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Lernen ohne Schule Wie YouTube und Co. die Bildungswelt verändern Eine Analyse des mmb Instituts im Auftrag der Körber-Stiftung Innovation Technik braucht Gesellschaft

Innovation Technik braucht Gesellschaft · 2019-06-24 · warum Ich die binomischen Formeln immer auswendig kann ... ist ein wichtiger Schritt hin zu einer zukunftsfä-higen Schule

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Lernen ohne SchuleWie YouTube und Co. die Bildungswelt verändern

Eine Analyse des mmb Instituts im Auftrag der Körber-Stiftung

InnovationTechnik braucht Gesellschaft

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»Dieses Lied ist der einzige Grund warum Ich die binomischen Formeln immer auswendig kann«YouTube-Nutzer Eleanor #DA zu »Binomische Formeln, Mathe-Song«

von DorFuchs

»Ich bereite mich komplett mit euren Videos auf die

Erdkunde-Klausur vor. Ihr habt zu jedem Punkt auf

meiner Liste was zu sagen. Daumen hoch :)«

YouTube-Nutzer Lana Chanel zu »Bodenerosion – Boden degradation 1«

von Geographie – SimpleClub

»Danke das du mal ein gutes Video gemacht hast zu dem

Thema Artikel 13. Habe immer öfter was davon gehört

aber wusste nie so genau was das wirklich ist.«

YouTube-Nutzer Maximilian 5 zu »Kommt Artikel 13 jetzt? Und dann?«

von MrWissen2go

»Ich habe jetzt alles was wir in 5h Unterricht gemacht haben in 5min gelernt … Deine Videos sind genial.«YouTube-Nutzer SlushIceNice Niklas zu »Nullstellen bei linearen Funktionen , Beispiele, Geraden«

von Mathe by Daniel Jung

»Unsere Deutschlehrerin hat uns angewiesen dieses

Video zu schauen, bevor wir uns durch das Drama

kämpfen … Von daher … Alles richtig gemacht.«

YouTube-Nutzer Lilly Wayne zu »Faust to go (Goethe in 9 Minuten)«

von Sommers Weltliteratur to go

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Lernen ohne Schule 1

Lernen ohne SchuleWie YouTube und Co. die Bildungswelt verändern

Lern- und Wissensformate auf Video -

platt formen, allen voran YouTube, haben

Kon jun k tur. Sie sind insbesondere bei Ju-

gend lichen beliebt, und das Angebot so ge-

nannter EduTuber wächst. Das zeigt die vorlie-

gen de Analyse des mmb Instituts im Auftrag der

Körber-Stiftung, die Studien zum Nutzungsverhal-

ten ausgewertet und unterschiedliche Spielarten

der videogestützten Wissensvermittlung anhand

exemplarischer Kanäle untersucht hat. Wie verän-

dert dieses »Lernen ohne Schule« die traditionelle

Bildungswelt? Wie kann und sollte Schule darauf

reagieren? Hier drei Vorschläge:

Die gewandelten Realitäten anerkennen.Lange Zeit war Schule der exklusive Ort für Ler-

nen und Wissensvermittlung. Diese Monopolstel-

lung gehört der Vergangenheit an. Schon heute

nutzen Jugendliche zunehmend die Möglichkei-

ten des informellen und selbstgesteuerten Ler-

nens im Netz. Dort ist bereits vieles einfacher, ein-

leuchtender und manchmal auch umfassender

dargestellt als im Schulbuch oder im Unterricht,

wie die ausgewählten Kommentare jugendlicher

Nutzer eindrucksvoll belegen. Wird Schule da-

durch geschwächt oder gar überflüssig? Sicher

nicht – solange sie sich den gewandelten Realitä-

ten stellt und ihre Kernaufgaben jenseits der rei-

nen Wissensvermittlung neu definiert.

Neue Freiräume im Unterricht nutzen. Zeit ist eine der wertvollsten Ressourcen in der

Schule . Warum also nicht gut gemachte Video-

tutorials direkt im Unterricht oder – Stichwort

Flipped Classroom – für das selbstgesteuerte Ler-

nen zu Hause einsetzen? Das schafft Freiräume

für das Üben und die fachliche Vertiefung, das

Denken in Zusammenhängen und die kritische

Reflexion oder auch das kreative und projektbezo-

gene Arbeiten . Diese Neuausrichtung von Unter-

richt und damit verbunden auch der Lehrerrolle

ist ein wichtiger Schritt hin zu einer zukunftsfä-

higen Schule. Denn Kompetenzen wie Problem-

lösung, Kreativität, kritisches Denken oder auch

Kollaboration sind schon heute mindestens eben-

so wichtig wie reines Faktenwissen.

Von der Feedback-Kultur im Netz lernen.Unterricht im Jahr 2019 findet nach wie vor

weitge hend hinter geschlossenen Klassentüren

statt. Wie gut er ist, können nur die unmittelbar

beteiligten Schülerinnen und Schüler wirklich

be ur teilen – sie werden aber nur selten danach

gefragt. Ganz anders im Netz: Die Angebote von

Edu Tubern sind für alle zugänglich, sie können

jederzeit miteinander verglichen und bewertet

werden. Ihre Nachfrage und ihr Nutzen lassen

sich unmittelbar an Klickzahlen, Likes und Kom-

mentaren ablesen. Erfolg auf YouTube hat nur,

wer mit seinen Usern kommuniziert und auf

Wünsche und Kritik eingeht. Statt die fachliche

Qualität von Lernvideos pauschal in Zweifel zu

ziehen, wie es nicht selten geschieht, gilt es,

deren große Beliebtheit bei Jugendlichen (und El-

tern) als Fakt anzuerkennen und nach den Grün-

den zu fragen: Was macht Lernvideos so attraktiv

und erfolgreich? Was lässt sich daraus – mit Blick

auf Inhalte, Didaktik, Präsentationsformen – für

den analogen Unterricht lernen? Und wie wäre es,

auch IRL (in real life) viel öfter das Feedback der

Schülerinnen und Schüler einzuholen?

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2 Lernen ohne Schule

YouTube als WissensdrehscheibeWer nutzt die Videoplattform und wofür?

eine Analyse und legte dar, dass 2,3 Mrd. Menschen

mehrmals im Monat auf Facebook zugreifen. Der

zweite Platz wird von YouTube mit 1,9 Mrd. akti-

ven NutzerInnen belegt.

Allerdings werden in dem Ranking keine Un-

terschiede zwischen den Altersgruppen gemacht.

Die JIM-Studie 2018 zeigt: Bei Jugendlichen ist

Face book nämlich längst »abgemeldet«: Nur noch

15 Prozent liken oder posten hierzulande auf

der sozialen Plattform. In der Alters klasse der 12-

bis 19-Jährigen liegt vielmehr WhatsApp, welches

zu Facebook Inc. gehört, an vorderster Stelle.

95 Prozent der Jugendlichen in Deutschland kom-

munizieren regelmäßig über diesen Instant-Mes-

senger-Dienst. Auf dem zweiten Platz ist die Foto-

und Video-Sharing-App Ins ta gram (67 Prozent),

die ebenfalls ein Teil der Facebook Inc. ist. Der

Instant-Messenger-Dienst Snapchat belegt mit

54 Prozent regelmäßiger Nutzer Innen den dritten

Platz.

YouTube hat dennoch eine wichtige Ausnah-

mestellung bei Jugendlichen: In der Altersklasse

von 12 bis 19 Jahren belegt die Videoplattform

schon seit Jahren regelmäßig den ersten Platz als

beliebtestes Onlineangebot und ist zugleich mit

großem Abstand die populärste Anlaufstelle für

Bewegtbildinhalte.

87 Prozent der Mädchen und 93 Prozent der Jungen

halten sich mehrmals in der Woche bei YouTube auf.

Dass sie die Plattform sogar täglich nutzen, ge-

ben 73 Prozent der Jungen und 53 Prozent der

Mädchen an, wobei sie dafür mehrheitlich das

Smartphone bedienen (89 Prozent). Fragt man sie

nach ihrer wichtigsten App, so rangiert YouTube

an dritter Stelle nach WhatsApp und Instagram.

14 Jahre nach seiner Gründung

hat sich YouTube zur welt-

weit dominanten Plattform für

Videos entwickelt: Rund 1,9

Mrd. Menschen nutzen das Angebot monatlich,

und 90 % der Jugendlichen in Deutschland zwi-

schen 12 und 19 Jahren klicken sogar mehrmals

pro Woche auf das weiße Play-Zeichen auf rotem

Grund. Dabei ist YouTube, das wie Google zur

Alpha bet Inc. gehört, längst nicht mehr nur ein

Kanal für Musikvideos oder Vlogs (Video-Blogs zu

Alltagsthemen), sondern zunehmend auch eine

Plattform für Lern- und Wissensdurstige. 20 Pro-

zent der Jungen und 18 Prozent der Mädchen hier-

zulande greifen mindestens einmal pro Woche auf

Lernvideos und Tutorials zu, wie die Studie Jugend,

Informa tion, Medien (JIM) 2018 des Medienpädago-

gischen Forschungsverbundes Südwest festgestellt

hat. Darüber hinaus wurden die Jugendlichen be-

fragt, zu welchem Zweck sie YouTube verwenden:

Für 38 Prozent ist »Wissen aneignen « das drittwichtigste Motiv

bei der YouTube-Nutzung, nach »Unterhaltung« und »Zeitvertreib«.

Nach internen Analysen von YouTube aus dem

Jahr 2017 stieg das Interesse an Wissens- und Lern-

inhalten bei der Videoplattform rasant an. Täglich

werden weltweit rund 500 Millionen Mal Wissens-

inhalte bei YouTube aufgerufen, und mehr als eine

Million Mal pro Tag werden diese Lernvideos geteilt.

Darüber hinaus wird die Plattform als primäre

Such maschine für Inhalte informativer Art genutzt.

Facebook ist off, YouTube ist onGlobal betrachtet bleibt Facebook auf dem ersten

Platz bei der Nutzung sozialer Medien. Die Agen-

tur »we are social« veröffentlichte Anfang 2019

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Lernen ohne Schule 3

Die YouTube-Nutzung ist überwiegend rezep-

tiver Art. Lediglich ein Prozent der befragten Ju-

gendlichen stellen regelmäßig selbst Videos auf

YouTube ein.

Je älter, desto geringer die NutzungDie YouTube-Nutzung unter jungen Menschen, so-

wohl in Deutschland als auch global, ist zwar

stark verbreitet, allerdings verändert sich das Nut-

zungsverhalten mit dem fortschreitenden Alter.

Das Institut für Management- und Wirtschaftsfor-

schung (IMWF) stellte in einer Analyse von 2017

fest, dass die Aktivität auf YouTube in Altersgrup-

pen ab 20 Jahren nachlässt und keine Selbstver-

ständlichkeit mehr darstellt. Lediglich 77 Prozent

aller Deutschen zwischen 40 und 49 Jahren hören

oder schauen sich regelmäßig Videos auf der be-

liebten Plattform an.

AbiturientInnen nutzen YouTube häufigerEin weiterer Aspekt in der YouTube-Nutzung stellt

der Bildungshintergrund dar. Ebenfalls in der

IMWF- Studie nachzulesen ist, dass junge Menschen

mit formal höherem Bildungsgrad, in diesem Fall

das Abitur oder die Fachhoch schul reife, die Video-

plattform häufiger bedienen (87 Prozent) als die-

jenigen mit Mittlerer Reife (79 Prozent) oder

Haupt- beziehungsweise Volks schul abschluss (72

Prozent).

Rückkehr alter Geschlechterklischees Alte Geschlechterrollen erfahren in den neuen

Medien eine Reproduktion. YouTube bildet hier

keine Ausnahme. Im Gegenteil, denn die Ange-

bote auf der Videoplattform orientieren sich stark

an Geschlechterklischees. YouTuberinnen setzen

besonders auf Themen aus den Bereichen Mode,

Schminke oder Ernährung und kreieren »typisch

weibliche« Inhalte. Im Kontrast bilden die männ-

lichen Kollegen ein breiteres Themen gebiet ab.

Die JIM-Studie aus dem Jahr 2018 bestätigt das ge-

schlechterspezifische Nutzungsmuster. Die Kate-

gorien Sport, Nachrichten und Let’s- Play- Videos

(Online-Gamer dokumentieren ihre Spielerfah-

rungen) sind von Jungen dominiert, währ end

Mode- bzw. Beautyvideos nahezu aus schließlich

von Mädchen konsumiert werden (JIM-Studie

2018).

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4 Lernen ohne Schule

YouTuber versus EduTuberUnterschiede in Reichweite und Verdienstmöglichkeiten

Kanäle bei Jugendlichen Julien Bam (5,2 Mio.

Abos: ein YouTuber, dessen Clips sich um Musik,

alltägliche Lebensthemen und Tanz drehen), free-

kickerz (7,6 Mio. Abos: ein Kanal rund um Fußball-

videos), BibisBeautyPalace (5,6 Mio. Abos: Mode,

Kosmetik, Lifestyle und Popkultur) oder German-

LetsPlay (ca. 3 Mio. Abos).

Die Klickanzahl dient als weiterer Indikator,

um die unterschiedliche Reichweite zwischen

EduTubern und YouTubern darzustellen. Während

der YouTuber Julian Bam bis zu 7 Mio. Klicks mit

seinen Videos generieren kann, erreicht der Edu-

Tuber DorFuchs mit seinem erfolgreichsten Video

»Binomische Formel Song« 3 Mio. Klicks. Aller-

dings müssen sich EduTuber nicht verstecken. Die

Macher von TheSimpleClub können auf einzelne

Videos ihres Kanals verweisen, wie z. B. »Das Herz

und sein Kreislaufsystem«, das 1,1 Mio. Aufrufe

erzeugte .

EduTuber verdienen wenigerDie Unterschiede in der Reichweite machen sich

auch in den einzelnen Verdienstmöglichkeiten

der YouTuber und EduTuber bemerkbar. Generell

ist davon auszugehen, dass ein YouTuber pro 1.000

Klicks im Durchschnitt etwa 1,50 € aus Werbeein-

nahmen generieren kann. Der schwedische You-

Tube Star Felix Arvid Ulf Kjellberg von PewDiePie

(mit rund 7 Mio. Klicks pro Video) kann demnach

also mit mindestens 10.500 € pro Video rechnen.

Allerdings schwanken die Schätzungen der

jährlichen Gesamteinnahmen des schwedischen

YouTubers mit seinen rund 30 Mio. Abonnenten

zwischen 800.000 € und 8 Mio. €, denn es kann

nur sehr grob geschätzt werden, welche Summen

der Kanal über zusätzliche Werbedeals einstreicht.

Die deutsche YouTuberin Bibi erreicht nach einer

EduTuber sind die YouTuber der Bildungs-

szene. Sie denken Bildung neu und bie-

ten mit Lernvideos auf YouTube neue

und kreative Ansätze in der Wissens-

vermittlung für SchülerInnen, StudentInnen, aber

auch für die Allgemeinheit. Die Nachfrage an

Lern videos auf YouTube steigt. Denn das weltweit

meist abonnierte YouTube-Angebot aus Deutsch-

land ist überraschen derweise kein Let’s Play- oder

Beauty- Channel, sondern ein Lern- und Wissens-

kanal mit dem Titel: Kurzgesagt – In a Nutshell. In

monatlichen Bildungsvideos werden hier haupt-

sächlich (populär)wissenschaftliche Themen aus

der Physik und Biologie sowie vereinzelt auch aus

Philosophie und Politik aufgegriffen und in knap-

pen Animationen dargestellt (z. B. zum Thema

»Evolution« oder zur Frage »Was ist Leben, was ist

Tod?«). Der von Philipp Dettmer 2013 gegründete

Kanal bietet seine Inhalte sowohl in Englisch als

auch in Deutsch und wird – im englischen »Haupt-

kanal« – weltweit von über 8 Mio. Menschen abon-

niert. Die rein deutschsprachigen Angebote des

Zweitkanals von Kurzgesagt verzeichnen hier-

zulande ebenfalls beachtliche 500.000 Abonnen-

ten. Damit liegt der Kanal, was die Abonnenten-

zahl in Deutschland angeht, in der Spitzengruppe

der Lernangebote, zusammen etwa mit TheSim-

pleClub oder Wissenswert. Nur MrWissen2Go be-

wegt sich mit aktuell fast einer Million Abonnen-

ten in Deutschland nochmals in einer anderen

Größenordnung.

YouTuber haben eine höhere ReichweiteSo beachtlich diese Zahlen aus der Welt der Edu-

Tuber sind – sie liegen im Vergleich mit den reich-

weitenstärksten YouTube-Kanälen in Deutschland

klar zurück. Hierzulande heißen die beliebtesten

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Lernen ohne Schule 5

YouTuber versus EduTuberUnterschiede in Reichweite und Verdienstmöglichkeiten

Schätzung aus dem Jahr 2017 ca. eine halbe Mio. €

pro Jahr durch Werbeeinahmen. Auf einem ähnli-

chen Niveau dürfte sich auch der bei deutschen

Jugendlichen beliebte Julian Bam bewegen.

Neben den direkten Einnahmen, die durch

Verkauf von Google-Werbung erzielt werden, gibt

es noch weitere Möglichkeiten des Geldverdie-

nens, z. B. durch Merchandising, über Marken-

Deals als »Influencer« sowie durch »Affiliate Mar-

keting« (Provisionen durch Einbettung von Links

zu Onlinehändlern in die eigenen Videos). Auch

diese Ertrags potenziale hängen von der Anzahl

der Abonnenten und der Aufrufe ab.

Betrachtet man nun im Vergleich hierzu die

Lernkanäle auf YouTube, so fällt auf, dass zwar in

Einzelfällen Einnahmen durch kostenpflichtige

Videokurse, Skripte, eBooks oder Abos für um-

fassendere Angebote erzielt werden (wie z. B. bei

TheSimpleClub, der seinen YouTube-Kanal um

eine große Nachhilfeplattfom ergänzt hat). Oft

jedoch stehen die Lernvideos für sich: Not-for-

Profit , ohne Partner-Deals, Affiliate Marketing

oder zusätzliche kostenpflichtige Services.

Mit einer theoretischen Reichweite von etwa

100 Mio. Aufrufen im deutschsprachigen Bereich

sind den Einnahmepotenzialen allein über Google-

Werbung für deutsche YouTuber relativ klare

Grenzen gesetzt. Die prominenteren Angebote im

Bildungssegment bewegen sich zwischen 200.000

und 500.000 Abonnenten und Video-Aufrufzah-

len, die in der Regel im sechs- bzw. im niedrigen

siebenstelligen Bereich liegen. Damit können, je

nach Anzahl der Produktionen, durchaus sechs-

stellige Umsätze generiert werden – mithin Ein-

nahmen, die mit klassischer Lehrtätigkeit oder

Nachhilfe in weiter Ferne liegen dürften. Mit

englischspra ch i gen Angeboten, siehe Kurzgesagt,

können natürlich weit größere Reichweiten und

folglich auch Erträge erzielt werden.

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6 Lernen ohne Schule

Diversität und Originalität Die didaktischen und technischen Spielarten der EduTuber

Authentizität als ErfolgsschlüsselMedientechnische Mängel werden in der Welt von YouTube keineswegs

negativ bewertet. Im Gegenteil, sie sind vielmehr ein Beleg für »User-

Generated-Content «, für Authentizität und »Not-for-Profit« und werden

daher vom jugendlichen YouTube-Publikum sogar positiv bewertet. Ge-

nau dies erklärt zum Teil auch den Erfolg von Lernkanälen wie Mathe

by Daniel Jung oder DorFuchs, die trotz ihrer audiovisuellen Schwächen

gut an ge nommen werden. Dabei darf freilich nicht vergessen werden,

dass es beim Lernen primär um die didaktische Qualität geht, und die

kann auch stimmen, wenn das Video mit dem Smartphone produziert

wurde.

Lernvideo ist nicht gleich Lernvideo. Die Unterschiede, sowohl

technisch-medial als auch inhaltlich, fachlich und didaktisch,

sind erheblich. Grundsätzlich ist die technische Qualität von

User-Generated-Content auch im Bereich der Wissensinhalte

inzwischen auf einem akzeptablen Niveau. Die heute bereits für kleine

Budgets verfügbaren audiovisuellen Produktionsausstattungen erlau-

ben es auch begeisterten Amateuren, ansehnliche Produktionen zu re-

alisieren. Gerade Lernvideos für Schüler und Jugendliche sind daher

nicht un bedingt auf »Hochglanz-Niveau«, aber zumeist ordentlich und

profes sionell produziert.

Zur letztgenannten Kategorie gehört z. B. TheSimpleClub. Hier

über zeu gen Drehbuch und Ton, Animation und Grafik sowie nicht

zuletzt auch die fachliche Qualität. Dieser Professionalität entspricht

auch die große Reichweite: Allein der Subkanal TheSimpleBiology

verzeichnet rund 500.000 Abonnenten. Die Gründer von TheSimple-

Club, Alexander Giesecke und Nicolai Schork, waren noch in der gym-

nasialen Oberstufe, als sie auf ihrem Kanal TheSimpleMaths im Jahr

2011 ihre ersten Lernvideos veröffentlichten. Dem Mathe-Kanal folgten

bald weitere Angebote. Aus dem Projekt der beiden Oberstufenschüler

konnte so ein Unternehmen mit zwölf Mitarbeitern entstehen.

TheSimpleClub

Betreiber: Alexander Giesecke, Nicolai Schork

Abonnenten: 177.000

Themen: alle Schulfächer, Lerntipps

Meistgeklicktes Video: Übungsaufgaben hier!

Werde #EinserSchüler (784.000 Klicks)

Zielgruppe / Nutzer: SchülerInnen, StudentInnen

Beschreibung: Die Wissensvermittlung funk-

tioniert auf eine lockere und freundschaftliche

Art und Weise

DorFuchs

Betreiber: Johann Carl Beurich

Abonnenten: 177.000

Themen: Mathematik

Meistgeklicktes Video: Binomische Formeln,

Mathe-Song (3 Mio. Klicks)

Zielgruppe / Nutzer: SchülerInnen, StudentInnen

Beschreibung: Musikalische und visuelle Darstel-

lung mathematischer Themen

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Lernen ohne Schule 7

MrWissen2go

Betreiber: Mirko Drotschmann

Abonnenten: 990.000

Themen: Zeitgeschehen, Politik, Geschichte

Meistgeklicktes Video: Was wäre, wenn Hitler

den Krieg gewonnen hätte? (4,2 Mio. Klicks)

Zielgruppe / Nutzer: SchülerInnen, Studen-

tInnen, Allgemeinheit

Beschreibung: Kurze und audiovisuelle Darstel-

lung wöchentlicher Nachrichten und Themen des

gesellschaftlichen Interesses

Naturwissenschaften auf Platz einsYouTube Lernvideos gibt es inzwischen zu allen Schulfächern und

Themen aus der Welt der Jugendlichen. Auffällig ist jedoch die Häufung

von Angeboten im naturwissenschaftlichen Bereich, insbesondere

Mathe matik und Physik sind offenbar sehr gefragt. Hier gibt es nicht

nur die größte Auswahl, sondern die Angebote sind oft auch recht eng

am Schulstoff orientiert und versprechen konkrete Unterstützung im

Blick auf die nächste Klausur oder (Abitur-)Prüfung. Manche Anbieter,

wie Mathe by Daniel Jung und The SimpleClub Engineers, gehen sogar

über die Schulzeit hinaus und bauen gezielt Inhalte für Studierende auf.

Didaktik ist für die Reichweite bedeutend Didaktisch lassen sich hauptsächlich zwei Lehrformate auf YouTube

unterscheiden. Zahlreiche Kanäle, wie z. B. der von Mathe by Daniel

Jung oder MrWissen2go, setzen schlicht auf klassischen Frontalunter-

richt. Ein Lehrer oder eine Lehrerin steht oder sitzt vor einer Tafel,

einem Whiteboard oder Flipchart und erklärt den jeweiligen Sach-

verhalt. Dies erfolgt teilweise recht detailliert und ausführlich. Die

Qualität steht und fällt mit dem agierenden Lehrer oder der Lehrerin

und dessen bzw. deren Fähigkeit, den Stoff lebendig, anschaulich und

nachvollziehbar zu präsentieren.

Die zweite sehr verbreitete Lehrmethode bei YouTube-Videos sind

vertonte Präsentationen wie beispielsweise bei Ivi-Education und The-

SimpleClub. Dabei gibt es eine recht große Bandbreite, sowohl hinsicht-

lich der grafischen Gestaltung als auch im Hinblick auf den Sprecher

bzw. den Sprechertext.

Neben diesen beiden weitverbreiteten Lehrvarianten finden sich

vereinzelt weitere kreative und originelle Ansätze, z. B. Videos, in denen

mit Playmobil-Figuren geschauspielert wird (wie bei Sommers Weltlite-

ratur to go) oder in denen der Lernstoff singend präsentiert wird (wie

bei DorFuchs). Auch der Kanal explainity, bei dem sehr einfache Zeich-

nungen zur Veranschaulichung dienen, ist nicht zuletzt wegen seiner

Originalität beliebt. Während manche Lehrvideos eher ausführlich und

umfassend daherkommen (z. B. Professor Leonard), setzen andere ganz

bewusst auf eine knappe und möglichst prägnante Darstellung in we-

nigen Minuten.

Sommers Weltliteratur to go

Betreiber: Michael Sommer

Abonnenten: 84.000

Themen: Weltliteratur

Meistgeklicktes Video: Faust to go, Goethe in

9 Minuten (886.000 Klicks)

Zielgruppe / Nutzer: SchülerInnen, StudentInnen

Beschreibung: Spielerische Darstellung der

wichtigsten Werke der Weltliteratur mithilfe von

Playmobil-Figuren

Mathe by Daniel Jung

Betreiber: Daniel Jung

Abonnenten: 530.000

Themen: Mathematik

Meistgeklicktes Video: Parabeln, Quadratische

Funktionen, Übersicht, Scheitelpunkt,

Stauchung , Streckung (1,16 Mio. Klicks)

Zielgruppe / Nutzer: SchülerInnen, StudentInnen

Beschreibung: Mathematische Themen durch

Frontalunterricht kurz und leicht erklärt

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8 Lernen ohne Schule

Während in den sozial- und geisteswissen-

schaftlichen Fächern eine eher geringe Auswahl

an Lernvideos besteht, ist das Angebot in den

künstlerischen und musischen Feldern sowie ge-

nerell im Freizeitbereich vielfältig.

Zur Darstellung der Fächeraufteilung wurden

insgesamt 60 für die Analyse ausgewählte YouTube-

Kanäle nach ihren thematischen Schwerpunkten

kategorisiert. Mit 20 Angeboten sind die MINT-Fä-

cher am stärksten ver treten, gefolgt von den sozi-

alwissenschaftlichen Fächern und Allgemeinwis-

sen zum Zeitgeschehen. Den dritten Platz bilden

YouTube-Kanäle, die alle Schulfächer abdecken,

wie z. B. TheSimpleClub, und daher in einer Kate-

gorie zusammengefasst sind. Am geringsten ver-

treten sind die sprachlichen Fächern. Von den 60

untersuchten YouTube-Kanälen ist lediglich ein

Kanal ausschließlich dem Fach Deutsch zuzuord-

nen.

Hierfür gibt es unterschiedliche Erklärungs-

an sätze. Zum einen ist die Nachfrage nach Lern-

und Nachhilfe im Bereich MINT besonders hoch.

Zum anderen lassen sich naturwissenschaftliche

Lerninhalte, in denen es ein klares Richtig oder

Falsch gibt, möglicherweise leichter in einem Vi-

deotutorial darstellen. Diskursorientierte Fächer,

wie Deutsch, Politik, Geschichte oder Philosophie,

dagegen sind stärker auf die gemeinsame Reflexi-

on und den Austausch von Standpunkten ange-

wiesen.

Zusammengefasst.

› Mobiles Lernen. Für viele Jugendliche ist You-

Tube, nach der Schule, die erste Anlaufstation

in Sachen Wissen, Lernen und Nachhilfe.

› Too long; didn’t watch. Bei Wissens- und

Lernvideos schätzen Jugendliche, wenn diese

schnell auf den Punkt kommen und witzig,

kreativ sowie originell gemacht sind.

› Authentizität ist alles. Nicht Professionalität,

sondern Credibility, fachliche Qualität, päda-

gogischer Enthusiasmus und Originalität bil-

den die Erfolgsfaktoren der Lernvideos.

› MINT gewinnt. Inhaltlicher Schwerpunkt der

YouTube Lernvideos sind Naturwissenschaften

und Mathematik, auch kreativ-künstlerische

Themen (Basteln, Malen, Musikinstrumente)

sind stark vertreten. Weniger Angebote gibt es

für geistes- und sozialwissenschaftliche Fächer .

› Wissen floriert. Das reichweitenstärkste You-

Tube-Angebot aus Deutschland ist mit rund

8 Mio. Abonnenten ein Wissenskanal: Kurz-

gesagt – In a nutshell.

› (Neue) Männerdomäne. Die Mehrheit der

EduTuber ist männlich. Sie prägen nicht nur

die vielfältigen MINT-Angebote, sondern auch

die schulisch orientierte YouTube-Lernwelt ins-

gesamt. Mädchen und junge Frauen dominie-

ren hingegen bei Themen wie Lifestyle, Beauty

und Kreativität.

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224 Seiten | Gebunden | Euro 18 (D)ISBN 978-3-89684-262-6

Der Stoff, aus dem das Neue ist

Allerorten werden die innovativen Kräfte in Wirtschaft, Technik, Politik und

Gesellschaft beschworen – es herrscht eine regelrechte Innovationsinflation.

Wolf Lotter, Mitbegründer und ständiger Autor des Wirtschaftsmagazins

»brand eins«, fordert in seinem Essay einen Kulturwandel: weg von den

Routinen der Erneuerung, hin zu einem barrierefreien Denken.

Innovation bedeutet für Lotter die Bereitschaft zu beständiger Infragestellung

und zum Experiment. Das heißt, die Forderung nach Interdisziplinarität und

Krea ti vität ernst zu nehmen. Und es heißt auch, den Mut zu Irrtum und Irrweg

zu haben und das Feld der Innovation nicht nur den Jungen zu überlassen.

So können Menschen lernen, dem Neuen angstfrei zu begegnen und der

Zukunft zu vertrauen: »Man plant oder gestaltet Zukunft nicht«, wie Lotter

erklärt, »sondern ist in der Lage, mit ihr umzugehen. Man plant auch keine

Innovation, sondern schafft Raum, um sie entstehen zu lassen.«

WOLF LOTTER ist Journalist und Autor

zahlreicher Bücher. Er ist Gründungs-

mitglied des Wirtschaftsmagazins

»brand eins«, für das er seit 2000 die

Leitartikel zu den Schwerpunktthemen

verantwortet. Lotter gilt als einer der

Vordenker in der Entwick lung von der

alten Industriegesellschaft hin zur neuen

Wissensgesellschaft.

»Innovation ist der berechtigte Anlass für die

Hoffnung, dass es besser wird. Der Beweis, dass

die Zukunft existiert. Dass es einen Fortschritt

gibt, eine Perspektive.«

Erhältlich in Ihrer Buchhandlung oder unterwww.edition-koerber.de

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Körber-Stiftung

Gesellschaftliche Veränderung braucht Dialog und

Verständigung. Die Körber-Stiftung stellt sich mit ihren

operativen Projekten, in ihren Netzwerken und mit

Kooperationspartnern aktuellen Herausforderungen in

den Handlungsfeldern »Innovation«, »Internationale

Verständigung« und »Lebendige Bürgergesellschaft«. Die

drei Themen »Neues Leben im Exil«, »Technik braucht

Gesellschaft« und »Der Wert Europas« stehen derzeit im

Fokus ihrer Arbeit.

1959 von dem Unternehmer Kurt A. Körber ins Leben

gerufen, ist die Stiftung heute mit eigenen Projekten

und Veranstaltungen national und international

aktiv. Ihrem Heimatsitz Hamburg fühlt sie sich dabei

besonders verbunden; außerdem unterhält sie einen

Standort in Berlin.

Impressum

»Lernen ohne Schule. Wie YouTube und Co. die Bildungswelt verändern«

Eine Analyse des mmb Instituts – Gesellschaft für Medien- und

Kompetenzforschung mbH im Auftrag der Körber-Stiftung, Hamburg

Herausgeber: Körber-Stiftung, Hamburg

V. i. S. d. P.: Dr. Lothar Dittmer, Körber-Stiftung

Text und Recherche: Dr. Ulrich Schmid, mmb Institut

Redaktion: Julia André, Mustafa Eren, Körber-Stiftung

Illustratorin: Madlen Seidewitz | thedayworker.de

Gestaltung: Groothuis. Hamburg | groothuis.de

© Körber-Stiftung 2019

Körber-Stiftung

Kehrwieder 12

20457 Hamburg

Telefon +49 · 40 · 80 81 92 - 0

Telefax +49 · 40 · 80 81 92 - 300

E-Mail [email protected]

www.koerber-stiftung.de

Kontakt

Julia André | Telefon +49 · 40 · 80 81 92 - 149

E-Mail [email protected]

Mustafa Eren | Telefon+49 · 40 · 80 81 92 - 148

E-Mail: [email protected]