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Institut und Poliklinik für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (Direktor.: Prof. Dr. med. Hans Drexler) Inst. für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin, Schillerstr. 25 und 29, 91054 Erlangen Herrn Dr. B. Ruffing Geschäftsführer CWW-Gerko Akustik GmbH & Co. KG Weinsheimer Str. 96 67547 Worms Prof. Dr. rer. nat. Jürgen Angerer Tel: 09131/85-26131 Fax: 09131/85-6126 Email: [email protected] Institut für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin Schillerstraße 25/29, 91054 Erlangen Tel.: 09131/85-22312 Fax: 09131/85-22317 16.01.2002 Prof. Ang/Ga. Sehr geehrter Herr Dr. Ruffing, in Ihrem Schreiben vom 03.09.2001 haben Sie uns beauftragt in Ihrer Firma eine Studie zur äußeren und inneren Belastung der Beschäftigten durch polykondensierte aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK) durchzuführen. Diese Untersuchungen fanden im Oktober des letzten Jahres statt. Heute teilen wir Ihnen die Ergebnisse dieser Studie mit. Fragestellung und Studienkollektiv Untersucht wurden 134 Personen die an ihren Arbeitsplätzen mit bitumenhaltigen Produkten umgingen. Dabei handelt es sich um geformte Beläge, die in erster Linie dazu dienen, eine Geräuschdämpfung in Kraftfahrzeugen zu gewährleisten. Es war nun zu klären, welchen äußeren und inneren PAK-Belastungen diese Personen bei der Herstellung dieser Dämpfungsmaterialien ausgesetzt sind und ob sie größere Mengen an PAK aufnehmen als die Allgemeinbevölkerung. Bei diesen Untersuchungen sollten Hinweise gewonnen werden, ob beim Umgang mit bitumenhaltigen Materialien PAK inhalativ, dermal oder oral aufgenommen werden. Poliklinik, Kochstraße 19, 91054 Erlangen Betriebsärztliche Dienststelle, Harfenstraße 18, 91054 Erlangen Analytisch toxikologische Laboratorien, Schillerstraße 25 und Universitätsstraße 42, 91054 Erlangen Tel.: 09131/85-29221 Tel.: 09131/85-23666 Tel.: 09131/85-22374

Institut und Poliklinik für Arbeits-, Sozial- und ... · Cotinin ist ein Metabolit des Nikotin. Die Cotininausscheidung im Harn wird daher Die Cotininausscheidung im Harn wird daher

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Institut und Poliklinik für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin

der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (Direktor.: Prof. Dr. med. Hans Drexler)

Inst. für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin, Schillerstr. 25 und 29, 91054 Erlangen

Herrn Dr. B. Ruffing Geschäftsführer CWW-Gerko Akustik GmbH & Co. KG Weinsheimer Str. 96 67547 Worms

Prof. Dr. rer. nat. Jürgen Angerer

Tel: 09131/85-26131Fax: 09131/85-6126

Email: [email protected]

Institut für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin Schillerstraße 25/29, 91054 Erlangen

Tel.: 09131/85-22312Fax: 09131/85-22317

16.01.2002 Prof. Ang/Ga.

Sehr geehrter Herr Dr. Ruffing,

in Ihrem Schreiben vom 03.09.2001 haben Sie uns beauftragt in Ihrer Firma eine

Studie zur äußeren und inneren Belastung der Beschäftigten durch polykondensierte

aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK) durchzuführen.

Diese Untersuchungen fanden im Oktober des letzten Jahres statt. Heute teilen wir

Ihnen die Ergebnisse dieser Studie mit.

Fragestellung und Studienkollektiv

Untersucht wurden 134 Personen die an ihren Arbeitsplätzen mit bitumenhaltigen

Produkten umgingen. Dabei handelt es sich um geformte Beläge, die in erster Linie

dazu dienen, eine Geräuschdämpfung in Kraftfahrzeugen zu gewährleisten. Es war

nun zu klären, welchen äußeren und inneren PAK-Belastungen diese Personen bei

der Herstellung dieser Dämpfungsmaterialien ausgesetzt sind und ob sie größere

Mengen an PAK aufnehmen als die Allgemeinbevölkerung. Bei diesen

Untersuchungen sollten Hinweise gewonnen werden, ob beim Umgang mit

bitumenhaltigen Materialien PAK inhalativ, dermal oder oral aufgenommen werden.

Poliklinik, Kochstraße 19, 91054 Erlangen Betriebsärztliche Dienststelle, Harfenstraße 18, 91054 Erlangen Analytisch toxikologische Laboratorien, Schillerstraße 25 und Universitätsstraße 42, 91054 Erlangen

Tel.: 09131/85-29221Tel.: 09131/85-23666Tel.: 09131/85-22374

Zum Vergleich wurden 65 Personen der Firma CWW-Gerko untersucht, die keinerlei

beruflichen Kontakt mit Bitumen hatten (Verwaltung).

Mittels eines Fragebogens wurden Angaben zur Person, Arbeitsplatz,

Rauchverhalten, persönliche Schutzausrüstungen etc. erhoben. Ein Muster dieses

Fragebogens liegt diesem Brief bei.

Analytische Bestimmungen

Äußere Belastung

Die Probenahme zur Bestimmung der PAK-Konzentration in der Raumluft erfolgte

personenbezogen. Dazu wurden die Beschäftigten mit einer tragbaren Pumpe

ausgestattet, die mit konstantem Volumenfluss Umgebungsluft durch ein

Probenahmesystem saugte, das aus einem Glasfaserfilter und einem dahinter

geschalteten XAD-2 Absorptionsröhrchen bestand. Bei einer Tragezeit von 180

Minuten betrug das untersuchte Luftvolumen wenigstens 250 l. Die analytische

Bestimmung der Probenträger wurde in Anlehnung an das „NIOSH-Verfahren“ 5506

durchgeführt. Quantifiziert wurden dabei die Verbindungen Naphthalin,

Acenaphthylen, Acenaphthen, Fluoren, Phenanthren, Anthracen, Fluoranthen, Pyren,

Benz[a]anthrazen, Chrysen, Benzo[b]fluoranthen, Benzo[k]fluoranthen,

Benzo[a]pyren, Benzo[ghi]perylen, Indeno[1,2,3-cd]pyren und

Dibenzo[a,h]anthracen. Die Auswahl dieser Verbindungen folgt einem Vorschlag der

US Environmental Protection Agency. In Deutschland dient derzeit allein das

Benzo[a]pyren als Leitsubstanz einer PAK-Belastung.

Zur analytischen Bestimmung werden die PAK mittels Acetonitril von den stationären

Phasen eluiert, hochdruckflüssigkeitschromatographisch aufgetrennt und

fluorimetrisch detektiert. Die Nachweisgrenzen für die einzelnen schwerflüchtigen

PAK liegen zumeist deutlich unter 0,2 µg/m3. Die ist ein Zehntel der für

Benzo[a]pyren gültigen Technischen Richtkonzentration. Für die niedrig

kondensierten PAK werden die ungünstigsten Nachweisgrenzen für Acenaphthylen

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ermittelt 0,925 µg/m3. Die Nachweisgrenzen stellen sich für Phenanthren und Pyren

deutlich günstiger da.

Innere Belastung

Hydroxypyren, Hydroxyphenanthrene

Hydroxypyren und Hydroxyphenanthren wurden in Spontanharnproben bestimmt, die

nach mehreren Arbeitsschichten abgenommen worden waren.

Zur Bestimmung der Metabolite des Pyrens und des Phenanthrens wurde ein

Verfahren eingesetzt, dass von der Senatskommission zur Prüfung

gesundheitsschädlicher Arbeitsstoffe der Deutschen Forschungsgemeinschaft

erarbeitet und hinsichtlich seiner Zuverlässigkeit geprüft worden ist (DFG 1999).

Dieses Verfahren haben wir bezüglich seiner Nachweisgrenzen weiter optimiert. Bei

dieser Methode werden die hydroxylierten PAK enzymatisch aus ihren Konjugaten

freigesetzt und anschließend selektiv angereichert. Nach

hochdruckflüssigkeitschromatographischer Trennung der Metabolite erfolgt deren

Nachweis mittels eines Fluoreszenzdetektors. Die Nachweisgrenzen liegen zwischen

4 und 16 ng/l. Die Präzision mit der die Metabolite über die Zeit hinweg bestimmt

werden können, beträgt 3 bis 9%.

Cotinin im Urin

Cotinin ist ein Metabolit des Nikotin. Die Cotininausscheidung im Harn wird daher

heute weltweit eingesetzt um das Rauchverhalten bzw. eine Passivrauchbelastung

zu objektivieren. Zur Bestimmung dieses Parameters haben wir ein

hochdruckflüssigkeitschromatographisches Verfahren erarbeitet, bei der das Cotinin

nach Derivatisierung hochdruckflüssigkeitschromatographisch abgetrennt und mittels

UV/VIS-Detektor bestimmt wird. Diese Methode wurde mit einem unabhängigen

gaschromatographischen Verfahren validiert (DFG 2001). Die Nachweisgrenze des

Verfahrens liegt bei ca. 5 µg/l, die Präzision von Tag zu Tag bei 4 bis 6%.

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Kreatinin

Den Kreatiningehalt der Harnproben haben wir mittels der sogenannten Jaffe’

Methode in Form in der Pikrate photometrisch bestimmt.

Qualitätssicherung

Die Methoden die zur Bestimmung der inneren Belastung eingesetzt wurden, wurden

unter den Bedingungen der statistischen Qualitätskontrolle auf ihre Präzision geprüft.

Die Ergebnisse sind dokumentiert. Zur Prüfung der Richtigkeit, mit der wir diese

Parameter bestimmen, hat sich unser Labor an entsprechenden nationalen und

internationalen Ringversuchen beteiligt. Für diese Parameter liegen gültige Zertifikate

vor.

Die Qualitätssicherung der Schadstoffanalytik in Luft hat bisher nicht den

technischen Stand erreicht, der bei der Analyse biologischen Materials heute

gegeben ist. So liegen Kontrollmaterialien für die PAK-Bestimmung nicht vor.

Ringversuche zur PAK-Bestimmung in Luft haben bisher in Deutschland nur zweimal

stattgefunden. An diesen Ringversuchen haben wir uns beteiligt.

Ergebnisse

Äußere Belastung

Die Ergebnisse der Raumluftanalysen sind in der Tabelle 5 im einzelnen dargestellt.

Die Tabelle „PAK-Belastungen in Luft I“ (Tabelle 5) enthält die Ergebnisse für die

leichter flüchtigen PAK, die sich auf der XAD-Phase befinden, weil sie nicht auf dem

Partikelfilter zurückgehalten werden. Viele Messergebnisse liegen unterhalb der

analytischen Nachweisgrenze. Das gilt v.a. für Acenaphthylen, Acenaphthen und

Anthracen. Für Phenanthren und Pyren, deren Metaboliten im Harn zur Abschätzung

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der inneren Belastung herangezogen werden, werden Spitzenwerte von 0,562 bzw.

0,964 µg/m3 gemessen. Die höchste Raumluftkonzentration ergab Naphthalin mit

Werten bis 11,6 µg/m3. Der Grenzwert in der Luft am Arbeitsplatz (Luftgrenzwert)

beträgt bei Naphthalin 50.000 µg/m³.

Weil Benzo[a]pyren in Deutschland als „Indikatorsubstanz“ für eine PAK-Belastung

herangezogen wird, kommt ihrer Bestimmung in der Luft große Bedeutung zu. Die

technische Richtkonzentration (TRK), die zur Beurteilung der Arbeitsplätze der Firma

CWW Gerko herangezogen werden müsste, beträgt 2 µgBaP/m3. Tatsächlich aber

liegen alle gemessenen Werte unter der jeweiligen analytischen Nachweisgrenze

zwischen 0,047 und maximal 0,112 µg/m3 (PAK-Belastungen in Luft II, Tabelle 5).

D.h. an den Arbeitsplätzen der Firma CWW Gerko sind die BaP-Konzentrationen in

der Luft mindestens 20mal niedriger als der einschlägige Grenzwert. Von den

übrigen höher kondensierten PAK liegen nur für Benzo[ghi]perylen und

Indeno[1,2,3-cd]pyren einige positive Messwerte vor. Zusammenfassend ergibt sich,

dass in erster Linie Belastungen durch leichtflüchtige PAK auftreten, wobei die

Höchstwerte für Naphthalin ermittelt wurden.

Innere Belastung

Die Ergebnisse der Bestimmung der inneren Belastung durch PAK sind in den

anliegenden Tabellen und Abbildungen dargestellt.

Ein Vergleich zeigt, dass die Ausscheidung der PAK-Metaboliten bei Beschäftigten

im Bereich der Produktion höher liegt, als bei den in der Verwaltung tätigen

Mitarbeiter (Tabelle 1; Abbildungen 1 und 2). Der Anstieg der PAK-

Metabolitenausscheidung gegenüber dem Vergleichskollektiv ist bei der

Hydroxypyrenausscheidung stärker ausgeprägt als bei der Ausscheidung der

hydroxylierten Phenanthrene. Die Medianwerte und 95. Perzentile für Hydroxypyren

betragen beim Vergleichskollektiv 0,048 und 0,098 µg/gKreatinin. Die

entsprechenden Werte liegen bei den Arbeitern in der Produktion bei 0,077 und

0,219 µg/gKreatinin. Bei den Hydroxyphenanthrenausscheidungen beträgt der

Medianwert und das 95. Perzentil für das Vergleichskollektiv 0,496 bzw. 0,872

µg/gKreatinin. Bei den Arbeitern in der Produktion sind die betreffenden Werte 0,548

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und 1,310 µg/gKreatinin. Alle diese Angaben betreffen die Nichtraucher aus den beiden Kollektiven. Erwartungsgemäß finden sich im Harn von Rauchern höhere

PAK-Konzentrationen. Die durch Rauchen erworbene PAK-Belastung des

Vergleichkollektivs ist höher als die der nichtrauchenden Produktionsarbeiter

(Hydroxypyren, Median: 0,158 vs 0,077 µg/gKreatinin). Trotzdem zeigt sich auch bei

den Rauchern der Trend zu höheren PAK-Metabolitenausscheidungen bei den

Probanden, die im Bereich der Produktion tätig sind. Die Medianwerte für die

Hydroxypyrenausscheidung der beiden Kollektive betragen 0,158 µg/gKreatinin

(Vergleichskollektiv) und 0,196 µg/gKreatinin (Produktion) (Tabelle1).

Diese Ergebnisse zeigen, dass es im Bereich der Produktion zu einer zusätzlichen

Aufnahme von PAK kommt. Diese zusätzliche Belastung ist allerdings als geringfügig

einzustufen. Im Rahmen des Umweltsurvey 1998 des Umweltbundesamtes ergab

sich für die Hydroxypyrenausscheidung des nichtrauchenden Teils der deutschen

Allgemeinbevölkerung ein Medianwert von 0,083 µg/gKreatinin und ein 95. Perzentil

von 0,287 µg/gKreatinin (n=389) . Die entsprechenden Werte im Bereich der

Produktion von CWW Gerko sind 0,077 µg/gKreatinin bzw. 0,219 µg/gKreatinin. Auch

der höchste Einzelwert im Bereich der Produktion ist mit 0,353 µg/gKreatinin unter

dem entsprechenden Wert der Allgemeinbevölkerung von 0,901 µg/gKreatinin. Dies

bedeutet, dass die zusätzliche im Bereich der Produktion der Firma CWW Gerko

auftretende PAK-Belastung sich nicht von der Hintergrundbelastung der

Allgemeinbevölkerung unterscheidet. In diesem Zusammenhang ist hervorzuheben,

dass die gemessene innere Belastung an den Arbeitsplätzen die inhalative, dermale

und orale Aufnahme von PAK einschließt. Bei vielen der Arbeitsgänge kommt es

nämlich zu einem direkten Hautkontakt mit den bitumenhaltigen Produkten. Es ist

also nicht zu erwarten, dass bei der Verarbeitung der Dämmmatten höhere PAK-

Belastungen auftreten, als bei ihrer Herstellung. Beim Gebrauch dieser Produkte

kann davon ausgegangen werden, dass ein dermaler Kontakt und damit dieser

Aufnahmeweg keine Rolle spielt.

In der Tabelle 2 werden die Ergebnisse der inneren Belastung in Abhängigkeit von

den Arbeitsplätzen dargestellt. Es zeigt sich, dass die Medianwerte für die

Hydroxypyrenausscheidung der Nichtraucher im Bereich der Produktion zumeist

niedriger liegen als der Medianwert des nichtrauchenden Teils der

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Allgemeinbevölkerung in Deutschland (Umweltsurvey) (0,083 µg/gKreatinin). Höhere

Medianwerte treten dagegen auf bei den Stapelfahrern (0,111 µg/gKreatinin) und

insbesondere bei den Kalanderführern (0,143 µg/gKreatinin). Obwohl im letzteren

Fall nur Werte von zwei Personen vorliegen, könnte die höhere

Verarbeitungstemperatur der bitumenhaltigen Arbeitsstoffe zu einer höheren PAK-

Belastung führen. Im Kalanderbereich treten an der Materialoberfläche

(Kalandertrichter – Zuführvorrichtung), rezepturabhängig, Temperaturen von 140 –

180°C auf.

Die Ergebnisse der Cotininbestimmungen in Urin sind in Tabelle 4

zusammengefasst.

Tabelle 3 enthält eine anonymisierte Auflistung aller Probanden und der im Urin

gemessenen PAK-Konzentrationen.

Abschließend dürfen wir uns herzlich für die gute Zusammenarbeit mit Ihnen und

Ihren Mitarbeitern bedanken. Wir sind gerne bereit die Ergebnisse mit Ihnen zu

diskutieren. Die Probanden erhalten von uns in Kürze ihre individuellen Befunde.

Mit besten Grüßen

Prof. Dr. H. Drexler Prof. Dr. J. Angerer

Anlagen