95
Herausgegeben vom Deutschen Akademischen Austauschdienst in Zusammenarbeit mit dem Fachverband Deutsch als Fremdsprache Nr. 1 32. Jahrgang Februar 2005 Inhalt Artikel Karl Esselborn Vom Auszug in die Fremde zur interkulturellen Mobilität. Das Reisethema in aktuellen deutschsprachigen Prosatexten für den Bereich interkulturelle Germanistik/DaF 3 DaF im Ausland Jin Zhao Probleme chinesischer Deutschlerner im Schreiben – Analyse der Schreibaufgaben im TestDaF-Modellsatz 14 Didaktik DaF / Aus der Praxis Guido Oebel Sofies Welt: Zur Kompatibilität von Philosophiegeschichte und Multimedia im DaF-Unterricht mit japanischen Studierenden nach LdL (Lernen durch Lehren). Plädoyer für eine Renaissance der Kulturwissenschaften 28 Frank Günther »Und wie kommt die Note zustande?« Ein Beitrag zur ange- wandten Leistungsmessung aus der Praxis des universitären DaF-Unterrichts in Frankreich 48 Berichte »Funktion, Form und Arbeitsresultate der Nachwuchsförderung in der Fremdsprachenforschung. Erste Arbeitstagung für den Dialog zwischen NachwuchswissenschaftlerInnen und Hoch- schullehrerInnen in Deutschland«, 10.–12.9.2004 Berlin (Susanne Becker, Berlin) 63 (Fortsetzung umseitig)

Inhalt - DaF · 2011. 2. 15. · Schreibaufgaben im TestDaF-Modellsatz 14 Didaktik DaF/ Aus der Praxis Guido Oebel Sofies Welt: Zur Kompatibilität von Philosophiegeschichte und Multimedia

  • Upload
    others

  • View
    27

  • Download
    0

Embed Size (px)

Citation preview

  • Herausgegebenvom DeutschenAkademischen

    Austauschdienstin Zusammenarbeit

    mit demFachverband

    Deutsch als Fremdsprache

    Nr. 1 32. Jahrgang Februar 2005

    InhaltArtikel Karl Esselborn

    Vom Auszug in die Fremde zur interkulturellen Mobilität. DasReisethema in aktuellen deutschsprachigen Prosatexten für denBereich interkulturelle Germanistik/DaF 3

    DaF im Ausland Jin ZhaoProbleme chinesischer Deutschlerner im Schreiben – Analyse derSchreibaufgaben im TestDaF-Modellsatz 14

    Didaktik DaF /Aus der Praxis

    Guido OebelSofies Welt: Zur Kompatibilität von Philosophiegeschichte undMultimedia im DaF-Unterricht mit japanischen Studierendennach LdL (Lernen durch Lehren). Plädoyer für eine Renaissanceder Kulturwissenschaften 28

    Frank Günther»Und wie kommt die Note zustande?« Ein Beitrag zur ange-wandten Leistungsmessung aus der Praxis des universitärenDaF-Unterrichts in Frankreich 48

    Berichte »Funktion, Form und Arbeitsresultate der Nachwuchsförderungin der Fremdsprachenforschung. Erste Arbeitstagung für denDialog zwischen NachwuchswissenschaftlerInnen und Hoch-schullehrerInnen in Deutschland«, 10.–12.9.2004 Berlin (SusanneBecker, Berlin) 63

    (Fortsetzung umseitig)

  • 2

    Bibliographie Dietrich Eggers unter Mitarbeit von Dorothee SchwarckAuswahlbibliographie von Neuerscheinungen für das FachDeutsch als Fremdsprache 2004 67

    Über die Autoren 94

    Abstracts 95

  • 3

    Vom Auszug in die Fremde zur interkulturellenMobilität

    Das Reisethema in aktuellen deutschsprachigen Prosatextenfür den Bereich interkulturelle Germanistik / DaF

    Karl Esselborn

    Vor allem Was ist bloß aus unseren Abenteuern ge-worden, die uns über vereiste Pässe, überDünen und so oft die Highways entlanggeführt haben? Durch Mangrovenwälderhat man uns ziehen sehen, durch Grasland,windige Einöden und über die Gletscher,Ozeane und dann auch Wolkenbänke hin-weg, zu immer noch entlegeneren, innerenund äußeren Zielen. Wir haben uns nichtdamit begnügt, unsere Abenteuer einfachzu bestehen, sondern haben sie zumindestauf Ansichtskarten und in Briefen, vor al-lem aber in wüst illustrierten Reportagenund Berichten der Öffentlichkeit vorgelegtund so insgeheim die Illusion gefördert,daß selbst das Entlegenste und Entferntestezugänglich sei wie ein Vergnügungsgelän-de, ein blinkender Luna Park, die Illusion,daß die Welt durch die hastige Entwicklungunserer Fortbewegungsmittel kleiner ge-worden sei und etwa die Reise entlang desÄquators oder zu den Erdpolen nunmehreine bloße Frage der Finanzierung und Ko-ordination von Abflugzeiten. Aber das istein Irrtum! Unsere Fluglinien haben unsschließlich nur die Reisezeiten in einemgeradezu absurden Ausmaß verkürzt, nichtaber die Entfernungen, die nach wie vorungeheuerlich sind. Vergessen wir nicht,daß eine Luftlinie eben nur eine Linie undkein Weg ist und: daß wir, physiognomischgesehen, Fußgänger und Läufer sind.(Christoph Ransmayr: Die Schrecken des Ei-ses und der Finsternis. Frankfurt a. M.: Fi-scher-Taschenbuchverlag 1987: 9)

    1. Reisen als zentrales Thema einer in-terkulturellen Literaturwissenschaft Reisen als Zugang zu fremden Ländern,Menschen und Sprachen ist immer schonein wichtiges Thema der Fremdsprachen-philologien gewesen. Eine »interkultu-relle Literaturwissenschaft«, die eine»Hermeneutik kulturräumlicher Di-stanz« (Krusche 1985) und eine verglei-chende Fremdheitsforschung ins Zen-trum stellt, muß zu ihrem engeren »diszi-plinären Textkanon vor allem kulturrefle-xive Gattungen wie Reise-, Kolonial-,Exil- und Migrationsliteratur, Utopien,Abenteuerromane und Robinsonaden so-wie die postkoloniale Literatur« zählen(Gutjahr 2002: 357). Die Germanistik hatallerdings die deutschsprachige Reiseli-teratur als ephemere literarische Gattunglange vernachlässigt und sie erst seit denspäten 1970er Jahren systematisch zu er-schließen begonnen (Brenner 1989) –auch für die europäische Kulturge-schichte, womit sie für die fremdspra-chige Kultur- und Literaturvermittlungzugleich unter landeskundlichen Aspek-ten bedeutsam wird. Die gegenwärtigeWende zu einer Literaturwissenschaft alsKulturwissenschaft, die auch Interkultu-ralitäts- und Fremdheitsforschung zu

    Info DaF 32, 1 (2005), 3–13

  • 4

    methodischen Paradigmen macht (vgl.etwa die neue Zeitschrift KulturPoetik2001, Heft 1 und 2), verlangt ohnehin dieBehandlung von Reiseberichten und Rei-seliteratur unter ethnographischer undkulturgeschichtlicher Perspektive. Die literarische Gattung Reisebericht wirdvon Peter J. Brenner (1989: 9) als »diesprachliche Darstellung authentischerReisen« definiert und umfaßt ein breitesuneinheitliches Spektrum von Formenwie Reisegedicht, Briefesammlung, Tage-buch, Teil-Autobiographie, Reiserepor-tage u. a., ganz abgesehen von Sachlitera-tur wie Reiseführern, Itinerarien, Hand-büchern, Prospekten, Auslandsberichter-stattung usw. Davon wird deutlich dieReiseliteratur oder der Reiseroman unter-schieden, die das Reisemotiv in literari-sche Fiktion einbauen. Aber auch der Rei-sebericht bewegt sich zwischen (historischsehr unterschiedlich definierter) Authen-tizität und Fiktion, und die Übergänge zurReiseliteratur sind spätestens seit der Auf-klärungszeit aufgrund der wachsendenliterarischen Ansprüche fließend. Dekon-struktivistische, systemtheoretische undfunktionsanalytische Ansätze kritisiertenzuletzt Reiseberichte wie Reiseliteraturgleichermaßen dafür, daß sie statt einerobjektiven Realitätsbeschreibung viel ehereine schematische (mythische) und stereo-type Konstruktion von Realität bieten,eine narrative und rhetorische Inszenie-rung von Reisen mithilfe traditionellerTopoi, fragwürdiger Bilder und einer kon-struierten Figur des Reisenden (Opitz2003; Holdenried 2003). Wenn jedoch vomText nicht mehr auf die Wirklichkeit zu-rückgeschlossen werden darf, würde diesletztlich zu einer völligen Auflösung destraditionellen Gegenstands der Reisebe-schreibung führen. Aber (literarische)Realitätskonstruktionen können grund-sätzlich nicht einer eigentlichen (ontologi-sierten) Wirklichkeit entgegengesetzt wer-den. Die Bilder der Fremde stehen im

    engen Zusammenhang mit den Konzep-ten der Alltagsrealität und den zeittypi-schen Diskursen, sind Teil des Symbolsy-stems der Kultur. Sie sind bestimmt vonkulturspezifischen Wahrnehmungsmu-stern und Perspektiven, von spezifischenFremdheitskonstruktionen und Formenkultureller Sinnzuschreibungen, vonWunschdenken und Projektionen. Hinzukommen literarische Traditionen und For-men des Beschreibens und Erzählens, dieeine komplexe fremde Realität strukturie-ren und verbildlichen (Opitz 1993: 659–668), historisch aufladen und durch ästhe-tische Überhöhung und affektive Einfär-bung zum Merkwürdigen und Außeror-dentlichen, zum Schönen und Erhabenenoder auch nur zu »Sehenswürdigkeiten«stilisieren. Außer den Absichten des Au-tors und seiner persönlichen Beteiligungund Wertung spielen Leserbezüge, Be-glaubigungs- und Zuordnungsstrategien,Erwartungen und Voraussetzungen derLeser eine entscheidende Rolle. Wichtigerals eine einseitige Konzentration auf dieästhetische Struktur des literarischen Tex-tes sind einer vergleichenden Fremdkul-turwissenschaft jedenfalls die sehr realenMotive und Folgen von Reisen, die imLauf der Zeit die Welt nachhaltig verän-dert haben.

    2. Deutschsprachige Reiseliteratur derModerne Auch die deutschsprachigen Reisebe-richte und Reiseromane sollten im Sinneeiner anthropologisch und ethnologischorientierten Reiseliteraturforschung vorallem im Blick auf Kulturenbegegnungenund -konflikte und auf die Konstruktionund Stabilisierung von Fremdbildern – alsKomplement der eigenen Selbstbilder undMentalitäten – betrachtet werden. Natür-lich ist auch hier nicht an »objektive«geschlossene Konzepte, sondern eher aneine Vielfalt von Diskursen zu denken(vgl. Florack 2003). Eine interkulturelle

  • 5

    Literaturwissenschaft wird ihre Rollebeim Umgang mit der Fremde und demzentralen Fremdheitsthema untersuchen,auch wenn bisher das Kulturthema Reisenselbst von der interkulturellen Germani-stik noch viel zu wenig beachtet undsystematisch aufgearbeitet wurde. Nacheinem ersten Interesse Anfang der 80erJahre (vgl. die Leitaufsätze und den The-matischen Teil im Jahrbuch Deutsch alsFremdsprache 8 und 11) war das »Kul-turthema« Reisen nur noch gelegentlich(z. B. Wild 1990, Heinritz 1991; Koban1999) vor allem im Blick auf bestimmte(Herkunfts)Länder aufgegriffen worden,zuletzt etwa von Uwe Sieben (vgl. Sieben2000). Es wäre im Rahmen einer europäischenKulturgeschichte des Reisens zu sehen,die als Geschichte der Entdeckung undErforschung unbekannter Länder weit-gehend zugleich die Geschichte der euro-päischen Eroberung, Unterwerfung undspäteren Kolonisierung bzw. zuletzt derwirtschaftlichen und touristischen Er-schließung der außereuropäischen Weltbedeutet. Einen guten ersten Überblicküber die vielfältigen Aspekte der Kultur-geschichte des Reisens bieten jetzt dievon Hermann Bausinger herausgegebeneReisekultur (Bausinger 1999) und die Ar-beit von Brenner zur Geschichte der Gat-tung Reisebericht (Brenner 1989) sowiedie Beiträge zum Wandel der Fremd-heitskonzepte von Krusche (vgl. Krusche1983 und 1985). Dies ist begleitet von entsprechendenFremdheitskonstruktionen und sichwandelnden Konzepten der Wahrneh-mung der Realität (vgl. Brenner 1989:14 ff.) und zugleich beeinflußt durch diesich verändernden Mittel und Formendes Reisens, seine unterschiedlichenFunktionen, Motive und Perspektiven,die auch die Reiseliteratur und ihre Bil-der des Fremden bestimmen. Die europä-ische Aufklärung hatte – ausgehend von

    einer einheitlichen, potenziell unendli-chen, aber ergründbaren Welt und einemuniversalistischen einheitlichen Men-schenbild – ein unbeschränktes Interessean enzyklopädischer Information überdie gesamte Welt entfaltet, was im 18.Jahrhundert zum Höhepunkt der Reiseli-teratur führte. Die Entwicklung in derModerne ist bestimmt durch die verän-derte Wahrnehmung des fremden Natur-Raums durch die individualistische, äs-thetisierende Seh-Aneignung, besondersbei den »empfindsamen Reisen« der Ro-mantik, durch den Entwurf des panora-matischen Sehraums (vom dominieren-den Berggipfel) usw. (vgl. Großklaus1982: 80; Laermann 1976; Raymond1993). Für das 19. Jahrhundert sind be-zeichnend die zunehmend geographisch-ethnologischen Reiseberichte von Ent-deckern, Abenteurern, Ethnologen, be-gleitet von der exotistischen Abenteuer-und Kolonialliteratur. Die zivilisations-kritischen Motive der Weltanschauungs-reisen nach Fernost um 1900 (Hesse, Bon-sels u. a.) werden wieder von der welt-weiten Jugend- und Protestbewegungder 1950/60er Jahre aufgenommen. Zu-gleich führt das neue politische Interessean der ›Dritten Welt‹ und an dem Prozeßder Entkolonialisierung zu einer Art Re-volutions- und Dritte-Welt-Tourismus,wie ihn Grass in Kopfgeburten oder DieDeutschen sterben aus (1980) ironisch vor-geführt hat (vgl. Lützeler 1998). Im Zeitalter des Massentourismus hatdas Reisen seine frühere Bedeutung fürdie Erschließung fremder Länder undKulturen jedoch weitgehend eingebüßt.Es geht kaum noch um Welterfahrung,um ein enzyklopädisches Weltwissenoder um Bildung. Reiseberichte haben ihrInformationsmonopol angesichts der An-gebote von Massenmedien und kommer-ziellen touristischen Reiseführern fastganz verloren, die Bilder fremder Weltensind in die Bildmedien, Sachberichte, Rei-

  • 6

    seführer usw. abgewandert, oder siemüssen in Phantasiewelten projiziertwerden, wie in den einzig noch unbe-kannten (Welt)Raum der Science Fiction(vgl. dazu Jost 1989; Sauder 1995; Hein-ritz 1991; Michel 1985). Ein Sonderthemawären Reisen in der Literatur der DDR,wo es bei den Schwierigkeiten einer Reisein den Westen oft bei Phantasiereisenbleiben mußte wie bei Morgner, Fries,Krauß u. a. (vgl. Zwirner 1986). Das Interesse am Reisen verschiebt sichimmer mehr auf das reisende Subjekt, dieFremde wird zunehmend zum Raum derSelbstsuche und Selbstentfaltung, derMöglichkeiten, des Neubeginns und desScheiterns, oder zum Evasions- undFluchtraum. Reisen in Extrembereichezeigen Grenzen des eigenen Ichs auf oderermöglichen weltanschaulich überhöhteErfahrungen bei modernen Pilgerfahrtenan »heilige Stätten« in Fernost und an-derswo. Dies sieht allerdings ganz andersaus, sobald es sich um die unfreiwilligenReisen des Exils oder der Migration han-delt, die seit der Jahrhundertmitte eineimmer größere Rolle spielen. Obwohl die Globalisierung und Interna-tionalisierung der Welt vor allem über diemodernen Medien läuft, haben literari-sche Reisebeschreibungen und -erzählun-gen ihre Bedeutung jedoch nicht verloren,sondern finden sich zuletzt sogar in zu-nehmender Zahl, allerdings in neuerFunktion und in neuen literarischen Mo-dellen, z. B. im postmodernen Roman, derAbenteuer- und Phantasiereisen neu ent-deckt. Statt einer sukzessiven Welter-schließung durch Er-Fahrungen des Sub-jekts im Rahmen einer Reise, vorgeführtim erzählenden Nacheinander als zeitli-cher Ablauf einer Entwicklung, werdenheute eher in der Gleichzeitigkeit sichüberlagernder Perspektiven komplexe Er-fahrungsmuster kultureller Deplazierungund globaler Ortlosigkeit vorgeführt (vgl.Bachmann-Medick 1996).

    3. Neue deutschsprachige Prosatextezum Reisethema Ein Überblick über das Reisethema in derdeutschsprachigen Gegenwartsliteratur– im Sinne einer »themenorientierten in-terkulturellen Literaturwissenschaft«(vgl. Hudson-Wiedenmann 2003) – wür-de bald die Vielfalt der ganz unterschied-lichen Ausprägungen und Funktionendes Reisemotivs deutlich machen, hierkönnen jedoch nur Stichworte und einige(im Anhang zusammengestellte undnachgewiesene) Titel gegeben werden. Der Urlaubstourismus und das traditio-nelle allgemeine Interesse an fremdenLändern und Kulturen finden sich inzwi-schen eher in der Unterhaltungsliteratur.So beschreibt etwa der Bestseller CorinnaHofmanns Die weiße Massai (2000) dieausgefallene afrikanische Liebesge-schichte einer Touristin. Seit der Zeit der Dekolonialisierung Mittedes 20. Jahrhunderts beginnt sich die lite-rarische Tradition der Reiseliteraturgrundlegend zu verändern; an die Stelleder dominanten – vereinnahmenden –europäischen Perspektive tritt immermehr der Blick der Anderen und eine neueund offenere Topographie der Welt. So istauch seit den 1960er Jahren in der deut-schen Reiseliteratur zunächst der infor-mierte politische (Timm, Buch) oder derkulturreflektive (Muschg, Nadolny) bzw.der ethnologische Blick auf die Fremdefestzuhalten, welcher sich wie bei HubertFichte oder Michael Roes auch neue litera-rische Repräsentationsformen sucht. Ganz anders in der jüngsten Generation.Wenn Moritz von Uslar, 1970 geborenerVertreter der »Generation Golf«, auf derAutobahn nach Davos unterwegs ist,stellt die Landschaft allenfalls den selbst-verständlichen Hintergrund für die Be-schreibung der eigenen Befindlichkeitdes schicken jungen Zeitgenossen dar,der ständig unterwegs ist.

  • 7

    Auch in der Erzählung Der Indianer ausKaren Duves Erzählband Keine Ahnung(1999) haben die älteren touristischen Rei-semotive nur noch wenig Bedeutung ge-genüber den zufälligen privaten Erfah-rungen. Unklar bleiben die Erwartungen,die sich mit der Figur des »Indianers«verbinden, hinter dem noch ältere Kli-schees der europäischen Rezeption auf-scheinen. Bei einer unerfreulichen Auto-fahrt durch die Wüste in Arizona mögendie Freunde der Erzählerin nicht an einemtouristischen Indianershop anhalten; alssie aussteigt, um allein zu Fuß weiterzuge-hen, kommt ihr ein unauffälliger Indianerentgegen, der das angebotene Wasser an-nimmt, aber wortlos weiterläuft. Die Fremde wird auch häufig zum Erleb-nisraum und Ort der Selbsterfahrung, derAbstand zur eigenen Situation und Bewäl-tigung eigener Konflikte ermöglicht (soz. B. bei Ortheil, Roth, Sebald, Kirchhoff).Die undurchschaubare und unzugängli-che Fremde kann zum Bild der eigenenBefindlichkeit werden und die eigene Ent-fremdung bis zur völligen Desorientie-rung und bis zum Identitätsverlust ver-stärken, besonders wenn sich damit dasMotiv der Reise als Flucht vor der eigenenVergangenheit und Gegenwart verbindet.Vom Märchen bis zum Entwicklungsro-man ist der Weg in die Welt die Vorausset-zung für die Selbstentfaltung und Selbst-verwirklichung des Helden, sie öffnet ei-nen Möglichkeitsraum auch für neue undalternative Lebensentwürfe (Capus, Stad-ler). Die Suche nach einem Neubeginnkann zu einer neuen Identität führen, sichaber auch im Unvertrauten verlieren undscheitern. Allerdings scheint das utopi-sche Potential der Reise bzw. der Alloto-pie, das in den alten Staatsutopien wie imBild des »edlen Wilden« oder in den Para-diesbildern der exotistischen Südsee-Idyl-len des 18. und 19. Jahrhunderts zumAusdruck kam, seine Kraft inzwischenverloren zu haben.

    Bei Thomas Bernhard geht die Reise deserfolglosen Malers für ihn glücklich aus,da er, angeblich auf einer Expedition inArgentinien verschollen, tatsächlich alsberühmter und erfolgreicher Maler in Sü-damerika stirbt, wovon die Witwe erstnach seinem Tod erfährt. Gerold Späth dagegen läßt die MidlifeReise eines zivilisationsmüden Ausstei-gers, die an die Diskussionen um die»Midlife-Crisis« der 80er Jahre erinnert,mit einem tödlichen Schiffsbruch enden.Der Text erzählt aus zwei unvermittelt(ohne erkennbare Markierung und des-halb zunächst etwas verwirrend) wech-selnden Perspektiven – der Frau und desMannes –, wie der beruflich Erfolgreicheauf Zureden seiner Frau in den Südenreist, um aus der Routine der Arbeit undder Ehe herauszukommen. In einem Fi-scherdorf auf Sizilien nimmt er am einfa-chen Leben der Fischer teil und fährt mitsieben weiteren »Aussteigern« auf einemeigenhändig reparierten Schiff zumAbenteuer des »natürlichen Lebens« aufsMeer hinaus. Das negative Ende ist alsKommentar des Autors zu diesem Ver-such zu lesen. Als Gegenstück zu einem erfolgreichenIdentitätswechsel und Neubeginn könnteman auch Robert Menasses Starten, Neube-ginnen… verstehen, in dem der Ich-Erzäh-ler auf dem Sprung ins Neue sich vomAlten absetzt. Aber schon die ungewöhn-liche Erzählstruktur, die in wiederholtemAbbrechen und Neuanfang in Sprüngenzurückführt zum Scheitern in jeweils frü-heren Lebensetappen (Ehe, Studium, Pu-bertät, Kindheit, Geburt, Zeugung), wi-derlegt die Erwartungen in den bevorste-henden Flug von Zürich nach Rio deJaneiro als »kurze[n] energische[n] Satz«in eine andere Zukunft. Das eigene Spie-gelbild, in dem der Abreisende in denGlaswänden des Flughafens endlich aufsich selbst trifft, ist eher eine täuschendeVerdoppelung als ein neues unbelastetes

  • 8

    Ich; die Euphorie des Starts bleibt vageund inhaltsleer. Zudem hatte das Themades Neubeginns (im Studium der Volks-wirtschaftslehre) schon zum Verlust derakademischen Laufbahn geführt, und deraufklärerische Fortschrittsoptimismus der60er Jahre, »man könne und müsse neubeginnen, alles anders und besser ma-chen« erscheint nun als bloßer Fetisch – imSinne von Menasses These vom Ende desFortschritts und der (Hegelschen) Idee derGeschichte wie in seiner Rede zur Frank-furter Buchmesse 1995: ›Geschichte‹ – dergrößte historische Irrtum (vgl. Lücke 1998). Der Möglichkeitsraum der Phantasie-reise wird vor allem vom postmodernenRoman ausgiebig genutzt (Kühn). DieAbenteuerreise in die letzten Wildnissedes Urwalds, der Wüsten oder des arkti-schen Eises wird ebenfalls – in Formhistorischer Entdeckerreisen oder phan-tastischer Gegenwelten – wieder aufge-griffen (Widmer, Nadolny, Ransmayr,Schrott. Vgl. Honold 2000). Reisen jenseits des Pauschaltourismusz. B. als Extremreise in ausgefallene Län-der, ein modernes Nomadentum in zivili-sationsfernen Gegenden gewinnt wiederan Faszination, wie Malin Schwerdtfe-gers kurzer Text Mein erster Achttausenderaus »Leichte Mädchen« (2001) zeigt. Hierwird aus der Perspektive der Tochter eineExtremreisende vorgeführt, die ständigin ganz ungewöhnlichen Gegenden un-terwegs ist, während der Vater zu Hause(offenbar aus Protest gegen die »Ethno-hure«) mit seinem Laptop im Bett liegenbleibt. Das Mädchen scheint zunächstangeekelt, aber auch fasziniert von denextremen Erlebnissen der Mutter undentscheidet sich am Ende plötzlich, dienächste Reise mitzumachen. Die Reise kann – für den Autor und seineHelden wie für den Leser – zum Erfah-rungs-, Abenteuer- oder Evasionsraumwerden. Daneben steht auch weiterhindas eher traditionelle (auch christliche)

    Motiv des Lebens als Reise bzw. desLebens, das sich erst auf Reisen entfaltet(wie z. B. bei Köpf). Aktueller aber ist dieReise als Modell einer modernen Lebens-form, vor allem als mehr oder wenigerfreiwilliges Aussteigerleben von jungenAußenseitern der Gesellschaft oder alsein Vagabundieren ohne Ziel von Vertre-tern der Subkultur, für die das ständigeUnterwegssein, das (eher touristische)Reisen zum Abenteuer des Lebens wird.Eine sehr weltläufige moderne Variantedes Weltenbummlers bietet der Erzählerin Bodo Kirchhoffs Tschakwau (1987), dervon den Erfahrungen eines längerenFernost-Aufenthalts berichtet, bei dem erschon ganz selbstverständlich auch im(eher kühl-antiexotistisch gesehenen)Prostituiertenmilieu von Bangkok zuHause zu sein scheint, das er anderweitigauch kritisch beschrieben hat. Häufig sind die modernen Helden der»Road-Novels« bei Krausser, Kracht,Genzmer, Woelk oder Özdogan, die ort-und bindungslos in ständiger Bewegungsind. Ihre Fahrt führt ins unerreichbareAndere, bleibt ein zum Scheitern verurteil-ter Aufbruch, eine einmalige Reise in denTod. Andere moderne Nomaden sind vielöfter unfreiwillig unterwegs: im Exil undin der Migration, wo zunächst die Schwie-rigkeiten mit der Fremde überwiegen. DieReisenden können auch überall fremdbleiben wie in vielen Texten der Exil- undder Migrationsliteratur, der es vor allemum die Ankunft im anderen Land unddarum geht, in den neuen Lebensräumeneine neue (hybride) Identität zu finden.Die erschreckendste Variante des Exils be-schreibt Urs Widmer mit Eine Geschichteaus New York. Das aus Deutschland emi-grierte jüdische Ehepaar hat sich in NewYork (auch mit einer Arztpraxis) vollstän-dig eingerichtet, ist aber dort nie angekom-men, ist völlig ohne Beziehung zur Um-welt geblieben. Ein Gegenbeispiel bietenexilierte osteuropäische Schriftsteller in

  • 9

    deutschsprachigen Ländern, wo man sichallerdings auch weiter in einer gemeinsa-men europäischen Tradition zu Hause füh-len konnte, wie z. B. Libuše Moníková,Péter Esterházy u. a. Für Einwanderer derzweiten oder dritten Generation wie fürdie transkulturellen deutschsprachigenAutoren der Anthologie MorgenLand.Neueste deutsche Literatur (2000) haben da-gegen Migration und ein »Leben in Zwi-schenräumen« bereits die neue Qualitäteiner normalen Form moderner Existenzangenommen, die Migration wird schonals eigene offene Lebensform akzeptiert.Das alte Bild des entwurzelten, in feindli-cher Fremde sozial und kulturell isoliertenGastarbeiters der ersten Generation setztenoch das Gegenkonzept einer territorialgebundenen Heimat in einer homogenennationalen Kultur voraus, wie die Migrati-onssoziologie gezeigt hat (vgl. Köstlin2000). Dieses Konzept ist in einer Zeit derGlobalisierung, der Mobilität, der Ausdif-ferenzierung und Hybridisierung vonKulturen nicht mehr zu halten. Für diejüngste Migrantengeneration scheint eherdas Bild der jungen Stadtstreicherin in Ichheirate einen Hund von dem 1960 in Tangergeborenen und in Deutschland aufge-wachsenen Abdellatif Youssafi typisch,die sich nach traumatisierenden Erfahrun-gen in Heimat und Fremde auf der Straßeder multikulturellen Großstadt einrichtet.Andere stellen die schwierige Suche nacheiner neuen Heimat rückblickend – in derkomischen Perspektive des alten Pikaroro-mans – als zielloses Reisen durch die halbeWelt dar (Trojanow, Vertlib, Florescu).Noch konsequentere Reisende sind diemodernen interkulturellen Schriftsteller,die wie die jungen deutsch-jüdischen Au-toren Maxim Biller, Barbara Honigmann,

    Vladimir Vertlib u. a. zwischen vielen Län-dern und Städten, zwischen Israel,Deutschland, den USA usw. unterwegssind und für die gerade New York zumSymbol einer offenen internationalenStadt geworden ist, in der man sich nichtmehr auf eine bestimmte nationale Identi-tät festlegen muß (vgl. Sander/Steinicke2002). Es wären über die angeführten Beispielehinaus in der deutschsprachigen Gegen-wartsliteratur noch viele weitere sehr le-senswerte Texte zu finden, die im breitenSpektrum der Reisemotive aktuelle For-men und Funktionen des Reisens bzw. desUnterwegs- oder Nicht-zu Hause-Seins invielfältigen Varianten gestalten. Sie zu ent-decken muß der eigenen, am Thema inter-essierten Lektüre überlassen bleiben.

    4. Das Reisethema und seine Vermitt-lung Das Kulturthema Reisen und Fremdbe-gegnung, verbunden mit der Problematikdes interkulturellen Verstehens, der Per-spektivität und der Fremdbilder ist füreine interkulturelle Literaturwissenschaftebenso wichtig wie für eine kulturwissen-schaftlich erweiterte Landes- und Kultur-kunde. Es könnte gut in Literaturkursenauf universitärem Niveau behandelt wer-den, aber auch in (den Fremdsprachenun-terricht begleitenden) Lesekursen mit lite-rarischen Texten auf Mittel- oder Ober-stufenniveau oder punktuell in der Lan-deskunde1. Nichtdeutsche Leser werdensich bei Reiseberichten deutschsprachigerAutoren wohl weniger für die beschriebe-nen fremden Länder interessieren, es seidenn es handelt sich um (historische) Rei-seberichte in das eigene Herkunftsland.Von Interesse können aber die Fremdbil-

    1 Erfahrungen mit amerikanischen Austauschstudenten zeigen, daß auch bei mittlerenSprachkenntnissen nach einiger Gewöhnung literarische Texte von bis zu 10/12 Seitenin einer Doppelstunde zu lesen und zu besprechen sind, wenn ein literarisches Leseninteressanter Texte und keine Sprach- und Literaturanalysen erwartet werden.

  • 10

    der aus der deutschen Perspektive derReisenden und die Informationen sein, dievon den Autoren indirekt über sich selbst,speziell über ihre Einstellung zur Fremde,und über ihre Kultur gegeben werden –zunächst vor allem in der Gegenwartslite-ratur. Die vielfältigen, sich wandelndenReisemotive in der aktuellen deutschspra-chigen Literatur sind, speziell für denBereich DaF, didaktisch einfacher undleichter in kurzen literarischen Erzählun-gen und Prosatexten wie den vorgestelltenvorzuführen und zu erschließen – wasdanach vielleicht zu einer thematischenEinheit zur Bedeutung des Reisens erwei-tert werden kann. Nach einem einführen-den Gespräch über aktuelle Formen undMotive des (touristischen) Reisens heuteund die Veränderungen im Vergleich mitfrüheren Zeiten und nach einem Blick aufbekannte gegenwärtige und ältere Reiseli-teratur könnten die Beispiele in Klein-gruppen gelesen und ein erstes Verständ-nis erarbeitet werden. Einige allgemeineFragen an die Texte können eine ersteCharakterisierung und den Einstieg ins(interkulturelle) Lesergespräch erleich-tern und einen Vergleich der Texte undMotive vorbereiten helfen. Nicht gedachtist an ein erschöpfendes Abarbeiten derVorgaben. Zu fragen wäre zunächst nacheinfachen Aspekten und Referenzen, spä-ter mehr nach Präsentationsweisen undPerspektiven, nach der ästhetischen Funk-tion der Motive usw.

    5. Fragen an Reiseliteratur – Wer reist? Wohin geht die Reise? Wie

    wird gereist? – Wer berichtet, erzählt von der Reise,

    erinnert sich daran usw.? – Erscheint die Reise realistisch? Wie

    sind die Referenzen? Wie wird dieGlaubwürdigkeit hergestellt?

    – Was sind die (genannten) Reisemotive,welches die Ziele und Funktionen derReise? Wie endet sie?

    – Was wird auf der Reise wahrgenom-men? Welche Erfahrungen werden ge-macht? Was beschäftigt den Reisen-den/die Reisende(n)?

    – Wie erscheinen die Fremde und dieFremden? Wird mit Bekanntem vergli-chen? Ist eine bestimmte Wahrneh-mungsperspektive erkennbar? Gibt esbekannte Bilder und Klischees?

    – Kommt es zu Begegnungen mitFremden? Auf welche Weise? Findeteine interkulturelle Kommunikationstatt?

    – Handelt es sich um eine der bekanntenReiseformen wie Tourismus, Bildungs-reise, professionelle Reise, Informati-onsreise, Weltanschauungsreise, Aben-teuerreise, Extremreise usw., geht esum Selbsterfahrung, Neugier, Fern-weh, Abenteuerlust, um Aussteigen,Flucht/Evasion, Neubeginn oder umEntfremdung, Selbstverlust usw.? Oderhandelt es sich um eine ganz andere,eigene Variante?

    – Wie wird der Reisevorgang literarischumgesetzt: Raum, Zeit, Chronologie,Abfolge, traditionelle Strategien, litera-rische Formen usw.?

    – Welche Bedeutung haben personaleKomponenten (persönliches Erleben,Vorlieben, Vorurteile, Distanz usw.)?

    – Sind bestimmte Absichten des Autorswie Information, Bildung, Unterhal-tung, Propaganda, Legitimierung vonVerhältnissen, Aufklärung usw. er-kennbar?

    – Wie werden Leser und Zuschauer ein-bezogen?

    – Gibt es tradierte Formen kulturellerSinnzuschreibungen (Deutungssche-mata, antithetische Fremdheitskon-struktionen, Landschaftsästhetik), Tra-ditionen von Fremdbildern, Stereoty-pen, Topoi?

    – Werden Wahrnehmungen bestimmtenallgemeinen Konzepten zugeordnet?Sind Vorerwartungen, Projektionen,

  • 11

    Einstellungen, Perspektiven (z. B. Zen-trum vs. Peripherie, Nord-Süd-Schema) erkennbar?

    – Welchen Stellenwert hat das Reisemo-tiv im gesamten literarischen Text?

    Im übrigen hat jeder Leser/jede Leserinseine/ihre eigenen Reiseerfahrungenund wird mit den Erfahrungen und Per-spektiven anderer Reisender leicht ver-gleichen können.

    Verwendete oder zitierte literarischeWerke

    Neue deutschsprachige Kurzprosa zum Reise-Thema: Bernhard, Thomas (1931–1989): »Expedi-

    tion«. In: ders.: Der Stimmenimitator.Frankfurt a. M.: Suhrkamp, 1987 (st 473),150–152.

    Duve, Karen: »Der Indianer«. In: dies.: KeineAhnung. Erzählungen. Frankfurt a. M:Suhrkamp, 1999 (st 3035), 53–59.

    Kirchhoff, Bodo: »Tschakwau«. In: ders.:Ferne Frauen. Frankfurt a. M.: Suhrkamp,1987, 94–104.

    Menasse, Robert: »Starten, Neubeginnen…«. In: Hielscher, Martin (Hrsg.): Wennder Kater kommt. Köln: Kiepenheuer, 1996,11 f.

    Ransmayr, Christoph: Die Schrecken des Eisesund der Finsternis. Frankfurt a. M.: Fi-scher-Taschenbuchverlag, 1987, 9.

    Schwerdtfeger, Malin: »Mein erster Acht-tausender«. In: ders.: Leichte Mädchen.Köln: Kiepenheuer, 2001, 9–16.

    Späth, Gerold: »Midlife Reise«. In: ders.:Sacramento. Neun Geschichten (1983).Frankfurt a. M.: Fischer-Taschenbuchver-lag 1989, 131–139.

    von Uslar, Moritz: »Davos«. In: Kracht,Christian (Hrsg.): Mesopotamia. Stuttgart:DVA, 1999, 13–29.

    Widmer, Urs: Eine Geschichte aus New York.In: ders.: Auf auf ihr Hirten! Die Kuh hautab! Zürich: Diogenes, 1988, 20–22.

    Youssafi, Abdellatif: »Ich heirate einenHund«. In: Jamal, Tuschik (Hrsg.): Mor-genLand. Neueste deutsche Literatur. Frank-furt a. M.: Fischer-Taschenbuchverlag,2000, 217–231.

    (Nachfragen an [email protected])

    Ausgewählte deutschsprachige Reise-Romaneder Gegenwart Buch, Hans Christoph: Die Hochzeit von

    Port-au-Prince. Frankfurt a. M. 1984; HaïtiChérie. Frankfurt a. M. 1990 u. a.

    Capus, Alex: Munzinger Pascha. Zürich1997.

    Fichte, Hubert: Xango. Frankfurt a. M. 1976u. a.

    Florescu, Catalin Dorian: Wunderzei. Zürich;München 2001.

    Genzmer, Herbert: Letzte Blicke, flüchtige De-tails. Frankfurt a. M.; Leipzig 1995.

    Kirchhoff, Bodo: Infanta. Frankfurt a. M.1989; Mexikanische Novelle. Frankfurta. M. 1984; Der Sandmann. Frankfurt a. M.1992 u. a.

    Köpf, Gerhard: Der Weg nach Eden. Mün-chen; Zürich 1994.

    Kracht, Christian: Faserland. Köln 1995.Kracht, Christian: 1979. Köln 2001. Krausser, Helmut: Könige über dem Ozean.

    München 1989. Kühn, Dieter: Beethoven und der schwarze

    Geiger. Frankfurt a. M. 1990. Muschg, Adolf: Im Sommer des Hasen. Zü-

    rich 1965; Baiyun oder die Freundschaftsge-sellschaft. Frankfurt a. M. 1980.

    Nadolny, Sten: Die Entdeckung der Langsam-keit. München 1983; Selim oder die Gabe derRede. München 1990.

    Ortheil, Hanns-Joseph: Abschied von denKriegsteilnehmern. München 1992.

    Özdogan, Selim: Nirgendwo & Hormone. Ber-lin 1996.

    Ransmayr, Christoph: Die Schrecken des Eisesund der Finsternis. München 1984; Dieletzte Welt, Nördlingen 1988.

    Roes, Michael: Leeres Viertel. Rub’ al-Khali.Frankfurt a. M. 1996.

    Rosei, Peter: Entwurf für eine Welt ohne Men-schen / Entwurf zu einer Reise ohne Ziel.Salzburg 1975/1999.

    Rosenlöcher, Thomas: Die Wiederentdeckungdes Gehens beim Wandern. Harzreise. Frank-furt a. M. 1991.

    Roth, Gerhard: Winterreise. Frankfurt a. M.1978.

    Schrott, Raoul: Finis Terrae. Innsbruck 1995;Die Wüste Lop Nor. Novelle. München2000; Tristan da Cunha oder Die Hälfte derErde. München 2003.

    Sebald, W. G.: Die Ringe des Saturn. Eineenglische Wallfahrt. Frankfurt a. M. 1995;Austerlitz. München 2001.

  • 12

    Späth, Gerold: Sindbadland. Frankfurt a. M.1984; Die gloriose White Queen. Göttingen2001.

    Stadler, Arnold: Feuerland. Salzburg 1992. Stangl, Thomas: Der einzige Ort. Graz; Wien

    2004. Timm, Uwe: Morenga. München 1978; Vogel,

    friss die Feige nicht. Römische Aufzeichnun-gen. Köln 1989.

    Trojanow, Ilija: Die Welt ist groß und Rettunglauert überall. München 1996.

    Vertlib, Vladimir: Zwischenstationen. Wien;München 1999.

    Widmer, Urs: Die Forschungsreise. Ein Aben-teuerroman. Zürich 1974; Im Kongo. Zürich1996.

    Woelk, Ulrich: Amerikanische Reise. Frank-furt a. M. 1996.

    Sekundärliteratur Bachmann-Medick, Doris: »Texte zwischen

    den Kulturen: ein Ausflug in ›postkoloni-ale Landkarten‹«. In: Böhme, Helmut;Scherpe, Klaus (Hrsg.): Literatur und Kul-turwissenschaften. Positionen, Theorien, Mo-delle. Reinbek: Rowohlt, 1996, 60–77.

    Bausinger, Hermann (Hrsg.): Reisekultur.Von der Pilgerfahrt zum modernen Touris-mus. München: Beck, 1991 (2. Auflage1999).

    Brenner, Peter J.: Der Reisebericht. Die Ent-wicklung einer Gattung in der deutschenLiteratur. Frankfurt a. M.: Suhrkamp,1989.

    Brenner, Peter J.: »Die Erfahrung derFremde. Zur Entwicklung einer Wahr-nehmungsform in der Geschichte desReiseberichts«. In: ders.: Der Reisebericht.Die Entwicklung einer Gattung in der deut-schen Literatur. Frankfurt a. M.: Suhr-kamp, 1989, 14–49.

    Florack, Ruth: »Stereotypenforschung alsBaustein zu einer Interkulturellen Litera-turwissenschaft«. In: Wiesinger, Peter(Hrsg.): Akten des X. Internationalen Ger-manistenkongresses Wien 2000. Bd. 9. Bern:Lang, 2003, 37–42.

    Freund, Wieland: »›Eine Generation vonWallfahrern‹. Roadnovels – Sehr europä-ische ›Amerikanische Reisen‹«. In:Freund, Wieland; Freund, Winfried(Hrsg.): Der deutsche Roman der Gegen-wart. München: Fink, 2001, 45–52.

    Großklaus, Götz: »Reisen in die fremdeNatur. Zur Fremdwahrnehmung im Kon-

    text der bürgerlichen Aufstiegsge-schichte«, Jahrbuch Deutsch als Fremdspra-che 8 (1982), 72–85.

    Gutjahr, Ortrud: »Alterität und Interkultu-ralität«. In: Benthien, Claudia; Velten,Hans Rudolf (Hrsg.): Germanistik als Kul-turwissenschaft. Eine Einführung in neueTheoriekonzepte. Reinbek: Rowohlt 2002,345–369.

    Heinritz, Reinhard: »›Fremde Wildnis‹.Über den neuen deutschsprachigen Rei-seroman«, Jahrbuch Deutsch als Fremdspra-che 17 (1991), 72–93.

    Holdenried, Michaela: »Künstliche Hori-zonte. Ein Beitrag zum Methodendiskursin der Reiseliteraturforschung am Bei-spiel neuerer Reiseberichte«. In: Wiesin-ger, Peter (Hrsg.): Akten des X. Internatio-nalen Germanistenkongresses Wien 2000.Bd. 9. Bern: Lang, 2003 (Jahrbuch fürInternationale Germanistik, Reihe A, Bd.61), 79–85.

    Honold, Alexander: »Das Weite suchen.Abenteuerliche Reisen im postmodernenRoman«. In: Harbers, Henk (Hrsg.): Post-moderne Literatur in deutscher Sprache: EineÄsthetik des Widerstands? Amsterdam: At-lanta 2000, 371–396.

    Hudson-Wiedenmann, Ursula: »Kulturthe-matische Literaturwissenschaft«. In Wier-lacher, Alois; Bogner, Andrea: (Hrsg.):Handbuch interkulturelle Germanistik.Stuttgart; Weimar: Metzler, 2003, 448–456.

    Jost, Herbert: »Selbst-Verwirklichung undSeelensuche. Zur Bedeutung des Reisebe-richts im Zeitalter des Massentouris-mus«. In: Brenner, Peter J. (Hrsg.): DerReisebericht. Die Entwicklung einer Gattungin der deutschen Literatur. Frankfurt a. M.:Suhrkamp, 1989, 490–507.

    Koban, Andrea: »Die Reise als Gegenstandvon Cultural Studies für den Fremdspra-chenunterricht«, Jahrbuch Deutsch alsFremdsprache 25 (1999), 315–325.

    Köstlin, Konrad: »Kulturen im Prozeß derMigration und die Kultur der Migratio-nen«. In: Chiellino, Carmine (Hrsg.): In-terkulturelle Literatur in Deutschland. EinHandbuch. Stuttgart; Weimar: Metzler,2000, 365–386.

    Krusche, Dietrich: »Fremde als Metapher.Beispiele aus der deutschen Lyrik seit derJahrhundertwende«, Jahrbuch Deutsch alsFremdsprache 8 (1982), 86–101.

  • 13

    Krusche, Dietrich: »Europäer als Fremde«.In: ders.: Japan. Konkrete Fremde: Dialog miteiner fernen Kultur. Stuttgart: Hirzel, 1983,7–12.

    Krusche, Dietrich: »Utopie und Allotopie.Zur Geschichte des Motivs der außereu-ropäischen Fremde in der Literatur«,Jahrbuch Deutsch als Fremdsprache 11(1985), 131–156.

    Laermann, Klaus: »Raumerfahrung und Er-fahrungsraum. Einige Überlegungen zuReiseberichten aus Deutschland vomEnde des 18. Jahrhunderts«. In: HansJoachim Pichotta (Hrsg.): Reise und Uto-pie. Zur Literatur der Spätaufklärung.Frankfurt a. M.: Suhrkamp, 1976 (es 766),57–97.

    Lücke, Bärbel: »Zu Robert Menasses Ro-mantrilogie Sinnliche Gewißheit – SeligeZeiten, brüchige Welt – Schubumkehr«, Lite-ratur für Leser 4 (1998), 349–367.

    Lützeler, Paul Michael (Hrsg.): Schriftstellerund »Dritte Welt«. Studien zum postkoloni-alen Blick. Tübingen: Stauffenburg, 1998.

    Michel, Willy: »Exotische Fremde und re-gionale Fremde. Teil I: Georg ForstersReise um die Welt und die Ansichten vomNiederrhein«, Jahrbuch Deutsch als Fremd-sprache 8 (1982), 39–58.

    Michel, Willy: »Exotische Fremde und re-gionale Fremde. Teil II: Entwicklungsge-fälle und industrielle Fremde«, JahrbuchDeutsch als Fremdsprache 8 (1982), 59–71.

    Michel, Willy: »Modelle der Fremdwahr-nehmung und Projektionen im literari-schen Reisebericht und im Roman beiKoeppen, E. Jünger, Nizon, Muschg,Handke und Grass«, Jahrbuch Deutsch alsFremdsprache 11 (1985), 157–178.

    Opitz, Alfred: »Das ›innere Auge‹. Zur Pro-blematik der interkulturellen Imagina-tion in der Reiseliteratur des 19. Jahrhun-derts«. In: Thum, Bernd; Fink, Gonthier-

    Louis (Hrsg.): Praxis interkultureller Ger-manistik. Forschung, Bildung, Politik. Mün-chen: iudicium, 1993, 659–668.

    Opitz, Alfred: »Berichte aus der ›ZweitenHeimat‹. Zum gegenwärtigen Stand derReiseliteraturforschung«. In: Wiesinger,Peter (Hrsg.): Akten des X. InternationalenGermanistenkongresses Wien 2000. Bd. 9.Bern: Lang, 2003 (Jahrbuch für Internatio-nale Germanistik, Reihe A, Bd. 61), 87–92.

    Raymond, Petra: Von der Landschaft im Kopfzur Landschaft aus Sprache: die Romantisie-rung der Alpen in den Reiseschilderungenund die Literarisierung des Gebirges in derErzählprosa der Goethezeit. Tübingen: Nie-meyer, 1993.

    Sander, L. Gilman; Steinicke, Hartmut(Hrsg.): Deutsch-jüdische Literatur der 90erJahre. Berlin: Schmidt, 2002.

    Sauder, Gerhard: »Formen gegenwärtigerReiseliteratur«. In: Fuchs, Anne; Harden,Theo (Hrsg.): Reisen im Diskurs. Heidel-berg: Winter, 1995, 552–573.

    Sieben, Uwe: »Literaturdidaktische Annä-herungen an interkulturelles Mitteln amBeispiel von Reiseberichten aus verschie-denen Epochen«, Info DaF 27, 5 (2000),534–551.

    Thum, Bernd; Lawn-Thum, Elizabeth:»›Kulturprogramme‹ und ›Kulturthe-men‹ im Umgang mit Fremdkulturen:Die Südsee in der deutschen Literatur«,Jahrbuch Deutsch als Fremdsprache 8 (1982),1–38.

    Wild, Inge: »›Mein Afrika‹ – Zivilisations-kritik und Sehnsucht nach dem Ursprungin deutschsprachigen Reiseberichten zuSchwarzafrika«, Jahrbuch Deutsch alsFremdsprache 16 (1990), 90–121.

    Zwirner, Barbara: Besseres Land – SchöneWelt. Sozialistischer Patriotismus und Welt-erfahrung in der Reiseliteratur der DDR.Dissertation FU Berlin, 1986.

  • 14

    Probleme chinesischer Deutschlerner im Schrei-ben – Analyse der Schreibaufgaben im TestDaF-Modellsatz

    Jin Zhao

    1. Einleitung: der erste TestDaF in China Seit einigen Jahren ist zu beobachten, daßzunehmend mehr Chinesen in Deutsch-land studieren (vgl. Chen Yü 2003: 31)1.Jedoch kehren jährlich auch viele ohnejegliche Abschlüsse nach Hause zurück,einige scheitern am Studium an sich, vielmehr aber an der DSH (Deutsche Sprach-prüfung für den Hochschulzugang aus-ländischer Studienbewerber), bevor sieüberhaupt studieren können2. Insofernist es eine gute Nachricht für viele chine-sische Deutschlerner, daß TestDaF seitdem Jahr 2003 auch in China jährlichzweimal angeboten wird. ChinesischeStudierende können so bereits in ihremHeimatland ihr Sprachniveau auf dieProbe stellen, um zu überprüfen, ob ihreDeutschkenntnisse für ein Studium in

    Deutschland ausreichen (zur Darstellungdes TestDaF siehe Projektgruppe TestDaF2000, Grotjahn/Kleppin 2001, Kniffka2002). Die erste Prüfung in China fand am 5.April 2003 jeweils in fünf Testzentrenstatt. Um die Prüflinge gezielt daraufvorzubereiten, hatte die Deutsche Fakul-tät der Tongji-Universität in Shanghaivom 20.1.–29.3.2003 einen Vorbereitungs-kurs im Umfang von 225 Stunden veran-staltet. Über einen Auswahltest wurden23 Studierende in den Kurs aufgenom-men, die 800 bis 1000 Stunden Deutsch-unterricht bereits absolviert hatten. Je-doch war ihr Sprachniveau in Bezug aufdie vier Fertigkeiten äußerst heterogen,weil sie verschiedene Deutschkurse mitunterschiedlicher Qualität3 absolviert

    1 Nach Angaben des DAAD in Beijing machen chinesische Studierende bereits 6 % derca. 1,8 Millionen ausländischen Studierenden in Deutschland aus (vgl. Chen Yü 2003:31).

    2 Informationen von chinesischen Studenten in Deutschland und von Kursbesuchern ander Tongji-Universität in China, die aus Deutschland zurückkommen und erneutDeutsch lernen.

    3 Derzeit gibt es in China mehrere Möglichkeiten, Deutsch zu lernen: Deutsch alsstudienbegleitende erste oder zweite Fremdsprache an einigen Universitäten, in Inten-sivkursen oder in Abendkursen bzw. Wochenendkursen, die kommerziell von staatli-chen Institutionen oder privaten Sprachschulen organisiert werden.

    DaF im Ausland

    Info DaF 32, 1 (2005), 14–27

  • 15

    hatten. Aber insgesamt zeigte sich beiden Kursteilnehmern die Tendenz, daßsie Grammatik relativ gut beherrschtenund kompetent beim Leseverstehen wa-ren. Dagegen hatten die meisten erhebli-che Probleme beim Hören, Sprechen undSchreiben. Im folgenden werde ich versu-chen, die Schwierigkeiten der chinesi-schen Lernenden im Schreiben anhandder Schreibaufgabe im TestDaF-Modell-satz zu umreißen, damit Lehrende imSchreibunterricht bzw. im TestDaF-Kursfür Chinesen gezielte Methoden einset-zen und den Lernenden effektiv helfenkönnen.

    2. Kurze Vorstellung und Analyse derSchreibaufgabe im TestDaF-Modell-satz Beim schriftlichen Teil des TestDaF habenPrüfungsteilnehmer zuerst 5 MinutenZeit, die Anleitung zu lesen. Hierin wer-den die Prüflinge darauf aufmerksamgemacht, daß sie in zwei Abschnittenjeweils eine Graphik durch Wiedergabealler wichtigen Informationen zu be-schreiben und durch Argumentation zueinem Aspekt des Themas Stellung zunehmen haben; die beiden Teile müssenaber miteinander verbunden sein. Dar-über hinaus wird noch ausdrücklich be-tont, daß eine klare Struktur und einlogischer Gedankengang wichtiger alsgrammatische Korrektheit sind (sieheAnhang 1). Für die konkrete Schreibaufgabe werden60 Minuten zur Verfügung gestellt. DasThema im Modellsatz ist »Studiengebüh-ren«, dabei werden Hintergrundwissenüber die Abschaffung der Studiengebüh-ren in den 60er Jahren und die neueEinführungsdiskussion in Deutschlandknapp dargestellt und eine Graphik überStudiengebühren in einigen europä-ischen Ländern sowie zwei gegensätzli-che Thesen in der Diskussion über Studi-

    engebühren vorgegeben. Die Aufgaben-stellung ist ebenfalls klar strukturiert, diePrüflinge sollen bei der Beschreibung derGraphik die Höhe und die Bandbreite derStudiengebühren vergleichen und bei derArgumentation zuerst die zwei Thesenparaphrasieren, dann eine eigene Stel-lungnahme begründen und schließlichdie Situation im Heimatland darstellen(siehe Anhang 2). Aus dieser kurzen Darstellung läßt sichersehen, daß es sich bei den zu erstellen-den Texten um zwei Textsorten handelt,nämlich Beschreibung und Erörterung. DieTextproduktion ist durch die Vorlage ge-steuert und die Makrostruktur des Textesist ebenfalls durch die Aufgabenstellungvorgegeben. Aber trotzdem haben dieSchreibenden bei der Erörterung nocheinen gewissen produktiven Spielraum,indem sie eigene Argumente vorbringen,die Argumentation organisieren und aufdas eigene Heimatland beziehen können.Beurteilt werden die für das Studium inDeutschland wichtigen Sprachhandlun-gen bzw. Fähigkeiten, wie z. B. relevantevon irrelevanten Informationen zu unter-scheiden und dann zusammenzufassen,Informationen zu strukturieren und zu-sammenhängend zu beschreiben, Fremd-meinungen zu paraphrasieren, mit unter-schiedlichen Meinungen umzugehen, ei-gene Standpunkte zu präsentieren undzu begründen, Argumente logisch darzu-legen usw.

    3. Probleme der chinesischen Studentenbeim Schreiben Schon am Anfang des Kurses wurde vonden Teilnehmern verlangt, die Prüfungs-situation nachahmend, den Modellsatzim Kurs durchzuführen, um den Ist-Zu-stand ihres Sprachniveaus festzustellen.Die daraus resultierenden Probleme be-züglich der Schreibfertigkeit werden wiefolgt zusammengefaßt und analysiert.

  • 16

    3.1 Aufgabenbedingte Probleme Zwar werden die Anforderungen zur Gra-phikbeschreibung deutlich formuliert,daß sowohl die Höhe als auch die Band-breite der Studiengebühren verglichenwerden sollen, und zusätzlich wird auchdas Wort »Bandbreite« erklärt, aber nurzwei von 23 Kandidaten haben wirklicheinen Vergleich der Bandbreite angestellt.Die anderen gehen entweder überhauptnicht darauf ein, oder sie haben nur beimVergleich oder bei der Darstellung derGebührenhöhe in einzelnen Ländern dieBandbreite am Rande erwähnt, wie bei-spielsweise: »In Großbritannien bezahltman die Studiengebühren, jährlich maxi-mal 7000 DM und minimal 1900 DM«. Beider retrospektiven Befragung haben dieTeilnehmer diesbezüglich erklärt, es seieine so komplexe Aufgabe, daß sie in einergestellten Prüfungssituation einen schonnervös mache. Denn in ihrem früherenDeutschunterricht hätten sie nicht viel ge-schrieben, und meistens seien dieSchreibaufgaben eindeutig formuliert ge-wesen, wie »Schreiben Sie einen Aufsatzüber …«, und bestünden nicht wie die imTestDaF aus mehreren Sequenzen undInhaltsvorgaben. Außerdem hätten sieAngst davor, daß ihnen nicht genug Zeitzum Schreiben zur Verfügung stehe; des-wegen hätten sie die Aufgabenstellungnur flüchtig gelesen und sofort zum Stiftgegriffen, so daß der Vergleich der Band-breite zu kurz gekommen sei. Einige er-wähnten aber auch, daß sie die Unter-schiede der Studiengebühren in einzelnenLändern im Text wiedergegeben und sichdeswegen gewundert hätten, warum diesnicht ausreiche. Sie scheinen die Bedeu-tung des Begriffs »Vergleich« nicht richtigverstanden zu haben.

    Ein anderes Problem ist die Paraphrase.Über 90 % der Kursteilnehmer haben diezwei Thesen fast nur mit Veränderungender Wortstellung in Originalsätzen wie-dergegeben, einige von ihnen haben höch-stens manche Satzteile in Passivsätze um-geschrieben. Noch schwerer wiegt, daßbei der Aussage für die Studiengebührenoft nur ein Teilaspekt wiedergegebenwird, der andere Teil – »und die Studentensind motivierter, gute Leistungen zu er-bringen« – wird schlicht weggelassen. An-scheinend verstehen die Lernenden nicht,was »mit eigenen Worten« Aussagen wie-derzugeben bedeutet und wie dies zumachen ist. Denn sie haben zwar viel aufDeutsch gelesen, aber der deutsche Inputwird oft schnell ins Chinesische übertra-gen oder im Unterricht sogar Satz für Satzins Chinesische übersetzt, so daß sie nochweithin auf Chinesisch denken.

    3.2 Ausdrucksbezogene Probleme Wir lesen zuerst gemeinsam den folgen-den Abschnitt eines Teilnehmertextes be-züglich der Graphikbeschreibung1: 1. In Deutschland, Frankreich, Österreich

    und Schweden verlangen die Hochschu-len keine Studiengebühren. Italien folgt.Die Studiengebühren sind dort 255–765DM. Dann sind die Gebühren in Belgienim Minimum 100 DM und höchstens1050 DM. In Schweden muß man 600–1500 DM ausgeben. In den Niederlandensind die Gebühren einheitlich, sie sind2160 DM. Die Studiengebühren sind inGroßbritannien am höchsten, man muß1900–7000 DM dafür zahlen.

    Aus diesem Abschnitt ist nicht schwer zuersehen, daß es mehrere Probleme gibt,daß z. B. die einzelnen Sätze nur loseaneinandergereiht und nicht miteinanderverknüpft sind und daß die graphischenInformationen nur verbalisiert, aber nichtzusammengefaßt bzw. explizit verglichen

    1 Die in dieser Arbeit benutzten Beispielsätze oder Abschnitte aus Teilnehmertexten sindvon der Autorin grammatisch z. T. verbessert, um das Verstehen zu erleichtern.

  • 17

    werden. Darauf wird in 3.3 und 3.5 nochgesondert eingegangen. Aber abgesehendavon ist klar, daß es den Lernenden anRoutineausdrucksmitteln fehlt. Die Zah-len werden hier meistens mit Hilfe desKopulaverbs sein zum Ausdruck ge-bracht, und der einzige Vergleich wirdlediglich durch die Struktur am höchstensein formuliert. Dabei kommen eine ganzeReihe von Ausdrucksmitteln zum Zahlen-beschreiben und Zahlenvergleichen garnicht zum Tragen, wie »Die Studiengebühren betragen …«, »Die Studiengebühren machen … aus.«, »Die Studiengebühren belaufen sich auf…«, »Im Vergleich mit …«, »Verglichen mit …« etc.

    Auch bei anderen Textteilen ist es auffäl-lig, daß die Lernenden z. B. Routineaus-drücke zur Formulierung von zwei Ge-genmeinungen oder zum Übergang vonder These auf die Argumente nicht ken-nen oder nicht anwenden können. Des weiteren sind die Ausdrücke derLernenden z. T. vom Chinesischen starkbeeinflußt. Dazu ein paar Beispielsätzeaus den Teilnehmertexten: 2. Studiengebühren sind ein stark diskutier-

    tes Thema. 3. Die Studiengebühren sind in Großbritan-

    nien am teuersten. 4. Die Studiengebühren sind innerhalb ein-

    zelner Länder verschieden. 5. China hat wirtschaftlich große Schritte

    gemacht. 6. Unter allen Ländern hat Großbritannien

    mit 1900–7000 DM den ersten Platz einge-nommen. Es folgen die Niederlande unddie Schweiz. An der letzten Stelle stehtItalien. (Unterstreichung von der Auto-rin)

    Die Ausdrücke im Beispielsatz 2. und 3.haben jeweils ein chinesisches Äquivalent,sind direkt aus dem Chinesischen insDeutsche übertragen. Auch in den übri-gen drei Sätzen zeichnen sich chinesischeAusdrucksgewohnheiten ab. Denn Chine-sisch ist eine analytische Sprache, in der

    der Sprachkontext eine besondere Bedeu-tung besitzt und viele Ausdrücke an sichoft nicht eindeutig und erst im Kontextbzw. mit Hilfe der eigenen Erfahrungen zuverstehen sind. Schließlich ist beim Auf-satzschreiben im Chinesischen davon dieRede, daß man vieles oft nur fühlen, abernicht mit Worten ausdrücken kann oderbraucht (Genaueres über die Besonderhei-ten der chinesischen Denkweise beimSchreiben aufgrund der chinesischen Zei-chensprache vgl. Tao Jiawei 1998: 12–28).Insofern glauben die chinesischen Studie-renden, daß sich die Verschiedenheit derStudiengebühren im Satz 4. selbstver-ständlich auf die Höhe der Gebühren be-ziehe, denn es sei jedermann anhand derGraphik klar. Und was die »großenSchritte« betrifft (5.), seien es natürlich»Fortschritte«, aber nicht »Rückschritte«,da jeder gesehen oder gelesen habe, daßdie Wirtschaft in China seit Jahrzehntenboomt. Nicht zuletzt meint man mit dem»ersten Platz« die höchsten Studienge-bühren und mit der »letzten Stelle« dieniedrigsten (6.), denn durch die Reihen-folge der Länder in diesem Satz und mitHilfe der Graphik solle jeder dies erken-nen. Wenn solche vom Chinesischen starkgeprägten Ausdrücke bzw. Denkweisenin einen deutschen Text transferiert wer-den, erscheinen die Formulierungen unlo-gisch oder unverständlich.

    3.3 Probleme der Vertextungsmittel Ein wichtiges Merkmal von Text ist diegewebeartige Aufeinanderbezogenheitder einzelnen Sätze und der einzelnenAbschnitte (eine allgemein gängige Defi-nition von Text besagt: Text ist eine in sichabgeschlossene, syntaktisch-semantischzusammenhängende Abfolge sprachli-cher Zeichen mit erkennbarer kommuni-kativer Funktion; vgl. Esser 2003: 292).Beispiel 1. in 3.1 hat aber gezeigt, daß dieLernenden die Sätze nur hintereinanderschreiben, ohne die Sätze durch Konnek-

  • 18

    toren miteinander zu verknüpfen, so daßkein enger Zusammenhang der Sätze zu-stande kommt. Außerdem verwenden siedie Konnektoren – wenn überhaupt – oftfalsch, was erhebliche Verstehenspro-bleme und logische Verwirrung verur-sacht: 7. In meinem Heimatland verlangen die

    Hochschulen Studiengebühren. Deswe-gen können viele Studenten studieren,weil sie Studiengebühren zahlen können.Und viele arme Studenten müssen wäh-rend des Studiums arbeiten. (Unterstrei-chung von der Autorin)

    In diesem Abschnitt hat der Lerner daskausale deswegen konsekutiv benutzt, sodaß man den Gedankengang des Schrei-benden nicht mehr nachvollziehen kann. Darüber hinaus fehlen in den Texten derTeilnehmer oft kohäsionsstiftende Mittelbzw. metakommunikative Verweismittel,welche die Gedanken strukturieren bzw.das Verstehen der Leser erleichtern. ZweiAbschnitte aus Teilnehmertexten zeigendies: 8. [Nach der Präsentation der zwei Thesen

    wird geschrieben]: Hochschulen sollenkeine Studiengebühren verlangen. JederStudent, ob dessen Familie reich oderarm ist, soll die gleiche Chance haben zustudieren. Bildung ist nicht nur die indi-viduelle Aufgabe, sondern auch die derganzen Gesellschaft.

    9. Das Studium in Deutschland soll ein biss-chen Gebühren kosten. Erstens, die Uni-versität kann mehr Geld haben und dasStudienangebot verbessern. Zweitens,die Studenten können motivierter sein.

    Beispiel 8. enthält einen Argumentations-akt mit einer These und zwei Argumen-ten, welche der Leser jedoch selbst zusuchen und zu ordnen hat. Denn die ei-gene Stellungnahme folgt direkt der Prä-sentation der zwei Fremdaussagen, ohneVerweis darauf, daß es jetzt um meineMeinung geht. Auch zwischen den beidenArgumenten ist kein Strukturierungsmit-tel aufzufinden, so daß dem Leser nichtsignalisiert wird, daß es sich hier um zwei

    Argumente handelt. Zudem besteht zwi-schen der These und den Argumentenkein Übergang, der z. B. durch einen Satzwie »Dafür gibt es folgende Gründe« rea-lisiert werden könnte. Dies hat zur Folge,daß eine gewisse Lücke in der themati-schen Kohärenz entsteht und dem Leserdas Verstehen erschwert wird. DasselbeProblem zeigt auch der Beispielsatz 9.

    3.4 Stilistische Probleme Marianne Lehker ist in ihrem Buch Textim chinesischen Aufsatzunterricht durchdie Untersuchung chinesischer und deut-scher Texte aus verschiedenen Textsortenzu dem Ergebnis gekommen, daß in derchinesischen Beschreibung und Argu-mentation eine affektive Ansprache desRezipienten üblich ist (vgl. Lehker 1997:116 und 244). Was die chinesischen argu-mentativen Texte angeht, liegt ihre Funk-tion nicht nur darin, die Meinung desRezipienten zu beeinflussen, sondern ihnauch aufzufordern, bestimmte Handlun-gen zu befolgen (vgl. Lehker 1997: 156).Auf diese Besonderheit chinesischer Ar-gumentation hat auch Yin Lanlan hinge-wiesen (vgl. Yin Lanlan 1999: 144). In unseren Teilnehmertexten sind eben-falls zwei der hier benannten stilistischenMerkmale aufzufinden, nämlich ein af-fektiv-subjektives1 und ein appellatives(vgl. Lehker 1997: 137 f.). Was den affektiv-subjektiven Stil betrifft,gehen die Texte der Lernenden bei derGraphikbeschreibung ziemlich persön-lich und oft mit Kommentar bzw. eigenenInhaltsergänzungen vor. Folgende Bei-spiele belegen dies:

    10. Es fällt mir auf, / Ich finde, daß dieStudiengebühren in Großbritannien amhöchsten sind.

    11. Die Studenten müssen in Belgien, Ita-lien, in der Schweiz und in den Nieder-landen Studiengebühren bezahlen, abernicht viel. Es geht nur von 100 DM bis2160 DM.

  • 19

    12. Man kann auch aus diesem Schaubildfolgern, daß Großbritannien auch denstärksten Unterschied von Studienge-bühren zwischen verschiedenen Teilendes Landes hat, vor allem zwischen ver-schiedenen Fächern. (Unterstreichun-gen von der Autorin).

    Die Nennung der eigenen Person durch»ich« (10.), die subjektive Meinungsäuße-rung durch Kommentieren der Informa-tionen (11.) und die von der graphischenVorlage unabhängigen Phantasieergän-zungen (12.) verstoßen direkt gegen diestilistischen Kriterien der deutschen Text-sorte »Beschreibung«, die sachlich undobjektiv sein soll und verlangt, »nur sach-liche, nachprüfbare Angaben [zu] ma-chen, nicht [zu] kommentieren« (Kabisch1990: 18, zitiert nach Lehker 1997: 244). Außerdem kommt im argumentativenTeil der Teilnehmertexte durch rhetori-sche Fragen oder Konjunktivsätze häufigEmotion zur Geltung:

    13. Aber warum muß man so viele Gebüh-ren bezahlen?

    14. Ist das die Gleichberechtigung? 15. Hätte unser Land ein noch besseres Bil-

    dungsniveau! Zudem kommt es auch vor, daß der Rezi-pient durch einen von einer intensivenemotiven Bedeutung besetzten Begriffemotional beeinflußt werden soll, odereine gewisse Zuversicht wird im Textgeäußert:

    16. Man studiert nicht nur für sich selbst,sondern auch für sein Vaterland.

    17. Ich bin sicher, mit Hilfe der Regierungund der ganzen Gesellschaft können im-mer mehr Studenten ihren Traum vomStudium verwirklichen. (Unterstrei-chung von der Autorin)

    Das Beispiel 17. hat zugleich auch eineappellative Funktion, indem die Regie-rung und die Gesellschaft indirekt aufge-rufen werden, immer mehr Studierendenzum Studium zu verhelfen. Ein solcherappellativer Stil wird auch durch Vor-schlags- und Konzeptangebote realisiert:

    18. Ich denke, bestimmte Studiengebührensollten von den Studenten bezahlt wer-den. Aber wie viel sollten die Studentenbezahlen? Es soll je nach dem Lebensni-veau der Bürger in diesem Land sein.Andererseits muß die Regierung dasStipendiumsprogramm fördern, um ar-men Studenten die Möglichkeiten zumStudium zu geben.

    19. [Nach der kurzen Beschreibung der Si-tuation in China und nach dem dement-sprechenden negativen Kommentar:] Ich glaube, daß die beste Methode ist,keine Studiengebühren für einige Semi-nare zu verlangen, aber für bestimmteSeminare muß man Gebühren zahlen.[…].

    In Beispiel 18. hat der Schreibende anstattseinen Standpunkt für Studiengebührendirekt zu untermauern einen Teilaspektseiner These zur Diskussion gestellt,nämlich die Höhe der Studiengebühren,und dann eine Lösung angeboten. Dahin-gehend wird auch der Regierung vorge-schlagen, das Stipendiensystem auf- bzw.auszubauen. Dabei geht es nicht um dieBegründung, sondern darum, wie manhandeln soll. Auch in Beispiel 19. hört derVerfasser nicht mit der Vorstellung derSituation in China auf, sondern er legtweiters ein konkretes Konzept vor, wieman es in China besser machen sollte.Dadurch werden indirekt appellative An-forderungen geäußert. Solche appellati-

    1 Nach Lehker werden folgende fünf Kategorien von Ausdrücken bzw. Textteilen als affektivverstanden: 1. direkte und indirekte Gefühlsäußerungen des Textproduzenten wie Ab-scheu, Haß, Ablehnung, Bedauern, Freude, Rührung, Zustimmung oder evaluativeAusdrücke; 2. Ausdruck des Einfühlungsvermögens gegenüber Gefühlen des Rezipienten;3. Ansprechen von Werten, von denen angenommen werden kann, daß sie auch vomRezipienten geteilt werden; 4. Lebendiger Ausdruck wie Metapher, rhetorische Fragenusw.; 5. Emotive Sprache mit vager deskriptiver, aber intensiver emotiver Bedeutung.

  • 20

    ven Sequenzen in einem argumentativen(Teil)Text schwächen bzw. verdrängendie Argumentation und verschieben denSchwerpunkt der Information. Diese affektiv-subjektiven und appellati-ven Merkmale in den Teilnehmertextenkönnten zwar auch durch Faktoren wieeine bestimmte Fremdsprachenlern-phase, Beeinflussung durch eine andereFremdsprache usw. bedingt sein, aber ichgehe davon aus, daß diese zum größtenTeil durch den Transfer aus den Schreib-konventionen der Muttersprache verur-sacht werden. Denn die Teilnehmer sinddurch das systematische Training desAufsatzschreibens in der schulischen So-zialisation der chinesischen textsorten-spezifischen Schreibweisen kundig, unddarüber hinaus befinden sie sich auf-grund der Lernbedingungen in Chinanoch in einer Lernphase, in der man nochin der Muttersprache denkt (die genaueDarstellung der Lernbedingungen s.Zhao Jin 2002: 172 ff.). Diese kulturellePrägung in den auf Deutsch geschriebe-nen Teilnehmertexten kommt auch in derTextstruktur z. T. zum Ausdruck, woraufin 3.5 eingegangen wird.

    3.5 Textsortenbezogene Probleme Chinesische Schüler lernen zwar auch,wie man Gegenstände und Vorgänge be-schreibt, aber Bildbeschreibung, darunterauch Beschreibung eines Schaubildes, istin China unüblich (vgl. Lehker 1997:240 f.). So verwundert es nicht, daß dieKursteilnehmer große Schwierigkeitenhaben, die Graphik zu beschreiben. Ei-nige Lernende beschwerten sich sogar,daß sie so viel Zeit für die Beschreibungder Graphik aufwenden müßten, daß sienicht genug Zeit hätten, den nachfolgen-

    den argumentativen Teil fertig zu schrei-ben. Die Probleme sind vor allem in zweiBereichen zu erkennen. Erstens wissendie Lernenden anscheinend nicht genau,wie man mit der Graphik umgehen sollund wie man wichtige von unwichtige-ren Informationen unterscheidet. Entwe-der listen sie die einzelnen Informationennur hintereinander auf und fassen sienicht zusammen, wie Beispiel 1. bereitsgezeigt hat. Oder sie präsentieren diegraphischen Informationen zu kompri-miert und zu knapp, ohne sie ausrei-chend zu verbalisieren. Dies sieht man imfolgenden Beispiel:

    20. In vier Ländern Deutschland, Frank-reich, Österreich und Schweden brauchtman keine Studiengebühren zu bezah-len. Im Gegensatz dazu müssen die Stu-denten in anderen Ländern so viel aus-geben. Wie das Schaubild darstellt, un-terscheiden sich die Studiengebühren inGroßbritannien von anderen Ländernsehr stark. (Unterstreichungen von derAutorin)

    Der zweite Bereich betrifft die Organisa-tion der Informationen. Dabei geht manoft nicht so vor, daß ein Thema nach demanderen abgehandelt wird, wie es imdeutschen Text üblich ist. Sondern mangibt z. B. zuerst mit der wichtigsten Infor-mation einen Überblick über das ganzeThema und dann geht man im einzelnenausführlicher darauf ein, so daß dasselbeThema wiederholt vorkommt (vgl. Ka-plan 1966: 15; Galtung 1988: 175)1. Wennes dann noch an Konnektoren und meta-kommunikativen Verweisen fehlt, dannsieht der Text (insbesondere aus der deut-schen Sicht) wie ein gedankliches Chaosaus. Ein Beispiel liefert der folgende Ab-schnitt aus einem Teilnehmertext:

    1 Kaplan beschreibt die orientalische Denkstruktur als einen sich nach innen bewegendenKreis und Galtung versteht den nipponischen intellektuellen Stil, der eine gemeinsameKulturbasis mit China hat, als ein »buddhistisch[es] Rad«.

  • 21

    21. Unter diesen Ländern sind die Studien-gebühren von Großbritannien am höch-sten. Deutschland, Frankreich, Öster-reich und Schweden verlangen keineGebühren. Die höchsten Gebühren er-reichen in Großbritannien 7000 DM proJahr. Dann sind die von Niederlanden,einheitlich 2160 DM pro Jahr. In Belgienund anderen Ländern bezahlt man un-terschiedliche Gebühren. Der Unter-schied der Studiengebühren von Groß-britannien ist am größten (1900–7000DM).

    Eine andere im Modellsatz enthalteneTextsorte ist der argumentative Text. YinLanlan weist auf der Grundlage des toul-minschen Argumentationsmodells dar-auf hin, daß Konklusion (These), Argu-ment und Schlußregel zusammen eineargumentative Grundstruktur bilden(vgl. Lanlan 1999: 31–35); im folgendenwird versucht, anhand dieser drei Ele-mente den argumentativen Teil in denTeilnehmertexten zu untersuchen unddie Probleme zusammenzufassen. Bei Betrachtung der Thesenbildung istbesonders auffällig, daß über 60 % derLernenden »die goldene Mitte« einge-nommen haben. D. h., die meisten sindweder gegen noch bedingungslos für dieStudiengebühren, sondern sie stellen ihreThese mit Ausdrücken wie »einer be-stimmten Menge der Gebühren«, »einemTeil der Gebühren« oder »ein bißchen derGebühren« so auf: Studiengebühren ja,aber nicht zu hoch. Dieser Standpunkt alssolcher ist nicht problematisch, wennman ihn begründen kann. Leider gehendie Lernenden bei der Argumentationlediglich auf einen Teilaspekt ein, ohnezu begründen, warum Studiengebührennicht zu hoch sein dürfen (siehe Beispiel9. oder Beispiel 18.), beschränkt sich ihreDiskussion nur auf die Höhe der Studien-gebühren. Dadurch wird keine vollstän-dige Argumentationssequenz gebildet. Was die Argumente angeht, können diemeisten Teilnehmer nicht aus der Vorlage

    der Argumente in der Aufgabenstellungherauskommen und eigene Beiträge lei-sten. Sie wiederholen lediglich die Aussa-gen wie »Verbesserung des Studienange-botes«, »Motivierung der Studierenden«in der Meinungsdiskussion oder »gleicheBildungschancen« in der Hintergrund-vorstellung. Außerdem ist es auffällig, daß die Argu-mente von einem kollektiven und aufop-fernden Geist erfüllt sind, denn die Stu-dierenden argumentieren immer aus derPerspektive des Staates und der Hoch-schule, ohne den Eigenstandpunkt derStudierenden einzunehmen. Aussagenwie »Der Staat braucht Geld für anderewichtige Sachen«, »Ohne Studiengebüh-ren wird sich das finanzielle Defizit desStaates erhöhen. Es ist nicht gut für diewirtschaftliche Entwicklung« oder»Wenn Studenten Studiengebühren be-zahlen, werden sie fleißiger studieren«erwecken leicht den Eindruck, daß dieStudierenden immer nur für den Staatdenken und keine eigene Position haben.Denn sie könnten wenigstens das Argu-ment liefern, daß mit Studiengebührendie Position der Studierenden gestärktund die Qualität der Lehre verbessertwird. Zudem sind manche Argumente ohnekulturspezifische Hintergrundkennt-nisse nicht leicht nachvollziehbar. Wennman die Wichtigkeit der Einführung vonStudiengebühren dadurch argumentativvertritt, daß die Studiengebühren dasEinkommen des Lehrers erhöhen und dieLehrkräfte motivieren können, hat mandie eigene kulturspezifische Situation fürselbstverständlich gehalten und kann soRezipienten aus anderen Kulturen in Ver-ständnisschwierigkeiten bringen. Es feh-len die metakommunikativen Verweisewie »in meinem Land ist es so …«. Insgesamt scheinen die Argumente zueinseitig, es mangelt an alternativenSichtweisen und Gegenargumenten.

  • 22

    Die gesamte Argumentation ist von zweigrundlegenden Strukturen geprägt, näm-lich der »Weil-deshalb-Struktur« und der»Ja-aber-Struktur«, welche sich der deut-schen deduktiven und direkten Argu-mentations- bzw. Denkweise strikt entge-genstellen (vgl. Zhao Jin 2002: 196 und201). Die »Weil-deshalb-Struktur« besagt,daß etliche Argumente, Gründe oder Er-klärungen der eigentlichen These voran-gehen, um einen gemeinsamen Rahmenan Hintergrundinformationen zu bildenund den Leser langsam zum Ergebnis zuführen (vgl. Günthner 1993: 170). Dage-gen versucht die »Ja-aber-Struktur«, di-rekte Kritik zu vermeiden und durch dievorgelagerten Zugeständnisse den Dis-sens abzuschwächen (vgl. Günthner1993: 243–279). Dies zeigt sich an denfolgenden zwei Beispielen: 22. Meiner Meinung nach haben die Gebüh-

    ren selbst nicht viel zu tun mit derQualität der Erziehung. Und die finanzi-elle Unterstützung vom Staat wird be-stimmt die Ausbildungsqualität verbes-sern, deshalb ist die Bildung eine Dauer-aufgabe des Staates. Andererseits scha-det es nicht, wenn die Studenten man-che Gebühren zahlen, weil sowohl dieHochschulen als auch die Studentenmotiviert sind. Dann kann das Studien-angebot verbessert werden und guteLeistungen der Studenten erzielt. Esscheint mir besser zu sein, daß die Stu-denten mit dem Staat zusammen arbei-ten.

    23. Es ist deutlich, daß die Studiengebührendas Studienangebot verbessern könnenund die Studenten sind auch motivier-ter. Aber wenn man arm ist, dann kannman sich die Studiengebühren nicht lei-sten, man hat keine Bildungschancenmehr. Meiner Meinung nach ist es bes-ser, keine Studiengebühren zu zahlen.(Unterstreichungen von der Autorin)

    Es ist ersichtlich, daß in den beiden Bei-spielen die These jeweils ganz am Endeder Aussage plaziert wird. In Beispiel 22.wird jedoch zuerst der Anschein erweckt,daß durch den ungeschickt benutzten

    Ausdruck »Meiner Meinung nach« dieKonklusion eingeleitet wird, der de factoaber mit »Andererseits« zusammen nurdie jeweiligen Teilaspekte bzw. Teilargu-mente präsentiert, um zu dem Ergebnisder Zusammenarbeit von Staat und Stu-denten zu kommen. Auch in Beispiel 23.gewinnt man am Anfang durch die Auf-zählung der positiven Funktionen derStudiengebühren den Eindruck, daß derVerfasser für die Studiengebühren seiund dies dann begründen würde. Den-noch nimmt die ganze Argumentations-struktur mit »Aber« eine Wende, wasdann am Ende zu der Meinung führt, daßkeine Gebühren gezahlt werden sollen. Aus Beispiel 22. leitet sich außerdemnoch ein anderes Problem ab, daß näm-lich die Argumentation an sich nicht aus-sagekräftig und der logische Zusammen-hang zwischen Argumenten und Thesenicht plausibel ist. Um auf die Teilthesezu schließen, daß die Bildung eine Dauer-aufgabe des Staates ist, hat der Schreibernur behauptet, daß die finanzielle Unter-stützung vom Staat »bestimmt« die Aus-bildungsqualität verbessern wird, aber inwelcher Weise dies genau geschehen soll,dem geht er nicht nach. Diese Unlogikder Argumentation schlägt sich nicht nurin der Abstraktheit bzw. Knappheit oderdem Themenwechsel (Beispiel 18.) nie-der, sondern auch in dem Sinnsprung derStruktur. Ein Beispiel zeigt der folgendeAbschnitt:

    24. Es darf keine Studiengebühren geben.Soviel wir wissen, ist Bildung sehr wich-tig für die Entwicklung und Verbesse-rung eines Landes. Es ist von großerBedeutung, weil Menschen eine ent-scheidende Rolle im täglichen Lebenspielen. Die Erhöhung des Lebensstan-dards ist abhängig von der Bildung.Denn gute Menschen machen gutes Le-ben und bilden einen guten Staat. Wennder Staat die Bildungskosten über-nimmt, gibt es mehr Chancen für mehr

  • 23

    Leute. (Unterstreichung von der Auto-rin)

    Im obigen Beispiel zeigt sich in zweifa-cher Hinsicht der gedankliche Bruch: Er-stens kann man von der Tatsache, daß»gute Menschen […] gutes Leben [ma-chen]« und »einen guten Staat [bilden]«,noch nicht direkt zu dem Schluß kom-men, daß Bildung wichtig für die Ent-wicklung und Verbesserung eines Lan-des ist, denn hier fehlt die entscheidendeSchlußregel, daß Bildung gute Menschenentwickeln kann. Zweitens springt derSchreiber gedanklich von der Beziehungzwischen der Bildung und der Entwick-lung eines Landes zur Beziehung zwi-schen Menschen und dem Leben mehr-fach hin und her, indem der unterstri-chene Satz ungeniert wie oben eingebet-tet ist. Denn diese Aussage gehört eigent-lich zum Gedankengang »Bildung undEntwicklung eines Landes« und sollte amSchluß des zweiten Satzes stehen. Da-durch wirkt die obige Argumentationunlogisch.

    4. Vorschläge zum Training des schriftli-chen Ausdrucks Die Probleme bzw. Schwierigkeiten derchinesischen Deutschlerner im Schreibenbezüglich des TestDaF-Modellsatzes sindz. T. in der kulturspezifischen Denkweiseund Schreibkonvention begründet, aberz. T. von ihrer Interimsprache in einerbestimmten Lernphase in einer gewissenLernumgebung und natürlich auch vonder besonderen Prüfungssituation verur-sacht. Demnach werden im folgendengezielte Vorschläge gemacht. Bei dem schriftlichen Ausdruck im Test-DaF geht es vor allem um die TextsortenBeschreibung und Argumentation, die

    hinsichtlich ihrer Textmuster, Makro-strukturen und stilistischen Merkmalegelernt werden sollen. Dabei könnenzwei Paralleltexte aus der Ziel- und Mut-tersprache zur Analyse herangezogenwerden, um die Lernenden für die text-sortenbezogenen kulturellen Unter-schiede zu sensibilisieren und das Text-muster sowie Stilmerkmale in der Ziel-kultur herauszuarbeiten. Die dadurch ge-wonnenen Einsichten sollen die Lernen-den dann in der eigenen Textproduktionumsetzen. Konkret muß den Lernern noch vermit-telt werden, wie sie aus der graphischenVorlage die Informationen in Kategoriengliedern und in einer bestimmten Rei-henfolge präsentieren. Sie sollen lernen,die Informationen in eine angemesseneReihenfolge zu bringen, damit derselbeInhalt nicht wiederholt vorkommt. Beider Argumentation ist es für Lernendewichtig, eigene Ideen zu entwickeln1 undnicht an der Vorlage zu kleben und dar-über hinaus auch mit kontroversenStandpunkten umgehen zu lernen. Daskann beispielsweise in Gruppen oder imPlenum geübt werden, indem Argu-mente und Gegenargumente gesammeltund anschließend von einer Pro- undKontra-Gruppe zur Diskussion des The-mas angewendet werden. Dabei ist be-sonders darauf zu achten, daß die Argu-mentation logisch aufgebaut wird unddaß Argument wie Schlußregel für Rezi-pienten anderer Kulturkreise ebenfallsplausibel sein müssen. Um dies zu üben,ist z. B. einerseits zu empfehlen, Argu-mentationssequenzen mit logischen Lük-ken oder mit fehlender Aussagekraft(z. T. aus Teilnehmertexten) heranzuzie-hen und gemeinsam im Kurs zu analysie-

    1 Dies ist natürlich nicht von heute auf morgen zu erlernen. Denn die meisten chinesi-schen Schüler haben in ihrer Sozialisation nur gelernt, Inhalte von den Schulbüchernoder aus der Zeitung nachzuplappern, und nicht eigene Gedanken zu entwickeln undzur Diskussion zu bringen.

  • 24

    ren und zu verbessern. Andererseits sol-len die Lernenden von der Selbstver-ständlichkeit der Eigenkultur ausgehenund sich beim Schreiben immer fragen,was man als bekannt (auch in einer ande-ren Kultur) voraussetzen kann und obdie Aussagen in der Zielkultur auch ak-zeptabel sind. Dabei können Vermei-dungs- und Metakommunikationsstrate-gien1 geübt werden. Eine andere große Schwierigkeit habendie Lernenden mit Verknüpfungsmitteln,so daß der Text ohne Kohäsionszusam-menhang Verstehensprobleme auslöst.Da die Kursteilnehmer beim Deutschler-nen ziemlich fortgeschritten sind, könnensie mit dem Lehrenden eine Liste vonKonnektoren mit syntaktischen Anwen-dungen (Subjunktionen und Konjunktio-nen von Sätzen mit oder ohne Inversion)und semantischen Bedeutungen zusam-menstellen. Eine andere wichtige Listebezieht sich auf die thematische und in-haltliche Verknüpfung, z. B. sprachlicheMittel zur Auflistung, zur Kontrastie-rung, zur Fixierung von Raum und Zeit,zur Verallgemeinerung usw., damit dieLerner die Verknüpfungsmittel auchbeim Schreiben nachschlagen können.Die entsprechende Anwendung üben dieLernenden dadurch, daß sie einen Lück-entext mit Konnektoren füllen, Einzelsät-ze in logische Reihenfolge bringen oderEinzelabschnitte in einen Text zusam-menführen. Lernertexte mit Fehlern beiVerknüpfungsmitteln eignen sich außer-dem auch gut zur gemeinsamen Analyseund Korrektur. Darüber hinaus ist es auch vonnöten, dieLernenden im Kurs sprachlich gezieltvorzubereiten. Wichtig sind vor allem die

    aufgabenorientierten Routineausdrucks-mittel, beispielsweise Sprachmittel zumZahlenvergleich und zur Zahlenbeschrei-bung, zur Präsentation von verschiede-nen Meinungen sowie zum Übergangvon der These zu Argumenten. Sie sollenzusammengefaßt und gezielt geübt wer-den. Auch paraphrasieren müssen dieTeilnehmer als Teilfertigkeit lernen, wasaber auch getrennt oder in Kombinationmit den drei anderen Sprachfertigkeitengeübt werden kann. Die Kollokationen,deren Lernen eigentlich den ganzenSprachlernprozeß durchzieht und dielangsam angesammelt werden, sind inForm von Ergänzungs- oder Zuord-nungsübungen verstärkt zu erarbeiten,damit die Lernenden darauf aufmerksamgemacht werden können, daß sich Wörternicht beliebig nach muttersprachlichenGewohnheiten kombinieren lassen. Nicht zuletzt sollen die Teilnehmer imKurs auf die Prüfungssituation vorberei-tet werden. Zum einen lassen sich dieAufgabenstellung zum schriftlichen Aus-druck sowie die Einleitung dazu gemein-sam lesen und analysieren, damit dieLerner sich bewußt sind, wie die Anfor-derungen sind und aus welchen Teilendie gesamte Aufgabe besteht. Zum ande-ren soll die Zeitplanung für dieSchreibaufgabe ebenfalls im Kurs geübtwerden. Jeder kann sich durch Probeentscheiden, wie die zur Verfügung ste-henden 60 Minuten für die einzelnenPhasen der Planerstellung, des Schrei-bens sowie Überlesens und für die einzel-nen Teilaufgaben einzuteilen sind. Dabeiist besonders zu berücksichtigen, daß diePlanungsphase relativ lang, die Überle-sensphase dagegen kurz angelegt wer-

    1 Vermeidungsstrategie bedeutet, daß der Schreiber nur die von der Herkunfts- wie derZielkultur bekannten Aussagen ausführt und sie ansonsten vermeidet. Hingegen besagtdie metakommunikative Strategie, daß man bei kulturspezifischen Aussagen Anmer-kungen anführt, daß die Aussagen nur in einer bestimmten Kultur aussagekräftig sind,und eventuell auch den entsprechenden Hintergrund erklärt.

  • 25

    den sollte. Denn in der Prüfungssituationmüssen die Prüflinge ihr Schreibproduktschließlich in korrekter Form abgeben, siemüssen den Text daher ohne größereRevisionen anfertigen. Insofern ist es zuempfehlen, daß sie zuerst die Vorlage derAufgabenstellung genau lesen, nachden-ken, Ideen sammeln und die Gedankengut strukturieren, damit der Text, den sie

    zu Papier bringen, auch der Reinschriftnahe kommt.

    5. Schluß Zum Schluß sollen hier die Prüfungser-gebnisse der Kursteilnehmer, von denen21 an dem ersten TestDaF in China teilge-nommen haben, zusammengefaßt darge-stellt werden1:

    Die obige Tabelle zeigt, daß die Prüfungs-ergebnisse mit niedriger Quote unterTDN3 (nur 9,5 % im Hörverstehen und14,3 % im mündlichen Ausdruck) insge-samt zufriedenstellend sind. Insbeson-dere haben die Kursteilnehmer im Schrei-ben mit 23,8 % des TDN5-Niveaus und52,4 % des TDN4-Niveaus einen großenErfolg erzielt, was sicherlich auch auf diegezielte Übung im Schreiben zurückzu-führen ist.

    Literatur Arras, Ulrike; Grotjahn, Rüdiger: »TestDaF:

    Aktuelle Entwicklungen«, Fremdsprachenund Hochschule 66 (2002), 65–88.

    Bohn, Rainer: »Schriftliche Sprachproduk-tion«. In: Helbig, Gerhard; Götze, Lutz;Henrici, Gert; Krumm, Hans-Jürgen(Hrsg.): Deutsch als Fremdsprache: ein inter-nationales Handbuch. Berlin; New York: deGruyter, 2001 (Handbuch zur Sprach-und Kommunikationswissenschaft, 19).

    Chen Yü 2003: »›Defu‹ kaoshi jiejue liudeyuyanchengji nanti (TestDaF löst das Pro-blem der Sprachleistung für das Studium

    in Deutschland)«, 21 shiji huanqiu baodao(21. Jahrhundert Weltberichte) 2003, 31.

    Drewnowska-Vargáné, Ewa: »Zur Entwick-lung der Schreibkompetenz bei unga-rischsprachigen Germanistikstudenten –Vorschläge aus der Sicht der Textlingui-stik«, Zielsprache Deutsch 31, 2–3 (2000),21–38.

    Esser, Ruth: »58 Übungen zum Schreiben«.In: Bausch, Karl-Richard; Christ, Herbert;Krumm, Hans-Jürgen (Hrsg.): HandbuchFremdsprachenunterricht. 4. Auflage. Tü-bingen; Basel: Francke, 2003 (UTB 8042/8043).

    Galtung, Johan: »Struktur, Kultur und intel-lektueller Stil. Ein vergleichender Essayüber sachsonische, teutonische, gallischeund nipponische Wissenschaft«. In: Wier-lacher, Alois (Hrsg.): Das Fremde und dasEigene. Prolegomena zu einer interkulturel-len Germanistik. München: iudicium,1985, 151–193 (Publikationen der Gesell-schaft für interkulturelle Germanistik, 1).

    Grotjahn, Rüdiger; Kleppin, Karin: »Test-DaF: Stand der Entwicklung und einigePerspektiven für Forschung und Praxis«,Das Wort. Germanistisches Jahrbuch GUS.Bonn: DAAD, 2000–2001, 265–284.

    1 Statistisch erarbeitet nach der Prüfungsleistung der einzelnen Teilnehmer, die von der»Arbeitsgruppe TestDaF« der Deutschen Fakultät der Tongji-Universität zusammenge-stellt wurde.

    Leseverstehen Hörverstehen Schriftlicher Ausdruck

    Mündlicher Ausdruck

    TDN5 4,8% 14,3% 23,8% 9,5%

    TDN4 47,6% 28,6% 52,4% 52,4%

    TDN3 47,6% 47,6% 23,8% 23,8%

    TDN3 9,5% 14,3%

  • 26

    Günthner, Susanne: Diskursstrategien in derinterkulturellen Kommunikation: Analysendeutsch-chinesischer Gespräche. Tübingen:Niemeyer, 1993 (Linguistische Arbeiten,286).

    Kabisch, Eva-Maria: Aufsatz 7/8 kurzgefaßt.München: Klett, 1990 (»kurz gefaßt«).

    Kaplan, Robert B.: »Cultural Thought Pat-terns in Intercultural Education«, Lan-guage Learning, 16 (1966), 1–20.

    Kast, Bernd: Fertigkeit Schreiben. Berlin;München: Langenscheidt, 1999 (Fernstu-dieneinheit 12).

    Kniffka, Gabriele: »TestDaF – Test Deutschals Fremdsprache. Sprachprüfung fürausländische Studienbewerber«. In:Schreiber, Rüdiger (Hrsg.): Deutsch alsFremdsprache am Studienkolleg – Unter-richtspraxis, Tests, Evaluation. Regensburg:FaDaF, 2002, 1–13 (Materialien Deutschals Fremdsprache, 63).

    Krischer, Barbara: »SchlüsselkompetenzSchreiben«, Zielsprache Deutsch 31, 2/3(2000), 11–19.

    Lehker, Marianne: Texte im chinesischen Auf-satzunterricht. Heidelberg: Groos, 1997.

    Lieber, Maria; Posset, Jürgen (Hrsg.): Texteschreiben im Germanistik-Studium. Mün-chen: iudicium, 1988 (Studium Deutschals Fremdsprache – Sprachdidaktik, 7).

    Projektgruppe TestDaF: »TestDaF: Konzep-tion, Stand der Entwicklung, Perspekti-ven«, Zeitschrift für Fremdsprachenfor-schung 11 (2000), 63–82.

    Tao Jiawei: Xiezuo yu wenhua (Schreiben undKultur). Shanghai: Shanghai foreign lan-guage education press, 1998.

    TestDaF-Institut 2002: Bewertungsanleitungfür Prüfungsbeauftragte. Hagen 2002.Webseite: http://www. testdaf.de

    Yin Lanlan: Interkulturelle Argumentationsana-lyse. Frankfurt a. M.: Lang, 1999 (Werk-stattreihe Deutsch als Fremdsprache, 65).

    Zhao Jin: Wirtschaftsdeutsch als Fremdspra-che: Ein didaktisches Modell – dargestellt amBeispiel der chinesischen Germanistik-Studi-engänge. Tübingen: Narr, 2002 (Forum fürFachsprachen-Forschung, 59).

    Anhang 1

    Für die folgende Aufgabe ist es wichtig, daßSie diese Anleitung genau verstehen.Bitte lesen Sie deshalb zuerst nur dieseAnleitung. Sehen Sie noch nicht die Auf-gabe an.

    Sie sollen einen Text zu einem bestimmtenThema schreiben. Zuerst beschreiben Sieeine Grafik, die einige Informationen zumThema enthält.

    Anschließend nehmen Sie zu einem Aspektdes Themas Stellung.

    Gliedern Sie den Text in zwei Abschnitte:Im ersten Abschnitt beschreiben Sie eineGrafik, die einige Informationen zumThema enthält.Im zweiten Abschnitt nehmen Sie zu einemAspekt des Themas Stellung.

    Denken Sie daran:Es soll ein zusammenhängender Text sein,d. h. zwischen beiden Abschnitten muß eseine Verbindung geben.

    Für die Beschreibung der Grafik sollten Siesich ca. 20 Minuten Zeit nehmen.Für die Argumentation sollten Sie sich ca.40 Minuten Zeit nehmen.

    Achten Sie darauf, daß– Sie bei der Grafik alle wichtigen Informa-

    tionen wiedergeben.– Sie Ihre Argumente begründen.– Sie die Beschreibung der Grafik und die

    Argumentation miteinander verbinden.

    Achten Sie auch darauf, daß der Text klargegliedert ist und der Leser Ihrem Gedan-kengang folgen kann. Dieses ist wichtigerals z. B. die grammatische Korrektheit.

    Schreiben Sie bitte auf den beigefügtenSchreibbogen.Für Entwürfe oder Notizen können Sie dasbeigefügte Konzeptpapier verwenden.Gewendet wird nur der Text auf demSchreibbogen.Bitte geben Sie am Ende des PrüfungsteilsSchriftlicher Ausdruck sowohl IhrenSchreibbogen als auch Ihr Konzeptpapierab.

    Wenn der Prüfer Sie auffordert, umzublät-tern und die Aufgabe anzusehen, dann ha-ben Sie noch 60 Minuten Zeit.

    Anhang 2

    Studiengebühren

    Bis in die 60er Jahre mußten die Studentenin Deutschland Studiengebühren zahlen.Dann wurden die Studiengebühren im Zu-sammenhang mit Universitätsreformen ab-

  • 27

    geschafft, denn alle sollten gleiche Bil-dungschancen haben. Jetzt wird inDeutschland diskutiert, ob Studiengebüh-ren wieder eingeführt werden sollen.

    Beschreiben Sie, wie die Frage von Studien-gebühren in verschiedenen europäischenLändern geregelt ist: Vergleichen Sie – die Höhe der Studiengebühren. – die Bandbreite der Studiengebühren, d. h.

    die Unterschiede innerhalb einzelnerLänder.

    In der Diskussion um Studiengebührenwerden zwei Meinungen vertreten:

    Wenn die Hochschulen Studiengebührenverlangen, dann können sie das Studien-angebot verbessern und die Studentensind motivierter, gute Leistungen zu er-bringen.

    Bildung ist eine Aufgabe des Staates, des-halb darf es keine Studiengebühr geben. – Geben Sie die beiden Aussagen mit eige-

    nen Worten wieder. – Nehmen Sie zu beiden Aussagen Stellung

    und begründen Sie Ihre Stellungnahme. – Gehen Sie auch auf die Situation in Ihrem

    Heimatland ein.

  • 28

    Sofies Welt: Zur Kompatibilität von Philosophie-geschichte und Multimedia im DaF-Unterrichtmit japanischen Studierenden nach LdL (Lernendurch Lehren)

    Plädoyer für eine Renaissance der Kulturwissenschaften

    Guido Oebel

    Über die Gedankenwerkstatt von Philoso-phen »ein wenig zu wissen, kann bei eige-nen Denkbemühungen sehr hilfreich sein«.[…] »Im Philosophieunterricht läßt sich alsolernen, was in exemplarischer Weise durchbedeutende Denker vorgedacht wurde: wiesie dachten und welche Fragen sie gestellthaben. Eventuell könnte es sogar ein Irrwegsein, und dann ist es gut, vom Scheiternanderer etwas zu erfahren.« (Fortmannnach Heller)

    1. Herausforderung und Chance: DieKrise des Deutschen (auch) in JapanDie Germanistik und nicht minderDeutsch als Fremdsprache (DaF) in Japanbefinden sich bekanntermaßen in derKrise. Die Gründe dafür sind vielfältig(vgl. u. a. Mandelartz/Yamamoto 1999;Rösler/Boeckmann/Slivensky 2000;Weinrich 2000; Umlauf/Roggausch 2001;Stassen 2001; Duppel-Takayama/Gel-lert/Hug/Weber 2003), sollen an dieserStelle aber nicht weiter erörtert werden.Stattdessen will dieser Aufsatz eine An-

    regung bieten, wie vor Ort tätigeDeutschlehrkräfte diesem offensichtli-chen Trend nachhaltig gegensteuern kön-nen, indem sie ihr Lehrangebot für japa-nische Studierende auf diejenigen Unter-richtsinhalte fokussieren, die traditionellpositiv durch das Deutsche besetzt sind,gleichzeitig den spezifischen Interessenihrer Zielgruppe entsprechen und somiteine lernermotivierendere Affinität zuDeutsch als L3 (nach i. d. R. L2 Englisch)schaffen. Daß dieses zugegebenermaßenhehre Unterrichtsziel sich nicht zwangs-läufig unter Ausschluß interaktiver undkommunikativer Unterrichtstechnikenrealisieren läßt, hat das nachfolgend be-schriebene Unterrichtsprojekt »SofiesWelt« – Philosophiegeschichte im Medienver-bund von (Hör-)Buch, Lexikon, CD und Filman der Universität Saga im Westen Japansm. E. bewiesen. Insofern stimme ich Man-delartz (2003: 107) zu, der »das Desinter-esse am Deutschen« in Japan weniger an

    Didaktik DaF / Praxis

    Info DaF 32, 1 (2005), 28–47

  • 29

    der Art seiner Vermittlung festmacht, da»das Ansehen einer Sprache« vielmehrauf den Werten beruht, »die mit ihr ver-bunden werden«. Während die »Einfüh-rung interessanter [Hervorhebung im Ori-ginal] Themen in den Deutschunterrichtdiese [in der heute vorherrschenden Un-terrichtspraxis] als Vehikel benutzt, umdie deutsche Sprache zu vermitteln«,sollte es eher darauf ankommen, »dieUnterrichtsziele auch zum Unterrichtsge-genstand zu machen« (Mandelartz 2003:107). Angesichts des m. E. in höchstemMaße verschulten Vollzeitstudienalltagsjapanischer Studierender mit in Sagadurchschnittlich fünf Lehrveranstaltun-gen täglich, woran sich in aller Regelnoch ein Studentenjob (auf Japanisch:arubeito; vgl. dazu Stroh 2004) in denAbendstunden und/oder an den Wo-chenenden anschließt, bedarf die deut-sche Sprache aufgrund ihres eher gerin-gerwertigen Status als zweite Wahl-pflichtf