knowledge) und expli­zites Wissen . Der Unterschied liegt darin, daf explizites Wissen artikuliertist, d.h. eigentlich kann nur explizites Wissen zur Information werden. Indiesem Zusammenhang definiert von Hippel (1994) auch die Stickiness einerInformation als den erforderlichen Aufwand, urn diese Information an denEmpfangerort in einer fiir den Entscheider nutzbaren, d.h . direkt verarbeit­baren Form bereitzustellen.

Eine weitere Unterscheidung findet sich in der Klassifikation von de­klarativem ("wissen, was") und prozeduralem Wissen ("wissen, wie"). Dienatiirliche Sprache ist zum GroBteil deklarativ, wahrend die (psychologische)Reprasentation von Wissen des Menschen prozedural ist . Es ist zwar ten­denziell moglich, deklaratives Wissen prozedural und vice versa darzustellen,aber es ist meist iiberaus kompliziert, wenn nicht unm6glich, prozeduralesWissen verbal auszudriicken, z.B. zu beschreiben, wie eine Krawatte zu bin­den ist, wie man schwimmt, wie man (perfekt) tanzt oder wie man lauft(Diaper (1989), S. 42 f.). Vereinfacht ausgedriickt nimmt der Mensch Infor­mationen deklarativ auf, nach der Verarbeitung erfolgt die Speicherung aberzunehmend prozedural, so daf der Mensch irgendwann kaum noch imstandeist, sein Wissen iiber ein bestimmtes Gebiet auszudriicken. Nonaka (1992)unterscheidet vier Typen der Wissenserzeugung:

1. Von implizit zu implizit (durch Beobachtung oder Nachahmung)2. Von explizit zu explizit (z.B. durch Zusammenfassung von gesammelten

Informationen aus dem Controlling zu einem Finanzbericht)3. Von implizit zu explizit (durch Beschreibung, Definition}"4. Von explizit zu implizit (durch Verinnerlichung, Speicherung als proze­

durales Wissen)

Informationen entstehen immer aus Wissen und konnen unter Verwen­dung vorhandenen Wissens zur Vermehrung des Wissens (anderer) fiihren .Bode (1997) definiert Informationen als Wissensbestandteile, die in Formmenschlicher Sprache reprasentiert sind. Wissen sollte aber nicht als Ober­menge von Informationen verstanden werden, da diese Sichtweise den sub-

6 In der Volkswirtschaftslehre ist Wissen eine Ressource, nicht jedoch die zwarzur Verfiigung stehenden, aber noch zu verarbeitenden Informationen; vgl. z.B .Cezanne (1993).

7 Vgl. z.B. Pfeiffer (1990) sowie Amelingmeyer (2000) fiir eine weiterfiihrende Dis­kussion des Wissensbegriffs.

8 Hierbei ist anzumerken, daf die Stickiness entsprechender Informationen durchdiesen Ubergang i.d .R. reduziert wird , insbesondere wenn die explizite Form ingeeigneter Weise kodiert wird; vgl. von Hippel (1994) .

Page 11: Informationsmanagement || Einleitung

1.2 Information und Wissen 11

jektiven Charakter des Wissens , d.h. die individuellen Unterschiede der Wis­senstrager auBer Acht lassen wiirde .

Versteht man wiederum das Handeln als EntscheidungsprozeB, und dasist innerhalb der Betriebswirtschaftslehre sinnvoll , so konn en Daten als In­formationen verstanden werden , wenn diese als Eingangsdaten in ein Ent­scheidungsmodell eingehen (konnen). Alle Kennzahlen des Controlling sindsomit Informationen, da hier der Bezug zu (expliziten) Entscheidungsmodel­len vorliegt.

Die Sichtweise , Informationen als Eingangsdaten zu verstehen, nach derenVerarbeitung neue Informationen entstehen, fiihrt zum Begriff des Informa­tionsproduktionsprozesses (vgl. Abb . 1.2), in dem Information einen Produk­tionsfaktor" darstellt . In Informationsproduktionsprozessen kann die Verar­beitung in die folgenden Formen unterschieden werden:

• Translation (Wechsel der Beschreibungssprache ohne Veranderung des In-halts)

• Transmission (Wechsel des Tragermediums)• Transport (Uberbriickung von Raum und/oder Zeit)• Transformation (inhaltliche Veranderung)

Translation, Transmission und Transport konnen weitestgehend durch dieIT unterstiitzt bzw. automatisiert werden , besitzen aber keinen direkten Be­zug zu Entscheidungsprozessen. Allein die Transformation hat diesen Be­zug zur Entscheidungsfindung, wobei hier (in Analogi e zur Unterscheidungvon Aufgaben und Problemen) zwischen Routinetransformationen (Aufga­ben) und innovativen Transformationen (Problemen) unterschieden werdenkann ; vgl. Bode (1993), S. 101 ff., oder Schwarze (1998) , S. 35. In Abb. 1.2werden diese beiden Arten der Transformation explizit unterschieden, wobei"echte" Entscheidungssituationen immer innovative Transformationen ver­langen und Routinetransformationen tendenziell automatisierbar sind.

Adam (1996) unterscheidet im Kontext der Planung Anregungsinforma­tionen und Entscheidungsinformationen. Unter Anregungsinformationen sindalle Informationen subsumiert, die signalisieren, daB ein Problem vorliegt.Entscheidungsinformationen beinhalten Informationen tiber die Ziele, die mitder Losung verfolgt werden , Informationen tiber Handlungsalternativen sowieInformationen tiber die okonomisch relevanten Konsequenzen von Entschei­dungen.

Szyperski (1990b) unterscheidet weiterhin deskriptive Informationen (Tat­sachen, Erklarungen, Konzepte, Modelle) , priiskriptiue Informationen (Nor­men, Anweisungen, Vorschriften, Werturteile, Sollvorgaben) und nomologi-

9 Produktionsfaktoren lassen sich in Verbrauchsfaktoren (zum Verbrauch be­stimmte Betriebsmittel, Be- und Verarbeitungsobjekte und Zusatzfaktoren), Po­tentialfaktoren (dispositive und objektbezogene Humanarbeit sowie Betriebsmit­tel) und Informationen unterscheiden; vgl. z.B. Kern (1992). Schwarze (1998)stellt verschiedene Moglichkeiten dar, Informationen als Produktionsfaktor inProduktionsfunktionen zu integrieren .

Page 12: Informationsmanagement || Einleitung

12 1. Einleitung

InfonnationsproduktionsprozeB

InfonnationsfluBals Ergebnis von lnformationsproduktionsprozessen

Abbildung 1.2. Informationsproduktionsprozesse

sche Informationen (Theorien, Technologien). Informationen k6nnen beziig­lich der beteiligten Instanzen symmetrisch oder asymmetrisch verteilt sein.Das Unternehmensziel des Wissensvorsprungs beinhaltet auch die Forderungnach einer asymmetrischen Informationsverteilung zugunsten des eigenen Un­ternehmens. Informationen liegen vollstandig oder unvollstandig, intern oderextern vor und k6nnen sieher oder unsicher sein.

In expliziten Entscheidungsmodellen sind zwar aile Eingangsdaten Infor­mationen, es bleibt aber zu beachten, daB Wissen (auch iiber das anzuwen­dende Entscheidungsmodell oder die Idee, auf deren Basis eine Informationals Variable im EntscheidungsprozeB erkannt wurde) und nieht Informationan sich die Grundlage jeglichen wirtschaftlichen Handelns (Entscheidens) ist.

Eine Schwachstelle des skizzierten Unternehmensmodells (vgl. Abb. 1.1,S. 9) ist somit, daB die Informationsverarbeitung der Entscheidungsinstanzenden Anschein einer Processing Unit erweckt: Daten einlesen - Entscheidungtreffen - Ergebnis ablegen , die Verarbeitung also einen statischen Charak­ter besitzt. Ergebnisse dieser Entscheidungsprozesse werden natiirlich niehtprimar extern abgelegt, sondern bleiben (in noch viel starkerer Weise) Teil desWissens des Entscheiders. Hat eine Person zum Beispiel fiir die Entscheidungein neues L6sungsverfahren entwiekelt, so hat sie ihr Wissen erweitert , d.h.sie hat gelernt. Dieser ProzeB des Lernens kann in bezug zu dem BegriffsfeldInformation gesetzt werden . In Abb . 1.3 suggeriert die Pyramide, daB aus vie-

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1.2 Information und Wissen 13

len Daten einige Informationen gewonnen werden, aus denen wiederum (imUmfang weniger) Wissen gewonnen werden kann . Die letzte Stufe, Weisheit ,wird durch das Verstehen von Prinzipien erreicht und ist durch den gering­st en (Daten-) Umfang gekennzeichnet. Den (eventuell suggerierten) Prozefder Inforrnations-, Wissens- und Weisheitsgewinnung als reinen Aggregations­mechanismus (iiber Daten) zu betrachten, ist allerdings unzureichend (undsolI mit der Abbildung auch nicht impliziert werden) .

j WissenIC- Information

Daten

Abbildung 1.3. Informationspyramide

Der LernprozeB, wie er in Abb. 1.4 (vgl. hierzu auch Zahn (1997) undBellinger (1998)) abgebildet ist, impliziert keine Reduktion, sondern gegen­teilig eine standige Anspruchsvermehrung an die beteiligte Person. Es ist re­lativ einfach , eine Menge Daten zu erzeugen und diese (zusammenhangslos)zu lesen. Aus Daten Informationen zu gewinnen - im Sinne einer Entschei­dungsunterstiitzungsfunktion - , gestaltet sich hingegen bereits schwieriger,insbesondere wenn die Sammlung von Informationen nicht vom Entscheiderselbst durchgefiihrt wird . Hierzu ist es notwendig, Relationen zwischen Da­ten zu erkennen und zu systematisieren (Connectedness). Das Erkennen bzw.die Definition einer solchen Relation kann als Entscheidungsgrundlage (Mo­dell) interpretiert werden . Die explizite Definition der Relationen zwischenSachverhalten kann gegebenenfalls die notwendigen Daten erst transparentmachen, d.h. Entscheider und Informationssammler miissen eigentlich dasgleiche Entscheidungsmodell vor Augen haben. Dies ist ein zentrales Problemder Datenakquisition, das sich von Entscheiderseite in der haufig geaufiertenKritik widerspiegelt , "jede Menge Daten, aber nie die richtigen" zu haben.

Das Verstandnis von Zusammenhangen (Mustern) obliegt nun aber al­lein dem Entscheider. Keine unterstiitzende Instanz des Informationsmana­gements besitzt die Moglichkeit , auf dieser Ebene Wissen bereitzustellen.Beziige und Verstandnis fiir den betrachteten Weltausschnitt sind allein vonder Entscheidungsinstanz zu erreichen. Dies bedeutet, daf letztendlich der

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14 1. Einleitung

Grad derVerkniipfu ng(Connectedness )

---------------~---

'\ -1-\, Daten

\ /, ', ', ', '"

Verste hen vonPrinzipien

Versteh en von Mustem

Verstehen von Relationen

Verste hen(Understanding)

Abbildung 1.4. Von Daten zur Weisheit - Lernen

Entscheider tiber die adaquate Nutzung der bereitgestellten Informationenim Sinne einer Vermehrung seines Wissens verfiigt , Die letzte Stufe, die Weis­heit, erfordert ein vollstandiges Durchdringen eines Systems bzw. Entschei­dungsfeldes, d.h. alle Beziige und deren Implikationen miissen erkannt undverstanden sein.

Explizites Wissen (Muster) kann z.B. in Form von Regeln formuliert wer­den . Ein Ansatz ist, Weisheit mit Meta- Wissen, d.h. Wissen iiber die Gene­rierung, Verfugbarmachung und Integration von Wissen , gleichzusetzen; vgl.Zahn (1997). Meta-Wissen spiegelt sich dabei auch in der Fahigkeit zur Trans­formation von implizitem in explizites Wissen wider ; vgl. Nonaka (1992). Esist aber zu bedenken, daf das Wissen einer Person, einmal explizit formu­liert , nicht automatisch von anderen Personen (in der gleichen Form wie vonder ersten Person) genutzt werden kann - diese miissen die zugrundeliegen­den Daten (bzw. Informationen) wiederum verstehen, urn es anwenden zukonnen.!"

Aus Sicht der Modellierung findet eine standige, aber schrittweise Ver­feinerung des vom Entscheider konzipierten Modells (iiber einen gewissenWeltausschnitt) statt. Dies bedeutet, daB das Modell im Lernprozef standigerweitert wird. Bei Erreichen der Stufe der Weisheit konnen schlieBlich alleDaten, die auf der untersten Stufe liegen, im Modell verarbeitet werden , ohneUnsicherheit zu stiften.

10 Eine Ausnahme bilden die sogenannten Expertensysteme, deren Ansatz darinbesteht, explizit formulierte Regeln (eines Experten) so Zll kombinieren, daBausgehend von einer Menge Daten (das Problem) eine Losung automatisiert iibereine sogenannte Inferenzmaschine generiert wird . Diese Systeme finden haufig inDiagnoseproblemfeldern Anwendung; vgl. hierzu Kap. 8.3.

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1.2 Information und Wissen 15

Das eingangs aufgestellte Unternehmensmodell IaBt sich auf Basis dieserUberlegungen modifizieren. Der Aspekt der Zielkonflikte ist aus Griinden derUbersichtlichkeit in Abb. 1.5 nicht mehr dargestellt . Dafiir suggeriert unserModell nun , daB der Entscheider sein Wissen erweitert , urn Entscheidungenzu treffen . Der LernprozeB ist dabei auch abhangig vom iibergeordneten Ziel­system, den fiir den Einzelentscheider "erreichbaren" Informationen sowie derDauer bzw. der Kompliziertheit der Suche nach diesen Informationen.

(Neben-) Produkt der Entscheidungen sind eventuell neue Daten bzw.Informationen, die wiederum vom Entscheider bereitgestellt werden. DerAustausch von Informationen (in welcher Form auch immer) wird als Kom­munikation bezeichnet. Formal laBt sich Kommunikation als die Beziehungzwischen Menschen , Lebewesen, maschinellen Systemen oder Geraten be­zeichnen , die durch den Austausch von Nachrichten, die Informationen iiber­mitteln, entsteht. Bei der ("erfolgreichen") Kommunikation wird dariiber hin­aus (iiber Informationen) Wissen iibermittelt."!

Die Kosten der Kommunikation und Information im Rahmen von Ent­scheidungsprozessen werden als Transaktionskosten bezeichnet. Transakti­onskosten sind Kosten, die durch die Koordination wirtschaftlicher Akti­vitaten entstehen. Wallis und North (1986) haben in einer Studie den Anteilder Transaktionskosten am Bruttosozialprodukt der Vereinigten Staaten iiberden Zeitraum 1870 bis 1970 ermittelt und sind zu dem Ergebnis gekommen,daB der groBte Anteil des Volkseinkommens fiir Information und Kommuni­kation eingesetzt wird . Der Anteil ist in diesem Zeitraum von ca. 25% aufiiber 50% gestiegen. Eine wesentliche Zielsetzung des Managements bestehtalso darin , die Transaktionskosten, die durch Erfiillung der Management­aufgaben entstehen , moglichst gering zu halten. Diese Kost en sollen durchdas Informationsmanagement gesenkt werden . Potentielle Ansatzpunkte sindhier die wirtschaftliche Bereitstellung bzw. Moglichkeiten der Erzeugung vonAnregungs- und Entscheidungsinformationen sowie die Bereitstellung vonVerfahren (expliziten Entscheidungsmodellen) zur Erkennung und Struktu­rierung von Problemen. Die Informationsbereitstellung umfaBt dabei auchdie Planung der Kommunikationskanale,

11 In Abb . 1.5 wird die Kommunikation - und damit auch das Lernen - als Kreisdargestellt , impliziert also ein (realitatsnahes) System mit Riickkopplung. DieseAuffassung weicht von der des Lernprozesses ab , wie er in Abb . 1.4 als lineare,progressive Kausalkette dargestellt wurde. Argyris und Schon (1978) stell en indiesem Zusammenhang neben einem Single Loop-Lernen, das aus einem Kreis­lauf von Handlungen, Ergebnissen und Soll-Ist-Vergleichen besteht, auch einDouble Loop-Lemen dar, das zusatzlich Ziele (Handlungstheorien) in Lernpro­zesse integriert . Organisationales Lernen bedeutet in diesem Zusammenhang eineVeranderung der kollektiven Handlungstheorien, kann aber gleichzeitig auch alsVeranderung der organisationalen Wissensbasis verstanden werden; vgl. au chSenge (1996) , der lernende Organisationen durch die Beherrschung der Diszipli­nen Personal Mastery (Selbstfiihrung und Personlichkeitsentwi cklung} , gernein­same Denkmodelle und Visionen, Teamlernen sowie Systemdenken charakteri­siert.

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16 1. Einleitung

Zielsetzendes SystemUntemehmensphilosophie, -ziele

Organisation

Abbildung 1.5. Modifiziertes Unternehmensmodell

1.3 Aufbau des Buches

Urn die Inhalte des Informationsmanagements definieren und abgrenzen zukonnen, sind grundlegende Modelle der Information, Kommunikation, Ent­scheidung und deren Zusarnmenhange darzustellen (vgl. KapiteI2) . Diese Ma­delle und Ableitungen aus ihnen stellen die Basis fiir die Definition der Zieleund Aufgaben des Informationsmanagements dar, wie sie sich aus unsererBlickweise ergeben und im Kapitel 3 erlautert werden . Auch die Organisationdes Informationsmanagements, Informationsbetriebe und die Abgrenzung zuanderen Bereichen der Betriebswirtschaftslehre und zur Wirtschaftsinforma­tik werden in diesem Kapitel diskutiert.

In Abb. 1.6 sind die einzelnen Kapitel in ein Ebenenmodell des Informa­tionsmanagements nach Wollnik (1988) eingeordnet. Die Ebenen sind durchihre Nahe zur Informationstechnik definiert. Auf der obersten Ebene (desInformationseinsatzes) sind Entscheidungs- und Koordinationsprozesse rele­vant . Diese Ebene definiert Anforderungen an die darunterliegenden Ebenen,die ihrerseits wiederum Untersttitzungsleistungen fiir die hoheren Ebenen de­finieren.

Urn Anforderungen der obersten Ebene "greifbar" zu machen, ben6tigtman Verfahren zur Analyse und Darstellung (Modellierung) der Bedarfe .Hiermit beschaftigen sich die Kapitel 4 und 5. Die Vermittlung von Kenntnis­sen tiber die (unternehmensweite) Modellierung von Datenbestanden, Infor-

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1.3 Aufbau des Buches 17

mationsfliissen, Kommunikationsstrukturen sowie Prozessen halten wir ins­besondere fiir die Ausbildung von Informat ionsmanagern sowie Wirtschafts­informatikern und -ingenieuren fiir grundlegend . Dariiber hinaus sind da­mit auch Studierende z.B. der Betriebswirtschaftslehre oder der Mathematikmit entsprechenden Vertiefungsbereichen bzw. Interessen angesprochen. AufDat en- und ProzeBmodellen setzt neben der Konzeption von Datenbankenund Informationssystemen auch die Analyse von Prozessen in Hinblick aufeine (Teil-) Automatisierung der Prozesse auf. Konzepte zur Modellierungwerden aber auch deshalb an den Anfang der weiteren Ausfiihrungen gestellt,urn fiir die Bedeutung des Systemdenkens zu sensibilisieren.

(Einzel) - Koordination von Ent- Grundlagen vonGrundlagendcrNeucn

Entseheidungen scheidungen I Prozessen Emscheidungen.lnstiturionsokc nc mik , i--*

(auchorgani satori sche Entscbe idungsprozessen,Kapitel 2

Veriinderungen) Kaoitel2

,.Information s- und Infcrroarionsp lanung .

Unternehmens-Kommunikations- Methodender Infonnations- ~ mcdellierung,Unter- bedarfe Unter- bedarfsanalyse undw esens-stti tzung stiitzung okcui s ition Kaoire l 4

Kopite l 5

Segrier. Zie le.

w lssen smaregemenr Kommunikation undAufgaben

undInformations- und Kommurukation ssysteme

(~1Jlnagement Support- fto Koordina tionOrganisation

(Management Suppon-Systeme , wissensbasierteSysteme. DataMining. (CSCW, org aniso to - des

Wissensbesierte rische VerinderungJ.Systeme, Groupware-Applikationen)

Systeme), Kao itel 8 Kaoit el s lnfortnations-(DatenbankenOl.Ap. DataWarehouse-Konzept.

'"managements ,

Informatio n Retrieval-Systeme) Kapitel JDatenmanagement

(Data Warehouse. OLAP.lnfonnalionRetrieval.juformati onsto gistik), Kapitel 7

Unter- Anforderungen an die Unter-stiitzung unterlagerten Systeme stiitzung

IT- Infrastruktur IT..lnfrastruktur..Management, r(Rechner, Netzwerke, EDI) Kapit el 6

Abbildung 1.6. Aufbau des Buches

Der Abb. 1.6 ist zu entnehmen, daB wir nach der Einfiihrung in die Model­lierung auf der untersten Ebene beginnen und die Aufgaben des Informations­managements (im Sinne einer Unterstiitzung) in einem "Bottom Up"-Ansatzdiskutieren. Im Kapitel 6 gehen wir kurz auf das Management der Informat i­onstechnologie-Infrastruktur ein. Diese bildet die Basis fur die Speicherungund Bereitstellung von Daten. Neben der Entwicklung im Hardwarebereichund der Internet-Technologie solI hier auch die Mobilkommunikation mit ih­rer Bedeutung fur das Informationsmanagement thematisiert werden .

Das folgende Kapitel 7 befaBt sich mit einigen Grundlagen aus dem Be­reich der Datenbanksysteme und, darauf aufsetzend, mit dem Konzept desData Warehouse. Neben diesen formatierten Datenbanken wird hier auchdie Suche in quasi unformatierten Datenbest iinden (Information RetrievaO

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18 1. Einleitung

vorgestellt . Die Informationslogistik als integraler Bestandteil des Inforrnati­onsmanagements wird ebenfalls in diesem Kapitel behandelt.

Nach der Betrachtung von (statischen) Daten wird im Kapitel 8 auf diedrei Bereiche Entscheidungsunterstiitzung, Lernunterstiitzung und automa­tisierte Entscheidungsfindung eingegangen (als mogliche Bereiche eines Wis­sensmanagements). Hierbei werden neben der Klassifikation unterschiedlicherSysteme auch Verfahren des Data Mining vorgestellt .

Das Kapitel 8 setzt sich weitestgehend mit der Unterstiitzung von Ein­zelentscheidungen auseinander. Im Kapitel 9 werden daher (aus funktionalerSicht abschlie13end) Moglichkeiten diskutiert, Gruppenentscheidungsprozessezu unterstiitzen. Auch werden in diesem Kapitel unterschiedliche Organisa­tionskonzepte vorgestellt , die durch die 1nformationstechnologie errnoglichtwerden.