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Vierteljahrsschrift der Naturforschenden Gesellscha ft in Zürich (1995) 140/1: 35-41 InicktEoliskrankheiten im Waetd I: Molekulare y perkte der Pathogenese' Martin Krause, Zürich Zusammenfassung Ein kurzer medizinhistorischer Abriss der Geschichte der Infektionslehre, der Krankheitsprävention und der «goldenen Zeit der Antibiotika» leitet über zu den modernen Problemen der Infektiologie. Antibiotika- Resistenz und das Auftreten alter und neuer InfektioHs- krankheiten zeigen, dass Forschung in der Infektiologie und medizinischen Mikrobiologie immer noch notwen- dig ist. Längere Zeit wurde die Erforschung der patho- genen Keime zugunsten der Forschung über das Wirts- Immunsystem und seine Signalstoffe vernachlässigt. Heute ist man sich wieder bewusst, dass die Mikrobe bei der Infektion und dem Krankheitsgeschehen eine ebenso wichtige Rolle spielt wie der Wirt und sein Immunsystem. Die Begriffe der Pathogenität und Viru- lenz der Keime werden diskutie rt . Der Haup tteil der Arbeit ist denn auch der Virulenz und ihren molekula- ren Aspekten gewidmet. Als Stichwörter seien erwähnt: Virulenzgene beim Choleraerreger und das Cholerato- xin mit seiner verheerenden Wirkung; Salmonellen und die Regelung ihrer Virulenzgene durch Signale sowie molekulare Mechanismen; das Pestbakterium und sei- ne genetischen Anpassungsmechanismen an die wech- selnden Temperaturen bei den Ratte – Rattenfloh – Mensch-Wirtswechseln. Infectious diseases on the way: Molecular aspects of pathogenesis First a brief account on the history of infectious disease and the successful therapy by means of prevention and antibiotics is given. The growing problems caused by developing microbial resistance to antibiotics and the appearance of new infectious diseases as well as the reappearance of «old» infections require further intensive research. Over a long time the study of the pathogens was neglected in favour of the research on the immune system of the host and its signal substances. Today it is accepted that during infection the microbe is at least as important as the host and its defense lines. The terms «pathogenicity» and «virulence of the infec- ting agent» are discussed. Special attention is drawn to the pathogenesis of Vibrio cholerae (cholera toxin) with its disastrous effects, to salmonellae and the regulation of their virulence genes, and of Yersinia pestis with its adaptive mechanisms in response to the changing tem- peratures in the rat, in the rat flea, and in humans. 1 EINLEITUNG Die spektakulärsten WaHdlungen iH der MediziHgeschichte habeH wohl die InfektionskraHkheiteH erfahren. Im Altertum wareH aHsteckeHde KrankheiteH für den MenscheH mit ge- heimnisvollen und übernatürlicheH KräfteH behaftet. Am häufigsteH wurden giftige AusdünstungeH des Bodens (Mi- asmeH) und böse Geister iH der Luft für epidemisches LeideH und Sterben verantwortlich gemacht. EiH erster grosser Durchbruch uHd der Startschuss zur Lehre der InfektionskrankheiteH als naturwisseHschaftliche Disziplin war die Entdeckung, dass ansteckende KraDkheiten von SeideHraupen durch wiHzig kleine Lebewesen verur- sacht werdeH (BASSI, 1835; PASTEUR, 1870). Beide AutoreH verwarfeH die Miasmatheorie; sie waren sich klar darüber, dass auch für die verheereHden Seuchen voH MeHsch und HaustiereH nicht giftige Dämpfe in der Luft, soHdern im Mikroskop sichtbare KleinstorgaHismen verantwortlich sei- eH. Wie fast immer iH der Geschichte der Medizin stiess die neue IHfektioHslehre aber nicht nur auf Bewunderung, son- dern auch auf Skepsis und WiderstaHd. Es brauchte mehrere 1 Nach der Antrittsvorlesung vom 10. Dezember 1994 an der Medizinischen Fakultät der Universität Zürich 35

InicktEoliskrankheiten im Waetd I: Molekulare yperkte der ... · adaptive mechanisms in response to the changing tem-peratures in the rat, in the rat flea, and in humans. 1 EINLEITUNG

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Vierteljahrsschrift der Naturforschenden Gesellscha ft in Zürich (1995) 140/1: 35-41

InicktEoliskrankheiten im Waetd I: Molekulareyperkte der Pathogenese'

Martin Krause, Zürich

Zusammenfassung

Ein kurzer medizinhistorischer Abriss der Geschichte

der Infektionslehre, der Krankheitsprävention und der

«goldenen Zeit der Antibiotika» leitet über zu den

modernen Problemen der Infektiologie. Antibiotika-

Resistenz und das Auftreten alter und neuer InfektioHs-

krankheiten zeigen, dass Forschung in der Infektiologie

und medizinischen Mikrobiologie immer noch notwen-

dig ist. Längere Zeit wurde die Erforschung der patho-

genen Keime zugunsten der Forschung über das Wirts-

Immunsystem und seine Signalstoffe vernachlässigt.

Heute ist man sich wieder bewusst, dass die Mikrobe

bei der Infektion und dem Krankheitsgeschehen eine

ebenso wichtige Rolle spielt wie der Wirt und sein

Immunsystem. Die Begriffe der Pathogenität und Viru-

lenz der Keime werden diskutie rt. Der Hauptteil der

Arbeit ist denn auch der Virulenz und ihren molekula-

ren Aspekten gewidmet. Als Stichwörter seien erwähnt:

Virulenzgene beim Choleraerreger und das Cholerato-

xin mit seiner verheerenden Wirkung; Salmonellen und

die Regelung ihrer Virulenzgene durch Signale sowie

molekulare Mechanismen; das Pestbakterium und sei-

ne genetischen Anpassungsmechanismen an die wech-

selnden Temperaturen bei den Ratte – Rattenfloh –Mensch-Wirtswechseln.

Infectious diseases on the way: Molecular

aspects of pathogenesis

First a brief account on the history of infectious diseaseand the successful therapy by means of prevention andantibiotics is given. The growing problems caused bydeveloping microbial resistance to antibiotics and theappearance of new infectious diseases as well asthe reappearance of «old» infections require furtherintensive research. Over a long time the study of thepathogens was neglected in favour of the research onthe immune system of the host and its signal substances.Today it is accepted that during infection the microbeis at least as important as the host and its defense lines.The terms «pathogenicity» and «virulence of the infec-ting agent» are discussed. Special attention is drawn tothe pathogenesis of Vibrio cholerae (cholera toxin) withits disastrous effects, to salmonellae and the regulationof their virulence genes, and of Yersinia pestis with itsadaptive mechanisms in response to the changing tem-peratures in the rat, in the rat flea, and in humans.

1 EINLEITUNG

Die spektakulärsten WaHdlungen iH der MediziHgeschichtehabeH wohl die InfektionskraHkheiteH erfahren. Im AltertumwareH aHsteckeHde KrankheiteH für den MenscheH mit ge-heimnisvollen und übernatürlicheH KräfteH behaftet. AmhäufigsteH wurden giftige AusdünstungeH des Bodens (Mi-asmeH) und böse Geister iH der Luft für epidemisches LeideHund Sterben verantwortlich gemacht.

EiH erster grosser Durchbruch uHd der Startschuss zurLehre der InfektionskrankheiteH als naturwisseHschaftliche

Disziplin war die Entdeckung, dass ansteckende KraDkheitenvon SeideHraupen durch wiHzig kleine Lebewesen verur-sacht werdeH (BASSI, 1835; PASTEUR, 1870). Beide AutoreHverwarfeH die Miasmatheorie; sie waren sich klar darüber,dass auch für die verheereHden Seuchen voH MeHsch undHaustiereH nicht giftige Dämpfe in der Luft, soHdern imMikroskop sichtbare KleinstorgaHismen verantwortlich sei-eH. Wie fast immer iH der Geschichte der Medizin stiess dieneue IHfektioHslehre aber nicht nur auf Bewunderung, son-dern auch auf Skepsis und WiderstaHd. Es brauchte mehrere

1 Nach der Antrittsvorlesung vom 10. Dezember 1994 an der Medizinischen Fakultät der Universität Zürich

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Martin Krause

Jahrzehnte, bis sie in der Medizinerwelt allgemein akzeptie rtwar.

Die Identifikation von Mikroben als Ursache von Krank-heiten hatte spektakuläre Konsequenzen. Hygienische Mass-nahmen wie einfaches Händewaschen mit Seife, Verbesse-rungeD bei der Wasserversorgung und der Kanalisation derAbwässer in Städten hatten grosse Auswirkungen auf dasSeuchengeschehen. In den Spitälern führten einfache hygie-nische Massnahmen wie saubere Nagelpflege und sorgfälti-ges Händewaschen vor einer Entbindung im Kreiss-Saal zueiner drastischen Senkung der so sehr gefürchteten und ofttödlich verlaufenden Infektionen im Wochenbett. Auch dasKochen von chirurgischen Instrumenten vor Operationenund das Sterilisieren von Verbandsmaterial reduzierten dieInfektionshäufigkeit nach chirurgischen Eingriffen in ein-drücklicher Weise.

Mit der Identifikation krankmachender (pathogener) B ak-terien begann eine intensive Suche nach Substanzen, welchegegen die Mikroorganismen gerichtet waren. Mit der Entdek-kung des Penicillins (1928) und der SulfoHamide (1935)begann die goldene Zeit der Antibiotika und der Chemothe-rapie.

Wie wir heute wissen, war seine Prognose allerdings nichtganz richtig. Das Interesse aH den Mikroben erwachte in deD70er und 80er Jahren erneut, weil unübersehbar wurde, dassAntibiotika allmählich ihre hemmende Wirkung auf bakte-rielles Wachstum verloren, ein Phänomen, das als Resistenzbezeichnet wurde. Man hatte die Anpassungsfähigkeit derMikroben uHterschätzt.

Bei den BakterieH ist Resistenz in den Genen des Bakte-riums programmiert. Die Resistenzgene bilden die Matrixvon Proteinen, welche Antibiotikawirkungen auf verschie-denste Weise neutralisieren können. Vielfach sind die Resi-stenzgene zudem nicht im Hauptchromosom des Bakteriumslokalisiert , sonderH in viel kleineren ringförmigen Plasmiden(Nebenchromosomen). Plasmide sind mobile Elemente, dieleicht genetisches Material von einer Bakterienzelle auf eiDeandere übertragen, wobei diese nicht einmal unbedingt zurgleichen Art gehören muss. Plasmide mit einem Resistenz-gen gegen ein Antibiotikum können daher zu einer raschenVerbreitung einer Antibiotikumresistenz führen. Bei gewis-sen BakterieHarten sind diese ResistenzeHtwicklungen äus-serst besorgniserregend. In gewissen Fachkreisen reden diePessimisten bereits heute von der «post-antibiotischen» Zeit.

2 CHEMOTHERAPIE UND RESISTENZ

Die Besonderheit der Antibiotika uHd Chemotherapeutikaliegt in ihrer selektiven Toxizität, was bedeutet, dass siespezifisch gegen Bakterien wirken, ohne dem Wirt, der dasBakterium beherbergt, grösseren Schaden zuzufügen. DieAntibiotika revolutionierten die Therapie vieler InfektioHs-krankheiten. Sie eröffneteD eine neue Dimension, welche dieIHfektionsprophylaxe in den Schatten stellte. So erfuhrenbeispielsweise die Prinzipien der Tuberkulosebehandlungdrastische ÄnderuHgen. Die moDatelange Bettruhe in Sana-torien iH der Höhe wurde abgelöst durch Medikamente wieStreptomycin uDd Isoniazid, zu denen später Rifampicin undaHdere SubstaDzen wie Ethambutol uHd Pyrazinamid kamen.Heutzutage ist die ambulante TuberkulosebehaHdlung mitKombinationspräparaten Routine geworden.

Die Antibiotika-Ära der 50er und 60er Jahre hatte dieMedizinerwelt zu einem gewissen Desinteresse an der Erre-gerwelt verleitet. Mit den Antibiotika hatte der Arzt eiHenSieg über die Bakterienwelt errungeH. Man glaubte so sehrin einer «Nach-MikrobeH-Epoche» zu leben, dass ein damalseinflussreicher Nobelpreisträger behauptete, es sei eine Zeit-verschwendung, sich noch weiter für den Typhus oder dieRuhr zu interessieren.

3 RÜCKSCHLÄGE, ALTE UND NEUE PROBLEME

Doch die Resistenzprobleme bei bakteriellen Infekten siHdes Dicht allein, die uDs motivieren, wieder mehr Interesse fürdie mikrobiologische Welt zu zeigen. Ernüchternd ist dieTatsache, dass weltweit InfektionskraHkheiten immer nochzu deH häufigsten Todesursachen zählen. Heute beschäftigenuns deshalb neue Infektionskrankheiten uHd alte infektio-logische Probleme weiterhin intensiv. Cholera und Pest sindimmer noch ernsthafte Bedrohungen. Auch die Tuberkulosewird wieder gehäuft – auch in der Schweiz – bei jungenMenschen diagnostiziert.

UHsere industrialisierte Welt schützt uns auch keineswegsvor Epidemien, wie die KryptosporidieH-Epidemie 1993 imamerikanischeH Milwaukee demonstriert hat. Kryptospori-dien sind Einzeller, die am Darmepithel kleben und beacht-liche Durchfälle verursachen können. In Milwaukee gelang-ten Kryptosporidien iH die Wasserversorgung, was zur Infek-tion bei über 400 000 PersoneH führte (MACKENZlE et al.,1994).

Neben solch lokalen Epidemien erschüttert die Epidemiedes Human Immunodeficiency Virus (HIV) die Menschheitweltweit. In der Schweiz ist AIDS die zweithäufigste Todes-ursache bei Frauen uHd Männern zwischen 25 uHd 45 Jahren.

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Infektionskrankheiten im Wandel: Molekulare Aspekte der Pathogenese

Auch die moderneH Behandlungen von Leukämien undanderen Krebsleiden konfrontieren uns mit neuen infektiolo-gischen Aufgaben. Die erwünschte WirkuHg der Medika-mente, nämlich die bösartigen ZelleH zu vernichten, wirderkauft mit einer profunden Schwächung unseres Immunsy-stems. Diese Schwächung provoziert ungewohnte Virus-und Pilzerkrankungen, die manchmal kaum zu behandelnsind.

4 PATHOGENITAT

Es ist wichtig zu verstehen, dass Antibiotika bei Infektionenerst dann zum Einsatz gelangen, wenn bereits viele Ereignis-se höchst komplexer Interaktionen zwischen dem eindrin-genden Mikro- und dem befallenen Makroorganismus statt-gefunden haben. Das Verständnis der Pathogenese (Krank-heitsentstehung) und die Kenntnis der Epidemiologie bildendie Voraussetzung für die Einleitung einer sinnvollen undwirkungsvollen Kranheitsverhinderung. Dazu aber ist es not-wendig, nicht nur das komplexe Immunsystem des Men-schen, soHdern auch die fuHdamentale Biologie der pathoge-nen Keime zu kennen. Im Eifer der Erforschung neuermenschlicher Abwehrzellen und Abwehrmechanismen hattemaH vorübergehend den Mikroorganismus, das primum mo-vens der Infektion, vernachlässigt.

Beim Begriff des pathogenen Keims beginHen allerdingsbereits die ersten Schwierigkeiten. Die Frage nach der Pa-thogenität oder krankmachenden Potenz eines Mikroorganis-mus bzw. die Frage, ob er wirklich krank macht oder lediglichein harmloser Schmarotzer ist, kaHn m anchmal nicht ohneweiteres beantwortet werden. Als Beispiel sei der Mundsoorbetrachtet. In unserer Mundhöhle tragen wir alle Candida-Pilze, die uHs in keiner Weise Symptome bereiten. Derscheinbar harmlose Pilz macht uns aber plötzlich dannSchwierigkeiten, wenn die Bakterien-Flora, die normaler-weise zusammeH mit dem Pilz unsere Mundschleimhautbesiedelt, mit Antibiotika dezimiert wird. Bei fehlender Bak-terien-KoHkurrenz vermehrt sich Candida ungehemmt undverHrsacht eine schwere Mundhöhleninfektion. Diese Meta-morphose eines harmlosen Kolonisten zum üblen Schädlingbeschäftigt uns im klinischen Alltag immer wieder.

Bereits Robert Koch, der Entdecker der Erreger von Milz-brand, Tuberkulose und Cholera, hatte dieses grundsätzlicheProblem erkannt. Er forderte deshalb, dass nur dann voneinem pathogenen Keim gesprochen werden dürfe, wenndieser, nach IsolatioH aus einem erkrankten Individuum, ineinem gesunden Empfänger dieselbe KraHkheit verursache.Wie ernst dieses Kochsche Postulat auch heute noch geHom-

men wird, demonstrierten MARSHALL & WARREN (1984) inAustralien. Warren hatte im Magen von Patienten mit Ma-gengeschwüren ein Bakterium namens Helicobacter pylorientdeckt. Die beiden stellten die revolutionäre Hypotheseauf, dass H. pylori Magen- und Zwölffingerdarm-Geschwüreverursache, was nicht nur in den Kreisen der Magen-Darm-Spezialisten zu gewissen Bedenken Anlass gab. Es schiendoch sehr unwahrscheinlich, dass Bakterien im sauren Ma-gensaft länger überleben oder gar aktiv eine Infektion verur-sachen könnten. Um dem Kochschen Postulat gerecht zuwerden, trank Marshall selbst einen Becher voll trübes He-licobacter-Konzentrat, welches zuvor von einem anderenPatienten mit Magengeschwür isoliert worden war. EineWoche später entwickelte er Bauchweh, Übelkeit und Erbre-chen. Bei der Magenspiegelung, die vor dem Versuch einennormalen Befund ergab, konnte er im Endoskop das «ersehn-te» Geschwür selbst bewundern, welches H. pylori enthielt.Heute bestehen kaum noch Zweifel dar an , dass die Ulkus-krankheit Folge einer Infektion ist. Die durchschlagendenErfolge von Antibiotikabehandlungen sprechen überzeugendfür die Pathogenität von H. pylori.

5 VIRULENZ

5.1 AllgemeinesPathogene Mikroorganismen weisen unterschiedliche Vim-lenz auf. Mit Virulenz bezeichnet man die Intensität derkrankmachenden Potenz eines Pathogens. Vereinfacht lässtsich sagen, dass Keime mit hoher Virulenz heftige SymptomeauslöseH, Keime mit niedriger Virulenz aber nur wenig krankmachen. Eine beeindruckende Demons tration höchster Vim-lenz beobachten wir seit einigeH Jahren bei der nekrotisie-renden Faszitis. Es handelt sich um Infektionen mit gewis-sen Streptokokken, die bei meist jungen, vorher gesuHdenMenschen verstümmelnde Schäden aHrichten. Die Strepto-kokken dringen durch kleiHe Hautverletzungen in die Mus-kellogen ein, wo sie sich entlaHg der Faszien 2 schnell ausbrei-ten und dabei viel Gewebe zerstören. Obwohl solide epide-miologische Daten noch fehlen, scheint diese ungewöhnlichhohe Virulenz der Streptokokken neu zu sein.

Auch Virulenz wird – wie ResisteHz – in den Genen derBakterien programmiert. Ein normales Allel eines Virulenz-gens produziert durch Transkription und Translation ein Vi-rulenz-Protein, das im infizierten Wirt eiHe krankmachendeReaktion bewirkt. Verändert man ein solches Virulenzgen

Faszie: Bindegewebshaut, welche einen Muskel umhüllt

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WasserElektrolyte

Martin Krause

durch MutatioH, entsteht ein veräHde rtes Protein, das Hichtmehr die ursprüngliche Struktur besitzt. Die ViruleHz diesesBakteriums kann deshalb verändert sein. Wir wolleH anHeh-men, bei der MutaHte fehle die krankmacheHde Wirkung imWirt oder sie sei verminde rt. Führt man nuH das normale GeHauf eiHem Plasmid wieder iH die Mutante ein, kehrt die volleVirulenz des Bakteriums zurück. Diese gewissermasseH mo-

lekulare Version des Kochschen Postulates gehört zu dengrundlegenden PriHzipien der heutigeH Virulenzforschung(FALKOw, 1988).

5.2 Cholera-Bakterium: Virulenz durch Toxinbil-dung

Das wichtigste Virulenzgen des Vibrio cholerae program-miert das bekaHnte Choleratoxin, das seine verheereHde Wir-kung im Dünndarm ausübt. Hauptsymptome sind stürmi-sche, nicht-blutige, wässerige Durchfälle mit Erbrechen ohneFieber. Bis zu zehn Liter Flüssigkeit gehen pro Tag verloreH,mit der Folge, dass die PatienteH rasch lebensbedrohlichaustrocknen und buchstäblich verdursten.

Die CholerabakterieH im Darm der Betroffenen besitzenauf dem Chromosom zwei nebeneinanderliegende Gene Aund B, welche die InformatioH für ein sechsteiliges ProteiHeHthalten (Abb. 1). Dieses besteht aus einer A-UntereiHheit(oval, duDkel) und fünf ideHtischeH B-UntereinheiteH (ruHd,grau). Die B-EiHheiten Dehmen Kontakt mit der Dünndarm-Zelloberfläche auf und schleusen die A-UHtereinheit ins Zell-innere (RiBm et al., 1988). Diese A-Komponente ist die aktiv-schädigende Substanz. Über komplexe, hier nicht dargestell-te Reaktionen mit Veränderungen von G-Proteinen 3 und Mit-wirkung von zyklischem AMP (cAMP) beginnt die Dünn-darmzelle nun reichlich Wasser und Elektrolyte ins Darmlu-men zu pumpeH. – Man beachte, dass diese oft tödlicheKrankheit entsteht, ohne dass das auslösende Bakteriumdurch die SchleimhautbarriereH des Darmes dringt.

Eine ganze Reihe von Bakterien prodHzieren Toxine vomoben beschriebeneH A-B-Typ. Zu ihneH gehören nebst demCholera-Erreger die Erreger der Diphterie, des Tetanus, derRuhr, des Keuchhustens und des Milzbr andes. Bei Diphterieund Tetanus sind es ausschliesslich diese ToxiDe, welche demMeHschen Schaden zufügen. Diese ErkenntHis füh rte dazu,dass heute Impfungen nur noch gegen diese Proteine durch-geführt werden. Der Besitz von Antikörpern gegen dieseToxine allein genügt, um gegeH Diphterie oder Tetanushöchst wirkungsvoll geschützt zu sein.

Abb. l. Struktur und Wirkung des Choleratoxins. Das ctxA-Gen(A) kodiert die enzymatisch aktive A-Untereinheit (27 kDa), dasctxB-Gen (B) fünf identische B-Untereinheiten (11,7 kDa). DieB-Untereinheiten vermitteln die Bindung des Choleratoxins anRezeptoren an der Oberfläche der Darmzellen, die GMi Gangliosi-de. Nur die aktiven A-Untereinheiten werden ins Zellinnere einge-schleust, wo sie eukaryontische G-Proteine (s. Fussnote 3) mittelsADP-Ribosylierung aktivieren, die ihrerseits die Anhäufung voncAMP zuI Folge haben. Diese führen zur aktiven Sekretion vonWasser und Elektrolyten in das Darmlumen.

Fig. 1. Structure and effect of cholera toxin. The ctxA gene (A)codes for the enzymatically active A-subunit (27 kDA) and the ctxBgene codes for five identical B-subunits (11.7 kDa). The B-subunitsmediate the coupling of the cholera toxin to the receptors (GM]gangliosides) on the surface of the gut cells. Only the active A-sub-units move into the interior of the cells, where they activate euca-riotic G proteins by means of ADP ribosylation. This results in theaccumulation of cAMP, which in turn causes the active secretion ofwater and electrolytes into the lumen of the gut.

5.3 Salmonellen: Regelung der Virulenz durchUmweltsignale

Ein Bakterium besitzt iH seinem genetischeH Material dieIHformation für etwa eintausend ProteiHe. Diese werden aberDiemals alle gleichzeitig produziert; dies würde die «Protein-maschinerie» vollständig überlasten. So werden u. a. Vim-lenzfaktoreH Hur dann produziert, wenn sie beHötigt werden.Die Regulation der Virulenz erfolgt durch bestimmte Um-weltsignale oder SigHale im infizierteH Wirt.

Wie komplex die Virulenz-Regulation sein kanH, erfuhrenwir bei der VirHleDzforschung mit Salmonellen. Vor 6 JahreHbegann ich meiHe Lehrjahre im Labor von Don GuiHey in S an

Diego, Kalifornien, bei dem ich lernte, mich in die «Denk-weise» von Bakterien uHd speziell von SalmoHellen einzule-ben. Als ich 1992 wieder in die Schweiz zurückkehrte, reali-

3 Proteine, die Guanylnucleotide binden und als sekundäre Botenstoffe eine zentrale Rolle als Signal-Umwandler, -Verstärker und-Übermittler für unterschiedlichste extrazelluläre Faktoren wie Hormone, Duftstoffe, Licht usw. spielen (Nobelpreis für Medizin 1994)

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N icht-typhöse Salmonellosen

Typhus

Infektionskrankheiten im Wandel: Molekulare Aspekte der Pathogenese

sierte ich, dass der Schweizer mit dem Wort Salmonellen dieBegriffe Eier und Hühner assoziiert, so dass es eiHe UHter-lassungssüHde wäre, an dieser Stelle Hicht einen kurzeH ge-flügelorientierteH Exkurs einzufügeH.

1987 wurde erstmals eHtdeckt, dass SalmonelleH durchEier auf den Menschen übertragen werden köHHeH. Die EierwerdeH schon im Eierstock bzw. Eileiter des Huhnes iHfiziert,bevor das Ei gelegt wird. Die Hühner als Träger der Salmo-nellen erkrankeH dabei nicht, und auch die iHfizierten EiereHtwickeln sich zu normaleH, allerdings SalmoHellen-tragen-deH HühHern. Diese infiziereH ihre Eier von Heuem. DieEinHahme eiHes frisch gelegteH Eies führt praktisch nie zueiner Erkrankung, da die vorhandene Zahl voH 20 bis 100Salmonellen in einem Ei dafür viel zu niedrig ist. WeHn Eieraber läHgere Zeit ohne KühluHg gelagert werdeH oder gar dasEiweiss, mit Zucker vermischt, als Bestandteil eines Tirami-sus längere Zeit inkubiert wird, werdeH leicht genügend hoheIHfektionsdosen erreicht.

Die hohe InfektioHsdosis hat für die ArbeiteH im LabordeH Vorteil, dass die Gefahr, sich während der Arbeit zuinfizieren, klein ist. EiHe erstauHliche Beobachtung in eiHerStudie 1970 zeigte, dass man mit eiHer Milliarde SalmonelleHgurgelH konnte, ohne zu erkraHken, ein beruhigendes Resul-tat für alle jeHe SalmonelleHforscher, die noch mit dem MuHdpipettiereH.

Es gibt im weseHtlichen zwei verschiedeHe SalmonelleH-typeH, Hämlich Salmonella typhi, der Erreger des Typhus, uHddie übrigen Nicht-Typhus-Salmonellen, von denen es etwa2000 verschiedene Typen gibt. S. typhi infiziert Hur denMenscheH, während die nicht-typhösen SalmonelleH beiMensch uHd Tier zu ErkrankungeH führen. In den 50er JahreHwurde der Typhus in der iHdustrialisierteH Welt immer selte-Her, während ErkrankuHgen mit nicht-typhösen Salmonellenimmer häufiger wurden (Abb. 2). Für diese Zunahme ist dieHeue epidemiologische Nische iH deH Eiern zweifellos we-seHtlich mitverantwortlich.

Obwohl SalmoHellosen – ähnlich wie die Cholera – vor-wiegend DurchfallserkraHkungen sind, ist die Pathogenesedes Durchfalls bei einer Salmonellen-Infektion völlig ver-schieden. GelangeH SalmonelleH in den Dünndarm, HehmeHsie Kontakt mit Darmepithelzellen auf. Durch spezielle bak-terielle Signale werdeH diese zu richtigeH Fresszellen umge-wandelt, welche die SalmonelleH iH ihr IHHeres aufnehmeHund in membraHumhüllte EndosomeH eiHlagem. Im Gegen-satz zum Cholera-Erreger schleusen sich SalmoHelleH also iHdie Darmepithelien eiH, und erst die dadurch entsteheHdenSchäden erzeugen Durchfall.

pro 100"000 Einwohner

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30

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2015

10

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01930 1940 1950 1960 1970 1980 1990

Abb. 2. Häufigkeit von Typhus und nicht-typhösen Salmonellosenin der industrialisierten Welt (Beispiel USA). Während der Typhusin den 50er und 60er Jahren immer seltener wurde, nahmen nicht

-typhöse Salmonellenerkrankungen stetig zu. In der Schweiz werdenTyphuserkrankungen fast ausschliesslich bei Reisenden beobachtet,die aus dem Ausland zurückkehren.

Fig. 2. Frequency of typhoid fever and non-typhoid salmonellosesin the industrialized world (example USA). While typhoid feverdeclined significantly in the fifties and sixties, the incidence ofnon-typhoid salmonellosis increased gradually. In Switzerlandtyphoid fever is almost exclusively restricted to tourists returningfrom foreign countries.

Nicht immer bleibt die Infektion auf den Darm be-schränkt. Manchmal geliHgt es deH Bakterien, durch dieDarmwand hiHdurchzuschlüpfeH, woHach sie erst über dieLymphe, danH das Blut in Leber und Milz gelangen. Auch indieseH Organen nisteH sie sich im Innern von WirtszelleH eiH,diesmal in den Makrophagen genannten Fresszellen, iH de-nen sie als PhagosomeH voH Membranen umhüllt werdeH.Damit eHtziehen sie sich dem Abwehrsystem des Wirtes undsiHd in der Lage, sich intrazellulär zu veituehren. Schliesslichdringen sie in grösserer Zahl ins Blut ein uHd verursacheneiHe tödliche Blutvergiftung.

Nur Salmonellen mit gewisseH VirulenzeigenschafteHsind befähigt, sich in Leber uHd Milz einzunisten. Dazuliefert eine Gengruppe von füHf speziellen Virulenzgenen,die auf einem Plasmid lokalisiert siHd, eiHen weseHtlichenBeitrag. Seit vier Jahren beschäftigen wir uns damit, deHmolekularen Mechanismus dieser fünf Gene zu klären. DiefüHf GeHe, die wir spvR, A, B, C und D genannt haben, fiHdeHsich Hahe beieinander innerhalb eines sechs Kilobasen um-fassenden AbschHittes des Bakterienplasmides (KRAUSE etal., 1992). Durch eiHen Zufall entdeckten wir das SigHal,welches diese Gene zur Proteinproduktion aHregt. Wir beob-achteten nämlich, dass die Virulenzproteine nur dann produ-ziert wurdeH, wenn die BakterieH iH einen HungerzustaHd

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Virulenzproteine

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gelangten. Dieses Hungersignal Wird über komplexe Wegeumgesetzt. Erst wird die Synthest eines RpoS-Proteins sti-muliert, das als Sigma-Untereinheit der RNS-Polymerasewiederum die Synthese des Akti y'atorproteiHs SprR stimu-liert (Abb. 3). Das R-ProteiH, zusammeH mit dem RpoS-Pro-tein, aktiviert an der sogen. Regulationsstelle die Produktionder ABCD-Virulenzproteine (FAN%J et al. 1992).

Abb. 3. Regulation des spvABCD-Operons der Salmonella-Vim-lenzplasmide. Beim Versiegen von Nährstoffquellen produzierenSalmonellen den chromosomal kodierten RpoS-Faktor, der als Sig-ma-Untereinheit der RNS-Polymerase die Produktion des Aktiva

-torproteins stimulieIt und mit diesem gemeinsam die Transkriptionder spvABCD-Gene einleitet.

Fig. 3. Regulation of the spvABCD-operon of the virulence plas-mides of salmonellae. When the nutritional sources are depleted thesalmonellae produce the chromosomally coded RpoS factor; which,as sigma sub-unit of the RNA polymerase, stimulates the productionof the activator protein, which in turn initiates the transcription ofthe spvABCD genes.

Der HuHgerzustand lässt sich im Labor leicht reproduzie-reH. SalmoHelleH wachseH iH eitlem Kulturmedium sehrschHell; etwa alle 20-30 Minuten findet eine Teilung statt.WenH Bakterien in einem nährstoffreicheH Wachstumsmedi-um wachsen, liegen etwa 12 StundeH später eine MilliardeSalmonellen pro Milliliter vor. Bei dieser Bakteriendichtesind die Nährstoffe verbraucht, und ein Teil der Bakterienstirbt bereits wieder ab. Die Produktion der ViruleHz-ProteiHeläuft uHter diesen Hungerbedingungen auf HochtoureH.

Die Regulation der Plasmidgene lässt sich Hicht Hur imReagenzglas, sondern auch im IHfektioHsablauf voH Zellkul-turen zeigen. Das intrazelluläre Milieu voH Darmzellen undMakrophageH stimuliert die Virulenzproteinsynthese, wobeiwir heute anHehmeH, dass in den membranumschlossenenEndosomen eine nährstoffaIme Nische eHtsteht, die demBakterium das Hungersignal gibt.

Der Effekt der Plasmid-Virulenzgene auf die Sterblichkeitin einem MausiHfektioHsmodell ist beachtlich (Tab. 1). Bei

Tab. l. Wirkung des Salmonellen-Virulenzplasmids im Mausin-fektionsmodell. Die Infektionsdosen, bei der die Hälfte der Ver-suchstiere sterben (LD50 bei BALB/c-Mäusen), wurden beim plas-midhaltigen Wildtyp von Salmonella dublin mit dem S. dublin-Stamm verglichen, bei dem das Plasmid entfernt worden war. Derplasmidlose Stamm weist bei oraler Infektion eine über 10 4mal, beiintraperitonealer Inokulation eine über 10 6mal höhere LD50 auf.Wird das Virulenzplasmid wieder eingeführt, so wird die ursprüng-liche Virulenz restituiert.

Tab. 1. Effect of the Salmonella virulence plasmid in a mouseinfection-model. The doses causing 50% mortality (LDso in BALBIcmice) with wild type Salmonella dublin and plasmid-cured S. dublinare listed. The LDso of plasmid-cured S. dublin was more than 104times higher after oral infection and more than 106 times higherafter intraperitoneal inoculation. The wild-type virulence was res-tored when the virulence plasmid was reintroduced.

Letale Dosis 50

mit ohne wiedereingeführtes

Plasmid Plasmid Plasmid

Oral 104 > 108 104

Peritoneal <10 107 10

eiHer oraleH IHfektioH werden 10 000 Salmonellen benötigt,um bei der Hälfte der Versuchstiere eine tödliche ErkraHkuHgzu erzeugeH. Entfernt man das Plasmid, welches diese füHfGene trägt, bleiben die Tiere gesuHd, auch weHH über 100Millionen SalmonelleH verabreicht wurdeH. Setzt man dieGene wieder ins Bakterium ein, so ist die ursprünglicheVirHlenz wieder hergestellt. Bei peritonealer Infektion, beider die Keime direkt in die Bauchhöhle gespritzt werden,sind die Unterschiede mit und ohHe Plasmid Hoch eindIück-licher.

Wie die Produkte der ViruleHzgene auf molekularer Ebe-He deH ViruleHzeffekt erzeugen, ist heute noch nicht geklärt.IHteressaHt ist, dass diese ProteiHe das IHHere der BakterieHnie verlasseH und dass sie wahrscheiHlich Hie iH Kontakt mitdem infizierteH Wirt gelaHgeH. Ihr eindrücklicher Virulenz-effekt ist aber damit erklärbar, dass sie im Stoffwechsel derSalmoHelle FuHktioHeH überHehmen, die der Anpassung andas nährstoffarme Milieu in den WirtszelleH dieHeH.

ViruleHz kaDH heute Hicht mehr einfach als schädigeHdeWirkung eines Keimes aufgefasst werdeH. Vielmehr ist sieAusdruck einer regulierteH AdaptatioH des Mikroorganis-mus, wobei die Krankheitssymptome mehr «ungewollte»NebenwirkuHg als «böse Absicht» sind.

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Infektionskrankheiten im Wandel: Molekulare Aspekte der Pathogenese

5.4 Pestbakterien: Virulenz durch adaptiveMechanismen beim Wirtswechsel

Auch bei anderen Bakterien werden immer häufigerAHpassuHgsmechanismen eHtdeckt, welche die VirulenzgrHndlegeHd beeiHflusseH. Das inteHsive BakterienlebeH iHwechselndeH Milieus ausserhalb und innerhalb eiHes Wi rtesist nur möglich, wenn sich das Bakterium adaptive Eigen-schaften angeeigHet hat. Dies sei zum Schluss mit der wir-kuHgsvollen geHetischen AHpassuHgskuHst des Pestbakteri-ums illustriert .

Das Pestbakterium wurde vor 100 JahreH vom SchweizerYersin entdeckt. Es handelt sich um ein gram-negatives Stäb-chenbakterium, welches zu EhreH seiHes Entdeckers heutedeH Namen Yersinia pestis trägt. Die Pest kommt heute nochweltweit iH verschiedenen NagetierpopulatioHeH vor. IHStädten sind es vor allem die Ratten, welche die Pest verbrei-ten. Die Übertragung von der Ratte auf den Menschen erfolgtdurch deH RatteHfloh. Dieser traDsportiert die BakterieH iHseinem magenartig erweiterteH Mitteldarm und iHjiziert siebeim Saugakt iH den Menschen. Von der Einstichstelle auswandern die Bakterien in die Lymphknoten, die stark undschmerzhaft anschwellen. Diese Form der Erkrankung wirdBeulenpest geHannt. Die BakterieH vermehren sich in deHLymphknoten sehr schHell und gelaHgen daHach ins Blut uHdin die LuHge. Dieser fortgesch ritteHe ZustaHd wird Lungen-pest genannt. Sie ist besonders gefährlich, weil jetzt durchTröpfcheninfektion die Infektionskette von Mensch zuMeHsch eröffnet wird.

Das UmsteigeH von der Ratte auf den Floh und vom Flohauf deH MeHscheH ist mit bedeutenden TemperaturäHderun-gen gekoppelt, an die das Pestbakterium durch spezifischeGene angepasst ist (MCDoNOUGH & FALKOW, 1989). Nachder Mahlzeit eines Flohs auf eiHer pestinfizierteH Ratte wirddas 37 ° warme Blut im Flohmagen auf die UmgebuHgstem-peratur voH etwa 25 ° abgekühlt. Bei dieser Temperatur wirdim Bakterium ein Gen aktiviert und dadurch die Produktioneiner Koagulase veranlasst. Dieses Enzym bewirkt dieKoagulation des Blutes und blockiert dadurch den Darmtraktdes Flohs. Dies bewirkt, dass der Floh bald wieder aufNahrungssuche geht. Siedelt sich jetzt der HahrungsuchendeFloh auf eiHem Menschen aH, stoppt der damit verbuHdeneTemperaturaHstieg die KoagulaseproduktioD, aktiviert abereiH aHderes GeH, das die Synthese eines aHdereH Proteinssteuert, eines Plasminogen-Aktivators. Dieses Protein löstden Blutklumpen auf. Leicht wird jetzt das verflüssigte Rat-

tenblut, voll voH Pestbakterien, durch den Saug- uHd Regur-gitationsakt des Flohs in den MeHschen injiziert .

6 SCHLUSSWORT UND DANK

Die Anpassungsfähigkeit der Mikroben scheint wenig Grenzen zukeunen. Infektionskrankheiten sind dynamische Prozesse, wobeiPathogen und Wirt sich immerwährend gegenseitig anpassen. Dieshat zur Folge, dass auch altbekannte Infektionskrankheiten sich stetsim Wandel befinden nnd die Infektiologie nnd Mikrobiologie immeraktuell bleiben werden.

Die Arbeit im Labor hat mich zeitlich und emotional sehr imBann gehalten und mit Befriedigung erfüllt. Ohne Namen zu nen-nen, möchte ich all jenen danken, die mich in meinem Tun stetigermutigen und unterstützen und es ermöglichen, dass ich als Allge-meininternist Forschung betreiben darf, eine Kombination, die ankeiner anderen Schweizer Universität in dieser Grosszügigkeit ge-fördert wird.

7 LITERATUR

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PD Dr. med. M. Krause, MediziHische Klinik, Universitätsspital, Rämistrasse 100, CH-8091 Zürich

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