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lnfrarotspektroskopische Untersuchung von Quecksilber(ll)-Hydrazin-halogeniden Von KLAUS BRODERSEN &lit 6 Abbildungen Inhaltsiihersieht Es wird versucht, aus den Infrarotspektren der Anlagerungsverbindungen, [Hg(N,H4)2]C1,, [Hg(N,H,)]Cl, und [Hg(N,H,)]Br, die raumliche Anordnung der NH,- Gruppen der Hydrazinrnolekel zu ermitteln. Mit Sicherheit kann das Vorliegen der reinen trans-Form ausgeschlossen werden. Die Substitutionsverbindung [Hg2N,H,]CI, enthalt auf Grund der Untersuchung (auch der entsprechenden deuterierten Verbindung) die beiden NH-Gruppen jeder Hydrazinmolekel in cis-Form. 1. Zusammenhang und Fragestellung Quecksilber(I1)-halogenide bilden mit Ammoniak Anlagerungs- verbindungen, [Hg(NH,),J X,, und Substitutionsverbindungen, z. B HgNH,X (X = C1, Br oder J). Die Bestimmung der Konstitution dieser Verbindungen auf rontgenographischem l- 6, und infrarotspektroskopi- schern Wege 7) hat, eindeutig ergeben, dafi in den Diammoniakaten, [Hg(NH,),]X,, isolierte, lineare Gruppen H,N--Bg-NH, und in den Amidoverbindungen, HgNH,X, laiige Ketten [-Hg-NH,-1, vor- liegen. In diesen Substanzen ist vierbindiger Stickstoff durch tetrs- edrisch gerichtete sp3-Bindungen mit den Hg- bzw. H-Atomen verknupft . Die Halogene sind als Anionen vorhanden. Auch mit Hydrazin bilden die &uecksilber( 11)-halogenide Anln- ~er.ungsverbindungen, [Hg(N,H,),] X, urid 1 Hg(N,H,)]X,, und Sub- stitutionsverbindungen, [Hg,N,H,]X,. Nur die Chloride koniien re in 1) C. H. MACGILLAVRY u. J. M. BIJVOET, Z. Kristallogr., Mineralog. Petrogr., Abt. A ,) W. N. LIPSCOMB, Acta crystallogr. [London] 4, 266 (1951). 3) W. RUDORPF u. K. BRODERSEN, Z. Naturforschg. 7b, 56 (1952); Z. anorg. allg. 4, L.NIJSSEN u. W. N. LIPSCOMB, Acts crystallogr. [Copenhagen] 5, 604 (1952). 5) K. BRODERSEN u. W. RUDORFF, Z. anorg. allg. Chem. 275, 141 (1954). 6) C. M. DEELEY u. R. E. RICHARDS, J. chein. SOC. [London] 1984, 3697. 7) K. BRODERSEN u. H. J. BECHER, Chein. Ber. 89, 1487 (1956). 94, 240 (1936). Chem. 270, 145 (1952).

Infrarotspektroskopische Untersuchung von Quecksilber(II)-Hydrazin-halogeniden

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lnfrarotspektroskopische Untersuchung von Quecksilber(ll)-Hydrazin-halogeniden

Von KLAUS BRODERSEN

&lit 6 Abbildungen

Inhaltsiihersieht Es wird versucht, aus den Infrarotspektren der Anlagerungsverbindungen,

[Hg(N,H4)2]C1,, [Hg(N,H,)]Cl, und [Hg(N,H,)]Br, die raumliche Anordnung der NH,- Gruppen der Hydrazinrnolekel zu ermitteln. Mit Sicherheit kann das Vorliegen der reinen trans-Form ausgeschlossen werden. Die Substitutionsverbindung [Hg2N,H,]CI, enthalt auf Grund der Untersuchung (auch der entsprechenden deuterierten Verbindung) die beiden NH-Gruppen jeder Hydrazinmolekel in cis-Form.

1. Zusammenhang und Fragestellung

Quecksilber(I1)-halogenide bilden mit Ammoniak Anlagerungs- verbindungen, [Hg(NH,),J X,, und Substitutionsverbindungen, z. B HgNH,X (X = C1, Br oder J). Die Bestimmung der Konstitution dieser Verbindungen auf rontgenographischem l- 6, und infrarotspektroskopi- schern Wege 7) hat, eindeutig ergeben, dafi in den Diammoniakaten, [Hg(NH,),]X,, isolierte, lineare Gruppen H,N--Bg-NH, und in den Amidoverbindungen, HgNH,X, laiige Ketten [-Hg-NH,-1, vor- liegen. In diesen Substanzen ist vierbindiger Stickstoff durch tetrs- edrisch gerichtete sp3-Bindungen mit den Hg- bzw. H-Atomen verknupft . Die Halogene sind als Anionen vorhanden.

Auch mit Hydrazin bilden die &uecksilber( 11)-halogenide Anln- ~er.ungsverbindungen, [Hg(N,H,),] X, urid 1 Hg(N,H,)]X,, und Sub- stitutionsverbindungen, [Hg,N,H,]X,. Nur die Chloride koniien re in

1) C . H. MACGILLAVRY u. J. M. BIJVOET, Z. Kristallogr., Mineralog. Petrogr., Abt. A

,) W. N. LIPSCOMB, Acta crystallogr. [London] 4, 266 (1951). 3) W. RUDORPF u. K. BRODERSEN, Z. Naturforschg. 7b, 56 (1952); Z. anorg. allg.

4, L.NIJSSEN u. W. N. LIPSCOMB, Acts crystallogr. [Copenhagen] 5, 604 (1952). 5) K. BRODERSEN u. W. RUDORFF, Z. anorg. allg. Chem. 275, 141 (1954). 6 ) C. M. DEELEY u. R. E. RICHARDS, J. chein. SOC. [London] 1984, 3697. 7 ) K. BRODERSEN u. H. J. BECHER, Chein. Ber. 89, 1487 (1956).

94, 240 (1936).

Chem. 270, 145 (1952).

~ Dihydrazin-Anlagerungsverbindungen [Hg(NzH4)z]Xz H2N-NHz-Hg-NH~-NH, Monohydrazin-Anlagerungsverbindungen [Hg(N,H,)]X, [-Hg-NH,-NH,-I],-Ketten

Die letztgenannte Blatt- struktur wurde bei der rontgenographischen Unter- suchung des Quecksilber (I I)- hydrazinochlorids aufge- funden. Die Analogieverh alt- nisse zwischen den Queck- silber(I1) - Hydrazin- Anla- gerungsver bindungen und den entsprechenden Ammo- niak-Verbindungen werden durch die Abb. 1 gezeigt. Die Halogene mussen sich in allen Fallen als Anionen im Gitter befinden.

Durch die hier be- schriebenen infrarotspektro- skopischen Untersuchungen sol1 die genannte Konsti- tutionsauffassung fur die Quecksilber(I1) - Hydrazin- Verbindungen gepruft wer- den.

Abb. 1. Gruppen- und Ketten-Strukturen in Queclrsilber(I1)-Ammoniak- und -Hydrazin-halo-

geniden

2. Quecksilber(II)--Hydrazin-Anlagerungsverbindungen Die Dihydrazin- Anlagerungsverbindungen, [Hg(N,H,),]X,, ent-

halten gemaB oben beschriebener Anschauung isolierte Gruppen H,h’-NH,-Hg-NH,-NH2. Nach der Anlagerung einer Hydrazin-

*) K. BKODERSEN, Z. anorg. allg. Chem. 285, 5 (1956).

26 %eitschnft fur anorganische und allgerneine Chemie. Band 290. 1957

rnolekel an ein Quecksilberatom verbleiben der dreibindig gebliebenen, nicht an das Hg-Atom gebundenen NH,-Gruppe 4 verschiedene Ein- stellmoglichkeiten gegeniiber der vierbindig gewordenen NH,-Gruppe der Hydrazinmolekel, die man als cis-, trans-, halbcis- und gauche- Form bezeichnen kann. Abb. 2 gibt diese Verhaltnisse wieder. Alle 4 Molekelformen sind in Richtung der N-N-Bindung gesehen gezeich- net, so daB die beiden N-Atome fast iibereinanderliegen.

Wie im freien, gasformigen Hydrazin ist das Vorliegen einer reinen cis-Form sehr unwahrscheinlich. Wegen der Abstoljung zwischen den Wasserstoffatomen der beiden NH,-Gruppen scheint die trans-Form ener- getisch begunstigt zu sein. Auch bei den [-Hg-NH,-NH,-1,-Ketten en thal tenden

Gauche

Monohydrazin-Anlagerungsverbindungen, [Hg(N,H,))X,, bestehen grundsatzlich die gleichen Einstellmoglichkeiten der beiden NH,- Gruppen jeder Hydrazinmolekel im Raum. Hier sind jedoch beide Stickstoffatome vierbindig.

1

Holbcis &VOS

vj 66

v, [Hg CNzfldJC4

T E

Trans

Abb. 2. ~ i ~ ~ t ~ l l ~ d g i i ~ h l ~ ~ i t ~ ~ Abb. 3. Infrarotspektren Yon Quecksilber(I1)- der NH2-Gruppen einer Hydra-

zinmolekel im Raum Hydrazin- Anlagerungsverbindungen

Es sol1 versucht werden, mit Hilfe der Infrarotspektren der beiden Verbindungstypen eine Entscheidung uber die Anordnung der NH,- Gruppen zu erhalten. In der folgenden Abb. 3 sind die erhaltenen Spektren graphisch dargestellt.

Die Zuordnung der beobachteten Banden zu Schwingungen der Atome ist wie bei den Quecksilber(I1) - Ammoniak-Verbindungen') relativ einfach, weil die Quecksilberatome wegen ihrer sehr groljen Masse an den Schwingungen praktisch nicht teilnehmen. In erster Naherung kann man daher die Schwingungen einer isolierten Hydrazinmolekel betrachten.

Fur eine Hydrazinmolekel sind insgesamt 12 Schwingungsmog- lichkeiten zii erwarten. Die halbcis- und die gauche-Form besitzen die

K. BRODERSEN, Untersuchung von Quecksiiber(I1)-Iiydrazin-haiogeniden Ti

Symmetrie C,, das heifit alle 1 2 Schwingungen sind infrarotakt>iv. Die energetisch sehr ungunstige cis-Form fuhrt ebenfalls zu 12 infrarot- aktiven Schwingungen. Bei der trans-Form mit der Symmetrie C,, werden jedoch die in der Schwingungsklasse Ag liegenden 4 Schwin- gungen und die 2 in der Schwingungsklasse B, liegenden infrarotinaktiv. Zu Banden im Infrarotspektrum konnen bei einer Anordnung der KH,- Gruppen jeder Hydrazinmolekel in trans-Form nur noch die 3 Schwin- gungen in A, und die 3 Schwingungen in B, fuhren. Man kann, da in den Spektren beider Verbindungstypen mehr als 6 Banden beobachtet werden, mit Sicherheit sagen, da13 nicht die trans-Form allein vorliegen kann. Eine Entscheidung zwischen cis-, halbcis- und gauche-Form ist spektroskopisch nicht moglich. Bei den Dihydrazin-Anlagerungs- verbindungen ist die gauche- und halbcis-Form, bei den Ketten ent- haltenden Monohydrazin- Anlagerungsverbindungen die cis-, halbcis- ucd gauche-Form moglich.

Die folgende Tab. 1 bringt eine Zusammenstellung der Zuordnungen der beob- achteten Banden in den Spektren zu Schwingungen der NH,-Gruppen und einen Ver- gleich mit dem Infrarotspektrum des freien Hydrazinsg). Die Zahlen bedeuten die Lage der Banden im Spektrum in cm-l. Die beobachteten Intensitaten der Banden sind be- zeichnet mit : sst = sehr stark, s t = stark, m = mittel, s = schwach, ss = sehr schwach und sss = gerade noch erkennbat. Die bei 1080 cm-1 im Spektrum des [Hg(N,H,),]Cl, gefundene, sehr schwache Bande kann nicht zugeordnet werden.

Die NH-Valenzfrequenzen liegen in den Infrarotspektren der Mono- und Dihydrazin-Anlagerungsverbindungen bei kleineren Wellenzahlen als beim freien Hydrazin. Dieser Befund deutet auf Wasserstoffbrucken- bindungen zu den Halogenionen hin. Derartige Bindungen sind auch in den analogen Ammoniakverbindungen gefunden worden 7). Die N-N-Va- lenzfrequenz verschiebt sich von 873 cm-l im freien Hydrazing) nach 952 cm-l in den Dihydrazin- und nach 976 cm-l in den Monohydrazin- Anlagerungsverbindungen. Im Hydraziniumchlorid, (N,H,)Cl,, das beide Stickstoffatome vierbindig enthalt, beobachtet man im RAMAN- Spektrum die N-N-Valenzfrequenz bei 1024 cm-1 lo). Die gefundene Verschiebung der N-N-Valenzfrequenz steht im E inklang mit der oben erlauterten Konstitutionsauffassung fur die Quecksilber(I1)-Hydrazin- Verbindungen.

Wie bei den Anlagerungsverbindungen mit Ammoniak hat die Hg-N-Bindung im Gegensatz zu Substitutionsverbindungen keinen rein kovalenten Charakter. Daher

Q, P. A. GIGUERE u. J. D. LIU, J. chem. Physics 20, 136 (1952).

lo) R. ANANTHAKRISCHNAN, Proc. Indian Acad. Sci., Ser. A 5, 87 (1937).

28 Zeitschrift fur anorganische und allgemeine Chemie. Band 290. 1957

Tabelle 1 I n f r a r o t s p e k t r e n yon Quecksilber(I1)-Hydrazin-Anlagerungsverbindungen

HZN-NHta

I

I , 3350

3325

3314

3280

~ 1628

I 1587

1275

1098

966/933

873

7 80

-

Verbindung

3230 s t

3130 sst

2985 st

1596 st

1571 st

1256 s

1136 sst

970 s t

952 s

697 st

-

3260 s t

3190 sst

3130 st

1598 s t

1575 s t

1163 m

1121 s t

952 s

976 6s

640 s

440 sss

Schwingungsform 11)

vN-N 1

(X = C1 oder Br).

11) Die Bezeichnung der N-H-Deformationsschwingungen folgt einem Vorschlag von W. BUES, Stuttgart. Die von dem H-N-H-Winkel y begrenzte Flache wird dabei als Bezugsebene angenommen. Die wagging- Schwingung wird demnach als zu dieser Ebene senkrecht schwingend mit y 1. die twisting-Schwingung mit y 0 @-Rotation) und die rocking-Schwingung als parallel zu dieser Ebene schwingend mit yI I bezeichnet. Die Schwingungsbilder sind von oben gesehen abgebildet.

-

K. BRODERSEN, Untersuchung von Quecksilber(I1)-Hydrazin-halogeniden 29

konnte die Hg-N-Valenzfrequenz nur bei sehr groden Schichtdicken und Konzentrationen gefunden werden12).

3. Quecksilber(II)-Hydrazin-Substitutionsverbindungen In der Literatur ist bisher nur e ine Substitutionsverbindung, bei der

Wasserstoffatome der Hydrazinmolekel durch zwei bindige Quecksilber- atome ersetzt sind, beschrieben worden : C1-Hg-NH-NH-Hg-C1 13).

Die rontgenographische Untersuchungs) fuhrte zu einem Strukturvor- schlag, bei dem Quecksilber- und Stickstoffatome ein zweidimensionales [ Hg,N,H,] -Flachennetzwerk bilden. Jedes Hg- Atom ist in linearer Bindung an 2 NH- Gruppen verschiedener Hydrazinmolekel und jede NH-Gruppe, die vierbindigen Stickstoff enthalt, durch tetraedrisch ge- richtete sp3-Bindungen mit 2 Hg-Atomen und der anderen NH- Gruppe der Hydrazinmolekel verknupft. Mit Sicherheit konnten der Intensitats- diskussion der Pulveraufnahmen nur die Lagen der Quecksilberatome in der Elementarzelle entnommen werden. Uber die Anordnung der NH- Gruppen lierj sich rontgenographisch wegen des sehr geringen Streu- vermogens dieser Atome im Vergleich zu den Quecksilberatomen nichts aussagen.

Fur die Anordnung der NH-Gruppen jeder Hydrazinrnolekel kommen 2 Moglichkeiten in Frage: eine cis- und eine trans-Form. Die ebenfalls mogliche gauche-Form kann wegen der rontgenographisch gefundenen Lage der Quecksilber- atome ausgeschlossen werden. Abb. 4 zeigt die cis- und die trans- Form. cis Tmns

trums solhe entschieden werden, Gruppen des substituierten Hydrazins welche Anordnung vorliegt. Um zu einer eindeutigen Zuordnung der Banden im Spektrum zu Schwin- gungen der Atome zu kommen, wurde auch die deuterierte Substanz, [Hg2N2D,]C1,, hergestellt und deren Infrarotspektrum aufgenommen. Die erhaltenen Spektren sind in Abb. 5 graphisch dargestellt.

Die graphische Darstellung der Spektren in Abb. 5 zeigt im Bereich der N-H-Valenzfrequenz nur eine Bande, die bei der deuterierten

l 2 ) In den Infrarotspektren der Diammoniakate, [Hg(NH,),]X,, konnte erst bei Einwaagen von 20 bis 30 mg anf 300 mg KBr die Hg-N-Valenzfrequenz bei 470 cm-l (Chlorid) bzw. 450 cm-1 (Bromid) beobachtet werden.

Is) K. A. HOFMANN u. E. C. MARBURG, Ber. dtsch. cbem. Ges. 30, 2020 (1897); Liebigs Ann. Chern. 305, 214 (1899).

(y?J(q.p HQ H N N H 4

H

Mit Hilfe des Infrarotspek- Abb. 4. Anordnungsmoglichkeiten der NH-

30 Zeitschrift fur anorganische und allgemeine Chemie. Band 290. 1957

~ H J 2 N Z H J C L

Substanz die zu fordernde Verschiebung nach kleineren Wellenzahlen aufweist. Im Bereich der N-H-Deformationsschwingungen werden 5 Banden beobachtet. Bei 2 NH-Gruppen der Hydrazinmolekel sind aber nur 4 Schwingungsmoglichkeiten, die zu N-H-Deformations- schwingungen fiihren, vorhanden. Eine in diesem Bereich beobachtete

Bande mu13 daher der N--N - Valenzschwingung

v-NN zugeordnet werden. Lotz- tere kann aber nur auf-

vNH 6NH v#gN

I

V-ND 6-ND V-ngN

1 [Hgz N2 o z I 4 V-NN noch kleineren Wellen- zahlen auftretenden Ban-

30 Zeitschrift fur anorganische und allgemeine Chemie. Band 290. 1957

Substanz die zu fordernde Verschiebung nach kleineren Wellenzal- len aufweist. Im Bereich der N-H-Deformationsschwingungen werden 5 Banden beobachtet. Bei 2 NH-Gruppen der Hydrazinmolekel sind aber nur 4 Schwingungsmoglichkeiten, die zu N-H-Deformations- schwingungen fuhren, vorhanden. Eine in diesem Bereich beobachtete

Bande mu13 daher der N--N - Valenzschwingung zugeordnet werden. Lotz- tere kann aber nur auf- treten, wenn die c is- Form vorliegt. Die 5 bei noch kleineren Wellen- zahlen auftretenden Ban- den gehoren zu Hg-N- Schwingungen.

Die Zuordnung der N - N - Valenzfrequenzen gelingt, wenn man die

deuterierte Substanz mit zur Diskussion heranzieht. Die bei 1012 cm-l in der H-Verbindung und bei 965 cm-l in der D-Verbindung gefunderie Bande zeigt die geringste Verschiebung gegenuber der der 4 anderen NH-Deformationsschwingungen. Diese mu13 demnach der N-N-Valenz- frequenz zugeordnet werden. Die Lage der Bande im Spektrum ent- spricht der fur 2 vierbindige N-Atome lo). Der rontgenographisch ab- geleitete Strukturvorschlag mit vierbindingen Stickstoffatomen wird somit spektroskopisch bestatigt. Tab. 2 bringt die Zuordnung der in den Spektren beobachteten Banden zu Schwingungen der in cis- Form vorliegenden NH-Gruppen. Die Banden sind in cm-l ange- geben.

Auch im Bereich der Hg-N-Schwingungen steht das Auftreten von 5 Banden nicht irn Widerspruch mit der Anordnung der NH-Gruppen in cis-Form. Die trans-Form wurde nur 2 infrarotaktive Schwingungen ergeben. Die bei 599 em-l und bei 537 cm-l beobachteten Banden ent- sprechen der bei 570 cm-1 liegenden Schwingung ,,v,," des HgNH,Cl. Hier treten 2 Banden auf, weil die beiden N-Atome jeder Hydrazin- molekel im Gleichtakt oder im Gegentakt schwingen konnen. Die bei 518 em-l und bei 488 em-l gefundenen Banden entsprechen der bei 467 cm-l im Spektrum des HgNH,Cl gefundenen Schwingung ,,v,". Die bei 475 em-l beobachtete Bande entspricht einer Hg-N-Defor- mations- Schwingung, die beim HgNH,Cl im untersuchten Spektral- bereich von 330 his 3800 em-l nieht beobachtet werden konnte.

Abb. 5. Infrarotspektren yon Quecksilber(I1)-hydra- zinochlorid

I<. BRODERSEN, Untersuchung von Quecksilber (11)-Hydrazin-halogeniden 31

Tabelle 2 I n f r a r o t s p e k t re n yo n Q u e c lr s i 1 be r(I1)- h y d r a zi n o c h 1 o r i d

Verbindung

3190 s t

1220 s t

1205 s t

1168 m

1130 m

1012 m

~.

599 s t

537 st

518 m

488 m

475 s

2300 s t

903 s t

897 s t

862 m

761 m

965 m

599 st

537 s t

518 m

458 m

475 s

Schwingungsform 14) - ~-

v,,NH

v,NH

S:NH

6,NH

~ ; N H

6,NH

vN-N

la) Die nicht ausgefullten Kreise stellen die K-Atome, die ausgefiillten Kreise die H-Atome dar. Bei den Schwingungsbildern der Hg-N-Schwingungen sind die H-Atome weggcslassen. Die Figuren wurden im Gegensatz zu denen bei den N-H-Schwingungen von oben gesehen gezeichnet.

32 Zeitschrift fur anorganische und allgemeine Chemie. Band 290. 1957

Beim rontgenographisch abgeleiteten Strukturvorschlag *) fur das Quecksilber(I1)-hydrazinochlorid, [Hg,N,H,]Cl,, wurde aus Symmetrie- grunden das Vorliegen der trans-Form fur die beiden NH-Gruppen jeder Hydrazinmolekel angenommen, da rontgenographisch keine Ent- scheidung zwischen cis- und trans-Form moglich war. Die Annahme der trans-Form fuhrte zu einer Verdoppelung der Gitterkonstanten c, -die bei der cis-Form nicht mehr notig ist. Die Lagen der Chlorionen wurden einer Intensitatsdiskussion entnomrnen, die wegen des relativ geringen Streuvermogens der Chlorionen im Vergleich zum Streuver- mogen der Quecksilberatome nicht zu einer sehr genauen Lokalisierung fuhren konnte. Bei der jetzt spektroskopisch festgelegten Anordnung der NH-Gruppen der Hydrazinmolekeln in cis-Form erhalt man nur dann richtige Atomabstande, wenn man die Halfte der Chlorionen, geringfugig in Richtung der Gitterkonstanten a verschiebt. Diese Ver- schiebung fiihrt zu einer so geringen Anderung der berechneten Inten- sitaten der im Pulverdiagramm gefundenen Linien, daI3 die fruheren Angaben 8) dariiber nicht geandert werden musserl ; die Raumgruppe muB geandert werden.

bei wie

aus

Die Angaben uber die Kristallstruktur des [Hg,N,H,] C1, mussen Berucksichtigung der beschriebenen spektroskopischen Ergebnisse folgt lauten :

Gitterkonstanten der rhombischen Zelle: a = 8,1511, b = 6,75A;

Zellinhalt : 2 Formeleinheiten [Hg2N2H,]Cl,; Raumgruppe : D:”, - P m m n ; Punktlagen: 4Hg:4(c)OOO, 4 0 0 , 0 4 0 , 4 4 0

c = 5,27,11;

4C1 : 4 ( e ) x a z , xsz, f-xtz, t + x i , ,

4 N: 4 (e) (siehe oben) niit z = 4 und x = 0,528;

rnit x = 0,163 und z = 0 bis 0,l.

Der x-Parameter der Chlorionen in der Punktlage 4 ( s ) ergibt sich dem Abstand zwischen 2 auf Ionenkontakt liegenden Chlorionen von

3,62 A, der x-Parameter der N-Atome in 4 (e) aus dem N--N-Abstand von 1,42 4, der auch in Hydraziniumsalzen gefunden wurdeI5). Der z-Parameter der N-Atome betrltgt bei reinen Tetraedervalenzwinkeln an den vierbindigen N-Atomen 0,I. Da aber geringe Abweichungen vom Tetraedervalenzwinkel bei Quecksilber( 11)-Ammoniak-Verbindungen ge- funden wurden’), kann der z-Parameter der N-Atorne in 4 (e) zwischen den Extremwerten 0 und 0 , l liegen. Die Hg-N-Abstande betragen

15) J. DONOHUE u. W. N. LIPSCOMB, J. chem. Physics 15, 115 (1947).

K. BRODERSEN, Uricersuchung VOII Quecltsilber(I1)-Hydrazin-halogeniden 33

?,I4 bis 2,20a. Dieser grolSe Hg-N-Abstand ist vielleicht fur die Explosivitat der Substanz verantwortlich. Jedes Hg-Atom ist vori 4 Chlorionen annahernd quadra- tisch im Abstand von 3,14 A um- geben. Die N-C1-Abstande sind

Dieser Befund deutet zusammen mit der Erniedrigung der N-H- Valenzfrequenz auf Wasserstoff- bruckenbindungen zu den Chlor- w ionen hin. Die Abb. 6 zeigt die

I I

mit 3,06 bis 2,62a relativ klein. C

- W -

des [Hg2N&121C12. Abb. 6. Elementarzelle von Queck- silbcr(I1)-hydrazinochlorid [Hg,N,H,]CI,

4. Experimentelles Das [Hg(K2€€&]Cl2 wurde von Herrn Prof. Dr. A. MEUWSEN und seinen Mitarbeitern

in Erlangen BUS atherischen Losungen dargestellt und mir freundlicherweise zur spektro- slropischen Untcrsuchung iiberlassen. Dafiir sei hiermit herzlich gedankt.

Zur Darstellung der Monohydrazin-Anlagerungsverbindungen, [Hg(N,H,)JCl, und [ Hg(N,H,)]Br,, wurden die Losungen von Hydrazin und dem Quecksilber(I1)-hslogenid i n wasserfreiem Ather in berechneter Menge vermischt, der weiBe Niederschlag abfiltriert und mit wasserfreiem Ather gewaschen. Die Darstellung der Verbindungen in WLSSAP

freiem Alkohol fiihrt nicht zu vollig reinen Produkten.

=\ n a 1 yse n : %Hg %Cl oder Br % N [Hg(N,H,)]Cl, berechnct 66,OS 23,363 9,23

[Hg(N,H,)JBr, berechnet 51,ll 40,72 7,14 gefunden 66,2 23,2 9,4

gefunden 51,3 40,9 7,3.

Die Debyeogramme der beiden Substanzen weisen keine Linien des Hg,C1, bzw. des Hg,Br2 auf.

Dic Darstellung des [Hg,N,H,]Cl, ist bereits beschrieben wordens). Zur Herstellung der deuterierten Substanz wurden 100 mg (N,H6)C1, mit 0,5 ml D,O iibergossen und mehrere Tage im nicht cvakuierten Exsikkator uber Phosphorpentoxyd aufbewahrt. Nachdem alles HDO und iiberschiissige D,O voni P,O, gebunden war, wurde diese Operation noch 4mal wiederholt. Das so gewonnene (N,D,)Cl, wurde in 1 ml D,O gelost, die Losung rnit einer von 0,l g HgCI, in 2 ml D,O vermischt, alles wurde gut gekuhlt, mit 2 g wasser- frcicm, bei 150" C getrocknetem Natriuniacetat versetzt und nach 15 Minuten durch einen 1-ml-Platin-Goochtiegel filtriert. Die hellgelbe Substanz wurde mehrfach rnit D,O gewaschen. Sie hat das gleiche Debyeogramm wie das nicht deuterierte [Hg2N2H,]CI,, in dem keine Linien des Hg,Cl, zu erkennen sind.

Die Spektren wurden in KBr gepreDt mit einem Doppelstrahlspektrographcn I'crkin- Elmcr, Modell 21, mit Kochsalz bzw. Caesiumbromidprismen aufgenommen.

Znr Aufnahme des Infrarotspektrums des [Hg,N2H,]Cl2 und des [Hg,N2D2 JC1, wurden 1-3mg der mit HzO bzw. D,O gewaschenen Substanzen sofort nach der Dar- stellung in 10 ml H,O bzw. 5 ml D,O suspendiert, 300 mg Kaliumbromid oder Kaliuni-

7; morg. sllg. Ch8mic. Bd. 290. 3a

34 Zeitschrift fur anorganische und allgemeine Chemie. Band 290. 1957

chlorid zugefiigt, die Suspension linter heftigem Umschwenken rnit dceton/Kohlen- dioxgd ausgefroren und im Vakuuni das H,O bzw. D,O an einen mit Aceton/Kohlen- dioxyd gefullten Kuhlfinger sublimiert. Dabei wurde die Kuhlung der Suspension langsam im Laufc von 8 Stunden entfernt. Das so gewonnene lyophilisierte Pulver enthalt die explosive Verbindung in derartig feiner Verteilung, daB beim Presser1 keine Zcrsetzung stattfindct. Nach Aufnahrne des Infrarotspektrunis konnte jeweils dureh eine GUINIER- Aufnahrne rontgcnographisch nachgewiesen werden, daR keine Zersetzung eingetreten war.

Herrn Prof. Dr. J. GOUBEAU bin ich fur die Erlaubnis, die Spektren im Labora- toriuni fur anorganische Chemie der Technischen Hochschule Stuttgart aufnehmen zu diirfen, zu groflem Dank verpflichtet. Das Infrarotspcktromc1,er wurde von der Deutschen Forschungsgemeinschaf t zur Verfugung gestellt.

Herrn Prof. Dr. W. RUDORBF, Tubingen, mochte ich fur Anregungen und apparative Unterstiitzung bei der rontgenographischen Untersuchung der Substanzen danken.

Den Herren Doktoren H. J. BECHER und W. BUES, Stuttgart, danlie ich fur wert- volle Disknssioncn.

Tubingen, Clzemisches Ivlastitut der Universitdit, Anorganische Ab- teilung.

Bci der Redaktinn eingegangcn am 36. Olctober 1956.