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INHALT · Peter Greste und seine Kollegen Mohamed Fahmi und Baher Mohamed. Sie sollen „falsche Nachrich - ten” veröffentlicht und eine terroristische Organi- sation unterstützt

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Harald Gesterkamp | In Ägypten wird man als Jour-nalist kriminalisiert, wenn man seiner Arbeit nach-geht. Das ist die Schlussfolgerung aus dem Urteil eines Kairoer Gerichts gegen mehrere Journalistendes Fernsehsenders Al-Dschasira English. Für siebenbeziehungsweise zehn Jahre ins Gefängnis müssenPeter Greste und seine Kollegen Mohamed Fahmiund Baher Mohamed. Sie sollen „falsche Nachrich-ten” veröffentlicht und eine terroristische Organi -sation unterstützt haben – gemeint ist die Muslim-bruderschaft, die vor kurzem noch den gewähltenPräsidenten stellte.

Im Juli 2013 wurde Mohamed Mursi gestürzt, und dasMilitär hat die Macht übernommen. General AbdelFattah al-Sisi ist mit angeblich 46 Prozent Wahlbe-teiligung zum Staatschef gewählt worden, und imJanuar trat eine neue Verfassung in Kraft, die nomi-nell die Pressefreiheit garantiert. Aber das Papier isteinmal mehr geduldig.Die Justiz in Ägypten geht mit aller Härte gegen Anhänger der Muslimbrüder und liberale Kräfte vor,verhängte schon hunderte Todesurteile. Der Fernseh-sender al-Dschasira gilt als Unterstützer Mursis undwird ebenfalls nicht verschont, zuletzt in diesem Ver-fahren, das zeitweise einer Farce ähnelte (siehe S. 38).

Die Besitzverhältnisse Al-Dschasiras – der Sender gehört der Herrscherfamilie in Katar, die tatsächlichdie Muslimbrüder unterstützt hat – sind unglücklich,können aber das Vorgehen natürlich nicht rechtfer-tigen. Die verurteilten Journalisten haben währendihrer Recherche mit Mitgliedern der Muslimbruder-schaft gesprochen, Hinweise, dass sie die Gruppe unterstützt hätten, konnte das Gericht nicht finden.Folglich ist dieser Schuldspruch ein Skandal und verletzt Medienfreiheit und Rechtsstaatlichkeit ingröbster Weise.

Längst ist Ägypten in Sachen Repression wieder andem Punkt angekommen, an dem sich im arabischenFrühling 2011 der Volkszorn gegen Hosni Mubarakentlud. Da darf die internationale Gemeinschaftnicht wegsehen. Sie sollte sich für die umgehendeFreilassung der drei Journalisten einsetzen – für alledrei wohlgemerkt, nicht nur für Peter Greste, der alsAustralier weiß, dass die Regierung in Canberra fürseine Haftentlassung kämpfen wird. VerurteilteÄgypter haben keine solche Lobby. Umso wichtigerist der Einsatz der Zivilgesellschaft für ihre Freiheit.

2 M 5.2014

INHALT

TITEL AUFBRUCHSTIMMUNG

8 Aufbruchstimmung im Journalismus Von Carolin Neumann10 Krautreporter mit 17.000 Abonnenten Täglich eine Handvoll gut recherchierter Beiträge und

werbefrei11 Wissenschaft mit Substanz Geschichten mit Leidenschaft und Faktentiefe erzählen

– Offenheit für Abseitiges 12 Smartes Netzwerk Edition F Ein Wirtschaftsmedium mit weiblichem Blickwinkel12 Journalistischer Rohdiamant Das lokale Online-Magazin hh-mittendrin ist dicht dran

an den Menschen 13 Orientierung mit Tame Berliner Startup macht Twitter sinnvoll durchsuchbar14 Visitenkarte durch torial Portfolio-Plattform um der Anonymität des Marktes zu

entkommen15 Korrektiv zum Althergebrachten Stiftungen kümmern sich um journalistische Recherche-

und Bildungsarbeit

AKTUELL

4 Aus für Service-Center4 Kritik an Durchsuchung4 Neutralitätspflicht? Debattenbeitrag zum Thema „Journalist und Aktivist”

in M 1/2014 und 3/20145 Leserbriefe 5 Freiheit statt Angst am 30. August 6 Vor dem Bundeskongress Bis zum Herbst finden noch viele Konferenzen auf allen

ver.di-Ebenen statt

MEDIEN + GESELLSCHAFT

16 WDR auf Crashkurs Personalrat fordert „offene Diskussion”

und einen Strategieplan 18 Der Einfluss der Eliten Mit Uwe Krüger, wissenschaftlicher Mitarbeiter am

Institut für Kommunikations- und Medienwissenschaftder Universität Leipzig, sprach Günter Herkel

20 Nichts dazu gelernt? Mehr Sensibilität bei Berichten über Rechtsextremismus

notwendig21 Gestörtes Verhältnis zum Rechtsstaat Ein Ex-Bild-Mann verbreitet

im Weser-Kurier Stammtischparolen22 Verpflichtung zur Aufklärung Zeit nehmen für unabhängige und

hintergründige Berichte über braunen Terror23 20.000 Filmrollen gerettet Nationale Initiative für das Filmerbe und ausreichende

Finanzierung notwendig

TARIFE + BERUF

24 Tarifvertrag wieder in Kraft24 Massiver Sparkurs beim Darmstädter Echo24 In schlechter Gesellschaft

Auf ein W

ort

Schlimmer alsunter Mubarak

Abb: Hermann Haubrich

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24 Schon entdeckt? ansTageslicht.de25 Tarifergebnis angenommen 77 Prozent der Mitglieder stimmten zu25 Nord-Verleger lenkten ein Mehr Gehalt für Angestellte in Zeitungsverlagen

ab 1. Juli26 Qualität der Bilderflut Festival für jungen Fotojournalismus mit

beeindruckenden Arbeiten28 Öfter Peitsche statt Zuckerbrot Umfrage: Pressefreiheit durch Mangel an Zeit für

Recherche gefährdet29 Medienpolitische Tagung im Oktober

MEDIEN + POLITIK

30 Weniger Politikeinfluss, stärkere Gremien Mainz: ver.di-Diskussion nach dem Urteil

von Karlsruhe im ZDF31 Mehr Anträge auf Informationszugang32 Minimalstandard im Presserecht Bundesbehörden verschanzen sich hinter

umstrittenem Urteil

MEDIEN + WIRTSCHAFT

33 Abendzeitung München: Alles wird kleiner Nur ein Viertel der Mitarbeiter behält einen Arbeitsplatz33 Funke in Hamburg auf Einkaufstour33 Springer-Kundenservice zieht nach Berlin

MEDIEN + RECHT

34 Fotos auf Ebay verschleudert Urheberrechtsverletzungen bei Bildern keine Seltenheit 35 Gutes Geschäftsjahr für die VG Wort Aber weniger Einnahmen aus Reprografieabgaben36 Alles geschützt? Aktuelle Urteile zum Urheberrecht

MEDIEN + INTERNATIONAL

38 Tiefschlag In Ägypten müssen Journalisten wegen

ihrer Recherchen ins Gefängnis39 Gegen Kreml-Propaganda Neue russische Journalisten-Gewerkschaft gegründet40 Berlusconi-Syndrom Albanien auf dem Weg in die Europäische Union 41 Ein Jahr nach dem Aus von ERT Kampf für einen neuen öffentlich-rechtlichen Sender

mit Vollprogramm42 Ungarn: Der Fall Origó Deutsche Telekom beteiligt sich an Einschränkung

der Medienfreiheit

SERVICE / LEUTE

44 Buchtipps 45 Leute 46 Impressum47 Seminare

M 5.2014 3

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INHALT

Foto: C

hristian v. Polentz

SERVICE ZUM SURFEN

Der Service ist im Netz unter:http://mmm.verdi.de/service

Grafik: Hermann Haubrich

Aufbruchstimmung im Journalismus titelt M! Zuhoch gegriffen? – Nein! Was sich da derzeit auf demdeutschen Medienmarkt an neuen journalistischenProdukten entfaltet, lässt aufhorchen. ProfessionelleJournalistinnen und Journalisten nehmen ideenreichdas Steuer in die Hand und nutzen die Chancen,jenseits verlegerischer (renditeorientierter) Diktatezu recherchieren. M stellt einige „Start ups” vor (S. 8bis 15). Dabei geht es nicht um Kostenlos-Journalis-mus. Der Wert der Arbeit wird von Anfang an hochgehängt. Alternative Finanzierungsmodelle greifenvor allem in der Gründerphase, brauchen jedochkontinuierliches Abo- oder Spendenaufkommen,will man nachhaltig Erfolg haben.

Diese neuen Möglichkeiten, gut recherchierte hinter-gründige Artikel zu veröffentlichen, sowohl im Netzals auch in den Printmedien, bereichern zweifelfreiden derzeitigen Journalismusmarkt. Gleichfalls zei-gen sie einmal mehr die Defizite der herkömmlichen – privat kommerziellen, aber auch gebührenrechtlichfinanzierten – Medien auf. Diese stehen nicht um-sonst in der Kritik, Beschäftigung und damit einher-gehend journalistische Qualität vermeintlichenSparzwängen zu opfern.

Das letzte Tarifergebnis für Journalisten an Tageszei-tungen wurde von der Mehrheit der dju-Mitgliederangenommen. Jedoch konnten die letztlich nichtallzu üppigen Erhöhungen erst durch ein großesStreikengagement von Redakteuren und Freien er-reicht werden. Und ob die avisierten Absenkungenetwa beim Urlaubsgeld ein taugliches Mittel sind,um junge Leute auch in Zukunft für diesen Beruf zubegeistern, ist durchaus fraglich (S. 25).

In ähnlichem Fahrwasser oder besser gesagt aufCrashkurs befindet sich derzeit offenbar der WDR (S. 16/17). Millionenschwere Haushaltslöcher wur-den dieser Tage prognostiziert. 500 Stellen sollen ab-gebaut werden. Programmabstriche sind angezeigt.Vor allem auch für Freie keine guten Aussichten.Und all das, obwohl zum jetzigen Zeitpunkt keinMensch seriös angeben kann, wie hoch genau dieBeitragseinnahmen des Senders bis 2016 ausfallenwerden. Gewerkschaften und Personalräte fordernAlternativen, um die personelle Ausblutung und Ver-schlechterung der Programmqualität zu verhindern.

Karin Wenk, verantwortliche Redakteurin

Gründerwindfrischt auf

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Weiterlesen

Hans-Josef Heck „Neutralität – oder –Meinungsfreiheit?” www.mit-vernunft.de/freiheit-und-vernunft/ mit vier Links zu den Themen„Neutralität, Wahrheit, Objek-tivität, Überprüfbarkeit”

Wolfgang MichalDie Angst der deutschenJournalisten vor dem Aktivismuswww.carta.info/68699/die-angst-der-deutschen-journali-sten-vor-dem-aktivismus

4 M 5.2014

AKTUELL

Die Redakteure der Zeit Online, Kai Biermann und Patrick Beuth, werfen dem Journalisten Gleen Green-wald vor, er habe es an der notwendigen Distanz zu„Aktivisten und Bürgerrechtlern” fehlen lassen undsich mit ihnen „gemein” gemacht. Weiter heißt es:„Kann jemand gleichzeitig Journalist und Aktivistsein? Der eine soll beobachten und beschreiben, derandere soll kämpfen und überzeugen.”

Die Fülle der Diskussionsbeiträge zeigt, dass Mei-nungs- und Redefreiheit selbst nach nunmehr zweiGenerationen Bundesrepublik noch nicht verinner-licht sind. Sonst müsste man nicht so viele Worte da-rüber verlieren. Aufschlussreich ist nicht nur die Wahlder Worte der Zeit-Redakteure. Viel aufschlussreichererscheint mir das „soll”: Wer setzt denn fest, was einJournalist „soll”? Der Chefredakteur von Zeit OnlineJochen Wegner sieht die Funktion eines Journalistendarin, nach Wahrheit zu streben – wie ein Wissen-schaftler. Der Bezeichner, unter dem Wegners Beitragabgelegt ist, nämlich „greenwald-journalismus-akti-vismus-neutralitaet”, zeigt auf den Kern der Debatte:Die Forderung nach „Neutralität”.

Neutralität und Wahrheit sind nach Biermann,Beuth und Wegner die Kriterien, an denen das Wirkeneines Journalisten gemessen werden soll. Das klingtvernünftig. Sind wir nicht alle dieser Meinung? DasEinzige, das uns daran stört, sind doch nur die Kon-sequenzen. Sonst hätte die Debatte doch gar nicht soausufern müssen. Der Bundespräsident hat doch aucheine Neutralitätspflicht! Diese wurde jetzt zur Grund-lage einer Klage. Möge er doch schweigen – undGreenwald dazu!

Die gesamte Debatte ist müßig. Denn die Forde-rung nach „Wahrheit” und „Neutralität” sind Tot-schlagargumente gegen die Rede- und Meinungsfrei-heit. Einfach deshalb, weil „Neutralität” eine unerfüll-bare, nicht einmal denkbare Forderung ist. Das Glei-che gilt für die Forderung nach „Objektivität” und dieSuche nach der „Wahrheit”. Versuchen Sie es selbst!

Es ist ganz einfach: Versuchen Sie einmal die Kriterienzu benennen, mit denen man feststellen kann, ob ei-ne Aussage „neutral” ist. Oder ob sie „objektiv” ist.Oder „die Wahrheit” ist. Ein Handeln ohne ein WARUM, ohne eine Funktion ist nicht möglich. DasWARUM, die Funktion „liefert” auch die Kriterien,mit denen wir das Ergebnis unseres Handelns über-prüfen können.

Greenwalds inkriminiertes „wir” kann nur einAnfang gewesen sein. Von einem Journalisten erwarteich Aufrichtigkeit. Dazu gehört an erster Stelle, dasser sein WARUM offenlegt. Selbstbestimmt entschei-den kann ich mich nur, wenn ich weiß, welchen„Stellenwert” eine Information besitzt.

Von unschätzbarem Wert. Die Medien sind unver-zichtbarer Bestandteil einer Demokratie: Sie sind dieVierte Gewalt. Die Forderung nach Neutralität machtnicht nur die Medien mundtot: Sie nimmt mir auchmeine Freiheit. Dass zum Beispiel Schülerzeitungennicht der Aufsicht und der Verfügungsgewalt derSchule unterliegen, ist für die Sozialisation der Schü-lerzeitungsredakteure von unschätzbarem Wert. Dennunser System Schule kennt kein Selbstbestimmtes Ler-nen, sondern verlangt Anpassung an die Anforderun-gen, die den Lehrern über die Bürokratie von der Po-litik vorgeschrieben werden.

Ich darf auch nicht fragen müssen, wie WolfgangMichal auf carta.info sinngemäß vorschlägt: „Existiertein Notstand, der diese ungewöhnlichen journa -listischen Herangehensweisen rechtfertigt?” SelbstWolfgang Michal scheint in seinem lesenswerten Bei-trag Neutralität für möglich zu halten: „AktivistischeJournalisten begnügen sich nicht mit neutralen Be-schreibungen.” Die ursprüngliche Unmöglichkeit von„Neutralität” und „Objektivität” müssen wir nochverinnerlichen und über das Gewusst-wie des Wissen-schaffens noch intensiver nachdenken.

Hans-Josef Heck, Remscheid n

Neutralitätspflicht?Debattenbeitrag zum Thema „Journalist und Aktivist” in M 1/2014 und 3/2014

Aus für Service-CenterDie Madsack-Mediengruppe schließt sein Kunden-Ser-vice-Center in Hannover. Nach mehr als 120 Streikta-gen ist das „die zynische Machtdemonstration einesKonzerns, der seine Gewinnmargen durch Tariffluchtund Niedriglöhne sichern will”, sagte ver.di-Vize FrankWerneke. Rund 90 Beschäftigte, die für die Hannover-sche Allgemeine und andere Konzernzeitungen den Te-lefonservice für Anzeigenkunden und Abonnenten er-bringen, verlieren nun ihren Arbeitsplatz. Die Ausei-nandersetzung im Hannoveraner KSC ist der längsteStreik, der jemals in einem deutschen Zeitungskon-zern geführt wurde. Erst nach mehr als 80 Streiktagenwar die Geschäftsführung bereit, mit ver.di Tarifver-handlungen zu führen. Sie wurden jedoch bald abge-brochen, da es keinerlei Einigungswillen gab. wen n

Kritik an DurchsuchungDie Deutsche Journalistinnen- und Journalisten-Uni-on (dju) in ver.di hat die Durchsuchungsaktion in denRedaktionsräumen der Echo-Medien in Darmstadt am24. Juni scharf kritisiert. Laut eigenem Bericht vonEcho online hatte die Staatsanwaltschaft die Durch-suchung aller Geschäfts- und Nebenräume der Echo-Zeitungen angeordnet und letztlich die Daten einesInternet-Forennutzers beschlagnahmt.

Als „erneut ungeheuerlichen Vorgang und völligüberzogen”, kritisiert der dju-Vorsitzende Ulrich Jan-ßen die Aktion der Ermittlungsbehörden. Janßen ver-wies auf einen ähnlich gelagerten Fall, der sich vor einem Jahr bei der Augsburger Allgemeinen ereignethatte und später durch ein Urteil als rechtswidrig ein-gestuft wurde. Red. n

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M 5.2014 5

AKTUELL

Freiheit statt Angst am 30. AugustAuch in diesem Jahr wird es wieder eine Demo „Freiheit statt Angst” geben. Der „Aufreger”, der dieses Demo-bündnis 2006 zusammengeführt hatte, die Vorratsdatenspeicherung, ist zwar hoffentlich bald Geschichte, dochmit dem Geheimdienstskandal und vielen weiteren Datensammelprojekten sind sehr wichtige Themen dazugekommen, die wir mit der gleichen Ausdauer und Empörung angehen wollen. Dass diese Strategie sich lang-fristig auszahlt ist, seit dem europäischen Ende der Vorratsdatenspeicherung, klar.Deshalb sind alle aufgerufen, am 30. August auf die Straße zu gehen und zu fordern: „Aufstehen statt Aus -sitzen”. Weitere Infos unter http://freiheitstattangst.de

Einseitigkeit durchschaut

M 4.2014 „Shitstorms und Propaganda”

Vielen Dank für die ausgezeichnete Kolumne, dieGünter Herkel zur Ukraine-„Berichterstattung” imGroßteil der deutschen Medien geschrieben hat.Er bringt auf den Punkt, was mich seit mehrals einem halben Jahr empört: wie einseitigvielfach die Darstellung der Vorgänge erfolgt

ist (und immer noch erfolgt). Und er zeigt die Struk-turen und Netzwerke, über die eine derartige Formie-rung der Meinungsbildung erfolgt.

Erfreulicherweise haben offenbar viele Leser undZuschauer diese Einseitigkeit durchschaut und dasauch geschrieben. In den Redaktionen der großen Zei-tungen und Sender hat das wohl zu erheblicher Irri-tation geführt – auch bei der ARD (siehe das Interviewmit Gabriele Krone-Schmalz am 17.4. im NDR). Auchich habe beim „Ersten” gegen die tendenziöse Darstel-lung protestiert – am 3. Mai, dem Tag, als die Kiewer„Übergangsregierung” mit dem Militäreinsatz im Osten begann und Günter Jauch seine Sonntagsrundeunter das Thema stellte „Kriegsgefahr in Europa – IstPutin noch zu stoppen?”. Eine Antwort habe ich nichtbekommen. Gert Hautsch, Frankfurt am Main n

Nicht alle in einen Topf werfen

M 4.2014 „Shitstorms und Propaganda”

Wenn das alles so einfach und klar zu werten wäre,wie es Günter Herkel in seiner „kommentierten Pres-seschau zur Ukraine-Berichterstattung deutscher Me-dien” suggeriert. … Es gibt auf der Welt kaum einengrößeren Konflikt in den letzten Jahrzehnten, der vonKommentatoren wie es auch Günter Herkel zu sein

scheint, nicht von den ‚westlichen Eliten’ direkt oderindirekt aufgeheizt worden ist. Dass es diese Interes-sen gab und gibt, kann wohl niemand bezweifeln, dereinigermaßen die Augen und Ohren noch offen hat.Als vor Jahren bei den ersten größeren Demonstratio-nen auf dem Maidan über Nacht die Massen mit oran-genfarbenen Fähnchen, T-Shirts und Mützen demFreiheitsengel Timoschenko zujubelten, fragte mansich schon, woher diese Demonstrationssouvenirs soschnell kamen. Auch die schnelle und auch arrogantePräsenz einiger westlicher Politiker während der De-monstrationen auf dem Maidan im Frühjahr 2014 istja nicht nur spontan erfolgt. Trotzdem überzeugtmich der Kommentar von Herkel nicht, weil er mit einer sehr vorgefassten Meinung alle Kommentatorenund Korrespondenten deutscher Medien in den Topf„westlicher Propaganda” wirft. Ich habe in der vonmir vornehmlich gelesenen Süddeutschen Zeitungnicht ausschließlich die Leitartikel des Auslandschefsgelesen, sondern auch die differenzierten Reportagenetwa eines Tim Neshitov. Von Herkel dazu kein Wort.Und es fällt mir auch schwer, die Berichterstattungzum Beispiel des Deutschlandfunks eindeutig in dieSchublade angeblicher einseitiger „West-Propaganda”zu stecken. … Ebenso vollkommen verschwiegen wirddie hanebüchen einseitige Berichterstattung in russi-schen Medien wie sie uns von Russisch sprechendenKorrespondenten oder Publizisten übersetzt wordenist. … Nach allem was ich dank der Arbeit von Kor-respondenten weiß, würde ich Putin auch nicht als‚Kriegstreiber’ in dem aktuellen „Ukraine-Konflikt” titulieren. Mit dem Wissen aber um den Umgang derderzeitigen russischen Nomenklatura mit unabhängi-gen Journalisten, fällt es mir auch schwer, ausgerech-net Putin als einen ‚Friedenstreiber’ zu bezeichnen,wie es unterschwellig in dem sehr diskussionswürdi-gen Kommentar von Günter Herkel anklingt. … Carl Wilhelm Macke, München n

Foto: Tobias M

. Eckrich

Unter dem Motto „Freiheitstatt Angst“ protestiertenmehr als 15 000 Menschen am 7. September 2013 amBerliner Alexanderplatz gegen die Überwachung vonGeheimdiensten, Behördenund Firmen

Wir freuen uns überBriefe. Manchmal

müssen wir Leserbriefekürzen. Wir bitten

dafür um Verständnis.

ver.di Bundesverwaltung

Karin Wenk «M»-Redaktion

10112 Berlin

Tel: (030) 69 56 23 26E-Mail:

[email protected]

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6 M 5.2014

Noch sind es rund 13 Monate bis zum nächsten ver.di-Bundeskongress im September 2015, doch die Vor -bereitungen sind bereits angelaufen. Termine fürFachgruppen-, Fachbereichs-, Bezirks- und Landesbe-zirkskonferenzen müssen gefunden, Delegierte undVorstände neu gewählt werden.

Auch für die Fachgruppe Medien läuft der Count-down – die Bundesfachgruppenkonferenz findet am21. und 22. Februar 2015 in Berlin statt, die dju inver.di beginnt mit ihrer Berufsgruppenkonferenz be-reits einen Tag früher. Und auch hier gilt: Die demo-kratische Willensbildung über Anträge und Mandatehat bereits begonnen. Jetzt müssen die Vorstände derSenderverbände im öffentlich-rechtlichen Rundfunkin ihren Mitgliederversammlungen Rechenschaft ab-legen, Anträge beraten und ihre Vorstände neu wäh-len.

Bis zum Herbst dieses Jahres müssen die Gliede-rungen der dju, die vier Filmverbände, ggf. die Kino-säule und die nicht verbandsgebundenen Bereiche derFachgruppe Medien ihre Konferenzen auf der Landes-ebene durchgeführt haben. Dort werden auch nacheinem ausgetüftelten System unter der Maßgabe vonSolidarität und Proporz die Delegierten für die Bun-desfachgruppenkonferenz gewählt werden.

Die Mitglieder der Fachgruppe erfahren in allerRegel aus „M", wann und wo ihre Versammlung vorOrt stattfindet, oder fragen bei ihrem Landesfachbe-reich Medien nach (www.verdi.de).

Die Mitglieder- oder Delegiertenversammlungenin ver.di finden nach Satzung alle vier Jahre statt. Die ersten – meisten betrieblichen – Versammlungenhaben bereits stattgefunden. Die Tagesordnung derdju-Landeskonferenz Hessen gilt exemplarisch für alleWahlkonferenzen.

Einladung zur Landeskonferenz der dju in ver.di Hessen27. September 2014, 11 Uhrim DGB-Haus Frankfurt, Wilhelm-Leuschner Straße 69–77

Inhaltlich werden sich die Teilnehmer der Konferenz zunächst mit dem Umgang mit sozialenNetzwerken beschäftigen. Wird Social Media von Journalistinnen und Journalisten als wertvolles Arbeitswerkzeug gesehen oder als notwendiges Übel? Welche Chancen und Fall-stricke bieten die sozialen Netzwerke? Helgo Ollmann, Trainer und Dozent für Mediengestal-tung und Mediennutzung, wird nach einem kurzen Überblick über die sozialen Netzwerke, auf die besonderen Belange von Journalistinnen und Journalisten eingehen.

Ablauf: 11.00 – 12.30 Uhr: Social Media – Chancen und Fallstricke; 12.30 – 13.00 Uhr: Mittagspause; 13.00 – 15.30 Uhr: dju-Landeskonferenz; 16.00 – 17.00 Uhr: Delegiertenkonferenz Fachgruppe Medien

Tagesordnung dju-Landeskonferenz Hessen 1) Eröffnung und Begrüßung2) Wahl Tagungspräsidium3) Beschlussfassung über die Tagesordnung und die Geschäftsordnung4) Wahl der Mandatsprüfungskommission und der Wahlkommission5) Bestätigung Antragskommission6) Rechenschaftsbericht des Landesvorstands7) Aussprache8) Entlastung des Landesvorstands9) Nominierungen und Wahlena) dju-Landesvorstandb) Wahl der Delegierten und Ersatzdelegierten zur dju-Bundeskonferenz, Nominierung der

Delegierten zur Bundesfachgruppenkonferenz und Nominierung von Vertretern für dendju-Bundesvorstand und den Bundesfachgruppenvorstand Medien

c) Wahl von Mitgliedern und stellvertretenden Mitgliedern der Tarifkommissiond) Nominierung der dju-Delegierten und -Ersatzdelegierten für die Landesfachbereichskonfe-

renz des Fachbereichs 8 und Nominierung von dju-Vertreter/innen für den Landesbezirks-fachbereichsvorstand

e) Nominierung der dju-Kandidaten bzw. -Kandidatinnen für die Bundesfachbereichskonferenzf) Wahl der Delegierten für die Versammlung Landesfachgruppe Medien10) Antragsberatung und Beschlussfassung11) Verschiedenes

Mitglieder sind berechtigt, Anträge zu stellen. Diese müssen so aufgebaut sein, dass Zweckund Adressat erkennbar sind und vor der Begründung stehen. Anträge müssen spätestens biszum 19. September 2014 beim Landesvorstand der dju eingegangen sein.Nach dem 19. September 2014 können noch Initiativanträge gestellt werden. Sie müssen vonmindestens 10 Prozent der in der Versammlung anwesenden Mitglieder unterschrieben undam Konferenztag vor Abschluss des Tagesordnungspunktes 5 bei der Versammlungsleitungeingereicht sein. Initiativanträge sind Anträge, deren Inhalt sich auf Ereignisse und Dinge be-zieht, die erst nach der Antragsfrist vom 19. September 2014 offenkundig wurden.

Anmeldungen zur Konferenz sind aus organisatorischen Gründen erwünscht. Bitte bis zum 19. September per Mail an den Fachgruppenvorstand senden:[email protected].

AKTUELL

Vor dem BundeskongressBis zum Herbst finden viele Konferenzen auf allen ver.di-Ebenen statt

Mitbestimmung kann auch Spaß machen – Wahlen auf derBundesfachgruppenkonferenz der Fachgruppe Medienim Februar 2011 im Haus der ver.di Bundesverwaltung

Foto: C

hristian v. Polentz

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M 5.2014 7

AKTUELL

Einladung zur Landesdelegiertenkonferenz der Fachgruppe Medien im ver.di-Fachbereich 8 im Landesbezirk Hessen

Mit der Einladung zur dju-Landeskonferenz wird gleichzeitig die Einladung zurhessischen Landesdelegiertenkonferenz der Fachgruppe Medien versandt.Diese findet im Anschluss an die dju-Landeskonferenz

am 27. September 2014, um 16 Uhr im DGB-Haus in Frankfurt /Main

statt. Die insgesamt fünf Delegierten der dju Hessen werden zuvor auf derdju-Landeskonferenz gewählt.

Einladung zur Versammlung der Mitgliederder Fachgruppe Medien aus den Fachgruppen-bereichen privatwirtschaftlich organisierte elektronische Medien, Film und Kino (Hessen)

27. September 2014, 13 Uhr im DGB-Haus Frankfurt /Main

Die Anträge der Mitglieder müssen spätestens bis zum 1. September bei derLandesfachbereichsleitung eingegangen sein. Nach dem 1. September könnennoch Initiativanträge gestellt werden.

Einladung zur LandesfachgruppenkonferenzMedien Rheinland-Pfalz /Saarland

Am 20. September, 10.30 Uhr im ver.di Haus, Münsterplatz 2–6, 55116 Mainz

Referent: Frank Neckel (SWR, Crossmediales Angebot - „Jugendkanal”)

Einladung an alle Mitglieder der Fachgruppe Medien in Niedersachsen-Bremen

Am 20. September 2014, 13.30 Uhr ver.di-Höfe,Goseriede 10, 30 159 Hannover (Rotation).

Zuvor findet um 10.30 Uhr die dju-Landesdelegiertenkonferenz statt.

Anträge zur Versammlung sind spätestens bei zum 29. August einzureichen.

Anmeldungen für die Versammlung erbeten unter [email protected];wer vor Beginn am Mittagessen teilnehmen möchte, gebe das bitte in der Anmeldung an.

Einladung zur Landes-Mitgliederversammlungder dju /SWJV Baden-Württemberg

am 20. September 2014 von 10 bis 17 Uhr, im Bürohaus Theodor-Heuss-Str. 1/Theo1 (ehemals ÖTV), 70174 Stuttgart

Einladung zu drei Konferenzen in NRW

Kino Mitgliederversammlung NRW am 27. September 2014 um 10.30 Uhr

dju-Delegiertenkonferenz NRW am 27. September 2014 um 10.30 Uhr

Delegiertenkonferenz FG Medien am 25. Oktober 2014 um 10.30 Uhr

Alle diese Veranstaltungen finden statt im

Landesbezirk NRW, Karlstr. 123–127, 40210 Düsseldorf

Einladung zu den Mitgliederversammlungendju und Fachgruppe Medien in den Landesbezirken Hamburg und Nord

Am 6. September 2014 in Hamburg, NDR Rothenbaum, Rothenbaumchaussee 132,Großer Sitzungsaal (Zugang über den Haupteingang).

10.30 Uhr: dju-Mitgliederversammlung12.00 Uhr: Mitgliederversammlung der Fachgruppe Medien

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8 M 5.2014

Es war ausgerechnet ein Freitag, der 13., an dem dasbislang größte journalistische CrowdfundingprojektDeutschlands zu Ende ging. Fast eine Million Euro nah-men die „Krautreporter” (S. 10) ein. Ihr Plan: ein vonWerbung und ihren Zwängen freies Magazin für Qua-litätsjournalismus. Gemessen am Stand noch wenigeTage vorher hätte die Finanzierungsphase an diesemUnglücksdatum ganz anders ausgehen können. Mindestens so bemerkenswert wie der erfolgreicheEndspurt war die Vielzahl der negativen Stimmen: DieMacher wurden als überheblich, ihre Idee als lang -weilig und die Präsentation als schlecht durchdachtkritisiert. Unterwältigte Journalisten sagten dem Pro-jekt bereits das Scheitern voraus, bevor die ersteCrowdfunding-Woche vorüber war.

Scheitern zur Tugend machen. Motiviert durch neuedigitale Möglichkeiten und/oder frustriert von denetablierten Verlagen, verlassen Journalisten ihr ver-trautes Terrain und gründen selbst Medienunterneh-men. „Substanz” (S. 11) ist eine solches. Nachdem siegemeinsam erst die Financial Times Deutschland undkurz darauf den New Scientist zu Grabe getragen hat-ten, gossen Georg Dahm und Denis Dilba ihre Frus-tration in ein eigenes Produkt: ein komplett digital gedachtes, populärwissenschaftliches Magazin, das siedurch einen Mix aus Eigenkapital, Investments undCrowdfunding-Spenden aufbauen.

Die Möglichkeit, das Ganze vor die Wand zu fah-ren, ist ihr steter Begleiter und sogar in ihren Firmen-namen Fail Better Media GmbH übergegangen. Den-

TITEL | AUFBRUCHSTIMMUNG

Viele gute Ideen wehen mit dem jüngst aufgekommenen Gründerwind in die deutsche Medienlandschaft ein: Es herrscht – vor allem seit vorigem Jahr – end-lich die Aufbruchstimmung, von der Medienwissenschaftler seit Jahren schreiben.Doch wer innovativ sein will, braucht einen langen Atem und ein dickes Fell.

Von Carolin Neumann

Aufbruchstimmung im Journalismus

Viele Informationen schwim-men in der Flut des Angebots. Leuchtbojen des Online-Jour-nalismus ersparen planlosesSurfen.

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M 5.2014 9

noch – oder gerade: deswegen – ist nach wenigen Mi-nuten Gespräch mit den beiden klar: Sie würden langefür ihr „Baby” kämpfen, bevor sie auch nur darübernachdenken, es aufzugeben.

Diese Leidenschaft scheint den Verlagen irgend-wo im Zahlendickicht abhanden gekommen zu sein.Stattdessen gründen vielerorts erfahrene Lokaljourna-listen Online-Nachrichtenmagazine. Nicht ohne Er-folg! Ein Beispiel dafür ist hh-mittendrin aus Hamburg(S. 12). M berichtete in der Serie Schon entdeckt? u.a.über „das Marburger“ (M 8/2012). Die Verlage, vor al-lem im Zeitschriftenbereich, werfen derweil ein Heftnach dem anderen auf den Markt, vor allem buntenUnsinn. Zeit, sich zu entwickeln, bekommen die Re-daktionen jenseits der ersten Quartalssbilanzen aller-dings selten. Während also die Verlage ihre Experi-mente gefühlt im Monatsrhythmus wieder einstamp-fen, floriert der Markt der Indie-Magazine. Die tragendann hippe Namen wie Päng, The Germans, Missy Ma-gazine oder Die Gazette. Geschichtenerzähler werdenhier zu unabhängigen Verlegern, die Inhalte vor Profitstellen. Dadurch bleiben ihre Kreationen zwar häufigein Investitionsgeschäft. Doch jedes einzelne Magazinverleiht dem bedruckten Papier neue Eleganz in Zei-ten und Zielgruppen, wo alle den Untergang vonPrint beschwören.

Indie-Magazine sind ein so spannender Bereich,dass sie jetzt sogar ihre eigene Messe bekommen: dieIndie Con in Hamburg Anfang September. SolcheLive-Formate, wo innovative Macher sich austau-schen, gewinnen an Popularität und Bedeutung. Seitlangem ist Deutschlands Medienbranche geprägt vonbedeutungsschweren Zeitungsdiskussionen, ausge-führt in Elefantenrunden wie bei den Münchener Me-dientagen. Nun drängen auch in diesem Bereich Neu-ankömmlinge nach vorne: Die Breaking JournalismKonferenz, seit einigen Jahren das Scoopcamp oderjüngst der VOCER Innovation Day überlassen denWagemutigen, Unabhängigen der Branche das Wortund schaffen so dringend notwendige Vorbilder.

Unternehmerisch denken. Wagemutige Vorbilderwie Tamara Anthony, Tabea Grzeszyk und Sandra Zistlhoben 2013 „hostwriter” aus der Taufe. Über Jahrehatten die drei ihre Vision einer internationalen Platt-form für Kollaboration unter Reportern mit sich he-rumgetragen. Dank Stipendien und Stiftungsförde-rung ging hostwriter.org nun im Mai an den Start undkann bereits erste Erfolgs geschichten journalistischerZusammenarbeit über Ländergrenzen hinweg vorwei-sen. Das Unternehmertum, sagt Grzeszyk, sei eine derschwersten Lektionen gewesen, die sie auf dem Wegdahin lernen mussten.

Innovation kann man nicht lernen, unterneh -merisch zu denken schon. In den USA ist deshalb „Entrepreneurial Journalism” auf dem Vormarsch.Hierzulande hadern Journalisten noch damit, mehrals ihre klassischen Fähigkeiten und Ideale zu benöti-gen. Sie würden sich wundern, wie oft sich angehendeJournalisten noch kurz vor Studienende nichts sehn-licher wünschen als mal für die „Seite 3” zu schreiben.Mit dem Start ins Berufsleben folgt nicht selten das jähe Erwachen, denn die Vorbereitung auf den sichverändernden Markt beschränkte sich in den meistenFällen auf Seminare dazu, wie man ein Exposéschreibt und verkauft. Wie kann man sich heute al-ternativ finanzieren? Was ist Innovation? Wie grün-

det man ein Unternehmen? Was bedeutet Führung?Fragen, die jedes Journalismusstudium darüber hinausbeantworten sollte.

Der Tunnelblick nach New York. Sicher, an dieserStelle können wir uns noch einige Scheiben bei denAmerikanern abschneiden. Aber nur weil der ersteBlick immer in die USA geht, zu ProPublica undSnowfall, heißt das noch lange nicht, dass nicht auchbei uns viel passieren würde. Auch wir haben preisge-krönten Datenjournalismus, Querdenker wie StefanPlöchinger, Experimentierer wie Thilo Jung („jungund naiv”) oder das „Crowdspondent”-Duo Steffi Fetzund Lisa Altmeier, Allrounder wie Daniel Fiene, jungeMedienunternehmerinnen wie Susann Hoffmannund Nora-Vanessa Wohlert („Edition F”), spannendeneue Ideen wie „Urban Journalism”. Allein die Anzahlder Formate, die im Netz kursieren und die oft alsjournalistisches Hobby beginnen werden, könnte die-se Seite füllen. Also Schluss mit dem Tunnelblick! EinePerspektiverweiterung wäre nicht zuletzt deswegenangebracht, weil der US-amerikanische Markt als Vor-bild kaum taugt: Seine Zeitungslandschaft ist mit un-serer nicht zu vergleichen. Seine Zielgruppen nicht.Seine Erlösmodelle nicht.

Nehmen wir allein den berühmten „drittenWeg”, der in Amerika den investigativen Journalismusam Leben erhält. Paul Steiger, Gründer des Vorzeige-beispiels ProPublica, hat mal gesagt, es müsse dochauch in Deutschland einige Milliardäre geben, die einInteresse an Journalismus haben. Doch bislang ma-chen die Mäzene im Medienbereich kaum von sichreden. Konrad Schwingenstein, ehemaliger Gesell-schafter beim Süddeutschen Verlag und Investor indas Journalisten-Netzwerk Torial (S. 14), ist da auchschon der einzige Name, der auf Anhieb einfällt.

Quo vadis also, deutscher Journalismus? Es tut sichwas! Nicht zuletzt durch konkrete Förderprogrammewie das Medieninnovationszentrum Babelsberg oderdas VOCER Innovation Medialab wagen junge Me-

dienmacher Experimen-te. Sie nehmen sich einBeispiel an der florieren-den Tech-Start-up-Szeneund scheinen, wennauch nur sehr langsam,die tief sitzende Angstvor dem Scheitern zuüberwinden.

Das Nummer-eins-Problem jedoch bleibt:

Woher kommt das Geld? Eine Frage, die häufig nochignoriert wird: „Hostwriter” etwa wurde als Non-Pro-fit-Unternehmen gegründet, seine Macherinnen ver-dienen noch keinen Cent.

Aus wirtschaftlicher Sicht mag dieser Rat eineTodsünde sein, aber: Bitte, liebe Journalistinnen undJournalisten, hört nicht damit auf! Wenn wir auf dieeine Idee warten, die sich trägt und von der wir lebenkönnen, werden wir den deutschen Journalismus nieauf den Kopf stellen. Finanziert eure Verrücktheitenquer. Sucht euch alternative Einnahmequellen, ehren-amtliche Helfer. Nutzt die Kraft der Crowd im Netz.Seid mutig. nDie Autorin Carolin Neumann hat das VOCER Innovation Medialab mit aufgebaut und ist dort Geschäftsführerin.

AUFBRUCHSTIMMUNG

Links zum Thema:

· www.krautreporter.de· www.failbetter.biz· www.hostwriter.org· www.wasistindie.de· www.propublica.org· www.nytimes.com/projects

/2012/snow-fall· www.jungundnaiv.de· www.crowdspondent.de· www.mywebwork.de· editionf.com· urbanjournalism.de· www.miz-babelsberg.de· www.vocermedialab.org· www.torial.com

Foto: picture-alliance / dieKLEINE

RT.de / Thomas Escher

Foto: Fotolia / PureSolution

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Am Ende wurde es knapp. Drei Tage vor Ablauf derselbst gesteckten Frist fehlten noch 3.000 Unterstüt-zer und einige Hunderttausend Euro Einlage. Aber mitHilfe einiger Großabonnenten – allein die Rudolf-Aug-stein-Stiftung nahm 1.000 Abos ab, investierte somit50.000 Euro – konnte am 13. Juni Vollzug gemeldetwerden. Das Krautreporter-Magazin kommt.

Ausgangspunkt war der Leidensdruck einiger freierJournalisten. „Der Online-Journalismus ist kaputt” –mit dieser These hatte Krautreporter-Gründer SebastianEsser sich nicht nur Freunde gemacht. Die Fundamen-talkritik behauptet jedoch nicht die Abwesenheit vonjournalistischer Qualität im Netz. Vielmehr bezieht siesich auf die konkreten Bedingungen, unter denen On-line-Journalisten heute produzieren (müssen). Rendi-teorientiertes Wirtschaften von Verlagen, das Starrenauf möglichst hohe Klickzahlen, die nach wie vorschwache Position der Onliner in der Verlagshierar-chie – all dies sorgt dafür, dass Qualitätsprodukte imNetz eher abseits der großen verlegerischen Markenaufzuspüren sind.

Krautreporter will das ändern. In Form eines On-line-Magazins, das täglich eine Handvoll gut recher-chierte Beiträge publiziert, unabhängig von verlege -rischem Druck und werbefrei. Ganz ohne feste Struk-turen wird es nicht gehen. Als koordinierender Chef-redakteur tritt Alexander von Streit, Herausgeber vonVocer und Ex-Redakteur von Wired, an den Start. Ge-schäftsführer ist Philipp Schwörbel, Gründer der hyperlokalen Prenzlauer Berg Nachrichten. Für die Kon-zeption und Außendarstellung zuständig ist Sebastian

Esser, der bereits vor eineinhalb Jahren mit der Grün-dung der Crowdfunding-Plattform „Krautreporter”die Grundlagen für das jetzt anlaufende Projekt schuf.

Nicht die Katze im Sack. Die Redaktion? Das sindlaut Selbstdarstellung im Netz „25 Reporter im Altervon 27 bis 61, die nicht mehr darauf warten wollen,dass die großen Medienunternehmen sich endlichtrauen, echten Journalismus im Netz zu ermögli-chen”. Die Akteure wissen, wovon sie reden: Alle ver-fügen über reichlich Erfahrungen bei etablierten On-line-Medien von Spiegel bis Zeit Online. Alle habenauch Spezialgebiete, aus denen sie ihre Reportagenentwickeln wollen. Abonnenten müssen nicht dieKatze im Sack kaufen: Eine Themenvorschau liefert ei-nen Vorgeschmack auf die Themen, die die Krautre-porter als erstes angehen wollen. Rico Grimm etwapeilt eine Text- und Fotomontage über Siedler in Israelan. Andrea Hanna Hünniger plant in ihrer HeimatThüringen eine „Nachspür-Reportage an den Geburts-ort des Mördertrios” vom NSU. Und MedienkritikerStefan Niggemeier will „bei einer besonderen Speziesvon Volksvertretern” recherchieren, den Fernseh- undRundfunkräten der öffentlich-rechtlichen Sender. Fes-te Ressortgrenzen soll es nicht geben, „weil sich dieWelt manchmal nicht so leicht in Politik, Wirtschaftund Gesellschaft trennen lässt, bloß weil es das Lay-out einer Zeitung so vorsieht”.

Abgesehen vom dreiköpfigen „Verwaltungsüber-bau” gibt es keine festangestellten Redakteure, nurPauschalisten. Der Großteil des für das erste Jahr ge-sammelten 900.000-Euro-Etats soll in den Honorar-topf fließen. Bereits im September können die gut17.000 Unterstützer überprüfen, ob die für das Jahres-abo vorgestreckten 60 Euro gut investiertes Geld sind.Dann sollen die ersten Artikel online gestellt werden.Noch ist nicht klar, ob nur die Unterstützer Zugangzu den Texten haben sollen.

Von den Kollegen und Kolleginnen der etab -lierten Medien ernten die Online-Rebellen mancheSolidaritätsadresse. Mitunter in milde Selbstkritik ge-kleidet. „Angesichts des Projekts Krautreporter”,schrieben Carolin Ströbele und Kai Biermann auf ZeitOnline, „müssen auch wir Redakteure uns die Fragestellen, ob wir die richtigen Prioritäten setzen.” On-lineredaktionen seien einem stetigen Druck ausge-setzt, „am besten sollte die Analyse schon auf der Seitestehen, kurz nachdem die Eilmeldung im Ticker auf-blinkte”. Im täglichen Wettrennen um Aktualität wer-

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AUFBRUCHSTIMMUNG

Krautreporter mit17.000 AbonnentenTäglich eine Handvoll gut recherchierter Beiträge und werbefrei

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Foto: Facebook / Krautreporter

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de oft vergessen, „den Geschichten Raum zu lassen,die uns wirklich bewegen”.

Nachdem die Anschubfinanzierung des Magazinsgesichert ist, folgen nun die Mühen der Ebene. Etwabeim technischen Support. Bis zum Start im Septem-ber muss eine Web-App her, „damit die Krautreporter-seite in jedem Browser und Betriebssystem gleich gutfunktioniert”, sagt Herausgeber Esser. Zum „Stehsatz”,der bis zum Herbst aufgebaut werden soll, könnenauch freie Autoren beitragen. Abonnenten sollen lautEsser sogar die Möglichkeit bekommen, zwecks Fact-checking und Qualitätssicherung “ im fast fertigenText Anmerkungen zu hinterlassen”.

Kein geringer Verdienst. Ob Krautreporter demselbst gesteckten Anspruch, einen anderen Online-Journalismus zu schaffen, gerecht werden, müssendemnächst die Leser beurteilen. Auch dürfte es inte-ressant sein, zu beobachten, ob es gelingt, über die en-

gere Journalistenszene hinaus ein breiteres Publikumanzusprechen. Schon jetzt können sich die Krautre-porter das Verdienst zuschreiben, eine überfällige De-batte munitioniert zu haben: Die Debatte über Rele-vanz und Qualität im Online-Journalismus, mögli-cherweise des Journalismus schlechthin. Fürwahr keingeringes Verdienst. Günter Herkel n

AUFBRUCHSTIMMUNG

Die Firma heißt „Fail Better”und ist „das Projekt zweierMagazinjournalisten mit zu-sammen 20 Jahren Berufser-fahrung” (nebst einem Netz-werk erstklassiger Mitarbei-ter), verrät die Homepage.Die beiden Macher GeorgDahm und Denis Dilba ko-kettieren in ihrer Projekt-darstellung damit, als Toten-gräber bei der Bestattung„einiger großartiger Redak-

tionen” mitgewirkt zu haben. Dahm erlebte hautnahdas bittere Ende der Financial Times Deutschland, Dilbadas der deutschen Ausgabe des New Scientist. Jetztwollen sie Deutschlands „erstes digitales Wissen-schaftsmagazin” auf die Beine stellen.

Zwei Tage vor Ende der Crowdfunding-KampagneMitte März war das Mindestziel erreicht: 30.000 Euro,eingezahlt von 500 Unterstützern. So viele Menscheninteressieren sich für das geplante digitale Magazin„Substanz”. Motto: „Wissenschaft neu erzählt”. Imkonventionellen Online-Journalismus bestimmen Ta-gesaktualität oder Layout die Inhalte. „Substanz” be-kennt sich zum Experiment. „Kein anderes Genrekann so sehr vom Digitalen profitieren wie der Wis-senschaftsjournalismus”, behauptet Georg Dahm. Wosonst könne man mit den Möglichkeiten des Tabletsspielen? Geschichten per Fließtext, mit Infografiken,Multimedia-Elementen, Filmen oder Slideshows bishin zu Comics. Um auf diese Weise das schlechteImage zu korrigieren, das Wissenschaftsjournalismusin und außerhalb von Verlagen anhaftet: Zu alt, zutrocken, zu wenig attraktiv für Werbekunden. FürDahm und seinen Ko-Gründer Denis Dilba ist der Ge-

genstand per se sexy. Allerdings nicht, wenn er in Sal-ven von Science-News auf die Leserschaft abgefeuertwird. Alle paar Wochen eine Meldung über neue Er-folge der Antikrebsforschung – das hielten die Lesernicht aus. Die „Substanz”-Gründer wollen solche The-men zwar ebenfalls aufgreifen, aber gründlicher. Ganzohne pädagogischen Anspruch geht es nicht: „Wirwollen auch erziehen, aber auf unterhaltsame Weise”,bekennt Dilba. Zielgruppe sind nicht nur Schüler,Lehrer, Akademiker im weitesten Sinne, sondern „alle,die derzeit im Netz nach Niveau suchen”.

Nach der Rekrutierungsphase sei jetzt „der ersteSchwung Geschichten in Arbeit”. Unter anderem ausden Disziplinen Luftfahrt, Astronomie, Hirnfor-schung, Archäologie, Teilchenphysik, Naturschutz,Toxikologie und Medizin – „Die Themenliste wächstständig.” Auch personell stehen die Zeichen auf Ex-pansion. Die Layout-Abteilung wurde unlängst erwei-tert, ein Pauschalisten-Trio an Bord geholt, „mit demwir jetzt den Redaktionsalltag einüben”. Gesucht wer-den weiterhin „experimentierfreudige Autoren mitRückgrat, Fachwissen und feinem Magazinhandwerkfür große Wissenschaftsgeschichten, die mit Leiden-schaft und Faktentiefe erzählt werden”. Geboten wer-den neben „fairen Tagessätzen, Reisespesen und Um-satzbeteiligung” auch „Offenheit für Abseitiges”.Nicht zu vergessen „Freigetränke ab dem dritten Bei-trag”.

Unterstützung gab es per Existenzgründungszu-schuss der Bundesagentur für Arbeit sowie der Kredit-anstalt für Wiederaufbau. Das Geld reicht allenfallsfür den Start des Online-Magazins, danach müssenAbos her. Kein leichtes Unterfangen angesichts der be-kannten Schnorrermentalität im Netz. Schon die 4,50Euro, die der New Scientist pro Woche verlangte,mochten viele junge Leser nicht berappen. Mal sehen,was für „Substanz” geht. Günter Herkel n

Wissenschaft mit Substanz Geschichten mit Leidenschaft und Faktentiefe erzählen – Offenheit für Abseitiges

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Fotos: Tivoli Entertainment / Frank Suffert

Screenshot: Failbetter.biz

Georg Dahm undDenis Dilba (r.)

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12 M 5.2014

AUFBRUCHSTIMMUNG

Es ist noch nicht die berühmte Tellerwäscher- Geschichte, aber ein Beispiel dafür, dass „Underdogs”den Etablierten Beine machen können. Wer in Ham-burg-St. Georg einmal persönlich bei hh-mittendrinvorbeischaut, begegnet einem Low-Budget-Journalis-mus moderner Prägung mit alten Tugenden, und mussdem mutigen Handeln junger Medienaktivisten Re-spekt zollen.

„Mittendrin ist das Online-Nachrichtenmagazin fürden Bezirk Hamburg-Mitte” – so wirbt das Portal fürsich selbst. Es erfreut sich inzwischen einer stadtwei-ten wie überregionalen Beachtung. In einer Medien-stadt wie Hamburg gibt es große Platzhirsche und einpaar wenige Anzeigenblätter. Man trifft auf eine an ihre Grenzen stoßende Großstadtberichterstattung,bei der sich augenscheinlich oberflächliche Betrach-

tungen und gänzlich nachrichtliche Vakanzen auf-tun – ein Zustand, der offenbar nur auf eine lokaljour-nalistische Wachküssung gewartet zu haben scheint.So jedenfalls beschreibt Dominik Brück von „hh-mit-tendrin” die Anfänge des crossmedialen Projekts.

„Alles begann eigentlich bei einem Frühstück imSommer 2012”, erinnert sich der 29-Jährige. Zusam-men mit der heutigen Chefredakteurin Isabella Davidhatte er sich über den Umgang der bis dato vorhan-denen Lokalmedien mit der Nachrichtenlage geärgert.Beiden fiel die fehlende Nähe der Medienmacher undihrer Produkte zu ihren potentiellen Nutzern auf – inHamburg Mitte wären das rund 300.000 Bewohner.Brück und David stellten dieses Manko vor allem beider Politik fest, genau dort, wo diese vermeintlichnoch am dichtesten an den Menschen dran ist, näm-lich bei den Sitzungen und Beschlüssen in den Be-zirksversammlungen und ihren Unterausschüssen.Statt dies nur zu monieren, war schnell klar, selbst ak-tiv zu werden. Und der Sprung ins kalte journalisti-sche Wasser erfolgte am 18. September 2012. Was be-scheiden mit einem Onlinetext pro Tag startete, hatsich zu einem Mini- bis beinahe schon mittelständi-schen Format entwickelt, das mittlerweile rund 4.000Klicks pro Tag registriert.

Journalistischer RohdiamantDas lokale Online-Magazin hh-mittendrin ist dicht dran an den Menschen

Smartes Netzwerk Edition F Ein Wirtschaftsmedium mit weiblichem Blickwinkel

„Das digitale Zuhause fürFrauen, die mehr wollen –im Job und im Leben” – so

lautet der Claim der „Business-Lifestyle-Plattform EDI-TION F” (Selbstdarstellung), die am 8. Mai an den Startging. Initiiert wurde sie von Kommunikationsmana-gerin Susann Hoffmann (Ex-Scholz & Friends) undNora-Vanessa Wohlert, Ex-Redaktionschefin vonGründerszene. Den Macherinnen schwebt ein „smartesNetzwerk” vor, einen Ort, an dem Frauen „meinungs-starke Geschichten aus Wirtschaft, Politik, Gesell-schaft oder Kultur sowie Tipps für die eigene Karriereund Inspiration” finden können. Eine solche Platt-form existiere bislang nicht. Die gängigen Frauenma-gazine kreisten hauptsächlich um Themen wie Mode,Schönheit, Diäten und Partnerschaft. Den Wirt-schaftsmedien wiederum fehle der weibliche Blick-winkel. „Frauen haben ein hohes Interesse an Busi-ness-Themen, aber die Perspektive und das Umfeldmüssten anders sein, als das bisher der Fall ist”, findetGründerin Wohlert.

Das Projekt will mehr sein als nur ein Online-Magazinoder gar eine Art feministisches Gegenstück zumKrautreporter-Magazin. Daneben gibt es schon jetzteine (registrationspflichtige) Community, in der dieEdition-F-LeserInnen sich vernetzen und austauschenkönnen. Im Sommer soll die Plattform um eine Job-börse und einen „Marktplatz” erweitert werden. DieRedaktion besteht einstweilen aus zwei Redakteurin-nen und einem Redakteur sowie diversen Freien.

Für die Anschubfinanzierung sorgten WestTechVentures, Vogel Ventures, TV Plus, Simon Schäfer,Gründer des Berliner Startup-Campus „The Factory”sowie Jan Honsel, Ex-Verlagsleiter der Gruner + JahrWirtschaftsmedien. Künftig soll sich Edition F überMarketingerlöse, Stellenanzeigen und Premiumprofilefinanzieren. Auch vor „Native Advertising”, der jüngs-ten Verschleierungstechnik der Werbeindustrie,scheuen die Macherinnen nicht zurück. Native Adver-tising meint etwa gesponserte Interviews. Hoffmanngelobt allerdings, PR und Redaktionelles klar zu tren-nen. kel nht

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Foto: Carolin Weinkopf

Nora-Vanessa Wohlert undSusann Hoffmann (r.)

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M 5.2014 13

AUFBRUCHSTIMMUNG

Was über eineinhalb Jahre noch im Nebenher-Freizeit-modus aus dem Brück-Wohnzimmer funktionierte,hat nun mit dem gerade erfolgten Umzug in eigeneRäumlichkeiten eine weitere Stufe der Professionali-sierung erfahren. hh-mittendrin operiert jetzt von 90Souterrain-Quadratmetern aus. „Keiner von uns kannbisher allein davon leben”, benennt Brück wirtschaft-liche Zwänge. Das ver.di-Mitglied schämt sich beinahedafür, dass er Autoren pro Beitrag derzeit nur maximal20 Euro zahlen kann. Damit bleibt der Einsatz für dasunter einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts unter-nehmenstechnisch aufgestellte Projekt in erster Linieeine bis hin zur Selbstausbeutung gehende Herzens-angelegenheit. Um die finanziellen Voraussetzungenzu verbessern, wird intern über die Gründung einesFördervereins diskutiert, aber auch die Idee eines künftigen Genossenschaftsmodells ist noch nicht ver-worfen.

Die Redaktion setzt sich aus einem Kern von zehnBerichterstattern zusammen, insgesamt sind es rund25. In den ersten Monaten noch kaum wahrgenom-men oder belächelt, hat sich die Wertschätzung mitt-lerweile gewandelt. Bereits im März des Vorjahres frag-te die Hamburger taz-Redaktion beim journalistischenRohdiamanten nach einer Kooperation nach. Ham-burgs taz-Redaktionsleiter Jan Kahlcke gibt unumwun-den zu: „Wir profitieren, indem wir auf neue Themenaufmerksam werden”, und lobt die Professionalität beihh-mittendrin. Den jüngsten Brückenschlag gibt es mitder Zeit Online-Redaktion, die ebenfalls Texte der hh-mittendrin-Autoren auf ihre Website stellt und damitihre nachrichtliche Präsenz in der Elbmetropole stärkt.Steffen Richter, redaktioneller Kopf beim neuen Ham-burg-Teil von Zeit Online, lobt ebenfalls seinen Partner,der fundiert und sehr dicht an vielen Themen sitze.Man könne vielleicht für die Zukunft lernen, dass diePraxisausbildung in Redaktionsschulen näher am Ob-jekt stattfinden müsse. Dafür sei ein lokal ausgerich-

tetes Medienmodell wie hh-mittendrin ein geeignetesBeispiel.

Nachrichtenvermittlung versteht das HamburgerMedienprojekt nicht als Einbahnstraße ausschließlichfür Onlinetexte. In Echtzeit werden von Politiksitzun-gen oder Demonstrationen auch Liveticker, Live -streams und Twitternotizen abgesetzt. Der Bereich derAudio- und Videoberichterstattung soll nach BrücksWorten künftig sogar noch ausgebaut werden. Für ihnist ohnehin klar: „Der Journalist von heute muss alleMedienvarianten beherrschen!” „Wir sind für alles of-fen. Einzig Blaulichtjournalismus, den gibt es bei unsnicht”, lautet das Credo. Es gibt eine/n täglichen CvD,dazu Ressortleiter Politik, Kultur und „Buntes”. Einmalpro Woche ist eine Leitungs- und Ressortleiterrundeangesetzt – klingt alles nicht super alternativ, und willdies auch gar nicht sein, denn, so Brück: „Ohne Struk-turen geht es nicht!” Neid, dass die journalistischeKonkurrenz inzwischen nach seinen Beobachtungendas Lokale ansatzweisewiederentdeckt, hegt ernicht, weil „wir immerwieder eine Geschichtehaben werden, die nochnicht erzählt wurde.”Das Modell hh-mitten-drin ist beileibe keinUnikum. In der Hanse-stadt sorgen auch ande-re kleine Online-Pro -jekte wie wilhelmsburg -online.de, eimsbütteler-nachrichten.de oder elbmelancholie.de für einejournalistische Bereicherung. Das hat auch Zeit Onlinewahrgenommen und seit Anfang April mit all dieseneine Kooperation begonnen. Seitens Zeit Onlinespricht man dabei von einem „spannenden Experi-ment”. Dieter Hanisch n

Dominik Brück Isabella David

Fotos: hh-mittendrin

Wer sich im Gewusel der sozialen Netzwerke zurecht-finden will, hat es nicht leicht. Das gilt speziell für denKurznachrichtendienst Twitter mit seinen grob ge-schätzten 250 Millionen Nutzern. Orientierung liefertseit anderthalb Jahren „Tame”, die erste Kontextsuch-maschine für Twitter. Tame ordnet Ergebnisse in über-sichtlichen Relevanz-Rankings an und macht Twitterdamit sinnvoll durchsuchbar – hilfreich auch bei dertäglichen journalistischen Arbeit.

Bisherige Suchmaschinen und Twitter-Tools liefernmeist nur chronologische Ergebnisse. Je nachdem,was der Nutzer sucht, werden schlicht die jeweils letz-ten Tweets zu einem bestimmten Thema angezeigt.„Es reicht aber nicht, nur Inhalte anzuzeigen”, sagt„Tame”-Geschäftsführer Frederik Fischer. Angesichtshunderter täglich eingehender Twitter-Posts verliert

der User schnell den Überblick. „Tame” basiert aufdem Prinzip, die wichtigsten News der jeweils letzten24 Stunden zu bündeln. „In dieser Hinsicht funktio-niert Tame wie Google News”, erklärt Fischer. Auchdort werde für die wichtigsten Themen ein Rankingerstellt, die Nachrichten fließen nicht einfach chro-nologisch ein.

Wer auf Twitter zum Beispiel nach der Fußball-WM sucht, möchte eventuell nicht nur die aktuellstenTweets zum Thema indiziert bekommen, sondern diewichtigsten Postings oder die Twitterer, die im Zen-trum der Aufmerksamkeit stehen. Das kann JosephBlatter sein, der sich zu den Misstrauensanträgen sei-ner Kritiker äußert oder das Magazin 11freunde, weiles gerade eine witzige Analyse der Trends beim soebenbeendeten Turnier veröffentlicht hat. „Tame” ordnetdie Tweets in drei Kategorien: Erstens nach Inhalten,

Orientierung mit Tame Berliner Startup macht Twitter sinnvoll durchsuchbar

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14 M 5.2014

AUFBRUCHSTIMMUNG

Es soll ja tatsächlich KollegInnen geben, die noch im-mer nicht über eine eigene Internetpräsenz verfügen.Gemeint sind weniger die Alpha-Journalisten undEdelfedern, die sowas nicht nötig haben. Eher die Di-gitalmuffel, die auch aufgrund einer gewissen Tech-nik-Phobie freiwillig auf eine stärkere Profilierung imNetz verzichten. (Ich gehöre dazu.) Für diesen Perso-nenkreis könnte „torial” perspektivisch die Rettungbedeuten.

„torial” will Journalisten und Angehörige artverwand-ter Berufe dazu animieren, der Anonymität des Mark-tes zu entkommen. Auf dieser Plattform sei es mög-lich, so versprechen die Betreiber, mit geringem Auf-wand eine digitale Präsenz aufzubauen. Mit dem Ziel,Sichtbarkeit, Relevanz und Reichweite für die eigenejournalistische Marke zu schaffen.

Journalisten können sich kostenfrei bei „torial”registrieren und eine persönliche Visitenkarte im Netzanlegen. Nach der Erstellung eines Profils mit denwichtigsten Daten zur Person gibt es eine Reihe vonOptionen: So lassen sich Links erstellen, Videos ein-

betten, PDF-Dokumen-te eigener Texte hochla-den. Das eigene Portfo-lio kann mit Feeds ausBlogs, Twitter, Flickrund Youtube verknüpftwerden. Zugleich ver-fügt die Plattform übereine Netzwerkfunktion,die die Kontaktpflege mit anderen Kommunikations-profis erleichtert. Der Vorteil gegenüber einer isolier-ten individuellen Homepage liegt auf der Hand: „Beitorial bist du Teil einer Relevanzplattform, im Webstehst du einfach auf irgendeiner Site”, sagte MarcusJordan, einer der beiden Geschäftsführer.

Weitere Macher neben Jordan sind KonradSchwingenstein, ehemaliger Gesellschafter beim Süd-deutschen Verlag, und Hans-Peter Hösl, Gründer derKommunikationsagentur Bloom. Ihnen schwebt eineMarkt-Plattform vor, auf der Publizisten zielgenau dierichtigen Autoren und die richtigen Inhalte finden.„Inhaltliche Inspiration, eine neue effektive Quelle fürRecherche.” Der Haken: die journalistische Zielgruppeist einstweilen zu klein für eine erfolgreiche Kommer-zialisierung etwa auf der Basis von Nutzungsgebüh-ren. Ein funktionierendes Geschäftsmodell ist nochnicht in Sicht. Denkbar wäre eine Mischkalkulationaus Beiträgen institutioneller Nutzer (Verlage, Redak-tionen, Agenturen) und Stiftungsgeldern oder öffent-lichen Finanzierungen. Zu diesem Zwecke wird derzeitder Gang in die Gemeinnützigkeit geprüft. Auch diedju hat ihre Zusammenarbeit mit „torial” zugesagt.

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also nach den populärsten Links, zweitens nach The-men, das heißt sortiert nach den verwendetenHashtags. Die dritte Kategorie ermittelt die am häu-figsten erwähnten User.

Zum Kernteam des Berliner Startups zählen nebenGründer Fischer noch Geschäftsführer Marco Buhl-mann, IT-Mann Arno Dirlam und Marketingchef Tors-ten Müller. Die Initialzündung für ihr Projekt beka-men die Gründer während des „arabischen Frühlings”2011. Damals avancierte die sozialen Netzwerke zuwichtigen Nachrichtenquellen, deren Output freilichhäufig sehr unübersichtlich war (und ist), sowohl wasRelevanz als auch Authentizität betraf. Hauptzielgrup-pe ihres Dienstes sind folglich jene Professionen, de-ren Akteure gezielt schnelle, aktuelle und relevante In-formationen benötigen: Journalisten, Politikberater,Entscheider.

Gefördert wurde das Projekt unter anderem vomBundesministerium für Wirtschaft und Technologiesowie von der Industriebank Berlin. Zudem trugen perCrowdfunding Hunderte von Mikroinvestoren mit ei-ner Viertelmillion Euro zur Anschubfinanzierung bei.

Mittlerweile hat „Tame” weltweit mehrere TausendeUser. Darunter viele Journalisten und Medieninstitu-tionen. So nutzen die ARD, die BBC oder auch dieNew York Times den Dienst, um aus dem auf täglicheine halbe Milliarde Tweets weltweit geschätzten Ge-zwitscher wichtige Trends zu filtern. Geld verdientwird nach dem Freemium-Modell. Die Analyse der ei-genen Twitter Timeline bleibt einstweilen kostenfrei.Für globale Suchen und weitere Funktionen gibt esAbomodelle ab 49 Euro pro Monat. kel n

Frederik Fischer Marco Buhlmann Arno Dirlam

Torsten Müller

Marcus Jordan Konrad Schwingenstein Hans-Peter Hösl

Visitenkarte durch torialPortfolio-Plattform um der Anonymität des Marktes zu entkommen

Fotos: tame.it

Fotos: torial

Screenshot: torial

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https://www.correctiv.org/http://nordstadtblogger.dewww.lfm-nrw.de/www.initiative-qualitaet.dewww.investigate-ev.net

„Die Zukunft des (investigativen) Journalismus” wardie Medienversammlung 2014 überschrieben, die vonder Medienkommission der LandesmedienanstaltNordrhein-Westfalen (LfM) zusammen mit der „Initia-tive Qualität im Journalismus IQ”, zu der auch die djugehört, und dem Recherche-Förderprojekt „Investi -gate!” am 1. Juli in Düsseldorf veranstaltet wurde.

David Schraven, bis vor wenigen Wochen noch lei-tender Rechercheredakteur der Westdeutschen Allge-meinen Zeitung (WAZ), nutzte die Tagung zur Vorstel-lung des jüngsten investigativen Start-Ups, der ge-meinnützigen Rechercheredaktion „Correct!v”. DieZukunft seines investigativen Journalismus siehtSchraven in einer freien Redaktion, die von Stiftungs-geldern und Leserspenden finanziert wird. „Correct!v” will „Recherchen für die Gesellschaft” umsetzen undein Bildungsprogramm anbieten, dass die Bürger in-formations- und transparenzmündiger machen soll.Finanziert wird die Redaktion in Essen zunächst drei

Jahre mit je einer Milli-on Euro von der Brost-Stiftung einer der bei-den früheren Besitzerfa-milien des Verlagskon-zerns WAZ. Aus diesemist inzwischen die Fun-ke Mediengruppe ge-worden, im Besitz derzweiten Gründerfamilieum Petra Grotkamp.Mit dem Stiftungsgeld,einst im Verlag erwirt-

schaft, sollen jetzt arbeitsaufwändige Geschichten er-zählt werden, die sich Medien heute nicht mehr leis-ten. In Kooperationen sollen sie an Verlage, Blogs so-wie Radio und Fernsehen weitergereicht werden – kos-tenlos.

Um noch eine Stiftung ging es in der Auftaktdis-kussion. Nach dem neuen Landesmediengesetz fürNordrhein-Westfalen, das kurz nach der Medienver-sammlung am 3. Juli vom Landtag beschlossen wurde,soll sie „die Vielfalt und Qualität von Journalismus imlokalen und regionalenRaum fördern”, erklärteder Vorsitzende derLfM-Medienkommissi-on Werner Schwader-lapp. Die LfM wird dieFederführung überneh-men. Wie das aussehenkönnte ohne die Kon-kurrenzprobleme zuprovozieren, um die esschon aufgeregte Dis-

kussionen gab, soll eine Konferenz im Herbst genauerdefinieren. Auf jeden Fall, so Schwaderlapp, müsse sie„staatsfern, wettbewerbsneutral, gemeinnützig” sein.

Über den „Journalismus unter digitalen Vorzei-chen” haben Volker Lilienthal (Universität Hamburg)und Stephan Weichert (Makromediea HochschuleHamburg) im vergangenen Jahr im Auftrag der LfMausführlich geforscht. Erste Ergebnisse stellten sie vor,die gesamte Ausarbeitung soll im Herbst veröffent-licht werden. Als ein Resümee erscheint darin eine ge-wachsene Einsicht der Redaktionen, sich dem Leserdigital mehr öffnen und das Feedback als wichtigenTeil der Arbeit werten zu müssen. Die Umsetzung seivielerorts aber noch wenig professionell und werdeden viel fältigen Möglichkeiten des Internets zu weniggerecht.

Mangelnde Bindung zu den Lesern und Gering-schätzung der Lokalredaktionen beklagte AlexanderVölkel, früher Redaktionsleiter bei der inzwischen oh-ne eigene Redaktion auskommenden WestfälischenRundschau als Grund für die nachhaltige Leserenttäu-schung im Ruhrgebiet. Das Gegenteil ist das Ziel der„Nordstadtblogger” von ehemaligen Mitarbeitern derWestfälischen Rundschau. Der Lokalblog, den die„Nordstadtblogger” derzeit ehrenamtlich gestalten,soll nun zur Existenzgrundlage für die Macher ausge-baut werden, während die Redakteure noch von derAbfindungs-Lohnfortzahlung profitieren. Denn: „Lo-kale Inhalte sind es, die zu monetarisieren sind”, sagteVölkel. Mit ihm diskutierten Lutz Feierabend vomKölner Stadtanzeiger, der gespannt ist auf die Akzep-tanz der frisch eingeführten Bezahlschranke, und UlliTückmantel, der gerade die halbe Redaktion der West-deutschen Zeitung abbaut.

Quer durch die Veranstaltung und besonders leb-haft in der Abschlussrunde zog sich die Diskussion,was denn eigentlich Journalismus qualitativ hochwer-tig mache. Tiefe? Schnelligkeit? „Ausgeruhtere Ar -tikel” (Christian Fahrenbach von den derzeit omni-präsenten „Krautreportern”)? Ethische Fundierung?Der gesellschaftliche Auftrag? Oder die Ausrichtungan den Wünschen der Leser, wie es der DüsseldorferProfessor Gerhard Vowe energisch befürwortete, denn„Millionen Bildzeitungsleser müssen auch eingebun-den werden”, und es der frühere Stern-Chefredakteurund Sprecher von „Investigate!” Klaus Liedtke ebensoheftig beklagte wegen der Tendenz der Medien „sicham unteren Massengeschmack zu orientieren”.„Jour-nalismus ist nicht nur Wirtschaftsgut, sondern auchKulturgut”, unterstrich Marlies Prinzing von der Ma-kromedia Hochschule Köln, und Ulrike Kaiser von derInitiative Qualität forderte: „Aus und Weiterbildungist das Thema der Zukunft. Bei Verlagen ist es zu un-tergeordnet, deshalb ist auch das eine Aufgabe für dieneue Stiftung.” Susanne Stracke-Neumann n

AUFBRUCHSTIMMUNG

Korrektiv zum AlthergebrachtenStiftungen kümmern sich um journalistische Recherche- und Bildungsarbeit Ulli Tückmantel mit

Moderator Frank Überallund Lutz Feierabend(v.l.n.r.)

Alexander Völkel

Klaus LiedtkeDavid Schraven

Werner Schwaderlapp

Fotos: FOX / U

we Völkner

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16 M 5.2014

Gerade mal ein Jahr nach Dienstantritt schockt Inten-dant Tom Buhrow die WDR-Belegschaft mit einem ra-dikalen Sparkurs. 100 Millionen Euro muss der Senderangeblich ab 2016 jährlich sparen, 500 Planstellen sol-len bis 2020 wegfallen. Auch im Programm sind Ab-striche geplant. Gewerkschaften und Personalräte for-dern Alternativen, die personelle Ausblutung und Ver-schlechterung der Programmqualität verhindern.

Als Tom Buhrow im Juli 2013 Monika Piel im Amt desWDR-Intendanten ablöste, führte er sich mit einer po-pulären Songzeile aus den 80er Jahren ein. „Ich bringdie Liebe mit”, warb der ehemalige „Tagesthemen”-Moderator mit dem Refrain des Neue-Deutsche-Wel-le-Hits „Codo” der Gruppe „Deutsch-ÖsterreichischesFeingefühl” (DÖF) um das Vertrauen der Belegschaft.

Bereits 100 Tage später erschien das Liebesver-sprechen arg abgekühlt. Ein Kassensturz habe Bedroh-liches ergeben, hieß es da plötzlich. Dem WDR gehees schlecht, die Rücklagen des Senders würden bis Ende2014 aufgebraucht sein. „Dann geht es in den Keller,da gibt es nichts schön zu reden”, orakelte Buhrow imOktober vergangenen Jahres. Bei einfacher Fortschrei-bung der aktuellen Rahmenbedingungen – keine hö-heren Beitragseinnahmen, rund zwei Prozent Infla -tion – so die interne Rechnung, werde man ab 2015jährlich mit einem 61,3 Millionen-Defizit auf einHaushaltsloch zusteuern. Horrorszenario bis 2022: einSchuldenabgrund von 1,3 Mrd. Euro. Als Sofortmaß-nahme kündigte Buhrow seinerzeit den Abbau von 50der knapp 4.200 Planstellen bis Ende 2014 an. WeitereKürzungsvorhaben: die Verringerung der Rücklage fürBausanierungen, die Verringerung freiwilliger Leistun-gen des Senders wie etwa für die Filmförderung.

Erst jetzt, acht Monate später, ziemlich genau einJahr nach Buhros Dienstantritt, lässt die Intendanz dieKatze aus dem Sack. Wobei sich das vor acht Monatengezeichnete Szenario noch verschlimmert hat: Bis2020 sollen 500 Planstellen abgebaut werden – alsofast jeder achte Arbeitsplatz. Begründung: Von 2016an fehlen dem Sender angeblich 100 Millionen Eurojährlich im Etat.

Details gab die Intendanz am 1. Juli bekannt. Diemeisten Jobs will der Sender in der Verwaltung undin der Produktion abbauen. Aber auch das Programmmuss bluten. So wird die samstägliche aktuelle „Lo-kalzeit” mit ihren elf regionalen Ausgaben im WDR-Fernsehen zum Januar 2015 auf eine landesweit ein-heitliche Ausgabe namens „Lokalzeit Weekend” ein-gedampft. Nur so, heißt es, könne die Schließung gan-zer Studios vermieden werden. Das seit 1984existierende Format kostet aktuell 60 Millionen Europro Jahr. Sparen will der Sender auch bei Talkshows,die Sendung „Plasberg Persönlich” wird Ende 2014eingestellt. Sündhaft teure ARD-Zulieferungen wie„Günther Jauch” dürften eher unangetastet bleiben.Das Wissensformat „Kopfball” wird gestrichen.

In Sachen Sportrechte gab Buhrow sich vage: Erwolle solche Rechte „nicht um jeden Preis”. Sakro-sankt bleiben dürfte der Quotenbringer Fußball: Auf

WM, EM oder Bundesliga wird nicht verzichtet wer-den. Diese Events sollten „auch in Zukunft allen Bür-gerinnen und Bürgern im frei empfangbaren Fern -sehen zur Verfügung stehen und nicht hinter einerBezahlschranke im Pay-TV verschwinden”, sagt Un-ternehmenssprecherin Kristina Bausch. Klingt ver-dienstvoll. Die Rekordquoten bei der gerade beende-ten Fußball-WM belegen aber auch: Bei Verzicht auf

die Übertragung solcher Events würden sich wohl dieRestbestände des jungen Publikums von den Öffent-lich-Rechtlichen verabschieden.

Kaum seriöse Angaben möglich. Medieninsiderzweifeln gleichwohl die Gültigkeit der WDR-Sparprä-missen an. Kein Mensch könne derzeit seriös undexakt angeben, wie hoch die Beitragseinnahmen desSenders ab 2016 ausfallen würden. Selbst die KEFspricht in ihrem jüngsten Bericht bei den Zahlen fürdiese Periode nur von „Prognosen”, die mit vielen Un-sicherheiten behaftet seien. Kurzfristig bescherte dieUmstellung des Systems von der gerätebezogenen Ge-bühr auf die Haushaltsabgabe dem WDR 2013 sogarein sattes Plus von 32,2 Millionen Euro. Das ergibtsich zumindest aus dem soeben vorgelegten Ge-schäftsbericht des GEZ-Nachfolgers „Beitragsservice”.WDR-Sprecherin Bausch wehrt ab: „Unabhängig vonder tatsächlichen Höhe der Beitragseinnahmen istschon jetzt klar: Mehreinnahmen bei den Beiträgenmüssen einer gesonderten Rücklage zugeführt wer-den, über die der WDR nicht verfügen kann.” ZumSparkurs des Senders gebe es „keine Alternative”.

Nun ist das Wort „alternativlos” erst 2011 zum„Unwort des Jahres” gekürt worden, weil es den poli-

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WDR auf CrashkursPersonalrat fordert „offene Diskussion” und einen Strategieplan

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tischen Diskurs erstickt. Klar ist aber auch, dass diepolitisch umstrittene Verringerung der monatlichenRundfunkabgabe um 48 Cent voraussichtlich ab Früh-jahr 2015 die Höhe des Etats beeinflussen wird. Nichtzuletzt die Personalräte von ARD, ZDF und Deutsch-landradio hatten daher noch Anfang März in einemOffenen Brief an die Länder vor einer voreiligen Sen-kung des Rundfunkbeitrags gewarnt. Seit der letztenechten Gebührenerhöhung 2009 hätten die Anstaltenbereits diverse Sparprogramme aufgelegt. Die jetzt ge-planten Einschnitte würden weitere Arbeitsplätze kos-ten, zu Einschnitten im Programm und damit zu ei-nem Qualitätsverlust beim öffentlich-rechtlichenRundfunk führen. Dass die KEF und die Medienpolitikseit Jahr und Tag die Sender zu erhöhten Sparanstren-gungen aufrufen, ist bekannt. Darauf stützt sich auchdie Argumentation des WDR. „Die KEF hat deutlichgemacht, dass sie mittelfristig kein Wachstum des öf-fentlich-rechtlichen Rundfunks sieht”, sagt KristinaBausch. Im Gegenteil habe sie „explizit Kürzungenvorgeschrieben, insbesondere beim Personal”.

Glaubwürdigkeit eingefordert. Allen Zwängen zumTrotz kommt bei Beschäftigten und Gewerkschaftender jetzt eingeschlagene Kurs nicht gut an. Man sei„für eine offene Diskussion” mit der Belegschaft „da-rüber, wie der Programmauftrag bei geringer werden-den Finanzmitteln verwirklicht werden kann”, hießes in einer ersten Stellungnahme von ver.di. Und: Ei-ne solche Diskussion sei aber „glaubwürdig nichtmöglich, wenn schon vorher der Stellenabbau als fes-te Größe verkündet wird”.

Das findet auch der Personalrat. „Wie kann man500 Stellen abbauen, ohne einen Strategieplan überAufgabenreduzierungen zu haben”, fragt PR-Vorsit-zender Heri Stratmann in einem internen Rundschrei-ben – vor Bekanntgabe der Spardetails. Schon jetztgreife der Sender in seiner Personalpolitik auf ein frag-würdiges Instrumentarium zurück: auf Anmietungen,Leiharbeit und Auslagerung an freie Produktions -firmen. „Was soll daran effizient sein, wenn sich Ge-bührengelder in Gewinne von Menschenverleihern,Rechteinhabern, Produktionsfirmen und in Umsatz-steuer verwandeln?” Eine ziemliche Bauchlandung er-lebte der Sender zum Beispiel mit seiner vor 15 Jahrengetroffenen Entscheidung, das Gebäudemanagementin eine selbstständige GmbH mit 230 Beschäftigtenauszugliedern. Der Versuch, durch Privatisierung Kos-ten zu sparen und ein neues Geschäftsfeld zu erschlie-ßen, scheiterte grandios. Nach jahrelanger Misswirt-schaft sah sich der Sender vor zwei Jahren genötigt,das Personal der GmbH wieder unter seinem Dacheinzugliedern – angeschwollen auf 242 Stellen. Einevorausschauende Personalpolitik sieht anders aus.

Eines hat die Intendanz immerhin zugesagt: Be-triebsbedingte Kündigungen sind ausgeschlossen. Deranvisierte Personalschnitt soll sozialverträglich erfol-gen, sprich: durch Vorruhestands- und Altersteilzeit-regelungen. Nach ersten Gesprächen hätten kurzfris-tig bereits rund 200 Beschäftigte solchen Modellen zu-gestimmt, sagt ver.di Bezirkssekretär Bernd Fiegler. Dasbetreffe aber überwiegend „Besserverdienende undAußertarifliche, die sich das leisten können”.

Vieles klingt reichlich nebulös: Der Sender werde„Sachkosten senken und die Effizienz steigern”. Effi-zienz steigern, das klingt immer gut. Und Sachkostensenken? Unter Sachkosten fallen nicht nur Toiletten-

papier und Radiergummis. Darunter werden auch dieHonorare für die 1880 arbeitnehmerähnlichen Freienund Hunderte weitere „vogelfreie” Journalisten sub-sumiert.

Seit Herbst letzten Jahres habe die Ankündigungneuer Grausamkeiten „wie ein Damoklesschwert überuns geschwebt”, sagt Anja Arp, Mitglied des Personal-rates und ver.di-Freiensprecherin. Der Verzicht auf be-triebsbedingte Kündigungen bedeutet im Umkehr-schluss: Die Krisenbewältigung geht mal wiederhauptsächlich zu Lasten der Freien. Denn sie sind es,die den weitaus größten Teil des journalistischen Out-puts produzieren. Schon die bisherigen Sparmaßnah-men gingen weitgehend auf ihre Kosten. Jetzt könntees ans Eingemachte gehen. Dabei sind die Zuständein vielen Abteilungen reichlich unbefriedigend. Beietlichen Redaktionen bekommen die Freien seit Jah-ren das Gleiche. Exemplarisch lässt sich das etwa imRegionalbereich des WDR-Fernsehens beobachten.Vor zwölf Jahren habe ver.di Mindesthonorare ausge-handelt, die zehn Prozent unter den durchschnittlichgezahlten Honoraren lagen. Seither wurden bei denjährlichen Tarifverhandlungen regelmäßige lineareErhöhungen für Festangestellte und Freie erzielt. „An-gekommen sind diese Erhöhungen nur bei den Min-desthonoraren”, kritisiert Arp. In vielen Bereichen, et-wa in Eins Live, bei Funkhaus Europa oder bei den Re-gionalprogrammen seien alle Zahlungen auf Mindest-honorarlevel geschrumpft. Gleichzeitig würden dieProgrammetats seit vielen Jahren nicht mehr aufge-stockt. Die Redaktionen müssten sich dann überlegen,wie sie die schmalen linearen Honorarerhöhungenauffangen.

Vor allem Freie betroffen. Ähnliches geschieht auchim Hörfunk. Bei WDR5 zum Beispiel, früher ein reinesWortprogramm, nimmt seit einiger Zeit der Musikan-teil zu. „Noch ist die Sparpolitik nicht so deutlich hör-und sichtbar”, räumt ein Redakteur der Infowelle ein.„Aber für viele Freie läuft diese Politik darauf hinaus,dass sie für immer weniger Geld immer mehr arbeitenmüssen.” Hörfunkdirektorin Valerie Weber, erst imApril vom privaten Dudelfunk „Antenne Bayern” zumWDR gewechselt, will jetzt den Rotstift zunächst beimpublikumsschwachen Nachtprogramm einsetzen.Aber, so versichert sie: „Die Hochkultur und dieKlangkörper bleiben.”

Auch die jetzt beschlossenen Kürzungen bei derTV-„Lokalzeit” dürften vor allem die Freien hart tref-fen. Denn gerade in NRW haben sich in jüngerer Zeitdie Arbeitsmöglichkeiten für freie Journalisten starkvermindert, wie Horst Röper in seiner aktuellen Studie„Zeitungsmarkt 2014” belegt. 45 Prozent der Bevölke-rung leben in Zeitungsmonopolgebieten, haben alsokeine Auswahl mehr, wenn sie sich über das lokaleGeschehen informieren wollen. Wenn jetzt auchnoch der Landessender WDR die Aufgaben seiner Re-gionalstudios kürzt, könnte so mancher Freie in exis-tentielle Nöte stürzen. Auf einer gut besuchten Per -sonalversammlung wurden daher die Sparpläne desSenders unisono als „kontraproduktiv” bezeichnet. Ei-nige Redner warnten davor, die Schere zwischen „ver-armenden Freien” und „noch” privilegierten Festan-gestellten noch weiter auseinander driften zu lassen.Der WDR lebe von der Leistung der Freien, so ein lang-jähriger freier Autor, „jede weitere Kürzung erzeugt so-zialen Sprengstoff”. Günter Herkel n

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Foto: W

DR / Herby Sachs

WDR Köln am 1. Juli 2014: Die Intendanz stellt den Beschäftigten die neuen Sparpläne vor – (v.l.n.r.) diestellvertretende IntendantinEva-Maria Michel, Hörfunk -direktorin Valerie Weber, Intendant Tom Buhrow undFernsehdirektor Jörg Schönen born.

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Sie haben in Ihrer Studie „Meinungsmacht” den Einflussvon Eliten auf einige der wichtigsten Leitmedien inDeutschland untersucht. Was ist Meinungsmacht und werübt sie hierzulande aus?UWE KRÜGER: Pauschal kann ich das natürlich nichtbeantworten. Der Fokus meiner Studie lag auf demVerhältnis, das große deutsche Medien zu den politi-schen und wirtschaftlichen Eliten dieses Landes auf-weisen. Sie pflegen viel informellen Umgang mit Eliten aus Politik und Wirtschaft und es gibt da einegewisse gedankliche Nähe. Das konnte ich zumindestfür den Bereich Außenpolitik und transatlantische Be-ziehungen relativ gut belegen. Führende Journalistensind hier in ein ziemlich dichtes Kommunikations-netzwerk eingebunden, affin zur NATO, zu den USA,zur Bundesregierung. Das spiegelt sich auch in ihremjournalistischen Output wieder.

Ausgangspunkt Ihrer Analyse ist ja der Eindruck, dass dieBerichterstattung dieser Leitmedien über zentrale Fragender Sicherheitspolitik – in diesem Fall über die Auslands-einsätze der Bundeswehr – eine massive Schlagseite hinzur Position der Bundesregierung und der NATO auf-weist – im Gegensatz zur eher ablehnenden Haltung derBevölkerung. Wie erklären Sie sich dieses doppelte Mei-nungsklima?Es existiert eine Kluft zwischen Elite und Bevölkerungin diesen Fragen, was Sicherheit eigentlich ist und wound wie man sie verteidigen sollte. Die Bevölkerungist zumindest gespalten oder sogar mehrheitlich ge-gen weltweite Bundeswehreinsätze. Demgegenüberhaben wir einen Gleichklang von wichtigen Medien,die sich zusammen mit Eliten aus Politik und Wirt-schaft für mehr Rüstung und weltweite Bundeswehr-einsätze engagieren. Das hängt meiner Auffassungnach damit zusammen, dass die Medien bzw. die Ent-scheider in den Redaktionen selbst Teil dieses Eliten-diskurses sind. Sie tendieren dazu, die Meinung derBevölkerung als unqualifiziert abzuwerten, den Men-schen Ignoranz vorzuwerfen. Das kann man mit kognitiver Vereinnahmung durch das Eliten-Milieuerklären.

Die Mehrzahl der führenden deutschen Journalisten, derso genannten „Alphajournalisten”, ist verbandelt mitden Eliten aus Politik und Wirtschaft. Wie hat man sichdas vorzustellen?Es gibt etwa alljährlich im Februar die Münchner Sicherheitskonferenz, wo 350 Entscheider vor allemaus NATO-Staaten zusammen treffen und über Sicher-heits- und Außenpolitik diskutieren. Da sind dannauch die außenpolitischen Ressortleiter der großenüberregionalen Blätter wie der FAZ und der Süddeut-schenmit von der Partie. Viele dieser Entscheider trifftder FAZ-Redakteur dann später wieder, etwa bei einerSitzung der Trilateralen Kommission, einem vertrau-lichen Treff von Eliten aus Nordamerika und West -europa und Asien. So gibt es ganz verschiedene Orga-

nisationen, viele mit US- oder NATO-Bezug – etwaden American Council on Germany, die Atlantik-Brü-cke oder die Atlantische Initiative. Da tauchen immerwieder dieselben Personen auf.

Zum Beispiel?Zum Beispiel Wolfgang Ischinger, der mal deutscherBotschafter in Washington war und jetzt Chef derMünchner Sicherheitskonferenz ist und übrigensauch noch Cheflobbyist der Allianz. Es existieren be-trächtliche personelle Schnittmengen zwischen die-sen Organisationen. Einige der wichtigsten meinungs-bildenden Journalisten sind über diverse Hintergrund-kreise, Stiftungen und Think Tanks mit diesen Elitenverbunden.

Was ist so schlimm daran, wenn Journalisten versuchen,Zugang zu möglichst vielen Quellen zu bekommen? Dasist doch schließlich ihr Job …Schon. Zum Problem wird es aber, wenn sie keine aus-reichende Distanz zu den Akteuren einhalten und de-ren Perspektive übernehmen. Zumal, wenn es sich umdie mächtigsten Akteure des jeweiligen Themenfeldeshandelt. Die Münchner Sicherheitskonferenz mag einPflichtprogramm für Außenpolitik-Journalisten sein.Aber warum nicht auch mal ein Besuch bei der Ge-genveranstaltung „Münchner Friedenskonferenz”? Dageht aber niemand hin. Alternative Diskurse werdenin der Regel ignoriert oder marginalisiert.

Einer der Journalisten, deren persönliches Netzwerk Sieuntersucht haben, ist Stefan Kornelius, Ressortleiter Außenpolitik der Süddeutschen Zeitung. Er findet es „dis-kriminierend”, wenn unterstellt werde, dass seine jour-nalistische Unabhängigkeit durch die Mitgliedschaft inOrganisationen wie der „Atlantik-Brücke” oder der „Bun-desakademie für Sicherheitspolitik” untergraben werde…Ich habe sehr vorsichtig von einer Korrelation gespro-chen, von einer Übereinstimmung zwischen den Po-sitionen, die bestimmte Netzwerke vertreten, und denInhalten in seinen Artikeln. Ich kann nicht behaup-ten, dass jemand nicht unabhängig ist. Aber ich er-kenne bestimmte Denkmuster, die auch in offiziellenDokumenten auftauchen. Da werden dann Bedro-hungskataloge abgespult, die in Doktrinen und Do-kumenten der Bundesregierung, der NATO, der USAauftauchen, und es wird regelrecht Werbung gemachtfür eine umfassende Sicherheitspolitik. Mein Ansatzwar, zu prüfen, ob es eine Übereinstimmung zwischeneinem personellen Milieu gibt und dem Meinungsbildeinzelner Journalisten. Diese Übereinstimmung istbeim journalistischen Output der von mir untersuch-ten Journalisten sehr hoch.

Im Interview mit dem NDR-Medienmagazin Zapp sagt SZ-Redakteur Stefan Kornelius, es handle sich bei den auf-gelisteten transatlantischen Organisationen ausschließ-

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Der Einfluss der ElitenMit Uwe Krüger, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Kommunikations-und Medienwissenschaft der Universität Leipzig, sprach Günter Herkel

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Weiterlesen …

Uwe Krüger. Meinungsmacht.Der Einfluss von Eliten aufLeitmedien und Alpha-Journa-listen – eine kritische Netz-werkanalyse. Herbert von Halem Verlag,Köln 2013, 380 Seiten, 29,50 Euro

lich um „ehrenhafte, de-mokratische und extremtransparente Veranstaltun-gen”, auf denen über Au-ßenpolitik geredet werde.Er finde es befremdlich,sich für die Teilnahme ansolchen Veranstaltungenrechtfertigen zu müssenoder ihm gar zu unterstel-len, er übernehme dieSicht dieser Think Tanks.Sie sprechen ja in diesemZusammenhang das Homophilie-Phänomen an.Was hat es damit auf sich?Ein Journalist kommtnicht als unbeschriebe-nes Blatt in so ein Milieuund wird dann umge-dreht oder einer Gehirn-wäsche unterzogen. Mei-ne These ist eher, dassJournalisten, die schonvorher bestimmte Mei-nungen, Werte, Einstel-lungen mit einem Milieuteilen, aufgrund diesergeistigen Nähe überhaupterst eingeladen werdenin solche Elitenzirkel.

Und dann nimmt auch die Wahrscheinlichkeit ab,dass sie den Konsens in diesen Zirkeln hinterfragen.

Kornelius hat in Zapp reagiert. Gab es auch Reaktionender anderen drei Journalisten, deren publizistischen Out-put Sie untersucht haben? Die anderen: Michael Stürmer,Chefkorrespondent der Welt, Klaus-Dieter Frankenberger,Auslandschef der FAZ, schließlich Zeit-Herausgeber JosefJoffe …Ich hatte alle vier angemailt, als die Studie fertig warund bevor sie veröffentlicht wurde, und sie gebeten,für den Anhang ihre Sicht der Dinge aufzuschreiben.Ich bekam vier Absagen.

Erstaunlicherweise bildet auch die eher im linken Mei-nungsspektrum verortete Berliner taz kein Gegengewichtzur Ukraine-Berichterstattung des Mainstreams. DerRussland-Korrespondent der taz forderte im Kontext derKrim-Krise die EU-Staaten sogar zu massiver Aufrüstungauf. Gibt es einen Konformitätsdruck auch da, wo der Ein-fluss von Eliten vermutlich keine so große Rolle spielt? Sicher. Auch Journalisten, die nicht so nah dran sindan Eliten, überlegen, was sie eigentlich sagen können,ohne sich sozial zu isolieren. Aber das Meinungsklimain der taz in der Ukraine-Frage ist ja gespalten, unddass Klaus-Helge Donath so Reagan-artig argumen-tiert, kann auch mit ganz individuellen Sachen zu-sammenhängen.

Politische Neutralität ist ja bekanntlich eine Schimäre.Aber wann wird der Journalist vom Berichterstatter zumpolitischen Akteur?Journalisten sollen natürlich auch kommentieren, sol-len sich politisch positionieren. Problematisch wirdes aber, wenn Kommentare den Elitendiskurs nur re-produzieren und ihn nicht mit Abstand auch kritisch

beleuchten. Auch blinde Flecken sollten angespro-chen werden, im Fall der Ukraine-Berichterstattungzum Beispiel die Interessen und Strategien des Wes-tens. Wenn man allerdings in solchen ElitenzirkelnFunktionen übernimmt, wird eine Grenze überschrit-ten. Ein Beispiel: Die Zeit hatte über Jahrzehnte jeweilseinen hochrangigen Vertreter bei der Bilderberg-Kon-ferenz, einer jährlichen geheimen Konferenz von Eli-ten aus Westeuropa und Nordamerika. Bei dieser Ver-anstaltung gibt es einen Lenkungsausschuss mit un-gefähr 20 Leuten, der die Teilnehmer und die Themender Konferenz festlegt. Die Zeit hatte, früher mit Chef-redakteur Theo Sommer, zuletzt bis 2012 mit MatthiasNaß als stellvertretendem Chefredakteur dort einenVertreter, der den informellen Diskurs mit organi -sierte. Das ist der Rolle des Journalisten als Anwalt derÖffentlichkeit nicht angemessen und ein eindeutigesÜberschreiten der Linie, die Hanns-Joachim Friedrichsmal beschrieben hat mit „Überall dabei sein, ohne da-zu zu gehören”.

Es gibt ja auch den Fall des Zeit-Redakteurs Jochen Bitt-ner, der in seinem Blatt die von Bundespräsident Gauckauf der letzten „Münchner Sicherheitskonferenz” einge-forderte Neuausrichtung der deutschen Außenpolitik –neu im Sinne von „mehr Verantwortung übernehmen”,sprich: mehr Auslandseinsätze fahren – gelobt hat. Ohneallerdings zunächst den Lesern zu verraten, dass er selbstan einem Papier über diese Strategie mitgearbeitet hat-te. Das ist doch unter berufsethischen Kriterien höchstfragwürdig, oder?Das finde ich auch. Man kann da zwei Fragen stellen.Einmal: War es überhaupt okay, dass Bittner in diesemProjekt der Stiftung Wissenschaft und Politik und desGerman Marshall Fund überhaupt mitgemacht, an soeinem Konsenspapier über die Ausrichtung der deut-schen Außenpolitik mitgewirkt hat? Da wäre ichschon mal sehr skeptisch. Die zweite Frage ist, ob erdann auch noch darüber schreiben sollte. Da er-scheint mir das Problembewusstsein für die nötigeTrennschärfe zwischen der Rolle eines Reporters undeines Akteurs unzureichend ausgeprägt. Auch die lau-warme Klarstellung in der folgenden Ausgabe der Zeit,die auf Leserproteste hin erschien, fand ich nichtüberzeugend.

Welche Konsequenzen sollte man aus solchen Vorgängenziehen? Reichen Appelle zu mehr Transparenz? Die Risi-ken und Nebenwirkungen allzu großer Nähe der Journa-listen zur Macht sind nicht Bestandteil des Kodex desDeutschen Presserates …Ich sehe hier tatsächlich Nachbesserungsbedarf beimPressekodex und auch bei anderen Kodizes inDeutschland. Man sollte darüber in doppelter Hin-sicht diskutieren. Wollen wir nur Transparenz? Wennjemand nahe dran ist, wenn jemand Mitglied ist inElitenorganisationen zu einem bestimmten Thema,sollte das dann unter dem Artikel drunter stehen?Oder wollen wir vielleicht sogar völlige Abstinenz?Dass Journalisten sich prinzipiell nicht mehr so weitrein begeben in vertrauliche Diskussionen und Poli-tikplanungsprozesse? Da wünsche ich mir eine brei-tere Debatte der Branche und auch der Zivilgesell-schaft – was für einen Journalismus wollen wir haben?„Überall dabei sein, ohne dazuzugehören” – dieserLeitsatz von Hanns-Joachim Friedrichs findet sich bisjetzt in keinem Kodex in Deutschland wieder. n

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Foto: Uni Leipzig / Olivia Jasm

in Czok

Uwe Krüger, wissenschaft -licher Mitarbeiter am Institut für Kommunikations-und Medienwissenschaft derUniversität Leipzig

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20 M 5.2014

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Die Integrationsagentur der AWO Mittelrhein und dasNS-Dokumentationszentrum der Stadt Köln hattendrei Journalisten eingeladen, die am 9. Juni 2004 inder Keupstraße waren, nachdem dort am Nachmittageine Nagelbombe explodiert war. Focus-RedakteurAxel Spilcker, damals Polizeireporter beim KölnerStadtanzeiger, kam eine halbe Stunde später zum Tat-ort und sprach mit Augenzeugen. „Wir hatten einengroßen Druck, diese Sache in die Zeitung zu bringen,”erinnerte sich Spilcker, denn um 19 Uhr war Redak -tionsschluss. Richard Heister musste als AFP-Korres-pondent außerhalb der Sperre bleiben und berichtete„das Nachrichtliche”, das er von der Polizei erfuhr.WDR-Journalistin Ayca Tolun, die damals Schicht-dienst hatte, wurde in der Redaktion gefragt: „Hat diePKK etwas mit der Keupstraße zu tun?” Abends sei siehingegangen und habe mit den Anwohnern auf Tür-kisch gesprochen. Sie sagten: „Das ist ein rechtsradi-kaler Anschlag gewesen.” Tolun konnte nicht glau-ben, dass so etwas nach dem Brandschlag von Solin-gen 1993 noch möglich ist.

Einen Tag später sagte der damalige Bundesin-nenminister Otto Schily, die bisherigen Erkenntnissedeuteten nicht auf einen terroristischen Hintergrund,sondern auf ein kriminelles Milieu hin. Diese Äuße-rung gab die Richtung für die folgende Polizeiarbeitund die Berichterstattung vor, bedauerten alle dreiJournalisten im Nachhinein. Selbst türkische Medienhätten von der Mafia als Täter gesprochen, so Tolun.Die Bewohner der Keupstraße wurden durch solcheMutmaßungen mundtot gemacht. Mitat Özdemir,Vorsitzender ihrer Interessengemeinschaft, erzählte:„Da sind Polizisten gekommen, begleitet von Journa-listen und haben nach den Tätern gefragt. Als wir ant-worteten: Neonazis, fragten sie weiter: Und wer könn-

te das sonst gewesen sein? Irgendwann sagten wir nurnoch, was sie hören wollten.”

Wie konnte es zu diesen verzerrten Medienbil-dern kommen, die erst durch die Selbstentlarvung desNationalsozialistischen Untergrunds NSU 2011 korri-giert wurden? Zum einen spielt da sicherlich das vor-herrschende journalistische Selbstverständnis als„neutraler Vermittler” eine Rolle. „Wir haben die Er-mittlungen der Polizei begleitet” und „Wir könnenkeine polizeiliche Aufklärungsarbeit leisten”, rechtfer-tigte sich Spilcker. AFP-Korrespondent Heister erklärte:„Für Nachrichtenjournalisten war die Richtung durchSchilys Äußerung vorgegeben. Investigative Journalis-ten hätten aufklären können.” Ein weiterer Schwach-punkt sind die Nachrichtenwerte, nach denen Politi-keräußerungen ein stärkeres Gewicht haben als dievon Betroffenen. Sie erschrecke die „Unfähigkeit vonJournalisten, die Perspektive der Betroffenen in derBerichterstattung zu berücksichtigen”, sagte MercedesPascual-Iglesias, Journalistin und Mitarbeiterin der In-tegrationsagentur AWO-Mittelrhein nach der Diskus-sion: „Die Nähe zum Apparat – Polizei, Behörden, Po-litik – prägt ihre Berichterstattung, ohne dass sie es be-merken. Sie reden auch heute noch von Sachlichkeit,obwohl sie wie der damalige Polizeireporter Axel Spil-cker in der Berichterstattung über den Nagelbomben-anschlag in der Keupstraße Mutmaßung an Mutma-ßung reihten und damit das Ansehen der Bewohnerund Geschäftsleute schwer schädigten. Diese Unre-flektiertheit ist das Grundproblem!”

Bessere Quellenlage. Nach den Konsequenzen fürdie Berichterstattung befragt, antwortete Heister, dieGlaubhaftigkeit von Politikerstatements sei ins Wan-ken geraten. Spilcker, dem das Unwort „Döner-Mor-de” herausrutschte, meinte trotzdem, man sei sensib-ler geworden, aber regionale Medien könnten ihreKontrollfunktion nicht ausüben, wenn „keine Powerreingegeben wird”, wenn das Personal fehlt. Tolun be-richtete, beim WDR würden freie Mitarbeiter mit ent-sprechendem Hintergrund jetzt schneller angerufen,

Nichts dazu gelernt?Mehr Sensibilität bei Berichten über Rechtsextremismus notwendig

„Ich glaube, das reproduziert sich”, sagte Ayca Tolun, Leiterin der Türkischen Redaktionbeim WDR, in einer Diskussionsrunde zur Berichterstattung über den NSU-Anschlagin der Kölner Keupstraße vor zehn Jahren. Haben die Medien nichts dazu gelernt? Odersind sie doch sensibler geworden, wenn es um die Berichterstattung über Rechts -extremismus geht – wie über den NSU-Prozess?

Foto: Jan-Timo Schaube

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um Betroffene zu befragen. Die Quel-lenlage sei besser geworden.

Doch ein latenter Rassismus in derGesellschaft, auf den ModeratorinSheila Mysorekar von den Neuen Deut-schen Medienmachern immer wiederzurückkam, scheint Polizeiarbeit undBerichterstattung nach wie vor zu be-einflussen – auch wenn Richard Heis-ter das vehement abstritt. Ayca Tolunsagte, das Problem sei unser „Vorwis-sen über Migranten”: sehr komplizierteLebensverhältnisse, große Familien,die verteilt in zwei oder mehr Ländernleben und viel Geld in die alte Heimatschicken. Solche ikonografischen Bil-der seien sehr stark und hielten sichhartnäckig. Diese Wahrnehmungsmus-ter ließen sich durch eine Ausschluss-diagnose durchbrechen, z.B. wenn beiAnschlägen zunächst nach rechtsradi-kalen Motiven und dann nach ande-ren gefragt wird. Toluns Kollegen dage-gen verweigerten sich einem solchenPerspektivwechsel. Sie waren skep-tisch, dass sich Polizeiarbeit und Be-richterstattung ändern, wenn inDeutschland wie bereits in Englandund Frankreich „hate-crime” (Verbre-chen aus Haß) ein Tatbestand wird.

Banalität des Bösen. Die Wahrneh-mung von Rechtsradikalismus habesich nicht geändert, stellte Tolun ernüchternd fest. Sieberichtet jetzt für die ARD vom Münchener NSU-Pro-zess und erlebt, wie schwierig es ist, das Thema in dieMedien zu bekommen. Dort dominiere die Vorstel-

lung: „Die Neonazis stehen jetzt vor Ge-richt. Jetzt brauchen wir nicht mehr darü-ber zu berichten.” Und wenn berichtetwird, erscheint meist die HauptangeklagteBeate Zschäpe schweigend im Bild. Sie ent-spricht so gar nicht den Vorstellungen, dieTolun von der Neonazi-Frau hatte. „Fürmich persönlich ist die Banalität des Bösensichtbar geworden. Was wir bislang überdie mutmaßlichen NSU-Mörder erfahrenhaben, erschreckt mich so sehr, weil derenLebensumstände so erschreckend normalgewesen sind. Wenn wir von Beate Zschäpereden, geht es um die Diddl-Maus-Liebha-berin und Katzenfreundin, die in einer fes-tungsgleichen Wohnung lebt und mit einerafghanischen Nachbarsfamilie im Gartengrillt. Für mich ist die Bilanz von all dem,dass die Behörden lernen müssen, das rech-te Auge nicht mehr vor so viel Normalitätso massiv zusammenzukneifen”, so AycaTolun im August vorigen Jahres im WDR5.

Rechtsextremismus scheint so unauf-fälig in unserer Gesellschaft zu sein wie Ras-sismus. Wer ihn nicht erlebt, negiertihn.„Vielleicht war es auch naiv zu glau-ben, dass die Mordtaten des NSU zu einergesellschaftlichen Debatte über Rassismusund zu einem Kampf gegen Rassismus füh-ren würden”, sagte Mehmet Gürcan Dai-magüler (Nebenklagevertreter im NSU-Ver-fahren) am 14. Mai 2014. „Manchmal wer-de ich gefragt, ob nach allem, was wir heute

wissen, in Zukunft die Taten des NSU noch einmalmöglich wären. Natürlich wären sie möglich, mussdie ehrliche Antwort lauten. Was hat sich denn bis-lang geändert?” Bärbel Röben n

MEDIEN + GESELLSCHAFT

Zum Weiterlesen:

Presseschau zu 10 Jahre nach dem Nagelbomben -anschlag in der Keupstraßehttp://keupstrasse-ist-ueberall.de/tesekkuerler/

Von Mauerfall bis Nagelbombe – Der NSU-Anschlagauf die Kölner Keupstraße im Kontext der Pogromeund Anschläge der neunziger Jahre. Herausgegeben von der Gruppe Dostluk Sineması, 128 Seiten, 10 Euro zzgl. 2 Euro Versandkosten, ISBN: 978-3-940878-16-8Zu bestellen unter: [email protected], http://keupstrasse-ist-ueberall.de/die-publikation-von-mauerfall-bis-nagelbombe-ist-erschienen/

Ein Jahr NSU Prozess: Aktuelle Stunde vom 5.5.2014www1.wdr.de/mediathek/video/sendungen/aktuelle_stun-de/videoeinjahrnsuprozess100.html

Thementag – Ein Jahr NSU-Prozess. Persönliche Eindrücke: Ayca Tolunwww.funkhauseuropa.de/themen/aktuell/nsuprozess348.html

Leitfaden für einen rassismuskritischen Sprachgebrauch. AntiDiskriminierungsBüro Köln (Hrsg): Handreichung für Journalist/innen. Köln 2013www.oegg.de/index.php?de_ab-2008

Von wem stammen wohl diese Äußerungen über denIslamisten-Prediger Pierre Vogel? „Dem Reden Vogelsfolgt … zwangsläufig das Handeln von Glaubenskrie-gern” wie beim Attentat im Jüdischen Museum Brüs-sel. „Die Justiz sollte deshalb zügig versuchen, mög-lichst alle Vogels dieser Republik hinter Gitter zu brin-gen”. Als der Bremer Verfassungsschutz-Chef Hans-Joachim von Wachter am Rande eines Presseterminsum eine Bewertung dieser Aussagen gebeten wurde,meinte er: „Das klingt eher nach Rechtspopulismus”.Er wirkte überrascht, als er die wahre Herkunft erfuhr:Die Zitate stammen aus einem Kommentar des We-ser-Kuriers (WK). Auch Innensenator Ulrich Mäurer(SPD) nannte die Äußerungen „an den Haaren herbei-gezogen”. Man müsse immer „den Einzelfall an-schauen”.

„Kein Pardon” hieß der WK-Kommentar, und er en-dete alarmistisch: „Unsere Demokratie muss sich ge-

gen den Islamismus endlich wehrhaft zeigen – ehees zu spät ist!” Der Verfasser, Daniel Killy (52), warmal Bild-Ressortleiter und ist seit Januar Chef vomDienst beim WK. Worüber er sich so ereiferte: DasOberverwaltungsgericht Bremen hatte einen zu-nächst verbotenen Auftritt der Islamisten Pierre Vogelund Sven Lau erlaubt, da die Meinungsfreiheit sogarverfassungsfeindliche Äußerungen schütze, solangesie nicht strafbar seien.

In der Tat begingen die Prediger bei ihrem Auftritt kei-ne Volksverhetzung, sondern zeigten sich unerwartetfriedfertig. Zwar polemisierten sie gegen „Lügensen-der” und nannten muslimische Krieger in Syrien„Freiheitskämpfer”. Aber sie betonten auch, dass je-der glauben dürfe, was er wolle, und dass Tötungs-aufrufe gegen Ungläubige, wie sie in Koran und Bibelstehen, im historischen Kontext zu sehen seien. An-sonsten ähnelte die Kundgebung Evangelisations-

Veranstaltungen. Sogar ein Vertreter der Evangeli-schen Kirche meinte hinterher, Vogel sei kein Hasspre-diger. Vielleicht hatten die Redner Kreide gefressen.Aber es unterscheidet den Rechtsstaat von einemGottesstaat, dass Meinungsäußerungen kein Haft-grund sind. Auch Ausweisungen sind nicht nach Be-lieben möglich. Killy indes forderte in einem früherenKommentar: „Wer von den Herren Salafisten keinendeutschen Pass haben sollte – der gehört subito ab-geschoben.”

Knallhart auch sein Urteil über Edward Snowden: Dersei nichts als ein Verräter. Killy ist allerdings keinstrammer Rechter. Er zog auch schon über Berlusconiher („Duce 2.0”). Die Krim-Krise bewertete er unge-wohnt differenziert. Aber oft verwechselt er die Zei-tung mit dem Stammtisch. Offenbar neigen nicht nurSalafisten zu holzschnittartigen Weltbildern.

Eckhard Stengel n

Gestörtes Verhältnis zum RechtsstaatEin Ex-Bild-Mann verbreitet im Weser-Kurier Stammtischparolen

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„Unterwegs im rechtsradika-len Spektrum” bist Du alsJournalistin oft und deshalbals Gesprächspartnerin ge-fragt. Was kann das dju-Semi-nar den Kollegen an die Handgeben?ANDREA RÖPKE | Auf jedenFall, dass es lohnt, sich tiefermit diesem Thema zu be-schäftigen und nicht nurPressemitteilungen von Po-lizei und Verfassungsschutzzur Kenntnis zu nehmen.

Rassismus geht uns allean. MenschenverachtendeRessentiments gehen heutevon der sogenannten Mitteder Gesellschaft aus, wir können nicht mehr nur vonSubkulturen am Rand reden. Gerade wir Medienver-treter haben nach der zufälligen Aufdeckung der Ver-brechen des NSU eine ethische und aufklärerischeVerpflichtung. Wir müssen noch kritischer sein undden Behörden genauer auf die Finger schauen. Inves-tigative Recherche darf nicht nur eine Floskel sein.Wir müssen uns wieder Zeit nehmen können, um unsein Bild zu machen und wirklich unabhängig undhintergründig zu berichten. Wir können einen wich-tigen gesellschaftlichen Beitrag zur nachhaltigen Prä-vention gegen rechte Gewalt und Rassismus leisten.Journalistisch. Über 180 Tote rechter Gewalt ver-pflichten uns dazu.

Du wirst über Deine Erfahrungen bei der Berichterstat-tung in der Neonazi-Szene berichten. Vielleicht schon einBeispiel im Vorgriff?Es war eine aufwendige, jahrelange Recherche not-wendig um endlich über die Heimattreue DeutscheJugend (HDJ) berichten zu können. Inlandsgeheim-dienste halfen nicht, sondern blockierten eher. Die ge-fährliche Neonazi-Erziehertruppe interessierte kaumBehörden. Engagierte Polizisten wurden mitten in denErmittlungen versetzt. Wir wurden verfolgt, angegrif-fen, angezeigt. Ein kleines Büchlein war der erste Ver-such, ausreichend über die HDJ zu berichten. Damitfing es an. Unsere Fotos, die wir zumeist heimlich ge-macht haben, trieben das Thema voran. Ein wichtigesantifaschistisches Archiv in Berlin bekam interne Ma-terialien, die wir alle akribisch auswerteten. Es dauertebis 2009, bis die HDJ endlich verboten wurde. Leiderschaut heute niemand mehr hin, wenn Neonazis wei-terhin ihre Kinder in kleineren Lagern erziehen unddrillen. Das ist die Crux: Wir haben so viel für Auf-merksamkeit und ein Verbot der HDJ getan. Aber ichhabe wohl selbst indirekt dafür mit gesorgt, dass dasThema für viele heute erledigt scheint.

Ansonsten werde ich ein paar Recherche-Beispie-le vorstellen: Eine Woche unter SS-Angehörigen, ver-deckte Recherchen, Rausschmisse, Drohungen, Ge-walt in der Szene sowie subversive Strategien, Frauen

oder Neonazi-SiedlerInnnen. Eine breite Bandbreite –immer auch angelehnt an unsere Bücher „Stille Hil-fe”, „Mädelsache”, „Neonazis in Nadelstreifen” und„Blut und Ehre” und andere.

Warum ist es so wichtig, nicht blauäugig an dieses Themaheranzugehen?Weil wir in der Bundesrepublik ja sowieso kein Pro-blem mit rechts haben – ironisch gesehen. Die Jahres-berichte der Inlandsgeheimdienste verschleiern viel.Während der dreijährigen Recherchen zum rechtenTerror ist mir klar geworden, dass hinter institutionel-lem Rassismus und der „Einzeltätertheorie” von rechtsdurchaus System steckt. Opfer rechter Gewalt werdennicht anerkannt. Polizei und Justiz decken nicht dieganzen braunen Netzwerke auf. Rassistische Hinter-gründe werden viel zu oft ausgeblendet. Wir hinter-fragen Wehrsport und Waffenfunde viel zu wenig.Auch die Verbürgerlichungsstrategien von NPD undKameradschaften gehen in vielen Regionen längstauf: Sie verankern sich, sind die Kümmerer und fin-den Akzeptanz. Allein die NPD finanzierte sich in denletzten 10 Jahren mit rund 10 Millionen Euro ausSteuergeldern. Makaber! Ausgerechnet das Geld desStaates, den diese Partei abschaffen möchte. Es gibtmittlerweile viele Orte, an denen die NPD keine Pro-testpartei mehr ist, sondern Stammpartei. Wir berich-ten viel zu selten über Hintergrundorganisationenund Netzwerke der Neonazis. Sie haben Brauchtums-vereine, Sportvereine, Kulturorganisationen und sindviel weiter verstreut in unserer Gesellschaft als vieleahnen. Doch wir als Journalisten müssen selbst re-cherchieren und uns nicht nur auf staatliche Aus -sagen und öffentliche Statements beschränken. Gespräch: Karin Wenk n

MEDIEN + GESELLSCHAFT

Recherche und Schreibpraxis

Unterwegs im rechtsradikalen Spektrum Seminar der dju in ver.di vom 29. bis 31. August im Institut für Bildung, Medien und Kunst in Lage-Hörste

Die Medien haben mit ihrer Berichterstattung über die Morde des Nationalsozialistischen Unter-grunds (NSU) und die Ausbreitung von Naziterror in den Jahren vor der Enttarnung des NSUeine wichtige und nicht unbedingt rühmliche Rolle gespielt, wenn es darum ging zu bewerten,welche Gefahr für unsere Demokratie von braunem Terror ausgeht. Das Seminar soll neue Ansätze in der Recherchepraxis entwickeln, den Blick im Umgang mit Verlautbarungen seitensder Ermittlungsbehörden schärfen sowie die Sprache und die Ausdrucksweise, mittels dererüber Kriminalfälle berichtet wird, hinterfragen. Ein Workshop mit dju-Bundesgeschäftsführerin Cornelia Haß und den Journalistinnen undRechtsextremismusexpertinnen Heike Kleffner und Andrea Röpke.

Das Seminar richtet sich insbesondere an professionelle Journalistinnen und Journalisten.Die Teilnahme ist für ver.di-Mitglieder kostenfrei. Reisekosten werden nicht erstattet.

Anmeldung: Online: www.bit.ly/reschpra. Fon: 05232 / 983 – 464 (Regina Gorsboth)Fax 05232 / 983 – 462. E-Mail: [email protected]

Verpflichtung zur Aufklärung Zeit nehmen für unabhängige und hintergründige Berichte über braunen Terror

Foto: Eckhard Stengel

Die Politologin und Journali-stin Andrea Röpke publiziertseit Anfang der 1990er Jahrezum Neonazismus und ist ins-besondere durch ihre Insider-Reportagen dazu bekannt. Ihre Reportagen sind Teil desAngebots der Bundeszentralefür politische Bildung. Sieschreibt außerdem für dieZeitschrift Der Rechte Rand.

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Kinofilme stehen für 120 Jahre deutscher Film- undZeitgeschichte. Dieses Erbe würdigt die Politik bisherwenig. Das betrifft nicht nur die Bestände des Bun-desarchivs Filmarchiv und der Kinematheken. DerNachlass eines 2008 pleitegegangenen Kopierwerksveranlasste die AG Dokumentarfilm zu einer Ret-tungsaktion und zum Nachdenken über den Umgangmit dem Filmerbe überhaupt.

Als man noch ausschließlich aufFilm drehte, wurden die wertvollenOriginalnegative, Schnittreste undRückläufer-Kinokopien im Kopier-werk eingelagert. So fanden sich, alsdie Berliner Film und Video KopierGmbH 2008 insolvent wurde, dort25.000 Filmrollen. Von Klassikernwie der „Feuerzangenbowle“ überden Berlinale-Hit von 2008 „Yella“bis zu Pornos. Dokumentaristen undFilmhochschulen waren Kunden desbilligsten Kopierwerks im Lande. An-gesichts des in 25 Jahren aufgehäuf-ten Filmlagers verlangten Hauseigen-tümer und Verwaltung 750 Euro proFilm für die Herausgabe.

„Die Branche operiert am Limit.Für einen Dokumentarfilmprodu-zenten ist das viel Geld“, kommen-tiert Thorolf Lipp von der BerlinerAG Dok. Gemeinsam mit dem Me-dienboard Berlin Brandenburg, derFilmförderungsanstalt (FFA) und an-deren konnte 2008 eine Erfassungdes Bestandes und die Herausgabefür nur noch 2,50 Euro pro Rolle er-reicht werden. Dann kehrte Stilleein. Tausende Filmdosen lagertenseither in ungeeigneten Kellern derKreuzberger „Höfe am Osthafen“.

In kompetente Hände. Anfang 2014 nahm der Film-verband den Faden nochmals auf. Die Hausverwal-tung wollte offenbar weder die weitere Lagerhaltungnoch die Vernichtung finanzieren – womit man sichobendrein Klagen der Rechteinhaber eingehandelthätte. Zur Überraschung von Thorolf Lipp und des AGDOk-Anwalts Andreas Schardt gab das BundesarchivFilmarchiv, das die Bewahrung des deutschen Kinoer-bes und die Bereitstellung für Aufführungen und For-schungen betreut, im Juni 2014 die noch etwa 20.000Rollen kurzfristig in kompetente Hände. Im Filmlagerin Berlin Wilhelmshagen kann durch die AG DOK„nun Ordnung in die Wundertüte gebracht werden“,ermuntert Archivleiter Karl Griep.

„Wir fangen jetzt an, zu inventarisieren. Unservordringliches Ziel ist natürlich, das Material denrechtmäßigen Eigentümern zurückzugeben“, so Tho-rolf Lipp. „Wenn wir die 500 Quadratmeter mietenmüssten, die uns das Filmarchiv zur Verfügung stellt –

das hätten wir nicht stemmen können“, so Lipp. Ein-einhalb Jahre werden rund 20 Freiwillige der BerlinerAG Dok auch einen schnellen Blick auf den Zustanddes Materials riskieren, das zum Teil in angerostetenDosen oder unverpackt ist.

Im Grunde geht es aber um den Erhalt des Film -erbes insgesamt. „Das kann die AG Dok nicht alleine,das kann auch das Bundesarchiv nicht allein. Wir haben in unserer Verantwortung etwa 1,1 Mio. Rol-len – etwa 150.000 Filmtitel. Wir werden auch zu-künftig analoge Materialien übernehmen. Die großeAufgabe ist, dieses Erbe nutzbar zu halten“, beschreibtKarl Griep die digitale Herausforderung. Erste Digital -erfahrungen machte das Archiv bereits 1994/95 mitder Restaurierung des „Wintergartenprogramms“ derBrüder Skladanowsky zum 100. Kinojubiläum. Inzwi-schen bringt man Perlen der Kinogeschichte digitalins Kino. „Mit dem Budget, das uns derzeit zur Verfü-gung steht, ist diese Aufgabe aber nicht zu stemmen“,schränkt Griep Erwartungen ein.

Die AG Dok sieht politischen Handlungsbedarf.„Als Filmverband können wir jetzt gegenüber der Po-litik den Finger in die Wunde legen. Das Filmerbe istTeil des kulturellen Gedächtnisses und nicht nur einewirtschaftliche Privatveranstaltung“, meint Lipp. Erfragt: „Was bedeutet der Zivilgesellschaft/Politik die-ses Erbe? Wie viel seid ihr bereit, dafür an Ressourcenfrei zu machen?“ Antworten dürfe man, gerade wasden Zelluloidfilm anbelangt, nicht auf die lange Bankschieben. Die Diskussion müsse endlich in Gang kom-men.

Zu wenig Geld für Digitalisierung. Das 2012 vonder Filmförderungsanstalt FFA aufgelegte Programm„Digitalisierung von Content“ hilft nur begrenzt. Ma-ximal 15.000 Euro plus mindestens 20 Prozent Eigen-anteil des Rechteinhabers reichen laut Experten nichtfür Kopien in der geforderten digitalen Kino-Qualitätund eine entsprechende Datensicherung. Immerhinbrachte die FFA seither 125 Projekte, von Gerhard Lam -prechts „Emil und die Detektive“ (1931) bis WernerHerzogs „Fitzcarraldo“ (1982), auf den digitalen Weg.

Die dafür vergebenen 1,6 Mio. Fördereuro rei-chen nicht hin und nicht her. „Um den drohendenUntergang unserer Bestände abzuwenden, werden biszum Ende dieses Jahrzehnts Investitionen von etwa500 Millionen Euro benötigt.“ Das stellt die Online-Petition „Unser Filmerbe ist in Gefahr“ fest. Die Ini-tiatoren Klaus Kreimeier, Jeanpaul Goergen und Hel-mut Herbst und 5.300 Unterzeichner verweisen aufFrankreich, wo ein Sechsjahres-Programm zur Digita-lisierung mit 400 Mio. Euro ausgestattet wurde. Siefordern eine ausreichende Finanzierung der Film-Di-gitalisierung und des Bundesarchivs sowie eine natio-nale Initiative für das Filmerbe. Damit auch künftigeGenerationen ihren Spaß am boxenden Känguru ausdem Wintergarten haben können – und dem vielenSpannenden, Lustigen und Informativen, das sich seitder Kino-Frühzeit auf Film, Band, Festplatte und Spei-cherchips angesammelt hat. Peter Dehn n

20 000 Filmrollen gerettet Nationale Initiative für das Filmerbe und ausreichende Finanzierung notwendig

Foto: Jürgen Heinrich

MEDIEN + GESELLSCHAFT

Fachgerechte Archivierungsieht anders aus – tausendeFilmdosen lagerten in denKreuzberger Kellern der „Höfe am Osthafen“

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TARIFE + BERUF

ansTageslicht.deDas Hamburger DokZentrum ansTageslicht.de hat in diesemJahr zwei Gründe zu feiern: Zum einen das zehnjährige Be -stehen und zum anderen eine inzwischen fünf Jahre währendeKooperation mit der Moskauer Lomonossow-Universität.

Das „Dokumentationszentrum Couragierte Recherchen und Re-portagen”, wie der volle Namen lautet, versteht sich als me-diales Kooperationszentrum zwischen Wissenschaft und Praxisund ist an die Fakultät Design, Medien, Information der Ham-burger Hochschule für Angewandte Wissenschaft (HAW) ange-bunden.

Das „Langzeitprojekt”, so die Eigencharakteristik, ist eng in dasCurriculum der Fakultät eingebunden. Hier arbeiten Studie rendean Projekten, in denen sie die Geschichte besonderer Skandaleund ihrer Aufdeckung durch Journalisten und Whistleblowernachzeichnen, die Recherchewege beschreiben und die Auto-rinnen und Autoren sowie die „Nestbeschmutzer” zu Wort kommen lassen. Passender Name der Website: ansTages licht.de.Dafür kooperiert das DokZentrum mit der Stiftung „Freiheit derPresse”, die den berühmten „Wächterpreis” vergibt, oder demWhistleblower-Netzwerk, mit dem das DokZentrum Mitte Junials Geburtstagsfeier in einer „Langen Nacht” über „Informan-ten, Whistleblower, Wikileaks und Co” diskutierte. Mit auf demPodium in Hamburg war Guido Strack, dessen Kampf gegenKorruption in der EU ebenfalls bei ansTages licht.de nachzu - lesen ist.

Das Deutsch-Russische Kooperationsprojekt „Menschen – Me-dien – Demokratie” entstand aus einer Vorlesungsreihe „Wasgeschieht im Osten? Was wissen wir im Westen? Medien undDemokratie in Osteuropa”, die von der Zeit-Stiftung finanziertwurde. Durch die Einbindung der Studierenden des Freien Rus-sisch-Deutschen Instituts für Publizistik an der Fakultät für Jour-nalismus liegt das Augenmerk der Reportagen und Recherchenbesonders auf Russland. Das Projekt besteht aus zwei Teilen: Zunächst einem Intensivkurs in Recherche in Moskau,einem Sommersemester in Hamburg, in dem die Moskauer Stu-dierenden ihre Recherchen weiterführen und ihre Texte ausar-beiten, die dann schließlich auf der Website ansTageslicht.deerscheinen. Im fünften Kurs haben sich die Studenten dieschwierige Mediensituation in ihrer Heimat vorgenommen.

ansTageslicht.de bietet aber nicht nur Interessantes zu wichti-gen Themen aus den vergangenen zehn Jahren, sondern greiftweiter zurück. Es sind ebenso Dossiers zur Flick-Parteispenden-Affäre oder zum Strauß-Spezl-Netzwerk zu finden sowie dieDarstellung aller mit dem Wächterpreis ausgezeichneten Re-cherchen.

Allerdings ist die Internetseite in Teilen noch im Aufbau, zumBeispiel bei den Chroniken, auf der bisher alle aufgegriffenenGeschichten bis 2008 zurück zu finden sind. Leider fehlt auchnoch der angekündigte Text „Warum Whistleblower hierzulan-de so unbeliebt sind”. Wir sind gespannt. sus n

www.ansTageslicht.de

Tarifvertrag wieder in KraftDie Geschäftsführung des Berliner Verlags (BerlinerZeitung, Berliner Kurier) hat sich mit den Gewerk-schaften dju in ver.di und DJV darauf geeinigt, denvon ihr gekündigten Haustarifvertrag unverändertwieder in Kraft zu setzen. Die Kündigung vom 27.September 2013 ist damit gegenstandslos. nhttp://dju-berlinbb.verdi.de

Massiver Sparkurs beim Darmstädter EchoDie Echo-Medien GmbH in Darmstadt schlägt einenSparkurs ein. Und das werde aller Voraussicht nachnicht ohne Abbau von Arbeitsplätzen gehen, erfuhrendie Beschäftigten in einer Versammlung am 30. Juni.Schuld seien sinkende Auflagenzahlen und Einnah-men. Gegenwärtig habe die Mediengruppe etwa 400Mitarbeiter. Die Auflage der Echo-Ausgaben sei aufdurchschnittlich 90.000 Exemplare gefallen.

ver.di hat die Geschäftsführung der Echo MedienGmbH vor radikalen Einschnitten zu Lasten der Be-schäftigten gewarnt. Das Sanierungsvorhaben könnenur dann zum Erfolg führen, wenn es mit und nichtgegen die Belegschaft erarbeitet werde. „Die Ankün-digung von Arbeitsplatzabbau und möglichen Aus-gliederungen von Teilen des Verlags halten wir fürverfrüht”, sagte Manfred Moos vom ver.di-Fachbe-reich Medien in Hessen. Stattdessen müssten zuerstergebnisoffene Gespräche mit dem Betriebsrat begon-nen werden, um zunächst über die Notwendigkeitvon Sparmaßnahmen zu beraten. „Dazu ist es aber er-forderlich, dass der Betriebsrat alle erforderlichen In-formationen erhält.” Nur so könne in dieser wichti-gen Angelegenheit auf gleicher Augenhöhe gespro-chen werden. PM/Red. n

In schlechter GesellschaftDer Verlag Aschendorff, der im Münsterland die West-fälischen Nachrichten herausgibt, hat angekündigt,seine Redaktion ab dem 1. Januar 2015 nicht mehrnach Tarif bezahlen zu wollen. Zwar wird die ab dem1. Mai diesen Jahres fällige Tariferhöhung von 2,5 Pro-zent den derzeit 144 Redakteuren und Volontärennoch gewährt. Danach werden die Gehälter für dienächsten drei Jahre eingefroren, das Urlaubs- und dasWeihnachtsgeld auf 1,5 Monatsgehälter schon ab2015 abgesenkt. Zwölf Redakteure werden in die Al-tersteilzeit gehen. Mit diesen Maßnahmen will derVerlag, so Chefredakteur Dr. Norbert Tiemann, insge-samt 1,3 Millionen Euro einsparen.

Die dju in ver.di Münsterland hat die Entschei-dung scharf kritisiert. Völlig abwegig sei die Einschät-zung des Chefredakteurs, der Verlag befinde sich mitseiner Entscheidung „in allerbester Gesellschaft”. Einmodernes Unternehmen, das auf Tradition und Wertesetze, sollte sich in Gesellschaft der „Tarifflüchtigen”nicht wohl fühlen. Dort sei es in schlechter Gesell-schaft. fbi n

Engagierte Medien abseits des Mainstreams sind hochinteressant, aber wenig bekannt. Deshalb stelltM mit dieser Rubrik in jedem Heft eines davon vor.

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Die Tarifkommission der Deutschen Journalistinnen-und Journalisten-Union (dju) in ver.di hat dem Ver-handlungsergebnis für die rund 14.000 Redakteurin-nen und Redakteure sowie Freien und Pauschalistenbei Tageszeitungen zugestimmt und damit das Ergeb-nis einer Mitgliederbefragung bestätigt.

Demnach steigen die Gehälter rückwirkend zum 1. Mai 2014 um 2,5 Prozent und zum 1. April 2015ein weiteres Mal um 1,5 Prozent. Die Honorare undPauschalen sollen zum 1. Juni 2014 und 1. Mai 2015jeweils um 1,8 Prozent erhöht werden. Der neue Ge-haltstarifvertrag läuft insgesamt über 29 Monate biszum 31. Dezember 2015. Er gilt ab sofort auch für dieOnliner in den Redaktionen.

Im Manteltarifvertrag werden Urlaubsgeld undJahresleistung schrittweise bis 2019 von 1,75 auf dann1,5 Monatsgehälter abgesenkt, beginnend mit derAuszahlung des Urlaubsgeldes 2015. Ab Mitte 2016werden auch die Onlinejournalistinnen und -jour -nalisten in den Verlagen in den Manteltarifvertrageinbezogen, dessen Laufzeit am 31. Dezember 2018 endet. Für die Beschäftigten in den BundesländernSchleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern, Nie-dersachsen und Bremen sollte die Kürzung auf 13,5Monatsgehälter ab diesem Jahr in einem Schritt um-gesetzt werden. Allerdings hatte der Verband der Zei-tungsverleger Nord e. V. (VZN) dem Verhandlungs -ergebnis trotz dieses so genannten Nordopfers bereitsMitte Mai für die Bundesländer Schleswig-Holsteinund Mecklenburg-Vorpommern eine Absage erteilt.„77 Prozent der betroffenen dju-Mitglieder haben ineiner breit angelegten Befragung dieses Tarifergebnisangenommen. Auch in Niedersachsen-Bremen votier-ten 76 Prozent der dju-Mitglieder für das Ergebnis, dasihnen ein besonderes Opfer abverlangt. In Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern hat sichdurch den Widerruf des Verlegerverbandes VZN zumVerhandlungsergebnis die laufende Abstimmung er-übrigt.

Dank an Streikende. „Die dju-Tarifkommission hatauf Grundlage dieses Abstimmungsergebnisses demTarifergebnis nun ebenfalls zugestimmt und damitden Weg frei gemacht für seine Umsetzung”, erklärteder stellvertretende ver.di-Vorsitzende Frank Werneke.Ausdrücklich dankte die dju-Tarifkommission denTausenden Aktiven und Streikteilnehmern für ihr En-gagement, ohne sie wäre dieses Tarifergebnis nicht zuerreichen gewesen.

Die Verhandlungen in Schleswig-Holstein undMecklenburg-Vorpommern mit dem VZN werdenhingegen auf Basis der ursprünglichen dju-Forderun-gen nach 5,5 Prozent mehr Geld und einer Auswei-tung des Geltungsbereichs auf die Onliner fortgesetzt. Red. n

TARIFE + BERUF

Tarifergebnisangenommen 77 Prozent der Mitglieder stimmten zu– im Norden wird weiter verhandelt

Nord-Verlegerlenkten einMehr Gehalt für Angestellte inZeitungsverlagen ab 1. Juli 2014

Am 10. Juni fand die zweite Verhandlung über die Ge-halts- und Lohntarifverträge für die Verlagsangestell-ten der norddeutschen Zeitungsverlage (Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern) statt. Diever.di-Tarifkommission hatte schon zuvor deutlich ge-macht, keine Koppelung mit Gehaltsstruktur- undManteltarifmaterien zu akzeptieren. EntsprechendeAnkündigungen der Verleger hatten in den Betriebenzu großer Unruhe geführt und die Bereitschaft zu Arbeitskämpfen provoziert. Angesichts des breitenWiderstandes in den Belegschaften lenkten die Verle-ger schon zu Beginn der Verhandlungsrunde ein.

Zunächst boten die Verleger bei einer Laufzeitvon 24 Monaten eine Erhöhung der Gehälter undLöhne von insgesamt drei Prozent an. Nach intensi-ven Diskussionen und mehrfachen Unterbrechungenzur internen Beratung konnten sich ver.di und derVerband der Zeitungsverleger Nord e.V. (VZN) auf einErgebnis verständigen. Ab 1. Juli 2014 steigen die Löh-ne und Gehälter um zwei Prozent. Ab 1. Juli 2015 wer-den sie noch einmal um 1,8 Prozent angehoben. DieLaufzeit beträgt 27 Monate und endet am 30. Juni2016. Gemessen an der derzeitigen und zu erwarten-den Teuerungsrate bewertet die ver.di-Tarifkommis -sion dieses Ergebnis als durchaus akzeptabel.

Im Weiteren haben die Tarifparteien vereinbart,Gespräche über eine Überarbeitung von Lohn- undGehaltsmaterien mit dem Ziel eines Ergebnisses bis Juni 2016 zu führen. Eine erste Sondierung soll nochin diesem Jahr erfolgen. Red. n

http://medien-kunst-industrie-hamburg.verdi.de

Tausende Journalistinnenund Journalisten streik-ten für die Anerkennungihrer Arbeit durch einenneuen Tarifabschluss

Foto: ver.di

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Zum vierten Mal fand vom 18. bis zum 22. Juni das Lu-mix Festival für jungen Fotojournalismus in Hannoverstatt. An den fünf Festivaltagen waren 60 Ausstellun-gen junger Fotojournalisten aus der ganzen Welt zusehen und es gab Fotografenvorträge, Führungen derausstellenden Fotojournalisten sowie zwei angeglie-derte thematische Symposien. Über 35.000 Besucherkamen nach Hannover und stellten damit einen neuenRekord auf. Zum ersten Mal wurde das Festival nichtvon der Hochschule Hannover, sondern dem vor einemJahr neugegründeten „Verein zur Förderung der Fo-tografie in Hannover e.V.” organisiert, der auch dieneue Galerie für Fotografie in der Eisfabrik Hannover(GAF) betreibt.

Die in den 60 Fotoausstellungen gezeigten Themenwaren so vielfältig wie der Hintergrund der Fotojour-nalisten. Es ging unter anderem um ethnische Min-derheiten und indigene Völker, Armut und Umwelt-verschmutzung, die Folgen des Strukturwandels, Dro-genabhängigkeit, Prostitution und Schönheitswett -bewerbe. Die ausstellenden Fotografen stammten zumgroßen Teil aus Europa, aber auch einige junge Foto-journalisten aus Asien, dem Nahen Osten, den USAund Lateinamerika waren vertreten. Dass sich das Fes-tival international einen Namen gemacht hat, zeigtendie 1.200 Einreichungen aus 71 Ländern. Auffallendwar, dass ein großer Anteil der Ausstellenden von derHochschule Hannover kommt.

Freelens Preis. Von einem studentischen Festival istLumix weit entfernt: viele der Aussteller publizierenfür renommierte Medien und werden von etabliertenAgenturen vertreten, haben schon Preise beim WorldPress Photo Award oder anderen Wettbewerben ge-wonnen. Der mit 10.000 Euro dotierte Freelens Preisfür jungen Fotojournalismus des Lumix Festivals 2014ging an die finnische Fotografin Meeri Koutaniemi füreine Arbeit über Genitalverstümmelung in Afrika.Hannover ist dabei weniger ein Meet&Greet zwischenFotografen und Redakteuren wie zum Beispiel „Visapour L’Image” in Perpignan als ein Besucherfestival.Dies zeigt sich nicht nur an den hohen Besucherzah-len, sondern auch an den Aussagen der Aussteller. Derjunge italienische Fotojournalist Giulio Piscitelli istauf eigene Kosten extra aus Neapel angereist. „Fürmich ist es eine tolle Möglichkeit, meine Arbeit zu zei-gen und in direkten Kontakt mit den Besuchern zutreten, um Erfahrungen und Gedanken auszutau-schen. Im Gespräch kann ich meine eigene Arbeit er-klären, was mir über andere Medien wie die Zeitungnicht möglich ist”, erzählte er. Seine Arbeit „FromThere to Here” steht exemplarisch für die Mühen, diejunge Fotojournalisten auf sich nehmen, um großeGeschichten erzählen zu können. Für sein mehrjäh-riges Projekt über die Migration von Flüchtlingennach Europa über das Mittelmeer schiffte er sich aufeigene Faust mit einem Flüchtlingsboot von Tunesiennach Lampedusa ein.

Überzeugend waren wie so oft die eher stillen Arbei-ten. Die Folgen des Breivik Attentats auf der InselUtoya in Norwegen schildert anschaulich die einfühl-same Porträtserie „One Day in History” der norwegi-schen Fotografin Andrea Gjestvang. Ihre Arbeit zeigtin achtsamen Bildern Verletzungen und Verstümme-lungen, die man sonst nur aus Kriegsregionen kennt.Einblick hinter die Kulissen des iranischen Regimes inden Alltag der Menschen konnten die Besucher mitder Arbeit „An Iranian Journey” des iranischen Foto-grafen Hossein Fatemi gewinnen. In zurückhaltenden,erzählerischen Bildern zeigt er den privaten Alltagjunger Iraner abseits von Politik. Bei der Reportage„Suburbia” des Spaniers Arnau Bach über Gangstruk-turen in den Pariser Banlieus fühlt man sich ange-sichts der dramatischen Schwarz-Weiß-Bilder vonschwerbewaffneten Dealern unwillkürlich an die Sto-ries aus den Favelas in Rio de Janeiro erinnert.

Eines der Highlights waren die acht Fotografen-vorträge. Nur selten bekommt man die Möglichkeit,Bilder in beeindruckender Qualität auf einer Kinolein-wand zu sehen. Darüber hinaus konnten die Besucherüber die gezeigte Arbeit hinaus etwas über den Alltagder Berufsfotografen erfahren. Der junge ukrainischeFotojournalist Maxim Dondyuk beispielsweise berich-tete von den Schwierigkeiten, seinem Beruf in seinerHeimat nachzugehen. Die Märkte für seine dokumen-tarischen Projekte liegen vor allem im Ausland. DieRevolution auf dem Majdan hatte nur eine kurzfris -tige positive Wirkung. Lokale Fotografen waren ge-fragt und belieferten aktuell die Nachrichtenagentu-ren. Von deren tagesaktueller Arbeit setzt sich Dondy-uk mit seinen länger angelegten dokumentarischen

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Qualität in der BilderflutFestival für jungen Fotojournalismus mit beeindruckenden Arbeiten

Der amerikanische FotografMustafah Abdulaziz führtdurch seine Ausstellung

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Projekten klar ab. Er wollte die Ereignisse auf demMajdan zwar aus erster Hand erleben, seine Arbeitenaber nicht den Deadlines europäischer Redaktionenanpassen. Dabei kann sein Werk nicht auf die Doku-mentation der ukrainischen Revolution reduziert wer-den. Herausragend ist seine Arbeit „Crimea Sich”, dieKinder in einem militärischen Sommerlager russischerund ukrainischer Kosaken auf der Krim vor dem Um-bruch zeigt.

Crowdfunding. Das Thema Crowdfunding ist auchin der Fotojournalistengemeinde mittlerweile in allerMunde. Durch den Wegfall fester Stellen undBudgetkür zungen sind umfangreiche Recherchereisenimmer schwieriger zu finanzieren. Beim ThementagCrowdfunding berichteten Fotografen von ihren Erfahrungen mit der Finanzierung über den Nutzer-Schwarm. Deutlich wurde dabei, wie unterschiedlichdie Ansätze und die Formen dieser Finanzierung sindund, dass sie weit über das Einstellen eines Projektsauf einer der bekannten Plattformen wie Krautrepor-ter oder Kickstarter hinausgehen. Der Fotograf RobHornstra ging mit seinem Kollegen Arnold van Brug-gen in einer hervorragenden, von Designern gestalte-ten Kampagne mit dem einfachen Slogan „Give usyour money” an die Öffentlichkeit. Über vier Jahrewarben sie fast 100.000 Euro ein, ohne eine der be-kannten Plattformen zu nutzen. Sie bauten ihre eige-ne Webseite auf und versuchten Interesse über Vor -träge auf Fotofestivals und kostenlose Veröffentli-chungen in Magazinen zu wecken, wo im Gegenzugihre Anzeigen gedruckt wurden. Hornstra und seinePartner entwickelten eine Reihe herausragender Foto-bücher, die während der Projektphase entstanden undebenfalls zur Finanzierung beitrugen. Die zentralenPunkte des Crowdfunding sind laut Hornstra, dass dieMenschen nicht in ein Projekt, sondern in einen

Menschen investierenund, dass die Unterstützereine Form der „Communi-ty” sind, die gepflegt wer-den muss. Die sozialenMedien wie Facebook spie-len dabei eine zentrale Rol-le.

Ganz ohne das Web2.0 kam der deutsche Foto-graf Claudius Schulze aus,der seinen Emailverteilernutzte, um sein erstesBuch „Socotra” sowie seinneues Projekt „Naturzu-stände” zu finanzieren. Ermachte darüber hinaus dieinteressante Erfahrung,dass sein Buch über die je-menetische Insel Socotrain der wissenschaftlichenCommunity der Inselfor-scher einen reißenden Ab-satz fand, während Fotoin-teressierte eher zurückhal-tend reagierten. Dies zeigtwie wichtig es ist, eine

Community zu finden, die dem eigenen Projekt auf-geschlossen gegenüber steht. Den klassischen Wegwählte der Berliner Fotograf Kai Wiedenhöfer mit sei-

nem Projekt „Wall on Wall”, für das er auf der Platt-form Kickstarter um Unterstützung warb. Schade war,dass es keine Moderation gab, die durch die verschie-denen Vorträge geführt und die einzelnen Enden bei-spielsweise in einer abschließenden Podiumsdiskussi-on wieder zusammengetragen hätte. Ein Erkenntnis-gewinn, der vor allem in einem Vergleich verschiede-ner Ansätze und einem Abwägen der Chancen undRisiken liegen würde, wurde dadurch erschwert undblieb allein dem Besucher überlassen.

Der Frage „Wie managen wir die Bilderflut?” wid-mete sich eine Veranstaltung, die von der SektionTechnik der Deutschen Gesellschaft für Photographieorganisiert worden war. Beim Auftaktvortrag von PeerRüdiger, selbsternannter „Pixelschuber” vom Medien-haven Bremen, war unklar, ob sein Vortrag sich anprofessionelle Fotografen oder Amateure richtete.Kaum zu glauben, dass es professionelle Fotografengeben soll, die, wie von Rüdiger geschildert, ihm undseinem Team die Bildauswahl und die Wahl des Aus-schnitts überlassen. Interessant wurden seine Ausfüh-rungen, als er die Fotografen dazu aufforderte, auchumfangreichere Bildbearbeitung und ausführlicheVerschlagwortung den Kunden in Rechnung zu stel-len, um die Kontrolle über möglichst große Teile desWorkflow zu behalten. Nachdenkenswert auch seinVorschlag, Standards für ein Berufsbild von Assisten-ten für Fotografen zu entwickeln.

Aus der Perspektive des professionellen Fotojour-nalisten beklagte Heinz Krimmer, dass der der aktuel-len Bilderflut vorangegangene Wechsel von der ana-logen zur digitalen Fotografie das Berufsbild Fotografstark verändert habe. Dies habe nicht nur den Unter-schied zwischen Amateuren und Profis nivelliert, son-dern auch die analogen Archive vieler Kollegen fürden Markt unbrauchbar gemacht. Als Rezept wussteer auch nicht mehr zu präsentieren als die Aufforde-rung, auf Qualität zu setzen und Nischen zu suchen.Den Arbeitsalltag aus der Sicht des Bildredakteursschilderte der Bildchef der Süddeutschen Zeitung JörgBuschmann. Die Bildersuche ist hier in weiten Teilenzu einer Beschickung von Datenbanken mit Schlag-worten und dem Scrollen durch Tausende Miniatur-bilder verkommen. Buschmann beklagte, dass mit derBilderflut der Verfall der Halbwertszeit von Fotogra-fien einher gehe, der zum Teil zu einer größeren Be-liebigkeit führe.

Ausgebucht. Sechs Jahre nach seiner Gründung hatsich das Hannoveraner Festival einen festen Platz inder Landschaft deutscher Fotografie-Events erarbeitet.Mit seinem besonderen Profil zieht es sowohl die jun-ge Fotojournalistengeneration als auch das breite Pu-blikum an. So waren in diesem Jahr zum ersten Malalle Gruppenführungen ausgebucht, was die Bedeu-tung des Festivals auch aus kunst- und fotopädagogi-scher Perspektive belegt. Zu wünschen wäre jedoch,dass das Festival über das Zeigen von Bildern hinausauch stärker in eine inhaltliche Diskussion über dieRolle und Bedeutung des Fotojournalismus und derDokumentarfotografie im 21. Jahrhundert einsteigenwürde. Felix Koltermann n

Felix Koltermann ist Medienwissenschaftler und promo-viert an der Universität Erfurt über die fotojournalisti-sche Produktion im Nahostkonflikt. Auf www.fotogra-fieundkonflikt.blogspot.com bloggt er zum Thema.

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35.000 Besucher beim Fotografie-Event inHannover

Fotos: Felix Koltermann

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Lesetips

Die Kurzfassung der Inter-netstudie „Pressefreiheit in Deutschland: Einfluss-nahmen von außen auf diejournalis tische Arbeit” ist im Internet zu finden unter www.stiftervereinigung.de/Studien-und-Texte-zum-Download.html – ebenso die Vorgänger-Studiezum Thema „Einschränkungen der Presseberichterstattungaus Sicht von Kultur- undSportjournalisten”.

Während sich der Bundesverband Deutscher Zeitungs-verleger (BDZV) und vor allem der ehemalige Verfas-sungsrichter Udo di Fabio nicht entblöden, einen ge-setzlichen Mindestlohn für Zeitungszusteller/innen alsBedrohung der Pressefreiheit und damit „verfassungs-widrig” zu denunzieren, sieht das redaktionelle Füh-rungspersonal der Tageszeitungen ganz andere Gefah-ren für dieses Grundrecht in Bundesdeutschland.

Nicht etwa irgendwelche „gesetzlichen Vorgaben” sinddemnach das Problem. Vielmehr steht an der Spitzeder Bedrohungen der Mangel an Zeit für eigene Re-cherchen, der „die Pressefreiheit in Deutschland starkgefährdet” bzw. „gefährdet”. So schätzen es nicht we-niger als 83 Prozent von 432 Chefredakteuren, Redak-tions- und Ressortleiter/innen ein, die dem Institut fürDemoskopie Allensbach im März und April 2014 beieiner Befragung Rede und Antwort standen.

Und es waren nicht etwa kritische Medienwissen-schaftler oder die Gewerkschaften, die die Befragungder verantwortlichen Redakteur/innen aus den Res-sorts Politik, Wirtschaft und Lokales von 230 Zeitun-gen in Auftrag gegeben hatten, sondern die Verleger-eigene „Stiftervereinigung der Presse” wollte die „Pres-sefreiheit in Deutschland” und die „Einflussnahmenauf die journalistische Arbeit” unter die Lupe genom-men sehen – und zwar aus dem Blickwinkel der redak-tionellen Führungskräfte.

Wenn sich nun Zeitungsunternehmer und Kon-zernspitzen ernsthaft mit den Ergebnissen der Allens-bach-Studie auseinandersetzen wollen, sollten sie sichnicht mit der ersten Seite der Kurzfassung und demSchaubild Nummer 1 zufriedengeben. Daraus gehtnämlich hervor, dass 93 Prozent der Befragten zu-nächst einmal höflich bestätigen, die Pressefreiheit inDeutschland sei generell „gut” bzw. „sehr gut” ver-wirklicht. Aber dann! Dann folgt – in scheinbaremWiderspruch zu dieser Grundsatzaussage und illus-triert mit den aufschlussreichen Schaubildern Num-mer 2 bis 12 – eine Schilderung des wirklichen Lebensin den Zeitungsredaktionen, dass man aus dem Stau-nen nicht herauskommt – Staunen wegen der Offen-heit, mit der die Probleme benannt werden, und we-gen des breiten Problembewusstseins.

Beeinflussung. Nach dem Allensbach-Papier habennämlich „60 Prozent der Zeitungsjournalisten bereitspersönlich Behinderungen oder Beeinflussungen ihrerArbeit erlebt, die sie als Eingriff in die Pressefreiheitempfunden haben”. Als da wären: dass wichtige An-fragen von öffentlichem Interesse hinhaltend oder garnicht beantwortet wurden; dass bereits gegebeneInterview antworten vor ihrer „Freigabe” stark verän-dert wurden; dass Unternehmen, Verbände oder Poli-tiker die Berichterstattung in ihrem Sinne zu lenkenversucht oder Recherchen behindert haben.

Laut Allensbach-Studie hat fast jede/r zweite Be-fragte „den Eindruck, dass die Einschränkungen undBehinderungen der Pressefreiheit in den letzten Jah-ren zugenommen haben”. Und dass es statt Zucker-

brot immer öfter die Peitsche gibt: Seltener gewordensind demnach die Versuche, durch die Gewährungvon „Vorteilen und Vergünstigungen eine wohlwol-lende Berichterstattung zu erreichen”; stark zugenom-men hat dagegen der wirtschaftliche Druck auf Zei-tungsverlage mit dem Ziel, die Berichterstattung zubeeinflussen. „Aus Sicht von Politik- und Wirtschafts-journalisten versuchen vor allem Unternehmen, dieBerichterstattung auf inakzeptable Weise zu beeinflus-sen, mit deutlichem Abstand gefolgt von Verbändenund Politikern”, fasst Allensbach zusammen: „Unter-nehmen gelten unter Journalisten auch als die am we-nigsten zuverlässige Informationsquelle. Nur 29 Pro-zent sehen Auskünfte von Unternehmen (...) als zu-verlässig an, Auskünfte von Politikern gelten 35 Pro-zent der Journalisten als in der Regel zuverlässig.”

Das größte Problem für die „Pressefreiheit inDeutschland” ist, wie erwähnt, aus Sicht von 83 Pro-zent der befragten journalistischen Führungskräfteangesichts tiefgreifender struktureller Umbrüche inder Zeitungsbranche und nach dem „Einsparen” vie-ler Stellen der eklatante Zeitmangel in den Redaktio-nen. 74 Prozent beklagen, so die Studie, dass auch sieselber „oft zu wenig Zeit für Hintergrundrecherchenund das Schreiben ihrer Artikel” haben, nur knapp je-de/r Vierte hat dafür in der Regel genügend Zeit. ZweiDrittel konstatieren laut Studie, dass „sie heute weni-ger Zeit für Recherchen und das Schreiben ihrer Arti-kel haben als noch vor zehn Jahren”.

Gefahren für die PressefreiheitDie Pressefreiheit in Deutschland ist aus Sicht der Journalisten...

...stark gefährdet

in %

durch den Zeitmangel, der eigene Recherchen einschränkt

durch den Zwang zur Rücksichtnahmeauf wirtschaftliche Interessen des eigenen Medienhauses

durch den Umstand, dass es lokal oderregional häu�g nur eine Zeitung gibt und keine Konkurrenz

durch die digitalen Ausspähmöglich-keiten, die heutzutage zur Verfügungstehen

durch mangelnde Auskunfts-bereitschaft staatlicher Stellen

durch den Druck, mit vorwiegendpopulären Themen ein möglichst großes Publikum zu erreichen

durch die Public-Relations-Aktivitäten von Unternehmen und Verbänden

durch die gesetzlichen Vorgabenund die Rechtsprechungspraxis zum Persönlichkeitsschutz

...etwas gefährdet

...kaum/gar nicht gefährdet

48 %

34

35

39

40

50

40

37

41

42

29

33

29

23

16

39

53

43

30

23

20

20

19

5

Basis: Zeitungsjournalisten aus den Ressorts Politik, Wirtschaft und Lokales Quellen: Allensbacher Archiv, IfD-Umfrage 6287 (März/April 2014)

Fehlende Werte zu jeweils 100%: unentschieden/keine Angabe

28 M 5.2014

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Öfter Peitsche statt ZuckerbrotUmfrage: Pressefreiheit durch Mangel an Zeit für Recherche gefährdet

Infografik: M

ichael Breuer

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Zweitgrößtes Problem ist die Rücksicht, die Journa-list/innen nach eigenem Bekunden auf wirtschaftli-che Interessen des eigenen Verlagshauses nehmenmüssen: 77 sehen die Pressefreiheit dadurch „etwasgefährdet” oder „stark gefährdet”. Die teilweise vor-handene Monopolstellung von Regionalzeitungen inihrem Verbreitungsgebiet stufen 69 Prozent als mehroder weniger große Gefahr für die Pressefreiheit ein,so die Autoren der Studie. Erst mit deutlichem Ab-stand folgen die digitalen Ausspähmöglichkeiten, dieheutzutage zur Verfügung stehen, und die mangelndeAuskunftsbereitschaft staatlicher Stellen (siehe Schau-bild).

Verschwimmende Grenzen. Schließlich und endlichdie Rolle von PR-Agenturen und PR-Abteilungen: 86Prozent der von Allensbach Befragten beobachten,dass die Versuche von PR-Agenturen und PR-Abteilun-gen, Einfluss auf die Berichterstattung zu nehmen,stark oder etwas zugenommen haben. 79 Prozentstimmen der Formulierung zu: „Die Grenzen zwi-schen PR und Journalismus verschwimmen immermehr und PR-Material findet immer öfter ungefiltert

seinen Weg in die Medien.” Und was die künftige Ent-wicklung der Probleme angeht, sehen die meistenführenden Politik-, Wirtschafts- und Lokalredakteur/ -innen schwarz: Die Einschränkungen und Behinde-rungen der Berichterstattung nähmen künftig ehernoch zu, fürchten 54 Prozent; ganze drei Prozent glau-ben, dass es noch einmal besser wird.

Vor solchem Hintergrund feierten bei einer ge-meinsamen Konferenz Verlegerverband und Bundes-zentrale für politische Bildung am 3. Juni in Berlinden 65. Geburtstag des Grundgesetzes: Es „sprachenrenommierte Medienexperten über die im Grundge-setz festgeschriebene Pressefreiheit”, formuliert derBDZV auf seiner Website, wo bei dieser Gelegenheitauch die Studie der „Stiftervereinigung der Presse” amRande erwähnt wird. Allensbach-Chefin Renate Kö-cher persönlich stellte sie während der Konferenz vor.Laut BDZV-Text hob sie diese Aussage eines befragtenJournalisten hervor: „Zur Zeit findet eine Renaissanceder Printmedien statt, sie werden neu anerkannt, alsseriöser empfunden”. Print sei unverzichtbar, so Kö-cher. Dann ist ja – scheinbar oder anscheinend – dochalles in Ordnung. Henrik Müller n

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17.10.2014, 18 Uhr Abendessen, 19.00 – 21.00 Uhr

Begrüßung: • Josef Peitz, Leiter Bildungszentrum Lage-Hörste • Karlheinz Grieger, Tagungsleitung

Einführungsvortrag• NSA, Google und Co.: Wie steht es um das Recht auf

informationelle Selbstbestimmung?Thilo Weichert, Datenschutzbeauftragter Schleswig-Holstein

18.10.2014, 9.00 Uhr – 15.00 Uhr

Vorträge und Diskussion im Plenum (inkl. Mittagpause)• Gefällt mir (nicht): Das Social Web als Spannungsfeld

zwischen Selbstoffenbarung und DatenschutzPhilipp K. Masur, Medienpsychologie Uni Hohenheim

• Willkommen in der Parallelwelt: Haben Journalistinnenund Journalisten den Anschluss an die digitale Realitätverloren?N.N.

• Journalismus in der Demokratie: Was tut die Politik fürunabhängige Berichterstattung?N.N., Vertreter/ in der Regierungskoalition

Workshops• Whistleblowing: Eine(r) für alle, alle gegen eine(n)?

Inge Hannemann, Jobcenter Hamburg-Altona, Bloggerin und Whistleblowerin

• Der schwierige Weg zur Transparenz: Wie man geheimeDokumente an den Mann bzw. die Frau bringtN.N.

• Meine Daten und die Daten anderer schützen: Schutzsysteme nutzen, sichere Verbindungen aufbauenHelgo Ollmann, Medienpädagoge

19.10.2014, 9.00 Uhr – 12.00 Uhr

• Berichterstattung aus den Workshops• Zusammenfassung,

Denkanstöße und SchlussfolgerungenUli Janßen, dju-Bundesvorsitzender

Link zur Seite mit mehr Informationen und Download des detaillierten Programms:

http://tinyurl.com/qg9pg5h

Informationen und Anmeldungen :

Institut für Bildung, Medien und Kunst (IMK)Teutoburger-Wald-Str. 10532791 Lage-Hörste

Fon: 05232 / 983 – 465 (Maike Schmidt) Fax 05232 / 983 – 462E-Mail: [email protected]

online buchen unter: http://tinyurl.com/qg9pg5h

Journalismus in vernetzten Zeiten: Alle hören mit – und wen interessiert’s?Der erst durch die investigative Arbeit internationaler Medien aufgedeckte NSA-Skandal hat einungeahntes Ausmaß an staatlicher Datensammelei offenbart. Die Kommentare in der Presse hat-ten einen einhellig empörten Tenor, während die öffentliche Gegenwehr eher verhalten blieb an-gesichts der Dimension der Datenerfassung. Und auch die großen Digitalkonzerne wie Google,Facebook und Apple bestimmen und speichern unser Leben Schritt für Schritt – mit unserem Wis-sen und stillem Einverständnis. Was bedeutet das für zeitgemäßen Journalismus? Wie verändert sich unser Arbeiten angesichtsder Datenkraken, die uns fest im Griff haben? Wie schützen wir unsere Daten und Quellen? Indiese und andere Fragen bietet die Tagung Einblick. In Vorträgen und Workshops sollen Zusam-menhänge und Lösungen gemeinsam erörtert werden.

MEDIENPOLITISCHE TAGUNG IN LAGE-HÖRSTE 201417. Oktober bis 19. Oktober

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30 M 5.2014

Große Einigkeit in der Einschätzung des ZDF-Urteils.Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin MaluDreyer befand, das Urteil stärke die Gremien und dieöffentlich-rechtlichen Medien. Nach Ansicht von UweGrund, Vorsitzender der Gremienvorsitzendenkonfe-renz (GVK), dem Dachverband der Rundfunkräte, hatdas Bundesverfassungsgericht die „herausragendeRolle” der Gremien betont. ZDF-Intendant ThomasBellut freut sich gar über starke Fernsehräte: „Das Ur-teil stärkt auch die Gremien, sich selbstbewusst undunabhängig im Fernsehrat einzubringen.”

Einen Überblick über das ZDF-Urteil des Bundesver-fassungsgerichts zu geben und erste Schlussfolgerun-gen zu ziehen – das war das Ziel der hochkarätig be-setzten Tagung „Nach dem Urteil von Karlsruhe”, diever.di im ZDF am 4. Juni im Mainzer Sendezentrumveranstaltete. Anders als vorgesehen, sagten allerdingsdie eingeladenen CDU-Politiker ihre Teilnahme ab.Offenbar ist die Einigkeit im politischen Raum dochnicht so groß. Man darf annehmen, dass mit dem Ur-teil der Kampf um den politischen Einfluss in denSendern nicht erledigt ist. In einigen Staatskanzleienwird, wie man hört, recht erfindungsreich daran ge-bastelt, den verfassungsrechtlichen Vorgaben zu folgenund zugleich der Politik ihren Einfluss zu bewahren.

Zentraler Diskussionspunkt des ZDF-Urteils isteben diese Frage nach dem Einfluss der Politik. Künf-tig dürften nur ein Drittel der Gremienvertreter ausdem politischen Raum kommen, Vertreter der Exe -kutive eingeschlossen. Der Verfassungsrechtler DieterGrimm hob hervor, dass die Verfassungsrichter dasVielfaltsgebot in den Vordergrund gestellt hatten –dieses Vielfaltsgebot „gilt auch für Staatsvertreter”.Die Besetzung der Gremien müsse also auch in diesemPunkt ausgewogen sein.

Tabea Rößner von Bündnis 90/Die Grünen, diedie Verfassungsklage mit angestoßen hatte, will diePolitik nicht aus den Gremien verbannen: „Die Politikist ein Teil der intermediären Sphäre der Gesellschaft,Politiker vertreten die Interessen von Bürgerinnenund Bürgern. Es ist richtig und wichtig, dass sie in derAufsicht von ARD und ZDF einen Platz haben.” Esmüsse aber verhindert werden, dass sie ihre Macht ineiner Art und Weise konzentrieren können, „um un-liebsame Kritik der vierten Gewalt an der ersten undzweiten Gewalt zu blockieren”.

Kontrollfunktion. Nicht ganz so einig waren sich dieReferenten in der Frage, ob die Exekutive aus den Gre-mien herauszuhalten sei, weil Medien schließlich diePolitik kontrollieren und kritisieren sollten und dieKontrollierten nicht einfach gleichzeitig Kontrolleuresein könnten – wie es auch Verfassungsrichter Paulusin seinem Minderheiten-Votum sieht. So stellte es inMainz auch Frank Werneke als offizielle ver.di-Posi -

tion dar: „Vertreter und Vertreterinnen der Exekutivegehören nicht in Rundfunk- und Verwaltungsräte”.Für Karl-Eberhard Hein, den Prozessbevollmächtigtenvon Rheinland-Pfalz, hat das Urteil auch eine für dieStaatsvertreter positive Perspektive: „Endlich auch ei-ne positive Legitimation der Anwesenheit von Staats-vertretern”. GVK-Vorsitzender Uwe Grund befand, dieExekutive solle sich aus den Gremien fernhalten,denn „sie machen die Mediengesetze”. Werner Hahn,Justitiar des NDR und Vorsitzender der JuristischenKommission ARD, schlug vor, die Staatsvertreter inden ZDF-Gremien könnten in Fernsehrat und Verwal-tungsrat auch ohne Stimmrecht mitwirken, wie dasim NDR schon seit Jahren praktiziert werde.

Sichtbar wurde freilich auch, dass der Einfluss derPolitik auf die Sender nicht allein an der Zahl der Gre-mien-Sitze zu bemessen ist. ZDF-Intendant ThomasBellut hielt sich da erwartbar sehr bedeckt und sagte,er habe sich weder als Leiter der Innenpolitik, nochals Programmdirektor noch als Intendant „unziem-lich unter Druck gesetzt gefühlt”. Gleichwohl gibt esnatürlich diesen Einfluss, etwa über die im ZDF sehrmächtigen Freundeskreise. Das Bundesverfassungsge-richt hat sich in der Anhörung sehr ausführlich mitdiesen Freundeskreisen befasst. „Die Freundeskreisesind nicht verboten”, so Dieter Grimm, es handle sichaber um eine „freiwillige Unterwerfung” unter denWillen von Parteien. Tabea Rößner nannte dies „dieschwierigste Aufgabe der Politik: Die Macht oder politische Dominanz bestimmter Gruppen durch in-formelle Absprachen zu durchbrechen und Verkrus-tungen aufzuheben.”

MEDIEN + POLITIK

Weniger Politikeinfluss, stärkere GremienMainz: ver.di-Diskussion nach dem Urteil von Karlsruhe im ZDF

Foto: ZDF / Rico Rossival

Werner Hahn, Justitiar desNDR und Vorsitzender der Juristischen Kommission ARD,ZDF-Intendant Thomas Bellutund ZDF-Journalist Uli Röhmwährend der Diskussion über die Verantwortung derMedienpolitik für den öffent-lich-rechtlichen Rundfunk inMainz

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Wie geht es weiter? Das Bundesverfassungsgericht hatden Ländern nur einen knappen Spielraum gelassen,das Urteil umzusetzen – bis Juni 2015. JacquelineKraege, Chefin der Mainzer Staatskanzlei, koordiniertdie Medienpolitik der Länder. Sie berichtete, dass An-fang Mai die Arbeitsgruppe eingerichtet worden sei,die die Voraussetzung schaffe, „dass wir bis 2015 fertigsind”. Noch im Juni 2014 würden die Ministerpräsi-denten einen konkreten Fahrplan verabschieden. DieEin-Drittel-Vorgabe für die Gremienbesetzung machees leichter, nun die Neuregelung des Staatsvertragesauszugestalten. Und der Zeitdruck sei am Ende beiden Diskussionen eher hilfreich.

Gefahr einer Versteinerung. Eine Frage, die nachdem ZDF-Urteil noch einige Probleme aufwerfen wird,ist die Vertretung der gesellschaftlichen Gruppen.Hier hat das Bundesver fassungsgericht von der Gefahreiner „Versteinerung” gesprochen und gefordert, auchandere als die eingeführten Großverbände zu berück-sichtigen. Der Medienrechtler Karl-Eberhard Hainprognostizierte, die künftige Besetzung der gesell-schaftlichen Gruppen werde „zu einem Kampffeld”werden. Er schlug vor, 10 oder 20 Prozent der Sitze inden Gremien als Experimentierfeld zu betrachten undsie mit Vertretern gesellschaftlicher Gruppen zu beset-zen, die bisher keinen Zugang zu den Gremien hatten.Wie auf der Tagung zu hören war, ist die Nachfragenach einem Platz im Fernsehrat des ZDF ziemlichgroß. Sogar die Karnevalisten in Mainz haben schonBedarf angemeldet – was nur darauf hinweist, dassviele die Aufgabe der Gremien nicht verstanden ha-ben; sie sollen als Vertreter der Allgemeinheit agieren,

nicht als Lobbyisten. Die MedienwissenschaftlerinBarbara Thomaß, Mitglied im ZDF-Verwaltungsrat,verwies darauf, dass das Bundesverfassungsgericht miteinem erweiterten Begriff von Öffentlichkeit arbeite.Er umfasse „mehr als das politische System mit seinenHauptakteuren”. Ihre Schlussfolgerung: Die Bedeu-tung von sozialen Bewegungen und der Zivilgesell-schaft sei gewachsen. Es sollte mit wissenschaftlichenMethoden und in einem „diskursiven Konsultations-prozess” ein Modell für die Besetzung durch gesell-schaftliche Gruppen entwickelt werden, basierend aufaktuellen Erkenntnissen über Zusammensetzung, Tä-tigkeitsfelder und Beteiligte der Zivilgesellschaft für ei-ne „gelingende Repräsentanz vielfältiger VertreterIn-nen”.

Tabea Rößner schlug vor, eine unabhängige Kom-mission einzusetzen, die einen solchen Prozess vorbe-reitet und Kriterien definiert. Wissenschaftler aus denLändern könnten hier zuarbeiten. Eine solche unab-hängige Kommission sollte schnell eingerichtet wer-den und turnusmäßig alle fünf Jahre zur Überprüfungdes Status quo aktiv werden.

Malu Dreyer, Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz, zog schließlich den politischen Bogen noch et-was weiter. Die öffentlich-rechtlichen Sender müsstenstärker auf ihren Markenkern setzen, die Programmeschärfer profilieren und den Qualitätsjournalismusfördern. Sie versicherte, die enge Terminvorgabedurch das Bundesverfassungsgericht müsse unbedingteingehalten werden. Sie kündigte auch an, dass dieMinisterpräsidenten sich in den nächsten Schrittenmit der Begrenzung der Werbung im öffentlich-recht-lichen Rundfunk befassen werden. Fritz Wolf n

Die neue Bundesdatenschutzbeauftragte Andrea Vosshoff, die zugleich für die Informationsfreiheit zuständig ist, hat in ihrem ersten Jahresbericht einepositive Bilanz gezogen: Die Zahl der Anträge seideutlich gestiegen, was für ein großes Interesse derBürger spreche.

Waren in den Jahren 2010 und 2011 insgesamt 4837Anträge auf Informationszugang gestellt worden, ha-be sich diese Zahl im Berichtszeitraum 2012 und 2013mit nunmehr 10.813 Anträgen mehr als verdoppelt.Parallel dazu sei auch die Zahl der Eingaben von 276auf 397 gestiegen, in denen sich Antragsteller zur Ver-mittlung an die Ombudsstelle gewandt haben. Dievermehrte Nutzung des IFG auf Bundesebene ist dabeivermutlich auch auf die vereinfachte Antragstellungüber Portale wie www.fragdenstaat.de zurückzufüh-ren, eine zivilgesellschaftliche Initiative, die zugleichzur Bekanntheit der Auskunftsrechte beigetragen hat.

Ferner sprach sich Vosshoff für eine zügige No-vellierung des Informationsfreiheitsgesetzes aus. Sosollten die Ausnahmeregeln auf das verfassungsrecht-

lich gebotene Maß reduziert werden, wie es auch imEvaluationsbericht empfohlen wird, der bereits imMai 2012 an den Bundestag gegangen ist.

Das Informationsfreiheitsgesetz des Bundes ist imJahr 2006 nicht zuletzt auf Betreiben der Journalisten-verbände – darunter netzwerk recherche und dju inver.di – von Transparency International und der Humanistischen Union zustande gekommen. Leiderfehlte den Abgeordneten dann jedoch der Mut, einwirklich weitreichendes und bürgerfreundliches Infor-mationszugangsrecht zu verabschieden. Herausge-kommen ist ein typisches Kompromissgesetz, das mitseiner Vielzahl an breit gefassten Ausnahmen den Be-hörden zahlreiche Optionen zum Abblocken lässt.netzwerk recherche bewertet das IFG des Bundes insofern als Einstieg in ein neues Rechtsprinzip undin dieser Hinsicht als kleinen Fortschritt. Damit dieRegelungen für die journalistische Recherche undauch für interessierte Bürger wirklich zu einem wirk-samen Instrument werden, bedarf es aber dringenderVerbesserungen bei Ausnahmeregelungen, Kostenund Fristen. Manfred Redelfs, netzwerk recherche n

MEDIEN + POLITIK

Mehr Anträge auf Informationszugang

Tätigkeitsbericht zur Informationsfreiheit:

http://tinyurl.com/m6s6oq2

Am 2. April 2004 wurde eingemeinsamer Gesetzentwurfzum IFG an Bundestags -präsident Wolfgang Thierseübergeben.

Foto: Christian v. Polentz

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Eineinhalb Jahre nach dem einschneidenden Urteil desBundesverwaltungsgerichtes (BVerwG) zur Auskunfts-pflicht von Bundesbehörden gegenüber der Pressefehlt nach wie vor eine bundesweite Rechtsnorm. An-gesichts der Rechtslücke drohen Medienvertreter zu-nehmend in die Defensive zu geraten.

Grund für die zunehmenden Probleme ist das viel dis-kutierte Urteil des BVerwG (6 A 2.12) vom 20. Februarvergangenen Jahres. Die in Leipzig ansässigen Richterwiesen damals eine Klage des Bild-Reporters Hans- Wilhelm Saure gegen den Bundesnachrichtendienst(BND) ab. Saure wollte vor dem BVerwG die Heraus-gabe von Informationen über die NSDAP-Vergangen-heit von BND-Funktionären erreichen. Der 6. Senatdes BVerwG lehnte dies mit einer folgenschweren Be-gründung ab: Das Landespresserecht, auf das sich Sau-re berufen hatte, gelte nicht bei einer Bundesbehörde.Ein entsprechendes Bundesgesetz aber gibt es nicht.Die Richter verwiesen auf Artikel 5 des Grundgesetzes,der – sofern der Gesetzgeber weiterhin untätig bleibe –immer noch einen Minimalstandard wahre.

Manfred Redelfs, der im Vorstand des Journalis-tenvereins Netzwerk Recherche für das Thema Aus-kunftsrecht verantwortlich ist, genügt das beileibenicht. „Das Problem ist, dass ohnehin auskunfts -unwillige Behörden seit dem Leipziger Urteil ein for-males Argument haben, um Anfragen abzuweisen”,sagte er gegenüber M. Dieser „unerträgliche Zustand”müsse schnellstmöglich verändert werden. Zwar hattedie SPD nur sechs Tage nach dem Urteil des BVerwGeinen Entwurf für ein Presseauskunftsgesetz vorgelegt.Die Gesetzesinitiative wurde nach vier Monaten nachzweiter Beratung im Bundestag jedoch abgelehnt. ImRegierungsvertrag der Großen Koali tion fand sich dasThema nicht mehr wieder.

Die Folgen dieser „Regelungslücke”, die Redelfsbeklagt, bekommen investigativ arbeitende Journalis-ten nun zunehmend zu spüren. Der Bonner KollegeHelmut Lorscheid recherchierte zum Fall des deut-schen Unternehmers Jürgen Ziebell, der offenbar un-ter konstruierten Vorwürfen seit Mai 2012 im König-reich Bahrain festgehalten wird. Auf mehrere konkre-te Fragen zum Fall antwortete das Auswärtige Amt mitAllgemeinplätzen. Man setze sich „umfassend und aufallen Ebenen” für Ziebell ein. Mehr war nicht zu er-fahren. Auf Nachfrage hieß es, man gebe „keine wei-teren Stellungnahmen ab”. Lorscheid ist sich sicher:„Das wäre vor dem Leipziger Urteil undenkbar gewe-sen.” Das dürfte auch für eine Antwort der Kreditan-stalt für Wiederaufbau (KfW) an den ebenfalls inBonn ansässigen Journalisten Marvin Oppong gelten.Auf Nachfrage im Zuge einer laufenden, vertraulichenRecherche verwies die KfW „hinsichtlich Ihres Hin-weises auf etwaige presserechtliche Auskunftspflich-ten” explizit auf das BVerwG-Urteil.

Eine solche Entwicklung war für die Deutsche Journa-listinnen- und Journalisten-Union in ver.di (dju) ab-sehbar. Bundesgeschäftsführerin Cornelia Haß hattedas Urteil des Bundesverwaltungsgerichts noch amgleichen Tag scharf kritisiert. „VerwaltungsrechtlicheHürden dürfen nicht dazu führen, dass es keine Trans-parenz über die Arbeit von Bundesbehörden gibt”, soHaß. Wenn die landesspezifischen Regelungen nichtgreifen, dann müssten bundesweite gesetzliche Stan-dards geschaffen werden, fügte Haß an.

Auf eine Lösung drängt auch der DortmunderJournalistik-Professor Tobias Gostomzyk. Der Verweisauf das Grundgesetz alleine reiche nicht aus. „So istunklar, wie weit dieses Mindestmaß an Auskunftsan-spruch reichen soll”, sagte Gostomzyk gegenüber M.In den Landespressegesetzen sei dies „wesentlich an-wendungsfreundlicher konkretisiert.

Nicht nur unter Journalisten, sondern auch vorGerichten dauert der Streit an. Denn während im Sep-tember 2013 das Berliner Oberverwaltungsgericht ei-ne Klage abwies, mit der die Bundestagsverwaltungnach dem Berliner Landespressegesetz zur Auskunftüber die Verwendung von Bundesgeldern gezwungenwerden sollte, kam das Oberverwaltungsgericht Nord-rhein-Westfalen in einem ähnlich gelagerten Fall nurdrei Monate später zu einem gegensätzlichen Urteil.Die Münsteraner Richter wiesen die in Bonn ansässigeBundesanstalt für Immobilienaufgaben an, nach demLandespressegesetz NRW Auskunft über die Vermie-tung des Flughafen Tempelhof in Berlin zu geben.

Die dju fordert angesichts der Rechtslücke einPresseauskunftsrecht auf Bundesebene. Verweise aufdas Informationsfreiheitsgesetz und die Landespresse-gesetze hält dju-Bundesgeschäftsführerin CorneliaHaß für unzureichend. dju-Vorsitzender Ulrich Jans-sen bekräftigte: „Wir brauchen endlich klare Verhält-nisse für Journalistinnen und Journalisten, die aufBundesebene recherchieren”. Harald Neuber n

Minimalstandardim PresserechtBundesbehörden verschanzen sich hinter umstrittenem Urteil

Erfahrungen mit Bundesauskünften?

Die dju trägt Beispiele zusammen, bei denen Kolleginnen und Kollegen im Rahmenvon Recherchen bei Bundes behörden Auskünfte verweigert wurden. Wer hat entsprechendes erlebt? Wurde dabei vielleicht – wie bei dem im Beitrag erwähnten Fall – explizit auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes verwiesen? Zuschriften bitte an: [email protected].

MEDIEN + POLITIK

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Foto: Fotolia / Frank Boston

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MEDIEN + WIRTSCHAFT

Minimalismus ist das Credo des AZ-„Retters” MartinBalle. 25 Kolleginnen und Kollegen (Print und Online)statt bislang rund 100 sollen den „Charakter als kritische und selbstbewusste Stimme für München”garantieren. Von Bord geht auch Noch-ChefredakteurArno Makowsky.

Ein neuer Chefredakteur wird wohl aus Straubingkommen. Dorthin, zu Balles Heimatzeitung Straubin-ger Tagblatt, soll auch der Druckauftrag wandern. Da-zu muss die Abendzeitung auf das kleinere „BerlinerFormat” umgestellt werden. Zudem soll die Druckauf-lage deutlich reduziert werden. Die ambitioniertePreiserhöhung, nach außen offensiv vertreten, sollnach Brancheninformationen rund 10 Prozent Ver-kaufsauflage gekostet haben. Was bleibt bei so viel Mi-nimalismus noch von der Abendzeitung?

Balle, der im Umgang mit Beschäftigten eineneher rustikalen Stil pflegt, hat sich zur VerstärkungDietrich von Boetticher als Mitgesellschafter geholt.Der Wirtschaftsanwalt hat nebenbei nicht nur ein ed-les Gestüt in Ammerland und Hotelprojekte in Berlin,sondern pflegt auch eine gewisse Affinität zu Medien.In den 90er Jahren stieg er u.a. beim Luchterhand Li-teraturverlag, dem Limes Verlag, dem ex-DDR-VerlagVolk+Welt sowie bei der Wochenpost ein. Den rund 70Kolleginnen und Kollegen, die für vier Monate in eineBeschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft wech-seln, kann das herzlich egal sein. Sie sind de jure„draußen”, und ob sie jemals wieder zu ihren altenTätigkeiten zurückkehren können, ist mehr als unge-wiss. Schon gar nicht zu alten Konditionen, denn Ver-

leger Martin Balle hält Tarifverträge für „Folklore”.Räumlich wird ohnehin nicht viel Platz sein; die der-zeitige weitläufige Bürofläche mit dem zentralen rotenDesk wird aufgegeben.

Balle und von Boetticher wollen der Abendzeitungfür eine „ausgeglichene Bilanz” ein Jahr Zeit geben.Die verlegerischen Rezepte dafür sind leider allzu be-kannt, und Balle hat sie bereits kundgetan: In Mün-chen soll es nur noch eine Lokalredaktion, ein Feuil-leton und eventuell auch noch eine Sportredaktiongeben. Der Rest kommt aus Straubing. Unklar istnoch, welche Konzepte die neuen Verleger bei Anzei-gen und Vertrieb verfolgen werden. Bei der Anzeigen-entwicklung kam die AZ immer stärker unter Druck,weil sie keinen auflagenstarken Verbund im Rückenhatte (wie ihn etwa die Lokalkonkurrenten tz undMünchner Merkur bilden). Der Vertrieb wiederum er-folgt bislang in großem Umfang über „Stumme Ver-käufer”. In der Vergangenheit wurde die hohe Verlust-quote für die höhere Verkaufsauflage in Kauf genom-men. Für eine „ausgeglichene Bilanz” dürfte das Kon-zept aber nicht mehr taugen.

So bleiben bislang noch viele Fragen offen, be-sonders auch, welches journalistische Konzept die„neue” AZ eigentlich haben soll. Ein „liebevolles Hei-mat-Boulevardblatt” wolle man machen, sagte Ballegegenüber dem BR. „Rückenschule statt Champagner”ätzt dazu die taz. Und so ist nur eines gewiss: es wirdvorerst weiterhin eine Abendzeitung geben. Aber sowie�es ausschaut, wird es nicht mehr die freche undliberale AZ sein, die zu München gehört wie der AltePeter. Bernd Mann n

Funke in Hamburg auf Einkaufstour Nach dem Deal mit Springer, bei dem die Funke Me-diengruppe unter anderem das Hamburger Abend-blatt erworben hat, geht die Einkaufstour am StandortHamburg weiter. „Die größte Zeitung der Metropol -region (das Hamburger Abendblatt, d. Red.) übernimmtdie Lokalmagazine Hamburger Klönschnack undPinnwand und geht eine weitreichende Kooperationmit Der Hamburger ein”, teilte die Funke Medien-gruppe am 12. Juni mit. Alle drei Stadtmagazine seienin ihren Märkten bei Lesern und Werbekunden etab-liert. Die Kooperation mit Der Hamburger in Redakti-on und Anzeigenvermarktung soll zunächst über Jahrlaufen. Hamburger Klönschnack erscheint seit über 30Jahren mit 61.000 Exemplaren in den Elbvororten.Das Magazin Pinnwand wird für Pinneberg veröffent-licht und hat eine Auflage von 28.000. wen n

Springer-Kundenservicezieht nach BerlinDer Kundenservice von Springer steht vor tiefgreifen-den Umbau-Arbeiten. Die Verlags-Tochter AS Direktsoll von Hamburg nach Berlin ziehen. Bisher wurdedas gesamte Customer Care Management in Hamburgabgewickelt. Mit dem Verkauf der in Hamburg ansäs-sigen Springer-Titel gibt es hier weniger zu tun. Zu-dem sollen Teile der Aufgaben von AS Direkt an einenexternen Dienstleister übergeben werden. Und Funkezieht den Kundenservice der „neuen Titel” in seine ei-genen, bereits bestehenden, Call-Center. Betroffensind 300 Mitarbeiter, die damit zu den Verlierern desFunke/Springer Deals gehören könnten. Für jene ASDirekt-Beschäftigten, die weder nach Berlin umziehennoch einen anderen Job im Unternehmen finden, be-mühe man sich um „sozialverträgliche Lösungen”,heißt es bei Springer. wen n

Abendzeitung München: Alles wird kleinerNur ein Viertel der Mitarbeiter behält einen Arbeitsplatz

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Ob Bilder von Schlagersängerin Helene Fischer bei derTaufe eines Kreuzfahrtschiffes oder andere Ereignissemit Prominenten: Auf Ebay kursieren Fotos, deren Ver-marktung auf der Auktionsplattform nicht nur illegal,sondern grob geschäftsschädigend ist. Die Fotografenund Agenturen wissen nichts davon, dass ihre Fotosdort für ein Taschengeld verschleudert werden. Mitder Masse macht der Verkäufer möglicherweise einenerquicklichen Gewinn.

Schlagersängerin Helene Fischer hat ihre Fans. Als dieMusikerin im Juni in die Hansestadt kam, um einKreuzfahrtschiff zu taufen, strömten Tausende auf denFischmarkt, um sie zu sehen. Auch zur deutschen Par-ty während des Eurovision Song Contest stand sie inHamburg auf der Bühne. Jan-Timo Schaube, Fotografund Mitglied des Hamburger Vorstands der dju inver.di, staunte nicht schlecht, als er auf der Websitedes Auktionshauses Ebay als Poster ausgedruckte Bil-der von diesen Veranstaltungen entdeckte – für einTaschengeld angeboten. Sie stammten von Berufs -fotografen und waren offensichtlich nicht von denVerkäufern aufgenommen worden. Auch andere Pro-minenz – Sylvie Meis, Miley Cirus, Micaela Schäfer –werden dort abgebildet. „Wir müssen davon ausge-hen, dass große Bild- und Nachrichtenagenturen undfreie Kolleginnen und Kollegen bestohlen wurden”,so Schaube. Wahrscheinlich, vermutet er, stammt einTeil der Bilder sogar aus dem Fundus von picture-maxx. Die wichtige Münchner Firma bietet einen Ser-vice, mit dem Fotografen und Agenturen ihre Arbei-ten vermarkten können.

Firmenchef Bernd M. Czichon reagiert über-rascht: „Das ist ein neuer Fall”, sagt er. Angesichts von1,2 Mrd. Fotos von 2.000 Agenturen und sehr vielenTransaktionen seien konkrete Hinweise notwendig,um Verstößen – etwa gegen das Urheberrecht – nach-gehen zu können. Sein Unternehmen – und alle Fo-tografen – lebten davon, dass professionelle Arbeiternst genommen werde.

Auf Ebay verschwinden Angebote mit den be-schriebenen Fotos sehr schnell wieder. „Ebay hatgrößtes Interesse daran, derartige Rechteverletzungenzu unterbinden. Grundsätzlich ist jedoch nicht Ebay,sondern einzig der Anbieter für die Inhalte seiner An-gebote verantwortlich. Rechteinhaber müssen sich da-her für alle Maßnahmen, die über die Entfernung desAngebotes hinausgehen, grundsätzlich an den Anbie-ter wenden”. Dass das Auktionshaus ein eigenes Toolbetreibt, um Rechte geltend machen bzw. Verstößennachgehen zu können, lässt den Schluss zu, dass dasProblem erkannt wird. Dazu, wie viele Angebote vonEbay selbst entfernt wurden, lägen „keine genauenZahlen vor”.

Auf der Website „Forum Romanum” taucht eineBemerkung auf: man hoffe, dass das „hier nicht wie-

der einige nutzen, um die Bilder beiEbay zu verkaufen”. Beim Durchkli-cken durch das Forum zeigt sichschnell: Auch hier sind Bildervon diversen, meist weiblichenProminenten zu sehen, die mitprofessionellem Equipment ge-macht wurden. Timo Schaube er-läutert, dass sich von einem Termin mit He-lene Fischer über Hundert Bilder gefunden hätten,von denen ein Pressefotograf einen Großteil als seinewiedererkannt habe. Die Betreiber teilen mit, sie hiel-ten rund 500.000 Foren vor. „Leider sind uns die In-halte der einzelnen Foren nicht im Detail bekannt.”Man sei nicht Betreiber oder Moderator, „sondern bie-tet diesen Dienst für Dritte an”. Die Bilder lägen nichtauf dem eigenen Server, sondern bei einem anderenAnbieter. Bemerkenswert: Während der M-Recher-chen wurden entsprechende Beiträge vom Netz ge-nommen.

Schadenersatz verlangt. Die Hamburger FotografinUlrike Blitzer, die für verschiedene Agenturen arbeitet,hat eines der Bilder als ihres identifiziert und fügt hin-zu, die aktuellen Fälle seien keine Premiere. Da auchBilder anderer Kollegen gefunden wurden, nimmt siean, dass diese vom Angebot einer Redaktion herun-tergeladen worden seien. Ihre Einschätzung ist klar:„Damit auf diese Weise Geld verdienen, das finde ichScheiße”. Blitzer berichtet, bei Talkshowterminen inBremen und Hannover seien „wenn es hochkommt,nur fünf Leute” am Set, die Fotos machten. Also einüberschaubarer Kreis.

Christian Röwekamp, Sprecher der dpa, sagte,man prüfe „den Umfang der missbräuchlichen Nut-zung” und werde dann klären, welche rechtlichenSchritte die dpa ergreife. In der Regel würden Unter-lassungserklärungen und Schadensersatz verlangt, derdann auch geleistet werde: „Gerade heute ist eine Zah-lung eingegangen”, so Röwekamp. Auch bei Reutersbedankte man sich für den Hinweis, dem nun nach-gegangen werde.

Wolfgang Schimmel, lange Jahre als Jurist fürver.di tätig, sieht den Verkauf solcher Bilder als illegalan, wenn der Verkäufer die Kopien selbst hergestellthat. Die Regelung zur Privatkopie erlaube kein Kopie-ren zum Verkauf. „Der Verkauf dieser illegalen Kopienselbst wäre eine Verletzung des Urheberrechts undwürde zu Schadensersatzansprüchen des Urhebersführen”, so Schimmel, auch wenn dabei leider meistnur wenig herauskomme. Nicht zu beanstanden seider Verkauf nur dann, wenn die Verkäufer die Bilderlegal erworben hätten. Dem Urheber bleibe allerdingsdas so genannte Folgerecht, das eine Grenze von 400Euro kennt. Ulrike Blitzer jedenfalls will sich zur Wehrsetzen. Frank Berno Timm n

Hinweise und Fragen?

Timo Schaube kümmert sichweiter um das Thema, er ist unter [email protected].

Fotos auf Ebay verschleudertUrheberrechtsverletzungen bei Bildern keine Seltenheit

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Mit Erlösen von fast 129 Millionen Euro (Vorjahr: 115Millionen) war 2013 für die VG Wort ein gutes Ge-schäftsjahr. Im Mittelpunkt der Versammlungen am23. und 24. Mai 2014 in Berlin standen denn auch an-dere Dinge, insbesondere die Reform der Satzung.

Nach wie vor wichtigste Einnahmequellen der Ver-wertungsgesellschaft sind die Urhebervergütungen fürKopiergeräte und Speichermedien (Reprografieabga-ben). Sie sind um rund 11 Millionen auf 54 MillionenEuro gegenüber 2012 gesunken, weil weniger Gerätein Deutschland verkauft wurden. Zudem werden ausden Einnahmen für Drucker rund 4 Millionen Euro(2012: 4,8 Mio. Euro) zurückgestellt, bis der Bundes-gerichtshof in dem seit 2003 laufenden Prozess überdie Vergütungspflicht von Druckern und PCs nach„altem Recht” für die Jahre 2001 bis 2007 entschiedenhat. Nach einer für die VG Wort positiven Vorabent-scheidung des Europäischen Gerichtshofs im Juni2013 (siehe M 5/2013) hat nun auch der BGH am 3.Juli grundsätzlich eine Vergütungspflicht von Dru-ckern und eingeschränkt PCs bejaht. Über die Höheder Vergütungen müssen aber noch die Vorinstanzenentscheiden.

Im Bereich Hörfunk / Fernsehen stiegen die Ein-nahmen zwar von 11,8 auf 32,5 Millionen Euro, dochdavon wurden bereits Ende Februar 20,7 MillionenEuro aus nachträglichen PC-Einnahmen für die Jahre2008 bis 2010 im audiovisuellen Bereich an die jewei-ligen Bezugsberechtigten ausgeschüttet (M 2/2014).Weitere Einnahmen aus Geräte- oder Speichermedien-abgaben wurden 2013 nicht erzielt. Sie sind strittig

und die Verfahren bei der Schiedsstelle des DPMAoder vor Gerichten anhängig. Folglich und wegen derimmer umfassenderen Sendungserfassung sinken hierabermals die Ausschüttungsquoten (Tabelle auf dieserSeite).

Das gilt auch für einige andere Bereiche, denn beiansonsten kaum nennenswerten Veränderungen inden einzelnen Einnahmeposten steigt die Zahl derAusschüttungsempfänger leicht auf über 170.000, da-von rund 164.000 Autoren. Zudem wurden die Rück-stellungen bezüglich des Klageverfahrens gegen dieVG Wort auf jetzt 67 Millionen Euro erhöht. Die Ver-waltungskosten machten 2013 nur noch 7,6 Prozentder Inlandserlöse aus.

Perspektiven. Immerhin stehen in Zukunft weiteregroße Nachausschüttungen durch die in der Zentral-stelle für private Überspielungsrechte (ZPÜ) zusam-mengeschlossenen Verwertungsgesellschaften an:rund 240 Millionen Euro für Urheberabgaben aufComputer für die Jahre 2011 bis 2013 und ab 2014jährlich schätzungsweise rund 70 Millionen Euro.Noch weitaus mehr wird es sein bei der VG Wort undBild-Kunst auf Drucker und PCs für die Jahre 2002 bis2007 (Prozess vor dem BGH). Zudem zeichnet sich ei-ne einvernehmliche Lösung mit den Ländern über dieIntranetnutzung von Texten an Hochschulen (seit2003) ab.

Satzungsreform. Bei der von der Mitgliederver-sammlung beschlossenen neuen Satzung ging es vorallem um bessere Verständlichkeit und eine klarereStrukturierung. Ein wesentlicher Punkt ist die Verein-heitlichung und Senkung der Aufnahmeschwellen fürMitglieder (bisher gibt es nur rund 450 Mitglieder ge-genüber rund 176.000 Wahrnehmungsberechtigten).Autoren können jetzt Mitglied der VG Wort werden,wenn sie im Durchschnitt 400 Euro Ausschüttungenin den letzten drei Jahren erhalten haben. Außerdemwird das Autorenversorgungswerk künftig aus demGesamtaufkommen der VG Wort (bisher im Wesent-lichen aus der Bibliothekstantieme) finanziert. Für dieDelegierten der Wahrnehmungsberechtigten wurdeneinige Klarstellungen und Verbesserungen beschlos-sen, weitergehende Vorschläge aber nicht aufgegrif-fen.

VG Bild-Kunst. Was für den Wortbereich gilt, trifft na-turgemäß den Foto- und Filmbereich gleichermaßen.Durch rückläufige Reprografie- und fehlende Geräte-vergütungen im audiovisuellen Bereich sanken 2013auch bei der VG Bild-Kunst die Erlöse. Aufgefangenwurde das durch die Nachzahlung, die bereits ausge-schüttet wurde. Durch steigende Einnahmen in wei-teren Bereichen wuchs das Gesamtaufkommen von58,6 auf 61,3 Millionen Euro. Rüdiger Lühr n

Gutes Geschäftsjahrfür die VG WortAber weniger Einnahmen aus Reprografieabgaben

Ausschüttungsquoten 2014 für 2013 für Urheber/-innen in Euro (= Quoten 2013)

Pressespiegel: Sockel 30,00 (34,00) / Punktewert 6,00 (6,20)Elektronische Pressespiegel: Faktor 2,0 (2,3)Presse-Repro: Punktewert 14,00 (12,00)Bibliothekstantieme: mindestens 91,99 (99,65)Beiträge Wissenschaft: 2,00 pro Normseite (2,00)Buch Wissenschaft: 800,00 (800,00)Broschüre Wissenschaft: 3,00 pro Druckseite (3,00)Hörfunk: 10-Punktewert 1,50 (2,00)Fernsehen: 10-Punktewert 0,24 (0,35)

METIS (Texte im Internet): 10,00 (10,00) ab 1.500, 12,00 (13,00) ab 6.000, 16,00 (18,00) ab 24.000 AbrufeMETIS-Sonderausschüttung: 10,00 (10,00) bis 20 Texte in 6 Stufen von 30,00 (30,00) für 21 – 60 Texte bis480,00 (480,00) bei über 480 Texten pro Domain

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Urheberrecht? Das Thema ist längst in der öffentli-chen Diskussion, vor allem wenn es ums Internet geht.Politisch umstritten, scheint rechtlich alles klar zusein: Alles ist geschützt, davon gehen auch viele Ur-heberinnen und Urheber aus. Was vom Urheberrechttatsächlich erfasst wird, dazu einige aktuelle Urteile.

Geschützt werden durch das Urheberrechtsgesetz(UrhG) unter anderem Sprachwerke (außer Textenauch Reden und Computerprogramme), Fotografien,Karikaturen und Filme, Werke der Musik, der Bilden-den Kunst und der Tanzkunst sowie Darstellungenwissenschaftlicher und technischer Art. Voraussetzung:Es handelt sich um persönliche „geistige Schöpfungen”.

Ohne diesen Schutz könnten Publizisten undKünstler nicht existieren. Denn sie leben von ihrenUrheberrechten – egal ob sie Artikel oder Bücherschreiben, journalistisch oder künstlerisch fotografie-ren, Beiträge für den Hörfunk oder das Fernsehen er-stellen. Sie verdienen ihren Lebensunterhalt damit,dass sie Genehmigungen für die Nutzung ihrer Werkeerteilen (UrhG: Nutzungsrechte einräumen) und da-für als Vergütung Honorar oder Gehalt erhalten.

Nicht nur daraus entstehen Konflikte – wie dieAuseinandersetzungen um „Rechteklau” und Buy-Out-Verträge immer wieder deutlich machen. Auchdarüber, ob der Urheberschutz im Einzelnen über-haupt konkret greift, muss oft genug – vor Gericht –gestritten werden. Denn Urheberrechte erlöschen erst70 Jahre nach dem Tod des Urhebers. Erst danach darfjeder die Werke nach Belieben nutzen. Erst dann sindsie „gemeinfrei”.

In der Regel 50 Jahre nach der erstmaligen Veröffent-lichung (teilweise auch nach Erstellung) erlöschenLeistungsschutzrechte, die als verwandte Schutzrechteebenfalls im UrhG geregelt sind. Die gibt es zum Bei-spiel auch für „Lichtbilder”. So bezeichnet das Gesetz„gewöhnliche” Fotos, bei denen es sich nicht um eine„persönliche geistige Schöpfung” handelt. Und da-rum geht es im ersten Urteil.

Dokumentarische Filmbilder. Der Bundesgerichts-hof hat in einem Urteil vom 6. Februar 2014 (Az.: I ZR86/12) entschieden, dass bei dokumentarischen Film-aufnahmen das Leistungsschutzrecht auch das Rechtzur Verwertung der Einzelbilder umfasst. Geklagt hat-te ein Journalist, der die Verwertungsrechte an einemFilm übernommen hatte, den der Kameramann Her-bert Ernst am 17. August 1962 vom Sterben und Ab-transport des Flüchtlings Peter Fechter an der BerlinerMauer gedreht hatte. Der RBB sendete Bilder aus die-sem Film am 13. August 2010 in der Abendschau.

Anders als die Vorinstanzen urteilte der I. Zivil -senat in Karlsruhe, dass Ansprüche auf Unterlassungund Wertersatz wegen Nutzung der Filmaufnahmennicht daran scheitern, dass dieses nicht als Filmwerkgeschützt ist, weil es sich dabei lediglich um doku-mentierende Aufnahmen und nicht um persönlichegeistige Schöpfungen handele. „Denn an den einzelnenFilmbildern besteht jedenfalls ein Leistungsschutz-recht” als Lichtbilder (§ 72 UrhG) und dieses umfasst„das Recht zur Verwertung der Einzelbilder in Formdes Films”, heißt es in der BGH-Pressemitteilung.

Für den Kameramann ist das BGH-Urteil nur eineinmaliger und kurzfristiger Erfolg, denn mittlerweilesind 50 Jahre vergangen. Für die Filmemacher insge-samt handelt es sich aber um eine wichtige Grundsatz-entscheidung. Nun ist höchstrichterlich festgestellt,dass sie beispielsweise Screenshots im Internet aus ih-ren Filmen nicht ohne weiteres hinnehmen müssen.

Auszüge aus Buchrezensionen. Ein neues Urteil desLandgerichts München I hat die Buchbranche in Auf-regung versetzt. Auszüge aus Buchrezensionen sindurheberrechtlich geschützt, ihre Verwendung muss lizenziert werden, hat das LG gegen den Internet-buchhändler buch.de am 12. Februar 2014 (Az.: 21 O7543/12) entschieden. Geklagt hatte die FrankfurterAllgemeine Zeitung.

In der Urteilsbegründung betonte das Münche-ner Gericht die urheberrechtliche Schutzfähigkeit derFAZ-Artikel, die für die bisher branchenüblichen On-line-Rezensionen genutzt wurden. Bei journalisti-schen Arbeiten, die sich „mit literarischem Schaffenbefassen und literarische Werke feuilletonistisch dar-stellen”, sei die für Zeitungsartikel typische „individu-elle Prägung sogar noch eher anzunehmen als bei her-kömmlichen Artikeln … der Tagespresse”. Buch.de ha-be aber keine Nutzungsrechte für die Verwertung derArtikel erworben. Auch das Zitatrecht greife nicht, dabei den Online-Rezensionen kein „Zitatzweck” er-kennbar sei.

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Alles geschützt?Aktuelle Urteile zum Urheberrecht

Karikatur: Roger Schmidt

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„Bedauerlich ist, dass das symbiotische Miteinandervon Buch- und Presseverlagen bei der Verwendungvon Rezensionen nach diesem Urteil faktisch aufge-kündigt ist”, erklärte der Börsenverein des DeutschenBuchhandels. Allerdings hatte der Verlag der FAZ auf-grund des starken Unmuts in der Verlagsbranche be-reits im Oktober 2013 in einer Erklärung betont, dassdie „Nutzung von Buchbesprechungen der FAZ zuWerbezwecken möglich” sei – auch in Zukunft. „Li-zenzfrei und ohne gesonderte Genehmigung möglichist somit die Nutzung von Auszügen aus Rezensionen,die aus bis zu 25 aufeinanderfolgenden Wörtern be-stehen. Möglich ist zudem damit ausdrücklich dieVerwendung auf Umschlagseiten und in Klappentex-ten sowie zukünftig die Bewerbung der besprochenenBücher im Internet.” Der Online-Händler buch.de hatBerufung vor dem OLG München eingelegt.

„Kleine Münze”. Das Münchner Landgericht hattebereits am 4. August 2011 (Az.: 7 O 8226/11) auch denurheberrechtlichen Schutz als Sprachwerk für einenaus zwölf Worten bestehenden Spruch des nicht nurin der bayerischen Hauptstadt verehrten Karl Valentinbejaht: „Mögen hätte ich schon wollen, aber dürfenhabe ich mich nicht getraut”. Dieser Spruch darf aufeiner Zitat-Webseite ohne Genehmigung nicht öffent-lich zugänglich gemacht werden. Erfolgreich machtedie Enkelin von Karl Valentin als Gesamtrechtsnach-folgerin ihren Unterlassungsanspruch geltend.

Ohnehin gilt für Sprachwerke die sogenanntekleine Münze. Der Begriff bedeutet, dass auch einfa-che Werke durch das Urheberrecht geschützt sind, dienur über ein schwaches Maß an individueller, schöp-ferischer und gestalterischer Ausdruckskraft verfügen.Maßgeblich ist, dass eine schöpferisch wertvolle unddaher schutzwürdige Errungenschaft erschaffen wur-de. Das gilt bei verschiedenen Werkarten in unter-schiedlich starkem Maße: Die Schutzuntergrenze beiSprachwerken ist höher angesetzt als auf musikali-schem Gebiet, wo auch einfachste Melodien wie bei-spielsweise Jingles schutzwürdig sein können.

AGB und Nachrichtentexte. So gibt es mehrere Ur-teile, dass auch Allgemeine Geschäftsbedingungen(AGB) urheberrechtlichen Schutz genießen (können),anders als Urteils- und Gesetzestexte. So entschied et-wa das Oberlandesgericht Köln am 27. Februar 2009(Az.: 6 U 193/08): „Allgemeine Geschäftsbedingungenkönnen als (wissenschaftliches Gebrauchs-) Sprach-werk … urheberrechtsfähig sein …, wenn sie sich we-gen ihres gedanklichen Konzepts oder ihrer sprach -lichen Fassung von gebräuchlichen juristischen Stan-dardformulierungen abheben.” Das gleiche OLG hatteschon zuvor den Urheberschutz von Urteilsleitsätzenfestgestellt, die ein Rechtsanwalt auf seiner Websitevon der eines Kollegen „übernommen” hatte (Be-schluss vom 28. August 2008 – Az.: 6 W 110/08).

Dass auch Nachrichtentexte „persönliche geistigeSchöpfungen” sind und damit den Schutz des Urhe-berrechts genießen, ist eigentlich klar. Die Nachrich-tenagentur AFP musste deswegen aber gegen den Betreiber eines Internetmagazins prozessieren, dermeinte, er könne sie unverändert übernehmen, da dasUrheberrecht nicht zum Zug komme. So kam es zumUrteil des OLG Karlsruhe vom 10. August 2011 (Az: 6U 78/10), in dem der Urheberschutz von Nachrich-tentexten eindeutig festgestellt wurde.

Webseiten. Im Bereich der Grafik liegt die Grenze fürden urheberrechtlichen Schutz weitaus höher und giltallenfalls für herausragende Grafiken. Lange wurdeauch vor Gericht über den Urheberschutz von Web-seiten gestritten. Dass eine Webseite nur unter ganzbesonderen Umständen Urheberrechtsschutz genießt,hat sich vor Gericht wohl allgemein durchgesetzt.

Das hat auch das OLG Hamburg in seinem Urteilvom 29. Februar 2012 (Az.: 5 U 10/10) noch einmalbestätigt: „Da nach Auffassung des Senates die Web-seite der Klägerin bereits keinen Schutz als urheber-rechtliches Werk genießt, liegt in der Übernahme ei-nes Teils der Gestaltungselemente … auch keine Ur-heberrechtsverletzung vor.” Auch sei nicht schon einQuellcode an sich geschützt, führte das OLG weiteraus. Die Schutzfähigkeit lasse sich nicht alleine mitder Benutzung einer bestimmten Programmierspracheoder bestimmter Programme begründen, sondern seidaran zu messen, inwieweit das erstellte Programmkeine ganz einfache Gestaltung aufweise.

Gebrauchsdesign. Bei Gebrauchsgrafik oder Produkt-design fand der Schutz der kleinen Münze lange keineAnwendung, weil diese auch durch das Geschmacks-mustergesetz (nach einer Reform jetzt: Designgesetz)geschützt werden können. Erst mit dem „Geburtstags-zug”-Urteil des Bundesgerichtshofs vom 13. Novem-ber 2013 (Az.: I ZR 143/12) gilt, dass der Urheber-rechtsschutz auch für Werke der angewandten Kunstgelten kann. Geklagt hatte mit Unterstützung der Ge-werkschaft ver.di eine selbstständige Spielwarendesig-nerin. Der BGH revidiert damit seine frühere Recht-sprechung und entschied, dass Schöpfer von Ge-brauchsdesign grundsätzlich einen Anspruch auf eineangemessene Vergütung nach dem Urheberrecht haben. Rüdiger Lühr n

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Verlage klagengegen GoogleDie Klage der VG Media gegen Google für eine ange-messene Vergütung auf Basis des Leistungsschutz-rechts (LSR) ist auf dem Weg. Sie wird zunächst beider Schiedsstelle für Urheberrechtsangelegenheitendes Deutschen Patent- und Markenamtes geprüft, diedem Landgericht vorgelagert ist. Das kann bis zu ei-nem Jahr dauern. Gleichfalls haben zwölf deutscheZeitungsverlage gemeinsam mit der VG Media EndeJuni Beschwerde beim Bundeskartellamt eingereicht.Sie werfen der Suchmaschine vor, ihre Marktmacht zumissbrauchen. Google weigert sich Vergütungen fürdie Veröffentlichung von Snippets zu zahlen und ver-langte stattdessen eine Einverständniserklärung fürdie Nutzung. Alternativ würden die Angebote der Ver-lage nicht mehr bei Google auffindbar sein, lautetedie Drohung. Das Leistungsschutzrecht gilt seit August 2013. Danach dürfen Verleger Gebühren ver-langen, wenn ihre Inhalte kommerziell im Internetgenutzt werden, beispielsweise durch Suchmaschinen. wen nak

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Die Reaktionen auf langjährige Haftstrafen für dreiJournalisten in Ägypten ließen nicht lange auf sichwarten: „Ein schwarzer Tag für die Pressefreiheit”, kri-tisierte Amnesty International, von einem „neuen Tief-schlag” sprachen die Reporter ohne Grenzen. Und derarabische Fernsehsender Al-Dschasira, dessen Mitar-beiter Opfer des Richterspruches wurden, beklagte,das Urteil habe sich „über jede Logik und über jedenAnschein von Gerechtigkeit hinweggesetzt”.

Als die Kairoer Richter ihr Urteil verlasen, ahnten diezahlreichen Journalisten im Gerichtssaal, dass sich dieEntscheidung indirekt gegen sie alle richtete. Wegender „Verbreitung falscher Nachrichten”, der „Arbeitmit nicht genehmigter Ausrüstung” sowie wegen der„Unterstützung einer terroristischen Organisation”(gemeint ist die Muslimbruderschaft) wurden dreiMitarbeiter des Fernsehsenders Al-Dschasira zu sie-ben – beziehungsweise zehnjährigen Freiheitsstrafenverurteilt. Weitere Schuldsprüche wurden gegen sie-ben Journalisten in Abwesenheit verhängt. Sie hattenÄgypten verlassen, bevor sie festgenommen werdenkonnten. Sechs von ihnen arbeiten ebenfalls für Al-Dschasira.

Das Verfahren gegen die seit Dezember 2013 in-haftierten Kollegen Peter Greste, Mohamed Fahmiund Baher Mohamed entsprach in keiner Weiserechtsstaatlichen Prinzipien. Anträge der Verteidigungseien ignoriert worden, und die Beweisaufnahme derStaatsanwaltschaft habe zwischendurch eher einer Ko-mödie als einem Prozess geglichen, monierte ein An-walt der Angeklagten.

So hatten viele Beweismittel, die von Kamerasund Laptops stammten, gar keinen Bezug zu dem Fall,sondern waren Filmmaterial aus anderen Ländernoder Bilder von Familienangehörigen. Belastungszeu-gen widersprachen ihren eigenen schriftlichen Aussa-gen. Nach übereinstimmenden Berichten von Prozess-beobachtern gelang es der Staatsanwaltschaft nicht,auch nur einen überzeugenden Beweis dafür zu er-bringen, dass die Al-Dschasira-Mitarbeiter die Muslim-bruderschaft unterstützt hätten. Unbestritten ist, dassdie Journalisten mit Mitgliedern der Organisation ge-sprochen haben, um ihre Einschätzung der Lage nachdem Sturz des gewählten und von den Muslimbrü-dern nominierten Präsidenten Mohamed Mursi ein-zuholen – eigentlich eine journalistische Pflicht.

„Nur weil sie ihren Job erledigt haben, wurdendie Journalisten eingesperrt und als Kriminelle undTerroristen gebrandmarkt”, kritisiert Philip Luther, Di-rektor der Nahost-Abteilung bei Amnesty Internatio-nal. „Es gibt nur einen Grund, warum die drei Männerim Gefängnis sitzen: Die ägyptischen Behörden warenmit der Berichterstattung nicht einverstanden. Sie se-hen es als legitim an, gegen jeden vorzugehen, der eswagt, sie zu kritisieren.”

Auch Christian Mihr, Geschäftsführer von „Re-porter ohne Grenzen” beklagt die „grotesken Verfah-

rensmängel” in dem Prozess. Das Klima von Ein-schüchterung und Gewalt gegen in dem Land arbei-tende Journalisten nehme zu. Insgesamt sind lautROG zurzeit mindestens 14 Journalisten in Ägypteninhaftiert. Mihr verlangt ebenso wie Amnesty Inter-national, das Komitee zum Schutz von Journalisten,die dju in ver.di und die Internationale Journalisten-föderation die sofortige Freilassung der Al-Dschasira-Mitarbeiter. Der dju-Bundesvorsitzende Ulrich Janßenspricht von einer die Demokratie aushöhlenden Jus-tizwillkür und betont: „Die mehrjährigen Haftstrafengegen Journalisten sind ein weiterer Beleg dafür, dassVerfassungstext und Verfassungswirklichkeit nicht au-tomatisch deckungsgleich sind, sondern dass Grund-rechte immer wieder verteidigt und ihre Einhaltungimmer wieder neu erkämpft werden müssen.”

Marc Engelhardt, früherer Afrika-Korrespondentund Vorsitzender des Netzwerks „weltreporter.net”,ruft explizit die Bundesregierung auf, sich für die Jour-nalisten einzusetzen. „Wenn sie nicht ihr ganzes Ge-wicht für die Freilassung unserer Kollegen einsetzt,müssen in Zukunft auch deutsche Korrespondentenfürchten, ohne Grund verhaftet und verurteilt zu wer-den”, erklärt er. Außerdem warnt er davor, dass Urteilewie das gegen die Al-Dschasira-Mitarbeiter dazu führ-ten, dass bei manchen Berichterstattern aus Angst vorRepressionen bereits die Schere im Kopf ansetze.”

Auch der englischsprachige Dienst von Al-Dscha-sira will sich weiter lautstark für seine Mitarbeiter ein-setzen und fordert die internationale Gemeinschaftauf, in dem Druck auf die ägyptischen Behörden nichtnachzulassen. „Die Solidarität kam aus allen Teilender Welt und ist die Basis für die Informations- undPressefreiheit”, sagt der Geschäftsführer des Senders,Al Anstey, und betont: „Vor jedem normalen Gerichtwäre dieses Verfahren eingestellt worden.”

Die Verurteilten selbst hoffen auf die nächste In-stanz oder auf eine Begnadigung durch die ägyptischeFührung. Für Peter Greste, einen australischen Staats-bürger, ist die Chance dafür am größten. Der australi-sche Ministerpräsident Tony Abbott erklärte bereits,er hoffe, dass der ägyptische Staatschef Abdel Fattahal-Sisi auf die Freilassung Grestes hinwirken werde.Das Urteil habe ihn fassungslos gemacht. Der Austra-

MEDIEN + INTERNATIONAL

TiefschlagIn Ägypten müssen Journalisten wegen ihrer Recherchen ins Gefängnis

Peter Greste (links), Australier, und ehemaligerBBC Korrespondent,

Proteste bei der BBC, London

Human Rights Watch

TNN, Tunis

Weitere Proteste, zum Beispiel Toronto Star

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lier Greste arbeitet eigentlich im kenianischen Nairobials Korrespondent für Al-Dschasira und ist nur überWeihnachten in Kairo eingesprungen. Kurz nach demFest wurde er in einem Hotel festgenommen. Ob auchder ägyptisch-kanadische Kollege Mohamed Fahmi,Al-Dschasira-Bürochef in Kairo, und der ägyptischeProduzent Baher Mohamed mit anhaltender Unter-stützung aus dem Ausland rechnen können, erscheinthingegen fraglich. Letzterer erhielt sogar zehn JahreHaft, weil er bei seiner Festnahme im Besitz einer Pa-trone war, die er nach eigenen Angaben bei Drehar-beiten eingesteckt hatte.

Dass internationaler Druck nicht aussichtslos ist,zeigt ein kleines Zeichen der Hoffnung, das wenige

Tage vor dem Urteilsspruch aus Kairo kam. Ein weite-rer Al-Dschasira-Reporter, der Journalist Abdallah El -shamy, der nicht zusammen mit den verurteilten Kol-legen angeklagt war, kam am 17. Juni auf Anordnungder ägyptischen Generalstaatsanwaltschaft frei. Erhatte mehr als 100 Tagen aus Protest gegen seine In-haftierung auf die Aufnahme von Nahrung verzichtet,so dass auf gesundheitliche Gründe für die Haftent-lassung verwiesen wurde. ver.di hatte sich zusammenmit Amnesty International für die Freilassung Elsha-mys eingesetzt (M 4/14). Dass gegen Elshamy trotzder Freilassung noch Anklage erhoben wird, ist anzu-nehmen, aber gegenwärtig nicht sicher.

Harald Gesterkamp n

MEDIEN + INTERNATIONAL

Namhafte russische Journalisten wehren sich gegendie Propaganda des Kreml: Sie haben eine unabhän-gige Journalisten-Gewerkschaft gegründet. Ihr Ziel:die Rettung ihres Berufsstands.

Schon die Suche nach einem Namen war heikel. Ei-gentlich wollten Alexander Ryklin und seine 15 Kol-legen ihre neue Gewerkschaft „Journalistische Not-wehr” nennen. „Doch wir kamen zu dem Schluss: Dasgeht nicht”, berichtet der Chefredakteur des kreml -kritischen Nachrichtenportals www.ej.ru. „Der BegriffNotwehr wird in Russland ständig propagandistischim Ukraine-Konflikt verwendet, er ist jetzt viel zu mi-litärisch besetzt. Deshalb haben wir uns für den Na-men ‚Journalistische Solidarität’ entschieden.”

Ryklin und seinen Mitstreitern geht es um nichtsanderes als um die Existenz des Journalismus in Russ-land. „Der Journalismus ist vom Aussterben bedroht,wir haben fast nur noch Propaganda”, klagt der Jour-nalist. „De facto haben wir in Russland ein Berufsver-bot für ehrliche Journalisten. Für sie ist es kaum mög-lich, Arbeit zu finden.” Ryklins Portal wird wie andereauch von den Behörden blockiert. Die Sperre über-windet er immer wieder mit technischen Finessen –in einem „Hase-und-Igel-Spiel”, wie er es nennt.

„99 Prozent unserer Medien sind staatlich oderauf die eine oder andere Weise vom Staat kontrol-liert”, klagt auch Igor Jakowenko, der Initiator derneuen Gewerkschaft. Jakowenko war früher Duma-Abgeordneter für die liberale „Jabloko”-Partei und ab1998 Generalsekretär des Russischen Journalistenver-bands. 2009 wurde er aus dieser Funktion entlassen,als der Verband immer kremlnäher geworden sei.

Alle zentralen Fernsehsender seien gleichgeschal-tet, es gebe nur noch eine Handvoll kritischer Zeitun-gen und Internet-Medien, sagt Jakowenko. Gefragtseien „Info-Krieger”, keine Journalisten. Seit WladimirPutin im Jahr 2000 an die Macht kam, habe er einenFeldzug gegen den Journalismus gestartet und ihnSchritt für Schritt durch Propaganda ersetzt: „Wirmüssen eine große chinesische Mauer errichten zwi-schen Journalisten und Info-Kriegern, den Menschen

klar machen, dass diese Art von Medien nichts mitJournalismus zu tun hat.”

Dementsprechend dramatisch klingt auch dasGründungsmanifest der Gewerkschaft. „Unser Landrutscht vor unseren Augen zum totalitären Regime ab.Dabei spielen die Medien in einem massiven Informa-tionskrieg gegen die Bürger des eigenen Landes dieführende Rolle”, heißt es in dem Papier. Was jetzt inder Ukraine passiere, sei „zu 90 Prozent die Schuld desrussischen Fernsehens”, glaubt Jakowenko. Die Ma-cher vergifteten mit ihren Lügen das Bewusstsein derZuschauer, versuchten, sie blutrünstig zu machen, soder Vorwurf des Journalisten.

„Unsere finanziellen Mittel liegen bei null”, sagtJakowenko, doch das wollen er und seine Kollegendurch ihre Arbeitskraft wettmachen. Als erste Schrittewerden sie eine Internet-Seite online bringen, Kontak-te mit ukrainischen Kollegen knüpfen und so ein Zei-chen gegen den Hass setzen. Geplant ist ein Monito-ring für Propaganda-Lügen, eine Job-Börse und Hilfefür notleidende Kollegen. Es habe bereits Entlassun-gen von Journalisten gegeben, nur weil sie sichkremlkritisch äußerten, klagt Jakowenko. Die Angstgehe um. „Russland steht vor einem Punkt, von demab ein freier Meinungs- und Informationsaustauschnur noch in den privaten Küchen möglich sein wird”,heißt es im Aufruf der Gewerkschaft.

Von vielen Kollegen habe es positive Reaktionenauf die Gründung gegeben, berichtet Jakowenko – diemeisten davon allerdings hinter vorgehaltener Hand:„Einige sagten, wir finden das prima, aber wir könnennicht mitmachen, weil wir sonst unsere Existenz ge-fährden.” Jakowenko selbst hat noch keine Angst vorRepressionen: Es sei zwar leicht möglich, dass ihnendie Behörden bei der Registrierung der GewerkschaftSteine in den Weg legen. „Aber für massivere Störma-növer sind wir im Moment noch zu klein und zu un-wichtig. Wenn die Idee Erfolg hat, werden wir aberzwangsläufig ins Visier der Staatsmacht geraten. Ichhoffe, dann sind wir bereits stark genug, um uns zuwehren.”

n-ost-Korrespondent Boris Reitschuster, München n

Gegen Kreml-PropagandaNeue russische Journalisten-Gewerkschaft gegründet

Proteste bei Channel 4, London

Amnesty International

Al-Dschasira, Doha

Journalist Abdullah Elshamy,gerade aus der Haft entlassen

Mohamed Fahmy, kanadischerJournalist (Mitte) und Baher Mohamed, Ägypter (rechts)

Foto: picture alliance / Khaled Elfiqi

Screenshots (8): Aljazeera.com

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40 M 5.2014

Ende Juni erhielt das Land den lang ersehnten Statuseines EU-Beitrittskandidaten. Nun stehen Reformenan, denen sich auch Rundfunk und Presse stellen müs-sen. Zwar gibt es formal Medienfreiheit in Albanien,doch die Abhängigkeit von Politik und Wirtschaft istgroß.

An Medien mangelt es den Albanern nicht. FünfzigRadiosender, 26 Tageszeitungen und 150 Fernseh -sender kann das Balkan-Land vorweisen – bei gerademal 2,8 Millionen Einwohnern. Dass sich das nichtrechnen kann, liegt auf der Hand. Alle Zeitungenkämpfen mit roten Zahlen. Auch die privaten Fern-sehkanäle arbeiten nicht rentabel. Aufs Programmwirkt sich das sehr negativ aus, wie jeder in der Bran-che offen zugibt. Zum Beispiel Lufti Dervishi, der alsNachrichtendirektor beim Privatsender Vision+ arbei-tet. „Wenn es zu viele Fernsehstationen gibt, bedeutetdas, dass die meisten unterbesetzt sind und die Zeit,die für echten Journalismus aufgewendet wird, sehrgering ist”, erklärt der 47jährige. „Sehr präsent sindauch Selbstzensur und eine Haltung des „easy going”,also dass Journalisten nicht genug Distanz zu Politi-kern haben. Die Themen werden meist von PR-Agen-turen, Spin Doktoren oder Offiziellen der Regierungund der Parteien bestimmt. Es ist nicht so, dass dieMedien ihre eigene Agenda hätten.”

Akzeptanz für Medienmanipulierung. Unabhängi-gen oder gar investigativen Journalismus sucht mandenn auch in Albanien vergeblich. Grund dafür ist je-doch nicht nur die prekäre wirtschaftliche Situationder Medien, sondern auch eine besondere Mentalität.„Berlusconi-Syndrom” ist der Begriff, der dafür kur-siert. Das heißt, bei den Privatsendern orientiert mansich inhaltlich am italienischen Krawallfernsehen.Aber auch bei der Unternehmensphilosophie hat manbei Berlusconi abgeschaut, kritisiert Mirela Oktrova,Fernsehdirektorin im öffentlich-rechtlichen Rund-funk. „Es gibt hier die Tendenz jedes Unternehmers,eine Fernsehstation zu gründen, um einen medialenSchutzschild zu haben, der dann für die eigenen In-teressen benutzt werden kann”, so Oktrova. „Und esgibt eine breite Akzeptanz in der albanischen Bevöl-kerung für das Modell der Medienmanipulierung. Wirsehen teilweise die Medien nicht als vierte Macht,sondern als unsere Macht.”

Auch der gebührenfinanzierte Rundfunk machthierbei keine Ausnahme. Die Nachrichten im öffent-lich-rechtlichen „rt.sh” unterliegen direkter politi-scher Einflussnahme – wie bei seinem Vorgänger, demStaatsfernsehen der Enver-Hoxha-Diktatur. Die Aus -einandersetzung mit der Vergangenheit ist für die al-banische Öffentlichkeit kaum ein Thema, konstatiertMirela Oktrova. „Einer der Schäden, den wir immernoch zu tragen haben aus der kommunistischen Zeit,ist die gesellschaftliche Mentalität, die den öffentlich-rechtlichen Rundfunk als ein Mittel zum Zweck an-sieht oder ihn gar ignoriert. Deswegen stellt sich dieFrage: Ist die albanische Gesellschaft interessiert, ein

starkes öffentlich-rechtliches Medium zu haben odernicht? Bis jetzt war die Antwort: nein.”

Neue Modelle gesucht. Stattdessen puzzeln sich dieAlbaner lieber die Wahrheit aus den pluralen Medien-verlautbarungen selbst zusammen. „Um eine Ge-schichte verstehen zu können, muss man drei ver-schiedene Sender sehen, drei verschiedene Zeitungenlesen und ins Café gehen und hören, was die Leutedarüber denken” sagt Nachrichtenmann Lufti Dervis-hi und ergänzt: „Das ist eine Metapher um zu erklä-ren, wie die Wahrheit ans Tageslicht kommt oder wiedie Öffentlichkeit sie identifizieren kann.” Aus Sichtvon Astrit Ibro, der als Hörfunkjournalist auch für dieARD arbeitet, kann das mit Blick auf einen EU-Beitrittso nicht bleiben. „Wir müssen Modelle suchen, deut-sche Modelle oder englische Modelle, wo man viel recherchiert und verantwortungsvoll schreibt und be-richtet.”

Wie so eine Reform der Medienlandschaft von-statten gehen kann, ist nur schwer vorstellbar. DerMarkt ist unreguliert, die zuständige „Autorität der au-diovisuellen Medien” etwa tut sich schwer mit Ein-

griffen. Auch Journalistenor-ganisationen haben wenigEinfluss. Gledis Gjipali vonder NGO „European Move-ment Albania” setzt aufDruck aus dem Internet. „Inden letzten drei bis vier Jah-

ren haben wir gesehen, dass einige Onlinemedien –wie zum Beispiel gazetatema.net – mit kritischen undkonstruktiven Berichten über die Regierung viele Le-ser gewonnen haben. Das setzt die traditionellen Me-dien unter Druck.

Mirela Oktrova von „rt.sh” hofft hingegen, dassdie EU die traditionellen Medien zwingt, sich zu re-formieren. Dass Albanien nun Beitrittskandidat ge-worden ist, wirke sehr motivierend, weil das eine Per-spektive schaffe. „Der Albaner an sich ist ein Süd -länder, der motiviert bleiben muss, um Ergebnisse zuerzielen”, sagt Oktrova. „Er ist kein Deutscher, dernach Grundregeln spielt. Grundregeln sind für denAlbaner schwierig. Aber wenn man motiviert ist, kannman alles erreichen.” Vera Linß n

Das Berlusconi-SyndromAlbanien auf dem Weg in die Europäische Union

Dr. Mirela Oktrova: Fernseh -direktorin im öffentlich-rechtlichen Rundfunk rt.sh

Das Rundfunkgebäude rt.shin der Hauptstadt Tirana Fo

to: Vera Lin

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Foto: privat

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Auch ein Jahr danach ist die plötzliche Schließung deröffentlich-rechtlichen Sendeanstalt ERT in Griechen-land nicht vergessen. Zum ersten Jahrestag der Ent-lassung von mehr als 2.600 Medienarbeitern versam-melten sich am 11. Juni tausende Menschen vor derAthener Sendezentrale, in dem mittlerweile die Nach-folgeanstalt NERIT residiert.

Mehrere hundert der entlassenen ERTianer produ -zieren seit damals bis heute in Eigenregie und mit äußerst prekären Mitteln ein vollwertiges Radio- undFernsehprogramm. Ausgestrahlt wird es von Radio -stationen überall im Land, analog vom immer nochbesetzten Sender der ehemaligen ERT in Thessalonikiund über Internet. Letzteres aus Büros auf äußerst be-schränktem Raum in Athen, genau gegenüber demriesigen Gebäude der einstigen ERT.

„Es geht nicht nur um die ERT, es geht um dieDemokratie“, meint Vagia Baladaki, an die Empörungerinnernd, die die Hals über Kopf-Schließung der ein-zigen nicht von privaten Kapitalinteressen regiertenSendeanstalt des Landes in der Bevölkerung ausgelösthatte. Die junge ehemalige Verwaltungsangestellte der

ERT arbeitet seit ihrer Entlassung für den Sender derWiderständigen ertopen.com. „Wir produzieren mithohem persönlichen Einsatz und unseren marginaleneigenen Mitteln“, erläutert Baladaki. „Ohne die Hilfeder Branchengewerkschaft POSPERT wäre das nichtzu machen.“ POSPERT vertritt alle bei den Radio- undFernsehanstalten des Landes Angestellten bis auf dieanderweitig organisierten Journalisten und war 2013von Anfang an federführend im Kampf der 2.656 überNacht Entlassenen für ihre Wiedereinstellung und dieWiederinbetriebnahme der ERT. Eine Klage der POS-PERT gegen die Schließung hatte zunächst Erfolg. Dashöchste Verwaltungsgericht des Landes urteilte, dasseine ersatzlose Schließung der einzigen öffentlich-rechtlichen Sendeanstalt nicht verfassungskonformsei. Doch die Regierung reagierte mit der Inbetrieb-nahme eines Übergangssenders, der aus den Räumeneines privaten Studios ein auf Archivfilme (Konser-

ven) und eine Nachrichtensendung am Tag be-schränktes Programm ausstrahlte. Erst kurz vor denEuropawahlen im Mai nahm dann die eigentlicheNachfolgeanstalt NERIT (Nea Elliniki Radiofonia, In-ternet kai Tileorasi, Neues Griechisches Radio, Inter-net und Fernsehen) die Arbeit auf. Auch ihr Pro-gramm beschränkt sich derzeit noch auf wenigeNachrichten- und Magazinsendungen sowie die Aus-strahlung von Filmen und Dokumentarsendungenaus Archivbeständen. Auf einem Sportkanal werdenneben den Übertragungen der Fussballweltmeister-schaft in Brasilien vor allem alte Spiele gezeigt.

Doch nicht nur die dürftige Programmausstat-tung der neuen öffentlich-rechtlichen Anstalt bietetAnlass zur Kritik an NERIT. Nur wenige hundert dervormals ERT-Angestellten haben hier wieder Brot undArbeit gefunden. Die meisten von ihnen mit befriste-ten Verträgen zu geringen Löhnen, was insbesonderedie Journalisten hinsichtlich der Inhalte ihrer Arbeiterpressbar macht. Die Hauptnachrichtensendung amAbend könnte, was die Auswahl der Themen und Aus-richtung der Kommentare angeht, jedenfalls in etwaso auch von der Pressestelle der Regierung fabriziertworden sein.

Auch die Struktur der Sendeanstalt legt Zweifelan ihrer Unabhängigkeit nahe, denn die gesamte Füh-rungsspitze von NERIT wird von einem der grie-chischen Regierung unterstehenden Gremium be-stimmt. Damit wird Vetternwirtschaft bei Stellen- undAuftragsvergabe sicher kein Riegel vorgeschoben. Da-bei war es genau die Verstrickung in Korruption undParteiinteressen gewesen, die Ministerpräsident Anto-nis Samaras vor einem Jahr als Begründung für dieSchließung der ERT angeführt hatte. Doch diese warvon eben jener Regierung zu verantworten gewesen,die sie nun anprangerte.

„Wenn die Schließung der ERT wirklich der Ret-tung unseres verschuldeten Landes gedient hätte, wä-ren wir sogar damit einverstanden gewesen“, fasst Va-gia Baladaki die Kritik am staatlichen Umgang mit derFrage nach unabhängigen Medien zusammen. Unddeswegen geht es ihr und ihren Kollegen auf der Pro-testdemonstration auch weniger um die immer nochausstehende Bezahlung der Abfindungen, sondernnach wie vor um die Wiedereinrichtung einer öffent-lich-rechtlichen Sendeanstalt, die diesen Namen auchverdient. Unterstützt werden die Widerstandleisten-den dabei von einer breiten Koalition aus den Reihender Oppositionsparteien im griechischen Parlament.„Ein Jahr danach hat sich gezeigt, dass es leicht ist, et-was zu zerstören, aber viel schwieriger, etwas Neuesund Besseres an seiner Stelle aufzubauen“, erklärte einSprecher der sozialdemokratischen DIMAR, die auf-grund der ERT Schließung vor einem Jahr aus der Re-gierungskoalition ausgestiegen war. Und der Vorsit-zende der linken und größten Oppositionspartei SY-RIZA, Alexis Tsipras, versprach im Falle einer Regie-rungsübernahme die ehemalige Sendeanstalt mit allihren Angestellten wieder in Betrieb zu nehmen. Heike Schrader, Athen n

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Ein Jahr nach dem Aus von ERT Kampf für einen neuen öffentlich-rechtlichen Sender mit Vollprogramm

Der Vorsitzende von SYRIZA,Alexis Tsipras, auf der Kundgebung am 11. Juni

Foto: Heike Schrader

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42 M 5.2014

In Ungarn startet der vor Kurzem wiedergewählte Pre-mier Viktor Orbán einen neuen Angriff auf die nochübrig gebliebenen unabhängigen Medien. Die rechts-populistische Regierungspartei Fidesz belegte Werbe-einnahmen mit einer Sonderabgabe von bis zu 40 Pro-zent. Gleichzeitig wurde der Chefredakteur von origo.hu, einer der führenden unabhängigen Nachrichten-magazine in Ungarn, entlassen. Doch auch die Prote-ste der ungarischen Journalisten werden immer lauter.

Vor dem Hauptsitz der Magyar Telekom sammeln sichDemonstranten. „Freies Land, freie Medien“, steht aufden Transparenten, und: „Keine Zensur!“. Mehreretausend Budapester sind an diesem sommerlichenPfingstmontag gekommen, um gegen den erneutenAngriff auf die Pressefreiheit zu protestieren. Sie sindStudenten, Aktivisten aus den Reihen der Zivilgesell-schaft, Intellektuelle, aber vor allem Journalisten. Sietragen Europaflaggen und schreien ihre Wut heraus.Denn diesmal geht es nicht nur um einen weiterenVersuch der rechtspopulistischen Regierung von Vik-tor Orbán, ein für alle Mal die linksliberalen Kritikerzum Schweigen zu bringen. Das einst staatseigene Tele-fonunternehmen, heute eine Tochterfirma der Deut-schen Telekom, beteiligt sich offensichtlich an derEinschränkung der freien Berichterstattung in Un-garn. „Einer der größten Internetanbieter im Landwill keinen kritischen Online-Journalismus“, ruft Ak-tivistin Réka Kinga Papp, die den Protest mit organi-sierte.

Die erste schlechte Nachricht kam Anfang Juniaus heiterem Himmel. Die Geschäftsführung desNachrichtenportals origo.hu verkündete in einer knap-pen Pressemitteilung, dass sie sich mit sofortiger Wir-kung vom Chefredakteur trennt. Origó gilt seit Jahrenals das größte Online-Magazin in Ungarn und als ei-nes der wenigen seriösen Medien, die einem überwie-gend urbanen Publikum unabhängige und oft kriti-sche Berichterstattung anbieten. Genau wie die direk-te Konkurrenz index.hu hat sich Origó vor allem durchexklusive Geschichten, interessante Hintergrundstü-cke und erfolgreiche Experimente mit Multimedia ei-nen Namen gemacht.

Große Leserschaft. Mit ihrer Unabhängigkeit undihren innovativen Formaten sicherten sich die beidenNachrichten magazine eine Leserschaft, die um einvielfaches größer ist als die der klassischen Medien. Sohatte Origó seit Jahresanfang im Durchschnitt fast580.000 einzelne Besucher jeden Tag und landete da-mit auf dem dritten Platz in der Rangliste aller Web-seiten landesweit. Index kommt mit seinen 500.000täglichen Besuchern dahinter, während die elektroni-schen Ausgaben der großen Tageszeitungen gerademal von 80–90.000 Personen am Tag besucht werden.Noch kleiner ist die Printauflage dieser Traditions -blätter: Die linke, regierungskritische Népszabadság(Volksfreiheit) verkauft täglich nur noch 48.000

Exemplare, die rechtskonservative Magyar Nemzet (DieUngarische Nation) liegt bei 38.000. Selbst Blikk, dasgrößte Boulevardblatt, erreicht mittlerweile wenigerals 150.000 Käufer jeden Tag.

Sáling, erst seit Oktober vergangenen JahresChefredakteur bei Origó, galt unter seinen Mitarbei-tern als erfahrener, professioneller Journalist, der eineVision über die Zukunft der Online-Medien hatte unddie gute Entwicklung seines Magazins weiter voran-treiben wollte. Umso größer war die Aufregung in derRedaktion, als die Nachricht eintraf, dass Sáling gehenmuss. Auf einer Sitzung mit der Geschäftsführung sei-en seitens der Redakteure „laute und unmissverständ-liche Worte“ in den Mund genommen worden, be-richten mehrere interne Quellen. Origó-Journalistensind überzeugt, dass die Eigentümerin Magyar Tele-kom Sáling entließ, weil sie ihre marktführende Posi-tion nicht riskieren wollte. Denn der Vorfall kam un-

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Ungarn: Der Fall OrigóDeutsche Telekom beteiligt sich an Einschränkung der Medienfreiheit

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mittelbar nachdem das Portal aufgedeckt hatte, dassViktor Orbáns Kanzleichef, János Lázár, in einen Spe-senskandal verwickelt ist. Der 39-jährige Politiker iststellvertretender Vorsitzender der Regierungspartei Fi-desz, er gehört zum engen Kreis des Ministerpräsiden-ten und wird sogar als dessen möglicher Nachfolgergehandelt. Als Kanzleichef koordiniert er die Geheim-dienste, die Personalpolitik und die Kommunikationinnerhalb des Kabinetts sowie etliche andere Bereiche,die Orbán in den letzten Jahren zur Chefsache erklär-te. Indessen zeigte Origós investigatives Stück deutlich,dass Lázár für seine Dienstreisen in mehrere europäi-sche Metropolen Spesen in Höhe von mehr als einerhalben Million Euro in Anspruch genommen hatte.So kostete allein ein zweitägiger Aufenthalt in Londonrund 200.000 Euro. Aus den Hotelrechnungen ist zuentnehmen, dass der Kanzleichef stets mit Begleitungeincheckte. Nachdem die Geschichte die Runde inden Medien machte, kündigte Lázár an, dass er auf dieSpesen verzichte, obwohl die Erstattung sein gutesRecht sei. Gleichzeitig weigerte er sich, weitere Detailsder Affäre zu nennen.

Druck standgehalten. Unmittelbar danach soll Lázárbeschlossen haben, „etwas gegen Origó zu unterneh-men“, berichteten ungarische Medien, die sich dabeiauf Quellen aus Regierungskreisen berufen. Origó-Re-

dakteure bestätigen, dass die Kanzlei des Ministerprä-sidenten auch in der Vergangenheit immer wiederversucht hatte, Druck auf die Geschäftsführung aus-zuüben, um unangenehme Berichterstattung zu ver-hindern. Chefredakteur Sáling soll jedoch die Andeu-tungen aus der Chefetage der Magyar Telekom weit-gehend ignoriert haben. „Wir wussten, dass es mitdem oder dem Text ein Problem gab. Aber dann pas-sierte weiter nichts“, sagt einer der Redakteure, dernicht namentlich genannt werden möchte.

Doch die Führung des größten ungarischen Tele-kommunikationskonzerns hatte mehr als einenGrund, sich ernste Sorgen zu machen. Zum einenmussten die Chefs bereits vor einigen Jahren feststel-len, dass die Werbeaufträge der öffentlichen Einrich-tungen und staatseigenen Unternehmen immer wieder an Origó vorbei gehen. Ausschreibungen vonEU-finanzierten Projekten veröffentlichen die Behör-den bis heute lieber bei der Konkurrenz, obwohl Origódie meisten Leser hat. Zum anderen war die MagyarTelekom in der letzten Zeit mehrmals in Konflikte mitder Regierung geraten. Vor drei Jahren führte das Ka-binett eine Sondersteuer auf Telekommunikations-dienstleistungen ein, die zeigen sollte, dass „nicht nurdie ungarischen Familien, sondern auch die Multis“nach der Krise an die Kasse gebeten werden müssen,wie es ständig in Orbáns Reden heißt.

Wegen Origó eine neue Eskalation zu riskieren,ging dem Unternehmen offensichtlich zu weit. Undsich ausgerechnet mit János Lázár anzulegen, galt alsbesonders gefährlich. 2013 wurden die Frequenzenfür Mobilfunkanbieter neu ausgeschrieben, die Zu-kunft von T-mobil, der lukrativen Handysparte desKonzerns, stand auf dem Spiel. Kerstin Günther, Auf-sichtsratschefin der Magyar Telekom, führte in Ab-sprache mit der deutschen Mutterfirma die Verhand-lungen. Sie erzielte eine Verlängerung des Vertrags bis2022. Ihr Gesprächspartner war niemand anderes alsLázár, der seitens der Regierung die Kommunikationmit den Telekommunikationsunternehmen verant-wortet. Der Kanzleichef überreichte der Telekom imLaufe der Verhandlungen einen Bericht, in dem auchdie „unausgeglichene Berichterstattung“ und die„linksliberale Neigung“ von Origó thematisiert waren.Spätestens damit waren die Erwartungen des Kabi-netts klar.

Hohe Sondersteuer. Parallel peitschte Fidesz im Par-lament ein neues Gesetz durch, das eine Sondersteuerauf Werbeeinnahmen einführt. Bis zu 40 Prozent desUmsatzes müssen Medien abführen. Private Fernseh-sender wie RTL Ungarn, aber auch Online-Nachrich-tenportale sind am heftigsten betroffen und könntendadurch bald in Zahlungsunfähigkeit geraten. EinenTag nach Sálings Entlassung betonte Lázár in einerPresseerklärung die guten Beziehungen mit der Magy-ar Telekom und stellte weitere gemeinsame Projektein Aussicht. Zahlreiche Origó-Redakteure kündigtenunmittelbar danach in Solidarität mit ihrem Vorge-setzten. Daraufhin verkündete Geschäftsführer MiklósVaszily eine weitgehende Umstrukturierung des Por-tals. „Origó muss sich neu orientieren und die wech-selnde Nachfrage berücksichtigen“, sagte er in einemInterview. „Die Wahlen und der politische Streit sindvorbei, jetzt haben andere Themen wie die Fußball-WM Priorität.“

Silviu Mihai, Osteuropa-Korrespondent n

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„Einer der größten Internet -anbieter im Land will keinenkritischen Online-Journalis-mus“, ruft Aktivistin RékaKinga Papp, die den Protest inBudapest mit organisierte.

Foto: László

Mudra

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BUCHTIPPS

Es ist ein schmales Bändchen, dassich mit schweren Fragen beschäftigt:Auf 76 Seiten reflektiert der Fotografund Medienwissenschaftler Felix Kol-termann über die Fotografie in Kriegs-und Krisenregionen. Wie bereitetman sich auf solche Einsätze vor? Wiewird der Berichterstatter mit der Ka-mera selbst zum Akteur? Zumindestin den Augen der Kriegsparteien, dieBerichterstatter immer offensiver an-greifen und in ihnen keine neutralenReporter mehr sehen. Was steckt hin-ter der Diskussion um „Bilderkriege”,den „Krieg der Bilder” und der „War-Porn”-Diskussion?

Koltermann behandelt Fragender Ethik ebenso wie praktische Fra-gen zum Verhalten in der Krisen -region bis hin zu Distribution undPublikation der Arbeitsergebnisse.Das Bändchen ist eine Auswahl seinerTexte aus seinem Blog „Fotografieund Konflikt”. „Über das Verhältnisvon Fotografie und Konflikt zu schrei-ben bedeutet, etwas in Worte zu fas-sen, das die Grenzen der Darstellbar-keit berührt”, resümiert Koltermannseine Erfahrungen. „Letzlich geht esimmer wieder um die zentralen The-men der Menschheit, um Fragennach Humanität und Respekt, nachNächstenliebe und Empathie.” Bilder,so der Autor, waren noch nie reineAbbilder der Realität und werden esauch nie sein. „Aber sie können,wenn sie nach bestimmten journalis-tischen Standards produziert undkontextualisiert werden, ein Fensterzur Wirklichkeit sein.” sus n

Fotografie und KonfliktAndreas Förster (Hrsg.): Geheimsache NSU: Zehn Morde, von Aufklärung keine Spur.

AutorInnen: Frank Brunner, Esther Dischereit, Hajo Funke,Manfred Gnjidic, Anton Hunger,Thomas Moser, Rainer Nübel,Thumilan Selvakumaran, Ahmet Senyurt.

Verlag: Klöpfer & Meyer, Waldachtal 2014. 315 Seiten. 22 Euro

„In der Öffentlichkeit bestehen undwachsen noch die Zweifel daran, dassdie quasi staatsoffizielle NSU-Versionauch die tatsächliche ist.” So der freieJournalist Andreas Förster im Vorwortzu dem spannenden Sammelband,der diese Zweifel mit vielen Faktennährt. In 15 flott geschriebenen Bei-trägen präsentieren zehn AutorInnenalte und neue Puzzlesteine zur rassis-tischen Mordserie des Nationalsozia-listischen Untergrunds NSU, die 2011aufflog. Sie decken Ungereimtheitenauf zu den Verbrechen der Neonazisund analysieren die Verstrickung vonVerfassungsschutz und rechtsterroris-tischen Netzwerken, die Machtlosig-keit der Untersuchungsausschüsseund den NSU-Prozess in München, indem die Nebenkläger bei der Wahr-heitssuche brillieren.

Anders die schreibende Zunft.Anton Hunger verdeutlicht am Beispieldes Heilbronner Polizistenmords, wiesich Medien von Behörden instrumen-talisieren lassen. Zum Hintergrund -gespräch bei der Bundesanwaltschaftgeladen, übernehmen die meistenJournalisten deren Zwei-Täter-Theo-rie. Sie erfüllen eine vermeintliche„Bringschuld”, um die Quelle exklu-siver Informationen nicht versiegenzu lassen. Rainer Nübel, der aufgrundseiner Recherchen die Version derBundesanwaltschaft mutig anzwei-felt, wird als „Fälscher” diskreditiert –Journalistenkollegen distanzieren sichvon ihm. Er schildert seine Betroffen-heit, Wut und Ohnmacht: „Ich schä-me mich. Auch für den Zustand mei-ner Branche.”

Dieses Buch ist ein Politthrillerund zugleich ein Lehrstück für mehrZivilcourage – in Politik und Medien. Bärbel Röben n

Geheimsache NSU

Bernd Gäbler: Bohlst du noch oder klumst du schon?Der Siegeszug des Banalen und wieman ihn durchschauen kann.

Gütersloh 2013: Gütersloher Verlagshaus. 192 Seiten, 17,99 Euro.

Felix KoltermannFotografie und Konflikt. Texte und Essays.

2014. Books on Demand Norder-stedt. 76 Seiten, 5,90 Euro.ISBN 978-3-7357-2397-0 Das Buch im Katalog der Deut-schen Nationalbibliothekhttp://www.bod.de/buch/elix-koltermann/fotografie-und-konflikt/9783735723970.html

Hohle IdoleSein Werk sei ausdrücklich kein Buch „eines Fernsehkritikers für Fern-sehkritiker”, schreibt Bernd Gäbler im Vorwort seiner Ausführungenüber TV-Phänomene wie Dieter Bohlen oder Heidi Klum. In gewisserWeise ist es das natürlich doch geworden: weil es sich vorrangig anLeser richtet, die den Erfolg der entsprechenden Formate zumindestmit Skepsis zur Kenntnis nehmen; also keineswegs bloß TV-Kritiker,sondern auch Zuschauer, die sich dafür interessieren, wie solche Sen-dungen funktionieren. Im Rahmen der detaillierten Analyse von„Deutschland sucht den Superstar”, „Germany’s Next Topmodel” oder„Berlin Tag und Nacht” geht Gäbler in seinem Buch „Bohlst Du nochoder Klumst du schon?” der Frage nach, welche Rollen die Protago-nisten als Stifter von Sinn und Gemeinschaft spielen. Er beschreibt,welches Menschenbild die Sendungen vermitteln, und widmet sichdem gesellschaftlichen Wandel, der den „Siegeszug des Banalen” über-haupt erst ermöglicht hat. Die Lektüre ist schon jetzt ein Gewinn, erstrecht aber in spätestens zehn Jahren, wenn die Formate nur noch eineFußnote der Fernsehgeschichte sein werden. tpg n

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Das ARD-Sport-Team wurde mit wei-teren Moderatorinnen und Interview-erinnen verstärkt. Jessy Wellmer(RBB), bisher u. a. Moderatorin fürden Sport im ZDF-”Morgenmagazin”,gehört jetzt zum Team der „Sport-schau” am Sonntag und führt Inter-views im Bereich Biathlon und Fuß-ball. Julia Scharf (SWR), bislangschon Moderatorin im „SportschauClub” und beim Wintersport, wirdebenfalls für die „Sportschau” amSonntag sowie als Interviewerin beiFußball-Übertragungen sowie derDTM tätig. Valeska Homburg (NDR),u. a. bereits bei Olympischen Spielenund der Fußball-WM in Südafrika fürdie ARD im Einsatz, tritt im BereichFußball und als Interviewerin imWechsel mit Julia Scharf bei der DTMin Erscheinung. Franziska Schenk(MDR), ehemalige Eisschnellläuferin,moderiert weiterhin Eisschnelllauf-und künftig auch Bob-Übertragungen.

Jochen Arntz, bisher bei der SZstellv. Ressortleiter der Seite 3, folgtals Chefredakteur der DuMont Redak-tionsgemeinschaft auf Robert vonHeusinger, der zum 1. August in den Vorstand der Mediengruppe M. DuMont Schauberg wechselt.

David Brandstätter, Geschäftsführerder Mediengruppe Main-Post sowieChefredakteur von deren Zeitungs -titeln, seit 2003 Mitglied des Aufsichts-rats der dpa und seit 2004 Leiter desRedaktionsausschusses, folgte alsVorsitzender des dpa-Aufsichtsratsauf Karlheinz Röthemeier, der zumEhrenvorsitzenden des Gremiums ernannt wurde. Stellv. Aufsichtsrats-vorsitzende sind Laurent Fischer(Bayreuth) und Valdo Lehari jr.(Reutlingen).

Ralf-Dieter Brunowsky, von 1991bis 2001 Chefredakteur des Wirt-

schaftsmagazins Capital, derzeit Kolumnist und Blogger, wurde Chef-kolumnist beim Wirtschaftskurier(Weimer Media Group). Neuer Chef vom Dienst des zweimo-natlich erscheinenden Unternehmer-blatts wurde Dr. Stefan Groß, zuletztHerausgeber und Geschäftsführer des Online-Portals tabularasamagazin.de.

Göksen Büyükbezci, bisher u. a. Lei-ter der Redaktion Dokumentationenbei Phoenix, wurde Leiter StrategischeProgrammplanung bei dem Nachrich-tensender n-tv.

Markus Feldenkirchen, bislangstellv. Leiter des Spiegel-Hauptstadt-büros, folgte als Washington-Korre-spondent auf Marc Hujer, der in dasBerliner Büro des Nachrichtenmaga-zins wechselte.

Jürgen Feldmann, in seiner lang -jährigen Tätigkeit für Hubert BurdaMedia u. a. Verlagsleiter für verschie-dene Titel und Verlagsgeschäftsführerder Playboy Deutschland PublishingGmbH, seit 2012 als Geschäftsführerder Burda Magazine Holding zustän-dig für die Bereiche M&A und strate-gische Kooperationen, verließ das Un-ternehmen.

Robert Felus, zuletzt Head of SportNewsroom bei Ringier Axel SpringerPolen, löste als Chefredakteur derpolnischen Tageszeitung Fakt, bei der er von 2003 bis 2013 stellv.Chefredakteur war, Grzegorz Jan-kowski ab.

Die Journalisten und ausgebildetenRedakteure Jan Filipzik und FlorianSchmitz geben die neue lokale Wochenzeitung Talwaerts in Wupper-tal heraus, die ohne Werbeanzeigenauskommen will.

Silke Fredrich, Chefin vom Dienst,wird stellvertretende Chefredakteurinvon Wirtschaftswoche Online.Vor ihrem Wechsel zur Wirtschafts -woche im Juli 2012 leitete Fredrichdie Onlineredaktion der WestfälischenNachrichten in Münster und des Bremer Weser-Kuriers.

Dr. Udo Grätz, beim WDR-Fernsehenbisher Abteilungsleiter der Programm-gruppe Zeitgeschehen aktuell sowiestellv. Chefredakteur Politik und Zeit-geschehen Fernsehen, folgte als Lei-ter der Programmgruppe Inland Fern-sehen auf Sonia Mikich, die Chef -redakteurin Politik und ZeitgeschehenFernsehen wurde; Graetz bleibt indieser Funktion ihr Stellvertreter.

Gruner + Jahr: Der inzwischen voll -zogene Umzug der Redaktionen vonNeon und Nido von München nachHamburg brachte personelle Verände-rungen mit sich. Die Chefredaktionder Magazine besteht aus OliverStolle, früher Textchef, dann Beraterder Chefredaktion, den beiden Stell-vertretern Anke Helle und SaschaChaimowicz, die ebenfalls schon beiNeon/Nido tätig waren, so wie Oli-ver Kucharski, der für die digitalenInhalte zuständig ist. Neue Bildchefinwurde Milena Carstens, zuvor in der

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gleichen Position beim Zeit-Magazin.Ji-Young Ahn, bisher stellv. Art-Direk-torin von Neon, rückte zur Art-Direk-torin auf. Neuer Textchef ist TobiasMoorstedt, schon seit 2011 Mitgliedder Neon-Redaktion. Judith Liere,die bisher als Pauschalistin und Ko-lumnistin für die SZ schrieb, wurdeMitglied der Redaktion. Für die Art-Direktion von Nido zeichnet KristianKutschera verantwortlich, der zuvoru. a. das Blond-Magazin mitentwik-kelte. Redakteur wurde DanielRamm, zuletzt frei für View tätig. David Schumacher, früher Leiter der Wochenendbeilage Weekend und des Magazins How to spend itder Financial Times Deutschland,schreibt als freier Autor für Nido.Auch Susanne Lang, zuvor Ressort-leiterin tazzwei bei der taz, zuletzt bei der Wochenzeitung Freitag zu-ständig für besondere Aufgaben, wird ab September als freie Autorinfür Nido wirken.

Volker ter Haseborg, zuletzt Chef -reporter des Hamburger Abendblatts,wird zum 1. August Chefreporter beidem neuen Wirtschaftstitel Bilanz(Axel Springer SE). Sophie Crocoll,bisher im Wirtschaftsressort der SZsowie für die Zeit und Zeit Campustätig, und Stephan Knieps, bislangfreier Journalist (Financial TimesDeutschland, Capital, Spiegel Online,Sueddeutsche.de), verstärkten eben-falls das Redaktionsteam von Bilanz.

Philipp Jessen, Ressortleiter Unter-haltung und stellv. Chefredakteur beider Illustrierten Gala, übernahm zu-sätzlich die Redaktionsleitung vonGala Digital. Sein Vorgänger in dieserPosition, Gregor Poniewasz, wech-selte als stellv. Leiter der Digital Unitzum DPV Deutscher Pressevertrieb.

Margot Käßmann, früher Bischöfinund Ratsvorsitzende der Evangeli-schen Kirche in Deutschland, derzeit„Botschafterin für das Reformations-jubiläum 2017”, schreibt neuerdingseine Kolumne für Bild am Sonntag.

Andreas Kemper, bisher Chef vomDienst sowie Leitender Redakteur beider Main-Post und als Mitglied derChefredaktion des MedienhausesMain-Post vor allem für die Lokal -ausgaben der Zeitung zuständig,übernahm zusätzlich die Chefredak -tion der neu gegründeten Main-PostDigitale Medien GmbH. Den BereichLokales in der Chefredaktion desBlatts verantwortet künftig HelmutHickel.

Beim Sportmagazin kicker (Olympia-Verlag) entstand durch die Vernet-zung von Print- und Digitalredaktioneine neue Personalstruktur. Jörg Jakob, bisher stellv. Chefredak-teur, fungiert als Leiter Gesamt undstellt damit die Spitze der Chefredak-tion dar, ohne ein „klassischer Chef-redakteur” zu sein. Alexander Wag-ner, bislang Leiter der Online-Redak-tion, ist künftig als Mitglied der Chef-redaktion operativ für die digitalenInhalte zuständig. Die Print-Objektebetreut der bisherige ChefredakteurJean-Julien Beer; der bisherige Co-Chefredakteur Klaus Smentek ist fürdas Koopera tionsgeschäft zuständig.Rainer Franz ke, bislang stellv. Chef-redakteur, verantwortet geschäftsfüh-rend u. a. den personellen Auf- undUmbau sowie die Führung der Repor-ter-Netzwerke.

Martin-Sebastian Kreplin, früherRedakteur für Test & Technik bei derSegelzeitschrift Yacht, zuletzt selb-ständiger Journalist und Fotograf,wurde Chefredakteur des neuen vier-teljährlichen Reisemagazins Explorer(Wieland Verlag).

Martin Kunz, derzeit geschäftsfüh-render Direktor der Akademie derBayerischen Presse, früher langjähri-ger Ressortleiter Forschung, Technik &Medizin beim Magazin Focus sowieWissenschaftsautor u. a. für die SZund die Welt am Sonntag, folgt zum1. Oktober als neuer Chefredakteurdes Club-Magazins ADAC Motorweltauf Michael Ramstetter, der aufGrund des Manipulationsskandalsbeim ADAC gehen musste.

Christian Nienaber, bisher Vice Pre-sident Video on Demand & Video Pro-duction bei RTL interactive, übernahmdie neu geschaffene Position des Di-rektor Digital bei RTL II, zuständig fürdie digitalen Bereiche Online, Mobile,Smart TV und Social Media.

Günther Nonnenmacher, bisher beider FAZ der für Außenpolitik zustän-dige Herausgeber, verschob auf Bittedes Herausgebergremiums den fürden 30. Juni avisierten Eintritt in denRuhestand und übernahm nach FrankSchirrmachers Tod übergangsweisedessen Funktion als Feuilleton-Her-ausgeber.

Charlotte Parnack leitet ab 1. Au-gust das Ressort Zeit:Hamburg, dieLokalausgabe der Wochenzeitung, allein; der bisherige Co-Leiter PeerTeuwsen wechselt als Leiter publizi-

stische Projekte zur Neuen ZürcherZeitung.

Die Journalistin Maike Rademakerist neue DGB-Pressesprecherin undLeiterin der Abteilung Kommunikati-on und Öffentlichkeitsarbeit. Sie warRedakteurin der Financial TimesDeutschland bis zu deren Einstellung.Danach arbeitete sie als freie Journa-listin und Moderatorin. Sie folgt aufSigrid Wolff, die seit 2009 die Abtei-lung geleitet hat. Sigrid Wolff über-nimmt mit sofortiger Wirkung den Be-reich Kampagnenmanagement beimDGB und arbeitet im Vorstandsbe-reich des DGB-Vorsitzenden.

Martin Reckweg, derzeit trimedialerChefredakteur von Radio Bremen,wird im Herbst zu NDR 1 Niedersach-sen wechseln, wo er Anfang nächstenJahres die Leitung einer neuen Re-daktion übernimmt, in der die Berei-

che Aktuell, Magazine und Sport zu-sammengelegt werden.

Volker Resing, derzeit Redakteur imHauptstadtbüro der KatholischenNachrichten-Agentur (KNA), folgtzum 1. Oktober als Chefredakteur desmonatlichen Fachmagazins HerderKorrespondenz (Herder Verlag) auf Dr.Ulrich Ruh.

Michaela Roemkens, zuletzt stellv.Chefredakteurin des Fachmagazinsoutdoor.markt (Jahr Top Special Verlag),folgte als Chefredakteurin auf Andre-as Mayer, der den Verlag verließ.

Anja Rützel, früher Redakteurin undKolumnistin der Financial TimesDeutschland, hatte zusammen mitNikolaus Röttger für G+J das Busi-ness-Lifestyle-Magazin “BusinessPunk” entwickelt. Zuletzt war sie alsfreie Autorin (Spiegel Online, Impulse,

46 M 5.2014

LEUTE

«M – Menschen Machen Medien»Medienpolitische ver.di-Zeitschrift, erscheint acht Mal im Jahr

Herausgeber: Fachbereich 8 (Medien,Kunst, Industrie), Bundesvorstand: Frank Bsirske / Frank Werneke

Redaktion: Karin Wenk (verantwortlich),Telefon 030 / 69 56 23 26Anschrift: ver.di Bundesverwaltung / Karin Wenk, Re daktion M, Paula-Thiede-Ufer 10, 10179 Berlin, Fax: 030 / 69 56 36 76E-Mail: [email protected] Für unverlangt eingesandte Artikel undBilder übernimmt die Redaktion keineVerantwortung. Gezeichnete Beiträgestimmen nicht immer mit der Meinungder Redaktion überein.

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Jahresabonnement:36,– € einschließlich Versandkosten.Abonnementsverwaltung:Verlagsgesellschaft W.E. WeinmannmbH, Postfach 1207, 70773 Filderstadt, Telefon 0711 / 700 15 30. Fax: –10E-Mail: [email protected]

Für Mitglieder der Medien-Fachgruppenist die Bezugsgebühr im Mitgliedsbeitragenthalten. ver.di-Mitglieder aus anderenFach gruppen zahlen 18 € – eine geson-derte Bestellung ist notwendig.

Weitere Publikationen:„Kunst & Kultur“ verantwortlich: Burkhard BaltzerTel. 030 / 69 56 – 10 60„Druck + Papier“ verantwortlich: Helma Nehrlich Tel: 030 / 613 09 664

Redaktionsschluss: M 5.2014: 20.06.2014M 6.2014: 15.08.2014ISSN-Nr.: 09 46 – 11 32

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Geo Spezial) tätig. Nun wurde sie Editor-at-Large bei dem Magazin Wi-red (Condé Nast Verlag) und ist unteranderem für große Reportagen zu-ständig.

Wulf Schmiese, seit 2010 Moderatordes ZDF-„Morgenmagazins”, zuvorParlamentsreporter für die FAZ unddie FAS, wird zum 1. SeptemberHauptstadtkorrespondent des Senders.

Der Regisseur Jan Schütte, seit 2010Leiter der Deutschen Film- und Fern-sehakademie in Berlin (DFFB), wirdzum 1. Oktober Dekan am AFI-Con-servatory, der Filmschule des Ameri-can Film Institute in Los Angeles.

Hermann-Josef Tenhagen, lang -jähriger Chefredakteur der ZeitschriftFinanztest, verlässt die Stiftung Wa-rentest zum 1. September und wirdGeschäftsführer sowie Chefredakteur

eines Start-ups für Finanzinformatio-nen im Internet: „Finanztip” ist einNon-Profit-Projekt der beiden Inter-hyp-Gründer Robert Haselsteinerund Marcus Wolsdorf.

Georg Thanscheidt, bisher Ressort-leiter Aktuelles und stellv. Chefredak-teur der Münchner Abendzeitung,wurde Textchef beim People-MagazinBunte (Hubert Burda Media).

Janko Tietz, bislang in der Wirt-schaftsredaktion der Printausgabedes Spiegel tätig, wechselt in dasTeam der Chefs vom Dienst bei Spiegel Online.

Robert Weber, bisher bei dem Indu-strie-Magazin MM MaschinenMarktzuständig für die Themengebiete In-dustrial Energy und Karriere sowiedas Online- und Eventgeschäft, wur-de stellv. Chefredakteur bei dem

Fachmedium Elektrotechnik – DasAutomatisierungsmagazin (VogelBusiness Media).

Wechsel bei WDR-Studios: TilmanRauh, zuvor stellv. Studioleiter in Bielefeld, folgte als Leiter des BonnerStudios auf Georg Kellermann, derdie Leitung des WDR-Studios in Duis-burg übernahm. Dessen bisheriger

Leiter Klaus Beck wurde stellv. Leiterdes Studios Bielefeld.

Anne Zuber, der seit 2012 gemein-sam mit Creative Director ThomasNiederste-Werbeck die Redaktions-leitung für dasMagazin Häuser (G+J)oblag, wurde Chefredakteurin des Titels; sie bleibt weiterhin stellv. Chef-redakteurin von Schöner Wohnen.

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Veranstaltungen / Seminare für Selbstständige und Freie in HamburgAnmeldung NUR ONLINE: freie.hamburg.verdi.de/veranstaltungen

Die Teilnahme ist kostenlos. Gewerkschaftshaus, Besenbinderhof 60, Ebene 9, Raum St. Georg

Kredite und Fördermöglichkeiten für Selbstständige und Existenzgründer 27. August 2014, 17 – 19.15 Uhr

Welche Möglichkeiten gibt es, günstige Kredite und öffentliche Fördermöglichkeiten zu erhalten? Vom Umgang mit der Hausbankbei der Verhandlung von Krediten. Referentin: Martina Oesterer, Förderlotsin Hamburgische Investitions- undFörderbankModeration: Annette Noll, Beratung Training Coaching

Selbsthilfe für Selbstständige – mediafon effektiv nutzen 17. September 2014, 19 – 21 Uhr

Vorsorge planen, Forderungen durchsetzen, das Geschäft organisieren – bei ungeklärten Fragen schnell handlungsfähig werden mit mediafon.Referent: Rüdiger Lühr, freier Journalist und mediafon-BeraterModeration: Holger Ahrens, SocialMedia-Berater und Trainer für GoogleApps

Die Kunst der Freude am Akquirieren und der Resilienz, wenn es nicht gleich klappt 7. Oktober 2014, 19 – 21.15 Uhr

Warum missmutig an die Akquise gehen, wenn es auch leicht und beschwingt geht? Besser: mit veränderter Perspektive dem Gesprächbegegnen. Stimmt die innere Haltung und Position zu meinen Kunden und zum Geldverdienen? Wie diese Haltung beeinflussen?Folgen für die Arbeitsorganisation? Ein auftragsfördernder Mit-mach-Abend bei ver.di.Referentin: Olga Masur, Journalistin, Mediatorin und HeilerinModeration: Annette Noll, Beratung Training Coaching

Seminare für Selbstständige in Berlin Anmeldung: [email protected],

ver.di Berlin-Brandenburg, FB 8,Köpenicker Str. 30, 10179 Berlin, Tel: 030/88664106, Gebühren: Mitglieder 13 €, Nichtmitglieder 60 €www.dju-berlinbb.de/ unter Service / Übersicht

Selbstvermarktung freier journalistischer Arbeit 26. August 2014, 9.30 – 16.30 Uhr, ver.di Landesbezirk Köpenicker Str. 30, 10179 Berlin, Raum 3.12.

Das Seminar soll größere Sicherheit bei der Erschließung des Medienmarktes und der Vermarktung journalistischer Leistungen vermittelnsowie in der Praxis anwendbare Beispiele für die Selbstvermarktung zurDiskussion stellen. Kontaktaufbau, Marktbeobachtung und -erschließung,Honorare, Marktpreise, Informationsbeschaffung, Mehrfachverwertung,Marktvorteile durch Gemeinschaftsgründungen.Referenten: Andreas Ulrich, Journalist/Moderator u.a. rbb, Bernd Hubatschek, MKK Consult.

Existenzgründung für Journalisten, Medienberufler und Künstler Termin: 7.10., 9.30 – 16.30 Uhr, ver.di Landesbezirk, Köpenicker Str. 30, 10179 Berlin, Raum 3.12.

Im Seminar werden Kenntnisse zu den Rahmenbedingungen der freiberufli-chen Existenz in Medien- und künstlerischen Berufen vermittelt. Für bereitserfolgte Gründungen kann das Seminar zur Überprüfung der getroffenenEntscheidung dienen. Schwerpunkte: Existenzgründung aus der Arbeitslo-sigkeit, Förderungsmöglichkeiten (z.B. Gründungszuschuss, Einstiegsgeld),Anmeldeformalia, soziale Absicherung für Freie (Künstlersozialkasse) be-triebswirtschaftliche und steuer liche Aspekte, Gemeinschaftsgründungen.Referent: Bernd Hubatschek, MKK Consult.

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