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Migrationsamt Fachstelle Integration Integrationsbericht: Situation der Ausländerinnen und Ausländer im Kanton Thurgau Bestandes- und Bedarfsanalyse im Jahr 2011/2012

Integrationsbericht: Situation der Ausländerinnen und ... · Für eine nachhaltige Integrationsförderung braucht es prioritär zusätzliche Mass-nahmen im Bereich der Frühen Förderung,

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MigrationsamtFachstelle Integration

Integrationsbericht: Situation der Ausländerinnen und Ausländer im Kanton Thurgau

Bestandes- und Bedarfsanalyse im Jahr 2011/2012

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Impressum

Herausgeber: Departement Justiz und Sicherheit des Kantons Thurgau Migrationsamt, Fachstelle Integration

Autorinnen und Autor: Oliver Lind, Bettina Vincenz, Migrationsamt, Fachstelle Integration

Ruth Vogt, KEK-CDC Consultants Zürich

Titelbild © Bundesamt für Migration (BFM)

Copyright: Departement Justiz und Sicherheit des Kantons Thurgau

Ausser für die kommerzielle Nutzung ist der Abdruck unter Angabe der Quelle gestattet.

Frauenfeld, Juli 2012

Page 3: Integrationsbericht: Situation der Ausländerinnen und ... · Für eine nachhaltige Integrationsförderung braucht es prioritär zusätzliche Mass-nahmen im Bereich der Frühen Förderung,

Inhaltsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis 3 Abbildungsverzeichnis 5 Tabellenverzeichnis 5 Zusammenfassung 6 1 Einleitung 9 1.1 Hintergrund und politischer Auftrag 9 1.2 Vorgehen 9

2 Demografische Ausgangslage 10 2.1 Ausländeranteil und wichtigste Herkunftsländer 10 2.2 Neuzuziehende 11 2.3 Aufenthaltsstatus der ausländischen Wohnbevölkerung 12 2.4 Einbürgerungen im Kanton Thurgau 12 2.5 Bedeutung der ausländischen Wohnbevölkerung für den Arbeitsmarkt 12 2.6 Bevölkerungsprognosen bis 2035 13

3 Integrationsverständnis 14 3.1 Ziel der Integrationspolitik 15 3.2 Grundprinzipien der Integrationspolitik 15 3.3 Akteure im Integrationsprozess 15 3.3.1 Aufnahmegesellschaft 16 3.3.2 Ausländerinnen und Ausländer 16 3.3.3 Staatliche Akteure 16 3.3.4 Nichtstaatliche Akteure 17

4 Rechtsgrundlagen 18 4.1 Bundesebene 18 4.1.1 Personenfreizügigkeit mit der EU 18 4.1.2 Bundesgesetz über die Ausländerinnen und Ausländer 18 4.1.3 Besonderheiten bei vorläufig Aufgenommenen und anerkannten Flüchtlingen 19 4.1.4 Integration als Voraussetzung in Bewilligungsverfahren 19 4.2 Kantonsebene 20

5 Stand der Integrationsförderung im Kanton Thurgau 20 5.1 Information und Beratung 21 5.1.1 Erstinformation der ausländischen Wohnbevölkerung 21 5.1.2 Integrationsvereinbarungen 23 5.1.3 Kompetenzzentren Integration 25 5.1.4 Information und Koordination der Regelstrukturen 27 5.1.5 Information der Gesamt-Bevölkerung 28 5.1.6 Schutz vor Diskriminierung 28

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5.2 Bildung und Arbeit 30

5.2.1 Sprachkurse 30 5.2.2 Vorschulische und schulische Bildung 33 5.2.3 Berufsbildung bei der ausländischen Wohnbevölkerung 43 5.2.4 Validierung ausländischer Abschlüsse und Validation des acquis 47 5.2.5 Arbeitsintegration bzw. Arbeitslosigkeit 47 5.2.6 Sozialhilfeabhängigkeit 50

5.3 Verständigung und gesellschaftliche Integration 53 5.3.1 Integration ins Gemeindeleben (Gemeindeleben, Vereine, Sport) 53 5.3.2 Religion 55 5.3.3 Partizipationsmöglichkeiten an politischen Prozessen 57 5.3.4 Interkulturelles Übersetzen 58

5.4 Gesundheit 59 5.4.1 Gesundheitsförderung und Prävention 59 5.4.2 Kurative Medizin 61 5.4.3 Alter 61

5.5 Öffentlicher Raum und Sicherheit 62

6 Finanzierung 63 6.1 Bisherige Finanzierung der spezifischen Integrationsförderung 63 6.2 Neue Finanzregelungen der spezifischen Integrationsförderung 65

7 Datenlage und Controlling 66 8 Fazit zum Stand der Integrationsförderung im Kanton Thurgau 66 9 Handlungsbedarf 67 9.1 Koordination der Integrationsförderung im Kanton 68 9.2 Handlungsbedarf in den Regelstrukturen 68 9.3 Handlungsbedarf der spezifischen Integrationsförderung 69 9.4 Weiteres Vorgehen 70

10 Anhang 72 10.1 Projektorganisation 72 10.2 Zusammensetzung der Expertinnen- und Experten-Workshops 73 10.3 Massnahmen zum Diskriminierungsschutz in den kantonalen Ämtern und Stellen 74 10.4 Übersicht Sprachkurse (subventioniert durch kantonale Fachstelle Integration und

Bund, 2010) 75 10.5 Übersicht Angebote im Bereich Frühe Förderung 76 10.6 Zuständigkeiten in der Sozialhilfe für Personen im Asylprozess und bei anerkannten

Flüchtlingen im Kanton Thurgau 77 10.7 Tabellarische Übersicht Bedarf 78

11 Literaturverzeichnis 90

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Abkürzungsverzeichnis

ABB Amt für Berufsbildung und Berufsberatung

ALV Arbeitslosenversicherung

AMH Amt für Mittel- und Hochschulen

AsylG Asylgesetz

AuG Bundesgesetz über die Ausländerinnen und Ausländer

AV Amt für Volksschule

AVIG Bundesgesetz über die Arbeitslosenversicherung

AWA Amt für Wirtschaft und Arbeit

BBT Bundesamt für Berufsbildung und Technologie

BFM Bundesamt für Migration

BFS Bundesamt für Statistik

DaZ Deutsch als Zweitsprache

DEK Departement für Erziehung und Kultur

DFS Departement für Finanzen und Soziales

DLZ Dienstleistungszentrum

DIV Departement für Inneres und Volkswirtschaft

DIGO Dachverband islamischer Gemeinden der Ostschweiz und des Fürsten-tums Liechtenstein

DJS Departement für Justiz und Sicherheit

EBA Eidgenössisches Berufsattest

EDK Schweizerische Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren

EFB Ehe- und Familienberatung Thurgau

EKM Eidgenössische Kommission für Migrationsfragen

EKR Eidgenössische Kommission gegen Rassismus

FFI Fachstelle für Integration der Stadt Frauenfeld

FI Kantonale Fachstelle Integration Thurgau

FSO Fürsorgeamt

FZA Personenfreizügigkeitsabkommen

GA Gesundheitsamt

GER Gemeinsamer europäischer Referenzrahmen für Sprachen

GMS Gesellschaft Minderheiten in der Schweiz

GRA Stiftung gegen Rassismus und Antisemitismus

HEKS Hilfswerk der Evangelischen Kirchen Schweiz

HPV Humane Papillomviren (zu HPV-Impfung)

HSK Heimatliche Sprache und Kultur

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IIZ Interinstitutionelle Zusammenarbeit

JUSO JungsozialistInnen

KAZD Kantonsärztlicher Dienst

KID Schweizerische Konferenz der Integrationsdelegierten

KJF Fachstelle Kinder-, Jugend- und Familienfragen

KoFI Schweizerische Konferenz der Fachstellen für Integration

MIA Migrationsamt

MVB Mütter- und Väterberatung

PHTG Pädagogische Hochschule Thurgau

RAV Regionale Arbeitsvermittlungsstelle

RRV Regierungsrätliche Verordnung

SECO Staatssekretariat für Wirtschaft

SFM Schweizerisches Forum für Migrations- und Bevölkerungsstudien

SODK Konferenz der kantonalen Sozialdirektoren

TAGEO Thurgauische Arbeitsgemeinschaft für Elternorganisationen

TAK Tripartite Agglomerationskonferenz

VIntA Verordnung über die Integration von Ausländerinnen und Ausländern

VTG Verband Thurgauer Gemeinden

VTGS Verband Thurgauer Schulgemeinden

ZHAW Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften in Winterthur

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Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1 Ständige ausländische Wohnbevölkerung nach Staatsangehörigkeit, Kanton Thurgau 2011

S. 11

Abbildung 2 Komponenten der Bevölkerungsentwicklung im Kanton Thurgau, 2010-2035

S. 14

Abbildung 3 Geografische Verteilung der Integrativen Deutschkurse, Kanton Thurgau 2012

S. 31

Abbildung 4 Erstsprache im Kindergarten, Kanton Thurgau 2010/11 S. 38

Abbildung 5 Sozialhilfequoten nach Nationalität und Geschlecht, Kanton Thurgau (rechts) und Schweiz (links) 2010

S. 50

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1 Finanzielle Mittel für spezifische Integrationsförderung im Kanton Thurgau, 2011 und 2012

S. 64

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Zusammenfassung

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Zusammenfassung

Ausgangslage

Aufgrund der Ergebnisse eines politisch breit abgestützten Prozesses richtet der Bund die spezifische Integrationsförderung ab 2014 neu aus. Er wird seine Beiträge ab 2014 im Rahmen umfassender kantonaler Integrationsprogramme auszahlen.

Die kantonalen Integrationsprogramme sollen in einem ersten Teil – dem Integrati-onsbericht – eine Bestandeserhebung und eine Bedarfsanalyse der Integrations-massnahmen im Kanton enthalten, die sich sowohl auf die Regelstrukturen als auch auf die spezifische Integrationsförderung beziehen und die Schnittstellen zwischen diesen aufzeigen. In einem zweiten Teil ist, gestützt auf die Erkenntnisse des Integ-rationsberichtes, ein Aktionsplan für die spezifische Integrationsförderung für die Jah-re 2014-2017 zu erarbeiten.

Der Regierungsrat des Kantons Thurgau hat am 31. Mai 2011 beschlossen, ein kan-tonales Integrationsprogramm für die Jahre 2014 bis 2017 auszuarbeiten. Das Pro-gramm wird es dem Kanton Thurgau erlauben, seine Integrationsmassnahmen wei-terzuführen sowie innerhalb der kantonalen Verwaltung und zwischen dem Kanton, den Gemeinden und privaten Organisationen besser zu koordinieren und Lücken zu schliessen.

Ziel des vorliegenden Integrationsberichtes ist es somit, einerseits die aktuelle Situa-tion rund um die Integration der ausländischen Wohnbevölkerung im Kanton Thurgau darzustellen, und andererseits den weiteren Bedarf an Massnahmen zu erheben. Er zeigt in den wichtigsten integrationsrelevanten Themenbereichen die Probleme, die Angebote und die Lücken auf und skizziert den Handlungsbedarf in all diesen Berei-chen.

Der Bericht zeigt auf, dass die Integration der ausländischen Wohnbevölkerung im Thurgauer Alltag bei der Mehrheit der Ausländerinnen und Ausländer gut gelingt. Die Bereitschaft und die Fähigkeit zur Integration sind bei den Ausländerinnen und Aus-ländern mehrheitlich vorhanden. Oft werden unkompliziert und pragmatisch auf priva-ter Ebene, aber auch auf Ebene der Gemeinden und des Kantons Lösungen für Probleme gesucht und gefunden.

Seit Jahren engagieren sich staatliche Akteure (Städte, Gemeinden und Kanton) und nicht-staatliche Akteure wie Vereine, Kirchen und Migrantenorganisationen und pri-vate Einzelpersonen für die Integration der Ausländerinnen und Ausländer. Der Kan-ton Thurgau beteiligt sich seit 2001 finanziell an Projekten zur Integrationsförderung und führt seit 2008 die Fachstelle Integration.

Einen grossen Beitrag an die Integration der Ausländerinnen und Ausländer leisten zudem die Arbeitgeber, die dank eines gut funktionierenden Arbeitsmarktes auch weiterhin Arbeitsstellen sowohl für die schweizerische als auch für die ausländische Wohnbevölkerung zur Verfügung stellen.

Der Bericht zeigt auf, dass schon Vieles erfolgreich für die Integration der ausländi-schen Wohnbevölkerung getan wird. Nach wie vor besteht aber Handlungsbedarf. In diversen Lebensbereichen ist noch keine Chancengleichheit für bestimmte Gruppen der ausländischen Wohnbevölkerung erreicht. Sie sind dadurch vermehrt mit Armut, sozialem Ausschluss oder verminderter Gesundheit konfrontiert. Durch die damit verbundenen Mehraufwendungen in den verschiedenen Gebieten ist auch die öffent-liche Hand davon betroffen. An einer Verbesserung der Integration besteht deshalb ein öffentliches Interesse. Erforderlich sind individuelle Anpassungsleistungen der

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Zusammenfassung

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Ausländerinnen und Ausländer selbst (z.B. Spracherwerb), Leistungen der Schwei-zerinnen und Schweizer (z.B. Offenheit gegenüber Fremden) und Leistungen der In-stitutionen und Organisationen der Aufnahmegesellschaft (z.B. Abbau von Hemm-schwellen für Beratungsleistungen).

Insbesondere besteht eine Chancenungleichheit bei Teilen der ausländischen Wohnbevölkerung im Schulbereich, im Berufsbildungsbereich, im Zugang zum Ar-beitsmarkt sowie im Zugang zum Gesundheitswesen. Sie ist zum grossen Teil Folge einer strukturellen Benachteiligung gewisser Bevölkerungsgruppen in den Regel-strukturen. Der Kanton Thurgau stellt hier im Vergleich zu anderen Kantonen keinen Ausnahmefall dar.

Die Folgen dieser Benachteiligungen haben zirkuläre Auswirkungen: Ungenügende Förderung im Kleinkindalter und ungenügende Sprachkenntnisse erschweren einen guten Schulabschluss, ein schlechter Schulabschluss erschwert das Absolvieren ei-ner Berufsausbildung. Eine fehlende Berufsausbildung erschwert den Einstieg in den Arbeitsmarkt und den Verbleib darin. Alle genannten Faktoren können zu einer schlechten Gesundheit und zu einer Sozialhilfeabhängigkeit führen. Umgekehrt kön-nen Eltern, die Sozialhilfebezüger sind, die arbeitslos und/oder schlecht qualifiziert sind, wiederum ihre Kinder möglicherweise weniger gut fördern als dies Eltern in pri-vilegierteren Verhältnissen tun können.

Diese Zusammenhänge gelten für Menschen unabhängig ihrer Nationalität. Aber bei Menschen mit einem Migrationshintergrund kumulieren sich ungünstige Faktoren häufiger als bei Schweizerinnen und Schweizern.

Handlungsbedarf

Integrationsförderung setzt die Offenheit und die Bereitschaft dafür in der Gesamtbe-völkerung voraus. Wichtig und auszubauen sind daher kontinuierliche Sensibilisie-rungs- und Informationstätigkeiten in Bezug auf die Migrationsthematik und die Chancengleichheit. Nur wenn die Notwendigkeit der Integration ausländischer Ein-wohnender breit akzeptiert wird, können auch weitere zu ergreifende Massnahmen erfolgreich umgesetzt werden.

Punktuell zeigt sich im Kanton Thurgau eine begrenzte Offenheit der einheimischen gegenüber der ausländischen Wohnbevölkerung, z.B. an der im Schweizer Vergleich niedrigen Einbürgerungsquote und den beschränkten Möglichkeiten zur politischen Partizipation für die ausländische Wohnbevölkerung. Zu solchen Fragen braucht es eine breite Diskussion, die zu tragfähigen Lösungen führt.

Eine gelingende Integrationsförderung setzt das gute Zusammenspiel der spezifi-schen Integrationsförderung mit den Regelstrukturen voraus. Es ist darum ein Gre-mium zu schaffen, dessen Aufgabe es ist, alle auf kommunaler und auf kantonaler Ebene zur Verbesserung der Chancengleichheit von Ausländerinnen und Ausländern ergriffen Massnahmen zu koordinieren. In diesem Koordinations-Gremium sind so-wohl die integrationsrelevanten kantonalen Departemente und Ämter als auch die Gemeinden mit deren integrationsrelevanten Institutionen vertreten.

Integrationsförderung muss vor allem in den Regelstrukturen stattfinden. Dieser Grundsatz, der im Kanton Thurgau schon bisher galt, gilt auch weiterhin. Die spezifi-sche Integrationsförderung ergänzt dort die Regelstrukturen, wo es spezifische Zu-satzangebote aufgrund besonderer Voraussetzungen bei den betroffenen Gruppen von Ausländerinnen und Ausländern braucht, um diesen den Zugang zu den Regel-

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Zusammenfassung

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strukturen zu erleichtern. Zudem kann die spezifische Integrationsförderung den Re-gelstrukturen informierend, beratend und unterstützend zur Seite stehen, wo es um interkulturelle Fragen und neue Zugänge zu einer speziellen Betroffenengruppe geht.

Optimierungsbedarf gibt es bei den vorhandenen, der ganzen Bevölkerung zur Ver-fügung stehenden Versorgungsstrukturen im Hinblick auf einen Abbau von strukturel-len Zugangsbarrieren für bestimmte Gruppen der ausländischen Wohnbevölkerung, die aufgrund sprachlicher und/oder kultureller Unterschiede bestehen. Dies gilt schwerpunktmässig in Bezug auf den Übergang von der Schulbildung in die Berufs-bildung und den Übergang von der Berufsbildung in den Arbeitsmarkt sowie im Ge-sundheitswesen und in der Sozialhilfe. Gefördert werden muss hierzu die Weiterbil-dung der in diesen Systemen Beschäftigten hinsichtlich ihrer interkulturellen Kompe-tenz sowie der Einsatz von interkulturellen Übersetzerinnen und Übersetzern zum Abbau von Zugangsbarrieren.

Stärker gefördert werden sollen nachhaltige anstelle von punktuellen Integrations-massnahmen: So soll die Schul- und Berufsbildung Priorität haben vor einer raschen, aber meist nicht nachhaltigen Annahme einer Arbeitsstelle. Voraussetzung dazu ist der Spracherwerb und damit weiterhin die Förderung von Sprachkursen. Die Ge-meinden sollen über die diesbezüglichen Möglichkeiten besser informiert und bera-ten werden.

Für eine nachhaltige Integrationsförderung braucht es prioritär zusätzliche Mass-nahmen im Bereich der Frühen Förderung, im Bereich der Schulbildung und am Übergang zur Berufsbildung für spätzugezogene Kinder, Jugendliche und junge Er-wachsene, hier insbesondere für vorläufig Aufgenommene und anerkannte Flüchtlin-ge. Zudem werden für diese beiden Gruppen (die meist nicht bei der Arbeitslosen-versicherung bezugsberechtigt sind) spezifische Fördermassnahmen für den Zugang zum Arbeitsmarkt benötigt.

Verbessert werden muss die Informationstätigkeit über bestehende Integrationsan-gebote und die damit verbundenen Finanzierungsmöglichkeiten. Die Information muss sich sowohl an die betroffenen Ausländerinnen und Ausländern richten als auch an die Gemeinden, an die kantonalen Ämter und an die weiteren Akteure der Integrationsförderung.

Der Aufbau weiterer regionaler Kompetenzzentren sowie eine umfassende Informati-onsplattform können hier wesentlich zu einer Verbesserung beitragen.

Aufzubauen ist zudem in Absprache mit den Gemeinden ein System zur Erstinforma-tion von neuzuziehenden Ausländerinnen und Ausländern.

Die Neuausgestaltung der Finanzierungsregelung zwischen dem Bundesamt für Mig-ration und den Kantonen bringt es mit sich, dass die Angebote der spezifischen In-tegrationsförderung in Form eines Programmes und mit Hilfe eines wirkungsorientier-ten Controllings gesteuert werden müssen. Beides ist neu aufzubauen. Zudem müs-sen die zukünftigen Finanzierungsabläufe zwischen Kanton, den Gemeinden und weiteren Akteuren geklärt werden.

Gestützt auf die Ergebnisse des vorliegenden Integrationsberichtes wird der Gesamt-Regierungsrat Aufträge zur Ausarbeitung von Massnahmenpaketen in den einzelnen Themenbereichen an die zuständigen Departemente erteilen. Vertretungen der Ge-meinden, der Schulgemeinden und weiterer Akteure der Integrationsförderung sind in die Ausarbeitung der Massnahmen einzubeziehen.

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Einleitung

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1 Einleitung

1.1 Hintergrund und politischer Auftrag

Seit 2001 sind auf Bundesebene wesentliche Entwicklungen in der Integrationsförde-rung in Gang gesetzt worden (revidiertes Asylgesetz, neues Ausländergesetz, revi-dierte Verordnung über die Integration von Ausländerinnen und Ausländern, Mass-nahmenpaket Integration des Bundes). Anlässlich des ersten Schwerpunktprogram-mes 2001-2003 des Bundes erteilte der Regierungsrat des Kantons Thurgau im März 2001 einer Arbeitsgruppe den Auftrag, die Integrationsaufgaben im Kanton Thurgau zu prüfen. Daraus resultierte im April 2002 ein interner Bericht.

Viele der darin vorgeschlagenen Massnahmen wurden seither erfolgreich umgesetzt. Der „Bericht der kantonalen Fachstelle Integration über die Integration der ausländi-schen Bevölkerung im Kanton Thurgau“ vom Januar 2010 zeigt den damaligen Stand der Umsetzung im Bereich der spezifischen Integrationsförderung.

Aufgrund der Ergebnisse eines politisch breit abgestützten Prozesses und eines dar-aus resultierenden Berichtes der Tripartiten Agglomerationskonferenz (TAK) mit Empfehlungen zu Händen des Bundes, der Kantone und Gemeinden richtet der Bund die spezifische Integrationsförderung ab 2014 neu aus. Er wird seine Beiträge ab 2014 im Rahmen umfassender kantonaler Integrationsprogramme ausrichten.

Der Regierungsrat des Kantons Thurgau hat am 31. Mai 2011 beschlossen, ein kan-tonales Integrationsprogramm für die Jahre 2014 bis 2017 auszuarbeiten. Das Pro-gramm wird es dem Kanton Thurgau erlauben, seine Integrationsmassnahmen wei-terzuführen sowie innerhalb der kantonalen Verwaltung und zwischen dem Kanton, den Gemeinden und privaten Organisationen besser zu koordinieren und Lücken zu schliessen.

1.2 Vorgehen

Der Regierungsrat setzte zur Erarbeitung des kantonalen Programmes zur Integrati-onsförderung eine Projektorganisation1 ein. Diese umfasst einen Lenkungsaus-schuss unter der Leitung des Chefs des Departementes für Justiz und Sicherheit (DJS) und eine Steuergruppe unter der Leitung des kantonalen Integrationsdelegier-ten.

In der Steuergruppe vertreten waren kantonale Ämter, eine Vertretung des Verban-des der Thurgauer Gemeinden (VTG) sowie eine Vertretung der regionalen Kompe-tenzzentren.

Eine Begleitgruppe mit einer Vertretung des Verbandes der Thurgauer Schulgemein-den (VTGS) und weiteren Fachleuten aus der spezifischen Integrationsförderung nimmt gegenüber der Projektleitung eine beratende Funktion ein und gibt fachliche Stellungnahmen zu Zwischenberichten im Erarbeitungsprozess des kantonalen In-tegrationsprogrammes ab.

Die Basis für den vorliegenden Integrationsbericht waren die Analyse bestehender Unterlagen und Statistiken2, eine Befragung bei den Gemeinden im Jahr 2010 (durchgeführt durch die kantonale Fachstelle Integration) sowie eine Befragung von

1 Vgl. Anhang 10.1 Projektorganisation. 2 Es wurden soweit vorhanden statistische Angaben aus dem Jahr 2011 bzw. 2012 verwendet. Wo

dies nicht möglich war, wurde auf weiter zurück liegende Daten zurückgegriffen.

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Demografische Ausgangslage

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kantonalen Ämtern im Jahr 2011 (durchgeführt durch KEK-CDC Consultants), ergän-zende Befragungen privater Akteure sowie themenspezifische Workshops mit Fach-expertinnen und –experten.3

Zur Verfügung standen zudem die Ergebnisse einer im Jahr 2011 vom VTG durchge-führten Befragung der Gemeinden und Schulpräsidien zum Bestand und Bedarf an Deutschkursen und Früher Förderung in den Gemeinden. Ergänzende Gespräche fanden insbesondere mit den Sozialpartnern und dem Vorstand des VTG statt, der VTGS wurde über dessen Vertretung in der Begleitgruppe einbezogen.

Der vorliegende Integrationsbericht gibt erstmals eine breite und ausführliche Über-sicht über den Stand der Integrationsförderung von Ausländerinnen und Ausländern im Kanton Thurgau. Entlang von integrationsrelevanten Themenbereichen werden jeweils folgende Aspekte dargestellt: Die bekannten wichtigsten Probleme, die einer Chancengleichheit von ausländischer Wohnbevölkerung und Einheimischen entge-genwirken, die geltenden Rahmenbedingungen und die bestehenden integrationsför-dernden Massnahmen der Regelstrukturen und der spezifischen Integrationsförde-rung. Darauf aufbauend wird der zukünftige Bedarf an Integrationsmassnahmen skizziert.

Der Integrationsbericht des Kantons Thurgau ist Bestandteil des kantonalen Integra-tionsprogrammes. Gestützt darauf wird der Gesamt-Regierungsrat Aufträge an die zuständigen Departemente zur Ausarbeitung von konkreten Massnahmen erteilen.

Daraus wird auch ein Aktionsplan für die spezifische Integrationsförderung resultie-ren. Dieser wird zusammen mit diesem Integrationsbericht das kantonale Integrati-onsprogramm 2014-2017 bilden.

2 Demografische Ausgangslage

2.1 Ausländeranteil und wichtigste Herkunftsländer

Die gesamte ständige ausländische Wohnbevölkerung im Kanton Thurgau umfasste Ende 2011 mit 55‘091 Personen rund 22% der Gesamtbevölkerung (Schweiz: 22%).4 Gegenüber dem Vorjahr entspricht dies einer Zunahme von 4.1%. Damit wuchs die ausländische Wohnbevölkerung im Kanton Thurgau etwas stärker als in den Vorjah-ren, blieb aber deutlich unter dem starken Zustrom, der im florierenden Wirtschafts-jahr 2008 beobachtet worden war (Zum Vergleich: im Jahr 1990 waren es 17.7%, im Jahr 2000 18.6%).

Insgesamt lebten 2011 im Kanton Thurgau Menschen aus 135 Nationen.5 Die fol-gende Grafik zeigt deren Verteilung auf die Nationalitäten:

3 Vgl. Anhang 10.2: Zusammensetzung der Expertinnen- und Expertenworkshops. 4 Quelle: Bundesamt für Statistik; Zahlen für die Schweiz: Stand Ende 2010. Daten für das Jahr

2011 sind ab Ende August 2012 verfügbar. 5 Angaben der Dienststelle für Statistik des Kantons Thurgau.

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Demografische Ausgangslage

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33.0%

15.0%

12.0%

7.0%

5.0%

5.0%

3.0%

3.0%

2.0%2.0%

13.0% Deutschland

Italien

Mazedonien

Portugal

Serbien

Türkei

Österreich

Kosovo

Bosnien und Herzegowina

Spanien

Übrige

100% = 55'091 Personen

Grafik: KEK-CDC ConsultantsQuelle: Bundesamt für Migration, ZEMIS

Abbildung 1: Ständige ausländische Wohnbevölkerung nach Staatsangehörigkeit, Kanton Thurgau 2011

In den vergangenen Jahrzehnten hat sich die Ausländerstruktur im Thurgau deutlich verändert. So hat sich die Zahl der italienischen und spanischen Kantonseinwohne-rinnen und Kantonseinwohner seit 1970 mehr als halbiert. Im gleichen Zeitraum hat die Bevölkerung aus Ex-Jugoslawien, der Türkei und Portugal stark zugenommen.

In den letzten Jahren war eine markante Zunahme der deutschen Wohnbevölkerung zu beobachten. Diese Wachstumsdynamik hat sich im Jahr 2011 etwas abge-schwächt. Deutsche Staatsangehörige bildeten mit einem Anteil von 33% Ende 2011 die grösste Gruppe innerhalb der ständigen ausländischen Wohnbevölkerung.

2.2 Neuzuziehende

Im Jahr 2011 sind 3’581 ausländische Personen in den Kanton Thurgau zugezogen. Bei den Einwanderungsgründen gab es 2011 zwei Hauptgruppen: 1’685 (47.1%) kamen wegen einer Erwerbstätigkeit ohne Kontingentierung, 1’055 (29.5%) reisten im Rahmen des Familiennachzugs ein.

58.4% aller neu Zugewanderten sind erwerbstätig. Von den eingewanderten Er-werbstätigen ist die Mehrheit zwischen 20 und 39 Jahre alt.

Personen, die 2011 zuwanderten, stammten zu 86.0% aus EU und EFTA Staaten.6 Die grössten Personengruppen stellten dabei die Folgenden dar: 2‘028 Personen (56.6%) wanderten aus Deutschland zu, 195 aus Portugal (5.5%), 146 aus der Slo-

6 Quelle: BFM.

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Demografische Ausgangslage

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wakei (4.1%), 133 aus Ungarn (3.7%), 130 aus Italien (3.6%) und 126 aus Polen (3.5%).7

2.3 Aufenthaltsstatus der ausländischen Wohnbevölkerung

Von der ausländischen Wohnbevölkerung im Kanton Thurgau ist jede oder jeder Vierte bereits in der Schweiz geboren. 70% (rund 37‘300 Personen) aller Auslände-rinnen und Ausländer haben eine Niederlassungsbewilligung (Ausweis C), weitere 28% (rund 15‘200 Personen) haben eine Jahresaufenthaltsbewilligung (Ausweis B).

Die nichtständige Wohnbevölkerung umfasst insgesamt rund 2'100 Personen. 85% davon sind Kurzaufenthalterinnen und Kurzaufenthalter unter zwölf Monaten und 14% sind Asylsuchende.

Die in der Öffentlichkeit oft stark thematisierte Gruppe der vorläufig aufgenommenen Personen (Ausweis F) umfasste im August 2011 insgesamt 367 Personen. 48% von ihnen leben bereits seit über sieben Jahren in der Schweiz.

Ende Juli 2011 lebten 628 anerkannte Flüchtlinge im Kanton Thurgau. Während die seit längerem im Thurgau ansässigen anerkannten Flüchtlinge (heute Ausweis C) vor allem aus dem Irak, Bosnien-Herzegowina, Türkei und Vietnam kamen, stammen die neuer ansässigen anerkannten Flüchtlinge (Ausweis B) vor allem aus Eritrea (82.95%) und Sri Lanka (9.3%).

Die Entwicklung der Zahl der vorläufig Aufgenommenen und der anerkannten Flücht-linge unterliegt aufgrund der Aufnahmepraxis der Schweiz starken Schwankungen.

Es ist davon auszugehen, dass auch im Kanton Thurgau Sans-Papiers (Personen ohne gültige Aufenthaltsbewilligung) leben. Zu ihrer Anzahl gibt es aber keine ver-lässlichen Daten.8

2.4 Einbürgerungen im Kanton Thurgau

Rund 892 Personen wurden im Durchschnitt der letzten zehn Jahre (2002-2011) im Kanton Thurgau jährlich eingebürgert. Dies entspricht durchschnittlich 1.8% der je-weiligen ausländischen Wohnbevölkerung. Im Vergleich wurden schweizweit zwi-schen 2002 und 2011 durchschnittlich 40’054 Personen eingebürgert, was 2.5% der jeweiligen ausländischen Wohnbevölkerung entspricht.9 Demzufolge ist die Einbürge-rungsquote des Kantons Thurgau im gesamtschweizerischen Vergleich tief.

2.5 Bedeutung der ausländischen Wohnbevölkerung für den Arbeitsmarkt

Der Anteil an Arbeitskräften ohne Schweizer Pass liegt im Thurgau im Jahr 2008 bei 23% (Schweiz: 25%).

Zwischen 2005 und 2008 ist die Anzahl ausländischer Arbeitskräfte im Kanton Thur-gau um 17.5% auf 26'888 Beschäftigte gestiegen. Im gleichen Zeitraum ist die Zahl

7 Die restlichen Nationalitäten umfassten weniger als 100 Personen. Quelle: BFM, aufbereitet durch

Dienststelle Statistik Thurgau. 8 Auf die Situation der Sans-Papiers wird in diesem Bericht nicht weiter eingegangen, da zu ihrer Si-

tuation im Kanton Thurgau keine Studien vorliegen. Die aktuelle Studie zur Situation der Sans-Papiers in der Schweiz geht nicht auf kantonale Begebenheiten ein. Vgl. EKM, 2010.

9 Quelle: Bundesamt für Statistik, Statistik der ausländischen Wohnbevölkerung, 2002-2011.

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Demografische Ausgangslage

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der Grenzgänger auf dem Thurgauer Arbeitsmarkt von 2'858 auf 3'745 angestiegen, was einer Zunahme von 31% entspricht.10

Die Wirtschaftsstruktur verändert sich im Thurgau stetig. Es ist ein Wandel von der Agrar- und Industrie- hin zur Dienstleistungs- und Wissensgesellschaft im Gang. Ins-gesamt bleibt dem ersten und dem zweiten Sektor im Kanton Thurgau aber nach wie vor ein höheres Gewicht als dies im schweizerischen Durchschnitt der Fall ist. Im Thurgau sind 6.5% aller Beschäftigten (in Vollzeitäquivalenten) im ersten Sektor (Schweiz: 3.3%) und 39.5% im zweiten Sektor (Schweiz: 28.5%) tätig.11 Im Vergleich zur Schweizer Bevölkerung ist die ausländische Bevölkerung stärker im sekundären Sektor beschäftigt.12

2.6 Bevölkerungsprognosen bis 2035

Der zu erwartende Bevölkerungszuwachs wird gemäss Projektionen des Bundesam-tes für Statistik hauptsächlich auf die Zuwanderung zurückzuführen sein. Sowohl aus dem Ausland als auch aus anderen Kantonen werden anhaltende Wanderungsüber-schüsse erwartet (vgl. Abbildung 2). Nach einem nicht sehr hohen Spitzenwert der Zuwanderung aus dem Ausland in den Kanton Thurgau im Jahr 2012, der mit der vorgesehenen Erweiterung der Personenfreizügigkeit zusammenhängt, wird für die nachfolgenden Jahre mit einer spürbaren Abschwächung der internationalen Ein-wanderung gerechnet. Zum Vergleich: der Höchststand der Zuwanderungsüber-schüsse aus dem Ausland wurde mit +2'800 Personen im Jahr 2008 beobachtet. Die Prognosen sehen für das Jahr 2012 +1'700 Personen vor und im Jahr 2035 +600 Personen. Die Überschüsse der Weg- und Zuzüge aus und in andere Kantone sind weniger ausgeprägt, wobei auch hier längerfristig rückläufige Zahlen erwartet wer-den, die aber im positiven Bereich bleiben (2035: +200 Personen).

10 Quelle: http://www.statistik.tg.ch/xml_8/internet/de/application/d10636/d10638/f10714.cfm (Zugriff 14.3.12). Neuere Zahlen liegen noch nicht vor. 11 Quelle: http://www.statistik.tg.ch/xml_8/internet/de/application/d10636/d10638/f10714.cfm (Zugriff 14.3.12). 12 Vgl. BFS, 2011, S. 17.

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Integrationsverständnis

14

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3'000

2010 2012 2014 2016 2018 2020 2022 2024 2026 2028 2030 2032 2034

Wanderungssaldo international Wanderungssaldo interkantonal

Wanderungssaldo total Geburtenüberschuss

Kanton Thurgau, mittleres Szenario (AR-00-2010), 2010-2035, Geburtenüberschuss und Wanderungssaldi in Anzahl Personen

Grafik: KEK-CDC ConsultantsQuelle: Bundesamt für Statistik, Kantonale Bevölkerungsszenarien 2010-3035

Abbildung 2: Komponenten der Bevölkerungsentwicklung im Kanton Thurgau, 2010-2035

Szenarien, die Migrantinnen und Migranten aus bestimmten Herkunftsländern nen-nen würden, existieren nicht. Auf nationaler Ebene gibt es Schätzungen zu Her-kunftsregionen (EU / Drittstaaten). Hilfreich ist hier die Trendanalyse Immigration 2030 der ZKB13, die in verschiedenen geografischen Wirtschaftsräumen mögliche Entwicklungen prognostiziert (3 Szenarien). Wird ein Boom-Szenario angenommen, dann würde sich die Anzahl der Deutschen bis 2030 in der Wirtschaftsregion Zürich fast verdoppeln und die Einwanderung aus EU/EFTA Staaten insgesamt würde um ca. 30 % zunehmen. Besonders in der Bodenseeregion würde der Ausländeranteil weiter zunehmen und das Gebiet würde sich neben der Region Zürich/Zug/Luzern zu einer weiteren Wachstumsregion entwickeln. Der Anteil der höher Qualifizierten an den gesamten Zuwanderern würde steigen.

3 Integrationsverständnis

Integration bezeichnet gemäss Bundesgesetz über die Ausländerinnen und Auslän-der (AuG) den auf Gegenseitigkeit beruhenden gesellschaftlichen Prozess, der so-wohl den Willen der Ausländerinnen und Ausländer wie auch die Offenheit der ein-heimischen Bevölkerung voraussetzt (Art. 4 Abs. 3 AuG). Das Ziel der Integration ist es, ein friedliches Zusammenleben auf der Grundlage der Werte der Bundesverfas-sung und gegenseitiger Achtung und Toleranz zu gewährleisten (Art. 4 Abs. 1 AuG).

13 Vgl. ZKB, 2010. Der Kanton TG wird bis im Sommer 2012 eigene, detailliertere Prognosen zum Bevölkerungswachstum erstellen.

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Integrationsverständnis

15

3.1 Ziel der Integrationspolitik

Bund und Kantone haben sich auf gemeinsame Ziele und Grundprinzipien der Integ-rationspolitik verständigt.14

Als Ziel der schweizerischen Integrationspolitik wird definiert:

a) die Stärkung des gesellschaftlichen Zusammenhalts auf der Grundlage der Werte der Bundesverfassung;

b) die Förderung gegenseitiger Achtung und Toleranz von einheimischer und ausländischer Wohnbevölkerung;

c) die chancengleiche Teilnahme von Ausländerinnen und Ausländern am wirt-schaftlichen, sozialen und kulturellen Leben in der Schweiz.

3.2 Grundprinzipien der Integrationspolitik

Zur Erreichung dieser Ziele sind die folgenden vier Grundprinzipien gleichwertig zu verwirklichen und zu berücksichtigen:

Schaffung von Rahmenbedingungen für die Verwirklichung von Chancen-gleichheit: Einheimische und zugewanderte Personen sind gleichwertige Mitglieder der Gesamtgesellschaft und haben Anspruch auf die in der Bundesverfassung ver-ankerten Grundrechte. Der Schutz vor Diskriminierung und Ausgrenzung ist integra-ler Bestandteil der Integrationspolitik. Der Staat stellt sicher, dass die von ihm er-brachten Leistungen für alle Personen zugänglich sind.

Schweizerische Integrationspolitik fordert Eigenverantwortung ein: Jede in der Schweiz wohnhafte Person hält sich an das Recht und an die öffentliche Ordnung, strebt finanzielle Unabhängigkeit an und achtet die kulturelle Vielfalt des Landes und seiner Bewohnerinnen und Bewohner. Dies bedingt eine aktive Auseinandersetzung mit der gesellschaftlichen Realität in der Schweiz sowie eine Respektierung aller Mit-glieder der Gesellschaft. Personen, die sich nicht an dieses Grundprinzip halten oder die Integration aktiv behindern, müssen mit Sanktionen rechnen.

Schweizerische Integrationspolitik nutzt Potentiale: Integrationspolitik erkennt, nutzt und entwickelt konsequent die vorhandenen Potentiale, Fähigkeiten und Kom-petenzen der einzelnen Personen. Sie versteht die Förderung der Integration als eine Investition in die Zukunft einer liberal verfassten Gesellschaft. Deren erfolgreiche Gestaltung ist auf den Beitrag aller Personen angewiesen.

Schweizerische Integrationspolitik anerkennt Vielfalt: Der Staat anerkennt Vielfalt als wertvollen Bestandteil der Gesellschaft. Er verfügt über eine entsprechende fle-xible, den jeweiligen Begebenheiten angepasste Integrationspolitik, welche die wirt-schaftlichen und gesellschaftlichen Akteure sowie die Migrationsbevölkerung part-nerschaftlich mit einbezieht.

3.3 Akteure im Integrationsprozess

Integration ist nicht nur als ein zu erreichender Zustand, sondern auch als ein an-dauernder, mehr- und wechselseitiger Prozess auf dem Weg zur Chancengerechtig-keit zu verstehen. Daran sind die folgenden Akteure beteiligt:

14 Vgl. BFM, 2011b.

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Integrationsverständnis

16

3.3.1 Aufnahmegesellschaft

Seitens der Aufnahmegesellschaft bedarf es für den Erfolg der Integration bestimm-ter Bedingungen und Leistungen. Die schweizerische Bevölkerung muss sich offen zeigen gegenüber Ausländerinnen und Ausländern und eine Bereitschaft haben, die-se bei sich aufzunehmen und willkommen zu heissen. Zudem muss die Bereitschaft bestehen, materielle und immaterielle Ressourcen zur Integration zur Verfügung zu stellen.

3.3.2 Ausländerinnen und Ausländer

Neben den von der Aufnahmegesellschaft zu schaffenden Rahmenbedingungen müssen die Ausländerinnen und Ausländer selbst bestimmte Kenntnisse, Fähigkei-ten und Einstellungen erwerben um sich zu integrieren. Das AuG und die Verord-nung über die Integration von Ausländerinnen und Ausländern (VIntA) fordern, dass sich Ausländerinnen und Ausländer um ihre Integration bemühen und sich mit den Lebensbedingungen in der Schweiz auseinandersetzen. Dabei wird dem Erlernen der am Wohnort gesprochenen Landessprache, dem Erwerb von Bildung, der Teil-nahme am Wirtschaftsleben und der Respektierung der rechtsstaatlichen Ordnung und der Werte der Bundesverfassung ein hoher Stellenwert beigemessen.

3.3.3 Staatliche Akteure

Regelstrukturen

Bund, Kanton und Gemeinden müssen innerhalb ihrer gesetzlichen Zuständigkeiten günstige Rahmenbedingungen für Chancengleichheit schaffen und sich an der Integ-rationsförderung gemäss Art. 53 AuG beteiligen (insbesondere Sprachförderung, Fördern des beruflichen Fortkommens, der Gesundheitsvorsorge, Fördern des ge-genseitigen Verständnisses zwischen schweizerischer und ausländischer Bevölke-rung). Zudem haben sie gemäss Art. 56 AuG einen Informationsauftrag.

Die Richtlinien des Regierungsrates für die Legislaturperiode 2008-2012 halten fest: „Die Vorgaben des neuen Bundesgesetzes über die Ausländerinnen und Ausländer (AuG) sowie der neuen Integrationsverordnung sind in erster Linie im Rahmen der bestehenden Regelstrukturen und in zweiter Linie mittels Erarbeitung einer klaren Strategie zur spezifischen Integrationsförderung umzusetzen.“ (ebd. S. 84)

In der Verwaltung des Kantons Thurgau spielen Integrationsfragen insbesondere im Departement für Erziehung und Kultur (DEK), im Departement für Finanzen und So-ziales (DFS), im Department für Justiz und Sicherheit (DJS) und im Departement für Inneres und Volkswirtschaft (DIV) eine wichtige Rolle.

Insbesondere gefordert sind auch die Gemeinden und Schulgemeinden, da Integrati-on zum grossen Teil in den Gemeinden stattfindet. Das AuG weist den Gemeinden ausdrücklich eine Zuständigkeit zu.15 Diese müssen Angebote der Integrationsförde-rung bereit stellen. Sie werden dazu von Bund und Kanton unterstützt, aber auch partnerschaftlich in Entscheide einbezogen.

Risiken zur Desintegration können sowohl Personen der schweizerischen als auch der ausländischen Bevölkerung betreffen. Die Regelstrukturen auf Ebene Bund, Kan-

15 Vgl. Art. 53 AuG und Art. 56 AuG.

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Integrationsverständnis

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ton und Gemeinden müssen gewährleisten, dass die gesamte Wohnbevölkerung durch ihre Angebote angemessen erreicht und versorgt wird.

Spezifische Integrationsförderung

Personen mit Migrationshintergrund haben aufgrund ihrer besonderen Vorausset-zungen oft schlechtere Chancen bzw. erschwerten Zugang zum Bildungswesen, zum Arbeitsmarkt, zur Gesundheitsversorgung etc. als die übrige Wohnbevölkerung. Sie sind damit auf ergänzende spezifische Massnahmen angewiesen, die sie soweit qua-lifizieren, dass sie danach die Angebote der Regelstrukturen nutzen können.

Im Zentrum der spezifischen Integrationsförderung stehen daher jene Ausländerin-nen und Ausländer, welche aufgrund von oft multiplen Problemlagen (fehlende Sprachkenntnisse, soziale Isolation, geringe ökonomische Ressourcen, geringe Bil-dungs- oder Berufsqualifikationen, gesundheitliche Probleme) von gesellschaftlicher Desintegration bedroht sind. Gerade Menschen in solchen Lebenssituationen sind oft schwer erreichbar für gezielte Unterstützungsmassnahmen. Die spezifische Integra-tionsförderung zeichnet sich durch das Anbieten meist niederschwelliger und ziel-gruppengerechter Angebote aus.16

Die spezifische Integrationsförderung wirkt komplementär zu den Regelstrukturen und verfolgt im Wesentlichen zwei Stossrichtungen. Sie soll zum einen dazu beitra-gen, das Angebot der Regelstrukturen zu ergänzen resp. vorhandene Lücken zu schliessen (z.B. Sprachförderung von spät nachgezogenen Jugendlichen, die berufli-che Integration von Flüchtlingen, Angebote für Traumatisierte etc.). Zum anderen richten sich die Angebote der spezifischen Integrationsförderung an die Regelstruktu-ren und unterstützen diese durch Informationstätigkeit und Beratung bei Fragen der Dienstleistungsqualität, der Zielgruppenorientierung und Zielgruppenerreichung dar-in, ihren Integrationsauftrag wahrzunehmen.17

Im Kanton Thurgau obliegt die Koordination der spezifischen Integrationsförderung der kantonalen Fachstelle Integration, welche dem Migrationsamt zugeordnet ist.

3.3.4 Nichtstaatliche Akteure

Neben dem Kanton, den Städten und Gemeinden engagieren sich im Kanton Thur-gau seit Jahren verschiedene Migrantenorganisationen, Vereine, Kirchen und Ver-bände für die Integration der Ausländerinnen und Ausländer. Sie nehmen damit eine wichtige Funktion im Integrationsbereich wahr.

Migrantenorganisationen oder lose Netzwerke von Migrantinnen und Migranten im Kanton Thurgau bieten beispielsweise Deutschkurse und Unterstützung bei Behör-dengängen oder bei Schulgesprächen an oder engagieren sich auf politischer Ebene (z.B. Ausländerbeirat in Kreuzlingen). Diese Migrantenorganisationen sind im Kanton Thurgau vor allem kommunal oder regional, nicht aber kantonal organisiert. Eine Ausnahme stellt der interkantonale Dachverband islamischer Gemeinden der Ost-schweiz und des Fürstentums Liechtenstein (DIGO) dar.

Vereine und Hilfswerke gehören im Kanton Thurgau zu den wichtigen Anbietern von Deutschkursen sowie von Angeboten zur sozialen und arbeitsmarktlichen Integration.

16 Vgl. Migrationsamt Kanton Thurgau, 2010a, S. 1. 17 Vgl. Bundesrat, 2010, S. 26.

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Rechtsgrundlagen

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Auch Unternehmen spielen eine zentrale Rolle in der Integration von Ausländerinnen und Ausländern. Durch die Anstellung von Ausländerinnen und Ausländern tragen sie zur erfolgreichen ökonomischen und gesellschaftlichen Integration bei.

Die Gewerkschaften setzen sich ebenfalls aktiv ein für die Rechte der ausländischen Arbeitnehmenden in Bezug auf Arbeitsschutzmassnahmen und Lohngerechtigkeit.

4 Rechtsgrundlagen

4.1 Bundesebene

4.1.1 Personenfreizügigkeit mit der EU

Die Zulassungspolitik der Schweiz gegenüber Personen der EU veränderte sich mit der Einführung der Personenfreizügigkeit zwischen der Schweiz und der EU grund-sätzlich. Durch das Personenfreizügigkeitsabkommen (FZA) erhalten Staatsangehö-rige der Schweiz und der EU das Recht, Arbeitsplatz und Wohnsitz innerhalb der Vertragsstaaten frei zu wählen. Voraussetzung dafür ist, dass sie über einen gültigen Arbeitsvertrag verfügen, selbstständig erwerbend sind oder (bei Nichterwerbstätigen) über ausreichende finanzielle Mittel verfügen. Diese Regelung gilt seit dem 1. Juni 2002 für die EU-17- sowie die EFTA-Staaten und seit dem 1. Mai 2011 auch für die EU-8-Staaten.

4.1.2 Bundesgesetz über die Ausländerinnen und Ausländer

Mit dem Bundesgesetz über die Ausländerinnen und Ausländer (AuG), mit der revi-dierten Verordnung über die Integration von Ausländerinnen und Ausländern (VIntA) und dem revidierten Asylgesetz (AsylG), alle in Kraft seit dem 1. Januar 2008, wird die Integration erstmals auf Bundesebene umfassend geregelt.

Integration wird definiert als staatliche Querschnittaufgabe, die der Bund, die Kanto-ne und die Gemeinden wahrzunehmen haben (Art. 53 Abs. 1 AuG). Der Bund, die Kantone und die Gemeinden sowie die Sozialpartner, die Nichtregierungs- und Aus-länderorganisationen sollen bei der Integration zusammen arbeiten (Art. 53 Abs. 5 AuG).

Das Bundesamt für Migration (BFM) erhält mit dem neuen AuG und der revidierten VIntA den Auftrag, die Massnahmen der Bundesstellen zur Integration der Auslände-rinnen und Ausländer zu koordinieren.

Die Kantone haben sich gemäss AuG an der Integrationsförderung zu beteiligen. Art 53 AuG erwähnt explizit die Förderung des Spracherwerbs, des beruflichen Fort-kommens, der Gesundheitsvorsorge und des gegenseitigen Verständnisses zwi-schen schweizerischer und ausländischer Bevölkerung. Art. 56 AuG beschreibt zu-dem die Informationsaufgabe der Kantone (sowie des Bundes und der Gemeinden) gegenüber der ausländischen und einheimischen Bevölkerung.

Die Kantone bezeichnen gegenüber dem BFM eine Ansprechstelle für Integrations-fragen. Im Kanton Thurgau ist dies die Fachstelle Integration, welche dem Migration-samt zugeordnet ist.

Das BFM und die Kantone haben den Auftrag, die Gemeinden beim Informations- und Erfahrungsaustausch mit einzuschliessen (Art. 57 AuG; Art. 8 und Art. 9 VIntA).

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Rechtsgrundlagen

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Grundsätzlich beschränkt sich der Anwendungsbereich des AuG und der VIntA auf-grund des Freizügigkeitsabkommens vorwiegend auf Drittstattangehörige (d.h. auf Personen, die nicht Bürger und Bürgerinnen eines Mitgliedstaates der EU oder EFTA sind). Neben den EU/EFTA-Staatsangehörigen dürfen auch Drittstaatsangehörige, welche mit einem/einer EU/EFTA-Staatsangehörigen oder mit einem/einer Schweizer Staatsangehörigen verheiratet sind, gegenüber Schweizerinnen und Schweizern nicht schlechter gestellt werden. Dies schränkt beispielsweise den Anwendungsbe-reich von Integrationsvereinbarungen18 auf Drittstaatsangehörige ein.

4.1.3 Besonderheiten bei vorläufig Aufgenommenen und anerkannten Flücht-lingen

Die Schweiz gewährt jenen Schutz, die an Leib und Leben bedroht sind, und aner-kennt sie als Flüchtlinge. Wer nicht individuell verfolgt wird, aber generell wegen Ge-walt und Krieg im Heimatland gefährdet ist, erhält eine Wegweisungsverfügung. Er soll aber von Staates wegen nicht zurückgeschickt werden und wird vorläufig aufge-nommen.19 Dies gilt nicht für Personen, die durch ihr eigenes Verhalten die Wegwei-sung verunmöglichen. Vorläufig Aufgenommene sowie anerkannte Flüchtlinge gelten somit als schutzberechtigt. Materiell werden sie aber ungleich behandelt.

Anerkannte Flüchtlinge erhalten eine Aufenthaltsbewilligung B und nach fünf Jahren in der Regel eine Niederlassungsbewilligung (Ausweiskategorie C). Sie haben ge-mäss Art. 61 AsylG freien Zugang zum Arbeitsmarkt und gemäss Art. 51 AsylG An-recht auf Familiennachzug.

Die Rechtsstellung der vorläufig Aufgenommenen war bereits mit der Teilrevision des AsylG per 1. Januar 2007 verbessert worden. Sie erhielten erleichterten Zugang zum Arbeitsmarkt20 und die Möglichkeit, bei guter Integration die Aufenthaltsbewilligung (Ausweiskategorie B) zu erhalten.21 Seit dem neuen AuG können sie zudem, unter bestimmten Voraussetzungen, nach drei Jahren ihre Familien nachziehen lassen (Art. 85 Abs. 7 AuG). Leben vorläufig Aufgenommene länger als fünf Jahre in der Schweiz, kann ihnen eine Aufenthaltsbewilligung erteilt werden, sofern ihre Integrati-on als gut bewertet wird (Art. 84 Abs. 5 AuG).

Das AuG trägt der Tatsache Rechnung, dass auch vorläufig aufgenommene Perso-nen oft längerfristig in der Schweiz leben und deshalb im selben Umfang wie die an-erkannten Flüchtlinge von Integrationsmassnahmen profitieren sollen (Art. 4 Abs. 2 AuG).

4.1.4 Integration als Voraussetzung in Bewilligungsverfahren

AuG und VIntA verstehen Integration auch als individuelles Merkmal und Verhalten der Ausländerinnen und Ausländer. Insbesondere das Erlernen der Landessprache und der Respektierung der rechtsstaatlichen Ordnung und der Werte der Bundesver-

18 Vgl. Kap. 4.1.4 und 5.1.2. 19 Vorläufig Aufgenommene sind Personen, die aus der Schweiz weggewiesen wurden, wobei sich

aber der Vollzug der Wegweisung als unzulässig (Verstoss gegen das Völkerrecht), unzumutbar (konkrete Gefährdung der Ausländerin oder des Ausländers) oder unmöglich (vollzugstechnische Gründe) erwiesen hat. Die vorläufige Aufnahme stellt demnach eine Ersatzmassnahme dar. Vor-läufig Aufgenommene erhalten eine entsprechende Bescheinigung (Ausweis F). Es werden vorläu-fig aufgenommene Flüchtlinge und vorläufig aufgenommene Personen unterschieden.

20 Art. 7 Abs. 5 BVO und Art. 14c Abs. 3 ANAG, ab 1. Januar 2008 Art. 85 Abs. 6 AuG. 21 Art. 14b Abs. 3 ANAG, ab 1. Januar 2008 Art. 84 Abs. 5 AuG.

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Stand der Integrationsförderung im Kanton Thurgau

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fassung werden dabei betont.22 Der Grad der Integration wird im Einzelfall bei Zulas-sungs-, Bewilligungs-, Widerrufs- oder Wegweisungsverfahren von bestimmten Aus-länderinnen und Ausländern von den Behörden geprüft. Der Grad der Integration ist ebenfalls relevant bei der Prüfung der Einbürgerungsvoraussetzungen.

Mit den Angehörigen von bestimmten Gruppen von Ausländerinnen und Auslän-dern23 können die Erwartungen an ein positives Integrationsverhalten in einer Integ-rationsvereinbarung festgehalten werden.

Umgekehrt sind im AuG auch Vorschriften enthalten, nach denen eine besonders gu-te Integration positiv im fremdenpolizeilichen Verfahren berücksichtigt werden soll. So kann zum Beispiel bereits nach einem Aufenthalt von fünf Jahren bei nachgewie-sener guter Integration vorzeitig die Niederlassungsbewilligung erteilt werden.24

4.2 Kantonsebene

Die Verfassung des Kantons Thurgau enthält keinen Integrationsartikel. Ebenso we-nig existiert ein kantonales Integrationsgesetz. Mit der Verordnung des Regierungs-rates zum Bundesgesetz über die Ausländerinnen und Ausländer und zum Freizü-gigkeitsabkommen vom 8. September 2009 (RB 142.211) wurden im Kanton Thur-gau aber die diesbezüglichen Zuständigkeiten definiert.

Das Migrationsamt im Departement für Justiz und Sicherheit vollzieht das AuG und das FZA. Die dem Migrationsamt unterstellte Integrationsfachstelle nimmt im Rah-men der Integrationsförderung gemäss Art. 4 und 53 AuG und gemäss VIntA insbe-sondere folgende Aufgaben wahr (RB 142.211, § 3 Abs. 1):

1. Koordination der Massnahmen zur Integration sowie Sicherstellung des Infor-mations- und Erfahrungsaustausches innerhalb der involvierten Departemente sowie zwischen Bund, Gemeinden und privaten Organisationen;

2. Sicherstellen des Informations- und Erfahrungsaustausches mit dem Bund un-ter Einbezug der Entwicklungstendenzen im Kanton Thurgau;

3. Verantwortung für den Einsatz der Bundesgelder sowie finanzieller Beiträge des Kantons im Projektbereich entsprechend dem Schwerpunkteprogramm des Bundes;

4. Ausarbeitung von Programmvereinbarungen zwischen Bund, Kanton und Ge-meinden (Kompetenzzentren) mit entsprechendem Controlling.

Fragen der Integration innerhalb der Regelstrukturen, insbesondere hinsichtlich Schul- und Berufsbildung, Gesundheit sowie arbeitsmarktlicher Massnahmen fallen in den Bereich der zuständigen Departemente (RB 142.211, § 3 Abs. 2).

5 Stand der Integrationsförderung im Kanton Thurgau

Im folgenden Kapitel wird der Bestand an Integrationsförderungsmassnahmen im Kanton Thurgau in den diesbezüglich wichtigsten Bereichen der Regelstrukturen und der spezifischen Integrationsförderung dargestellt. Zudem werden gewichtige Unter-

22 Vgl. Art. 4 Abs. 4, Art. 23 Abs. 2, Art. 34 Abs. 4, Art. 53 Abs. 3, Art 54 und Art 55 Abs. 1 AuG und

Art. 4, 5, 7, 10, 13, 18 VIntA. 23 Vgl. Kap. 4.1.2 und Kap. 5.1.2. 24 Art. 34 Abs. 4 AuG.

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Stand der Integrationsförderung im Kanton Thurgau

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schiede zwischen der Situation der einheimischen und der ausländischen Bevölke-rung aufgezeigt und der Bedarf an Massnahmen zur Verbesserung der Chancen-gleichheit abgeleitet.

Der Bund hat bereits die thematischen Eckpfeiler und Schwerpunkte der spezifischen Integrationsförderung ab 2014 definiert. Sie liegen in folgenden drei Bereichen:25

1. Information und Beratung (Erstinformation und Integrationsförderbedarf; Bera-tung von Migrantinnen und Migranten, Beratung und Begleitung der Regel-strukturen und weiterer interessierter Kreise beim Abbau von Integrations-hemmnissen; Information der Bevölkerung; Schutz vor Diskriminierung);

2. Bildung und Arbeit (Erwerb einer Landessprache; Frühe Förderung; Förderung der Arbeitsmarktfähigkeit);

3. Verständigung und gesellschaftliche Integration (interkulturelle Übersetzung; soziale Integration).

Diese drei Bereiche werden im Folgenden analysiert und um die zwei weiteren integ-rationsrelevanten Themen Gesundheit sowie Öffentlicher Raum und Sicherheit er-gänzt.

5.1 Information und Beratung

Eine erfolgreiche Integration setzt eine gute Information der Ausländerinnen und Ausländer über den neuen Lebens- und Arbeitsraum voraus. Zudem ist die sachliche Information der Bevölkerung über die Migrationsthematik unabdingbar für ein von gegenseitiger Akzeptanz geprägtes Zusammenleben der verschiedenen Bevölke-rungsgruppen.

Bund, Kantone und Gemeinden haben gemeinsam folgende Informationsaufträge (Art. 56 AuG; Art. 10 VIntA):

1. Die Ausländerinnen und Ausländer sind angemessen über die Lebens- und Arbeitsbedingungen in der Schweiz zu informieren, insbesondere über ihre Rechte und Pflichten.

2. Zugewanderte sind auf bestehende Angebote zur Integrationsförderung hin-zuweisen.

3. Die gesamte Bevölkerung, die einheimische und die ausländische, ist über die Migrationspolitik und über die besondere Situation der Ausländerinnen und Ausländer zu informieren.

5.1.1 Erstinformation der ausländischen Wohnbevölkerung

Schriftliches Informationsmaterial

Anlässlich der von der kantonalen Fachstelle Integration im Januar 2010 durchge-führten Befragung26 haben siebzehn Gemeinden (21%) geantwortet, dass sie den Neuzugezogenen Informationsmaterial aushändigen. Das Spektrum reicht von einer umfassenden Willkommensbroschüre in mehreren Sprachen, über eine Begrüs-sungsmappe bis hin zu lose zusammengestellten Schriften über die öffentliche Ord-nung, die Politik, das Vereinsleben, die Beratungsstellen, den Kinderhort etc. In der

25 Vgl. BFM, 2011b. 26 Vgl. Migrationsamt Kanton Thurgau, 2010b, S.7ff.

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Stand der Integrationsförderung im Kanton Thurgau

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Regel werden allen Neuzugezogenen die gleichen Informationen abgegeben, unab-hängig davon, ob die Person schweizerischer oder ausländischer Nationalität ist. Entsprechend sind die Unterlagen, mit wenigen Ausnahmen, alle ausschliesslich in Deutsch verfasst.

Begrüssungs- bzw. Informationsveranstaltungen

27 Gemeinden (34%) führen regelmässig (alle 1-2 Jahre) eine Begrüssungsveran-staltung für die Neuzugezogenen durch. An diesen Anlässen, meist organisiert vom Gemeindeammann, wird in der Regel über die Schule, die politische Gemeinde und ihre Strukturen informiert. Oft stellen sich auch die Ortsvereine vor.

Drei Gemeinden gaben an, einen Besuchsdienst zu organisieren: Freiwillige suchen fremdsprachige Ausländerinnen und Ausländer auf, um sie über die Schule, Kinder-spielgruppen und andere wichtigen Institutionen der Gemeinde zu informieren, sie an Gemeinde- und Schulanlässe zu begleiten oder sie für andere Gemeindeaktivitäten zu gewinnen.

48 Gemeinden (60%) händigen den Neuzugezogenen weder Informationsmaterial aus, noch führen sie eine Begrüssungsveranstaltung durch. 12 Gemeinden (16%) setzen beide dieser Massnahmen um.

Das Kompetenzzentrum in Kreuzlingen (vgl. Kap. 5.1.3) organisiert regelmässig In-formationsveranstaltungen zu Themen wie Einbürgerung, Integration und Zuwande-rung, häusliche Gewalt, Informationsauftrag der Behörden etc. Das Kompetenzzent-rum in Frauenfeld wiederum führt jedes Semester den Kurs "Die Schweiz – wie sie funktioniert" durch. Die Anlässe stehen auch den Ausländerinnen und Ausländern der umliegenden Agglomerationsgemeinden offen.

Zuständigkeit auf Gemeindeebene

Die Informationsarbeit ist in erster Linie von den Gemeinden zu leisten. Sie stehen in direktem Kontakt mit den Ausländerinnen und Ausländern.

Der Erstkontakt mit Ausländerinnen und Ausländern erfolgt in der Regel bei den Ein-wohnerdiensten. Vier Gemeinden gaben an, dass sie ihr Schalterpersonal in der Migrationsthematik schulen. Auch hier ist das Spektrum breit. Am umfassendsten tut es die Stadt Kreuzlingen. Sie schickt die Auszubildenden der Stadtverwaltung im zweiten Lehrjahr in die Fortbildung "Interkulturelle Kommunikation in der Verwaltung", die – unter der Leitung des Kompetenzzentrums für Integration in Kreuzlingen – grenzüberschreitend in den Städten Dornbirn, Konstanz, Überlingen, Radolfzell, Schaffhausen und Singen stattfindet. Zwei Gemeinden antworteten, dass an ihren Schaltern Secondos und Secondas arbeiten würden, die mehrsprachig seien.

Unterstützung durch den Kanton

Das kantonale Personalamt bietet punktuell Weiterbildungen im Umgang mit kulturel-ler Vielfalt für Personen, die in ihrem beruflichen Alltag mit Ausländerinnen und Aus-ländern zu tun haben. Diesen wird allerdings nicht intensiv nachgefragt.

Der Kanton unterstützt ab 2012 die Gemeinden in ihrem Informationsauftrag durch zwei Massnahmen:

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Stand der Integrationsförderung im Kanton Thurgau

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Er stellt ab 2012 den Gemeinden eine Willkommensbroschüre mit kantonalen Infor-mationen zur Verfügung. Sie kann in deutscher Sprache allen ausländischen Neuzu-ziehenden abgegeben werden. Via Homepage steht sie zudem in den vier häufigsten Sprachen zur Verfügung. Die Gemeinden können zusammen mit der kantonalen Broschüre ihre eigenen, kommunalen Informationen (Information über Begrüssungs-anlass, wichtige Adressen der Gemeindeverwaltung, der Schulen und Beratungsstel-len, Integrationsangebote, Regelung der Abfallentsorgung etc.) abgeben.

In Planung sind flächendeckende Erstbegrüssungen. Es ist noch zu klären, ob sie vom Kanton oder den Gemeinden durchgeführt werden. Geplant ist ein Gesprächs-leitfaden für Erstbegrüssungsgespräche im Sinne einer Empfehlung. Der VTG lehnt spezifische Willkommensveranstaltungen für Ausländerinnen und Ausländer aus-drücklich ab.

Bedarf: Die Information der ausländischen Wohnbevölkerung muss in der grossen Mehrzahl der Gemeinden verbessert werden. Dies bedeutet insbesondere:

Aufbereiten aktueller kantonsweit gültiger Informationen zuhanden der Ge-meinden

Zugänglichkeit zu Informationen optimal auf verschiedene Zielgruppen ausrichten

Aufbereiten von mehrsprachigem Informationsmaterial

Prüfen neuer Informationskanäle (z.B. social media)

Klären des Vorgehens bzgl. Erstinformation zwischen Kanton und Gemeinden

Sicherstellen eines einheitlichen Minimalstandards der Erstinformation unter Gemeinden

Verbesserte Nutzung von bestehenden Netzwerken und Ausbau derselben für die Informationstätigkeiten (Ausländervereine, Migrantenorganisationen und Netzwerke von Fachleuten der Integrationsförderung)

Ausbau der Weiterbildungen im Umgang mit kultureller Vielfalt (insbesondere für Einwohnerdienste und weitere Behörden mit direktem Kontakt zur Bevöl-kerung)

5.1.2 Integrationsvereinbarungen

Die Kantone haben bei Drittstaatsangehörigen die Möglichkeit, die Erteilung oder Verlängerung von Bewilligungen an bestimmte Bedingungen zu knüpfen, wenn sie einen Integrationsförderbedarf feststellen (vgl. Kap. 4.1.4). Diese Bedingungen kön-nen in sogenannten Integrationsvereinbarungen festgehalten werden.27 Sie sollen in erster Linie als Informations- und Beratungsinstrument zur Integration dienen, sind aber verbindlich und zeigen auch die staatlichen Sanktionsmöglichkeiten auf.

Im Juni 2009 hat die Fachstelle Integration im Kanton Thurgau ein Pilotprojekt mit In-tegrationsvereinbarungen gestartet. Im Januar 2010 hat der Regierungsrat entschie-den, dass der Abschluss von Integrationsvereinbarungen fortgeführt und ausgebaut werden soll. Zu diesem Zweck hat er zwei neue Stellen zu je 100% bewilligt.

Seit Juli 2011 schliesst die Fachstelle Integration mit folgenden Personen aus Dritt-staaten Integrationsvereinbarungen ab:

27 Vgl. Art. 54 Abs. 1 AuG.

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Stand der Integrationsförderung im Kanton Thurgau

24

Ehegattinnen und Ehegatten sowie Kinder im Jugendalter, die im Familien-nachzug einreisen;

bereits länger Anwesende mit einer B-Bewilligung, welche Integrationsdefizite aufgrund mangelnder Deutschkenntnisse aufweisen;

Brückenpersonen, zu deren Aufgaben die religiöse Betreuung (z.B. Imame) oder die Vermittlung von Herkunftssprache und Kultur (HSK) gehören;

vorläufig aufgenommene Personen und vorläufig aufgenommene Flüchtlinge.

Bis Ende Dezember 2011 hat die Fachstelle Integration insgesamt 190 Integrations-vereinbarungen abgeschlossen (162 davon mit Personen im Familiennachzug, 8 mit vorläufig Aufgenommenen und vorläufig aufgenommenen Flüchtlingen, 11 mit Brü-ckenpersonen wovon 6 mit Imamen).

Alle Neuzuziehenden dieser Personengruppen bzw. alle Personen, welche neu die vorläufige Aufnahme erhalten haben, werden vom Migrationsamt der kantonalen Fachstelle Integration zugewiesen. Bereits länger Anwesende können der Fachstelle durch die Gemeinden gemeldet werden, sofern diese einen Bedarf feststellen.

Vereinbart wird mit diesen Personen insbesondere der regelmässige Besuch von Deutschkursen während mindestens einem Jahr, bei vorläufig Aufgenommenen zu-sätzlich die Teilnahme an einem Arbeitsintegrationsprogramm.

Höhere Anforderungen werden einerseits an Jugendliche gestellt, die aufgrund ihres Alters (ab ca. fünfzehn Jahren) nicht mehr eingeschult werden (sogenannte Spät-nachgezogene). Sie werden von der Fachstelle Integration dazu verpflichtet, inner-halb von einer bestimmten Frist das Sprachniveau B1 GER28 zu erreichen. Durch diese höhere Anforderung soll ein rascher und gelungener Einstieg in eine Ausbil-dung gefördert werden.

Auch religiöse Betreuungspersonen werden verpflichtet, innerhalb des ersten Auf-enthaltsjahres das Sprachniveau B1 GER und innerhalb des zweiten Aufenthaltsjah-res das Sprachniveau B2 GER zu erreichen. Während des zweiten Aufenthaltsjahres müssen sie zudem einen Staatskundekurs besuchen. Darüber hinaus müssen sie spätestens im dritten Aufenthaltsjahr den Zertifikatslehrgang "Religiöse Begleitung im interkulturellen Kontext" an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften in Winterthur (ZHAW) absolvieren. Das erreichte Sprachniveau und der erfolgreiche Besuch des Staatskundekurses und des Lehrganges an der ZHAW müssen sie mit einem Zertifikat belegen.

Bei vorläufig Aufgenommenen werden die Kosten der Massnahmen über die Integra-tionspauschale des Bundes finanziert, die übrigen Personen müssen für die entste-henden Kosten selbst aufkommen. Es stehen dafür neben Kursen von Privatanbie-tern auch durch Bund, Kanton und Gemeinden subventionierte niederschwellige Deutschkurse zur Verfügung (vgl. Kap. 5.2.1).

Wird den in der Integrationsvereinbarung festgehaltenen Massnahmen nicht nachge-kommen, so kann dies zu einer Strafanzeige führen und im Rahmen eines Ermes-sensentscheides dazu, dass die Aufenthaltsbewilligung widerrufen wird. Bei vorläufig Aufgenommenen liegen die Sanktionsmöglichkeiten in der Kürzung der Sozialhilfe und/oder im Ablehnen eines Gesuches um Erteilung der Aufenthaltsbewilligung (Umwandlung von F in B) oder um Bewilligung des Familiennachzugs. Zudem behält

28 GER: Gemeinsamer europäischer Referenzrahmen für Sprachen.

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sich das Migrationsamt vor, beim BFM die Aufhebung der vorläufigen Aufnahme zu beantragen.

Von diesen Sanktionsmöglichkeiten wurde bis anhin zweimal Gebrauch gemacht (Kürzung der Sozialhilfeleistungen und Strafanzeige bei einer vorläufig aufgenom-menen Person).

Die bisherigen Erfahrungen der kantonalen Fachstelle Integration sind sehr positiv. Integrationsvereinbarungen stellen ein wirksames Instrument dar, vorhandene Sprach- und Integrationsprobleme frühzeitig zu erkennen und die betreffenden Per-sonen über Angebote zu informieren. Die Betroffenen äussern sich oftmals positiv zu den getroffenen Vereinbarungen und halten sich daran.

Hingegen fehlt es oft an weiterführenden, über die Dauer der Integrationspauschale hinaus reichenden Integrationsmassnahmen, insbesondere bezüglich des Zugangs zu Berufsbildung und zum Arbeitsmarkt.

Bedarf: Die Nachhaltigkeit der mittels Integrationsvereinbarungen eingeleiteten Massnahmen muss verbessert werden. Dies bedeutet insbesondere:

Prüfen der Schnittstellen in Bezug auf die Zuständigkeit für das Casemana-gement29

Absicherung der interinstitutionellen Zusammenarbeit (IIZ), insbesondere bei Personen mit Mehrfachbelastungen

Kontinuierliche Information der Gemeinden über Möglichkeiten der Integrati-onsförderung mittels Integrationspauschale30

Sensibilisierung der Gemeinden für über die Integrationsvereinbarung hinaus reichende und weiterführende Integrationsmassnahmen

Verbesserung des Angebotes im Bildungsbereich für spätnachgezogene Ju-gendliche (Nachholen eines Schulabschlusses; Zugang zu Berufsbildung)

Vereinfachung und Beschleunigung des Verfahrens für Arbeitsbewilligungen (z.B. für Temporärstellen, Praktika)

Die qualitative und quantitative Angebotssteuerung (Erhöhen der Bedarfsgerechtig-keit und individuellere Nutzungsmöglichkeiten) und die Qualitätssicherung der An-gebote muss verbessert werden (z.B. durch eine neu zu bildende "Steuergruppe Ar-beitsintegration und Migration"; vgl. auch Kap. 5.1.4)

5.1.3 Kompetenzzentren Integration

Im Thurgau nehmen die Fachstelle für Integration (FFI) der Stadt Frauenfeld (seit 2001) und die Integrationsfachstelle Region Kreuzlingen (seit 2009) die Aufgaben ei-nes regionalen Kompetenzzentrums für Integration wahr. Sie koordinieren die kom-munalen Integrationsmassnahmen, bieten Beratung in migrationsspezifischen Fra-gen an, unterstützen private und gemeinnützige Projektanbieter bei ihren Integrati-onsmassnahmen, vermitteln zwischen den integrationsrelevanten Akteuren, sensibi-lisieren die Öffentlichkeit für die Anliegen der Integration und führen Informationsver-

29 Vgl. z.B. das diesbezügliche Konzept vom Mai 2009 im Kanton Graubünden oder das RAV-Modell

mit zentraler Abklärung und Triage. 30 Informationsbedarf besteht gemäss VTG insbesondere auch bezüglich der Finanzierungsfragen

von Deutschkursen und Arbeitsintegrationsmassnahmen.

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anstaltungen für Ausländerinnen und Ausländer über das Leben in der Schweiz durch.

Die Kompetenzzentren sind ein wichtiger Teil der kantonalen Integrationsförderung, weil sie in direkter Verbindung mit den Gemeinden stehen und dadurch die Verhält-nisse und Bedürfnisse vor Ort kennen.

Ein weiterer Grund für die Zusammenarbeit zwischen Kompetenzzentren und Ge-meinden betrifft das Zielpublikum der spezifischen Integrationsförderung. Bei diesem handelt es sich meist um sogenannte „schwer Erreichbare“, das sind vor allem bil-dungsungewohnte, nicht berufstätige Personen wie Langzeitarbeitslose, Frauen mit Erziehungsfunktion oder spätnachgezogene erwerbslose Jugendliche. Gerade in ländlichen Gegenden laufen sie wegen fehlender Sprachkenntnisse, knapper Finan-zen und eingeschränkter Mobilität besonders Gefahr sich zu isolieren. Sie brauchen spezifische Angebote und Beratung, die aus Kapazitätsgründen nicht von jeder Ge-meinde alleine zur Verfügung gestellt werden können. Die Kompetenzzentren koor-dinieren und bündeln die lokalen und regionalen Integrationsangebote. Damit werden die Ressourcen effizient eingesetzt und Doppelspurigkeiten vermieden.

Im Rahmen des Schwerpunkteprogrammes des Bundes sollen im Thurgau bis Ende 2012 mindestens zwei weitere regionale Kompetenzzentren entstehen. Dabei kann auf bereits geleistete Arbeit aufgebaut werden: Die Integrationsstelle Romanshorn und die Kommission für Integration in Weinfelden führen bereits heute Angebote, die von benachbarten Gemeinden mit unterstützt und mit genutzt werden. Diese Ange-bote sollen zu Kompetenzzentren ausgebaut und für weitere umliegende Gemeinden geöffnet werden. Der Kanton unterstützt diese Bemühungen. Die kantonale Fachstel-le Integration ist dazu in Verhandlungen mit den Ammännern der umliegenden Ge-meinden der geplanten Kompetenzzentren. Auch der VTG31 begrüsst den Auf- und Ausbau der Kompetenzzentren.

Die Beitragsleistung des Bundes an die Kompetenzzentren ist eine Anschubfinanzie-rung, langfristig braucht es jedoch eine geregelte wiederkehrende Finanzierung. Ab 2012 wird der Kanton die Kompetenzzentren mitfinanzieren.32 Darüber hinaus benö-tigen die Kompetenzzentren aber den politischen und finanziellen Rückhalt in den Gemeinden.

Bedarf: Ziel ist es, dass in allen fünf Thurgauer Bezirken ein Kompetenzzentrum ge-führt wird. Dies bedeutet:

Ausbau der Stellen in Romanshorn und Weinfelden

Aufbau eines neuen Kompetenzzentrums in Sirnach

Klärung der Aufgaben und Rollen sowie der Schnittstellen und der Zusam-menarbeit zwischen der kantonalen Fachstelle Integration und den Kompe-tenzzentren einerseits sowie den Kompetenzzentren und Anbietern anderer-seits

Regelung der langfristigen Finanzierung der Kompetenzzentren

31 Diskussion des Integrationsbedarfs von Ausländerinnen und Ausländern mit dem VTG-Vorstand

am 14.12.11. 32 Ab 2014 wird der Kanton zudem die diesbezüglichen Bundesgelder über eine Leistungsvereinba- rung an die Kompetenzzentren ausschütten.

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Stand der Integrationsförderung im Kanton Thurgau

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5.1.4 Information und Koordination der Regelstrukturen

Erfolgreiche Integrationsarbeit als eine Querschnittaufgabe bedarf einer guten ge-genseitigen Information und einer Koordination der Tätigkeiten innerhalb der Regel-strukturen und mit der spezifischen Integrationsförderung.

Dazu beruft die kantonale Fachstelle Integration Konferenzen auf der Ebene der Pro-jektanbieter ein.

Diese Konferenzen finden zwei- bis viermal jährlich statt. Mit den Konferenzen wer-den der gegenseitige Informationsaustausch und die Koordination und Steuerung der Integrationsmassnahmen angestrebt.

Auf Anregung der kantonalen Fachstelle Integration hat im Jahr 2010 jede Gemeinde eine kommunale Ansprechperson für Integrationsfragen bezeichnet. Die Fachstelle Integration pflegt den Dialog mit den kommunalen Ansprechpersonen und plant in Zukunft einmal jährlich ein Treffen einzuberufen.

Die Gemeinden Amriswil, Diessenhofen, Frauenfeld, Kreuzlingen, Romanshorn und Weinfelden haben kommunale Integrationsdelegierte eingesetzt. Mit ihnen finden zwei- bis viermal jährlich von der Fachstelle einberufene Konferenzen statt.

Zudem bezieht der Kanton die Gemeinden in den Informations- und Erfahrungsaus-tausch ein durch die regelmässigen Kontakte der Fachstelle Integration mit dem Ver-band Thurgauer Gemeinden (VTG).

Auch über die Kantonsgrenze hinaus bestehen Kontakte zum Erfahrungsaustausch und zur Koordination. Die kantonale Fachstelle Integration ist Mitglied der Schweizer Konferenz der Integrationsdelegierten (KID) und nimmt an Veranstaltungen der Schweizer Konferenz der Fachstellen für Integration (KoFI) teil.

Hingegen fehlt zur Zeit noch ein Koordinationsgremium auf der Ebene der integrati-onsrelevanten kantonalen Departemente und Ämter sowie der Gemeinden mit deren integrationsrelevanten Institutionen.

Bedarf: Die Befragung der Thurgauer Gemeinden im Jahr 201033 und der kantona-len Ämter im Jahr 2011 zeigen, dass trotz der bestehenden Informations- und Koor-dinationsanstrengungen oftmals kommunale und kantonale Stellen nicht genügend über Integrationsmassnahmen und die Zuständigkeiten informiert sind. Es müssen daher weitere Anstrengungen unternommen werden, um die Koordination der Quer-schnittaufgabe „Integrationsförderung“ zu optimieren. Dies bedeutet insbesondere:

Aufbau eines Koordinationsgremiums auf Ebene der integrationsrelevanten kantonalen Departemente und Ämter sowie der Gemeinden mit deren integ-rationsrelevanten Institutionen

Aufbau einer Informationsplattform für alle Akteure (Gemeinden, Anbieter, be-troffene Ausländerinnen und Ausländern) mit Informationen zu Angeboten (typologisiert nach Zielen, Zielgruppen und Inhalten, Finanzierungsmöglich-keiten)

Verbreiten von „Best-Practice-Empfehlungen“ bezüglich Angeboten und Zu-sammenarbeitsformen

Sensibilisierungsarbeit bezüglich Integrationsbedarf und –massnahmen bei den Gemeinden

Aufbau einer Steuergruppe zur qualitativen und quantitativen Steuerung des

33 Vgl. Migrationsamt Kanton Thurgau, 2010b, S.13ff.

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Angebotes an spezifischen Integrationsmassnahmen (vgl. auch Kap. 5.1.2) unter Einbezug der politischen Gemeinden und der Schulgemeinden

5.1.5 Information der Gesamt-Bevölkerung

Anlässlich der von der kantonalen Fachstelle Integration im Jahr 2010 durchgeführ-ten Befragung34 gaben nur drei Gemeinden an, dass sie die Öffentlichkeit über die Migrationspolitik und die spezifische Situation der Ausländerinnen und Ausländer in ihrer Gemeinde informieren, sei es über die Thurgauer Presse oder an Gemeinde-versammlungen.

Die regionalen Kompetenzzentren und die kantonale Fachstelle Integration informie-ren über ihre Homepage über Integrationsangebote. Darüber hinaus hat sich die kan-tonale Fachstelle Integration beispielsweise mit dem Bericht über die Integration der ausländischen Bevölkerung von 2010 ebenfalls an die interessierte Bevölkerung ge-wandt.

Bedarf: Die Informationstätigkeit von Kanton und Gemeinden gegenüber der Ge-samtbevölkerung müssen intensiviert werden. Dazu sind die Zuständigkeiten und Rollen bezüglich Informationstätigkeit zwischen kantonaler Fachstelle Integration und regionalen Kompetenzzentren zu klären und mittels Leistungsvereinbarungen ver-bindlich zu regeln.

5.1.6 Schutz vor Diskriminierung

In der Schweiz setzt sich gegenwärtig die Erkenntnis durch, dass der Schutz vor Dis-kriminierung eine wichtige Voraussetzung für die Herstellung von Chancengleichheit und für eine erfolgreiche Integration von Zugewanderten ist. Diskriminierungsschutz wurde denn auch von Bund und Kantonen zu einem zwingenden Bestandteil der kantonalen Integrationsprogramme erklärt.

Es gibt noch kein solides Wissen über das Vorkommen und das Ausmass von Dis-kriminierung in der Schweiz, da umfassende Melde- und Monitoringsysteme auf allen föderalen Ebenen fehlen. Es gibt daher auch keine verlässlichen diesbezüglichen Aussagen zum Kanton Thurgau. Folgende Hinweise konnten zur Situation im Kanton Thurgau gefunden werden:

Die Eidg. Kommission gegen Rassismus (EKR) dokumentiert seit 1997 sämtliche Rechtsfälle, welche die Rassismusstrafnorm betreffen.35 Für den Kanton Thurgau sind bisher fünf Fälle dokumentiert.

Seit dem Jahr 1992 geben die Stiftung gegen Rassismus und Antisemitismus (GRA) und die Gesellschaft Minderheiten in der Schweiz (GMS) gemeinsam die Chronolo-gie Rassismus in der Schweiz heraus. Gestützt auf Medienberichte und -mitteilungen werden alle öffentlich gewordenen Vorfälle, die auf rassistische und/oder rechtsex-treme Motivationen zurückgehen, erfasst. Für den Kanton Thurgau sind vom 1. Ja-nuar 1995 bis zum Februar 2012 22 Fälle dokumentiert.36

Grundsätzlich ist aber aufgrund der ungenügenden Melde- und Monitoringsituation von einer grossen Dunkelziffer von Diskriminierungsfällen auszugehen.

34 Vgl. Migrationsamt Kanton Thurgau, 2010b, S. 9ff. 35 Siehe dazu die Online-Datenbank sowie die Auswertungen der EKR: www.ekr.admin.ch/dienstleistungen/00169/00273/index.html?lang=de; (Zugriff 14.03.2012). 36 Siehe dazu http://chronologie.gra.ch/index.php?p=4; (Zugriff 14.03.2012).

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Die Umfrage der Fachstelle Integration im Jahr 2011 bei verschiedenen Beratungs-stellen (Benefo-Stiftung; Team Selbsthilfe Thurgau; regionale Fachstellen Integration Kreuzlingen, Romanshorn, Frauenfeld, Weinfelden) ergab, dass zwar Fälle von Dis-kriminierung vorkommen, dass aber meistens keine Meldung erfolgt bzw. keine klar definierte Anlaufstelle besteht.

Die gezielte Nachfrage im Jahr 2011 bei sechs kantonalen Ämtern und Stellen im Kanton Thurgau ergab, dass ihnen keine diskriminierenden Einzel-Vorfälle auf ihren Stellen bekannt sind. Allfällige Beschwerden würden über den Dienstweg beantwor-tet werden.

Hingegen zeigen die statistischen Grundlagen in den folgenden Kapiteln (z.B. zu Ausbildungsabschlüssen bei Jugendlichen, zur Arbeitslosigkeit, zum Gesundheitszu-stand), dass es auch im Kanton Thurgau eine beträchtliche Chancenungleichheit zwischen der ausländischen und schweizerischen Wohnbevölkerung gibt - eine Chancenungleichheit, die man als strukturelle Diskriminierung von bestimmten Grup-pen bezeichnen kann.

Im Kanton Thurgau gibt es keine Verankerung des Diskriminierungsschutzes, weder in der Verfassung noch auf Stufe Gesetz oder Verordnung. Zudem fehlt eine zentrale Anlaufstelle für diesbezügliche Beschwerden, wie etwa eine Ombudstelle oder eine Beratungsstelle für Diskriminierungsopfer mit einem definierten und expliziten Auf-trag.

Auf der konkreten Massnahmenebene finden sich in verschiedenen kantonalen Äm-tern einzelne Ansätze zum Schutz vor Diskriminierung (vgl. Anhang 10.3).

Zur Sensibilisierung der Bevölkerung sind punktuelle und lokale Ansätze vorhanden. Beispielsweise organisieren einzelne Gemeinden interkulturelle Veranstaltungen (vgl. Kap. 5.1.5 und 5.3.1).

Interkulturelles Übersetzen leistet einen Beitrag zum Schutz vor struktureller Diskri-minierung (vgl. Kap. 5.3.4).

Bedarf: Die befragten kantonalen Ämter nannten keinen Handlungsbedarf bezüglich der Verbesserung des Diskriminierungsschutzes.

Das Thema Diskriminierungsschutz und die verbesserte Durchsetzung des gelten-den Rechtes müssen im Rahmen eines politisch abgestützten Gesamtkonzeptes angegangen werden. Es ist eine Arbeitsgruppe zur Erarbeitung von Massnahmen einzusetzen. Die Studie des Schweizerischen Forums für Migrations- und Bevölke-rungsstudien zeigt hierzu die bestehenden Erfahrungen und Möglichkeiten auf:37

Aufnahme in die Politikformulierung in verschiedenen Bereichen (z.B. in Leit-bilder, Legislaturplanung; Aktions- und Massnahmenplanungen, z.B. Vorga-ben für Personal- und Rekrutierungspolitik oder die Aufnahme eines entspre-chenden Beratungs- und Sensibilisierungsauftrages in das kantonale Integra-tionsprogramm)

Informations- und Sensibilisierungsarbeit bei der ausländischen und schwei-zerischen Bevölkerung, bei zivilrechtlichen und staatlichen Akteuren (z.B. Einbezug des Themas in Erstinformationsmaterialien für Neuzuziehende; auf Homepages der kantonalen Fachstelle Integration, der regionalen Kompe-tenzzentren; Projekte auf Gemeinde- und Quartierebene; Massnahmen der

37 Vgl. Schweizerisches Forum für Migrations- und Bevölkerungsstudien (SFM), 2011, S. 45ff.

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Sensibilisierung und Organisationsentwicklung in verschiedenen Verwal-tungseinheiten auf kommunaler und kantonaler Ebene)

Sensibilisierung der Arbeitgeber (z.B. Förderung von anonymisierten Bewer-bungen)

Sicherstellung eines Monitoring- und Dokumentationssystems von Diskrimi-nierungsfällen mit einer zentralen Meldestelle, evt. interkantonale Zusam-menarbeit

Aufbau von Strukturen und Fördermassnahmen (Beratungs- und Vermitt-lungsangebote für Betroffene mit klaren Kompetenzen und genügenden Res-sourcen; Schaffen einer Ombudstelle; interkulturelles Übersetzen)

Weiterbildungen in transkultureller Kompetenz und zu Diskriminierungsschutz für zivilgesellschaftliche und staatliche Akteure

Controlling der getroffenen Massnahmen und Qualitätssicherung

5.2 Bildung und Arbeit

5.2.1 Sprachkurse

Ausreichende Deutschkenntnisse sind Voraussetzung für die erfolgreiche Teilnahme an Bildungsmassnahmen, erleichtern die Arbeitsmarktintegration und die soziale In-tegration ganz allgemein.

Im Kanton Thurgau gibt es ein breites Angebot an Deutschkursen. Kantonale und private Regelstrukturen bieten im Rahmen ihres Auftrages zielgruppenspezifische Deutschkurse für Ausländerinnen und Ausländer an (vgl. dazu: Angebote der Frühen Förderung in Kap. 5.2.2.1; Angebote der Schulgemeinden in Kap. 5.2.2.2; Angebote der Berufsfachschulen in Kap. 5.2.3; Angebote des AWA und der RAV bzw. Angebo-te der von ihnen Beauftragten in Kap. 5.2.5; Asylbewerbende in den Durchgangs-heimen erhalten durch das kantonale Fürsorgeamt finanzierte Deutschkurse).

Ergänzend zu diesen Angeboten in den Regelstrukturen hat die kantonale Fachstelle Integration gemäss dem bisherigen Schwerpunkteprogramm des Bundes den Haupt-fokus auf die Unterstützung von spezifischen niederschwelligen Deutschkursen ge-legt. Unterstützt werden Alphabetisierungskurse für Personen, welche die lateinische Schrift nicht oder nur wenig schreiben und lesen können, sowie Kurse für Personen, welche die Sprachniveaus A1 bis A2 GER erreichen wollen.

Zudem werden Fortgeschrittenenkurse für Personen mitfinanziert, welche das Sprachniveau B1 GER erreichen wollen, Informationskurse über die Schweiz (Bun-desverfassung, Geschichte, Institutionen und Bräuche, Rechte und Pflichten der aus-ländischen Bevölkerung) und Sprachspielgruppen für ausländische Kinder im Vor-schulalter (vgl. Kap. 5.2.2.1). Eine zusammenfassende Darstellung der im Jahr 2010 von der kantonalen Fachstelle Integration subventionierten Angebote im Kanton Thurgau befindet sich im Anhang 10.4. Die jeweils aktuellste Liste aller Deutschkurse wird auf der Homepage der kantonalen Fachstelle geführt.38

Die von der kantonalen Fachstelle Integration subventionierten Kurse sind erfolg-reich. Die Nachfrage übersteigt das Angebot deutlich. Die Teilnehmenden sind moti-viert und besuchen die Kurse regelmässig und zuverlässig.

38 Vgl. Homepage der kantonalen Fachstelle Integration www.migrationsamt.tg.ch

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Stand der Integrationsförderung im Kanton Thurgau

31

Ab 2012 sollen zusätzlich Intensiv-Deutschkurse für vorläufig Aufgenommene und anerkannte Flüchtlinge mit anschliessendem Besuch eines (bestehenden) Arbeitsin-tegrationsprogrammes (z.B. der Stiftung Zukunft oder des HEKS) angeboten wer-den.39

Die Zielgruppen der niederschwelligen Kurse im Thurgau sind einerseits vorläufig Aufgenommene und anerkannte Flüchtlinge und andererseits Personen, die im Fami-liennachzug in die Schweiz kommen: Erwerbslose Männer, Hausfrauen und Mütter, Kinder im Vorschulalter sowie spätimmigrierte, nicht mehr schulpflichtige Jugendli-che. Wie in Kap. 5.1.2 dargelegt, werden diese Personen teilweise mittels Integrati-onsvereinbarungen zum Besuch von Sprachkursen verpflichtet.

Diese niederschwelligen integrativen Deutschkurse möglichst flächendeckend anzu-bieten, stellt für den ländlich strukturierten Kanton Thurgau, in dem die Ausländerin-nen und Ausländer geographisch sehr unterschiedlich verteilt sind, eine besondere Herausforderung dar.

Der Bestand an niederschwelligen Deutschkursen zeigt im Januar 2012 folgende geografische Verteilung:

Abbildung 3: Geografische Verteilung der Integrativen Deutschkurse, Kanton Thurgau 2012

Der Vergleich mit dem Anteil an nicht deutschsprachigen Ausländerinnen und Aus-ländern an der Gesamtbevölkerung je Gemeinde zeigt, dass mit wenigen Ausnah-men (Mammern, Steckborn, Bettwiesen) in den Gemeinden mit einem hohen Aus-länderanteil (ohne deutschsprachige) niederschwellige Deutschkurse angeboten werden. In anderen Gemeinden hingegen fehlt der Zugang zu solchen Angeboten.

39 Die Gemeinden wurden dazu brieflich im Dezember 2011 informiert, mit den kommunalen An-

sprechpersonen/Beauftragten findet dazu im 2012 ein Treffen statt.

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Stand der Integrationsförderung im Kanton Thurgau

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Gemäss einer Umfrage bei den Gemeinden im November 201140 äussern viele klei-ne Gemeinden keinen Bedarf an Deutschkursen, da bei ihnen nur sehr wenige fremdsprachige Ausländerinnen und Ausländer wohnen. Gemäss Rückmeldungen auf die Umfrage zeigen sich teilweise Gemeinden, die keinen Bedarf wahrnehmen, in Bezug auf die Mitfinanzierung von Angeboten (auch im Einzelfall, z.B. bei einer In-tegrationsvereinbarung) wenig hilfsbereit, wenn es in ihrer Gemeinde zu einem Un-terstützungsbedarf kommt. Es zeigte sich zudem, dass die bestehenden Angebote gut bekannt sind in den Gemeinden. Als Lücken werden am häufigsten Deutschkurse für schulentlassene Jugendliche und Männer genannt.

Neben der Durchführung eigener Sprachkurse haben die politischen Gemeinden bzw. Schulgemeinden auch verschiedene Zusammenarbeitsformen gefunden. Ins-besondere bewähren sich Zusammenschlüsse von Gemeinden für die Beauftragung grosser und erfahrener Anbieter für diese Aufgabe.

So haben alle 28 Gemeinden der Regionalplanungsgruppen Kreuzlingen und Frau-enfeld Zugang zu den Deutschkursen der beiden regionalen Kompetenzzentren für Integration: der Fachstelle Integration Kreuzlingen und der Fachstelle für Integration (FFI) in Frauenfeld.

Im Kanton Thurgau bieten neben Gemeinden auch Migrantenorganisationen, Hilfs-werke und andere Trägerschaften niederschwellige Deutschkurse an..Die Anbieter-konferenz (Vertreterinnen und Vertretern derjenigen Trägerschaften, die im Rahmen des kantonalen Integrationsprogrammes wiederkehrende Integrationsbeiträge von Bund und Kanton erhalten) hat zum Ziel, den Informations- und Erfahrungsaustausch zu gewährleisten sowie die Koordination und Optimierung des Angebotes sicherzu-stellen.41 Die drei grössten Anbieter (HEKS, FFI, Sekundarschule Romans-horn/Salmsach) haben sich bereits auf einheitliche Standards geeinigt.

Bedarf: Die Angebotslandschaft ist im Kanton Thurgau in Bezug auf die Deutsch-kurse qualitativ und quantitativ noch uneinheitlich. Diese Situation muss verbessert werden, insbesondere durch:

Erarbeitung eines kantonalen Rahmenkonzeptes für Deutschkurse für Fremdsprachige unter Einbezug der Gemeinden und der Anbieter (Klärung von quantitativen Aspekten wie Bedarf, Finanzierung, Beteiligung durch Ge-meinden sowie von qualitativen Aspekten wie Ziele, Zielgruppen und Niveaus der Kurse, Qualitätskriterien, Verpflichtungsgrad für die Kursteilnehmenden, Möglichkeiten zur Modularisierung und Individualisierung der Angebote, Tria-ge und Zuweisung, Datenschutzfragen)

Eruieren des kommunalen und regionalen Bedarfs

Eruieren von Angebotslücken in Bezug auf gewisse Zielgruppen (z.B. Männer und schulentlassene Jugendliche)

Prüfen neuer Angebote, insbesondere themenspezifischer (z.B. arbeits-bereichsspezifische Kurse42, Kurse für Personen mit Erziehungsaufga-ben)

Aufbau eines Controllingsystems

40 Durchgeführt durch den VTG. 41 Vgl. im Folgenden: Migrationsamt Kanton Thurgau, 2010a, S. 11ff. 42 Gemäss Erfahrungen in anderen Kantonen lernen Personen in Sprachkursen, die auf ihr Arbeits- umfeld angepasst sind, motivierter und erfolgreicher. Vgl. BFM, 2010, S. 18.

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Stand der Integrationsförderung im Kanton Thurgau

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Aufbau und Unterhaltung einer adressatengerechten Informationsplattform

Ausbau der niederschwelligen Kurse

Ausbau regionaler Zusammenschlüsse der Gemeinden für Deutschkur-se

Beratende und finanzielle Unterstützung der Gemeinden durch den Kan-ton beim Ausbau von Deutschkursen

5.2.2 Vorschulische und schulische Bildung

Bildung ist ein wesentlicher Schlüssel für erfolgreiche Integration. Die Voraussetzun-gen dafür werden bereits in den ersten Lebensjahren massgeblich geprägt. Die so-zioökonomische Lage der Eltern bzw. der Familie ist ein entscheidender Faktor für den Bildungsverlauf der Kinder und Jugendlichen und damit auch für die spätere Ar-beitsmarktintegration (vgl. Kap. 5.2.5), für die Gesundheit (vgl. Kap. 5.4) und die so-ziale Integration (vgl. Kap. 5.2.6).

Auch die Schulen leisten einen wichtigen Beitrag an die gesellschaftliche Integration der Kinder und Jugendlichen. Die zunehmend heterogene Zusammensetzung von Schulklassen stellt sie dabei vor wachsende Herausforderungen.

Im Kanton Thurgau unterscheidet sich derzeit die prozentuale Verteilung der Kinder und Jugendlichen auf die verschiedenen Altersgruppen zwischen Schweizerin-nen/Schweizern und Ausländerinnen/Ausländern nicht massgeblich.43 Insgesamt ist für die Zukunft mit einer Abnahme der Schülerzahlen zu rechnen. Zukunftsprogno-sen44 des BFS zeigen dabei langfristig einen konstanten Ausländeranteil von ca. 20% in allen Altersklassen. Hingegen dürfte gemäss BFS-Prognose in den nächsten 10 Jahren die Anzahl der ausländischen Kinder im Vorschulalter zunehmen.

Die Volksschulen im Kanton Thurgau umfassen die Kindergärten, die Primarschulen und die Sekundarschulen. Diese werden von den 92 Schulgemeinden des Kantons mit jeweils eigenen Schulbehörden geführt, die im Verband Thurgauer Schulgemein-den (VTGS) organisiert sind.

Nach dem Grundsatz der Subsidiarität ist die Kinder-, Jugend- und Familienpolitik primär Aufgabe der politischen Gemeinden und der Schulgemeinden. Der Kanton setzt Eckpunkte und unterstützt die Gemeinden, vernetzt und koordiniert staatliche und private Massnahmen und fördert Netzwerke.

Der Regierungsrat hat im Jahr 2009 das Konzept für eine koordinierte Kinder-, Ju-gend- und Familienpolitik des Kantons Thurgau verabschiedet. Die Hauptaufgabe der Fachstelle Kinder-, Jugend- und Familienfragen (KJF) besteht darin, in den Be-reichen Kind, Jugend und Familie zu vernetzen und zu koordinieren. Damit nimmt die Fachstelle KJF eine Querschnittsaufgabe wahr. Zu den Massnahmenfeldern gehören unter anderem die vorschulischen Fördermassnahmen, Abklärung einer Kinderkrippe für die Zentralverwaltung, Elternbildung und Integration. Die Umsetzung der Mass-nahmen erfolgt seit Juni 2010 mit der Schaffung der Fachstelle für Kinder-, Jugend- und Familienfragen (zwei Stellen mit total 150 Stellenprozenten) im Department Er-ziehung und Kultur.

43 Vgl. DEK, 2010. 44 Gemäss mittlerem Szenario BFS 2010.

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Stand der Integrationsförderung im Kanton Thurgau

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5.2.2.1 Frühe Förderung

Grosse Bedeutung für die bildungsmässige (und gesundheitliche) Chancengleichheit hat bereits die vorschulische Förderung. Sie passiert ganz wesentlich durch die El-tern und erfolgt insbesondere durch die Gestaltung einer kleinkindgerechten Umge-bung mit entwicklungs- und lernförderlichen Erfahrungsräumen. Ein sicheres Bin-dungsverhalten ist nicht nur die beste Voraussetzung für eine gesunde bio-psychosoziale Entwicklung, sondern auch Grundlage von Exploration und damit Vor-aussetzung für Lernen schlechthin. Die Einbettung des Kindes in stabile, zunei-gungsreiche Beziehungen und konsistente Beziehungserfahrungen ist demnach ent-scheidend und ein wichtiger Schutzfaktor für die spätere Entwicklung. Vor diesem Hintergrund stellen sich folgende Forderungen: Eine vermehrte Wertschätzung und Unterstützung der Arbeit mit Kindern auf allen Ebenen, die Fokussierung auf sozio-ökonomisch benachteiligte Familien und Familien mit besonderen Herausforderun-gen, die Verbesserung der Koordination und Förderung der Qualität in Ausbildung, Praxis und Forschung.

Mit dem Begriff Frühe Förderung ist ganz allgemein die Unterstützung von Kindern in ihrem Lernprozess ab Geburt bis zum Eintritt in die Kindergartenstufe gemeint. Frühe Förderung umfasst dabei die Aspekte Bildung, Betreuung und Erziehung gleicher-massen und schliesst auch die Unterstützung und Beratung der Eltern mit ein.45

Es gibt vielfältige Angebote, um Eltern im Kanton Thurgau in ihrer Erziehungsaufga-be zu unterstützen. Dies sind einerseits allgemeine unterstützende Massnahmen (sogenannte universelle Prävention, die sich an alle Familien mit Kindern richtet), wie sie im Kanton Thurgau etwa flächendeckend durch die Mütter- und Väterberatungs-stellen, durch Angebote der Elternbildung von der Thurgauischen Arbeitsgemein-schaft für Elternorganisationen TAGEO oder in einigen Gemeinden durch die Eltern-briefe der Pro Juventute angeboten werden, aber auch familienergänzende Angebo-te wie Tagesfamilien, Kindertagesstätten und Spielgruppen. Familienergänzende Angebote gibt es in einer Vielzahl der Thurgauer Gemeinden.

Es ist bekannt, dass durch primäre soziale Ungleichheiten verursachte Entwicklungs-rückstände durch die Schule kaum mehr ausgeglichen werden können.46 Dies gilt sowohl für schweizerische als auch für ausländische Kinder. Die selektive Prävention richtet sich daher an sozial benachteiligte und/oder fremdsprachige Kinder und Fami-lien. Es sind dies die im Kanton Thurgau ebenfalls vertretenen Eltern-Kind-Gruppen, Mutter-Kind-Gruppen, Sprachspielgruppen oder aufsuchende Angebote. Die Stadt Frauenfeld erarbeitet beispielsweise derzeit ein Konzept zu aufsuchender Elternar-beit.

Die sogenannte indizierte Prävention richtet sich an stark belastete Familien und de-ren Kinder mit besonderen Förderbedürfnissen, wie Behinderungen, Erziehungs-rückständen oder Verhaltensauffälligkeiten. Diese indizierte Frühe Förderung wird im Kanton Thurgau durch den Verein Heilpädagogische Früherziehung angeboten. Ins-besondere mit Familien in schwierigen sozialen Situationen arbeiten der Verein An-nea und die Inspira GmbH mit der Methode der Sozialpädagogischen Familienbeglei-tung. Immer mehr haben diese Angebote im Rahmen ihrer Tätigkeit auch mit Famili-en mit Migrationshintergrund zu tun.

Die Fachstelle "Perspektive Thurgau" des Gemeindezweckverbandes bietet neben der klassischen Erziehungsberatung auch Beratung im Frühbereich an, in enger Zu-

45 Ouelle: http://www.bi.zh.ch/ Fruehe_Foerderung.pdf (Zugriff 28.11.11). 46 Vgl. EKM, 2009, S. 12.

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sammenarbeit mit der Mütter- und Väterberatung. Diese Angebote stehen auch Migrantinnen und Migranten zur Verfügung. Mit dem (befristeten) Projekt Miges Balu werden gezielt Massnahmen zur besseren Erreichbarkeit der Migrationsfamilien ge-troffen.

Im Kanton Thurgau wird auf kantonaler Ebene und von vielen Gemeinden der Hand-lungsbedarf im Bereich der Frühen Förderung anerkannt. Explizite gesetzliche Grundlagen fehlen aber weitgehend. Auch das Gesetz zur familienergänzenden Betreuung klärt Zuständigkeiten im Bereich der Frühen Förderung nicht eindeutig.

Ein kantonales Konzept zur Frühen Förderung gibt es nicht. Relevante Grundlagen sind enthalten in den Richtlinien des Regierungsrates für die Legislaturperiode 2008-2012, im Konzept für eine koordinierte Kinder-, Jugend- und Familienpolitik des Kan-tons Thurgau sowie im Konzept Gesundheitsförderung Thurgau.

So ist es den politischen Gemeinden und den Schulgemeinden überlassen, wer die Initiative ergreift und ein Angebot der Frühen Förderung initiiert. Auf kommunaler Ebene ist die Situation im Bereich der Frühen Förderung denn auch sehr unter-schiedlich (vgl. Anhang 10.5). Es gibt einzelne Gemeinden und Schulgemeinden, die sich schon seit längerem und intensiv mit der Thematik befassen und Projekte bzw. Konzepte entwickelt haben. So hat die Stadt Frauenfeld ein kommunales Konzept zur Früherkennung und Frühintervention erstellt und gestützt darauf verschiedene Angebote im Bereich der Frühen Förderung gestartet. Kommunale Angebote und Projekte gibt es zudem in der Schulgemeinde Amriswil-Hefenhofen-Sommeri, in Aa-dorf, Arbon, Kreuzlingen, Romanshorn, Sulgen und Weinfelden, welche teilweise von der Schulentwicklung des Amtes für Volksschule, anderseits von der Fachstelle KJF finanziell und fachlich unterstützt werden. Die Erfahrungen mit diesen Angeboten sind gut, sie sind aber über die Gemeindegrenzen hinaus zu wenig bekannt. Die Fachstelle KJF plant für 2012 eine Erweiterung der Sozialnetzplattform, welche An-gebote und Projekte im Kanton Thurgau sichtbar machen soll.

Eine Umfrage im November 2011 bei den politischen Gemeinden und den Schulprä-sidien47 hat gezeigt, dass bezüglich des Begriffs Frühe Förderung Unklarheit besteht und vorhandene Angebote teilweise nicht als solche verstanden oder wahrgenom-men werden. So gaben z.B. Gemeinden, die das Projekt "Spiel mit mir" in Weinfelden mit nutzen könnten an, dass sie kein Angebot im Bereich der Frühen Förderung ha-ben. Der Bedarf wird kommunal unterschiedlich eingeschätzt. Während viele kleinere Gemeinden keinen Bedarf sehen, werden bei anderen Sprachangebote für Eltern und Kinder als wichtig angesehen und Lücken im Angebot kritisiert. Dabei mangle es aber auch am Interesse der ausländischen Eltern. Grosse Gemeinden übernehmen eine Zentrumsfunktion im Bereich der Frühen Förderung, teilweise nutzen umliegen-de Gemeinden diese Angebote mit.

Auf kantonaler Ebene sind verschiedene Stellen in das Thema Frühe Förderung in-volviert. Das Departement für Finanzen und Soziales (DFS) ist auf kantonaler Ebene für Gesundheitsförderung und Prävention, die Ehe- und Familienberatung (EFB) so-wie die Mütter- und Väterberatung (MVB) Thurgau zuständig. Gesundheitsförderung, Prävention und EFB sind Verbundaufgaben von Kanton und Gemeinden, die MVB ist eine Aufgabe der Gemeinden. Die EFB und MVB stehen derzeit in einem Reorgani-sationsprozess. Mit Ausnahme der Region Bischofszell/Amriswil sind alle bisherigen Vereine und Verbände seit Anfang 2012 dem Gemeindezweckverband Gesundheits-förderung, Prävention und Beratung beigetreten. Somit besteht kantonsweit für gut

47 Durchgeführt durch den VTG.

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90% der Bevölkerung ein einheitliches Dienstleistungsangebot für diese Bereiche. Ein ursprünglich geplanter Leistungsausbau in der Kleinkindberatung sowie in Bezug auf ein Förderprogramm für Risikofamilien ist derzeit aus Finanzgründen gebremst.

Nebst der Querschnittsaufgabe Vernetzung und Koordination begleitet und unter-stützt die kantonale Fachstelle KJF verschiedene lokale Projekte mit Modellcharakter und unterstützt Massnahmen zur Stärkung des Beratungsnetzwerkes. Es sind dies das Programm "Spiel mit mir" in Weinfelden, die Aufsuchende Elternarbeit in Frauen-feld, der Integrationskindergarten "Fit in den Kindergarten" in Amriswil, das Projekt Murmelhaus in Sulgen, das Ostschweizer Familienforum in Weinfelden und die Ko-ordinatorinnen der Femmes Tische. Zudem liegt die strategische Projektleitung des Programms "Guter Start ins Kinderleben" einerseits bei der Fachstelle KJF und an-derseits beim Kantonsärztlichen Dienst. Über verschiedene Internetplattformen – So-zialnetz Thurgau, Familienplattform Ostschweiz sowie über die Homepage der Fach-stelle KJF - werden Betreuungs- und Beratungsangebote und Pilotprojekte sichtbar gemacht. Seit November 2011 ist eine Erweiterung durch eine Projektdatenbank in Umsetzung.

Der Kantonsärztliche Dienst unterstützt im Rahmen der Gesundheitsförderung eben-falls Modellprojekte. Diese werden von der Fachstelle "Perspektive Thurgau" des Gemeindezweckverbandes in Zusammenarbeit mit relevanten Partnerorganisationen (bspw. Mütter- und Väterberatung, Caritas, Fachstellen für Integration) durchgeführt (Femmes Tische, Miges Balu, Guter Start ins Kinderleben; vgl. Kap. 5.4.1).

Das Amt für Volksschule kann aufgrund der fehlenden rechtlichen Grundlagen nur punktuell Projekte der Frühen Förderung unterstützen. Sein Aufgabenbereich um-fasst die Schulung der Kinder ab vier Jahren.

Der Regierungsrat erteilt der Pädagogischen Hochschule Thurgau (PHTG) den Leis-tungsauftrag für den Masterlehrgang Frühe Förderung und ermöglicht somit die Ent-wicklung eines neuen Ausbildungskonzeptes für die Lehrpersonen.

Ab 2012 wird im Bereich der Frühen Förderung auch die kantonale Fachstelle Integ-ration tätig werden. Sie wird Projekte, die sich in diesem Bereich (auch) an Auslände-rinnen und Ausländer richten, mit unterstützen können.48

Der Vernetzung der Akteure im Bereich der Frühen Förderung wird zunehmend Ge-wicht beigemessen. So hat das bereits erwähnte Projekt „Guter Start im Kinderleben“ im Kanton Thurgau das Ziel, die systematische Koordination, Kooperation und Ver-netzung mit geregelten Absprachen und Verfahrenswegen unter den Berufsgruppen zu erreichen. Die Neuorganisation der Mütter- und Väterberatungsstellen dürfte den Erfahrungsaustausch unter den Stellen und eine Weiterentwicklung der Angebote ebenfalls begünstigen. Die Fachstelle KJF, die kantonale Fachstelle Integration, das Amt für Volksschule und die Geschäftsstelle TAGEO haben ein erstes Netzwerktref-fen im November 2011 zum Thema "Verbesserung der Erreichbarkeit von Eltern mit Migrationshintergrund" durchgeführt. Ein kommunales Beispiel ist das Konzept der Stadt Frauenfeld zur Früherkennung und Frühintervention, das unter anderem die Verbesserung der Zusammenarbeit zum Ziel hat.

Die bisherigen Erfahrungen zeigen, dass aufgrund der unklaren Strukturen und Zu-ständigkeiten die Planung von Projekten oft komplex und zeitaufwändig ist und auf

48 Der Bereich Frühe Förderung ist einer der vom BFM definierten Schwerpunkte der zukünftigen

kantonalen Integrationsprogramme.

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Stand der Integrationsförderung im Kanton Thurgau

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Skepsis bei den Behörden stösst. Die langfristige Finanzierung der Projekte wird da-durch erschwert.

Bei bereits etablierten Angeboten wie die Femmes Tische zeigt sich, dass die Akzep-tanz bei der Zielgruppe vorhanden ist und die Fachleute eine hohe Motivation und Kompetenz haben. Die professionelle Bewirtschaftung und die Weiterentwicklung solcher Projekte sowie die Vernetzung der Akteure mit dem Ziel einer Erfahrungs- und Wissensweitergabe sind wichtig.

Bedarf: Es bestehen im Kanton Thurgau qualitativ gute, aber nicht flächendeckende Angebote an allgemeiner (sogenannter universeller) familienunterstützender Früher Förderung sowie an familienergänzender Früher Förderung. Inwieweit hier das Po-tential für frühkindliche Bildung, Betreuung und Erziehung genutzt wird, müsste al-lerdings überprüft werden. Die langfristige Finanzierung dieser Angebote ist zudem nicht gesichert.

Hingegen sind die Angebote im Bereich der selektiven familienunterstützenden Frü-hen Förderung (für sozial benachteiligte Familien und/oder fremdsprachige Kinder) in der Regel auf regionale oder kommunale Einzelinitiativen beschränkt. Auch hier fehlt die langfristige Finanzierung, da diese Angebote meist nur im Rahmen von Pro-jekten und damit befristet finanziert sind.

Im Bereich der indizierten Prävention fehlt insbesondere die nachhaltige Finanzie-rung.

Angebote der Frühen Förderung richten sich in der Regel sowohl an einheimische als auch an ausländische Kinder und Eltern und sind daher primär in Absprache zwischen den Schulgemeinden und den politischen Gemeinden sicher zu stellen. Es muss konzeptionell sichergestellt werden, dass sie aufeinander abgestimmt sind und sich ergänzen. Zur Verbesserung der Situation im Bereich der Frühen Förderung empfiehlt sich ein Vorgehen in drei parallelen Schritten:

1. Erstellen eines kantonalen Konzeptes zur Frühen Förderung (Strategien, Ziele, Zuständigkeiten auf kantonaler und kommunaler Ebene, Qualitätsstandards) un-ter Einbezug der Gemeinden, Schulgemeinden und erfahrener Anbieter

Festlegen der Lead-Funktion auf kantonaler Ebene für diesen Prozess

Schaffen von gesetzlichen Grundlagen

Sensibilisierung von Politik und Öffentlichkeit

2. Sichern der Nachhaltigkeit/Finanzierung der bestehenden Angebote und Projekte

Klären der Zuständigkeiten unter den involvierten kantonalen Ämtern und auf kommunaler Ebene

Abbau von Zugangsbarrieren: Prüfen der bestehenden Angebote auf deren Zugänglichkeit für ausländische Kinder und Eltern

Elternbildung

Durchführen von Modellprojekten, deren Evaluation und Verbreiten von „Best Practice“-Empfehlungen

Diskussion und Koordination von Qualitätsstandards

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Stand der Integrationsförderung im Kanton Thurgau

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Vernetzung von Fachleuten

Aufbau und Unterhalten einer Informationsplattform49

3. Ausbau der Angebote der selektiven Frühen Förderung

Aufbau kommunaler/regionaler Konzepte zur Früherkennung und Frühinter-vention bei belasteten (schweizerischen und ausländischen) Familien

Integration spezifischer Angebote für mehrfachbelastete Familien in beste-hende Leistungsvereinbarungen mit Dienstleistungserbringern

Aufbau ergänzender neuer Angebote mit finanzieller Starthilfe durch den Kan-ton

5.2.2.2 Schulbildung

Ausländische Kinder und Jugendliche im Thurgauer Schulsystem50

Der Anteil ausländischer Kinder im Kindergarten liegt im Schnitt der letzten 10 Jahre bei 22% (mit einem leichten Anstieg in den letzen 2 Jahren).

Im Jahr 2010/11 haben 22.1% der Kinder im Kindergarten ihre ersten Sprachkennt-nisse in einer anderen Sprache als Deutsch erworben.51

0 50 100 150 200 250 300 350

Spanisch

übrige europäische Sprachen

übrige slawische Sprachen

übrige Sprachen

Portugiesisch

Italienisch

übrige osteuropäische Sprachen

Türkisch

Albanisch

Grafik: KEK-CDC ConsultantsQuelle: Bildungsstatistik Kanton Thurgau

Abbildung 4: Erstsprache im Kindergarten, Kanton Thurgau 2010/11.52

21.4% der Primarschülerinnen und -schüler (Zahlen für öffentliche Schulen) stam-men aus dem Ausland (20.5% Fremdsprachige).

In 31 der insgesamt 76 Thurgauer Primarschulgemeinden lag der Ausländeranteil im Schuljahr 2010/11 unter 10%. 25 Gemeinden weisen Anteile zwischen 10 und 20% auf. Die restlichen Gemeinden verzeichnen höhere Ausländeranteile. Zu den Ge- 49 Für 2012 ist die Erweiterung des Sozialnetzes durch eine neue Plattform geplant. Die Informations-

tätigkeit ist koordiniert anzugehen. 50 Die Zahlen dieses Kapitels widerspiegeln die Bildungsstatistik mit Stand Juli 2012. Die neuesten

Zahlen zum Jahr 2011 finden sich unter Bista 2011, www.bistag.tg.ch. 51 Quelle: Bista 2010, www.bista.tg.ch (Zugriff 14.03.12). 52 Quelle: Bista 2010, www.bista.tg.ch (Zugriff 14.03.12).

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meinden mit den höchsten ausländischen Primarschüleranteilen gehören Romans-horn (41.6%), Rickenbach (52.0%) und Kreuzlingen (53.5%).53

Während die Anteile in der Regelschule über die letzten 10 Jahre leicht zunahmen, kann bei den Sonderklassen eine deutliche Abnahme der Anteile ausländischer und fremdsprachiger54 Kinder festgestellt werden. In den Sonderklassen (ohne Einfüh-rungsklassen für Fremdsprachige) betrug im Jahr 2010 der Anteil ausländischer Kin-der aber immer noch 46.0%, derjenige der fremdsprachigen Kinder 49.0%.

Auf der Sekundarstufe I liegt der Ausländeranteil seit längerer Zeit konstant bei knapp 20%. Je nach Schultyp ist er jedoch unterschiedlich hoch: im Gymnasium (Orientierungsjahr) waren jeweils zwischen rund 5 und 12% der Schülerinnen und Schüler ausländischer Herkunft, in den Sekundarschulen mit Grundanforderungen dagegen über 30% (Zahlen für 2010: Gymnasium: 11.5% Ausländische Jugendliche, 8.2% Fremdsprachige; Sek E: 13.4% Ausländische Jugendliche, 12.0% Fremdspra-chige; Sek G: 30.6% Ausländische Jugendliche, 28.6% Fremdsprachige; Sek O55: 18.3% Ausländische Jugendliche, 17.1% Fremdsprachige).

Bezüglich des Übergangs von der obligatorischen Schule zur Sekundarstufe II lässt sich beobachten, dass der Ausländeranteil auf der Sekundarstufe II mit 12.2% deut-lich tiefer ist als auf den obligatorischen Schulstufen (21.9%).56

Spätzugezogene Kinder und Jugendliche

Gemäss Erfahrung der Integrationsfachleute im Kanton Thurgau stellt die schulische Integration von spätzugezogenen Kindern und Jugendlichen eine besondere Schwie-rigkeit dar. Ihr Sprach- und Bildungsstand ist schwer zu erfassen, geeignete und aussagekräftige Instrumente fehlen noch. Sie haben insbesondere Bedarf an spezifi-scher Förderung zur sprachlichen und kulturellen Integration. Wenn ihre Eltern Wohnsitz in einer Gemeinde nehmen oder sie von einem Durchgangszentrum einer Gemeinde zugewiesen werden, haben sie ab dem ersten Tag Anspruch auf einen Eintritt in die Schule. Es fehlt aber an genügenden, auch kurzfristig zur Verfügung stehenden Integrationsklassen mit spezieller Sprachförderung und an diesbezügli-cher Koordination unter den Schulgemeinden für regionale Lösungen.

Spätzugezogene Jugendliche werden oftmals aufgrund ihres Alters bei der Einreise in die Schweiz gar nicht mehr eingeschult. Damit haben sie aufgrund eines fehlenden Schulabschlusses und ungenügender Deutschkenntnisse schlechte Chancen für den Eintritt in eine Berufsbildung (vgl. Kap. 5.2.3). Benötigt werden im Kanton Thurgau rund 10 Plätze in Integrationsklassen für spätzugezogene Jugendliche pro Jahr.

Bedeutung der Eltern für die schulische Bildung der Kinder und Jugendlichen

Für den Schulerfolg der Kinder ist die Unterstützung durch die Eltern ein wichtiger Faktor. Die Erfahrungen zeigen aber, dass trotz vielfältiger Anstrengungen auf ge-samtschweizerischer und kantonaler Ebene, Informationen zum Schul- und Berufs-

53 Quelle: Bista 2010, www.bista.tg.ch (Zugriff 14.03.12). 54 Seit 2010 wird „Fremdsprachigenquote“ in der Bildungsstatistik definiert als die Quote der Schüle-

rinnen und Schüler, deren erste erlernte Sprache nicht die deutsche Sprache ist. 55 Sek O wird in der Bildungsstatistik definiert als Sekundarschule ohne äussere Differenzierung, also

solche, die sich nicht in G und E einteilen lassen. Es gibt Schulen, die in Leistungsklassen oder in anderen Modellen arbeiten.

56 DEK, 2010, S.13.

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bildungssystem in schriftlicher Form und in verschiedenen Sprachen zur Verfügung zu stellen, insbesondere ausländische Eltern oft zu wenig informiert sind über das Bildungssystem in der Schweiz. Dies zeigte sich auch anlässlich der Gemeindebe-fragung der Fachstelle Integration im Jahr 2010. Einige Gemeinden bedauerten die schwierige Erreichbarkeit der ausländischen Eltern für Elterngespräche an den Schu-len. Dies bestätigen auch das Amt für Volksschulen und das Amt für Berufsbildung und Berufsberatung. Insbesondere zeige sich, dass je nach kulturellem Hintergrund die schriftliche Information nicht ankomme, sondern nur eine „gesprochene Kultur“ funktioniere.

Viele Eltern benötigen Beratung, wie sie den Schulerfolg ihrer Kinder unterstützen können (Umgang mit Mehrsprachigkeit, Leseförderung, Sprachförderung, Lernmoti-vation etc.). Gemäss Erfahrungen des Amtes für Volksschule und vieler Gemein-den57 stellt sich für die Schulen das Problem, wer die Aufgaben im Bereich Elternbil-dung übernimmt. Oft geschieht dies in Elterngesprächen durch die Lehrpersonen. Dies kann zu Belastungen führen. Zudem sind Eltern oftmals über Elterngespräche nicht erreichbar. Die Richtlinien des Regierungsrates für die Legislaturperiode 2008-2012 des Kantons Thurgau halten denn auch als Ziel fest: „Die Zusammenarbeit zwi-schen Schule und Elternhaus wird intensiviert. Eltern und Familien werden zur Wahrnehmung ihrer Erziehungsaufgabe angehalten und durch spezielle Angebote unterstützt.“ (ebd. S. 84)

Aktivitäten zur Verbesserung der Chancengleichheit in der Schule

Das kantonale Gesetz über die Volksschulen besagt, dass in der Volksschule die Chancengleichheit angestrebt wird und den besonderen Bedürfnissen der Kinder Rechnung zu tragen ist (Art. 4). Gestützt auf das Volksschulgesetz hat im Rahmen des Förderunterrichts jedes Kind bei Bedarf ein Anrecht auf „Deutsch als Zweitspra-che“ (DaZ). Die Empfehlungen zum DaZ-Unterricht des Amts für Volkschule geben den Schulbehörden, Schulleitungen und Lehrpersonen eine Übersicht, worauf bei der Planung und Durchführung geachtet werden soll. Seit 2005 besteht das Angebot der obligatorischen Weiterbildung der DaZ-Lehrpersonen.

Neu steht das Förderdossier DaZ zur Verfügung, mit dem die Lehrpersonen den Sprachstand der Schülerinnen und Schüler in der Zweitsprache eruieren und ent-sprechende Fördermassnahmen treffen können. Dies nicht zuletzt, weil gemäss Re-gierungsrätlicher Verordnung (RRV) über die Volksschule § 28 Abs. 2 alle Schulen ein Förderkonzept haben müssen, das auch regelt, wie die einzelnen Massnahmen periodisch auf ihre Wirksamkeit überprüft werden.

Beim Eintritt ins Bildungssystem ist es von zentraler Bedeutung, dass ein Kind über altersgemässe allgemeinsprachliche Fähigkeiten verfügt. Im Verlauf der Schulkarrie-re tritt jedoch die Bedeutung dieser Fähigkeiten immer mehr in den Hintergrund. Um im Bildungsprozess erfolgreich zu sein, sind spezifisch schulsprachliche Fähigkeiten notwendig (Wortschatz, Grammatik). Ungenügende Sprachkompetenzen führen auch in Domänen der Schulbildung, die nicht primär sprachlich ausgerichtet sind, zu verminderten Leistungen.

Die ausreichende Förderung der Erstsprache unterstützt die Kinder mit Migrations-hintergrund beim Deutscherwerb. Aus diesem Grund unterstützt das Amt für Volks-

57 Vgl. Migrationsamt Kanton Thurgau, 2010b.

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Stand der Integrationsförderung im Kanton Thurgau

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schule die Kurse in Heimatlicher Sprache und Kultur58, die in zehn Herkunftsspra-chen angeboten werden. In diesem Unterricht erweitern zweisprachige Kinder und Jugendliche die Kompetenzen in ihrer Herkunftssprache. Zudem erwerben sie sich Kenntnisse über ihre Herkunftskultur, z.B. über Geschichte, Geografie, Literatur und Traditionen. Sie erweitern somit ihre interkulturelle Kompetenz.

Das Amt für Volksschule führt die Kontaktstelle DaZ/HSK. Diese hat die Aufgabe die Lehrpersonen zu vernetzen und Wissen im Bereich der interkulturellen Pädagogik zu vermitteln. Es bestehen diverse Angebote: Teilnetzwerk DaZ mit Vernetzungstreffen, Materialplattform, Newsletter, Webseite, etc. Für den HSK-Unterricht wird Support bei der Organisation des Anmeldeverfahrens und der Schulräume geleistet.

Durch die neue Sprachenverordnung des Bundes laufen seit 2011 in verschiedenen Kantonen Projekte im Bereich HSK. Gemeinsam mit der Pädagogischen Hochschule Thurgau (PHTG) hat das Amt für Volksschule ein Kooperationsprojekt zwischen HSK-Lehrpersonen und Klassenlehrpersonen initiiert. Die Zielsetzung ist die Förde-rung der mehrsprachigen Schülerinnen und Schüler.

Zu erwähnen sind hier auch die Anstrengungen der PHTG. Sie ist für die Aus- und Weiterbildung der Lehrpersonen im interkulturellen Bereich zuständig. Diese beinhal-tet die Perspektive der Mehrsprachigkeit, die interkulturelle Didaktik, die interkulturel-le Kompetenz, den Umgang mit Heterogenität und die Vermittlung des fachspezifi-schen Wissens rund um den Erwerb von Deutsch als Zweitsprache.

Zur Verbesserung der Information der Eltern über das Bildungssystem hat das De-partement für Erziehung und Kultur die Broschüre „Bildungsmöglichkeiten im Kanton Thurgau“ in mehreren Sprachen publiziert. Sie dient als Übersicht zu allen Bildungs-stufen vom Kindergarten bis zu den Hochschulen.

Das Amt für Volksschule hat Erziehungsleitlinien und Begleitbroschüren herausge-geben, welche bei Elterngesprächen genutzt werden können.

Dem interkulturellen Übersetzen kommt an Elterngesprächen eine wichtige Funktion zu. Gemäss Erfahrungen des Amtes für Volksschule ist das Angebot an Übersetze-rinnen und Übersetzern bzw. Kulturvermittlerinnen und Kulturvermittlern für die Schu-len ausreichend. Diesbezügliche Anfragen von Lehrpersonen zeigen aber, dass es für die Finanzierung dieser Leistungen keine einheitliche Regelung gibt.

Das Case Management Berufsbildung des Amtes für Berufsbildung und Berufsbera-tung unterstützt Jugendliche auf Stufe Sek I im Übergang in die Berufsbildung (vgl. dazu ausführlicher Kap. 5.2.3).

Auf kommunaler Ebene gibt es gute Modelle zur Verbesserung der Chancengleich-heit an Schulen. Exemplarisch sei hier das umfassende Angebot der Schulgemeinde Amriswil-Hefenhofen-Sommeri genannt. Diese fördert mit Integrationsklassen für Kinder ab der 2. Klasse bis zur 3. Sekundarklasse den gezielten Aufbau der Deutschkenntnisse und die Integration in die Schule für fremdsprachige Kinder (auf ihren Integrationskindergarten wurde schon in Kap. 5.2.2.1 hingewiesen). Interkultu-relles Übersetzen wird bei Bedarf von der Schulgemeinde finanziert. Es finden rund 100 Einsätze pro Jahr statt. Über einen Leistungsauftrag an die Sekundarschulen wird zudem die Begleitung aller Jugendlichen bis in eine Anschlusslösung nach Ab-schluss der Sekundarschule sichergestellt. Diese Vorgabe wird zu rund 98% erreicht. Wenn keine Anschlusslösung vorliegt, wird die weitere Begleitung der Jugendlichen durch die Jugendarbeit sichergestellt. Diese begleitet auch Lehrabbrechende. Es

58 Finanziert durch private Vereine und Botschaften der Herkunftsländer.

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wurde zudem ein kommunales Netzwerk von Politik, Schule, Sozialdienst, Jugendar-beit und Polizei aufgebaut, dass die Situation regelmässig analysiert und sich aus-tauscht.

Bedarf: Im Kanton Thurgau lassen sich deutliche Unterschiede bezüglich der Bil-dungschancen von ausländischen und einheimischen Kindern erkennen. Eine Ver-besserung dieser Situation erfordert insbesondere:

Modelle und Projekte zur Früherkennung und Frühintervention bei Schulschwie-rigkeiten mit Begleitung am Übergang von der Schule zur Berufsbildung

Frühe Vorbereitung der Jugendlichen auf die Berufswahl durch die Schule

Klären der Zuständigkeit zwischen den Schulen und der Berufsbil-dung/Berufsberatung für den Übergang bei spätzugezogenen Kindern und Jugendlichen

Verbreiten von Modell-Erfahrungen und „Best Practice“-Empfehlungen

Verbessern der Elternbildung

Unterstützende und entlastende Angebote für die Eltern

Aufbereiten von mehrsprachigem Informationsmaterial

Entwickeln neuer Informationskanäle

Förderung des Einsatzes von und Regelung der Kostenübernahme für interkultu-relles Übersetzen durch die Schulen

Optimierung der Förderung der Bildungssprache für Kinder mit Migrationshin-tergrund

Aus- und Weiterbildungsangebote für Lehrpersonen und Schulen im Bereich DaZ, interkulturelle Pädagogik, Umgang mit Heterogenität und Mehrsprachig-keit

Implementierung des Förderdossiers DaZ

Förderung von Kooperationsprojekten von Schulen mit HSK-Lehrpersonen, um die Wertschätzung der Erstsprache zu fördern

Tagesbetreuung als Integrations- und Sprachförderung nutzen (vgl. Kap. 5.2.2.1)

Unterstützung der Lehrpersonen im Bereich Elternarbeit durch Elternbil-dungsangebote und Informationsmaterial (im Bereich Lernen, Erziehung, Sprachförderung)

Verbesserung der Angebote für spätzugezogene Kinder und Jugendliche sowie für junge Erwachsene, insbesondere für anerkannte Flüchtlinge und vorläufig Aufgenommene

Aufbau einer regionalen Koordination der Angebote an Integrationsklassen für spätzugezogene Kinder und Jugendliche und Schaffen von genügend Ange-boten (zehn zusätzliche Plätze in Integrationsklassen); Unterstützung der Gemeinden mit Anreizen durch Kanton

Verbesserung des Zugangs zu Schulabschluss (insbesondere Flexibilisierung der Altersgrenze für die Aufnahme in die obligatorische Schule)

Erarbeiten von Konzepten zur schulischen Einstufung von spätzugezogenen Kindern und Jugendlichen

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Aufbau von Angeboten zur Nachholbildung (Unterstützung durch Kanton mit-tels Anreizen)

Verbessern des Zugangs zur Berufsbildung

5.2.3 Berufsbildung bei der ausländischen Wohnbevölkerung

Ausgangslage

Als Folge des wirtschaftlichen Strukturwandels59 stieg in den letzten Jahren die Nachfrage nach qualifiziertem Personal an, und sie tut es weiterhin.60

Die Erhöhung der Abschlussquote auf Sekundarstufe II (Berufliche Bildung) ist daher auch für die Wirtschaft wichtig und stellt ein gemeinsames Ziel61 der Verbundpartner (Bund, Kantone, Organisationen der Arbeitswelt) dar.

Insgesamt bleiben derzeit in der Schweiz 10% der Jugendlichen ohne Abschluss auf der Sekundarstufe II. Diese 10% setzen sich folgendermassen zusammen: Schät-zungsweise 3-4% schaffen den Übergang von der obligatorischen Schule in die Se-kundarstufe II nicht. Weitere geschätzte 4-5% fallen nach einer Lehrvertragsauflö-sung aus dem System und 2-3% schaffen die Lehrabschlussprüfung auch nach meh-reren Anläufen nicht. Der Bildungsbericht 201062 zeigt, dass bereits heute 95% der Jugendlichen, die in der Schweiz geboren sind, einen Abschluss auf Sekundarstufe II erreichen (unabhängig von ihrer Nationalität). Jugendliche, die nicht die ganze Schulzeit in der Schweiz durchlaufen, bleiben häufiger ohne Abschluss auf Sekun-darstufe II.63

Berufsausbildung bei ausländischen Jugendlichen

Im Jahr 2011 standen im Kanton Thurgau 3‘162 Jugendliche vor einer weiterführen-den Schul- bzw. Berufswahl.64 21.2% von ihnen waren Jugendliche ausländischer Herkunft. Betrachtet man die verschiedenen Kategorien der Schul- und Berufswahl im Jahr 2011, so wählten im Kanton Thurgau ausländische Schulabgängerinnen und Schulabgänger seltener eine Berufslehre (17.3% Ausländeranteil) oder eine Mittel-schule (17.2% Ausländeranteil) als schweizerische Schulabgängerinnen und Schul-abgänger. Überdurchschnittlich oft wählten sie hingegen eine Anlehre (28.2% Aus-länderanteil), eine Attestlehre (24.2% Ausländeranteil), ein öffentliches oder privates Brückenangebot (30.3% Ausländeranteil) oder eine andere Lösung65 (25% Auslän-deranteil). Insbesondere in der Gruppe ohne Anschlusslösung sind ausländische Ju-gendliche stark übervertreten (41.2% Ausländeranteil).

Es wird anhand dieser Zahlen deutlich, dass der Übergang von Jugendlichen mit Migrationshintergrund in die Berufsbildung (und an weiterführende Schulen) auch im

59 Vgl. Kap. 2.5. 60 Vgl. BFS, 2011, S. 5. 61 Bis im Jahr 2015 sollen in der Schweiz 95% der jungen Erwachsenen einen Abschluss auf Sekun-

darstufe II erwerben. Heute sind es 90%. 62 Vgl. Wolters, Stefan C., 2010. 63 Vgl. EDK, 2011b, Medienmitteilung vom 17.11.11. 64 Vgl. Bildungsstatistik Thurgau, 2011. SB Abschluss Erhebung per Schulende 2011.

www.bista.tg.ch/sbw/sbw_ugang.aspx (Zugriff 28.11.11). 65 Verbleib an der Volksschule, Heim- oder Sonderschulen, Internate, Rückkehr in die Heimat, Er-

werbstätigkeit ohne weitere Ausbildung.

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Stand der Integrationsförderung im Kanton Thurgau

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Kanton Thurgau deutlich erschwert ist. Dies ist auf Benachteiligungen von ausländi-schen Jugendlichen im Zugang zu Berufsbildungsangeboten und zum Lehrstellen-markt zurückzuführen.66

Dies zeigte sich auch anlässlich der Gemeindebefragung der Fachstelle Integration im Jahr 2010. Zwei Gemeinden kommentierten explizit, dass ausländische Jugendli-che besonders grosse Schwierigkeiten hätten eine Lehrstelle zu finden. Gemäss Be-obachtungen von Lehrpersonen der Sekundarschulen hat das Angebot an Lehrstel-len insbesondere für schwächere Schülerinnen und Schüler aufgrund der Technisie-rung der Lehrberufe abgenommen. Auf ungleiche Chancen am Bildungs- und Ar-beitsmarkt weist auch das Amt für Berufsbildung und Berufsberatung hin. Insgesamt bezeichnet das Amt die Lehrstellensituation im Kanton Thurgau zwar heute (etwa im Gegensatz zu vor fünf Jahren) als gut, aber: „Die Situation auf dem Lehrstellen- und Arbeitsmarkt spiegelt die Lage in einer hoch kompetitiven und globalisierten Wirt-schaft wider. Der Nachwuchs für anspruchsvolle Grundausbildungen sowie gut quali-fiziertes Fachpersonal wird zunehmend knapp. Die entsprechenden Berufsverbände investieren inzwischen bereits einiges im Bereich Nachwuchswerbung. Auf der ande-ren Seite stehen jedoch auch Jugendliche mit schulischen und sozialen Defiziten und junge Erwachsene mit tiefem Bildungsniveau und sprachlichen Defiziten. Diese ha-ben zunehmend grosse Mühe, im Bildungs- und Arbeitsmarkt zu bestehen.“67

Berufsausbildung bei vorläufig Aufgenommenen und anerkannten Flüchtlingen sowie Jugendlichen im Familiennachzug

In einer schwierigen Situation bezüglich beruflicher Qualifikation befinden sich die vorläufig Aufgenommenen und die anerkannten Flüchtlinge. Zu ihrem Qualifikations-stand gibt es keine verlässlichen statistischen Angaben. Gemäss Praxiserfahrungen der Peregrina-Stiftung gibt es bzgl. des Qualifikationsstandes je nach Nationalität be-trächtliche Unterschiede. Die grosse Mehrheit von ihnen verfügt über keinen in der Schweiz anerkannten Berufsabschluss. Sie sind zwar meist motiviert, eine Be-rufsausbildung zu machen, allerdings genügen hierzu ihre Deutschkenntnisse nicht (gefordert wird mindestens ein Sprachniveau B1). Bis das entsprechende Niveau durch Deutschkurse erreicht wird, ist in der Regel die Integrationspauschale des Bundes aufgebraucht und die Finanzierung einer Berufsausbildung kann nicht si-chergestellt werden.

Jugendliche im Familiennachzug haben oftmals dieselbe schwierige Ausgangslage. Aufgrund eines fehlenden Schulabschlusses und ungenügender Deutschkenntnisse haben sie meist schlechte Chancen für den Eintritt in eine Berufsbildung (vgl. Kap. 5.2.2.2).

Gemäss VTG68 braucht es im Bereich der Berufsbildung eine Klärung. Für die Ge-meinden besteht eine Diskrepanz zwischen dem Ausbildungsbedarf und dessen Fi-nanzierung (zumal Stipendien nur beschränkt erhältlich sind) und dem Bedarf an Er-werbseinkommen zur Finanzierung des Lebensunterhaltes. So wird zur Entlastung der Sozialhilfe oftmals eher auf die möglichst rasche Aufnahme einer Erwerbstätig-keit gesetzt und nicht auf die nachhaltigere Berufsausbildung.

66 Vgl. Bundesrat, 2010, S. 24. 67 Geschäftsbericht Thurgau 2010 an Grossen Rat, Amt für Berufsbildung und Berufsberatung, S. 142. 68 Diskussion des Integrationsbedarfs von Ausländerinnen und Ausländern mit dem VTG-Vorstand

am 14.12.11.

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Unterstützungs-Angebote beim Übergang in die Berufsbildung im Kanton Thurgau

Im Kanton Thurgau stehen allen Schulabgängerinnen und Schulabgängern (unab-hängig von ihrer Nationalität) verschiedene Angebote zur Unterstützung beim Über-gang von der Schule in die Berufsausbildung (sogenannter Übergang I) offen.

Das Amt für Berufsbildung und Berufsberatung bietet für Jugendliche und deren El-tern eine Berufsberatung an (Informationen über das schweizerische Berufsbildungs-system und berufskundliche Informationen in (fast) allen Kultursprachen der Welt69, für Erwachsene in Einzelberatungen, an Elternabenden und an Klassenbesprechun-gen). Der Bedarf an Dienstleistungen der Berufs- und Studienberatung ist steigend. Der Grund dafür sind die permanenten und tiefgreifenden Veränderungen in der Bil-dungslandschaft. Das Amt für Berufsbildung und Berufsberatung stellt fest70, dass in-folge sozial und ökonomisch schwieriger werdender Rahmenbedingungen die Bera-tungen komplexer und anspruchsvoller werden. Mit neuen innovativen Angeboten wie z.B. obligatorisch vorgeschalteten Triage- und Abklärungsgesprächen in den Be-rufsinformationszentren versucht die Berufs- und Studienberatung diesen Zuwachs ohne Qualitätsabbau zu bewältigen.

Drei der insgesamt sechs Berufsfachschulen und die SBW Haus des Lernens in Ro-manshorn führen Brückenangebote durch71 (Zwischenjahr als Vorbereitung auf die berufliche Grundbildung für 15 bis 17 Jährige mit abgeschlossener obligatorischer Schulzeit). Für Jugendliche mit unklaren Berufswünschen richtet sich der Typ BA-A (Allgemeine Berufswahl). Wer seine Berufsrichtung schon kennt, aber noch keine Lehrstelle gefunden hat, kann den Typ BA-P (Praktisches Arbeiten) besuchen, ein Brückenangebot mit hohem Praxisbezug. Im Typ BA-H (Hauswirtschaft) werden Ju-gendliche angesprochen, die im hauswirtschaftlichen Bereich eine Zwischenlösung suchen.72

Die SBW Haus des Lernens in Romanshorn führt im Rahmen der Brückenangebote eine Integrationsklasse für Fremdsprachige (mit integriertem Deutschkurs). Die bis-herigen Erfahrungen zeigen, dass ein Bedarf dafür vorhanden ist, insbesondere für spätzugezogene Jugendliche. Zu klären sind hier insbesondere Fragen der Flexibili-sierung der Aufnahmekriterien (Altersgrenze; Abschluss der obligatorischen Schule). Allenfalls bräuchte es dafür eine neue Rechtsgrundlage. Das Pilotprojekt wird Ende 2011 ausgewertet und danach wird über die Weiterführung entschieden.

Das Bildungszentrum für Technik Frauenfeld führt im Rahmen der Brückenangebote das Pilotprojekt „Schulstart vor den Sommerferien“ (Intensivwoche vor dem eigentli-chen Start des Brückenangebotes, um die Lehrstellensuche rechtzeitig vor dem Herbst in Gang zu bringen). Auch dieses Pilotprojekt wird Ende 2011 ausgewertet und über eine allfällige Weiterführung entschieden.

Alle kantonalen Berufsfachschulen bieten seit August 2011 „Fachkundige individuelle Begleitung“ an (Begleitung von Lernenden in der 2-jährigen Grundbildung Eidg. Be-rufsattest EBA in speziellen Situationen).

Das Amt für Berufsbildung und Berufsberatung führt seit Dezember 2009 das Case Management Berufsbildung (individuelle Begleitung von Jugendlichen zwischen 14 69 Angebot des Schweizerischen Dienstleistungszentrums Berufsbildung, Berufs-, Studien- und Lauf- bahnberatung SDBB, vgl. www.berufsberatung.ch 70 Vgl. Geschäftsbericht Thurgau 2010, Amt für Berufsbildung und Berufsberatung, S. 142. 71 Weinfelden, Kreuzlingen, Frauenfeld, SBW Romanshorn mit Integrationsklasse. 72 Quelle: http://www.bista.tg.ch/sbw/TG_sbw-bru.aspx (Zugriff 28.11.11).

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und 24 Jahren mit Mehrfachproblematik mit dem Ziel, eine Berufsausbildung zu er-reichen und Koordination der Massnahmen). Die Stelle betreut bisher rund 65 Ju-gendliche pro Jahr. Es sind komplexe Fälle mit einer Mehrfachproblematik. 1/3 der Betreuten sind ausländischer Herkunft, davon 75% aus nicht-deutsch sprechenden europäischen Ländern. Die Erfahrungen sind bislang positiv, eine Auswertung kann aber erst erfolgen, wenn die ersten Jugendlichen ihre Ausbildung abgeschlossen ha-ben werden.

Um die Quote der Abschlüsse auf Sekundarstufe II zu erhöhen, wurde die Zusam-menarbeit zwischen Fürsorgebehörde, IV, Arbeitsmarkbehörde und Berufsbildungs-behörde institutionalisiert. Gerade bei Jugendlichen mit einer Mehrfachproblematik braucht es erfahrungsgemäss oft interdisziplinär koordinierte Anstrengungen. Das Amt für Berufsbildung und Berufsberatung wurde daher im Jahr 2010 in die Struktu-ren der interinstitutionellen Zusammenarbeit IIZ eingebunden.73 Auch hier müssen die Erfahrungen noch ausgewertet werden.

Der Thurgauer Gewerbeverband bietet in Zusammenarbeit mit der Berufsberatung ein Mentoring an (verstärkte Begleitung von Jugendlichen in der Phase der Lehrstel-lensuche und Nutzung des Beziehungsnetzes des Mentors, Ergänzung der Unter-stützungsmassnahmen von Lehrperson und Berufsberatung, Begleitung auch in die Ausbildungszeit hinein um Lehrabbrüche zu reduzieren).

Aufgrund der Tatsache, dass Eltern mit Migrationshintergrund oft unzureichende Kenntnisse haben über das Schweizer Bildungssystem, hat das Amt für Volksschu-len eine Broschüre „Bildungsmöglichkeiten im Kanton Thurgau“ herausgegeben und in zehn Sprachen übersetzt. Die Broschüre vermittelt Orientierung im Bildungssys-tem und zeigt die verschiedenen Angebote vom Kindergarten bis zur tertiären Bil-dungsstufe inkl. Berufsbildungswege auf.

Bedarf: Obwohl im Kanton Thurgau auch ausländischen Schulabgängerinnen und Schulabgängern Förderangebote im Übergangsbereich von Schule und Berufsbil-dung (Nahtstelle I) zur Verfügung stehen, zeigen die aufgeführten Zahlen, dass kei-ne Chancengleichheit in Bezug auf die Berufsbildung besteht. Die Verbesserung dieser Situation erfordert insbesondere:

Optimierung der Schnittstelle zwischen obligatorischer Schule und Berufsbildung (Übergang I)

Überprüfen der Empfehlungen der Schweizerischen Konferenz der kantona-len Erziehungsdirektoren (EDK)74 zur Verbesserung der Nahtstelle obligatori-sche Schule - Sekundarstufe II auf ihre Relevanz für den Kanton Thurgau

Auswertung und Optimierung der Angebote im Hinblick auf den Abbau von Zugangsschwellen für ausländische Jugendliche (Brückenangebote, Case Management Berufsbildung, Interinstitutionelle Zusammenarbeit IIZ, Nach-betreuung von Jugendlichen in schwierigen Lehrverhältnissen; Stichwort: Be-darfsorientierung)

Verbesserung des Zugangs zu niederschwelligen Berufsausbildungen insbe-sondere für spätzugezogene Jugendliche, für erwachsene anerkannte Flücht-linge und vorläufig Aufgenommene

Angebote zur Nachholbildung für junge Erwachsene

73 Geschäftsbericht Thurgau 2010, Amt für Berufsbildung und Berufsberatung, S. 140. 74 Vgl. Empfehlungen der EDK, 2011a.

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Klärung der Zuständigkeit für Case Management bei Personen ohne Schwei-zer Schulabschluss

Sensibilisierung von Lehrpersonen und Schulbehörden für die Problematik der Nahtstelle zwischen Schule und Berufsbildung

Verbesserung der Elternbildung in Hinsicht auf deren Einbezug in die Berufs-wahl/Berufsbildung75

Klärung von Finanzierungsfragen bzgl. Lebenshaltungskosten während der Berufsausbildung (Sensibilisierung der Gemeinden)

5.2.4 Validierung ausländischer Abschlüsse und Validation des acquis

Viele im Ausland erworbene Schul- und Ausbildungsabschlüsse sind in der Schweiz nicht anerkannt. Die Validierung ausländischer Abschlüsse ist Aufgabe des Bundes (BBT) und kann dazu beitragen, dass Ausländerinnen und Ausländer in der Schweiz einen besseren Zugang zum Arbeitsmarkt haben.

Viele Ausländerinnen und Ausländer – gerade aus Drittstaaten – verfügen hingegen über keine anerkennbaren Abschlüsse, aber über einschlägige berufliche Erfahrun-gen. Die Validierung dieser informell erworbenen Erfahrungen (sogenannte Validati-on des acquis) ist in der Schweiz zwar nach neuem Berufsbildungsgesetz vorgese-hen, ist bezüglich der Umsetzung aber noch mit vielen Problemen behaftet. Das Ver-fahren ist sehr aufwändig, setzt viel Schreibarbeit voraus und wir daher vor allem von gut integrierten, die schriftliche Sprache gut beherrschenden Ausländerinnen und Ausländern genutzt. Das Amt für Berufsbildung im Kanton Thurgau ist zuständig für das Eingangsportal Validierung, bietet individuelle Beratung und Begleitung bei der Validierung an und finanziert das Verfahren auch mit. Die eigentliche Durchführung der Validierung ist an das Kompetenzenbilanzierungszentrum im Kanton Zürich de-legiert. Module zur Nachholbildung werden im Kanton Thurgau nicht angeboten.

Bedarf: Die Validierung von Bildungsleistungen muss vereinfacht und gefördert wer-den.

5.2.5 Arbeitsintegration bzw. Arbeitslosigkeit

Ausgangslage

Die ausländische Wohnbevölkerung weist aufgrund verschiedener Merkmale ein er-höhtes Risiko zur Arbeitslosigkeit auf: Einen im Vergleich zur schweizerischen Be-völkerung geringeren Qualifikationsstand,76 eine Übervertretung im sekundären Sek-tor und eine Untervertretung im tertiären Sektor.77

Diese im Vergleich zur Schweizer Bevölkerung ungünstige Ausgangslage führt – wie in anderen europäischen Ländern auch - zu einer markant höheren Erwerbslosen-quote bei der ausländischen Bevölkerung, insbesondere der Frauen. Dies gilt auch für den Kanton Thurgau.

Im Februar 2012 waren im Kanton Thurgau 2.6% (Februar 2011: 2.9%) der Gesamt-bevölkerung arbeitslos, bei den Ausländerinnen und Ausländern waren es 5.4%

75 Hinweise dazu gibt die Studie von Fibbi, Rosita; Mellone, Valeria im Auftrag der Schweizerischen

Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren, 2010. 76 Vgl. Kap. 5.2.3. 77 Vgl. Kap. 2.4 und im Weiteren: BFS, 2011, S. 20f.

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(Februar 2011: 5.7%), bei den Schweizerinnen und Schweizern 1.8% (Februar 2011: 2.1%).78 Im Vergleich zu den schweizer Arbeitslosen sind überdurchschnittlich viele arbeitslose Ausländerinnen und Ausländer zwischen 25 und 39 Jahre alt. Arbeitslose Ausländerinnen und Ausländer sind viel häufiger als Schweizerinnen und Schweizer in der Kategorie „Hilfsfunktion“ zu finden.79

In den Erwerbslosenzahlen widerspiegelt sich zudem die nach Nationalitäten hetero-gene Zusammensetzung der Erwerbsbevölkerung. Am stärksten betroffen sind Per-sonen aus der Türkei und dem westlichen Balkan. Bei Personen aus Nord- und Westeuropa fallen die Unterschiede zu schweizerischen Erwerbspersonen dagegen deutlich geringer aus und betragen seit 2005 weniger als 1 Prozentpunkt. Diese Dif-ferenzen können wiederum mit der nach Nationalitätengruppe sehr unterschiedlichen Bildungsstruktur und Verteilung auf die Wirtschaftssektoren erklärt werden.80

Eine besonders gefährdete Gruppe sind Jugendliche. Gesamtschweizerisch sind ak-tuell (Februar 2012) rund 6‘985 Jugendliche ausländischer Nationalität arbeitslos, dies von insgesamt rund 19‘080 Jugendarbeitslosen (Anteil Ausländische: 36.6%). Dieser Anteil ist im Kanton Thurgau ähnlich. Von insgesamt 637 Jugendarbeitslosen sind 225 ausländische Jugendliche (Anteil: 35.3%)81 (als Referenz: bei den Jugendli-chen in der Thurgauer Sekundarschule liegt der Anteil Ausländerinnen und Auslän-der bei knapp 20%).

Die Jugendarbeitslosigkeit betrifft bei den ausländischen Jugendlichen überproporti-onal stärker Jugendliche am Übergang I (Übergang von Schule zur Berufsbildung), während bei schweizer Jugendlichen eher der Übergang II (Übergang von Berufsbil-dung in den Arbeitsmarkt) Schwierigkeiten bereitet. Zwischen Männern und Frauen gibt es keine relevanten Unterschiede.82

Auch vorläufig Aufgenommene und anerkannte Flüchtlinge haben grosse Mühe sich in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Trotz weitgehender Gleichstellung mit der einhei-mischen Bevölkerung in wichtigen Bereichen (Zugang zum Arbeitsmarkt, Familien-nachzug, Sozialversicherungen) betrug im Jahr 2010 die Erwerbsquote der vorläufig aufgenommenen Personen im Alter von 16 bis 65 Jahren mit einem Aufenthalt bis sieben Jahre in der Schweiz 31.2%83 (2009: 39%84), bei den anerkannten Flüchtlin-gen mit einem Aufenthalt bis fünf Jahre in der Schweiz 16.5% (2009: 18%).85 86

Vorläufig Aufgenommene und anerkannte Flüchtlinge verfügen meist über eine ge-ringe oder gar keine formale Berufsausbildung. Hinzu kommen oftmals gesundheitli-che Probleme bis hin zu Traumatisierungen. Diese Mehrfachbelastungen erschweren die Integration in den Arbeitsmarkt.

78 Vgl. SECO, Amstat, März 2012 (online erstellt aus Zeitreihen: Arbeitslose nach Kanton, Geschlecht

und Nationalität). 79 Angaben des AWA TG, LAMDA Datenbank „Arbeitslose und Stellensuchende“ (Februar 2012) 80 Vgl. BFS, 2011, S. 26. 81 Vgl. SECO, Amstat, Februar 2012 (online erstellt aus Zeitreihen: Jugendarbeitslosigkeit nach Kan-

tonen, Geschlecht, Nationalität und Ausbildungsniveau). 82 Vgl. SECO, Amstat, Februar 2012 (online erstellt aus Zeitreihen: Jugendarbeitslosigkeit nach Kan-

tonen, Geschlecht, Nationalität und Ausbildungsniveau). 83 Vgl. BFM, 2011a. Zahlen für 2011 liegen noch nicht vor. 84 Vgl. BFM, 2010. 85 Die seit mehr als 5 Jahren anerkannten Flüchtlinge werden in den Statistiken nicht mehr gesondert

ausgewiesen. 86 Diese Zahlen schwanken allerdings von Jahr zu Jahr stark und sind von fragwürdiger Aussage-

kraft, was mit der jeweils sich stark ändernden Zusammensetzung dieser Gruppen und mit der sich ändernden Wirtschaftslage zu tun haben dürfte.

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Angebote im Kanton Thurgau

Das kantonale Amt für Wirtschaft und Arbeit (AWA) sowie die drei vom AWA geführ-ten Regionalen Arbeitsvermittlungsstellen (RAV) in Frauenfeld, Kreuzlingen und Am-riswil sind im Rahmen des Bundesgesetzes über die Arbeitslosenversicherung (AVIG) zuständig für die möglichst rasche und nachhaltige Integration von erwerbs-losen bezugsberechtigten Personen in den Arbeitsmarkt, unabhängig von deren Na-tionalität. Die Stellensuchenden melden sich über das Arbeitsamt der Gemeinde beim RAV an. Dieses setzt gezielt geeignete arbeitsmarktliche Instrumente ein und koordiniert alle Massnahmen im individuellen Eingliederungsprozess in den Arbeits-markt. Das vom AWA in Zusammenarbeit mit Privaten zur Verfügung gestellte Ange-bot an arbeitsmarktlichen Massnahmen umfasst im Kanton Thurgau Sprachkurse, In-formatikkurse, Bewerbungskurse, Beschäftigungsprogramme, Motivationssemester und Individualkurse (z.B. Kurse in handwerklich-technischem oder kaufmännischen Bereich).87 Im Durchschnitt werden die Massnahmen (ausser Sprachkurse) je zur Hälfte von schweizerischen und ausländischen Versicherten beansprucht. Sie sind nicht spezifisch auf ausländische Stellensuchende zugeschnitten.

Bei Sprachschwierigkeiten zwischen Beratenden und Stellensuchenden können z.B. Familienangehörige oder Bekannte als Übersetzungshilfe zum Gespräch mitgebracht werden. Das professionelle interkulturelle Übersetzen wird vom AWA nicht in An-spruch genommen.

Gemäss Arbeitslosenversicherungsgesetz Art. 59d haben die regionalen Arbeitsver-mittlungszentren in bestimmten Fällen und unter gewissen Voraussetzungen die Möglichkeit, Stellensuchende ohne Taggeldanspruch geeigneten arbeitsmarktlichen Massnahmen zuzuweisen. Dieser Artikel kommt auch im Kanton Thurgau zur An-wendung. Hauptsächlich unterstützt werden Personen im Familiennachzug, sofern sie nicht mehr im schulpflichtigen Alter sind.

Bei komplexen Fällen arbeiten das AWA, die Invalidenversicherung und die Gemein-den in einem Netzwerk zusammen (Interinstitutionelle Zusammenarbeit IIZ). Das sind aus allen Institutionen ca. 30 Spezialistinnen und Spezialisten, die Fälle über die In-stitutionsgrenzen hinaus bearbeiten. Jährlich werden rund 400 Personen beraten. Der Eingliederungserfolg in den Arbeitsmarkt liegt bei ca. 30%.

Bedarf: Die ausländische Wohnbevölkerung ist stärker den Risiken der Arbeitslo-sigkeit ausgesetzt als die schweizerische. Insbesondere sind Jugendliche sowie vor-läufig Aufgenommene und anerkannte Flüchtlinge davon betroffen. Die Verbesse-rung dieser Situation erfordert insbesondere:

Überprüfung der Angebote am Übergang II (Übergang von Berufsbildung in den Arbeitsmarkt), insbesondere:

Überprüfung der arbeitsmarktlichen Massnahmen im Hinblick auf den Abbau von Zugangsbarrieren für ausländische Jugendliche und junge Erwachsene (Stichwort: Individualisierung und Flexibilisierung der Angebote; Bedarfsorien-tierung)

Überprüfung der Eignung der qualifizierenden Massnahmen für vorläufig Auf-genommene und anerkannte Flüchtlinge

87 Beschäftigungsprogramme und Motivationssemester der Stiftung Zukunft in Weinfelden; Beschäfti-

gungsprogramme des Vereins Kompass, Bischofszell und von Esra in Sirnach und Weinfelden.

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Allenfalls Ausbau der Angebote

Weiterentwicklung der Interinstitutionellen Zusammenarbeit IIZ: Aufbau von Kompetenzen der Beratenden bzgl. Mehrfachbelastungen der Klientel, insbe-sondere bei Personen mit Fluchterfahrungen (vorläufig Aufgenommene, an-erkannte Flüchtlinge)

Kontinuierliche Information und Beratung der Gemeinden über die mit der Integra-tionspauschale verbundenen aktuellen Möglichkeiten zur beruflichen Integration

5.2.6 Sozialhilfeabhängigkeit

Sozialhilfequoten im Vergleich

Im Kanton Thurgau hatten rund 39% der Sozialhilfebedürftigen im Jahr 2010 einen ausländischen Pass, was rund 1'540 Personen entsprach. Das Sozialhilferisiko ist für ausländische Personen mehr als doppelt so hoch wie für die inländische Thurgauer Wohnbevölkerung (Schweiz: 1.3% und Ausland: 3.0%). Am stärksten sind die aus-ländischen Frauen und Mädchen mit einer Sozialhilfequote von 3.2% betroffen. Bei der Schweizer Wohnbevölkerung gab es 2010 keine Unterschiede nach Ge-schlecht.88

Abbildung 5: Sozialhilfequoten nach Nationalität und Geschlecht, Kanton Thurgau (rechts) und Schweiz (links) 2010.89

Entsprechend der Bedeutung, die die berufliche Qualifikation für den weiteren Ver-lauf des Arbeitslebens hat, stellt die Ausbildungslosigkeit insbesondere von jungen Erwachsenen in der Sozialhilfe ein grosses Problem dar. Drei Viertel der jungen So-zialhilfebeziehenden verfügten im Jahr 2009 über keine berufliche Grundbildung (Zahlen für die Schweiz).90

Gemessen an ihrem Anteil an der ausländischen Wohnbevölkerung fällt die Sozialhil-fequote im Kanton Thurgau je nach Nationalität unterschiedlich aus und reicht von

88 Vgl. Dienststelle für Statistik Kanton Thurgau, 2011a, S. 7f. 89 Vgl. Dienststelle für Statistik, 2011a, S. 7f. Die Daten für 2011 werden im Herbst 2012 vorliegen. 90 Vgl. BFS, 2011, S. 79ff.

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1.2% (Deutschland) bis hin zu 7% (Türkei).91 Entsprechend dem geringeren Ausbil-dungsstand und der Verteilung auf die Wirtschaftsbranchen ist die Sozialhilfequote von Ausländerinnen und Ausländern aus Ländern ausserhalb der EU in der ganzen Schweiz überdurchschnittlich hoch (mit Ausnahme der nordamerikanischen Staats-bürgerinnen und Staatsbürger). Personen aus europäischen Staaten, die nicht Teil der EU oder EFTA sind, bilden anteilsmässig die grösste Gruppe innerhalb der aus-ländischen Sozialhilfebezügerinnen und Sozialhilfebezüger.92

Die Sozialhilfequote ist im Kanton Thurgau bei allen nicht schweizerischen Bewohne-rinnen und Bewohnern aller Aufenthaltsstati (ausser bei den Kurzaufenthalterinnen und -aufenthaltern) erhöht. Insbesondere vorläufig Aufgenommene und anerkannte Flüchtlinge haben aufgrund ihres niedrigen Qualifikationsstandes und der erhöhten Erwerbslosigkeit eine deutlich höhere Sozialhilfequote als die Schweizer Bevölke-rung (vgl. Kap. 5.2.5).

Gemäss Auskunft der Peregrina-Stiftung sind die von ihnen im Rahmen der Sozialhil-fe betreuten vorläufig aufgenommenen und anerkannten Flüchtlinge meist jung (im 2010: 29% zwischen 0-18 Jahre, 13% 18-25 Jahre; 37% 25-35 Jahre, 21% über 35 Jahre).

Zusammenfassend zeigt sich, dass Personen mit niedrigem Bildungsstand und hier insbesondere Mädchen und Frauen, Jugendliche, vorläufig Aufgenommene und an-erkannte Flüchtlinge stärker von Sozialleistungen abhängig sind und damit vermehrt dem Risiko der sozialen Ausgrenzung ausgesetzt sind (vgl. auch Kap. 5.2.5).

Personen im Asylprozess und anerkannte Flüchtlinge

Die Abläufe in der Sozialhilfe für Personen im Asylprozess und bei anerkannten Flüchtlingen sind im Kanton Thurgau komplex und zeigen viele Schnittstellen auf (vgl. Anhang 10.6).

Die Leistungen der Sozialhilfe werden je nach Personengruppe durch die Globalpau-schale des Bundes, durch die Integrationspauschale des Bundes sowie über die So-zialhilfe der Gemeinden finanziert.

Anerkannte und vorläufig aufgenommene Flüchtlinge haben im Kanton Thurgau An-recht auf die Gleichbehandlung mit der einheimischen Bevölkerung. Die Bemessung der Sozialhilfe erfolgt für sie nach kantonalem Recht. Asylsuchende und vorläufig aufgenommene Personen erhalten hingegen im Kanton Thurgau einen tieferen An-satz (Ansätze der Asylfürsorge) als die anerkannten und vorläufig aufgenommenen Flüchtlinge. Dies obwohl die meisten vorläufig aufgenommenen Personen über viele Jahre in der Schweiz bleiben.

Die Integrationspauschale des Bundes wird an die kantonale Fachstelle Integration93 ausbezahlt und von dieser auf Antrag an die Gemeinden bzw. die Peregrina-Stiftung weitergeleitet. Im Kanton Thurgau ist für die Gesuchsbearbeitung für vorläufig aufge-nommene Personen bis Ende 2011 das kantonale Fürsorgeamt zuständig (ab 2012 die kantonale Fachstelle Integration), für vorläufig aufgenommene Flüchtlinge und anerkannte Flüchtlinge die Peregrina-Stiftung (bis 2010 war es die Caritas).

91 Vgl. Dienststelle für Statistik, 2011a, S. 7f. 92 Vgl. BFS, 2011, S. 81. 93 Bis Ende 2011 an das Kantonale Fürsorgeamt.

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Die Integrationspauschale wird im Kanton Thurgau bei weitem nicht ausgeschöpft (Ausschöpfung 2008: 78.5%; 2009: 76.1%; 2010: 51.6%; 2011: 69.8%). Dies hat vermutlich damit zu tun, dass die Gemeinden zum einen nicht genügend über die mit dieser Pauschale verbundenen Möglichkeiten informiert sind und zum anderen den Aufwand für Integrationsmassnahmen scheuen.

Angebote zur beruflichen Integration

Angebote zur Arbeitsintegration94 für ausgesteuerte Personen bzw. im Rahmen des AVIG nicht Bezugsberechtigte werden in Form der Subjektfinanzierung über die So-zialhilfe finanziert.95 Es gibt mehrere solcher Angebote im Kanton Thurgau. Anbieter sind die Vereine ESRA, Kompass, Ranunkel, Fiwo sowie das HEKS, die Stiftung Zu-kunft und die Sozialfirma DOCK. Hinzu kommen Kreuzlingen und Frauenfeld mit ei-genen Arbeitsintegrationsprogrammen.96 Sie richten sich sowohl an Erwerbslose der ausländischen als auch der schweizerischen Bevölkerung. 20-30% der Teilnehmen-den sind jedoch ausländischer Nationalität.97 Zu unterscheiden sind reine Beschäfti-gungsprogramme und Angebote, die gezielt benötigte fachliche und soziale Kompe-tenzen für den Arbeitsmarkt weiterentwickeln (z.B. durch Deutschkurse, Bewer-bungscoaching etc.). Reine Beschäftigungsprogramme werden nicht mit Geldern aus der Integrationspauschale finanziert.

Gemäss Erfahrungen der kantonalen Fachstelle Integration und der Peregrina-Stiftung fehlen insbesondere niederschwellige Qualifizierungsangebote für vorläufig Aufgenommene und anerkannte Flüchtlinge sowie im Familiennachzug Spätzugezo-gene.

Hinzu kommt, dass der Bund die Globalpauschale für Personen mit einem Arbeits-vertrag streicht. Dies geschieht ohne Rücksicht auf die Höhe des tatsächlichen Er-werbseinkommens. Aus diesem Grund werden Vertragsverhältnisse, welche keine Gewähr für ein regelmässiges monatliches Erwerbseinkommen in Höhe der Global-pauschale bieten, nicht bewilligt. Ansonsten müsste das zuständige Gemeinwesen für die ergänzende Sozialhilfeunterstützung ohne Globalpauschale aufkommen. Dies erschwert das niederschwellige Einsteigen in den Arbeitsmarkt für diese Personen-gruppen.

Ebenfalls erschwerend wirkt sich die manchmal zu lange Dauer für das Erwirken ei-ner Arbeitsbewilligung aus. Gerade die oftmals nicht gut qualifizierten vorläufig Auf-genommenen und Personen im Familiennachzug hätten insbesondere Chancen auf unqualifizierte und/oder zeitlich befristete Stellen. Die potentiellen Arbeitgeber kön-nen aber meist nicht mehrere Wochen mit der Anstellung warten, so dass das Bewil-ligungsverfahren schneller von statten gehen müsste.

In Prüfung ist derzeit bei der kantonalen Fachstelle Integration in Zusammenarbeit mit der Peregrina-Stiftung die Einführung eines spezifischen Arbeitsintegrati-onsprogrammes für vorläufig Aufgenommene und anerkannte Flüchtlinge im Gastro-nomiebereich.

94 Auf die Angebote zur Förderung der Sprachkenntnisse wurde bereits in Kap. 5.2.1 eingegangen. 95 Teilweise sind es Angebote, die sowohl für bezugsberechtigte Erwerbslose im Rahmen des AVIG als auch für Sozialhilfebezüger offen stehen. 96 „DLZ 4 you“ in Kreuzlingen und „mitschaffe“ in Frauenfeld. 97 Angaben des kantonalen Fürsorgeamtes.

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Bedarf: Grundsätzlich sind Personen mit niedrigem Bildungsstand und hier insbe-sondere Mädchen und Frauen, Jugendliche, vorläufig Aufgenommene und aner-kannte Flüchtlinge verstärkt von Sozialhilfeleistungen abhängig. Zur Verbesserung der Situation stehen hier insbesondere folgende Bereiche im Zentrum:

Verbesserung der Nutzung der mit den Integrationspauschalen verbundenen Möglichkeiten zur Integrationsförderung

Kontinuierliche Information der Gemeinden über die mit der Integrationspau-schale verbundenen Möglichkeiten

Verbesserung des Controllings bzgl. Verwendung der Integrationspauschalen

Motivierung der Gemeinden zur Finanzierung über die Integrationspauschale hin-aus reichender Integrationsmassnahmen insbesondere in Bezug auf Berufsbil-dung

Ausbau von qualifizierenden Massnahmen für nicht ALV-bezugsberechtigte vor-läufig Aufgenommene und anerkannte Flüchtlinge

Erleichterung des Zugangs zu Arbeitserfahrungen für Bezügerinnen und Bezüger der Globalpauschale (anerkannte Flüchtlinge und vorläufig Aufgenommene)

Beschleunigung der Abläufe für kurzfristige Arbeitsbewilligungen

Klärung und Vereinfachung der Schnittstellen in der Sozialhilfe für vorläufig Auf-genommene und anerkannte Flüchtlinge

Prüfung der materiellen Gleichstellung der vorläufig Aufgenommenen in der So-zialhilfe98

5.3 Verständigung und gesellschaftliche Integration

5.3.1 Integration ins Gemeindeleben (Gemeindeleben, Vereine, Sport)

Die Integration der ausländischen Wohnbevölkerung ins Gemeindeleben verläuft zum grossen Teil gut. Anlässlich der Gemeindebefragung im Jahr 2010 berichteten 66 der Gemeinden (85%) von positiven Erfahrungen bzgl. der Integration der auslän-dischen Bevölkerung, 33 Gemeinden (41%) berichteten auch über punktuelle negati-ve Erfahrungen.

Während 16 Gemeinden (20%) die ungenügende Teilnahme der Immigrantinnen und Immigranten am Dorf- und Vereinsleben bedauerten, lobten 12 Gemeinden (15%) explizit deren Teilnahme. Und während 15 Gemeinden eine Abschottung namentlich von Personen aus Deutschland, der Türkei und dem Westbalkan feststellten, beton-ten andere das Gegenteil: Die Integration der Deutschen funktioniere gut, da es bei dieser Gruppe keine Sprachprobleme gebe (2 Gemeinden); integrierte Kosovaren und Mazedonier bemühen sich aktiv um die Integration neuzugezogener Landsleute (1 Gemeinde); gerade Familien aus dem Westbalkan seien in der gegenseitigen Hilfe gut organisiert: sie begleiten Neuzugezogene zum Beispiel an die Elternabende und übernehmen die Übersetzerrolle.

98 Der Vorstand der SODK gab in einem Kurzbericht von 2007 bereits diesbezügliche Empfehlungen

ab (vgl. SODK, 2007, S. 6f). Verschiedene Kantone haben diese in letzter Zeit umgesetzt (z.B. BS, LU, ZH).

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Die Bedeutung von Ausländervereinen für die Einbindung der ausländischen Wohn-bevölkerung ins Gemeindeleben wird auch vom VTG-Vorstand betont.99 Ausländer-vereine bieten den Gemeinden Ansprechpartner und die Möglichkeit zur Kooperati-on.

Vor allem kleine Gemeinden mit einem kleinen Ausländeranteil sprechen von einer „natürlichen“ Integration, etwa durch die Schulen (10 Gemeinden) und die nachbar-schaftliche Hilfe (6 Gemeinden).

Gemäss Einschätzung des VTG100 besteht ein besonderes Integrationsproblem bei muslimischen Frauen, die sich nicht frei ausserhalb der Familie bewegen und sich deshalb schlecht in die Gemeinde integrieren können. Wahrnehmbar wird dies z.B. an Einbürgerungsverfahren, weil diese Frauen kein Deutsch sprechen und unsicher wirken. Das Angebot Femmes Tische könne dieser Isolation entgegenwirken.

Besonders positive Erfahrungen stellen die in vier Gemeinden regelmässig stattfin-denden internationalen Feste dar (meist durch im Thurgau lebende Ausländerinnen und Ausländer mit organisiert): das „Mitenand-Fest“ in Frauenfeld, verschiedene Quartierfeste und die interkulturelle Woche in Kreuzlingen, das Fest der Nationen in Romanshorn und das Internationale Kulturenfest in Arbon. Diese Anlässe schaffen Begegnungsorte und unterstützen die gegenseitige Wertschätzung.

Es wurden verschiedene Massnahmen zur Verbesserung der Integration auf Ge-meindeebene erwähnt: Deutschkurse, Informationsmaterial und Begrüssungsveran-staltungen. Ferner gaben drei Gemeinden an, dass sie die Anforderungen für eine Einbürgerung erhöht haben, indem sie das Attest „Die Schweiz kennen – die Schweiz verstehen“ verlangen, welches das Gewerbliche Bildungszentrum Weinfel-den ausstellt. Eine Grenzgemeinde ist zurzeit daran, die Tagesstrukturen ihrer Schu-len (Mittagstisch, Aufgabenhilfe) zu verbessern, nicht zuletzt, damit die deutschen Zugewanderten ihre Kinder nicht mehr ins Nachbarland zur Schule schicken, wo sol-che Strukturen selbstverständlich sind. Fünf Gemeinden haben Angebote der Ju-gendarbeit angeführt (geleitete Jugendtreffs, Fussballclubs).

Sowohl der VTG-Vorstand als auch das kantonale Sportamt betonen die integrative Wirkung des Sports gerade auch auf Gemeindeebene. Die Sportvereine leisten eh-renamtlich eine grosse Integrationsarbeit, insbesondere die in Bezug auf die Nationa-litäten durchmischten Fussballvereine, wo jedes dritte Mitglied einen ausländischen Pass besitzt. Die Finanzierung von Sportvereinen und sportlichen Anlässen erfolgt massgeblich über den Sportfonds, aus dem im Kanton Thurgau jährlich ca. 2.4 Milli-onen verteilt werden und der vom Sportamt des Kantons verwaltet wird. Es gibt aller-dings keinen expliziten Integrationsauftrag, der die Verteilung dieser Gelder leiten würde.

Das Sportamt Thurgau beteiligt sich an gesamtschweizerischen Initiativen zur Förde-rung des Sports. Mit dem neuen Programm von Jugend und Sport „J+S Kids“ des Bundesamt für Sport werden für 5- bis 10-Jährige polysportive Kurse angeboten, von denen erhofft wird, dass sich Migrantinnen und Migranten noch besser beteiligen werden als in den J+S-Kursen. Erste Ergebnisse bestätigen diese Hoffnung: Es wer-den mehr Mädchen angesprochen und allgemein mehr (Migranten-)Kinder, die sonst eher nicht in Sportvereinen mitmachen.

99 Diskussion des Integrationsbedarfs von Ausländerinnen und Ausländern mit dem VTG-Vorstand

am 14.12.11. 100 Diskussion des Integrationsbedarfs von Ausländerinnen und Ausländern mit dem VTG-Vorstand

am 14.12.11.

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Auch die im Rahmen des Kantonalen Aktionsprogrammes „Thurgau bewegt“ von der Perspektive Thurgau umgesetzten Projekte „Midnight Sport“ (Öffnung von Sporthal-len an Samstag-Abenden für Jugendliche) und „Open Sunday“ (Öffnung von Sport-hallen an Sonntagen für Kinder) entspricht Kindern und Jugendlichen mit Migrations-hintergrund und wird von ihnen rege genützt (vgl. Kap. 5.4.1).

Bedarf: Die Integration der ausländischen Bevölkerung in die Gemeinden verläuft überwiegend positiv. Projekte zur Stärkung des Zusammenlebens und des Austau-sches auf kommunaler Ebene müssen weiterhin gefördert werden.

5.3.2 Religion

Religionszugehörigkeit

Die Zugehörigkeit zu einer religiösen Gemeinschaft spielt in unserer Gesellschaft nach wie vor eine grosse Rolle. Im Jahr 2000101 gehörten mehr als drei Viertel der Thurgauerinnen und Thurgauer einer der beiden grossen Konfessionen (evange-lisch-reformiert bzw. römisch-katholisch) an. Gegenüber dem Jahr 1970 mit 98% ist dieser Anteil allerdings deutlich gesunken.

Der Gruppe der übrigen protestantischen Kirchen und Gemeinschaften gehörte im Jahr 2000 ein deutlich grösserer Bevölkerungsanteil an als zwei Jahrzehnte zuvor. Zugenommen haben auch die islamischen Gemeinschaften. Ihr Anteil an der Bevöl-kerung vergrösserte sich von 0.4% im Jahr 1970 auf 3.9% im Jahr 1990 und 5.9% im Jahr 2000.

Im Steigen ist ferner die Zahl jener Thurgauerinnen und Thurgauer, die keiner Religi-onsgemeinschaft angehören. Im Jahr 2000 war dies bei 7.2% der Kantonsbevölke-rung der Fall (1990: 3.8%; 1980: 1.6%).102

Das Zusammenleben der diversen Religionsgemeinschaften erfordert Offenheit, To-leranz und Akzeptanz von der gesamten Bevölkerung gegenüber anderen Ethnien, Kulturen und Religionen. Erwähnenswert sind die Anstrengungen der Pädagogi-schen Hochschule Thurgau, die in der Aus- und Weiterbildung der Lehrpersonen mit obligatorischen und verschiedenen Wahl- und Vertiefungsmodulen diesem Umstand Rechnung tragen. Zudem wurde vom Amt für Volksschulen in Zusammenarbeit mit der Pädagogischen Hochschule Thurgau das Beratungsangebot „Schule und Religi-on“ geschaffen, um diesbezügliche Fragen zum Bereich Schule und Religion von Lehrpersonen, Schulen, Behörden und Religionsvertretern kompetent zu beantwor-ten.

Ein Beispiel für ungenügende Offenheit und Akzeptanz von anderen religiösen Ge-bräuchen sind die im Kanton Thurgau fehlenden muslimischen Grabfelder. So führte die in Weinfelden aufgrund von Gesprächen mit der Organisation DIGO beabsichtig-te Errichtung eines muslimischen Grabfeldes zu einer breiten Ablehnung derselben in der Öffentlichkeit. Die Tatsache, dass immer mehr Muslime schweizerischer oder anderer Nationalität hier leben und ihnen keine für sie angemessene Bestattung ihrer verstorbenen Angehörigen in ihrer Wohngemeinde angeboten werden kann, wird zu zunehmenden Herausforderungen führen.

101 Neuere Zahlen stehen erst nach der Auswertung der neuesten Volkszählung im Sommer 2012 zur Verfügung. 102 Vgl. www.statistik.tg.ch/xml_8/internet/de/application/d10460/d10631/f10494.cfm (Zugriff 28.10.11).

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Religiöse Betreuungspersonen

Die Zahl der zugelassenen ausländischen Geistlichen wird vom Bund für die unter-schiedlichen Religionsgemeinschaften so kontingentiert, dass die Bedürfnisse dieser Bevölkerungsgruppen nach einer religiösen Betreuung angemessen erfüllt sind.

Die Katholische Landeskirche Thurgau administriert derzeit sieben fremdsprachige Missionen, die je von einem ausländischen Priester besetzt sind. Die Evangelische Landeskirche Thurgau hat eine Anderssprachigenseelsorge, für welche eine Schwei-zer Theologin zuständig ist. Zudem bestehen im Thurgau dreizehn Moscheen, von welchen sechs einen Imam angestellt haben.

Die bisherigen Erfahrungen der Fachstelle Integration mit ausländischen Geistlichen bestätigen die Ergebnisse der Studie „Imamausbildung und islamische Religionspä-dagogik in der Schweiz“.103 Nicht alle Imame sind für ihre Aufgabe als Brückenper-sonen vorbereitet. Es mangelt manchmal an Kenntnis der deutschen Sprache, an Hintergrundwissen über die sozialen und politischen Rahmenbedingungen in der Schweiz, an Sensibilität für interreligiöse Fragestellungen.

Das gleiche gilt für andere Personen, die zur Ausübung einer religiösen Tätigkeit in die Schweiz einreisen (z.B. katholische Priester, tibetische Mönche). Der Kanton Thurgau verlangt daher im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten von religiösen Betreuungspersonen besondere Integrationsanstrengungen und –nachweise.

Vier der sechs ausländischen Imame und drei der sieben ausländischen katholischen Priester im Kanton Thurgau besitzen im 2012104 Aufenthaltsbewilligungen und das Migrationsamt konnte mit ihnen Integrationsvereinbarungen abschliessen. Die übri-gen verfügen über einen rechtlichen Aufenthaltsstatus, der nicht mit Bedingungen wie eine Integrationsvereinbarung verknüpft werden kann. Mit ihnen schliesst die Fachstelle Integration freiwillige Integrationsvereinbarungen ab, wenn dies aufgrund der fehlenden Deutschkenntnisse und der mangelnden Kenntnisse über die Verhält-nisse in der Schweiz notwendig ist. Dies wurde bisher in einem Fall angewendet.

Die Fachstelle Integration hat sämtliche Moscheen im Kanton Thurgau und deren verantwortliche Personen zwischen November 2009 und Februar 2012 schrittweise besucht. Dabei ging es darum, deren Ziele und Wertvorstellungen kennenzulernen und den Verantwortlichen der Moscheen (Vorstand, Imame) aufzuzeigen, welches die Anliegen der schweizerischen Behörden bezüglich Integration sind. Die Gesprä-che sollen weiter geführt werden. Zu diesem Zweck ist ein Runder Tisch mit der kan-tonalen Fachstelle Integration und den Vertreterinnen und Vertretern der Thurgauer Moscheen geplant. Überdies pflegt die Fachstelle Integration den Informationsaus-tausch mit dem Dachverband islamischer Gemeinden der Ostschweiz und des Fürs-tentums Liechtenstein (DIGO).

Bedarf: Es besteht ein Diskussionsbedarf in Bezug auf für die Bevölkerung akzep-tierbaren und tragfähigen Lösungen für Bestattungsmöglichkeiten für muslimische Einwohnerinnen und Einwohner.

103 Vgl. NFP 58, 2010. 104 Stand März 2012.

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5.3.3 Partizipationsmöglichkeiten an politischen Prozessen

Durchschnittlich werden pro Jahr105 rund 830 ausländische Personen im Kanton Thurgau eingebürgert und erlangen so die vollständige politische Partizipationsmög-lichkeit durch Stimm- und Wahlrecht. Der Kanton Thurgau hat damit im Vergleich zu den anderen Kantonen der Schweiz eine der tiefsten Einbürgerungsquoten.106

Die im Kanton Thurgau für die Legislatur 2008-2012 geplante Revision des Einbürge-rungsverfahrens wurde verschoben, da die Ergebnisse der vom Bund in Aussicht ge-stellten Bürgerrechtsrevision abgewartet werden sollen.

Ein Stimm- und Wahlrecht für alle übrigen Ausländer und Ausländerinnen besteht im Kanton Thurgau und dessen Gemeinden nicht. Im Grossen Rat des Kantons Thur-gau wurde im März 2010 eine Motion deutlich verworfen, die es den Gemeinden er-möglicht hätte, auf kommunaler Ebene das Ausländerstimmrecht einzuführen. Am 1. Juli 2011 startete die Thurgauer JUSO eine Petition „Stimm- und Wahlrecht für Aus-länderinnen und Ausländer“.

Die Kantonsverfassung sieht vor, dass Ausländerinnen und Ausländer in den Ge-meindeversammlungen „beratend mitwirken“ können. Die Gemeinden können dies in der Gemeindeordnung vorsehen. Einzig der Stadtrat Kreuzlingen hat per 2008 einen diesbezüglichen Ausländerbeirat eingesetzt. Gemäss VTG-Vorstand107 wird in Ge-meinden vereinzelt und je nach Thema von Ausländerinnen und Ausländern ein Inte-resse an der Teilnahme an Gemeindeversammlungen geäussert. Dann werden indi-viduell Möglichkeiten der Teilnahme (ohne Stimmrecht) vereinbart.

Bei den katholischen Kirchen können Bewohnerinnen und Bewohner ausländischer Herkunft ein Stimmrecht beantragen, bei den Schulgemeinden können sie eine Teil-nahme mit beratender Stimme beantragen.

Für die Wahl in die Organe der Bezirksgerichte gilt das Schweizer Bürgerrecht als Voraussetzung. Das gleiche gilt für die Wahl in Organe des Obergerichtes, des Ver-waltungsgerichtes sowie des Zwangsmassnahmengerichtes.

Die Stellen der kantonalen Verwaltung stehen grundsätzlich allen offen, ebenso Stel-len als Lehrpersonen. Vom Polizeidienst sind hingegen Ausländerinnen und Auslän-der ausgeschlossen.

Die Vernehmlassungsverfahren des Kantons werden im Internet publiziert und kön-nen damit von der Öffentlichkeit eingesehen werden.

Spezifische konsultative Organe im Integrationsbereich gibt es nicht.

Bedarf: Die politischen Partizipationsmöglichkeiten für seit langer Zeit hier lebende Ausländerinnen und Ausländer könnten verbessert werden, zum Beispiel durch:

Ermöglichung eines kommunalen Wahlrechts für niedergelassene Ausländerin-nen und Ausländer

Erleichterte Einbürgerung für Secondas und Secondos

vermehrtes Einsetzen von kommunalen Ausländerbeiräten

105 Im Durchschnitt der Jahre 2000-2010. 106 Vgl. EKM, 2011, S. 43 und S. 49. 107 Diskussion des Integrationsbedarfs von Ausländerinnen und Ausländern mit dem VTG-Vorstand am 14.12.11.

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5.3.4 Interkulturelles Übersetzen

Interkulturelle Übersetzerinnen und Übersetzer erfüllen einen wichtigen Service pub-lic insbesondere im öffentlichen Gesundheits-, Bildungs- und Sozialwesen. Sie er-möglichen sprachliche, kulturelle und fachliche Verständigung zwischen Fachperso-nen und Personen mit Migrationshintergrund, die der Amtssprache nicht mächtig sind. Interkulturelles Übersetzen wird durch den Bund im Rahmen der Subventionie-rung der kantonalen Integrationsprogramme gemäss Art. 55 AuG gefördert.

Der Kanton Thurgau beteiligte sich zusammen mit den Zentralschweizer Kantonen von 2009-2011 am zentralen Caritas Dolmetscherdienst mit Sitz in Luzern (vorher befand sich die regionale Vermittlungsstelle im Kanton Thurgau). Die Caritas leistete im Kanton Thurgau rund 800 Übersetzungsstunden pro Jahr.

Aufgrund der Vorgaben des Bundes, dass ab 2012 die Anzahl der mitfinanzierten Übersetzungsdienste insgesamt verkleinert und nur noch Übersetzungsdienste mit einer Mindestanzahl an Übersetzungsstunden mitfinanziert werden, ging der Kanton Thurgau per 1. Januar 2012 zusammen mit den Ostschweizer Kantonen Graubün-den, St. Gallen und Appenzell Ausserrhoden eine neue Zusammenarbeit mit Verdi (ARGE) in St. Gallen ein.

Verdi führt im Auftrag dieser Kantone eine Vermittlungsstelle von fachlich qualifizier-ten interkulturellen Übersetzerinnen und Übersetzern. Von ihnen werden die 70 wich-tigsten Dolmetschsprachen der Region Ostschweiz abgedeckt. Der Auftrag jedes der vier Kantone erfolgt über eine dem jeweiligen kantonalen Vermittlungsvolumen ent-sprechende Leistungsvereinbarung.

Mit dieser geografischen Erweiterung des Einzugsgebiets können die Einsatzstunden der Vermittlungsstelle stark erhöht werden, was die Fixkosten senkt und die Verfüg-barkeit der Dienstleistung verbessert. Ausserdem versprechen sich die Kantone eine bessere Vernetzung zwischen den Anbietern der Dienstleistung und den (potentiel-len) Nutzern im Kanton durch Marketing-Anstrengungen sowie Kundenzufriedenheit dank garantierten Qualitätsstandards und einfachen Abläufen.

Der Kanton finanziert Verdi über einen Sockelbeitrag mit. Die übrigen Kosten der Übersetzungen (CHF 70.- pro Stunde zuzüglich Wegpauschalen) werden durch die Auftrag erteilenden Stellen bzw. durch die Migrantinnen und Migranten selbst finan-ziert. Die Institutionen greifen auf unterschiedliche Finanzquellen zurück, um diese Leistungen zu finanzieren. Oft muss nach individuellen Lösungen gesucht werden, da kein spezifisches Budget für interkulturelles Übersetzen vorhanden ist.

Zum Auftrag von Verdi gehört es auch, die Schnittstelle mit dem nationalen Telefon-Dolmetschdienst zu gewährleisten. Während bei heiklen Kommunikationssituationen eine persönlich anwesende Übersetzerin nötig ist, etabliert sich ergänzend dazu das Telefondolmetschen, da es sich bei sehr kurzfristigen oder unproblematischen Ge-sprächen als geeignete und effiziente Ergänzung erweist. Seit dem 1.4.2011 ist der nationale Telefon-Dolmetschdienst in Betrieb und steht auch Institutionen aus dem Bildungs-, Sozial- und Gesundheitsbereich im Kanton Thurgau zur Verfügung. Das Bundesamt für Gesundheit finanziert diese Dienstleistung bis Ende 2013 mit, danach muss sie selbsttragend sein. Pro Minute bezahlt der Nutzer CHF 4.-.

Bedarf: Der Bedarf an interkulturellem Übersetzen im Kanton Thurgau kann durch Verdi und den Telefon-Dolmetschdienst abgedeckt werden. Probleme zeigen sich im individuellen Fall bei der Finanzierung der Übersetzungsleistung.

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Die Regelstrukturen (z.B. Schulen, Gesundheitswesen, Amt für Wirtschaft und Ar-beit/RAV, Gemeinde-Sozialdienste) müssen zur Verbesserung dieser Situation Gel-der für interkulturelles Übersetzen in ihre Budgets aufnehmen.

5.4 Gesundheit

Personen mit geringem Einkommen und geringer Ausbildung haben schlechtere Zu-gangschancen zum Gesundheitssystem. Für Personen mit Migrationshintergrund ist der Zugang zusätzlich erschwert, insbesondere durch sprachliche und finanzielle Barrieren sowie kulturell unterschiedliche Erwartungen an Gesundheitssysteme. Umgekehrt können lang andauernde gesundheitliche Beeinträchtigungen und Behin-derungen die Teilnahme am sozialen Leben, wie auch die Möglichkeiten zur Integra-tion in den Arbeitsmarkt und für eine ausreichende Existenzsicherung aus eigener Kraft verringern.108

Die Ergebnisse des 2010 (und zuvor im 2006) in der Schweiz durchgeführten Ge-sundheitsmonitoring der Migrationsbevölkerung109 zeigen auch für die Schweiz deut-liche Ungleichheiten zwischen der einheimischen Bevölkerung und Migrantinnen bzw. Migranten auf. Deren körperlicher und psychischer Gesundheitszustand ist in vielen Fällen schlechter als derjenige der Einheimischen.

Die Forschungsergebnisse zeigen auf, welche Faktoren den Gesundheitszustand der Befragten beeinflussen. So ist dieser umso besser, je höher das Ausbildungsniveau und die Sprachkompetenz sind. Ausserdem sind Migrantinnen und Migranten, die erst seit kurzer Zeit in der Schweiz sind, gesünder als jene, die schon seit längerem hier leben. Innerhalb der Migrationsbevölkerung weisen Frauen zudem eher schlech-tere Werte bezüglich des Gesundheitszustands auf als Männer. Je älter die Migrati-onsbevölkerung ist, umso grösser sind die Unterschiede zwischen Männern und Frauen. Bei der einheimischen Bevölkerung sind solche Unterschiede kaum oder nur in geringerem Ausmass zu beobachten.

Um zu genaueren Kenntnissen auf kantonaler Ebene zu gelangen, hat der Kantons-ärztliche Dienst des Kantons Thurgau sein Interesse an einer Bedarfsanalyse im Rahmen des nationalen Programms Migration und Gesundheit für 2012 beim Bund angemeldet. Die Erkenntnisse sollen insbesondere auch in die Erarbeitung der „Stra-tegie Psychische Gesundheit Thurgau“ einfliessen.

5.4.1 Gesundheitsförderung und Prävention

Aufgrund des Schweizerischen Gesundheitsmonitoring ist bekannt, dass Migrantin-nen und Migranten weniger oft zu Vorsorgeuntersuchungen gehen.

Dies fällt umso mehr ins Gewicht, da bezüglich des Gesundheitsverhaltens verschie-dene Unterschiede zu Ungunsten der ausländischen Bevölkerung sichtbar werden. Während der Tabakkonsum bei den befragten Migrantengruppen höher ist als bei den Einheimischen, ist ihr Alkoholkonsum tiefer. Migrantinnen und Migranten essen ferner weniger Gemüse und Früchte, sind körperlich weniger aktiv und deutlich öfter übergewichtig als Schweizerinnen und Schweizer.

Weitere nationale Studien weisen darauf hin, dass ausländische Kinder (insbesonde-re aus Süd- und Osteuropa) und Kinder aus bildungsfernen Schichten stärker von 108 Vgl. BFS, 2011, S. 49. 109 Arbeitsgemeinschaft BASS, ZHAW, ISPM, M.I.S TREND, 2011.

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Stand der Integrationsförderung im Kanton Thurgau

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Übergewicht betroffen sind als Schweizerkinder und Kinder von Eltern mit einem hö-heren Bildungsabschluss.110

Das Gesundheitsförderungskonzept des Kantons Thurgau von 2009 enthält zwar keine Massnahmen, die sich explizit auf Migrantinnen und Migranten ausrichten, es enthält aber zehn Leitsätze, von denen mindestens zwei für die Migrationsthematik von Wichtigkeit sind (Fokus auf Zielgruppen mit hohem Gesundheitsoptimierungspo-tential und das Beachten von Chancengleichheit).

In laufenden Programmen im Kanton Thurgau werden im Rahmen der finanziellen Möglichkeiten die besonderen (Sprach-)Bedürfnisse der Ausländerinnen und Aus-länder berücksichtigt (Einsatz von mehrsprachigen Broschüren beim Aktionspro-gramm „Thurgau bewegt“, Broschüren des Bundesamtes für Gesundheit im Rahmen der HPV-Impfungen, Übersetzung einer DVD auf Italienisch und Portugiesisch für das Brustkrebsfrüherkennungsprogramm).

Auch mit Projekten aus der (offenen) Jugendarbeit, die im Rahmen der Suchtpräven-tion (Alkoholzehntel) gefördert werden, besteht teilweise der (Neben-)Effekt der In-tegrationsförderung, z.B. Midnight Sports oder weitere Gemeindeprojekte (aktuell in Weinfelden, Arbon, Kreuzlingen).

Der Gemeindezweckverband „Gesundheitsförderung, Prävention und Beratung Thurgau“ ist Träger der „Perspektive Thurgau“ (Suchtberatung, Gesundheitsförde-rung und Prävention). Ab 1. Januar 2012 bildet der Zweckverband zudem die Trä-gerschaft für die Mütter- und Väterberatung sowie die Paar-, Familien- und Jugend-beratung (ausser in der Region Amriswil/Bischofzell). Der Bereich Gesundheitsförde-rung engagiert sich im Rahmen des Leistungsauftrags durch den Kantonsärztlichen Dienst für die Gesundheit von Ausländerinnen und Ausländern insbesondere mit:

Femmes Tische (moderierte Diskussionsgruppen zu Gesundheits- und Erzie-hungsthemen sowie Stärkung der sozialen Netzwerke für bildungsferne, ins-besondere fremdsprachige Frauen und Männer; im 2011 insgesamt 52 Femmes Tische mit vierzehn geschulten Moderierenden in neun verschiede-nen Sprachen). Das Angebot ist seit 2006 im Thurgau präsent und hat sich sehr erfolgreich etabliert.

Miges Balu (Modulprojekt des kantonalen Aktionsprogrammes „Thurgau be-wegt“ 2009-2012; Förderung der Nutzung der Angebote der Mütter- und Vä-terberatung durch den Einsatz von interkulturellen Vermittlerinnen). Das Pro-jekt steht noch am Anfang, Auswertungsdaten sind noch nicht verfügbar.

Midnight Sport und Open Sunday111 (Modulprojekte des kantonalen Akti-onsprogrammes „Thurgau bewegt“ 2009-2012; Öffnung von Sporthallen an Samstagabenden für Jugendliche bzw. an Sonntagen für Primarschulkinder zur Förderung von sportliche Aktivitäten, welche durch jugendliche Coachs betreut werden).112

Prävention von sexuell übertragbaren Krankheiten im Sexgewerbe (ab 2012, davor war dies Aufgabe der Aidshilfe Thurgau).

110 Vgl. Lamprecht/Stamm, 2011. 111 Initiative der Stiftung idée:sport und Save the Children. 112 Bei der Durchführung in Kreuzlingen zeigte sich die sehr gute Beteiligung der ausländischen Be- völkerung. Indiz dafür: 59% der Besucherinnen und Besucher trugen einen ausländischen Namen.

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5.4.2 Kurative Medizin

Bei der Inanspruchnahme von medizinischen Dienstleistungen (Arztbesuche, Spital-ambulatorien, Polikliniken) konnten im erwähnten Gesundheitsmonitoring keine sys-tematischen Unterschiede zwischen schweizerischer und ausländischer Bevölkerung gefunden werden. Allerdings können je nach Migrationsgruppe 15 bis 45% der Be-fragten ihre Anliegen dem Arzt oft nicht verständlich machen oder verstehen dessen Informationen nur ungenügend.

Eine Herausforderung stellt heute insbesondere die Zunahme der psychischen Er-krankungen in der Gesamtbevölkerung dar, die gerade bei fremdsprachigen Auslän-derinnen und Ausländern u.a. auf Grund kultureller Wertvorstellungen tabuisiert wer-den.

Zu erwähnen sind hier die besonderen Anstrengungen der Psychiatrischen Dienste Thurgau zur Verbesserung der Erreichbarkeit und Versorgung der ausländischen Wohnbevölkerung (Beteiligung am Netzwerk gesundheitsfördernder Spitäler in der Sektion „Migrant-Friendly Hospitals“; interne Arbeitsgruppe und Weiterbildungen zu transkulturellen Fragen; interne Leitlinien zur Behandlung von Migrantinnen und Migranten; interne Minimalrichtlinien für den Einsatz von Dolmetschern).

5.4.3 Alter

Im Jahr 2011 hat sich die Altersstruktur im Kanton Thurgau erneut etwas nach oben verschoben. So reduzierte sich der Anteil der Einwohnerinnen und Einwohner, die jünger als 20Jahre sind, während vor allem die ältere Bevölkerung (über 65-Jahre) anteilsmässig zugenommen hat. Die Altersstruktur wird sich gemäss dem Referenz-szenario des BFS im Verlauf der nächsten Jahrzehnte markant weiter verändern: Im Jahr 2035 dürften beinahe doppelt so viele Seniorinnen und Senioren über 65 Jahre im Thurgau leben wie heute.113 Die Richtlinien des Regierungsrates für die Legisla-turperiode 2008-2012 im Kanton Thurgau sehen daher „Demografische Herausforde-rungen bewältigen“ als einen Schwerpunkt.

Die Angebote für die ältere Wohnbevölkerung werden entsprechend der demografi-schen Entwicklung weiter ausgebaut werden müssen. Sichtbar wird heute schon, dass die erste Generation der früher zugewanderten Ausländerinnen und Ausländer ins Alter kommen, was für viele Institutionen der Altersversorgung und -pflege in Be-zug auf die Sprach- und Kulturdurchmischung eine zunehmende Herausforderung darstellt und sich weiter akzentuieren wird.

Bedarf im Bereich Gesundheit: Im Gesundheitsbreich stellen sich heute Heraus-forderungen vor allem für die Altersgruppe der Kleinkinder (Geburt bis Einschu-lung)114 und für Menschen im höheren Alter sowie im Bereich der psychischen Er-krankungen.

Generell sind im Gesundheitsbereich insbesondere die sprachliche Verständigung und unterschiedliche kulturelle Vorstellungen bezüglich Gesundheit und Krankheit zentrale Faktoren, die die Inanspruchnahme von Angeboten der Gesundheitsver-sorgung und der Gesundheitsförderung/Prävention durch die ausländische Bevölke-

113 Vgl. http://www.statistik.tg.ch/xml_8/internet/de/application/d10460/d10631/f10493.cfm (Zugriff

14.3.12). 114 Vgl. Kap 5.2.2.1: Mit der verbesserten Nutzung der Mütter- und Väterberatung durch ausländische Eltern könnte sich eine gezieltere Früherfassung von Kindern mit Bedarf an Früher Förderung er- geben.

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rung erschweren können. Verbessert werden muss diese Situation insbesondere durch:

Anpassung heutiger Angebote und Gesundheitsdienste auf spezifische Voraus-setzungen der ausländischen Bevölkerung

Abbau von Zugangsbarrieren

Überprüfung des Potentials der vorhandenen Gesundheitsdienste für Frühe Förderung

Aufbau interkultureller Kompetenz im Gesundheitssystem

Förderung und Sicherstellung der Finanzierung des Einsatzes von interkultu-rellen Übersetzungen im Gesundheitssystem

Aufbau und Sicherstellen der interdisziplinären und interinstitutionellen Koor-dination und Kooperation

Qualitätssicherung in Ausbildung und Praxis

Verbesserung der Erreichbarkeit ausländischer Personen unter Einbezug der Netzwerke von Migrantinnen und Migranten im Gesundheitssystem

Best-Practice-Empfehlungen

Einbezug der Bedürfnisse der Migrationsbevölkerung in die Erarbeitung von Ge-sundheitsförderungs- und Präventionsmassnahmen, insbesondere im Rahmen der Strategie psychische Gesundheit.

5.5 Öffentlicher Raum und Sicherheit

Gemäss Auskunft der Kantonspolizei Thurgau gibt es keine überproportionalen Prob-leme im öffentlichen Raum und bezüglich Sicherheitsfragen mit der ausländischen Wohnbevölkerung. Im Vergleich mit anderen Kantonen ist die Situation gut. Rund um das Empfangs- und Verfahrenszentrum für Asylbewerbende in Kreuzlingen kommt es allerdings immer wieder zu Störungen und Beschwerden, wie dies auch aus ande-ren Orten mit entsprechenden Zentren in der Schweiz der Fall ist. Es wird darauf mit Rayonverboten im Zentrum von Kreuzlingen und prioritärer Behandlung der Asylge-suche reagiert.

Gemäss Auskunft der Jugendanwaltschaft des Kantons Thurgau delinquieren Ju-gendliche ausländischer Herkunft nicht häufiger als schweizerische, ebenso wenig zeichnet sich eine Tendenz in der Art der von ausländischen Jugendlichen begange-nen Delikte ab. Der Migrationshintergrund gilt gemeinhin als ein Risikofaktor – neben diversen anderen – im Jugendalter delinquent zu werden.115

Rund 25% aller sich bei der Opferhilfe Thurgau meldenden gewaltbetroffenen Perso-nen waren im 2010 ausländischer Herkunft. Darunter waren auch Fälle häuslicher Gewalt. Statistisch gesehen kommt registrierte Partnerschaftsgewalt in ausländi-schen und binationalen Paaren überdurchschnittlich häufig vor. Werden aber zusätz-lich weitere Merkmale der Involvierten, wie beispielsweise Familieneinkommen, Wohnverhältnisse, Machtverteilung in der Partnerschaft und so weiter berücksichtigt,

115 Persönliche Auskunft vom 29.6.2011 von Barbara Reifler, lic.iur., Leitende Jugendanwältin.

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kann in den Schweizer Prävalenzstudien kein direkter Zusammenhang zwischen Na-tionalität und Partnerschaftsgewalt mehr nachgewiesen werden.116

Von häuslicher Gewalt in Paarbeziehungen sind im Kanton Thurgau ebenso wie in der ganzen Schweiz Frauen deutlich stärker betroffen als Männer, Migrantinnen ver-gleichsweise häufiger und oft auch gravierender als Schweizerinnen. Dies erklärt sich dadurch, dass beim Thema häusliche Gewalt Abhängigkeit und Machtgefälle zentrale Ursachen-Faktoren sind. Das Vorhandensein verschiedenster Formen von Abhängigkeiten sowie eines grossen Machtgefälles begünstigen das Ausüben sowie das Erdulden von Gewalt. Eine für Migrantinnen zusätzliche Abhängigkeit (neben Sprachproblemen, Diskriminierungserfahrungen etc.) stellt die an die Aufenthaltsbe-willigung des Mannes gebundene eigene Aufenthaltsbewilligung dar. Verlässt die Frau ihren Mann, läuft sie Gefahr, ihren Aufenthaltsstatus zu verlieren.117

Auch Kinder und Jugendliche sind von häuslicher Gewalt mit betroffen. Bei ausländi-schen Kindern und Jugendlichen kommt neben der Gewalterfahrung hinzu, dass das Leben in der Migration oft bedeutet, nur über wenige oder keine verbindlichen Sozi-alkontakte zu verfügen. Kinder und Jugendliche müssen befürchten, dass ihre ge-waltausübenden Eltern/Elternteile und damit schlussendlich auch sie selber die Schweiz verlassen müssen.

Sozial isolierte Gewaltopfer sind in der Regel schlecht informiert über Unterstüt-zungsmöglichkeiten. Im Kanton Thurgau wurde mit verschiedenen Massnahmen auf diese Situation reagiert (Informationsmaterial in zehn verschiedenen Sprachen, Ein-satz von Dolmetscherinnen bei polizeilichen Befragungen, Femmes Tische, Ausstel-lung zum Thema für die Berufsschulen in Kreuzlingen, Informationsveranstaltungen für Fachleute). Die bei der Kantonspolizei angesiedelte Fachstelle Häusliche Gewalt koordiniert viele der genannten Tätigkeiten, fördert die Vernetzung von involvierten Stellen und betreibt Sensibilisierung und Öffentlichkeitsarbeit. Die gute Zusammen-arbeit mit anderen Stellen erleichtert neben dem Austausch auch das Entwickeln von fallspezifischen Vorgehensweisen und Lösungen.

Eine interdisziplinär zusammengesetzte Fachgruppe - vertreten sind das General-sekretariat DJS, das Migrationsamt, die Fachstelle für Kinder-, Jugend- und Famili-enpolitik, die Fachstelle Opferhilfe, die Beratungsstelle für gewaltbetroffene Frauen, die Kantonspolizei, die Bezirksgerichte und die Staatsanwaltschaft sowie eine unab-hängige Rechtsexpertin – legt die Strategie im Thema Häusliche Gewalt für den Kan-ton Thurgau fest.

Bedarf: Im Sicherheitsbereich wird von den befragten Fachleuten im Kanton Thur-gau derzeit kein spezieller bzw. zusätzlicher Bedarf auf Kantonsebene gemeldet.

6 Finanzierung

6.1 Bisherige Finanzierung der spezifischen Integrationsförderung

Integrationsförderung stellt primär eine Aufgabe der Regelstrukturen und hier insbe-sondere der Gemeinden dar. Die Finanzmittel der Regelstrukturen (Kanton und Ge-

116 Vgl. Informationsblatt: Ursachen und Risikofaktoren von Gewalt in Paarbeziehungen, Eidg. Büro für

die Gleichstellung von Mann und Frau, S. 6 Download: http://www.ebg.admin.ch/dokumentation/00012/00442/index.html?lang=de (Zugriff 4.10.11).

117 Vgl. Dubacher/Reusser, 2011.

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Finanzierung

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meinden) für die Integrationsförderung von Ausländerinnen und Ausländern lassen sich nicht ermitteln, da diese Massnahmen definitionsgemäss der ganzen Bevölke-rung im Kanton Thurgau zu gute kommen und der ausländerspezifische Aufwand nicht ausgeschieden werden kann.

Der Kanton setzt im Zusammenhang mit der spezifischen Integrationsförderung Schwerpunkte und er unterstützt Gemeinden und private Institutionen. Dies tut er im Rahmen der Schwerpunktprogramme des Bundes. Für die spezifische Integrations-förderung stehen dem Kanton Thurgau im Jahr 2011 bzw. 2012 insgesamt folgende finanziellen Mittel zur Verfügung:

Herkunft der Mittel Betrag CHF 2011 Betrag CHF 2012

Projektgelder aus kantonalem Budget (Fachstelle Integration)(im 2011 für Sprache und Bildung / Kompe-tenzzentren):

316'000 575‘000

Sprache und Bildung + Frühe Förderung 400‘000

Kompetenzzentren (Frauenfeld, Kreuzlin-gen)

80‘000

Fachstellen Integration (Weinfelden, Ro-manshorn)

20‘000

Willkommensbroschüre 45‘000

Interkulturelle Übersetzungsstelle 30‘000

Projektbeiträge der Gemeinden

(Sprache und Bildung / Kompetenzzentren)

ca. 513’000 ca. 600‘000

Bundesamt für Migration:

Integrationspauschalen für Vorläufig Auf-genommene / Flüchtlinge (Direktzahlung BFM an Fürsorgeamt; ab 2012 an Fach-stelle Integration)

1'260'000

908'000

1’990’000

800’000

Rückstellungen 2008-2010 --- 465’000

Rückstellung 2011 --- 327’000

Beiträge Kompetenzzentrum (Direktzah-lung BFM an KZI)

100’000 100’000

Beiträge „Sprache und Bildung“ (Direkt-zahlung BFM an Fachstelle Integration)

244’000 290’000

Beiträge an interkulturelles Übersetzen (Direktzahlung BFM an Caritas; ab 2012 an Fachstelle Integration)

8’000 8’000

Total jährliche Mittel 2'089'000 3’165‘000

Tabelle 1: Finanzielle Mittel für spezifische Integrationsförderung im Kanton Thurgau, 2011 und 2012

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Finanzierung

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Die Auflistung der kommunalen Mittel beinhaltet nur diejenigen Angebote, die auch vom Kanton mitfinanziert werden. Über weitere Mittel der Gemeinden besteht keine Übersicht.

6.2 Neue Finanzregelungen der spezifischen Integrationsförderung

Ab 2014 wird der Bund seine Beiträge an die spezifische Integrationsförderung an die Kantone substantiell erhöhen. Der Bund spricht derzeit für den Kanton Thurgau von jährlich knapp CHF 1.5 Millionen (inkl. Integrationspauschalen) ab 2014.

Die Ausrichtung der Bundesbeiträge wird ab 2014 neu im Rahmen einer vierjährigen Programmvereinbarung gemäss Art. 20a Subventionsgesetz geregelt. Der Bund konzentriert sich dabei auf die Aspekte der strategischen Zielsetzung sowie der Überprüfung der Zielerreichung, während die Kantone und Gemeinden für die opera-tive Umsetzung verantwortlich sind. Die Kantone haben auf operativer Ebene und beim finanziellen Mitteleinsatz grosse Gestaltungsfreiheit. Sie definieren in ihrem kantonalen Integrationsprogramm für die Dauer von jeweils vier Jahren die konkreten Massnahmen innerhalb der strategischen Programmziele des Bundes, definieren In-dikatoren dazu und berichten jährlich an den Bund den Stand der Zielerreichung.

Der Bund definiert lediglich Mindestanteile für die Verwendung der von Bund und Kanton investierten Mittel im Pfeiler 1 (Information und Beratung: Mindestanteil 20%, wovon 50% für Erstinformation und Integrationsförderbedarf) und Pfeiler 2 (Bildung und Arbeit: Mindestanteil 40%).

Der Finanzierungsschlüssel Bund – Kanton (inkl. Gemeinden) beträgt 1:1. Der Kan-ton erhält einen jährlichen Sockelbeitrag, der vom Bund darüber hinaus in Aussicht gestellte Betrag ist als Kostendach zu verstehen. Der Kanton kann auch weniger ei-gene Mittel bereitstellen mit der Konsequenz, dass der Bundesbeitrag gemäss Fi-nanzierungsschlüssel 1:1 entsprechend tiefer ausfällt.

Im Asyl- und Flüchtlingsbereich wird zur Erhöhung der Planungssicherheit die heute variable Integrationspauschale neu jeweils für die Dauer von vier Jahren fixiert. Um das finanzielle Risiko für den Kanton möglichst gering zu halten, sind zwei „Siche-rungsmechanismen“ eingebaut worden:

- Die Fixierung der Integrationspauschale erfolgt zum einen 10% über dem Durchschnitt der Integrationspauschalen-Zahlungen, die dem Kanton in den vier voran gehenden Jahren nach altem System zustehen würden. Dadurch können kleinere Schwankungen in der folgenden Programmperiode ausgegli-chen werden.

- Bei grösseren Schwankungen, d.h. wenn die effektiven Entscheide für vorläu-fig aufgenommene Personen und Flüchtlinge in einem bestimmten Jahr mehr als 20% über dem letzten berechneten Durchschnitt liegen, kompensiert der Bund den Fehlbetrag bereits im folgenden Jahr zugunsten des Kantons. Lie-gen die effektiven Entscheide hingegen mehr als 20% unter dem letzten be-rechneten Durchschnitt, ist der Kanton gehalten, entsprechende Rückstellun-gen vorzunehmen.

Bedarf: Sämtliche Gelder des Bundes werden ab 2014 zentral an die kantonale Fachstelle Integration gehen.

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Datenlage und Controlling

66

Die konkrete Aufgabenteilung im Bereich der spezifischen Integrationsförderung zwi-schen Kanton und Gemeinden, die zukünftige Verteilung der Mittel und die Abläufe im Finanzierungsbereich müssen im Rahmen der Erarbeitung des kantonalen Integ-rationsprogramms definitiv geklärt werden.

7 Datenlage und Controlling

Die Datenlage im Kanton Thurgau zur Situation der ausländischen Bevölkerung kann als gut bezeichnet werden. Die Dienststelle für Statistik des Kantons Thurgau infor-miert die Öffentlichkeit und Interessierte laufend mit diesbezüglichen Daten und the-menspezifischen Berichten auf ihrer Homepage.

Was hingegen fehlt ist eine gute Datenlage und dementsprechend auch das Control-ling im Bereich der Massnahmen der spezifischen Integrationsförderung (ungenü-gende Datenlage zu vorläufig Aufgenommenen und anerkannten Flüchtlingen, zur Nutzung von Integrationspauschalen durch die Gemeinden, uneinheitliche Daten zur Erfassung der Teilnehmenden an den Sprachkursen, fehlende Planungsgrundlagen im Bereich Frühe Förderung).

Bedarf: Im Hinblick auf das kantonale Integrationsprogramm muss, zusätzlich zum bestehenden Controlling gegenüber dem Bund, ein wirkungsorientiertes Controlling mit Indikatoren aufgebaut werden.

8 Fazit zum Stand der Integrationsförderung im Kanton Thurgau

Die Integration der ausländischen Wohnbevölkerung im Kanton Thurgau gelingt bei der Mehrheit der Ausländerinnen und Ausländer gut. Die Bereitschaft und die Fähig-keit zur Integration sind sowohl bei den Ausländerinnen und Ausländern selbst als auch bei der Thurgauer Bevölkerung mehrheitlich vorhanden. Oft werden unkompli-ziert und pragmatisch auf privater Ebene, aber auch auf Ebene der Gemeinden und des Kantons Lösungen für Probleme gesucht und gefunden.

Einen grossen Beitrag leisten die Arbeitgeber und der gut funktionierende Arbeits-markt, die weiterhin Arbeitsstellen sowohl für die schweizerische als auch für die aus-ländische Wohnbevölkerung zur Verfügung stellen können.

In Kapitel 5 des vorliegenden Berichtes wird das eindrückliche Angebot der kantona-len und kommunalen Regelstrukturen dargestellt, das sich in den verschiedenen Be-reichen an die Gesamtbevölkerung richtet und punktuell Angebote spezifisch für die ausländische Wohnbevölkerung anbietet. Ergänzend dazu wirken die Angebote der spezifischen Integrationsförderung.

Der Kanton Thurgau engagiert sich seit Jahren in der Integrationsförderung. Er betei-ligt sich seit 2001 finanziell an Projekten zur Integrationsförderung und führt seit 2008 die Fachstelle Integration. Diese koordiniert die Massnahmen der spezifischen Integ-rationsförderung, finanziert diese mit und ist Ansprechstelle für die Gemeinden und den Bund bezüglich Fragen der Integrationsförderung.

Insbesondere konnte von Kanton und Gemeinden in Zusammenarbeit mit privaten Anbietern ein gutes, wenn auch noch nicht flächendeckendes Angebot an Sprach-kursen aufgebaut werden. Mit Integrationsvereinbarungen werden von der kantona-

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Handlungsbedarf

67

len Fachstelle Integration gewisse Personen aus Drittstaaten frühzeitig beraten und in geeignete Sprachkurse und Integrationsprogramme vermittelt. Die kantonale Fachstelle Integration hat zudem an den Aufbau eines gut funktionierenden Netzes von interkulturellen Übersetzerinnen und Übersetzern beigetragen. Sie finanziert darüber hinaus punktuell kommunale Projekte zur Förderung des Zusammenlebens in Gemeinden mit.

Auch viele Gemeinden unterstützen Projekte zur Integrationsförderung. Einige Ge-meinden führen regionale Kompetenzzentren zur Integrationsförderung.

Diese und weitere Tätigkeiten der spezifischen Integrationsförderung wirken ergän-zend zu den Angeboten der Regelstrukturen.

Die Regelstrukturen auf kantonaler und kommunaler Ebene leisten schon heute viel für die Integrationsförderung. Die Schule, das Berufsbildungssystem, das Sozial- und Gesundheitswesen, die Sozialversicherungswerke, die Polizei und die Justiz erbrin-gen wichtige Beiträge zur Integration und zu einem guten Zusammenleben verschie-dener Bevölkerungsgruppen.

Dennoch besteht aber eine Chancenungleichheit bei Teilen der ausländischen Wohnbevölkerung im Zugang zu den Regelstrukturen. Sie ist zum grossen Teil Folge einer strukturellen Benachteiligung gewisser Bevölkerungsgruppen. Der Kanton Thurgau stellt hier im Vergleich zu anderen Kantonen keinen Ausnahmefall dar.

Die Folgen dieser Benachteiligungen haben zirkuläre Auswirkungen: ungenügende Förderung im Kleinkindalter und ungenügende Sprachkenntnisse erschweren einen guten Schulabschluss, ein schlechter Schulabschluss erschwert das Absolvieren ei-ner Berufsausbildung. Eine fehlende Berufsausbildung erschwert den Einstieg in den Arbeitsmarkt und den Verbleib darin. Alle genannten Faktoren können zu einer schlechten Gesundheit und zu einer Sozialhilfeabhängigkeit führen. Umgekehrt kön-nen Eltern, die Sozialhilfebezüger sind, die arbeitslos und/oder schlecht qualifiziert sind, wiederum ihre Kinder möglicherweise weniger gut fördern als dies Eltern in pri-vilegierteren Verhältnissen tun können.

Diese Zusammenhänge gelten für Menschen unabhängig ihrer Nationalität. Aber bei Menschen mit einem Migrationshintergrund kumulieren sich ungünstige Faktoren häufiger als bei Schweizerinnen und Schweizern.

9 Handlungsbedarf

Im Folgenden wird der Handlungsbedarf in den Regelstrukturen und in der spezifi-schen Integrationsförderung gemäss den Ergebnissen dieses Berichtes zusammen-fassend dargestellt. Aufgezeigt wird dabei jeweils einerseits, wo es neue Angebote bzw. Strukturen braucht und andererseits, wo die bestehenden Angebote und Struk-turen Optimierungsbedarf haben.

Sowohl für die Massnahmen in den Regelstrukturen als auch für die Massnahmen in der spezifischen Integrationsförderung gilt es folgendes festzuhalten: Um die Bereit-schaft in der Bevölkerung und in der Politik für die dringlichen Massnahmen zur Ver-besserung der Chancengleichheit zu erreichen, braucht es ein bereichsübergreifen-des politisches Agendasetting für die Integrationsthematik. Die Politiker auf kantona-ler und kommunaler Ebene müssen sich zur Verbesserung der Integration von Aus-länderinnen und Ausländern bekennen und die Öffentlichkeit für die nötigen Mass-

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Handlungsbedarf

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nahmen sensibilisieren. Zur Sensibilisierungs- und Informationstätigkeit gehören auch Massnahmen zum Diskriminierungsschutz.

9.1 Koordination der Integrationsförderung im Kanton

Integrationsförderung kann nur im guten Zusammenspiel der Regelstrukturen und der spezifischen Integrationsförderung erfolgreich sein. Es muss darum ein Gremium geschaffen werden, dessen Aufgabe es ist, alle auf kommunaler und auf kantonaler Ebene zur Verbesserung der Chancengleichheit von Ausländerinnen und Ausländern ergriffen Massnahmen zu koordinieren. In diesem Koordinations-Gremium sind so-wohl die integrationsrelevanten kantonalen Departemente und Ämter als auch die Gemeinden mit deren integrationsrelevanten Institutionen vertreten.

9.2 Handlungsbedarf in den Regelstrukturen118

Die Regelstrukturen erbringen bereits heute eine gute Integrationsleistung. Um die Chancengleichheit auch für bestimmte, besonders benachteiligte Gruppen von Aus-länderinnen und Ausländern zu verbessern, müssen die entsprechenden Systeme der Regelstrukturen optimiert und ihre Zugänglichkeit für benachteiligte Bevölke-rungsgruppen verbessert werden. In einzelnen Bereichen geht es aber auch um den Aufbau dringend benötigter neuer Angebote.

Neue Angebote bzw. die langfristige Sicherung vorhandener Projekte braucht es in den Regelstrukturen in folgenden Bereichen:

Frühe Förderung: Erarbeiten von konzeptionellen Grundlagen; Klären der Zuständigkeiten; Elternbildung; Sicherung und Weiterentwicklung des beste-henden Angebotes bzw. der Projekte; Ausbau der Angebote der Frühen För-derung für Familien mit Mehrfachbelastungen; finanzielle Starthilfen durch den Kanton;

Schulbildung: Angebote für spätzugezogene Kinder und Jugendliche (Aufbau einer regionalen Koordination der Angebote an Integrationsklassen und Schaf-fen neuer Angebote; Erarbeiten von Konzepten zur schulischen Einstufung); Angebote für spätzugezogene Erwachsene, insbesondere auch für anerkann-te Flüchtlinge und vorläufig Aufgenommene (Zugang zu Schulabschluss, An-gebote zur Nachholbildung);

Sozialhilfe: Ausbau von qualifizierenden Massnahmen für nicht ALV-bezugsberechtigte vorläufig Aufgenommene und anerkannte Flüchtlinge.

In den folgenden Bereichen der Regelstruktur gibt es heute bereits funktionierende Angebote und Strukturen, die im Hinblick auf den Abbau von Zugangsschwellen für ausländische Einwohnerinnen und Einwohner überprüft und optimiert werden müs-sen:

Schulbildung: Vermitteln von Erfahrungen mit Modellen zur Früherkennung und Frühintervention und Klären der Zuständigkeiten; Verbesserung der El-ternbildung; Regelung der Kostenübernahme für interkulturelles Übersetzen; Optimierung der Sprachförderung für Kinder mit Migrationshintergrund;

118 Eine ausführliche, tabellarische Zusammenstellung des in den Kapitel. 5, 6 und 7 diskutierten Be-

darfs findet sich im Anhang 10.7.

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Handlungsbedarf

69

Berufsbildung: Überprüfung und Optimierung der Schnittstelle zwischen obli-gatorischer Schule und Berufsbildung (Übergang I), insbesondere im Hinblick auf die Eignung des Angebotes für ausländische Jugendliche und hier insbe-sondere für spätzugezogene Jugendliche, für anerkannte Flüchtlinge und vor-läufig Aufgenommene; Nachbetreuung von Jugendlichen in schwierigen Lehr-verhältnissen; Förderung des Zugangs zu Berufsbildung für Sozialhilfebezü-ger; Vereinfachung des Validierungsverfahrens von Bildungsleistungen;

Förderung der Arbeitsmarktfähigkeit: Überprüfung und Optimierung der Schnittstelle zwischen Berufsbildung und Eintritt in den Arbeitsmarkt (Über-gang II) im Hinblick auf die Zugangsbarrieren für ausländische Jugendliche und junge Erwachsene, insbesondere auch für vorläufig Aufgenommene und anerkannte Flüchtlinge; Weiterentwicklung der interinstitutionellen Zusam-menarbeit; Beschleunigung der Abläufe für kurzfristige Arbeitsbewilligungen;

Sozialhilfe: Vermehrter Einsatz von Integrationsförderungsmassnahmen bei vorläufig Aufgenommenen und anerkannten Flüchtlingen durch verbesserte Nutzung der Integrationspauschalen; Erleichterung des Zugangs zu Arbeitser-fahrungen für Bezügerinnen und Bezüger der Globalpauschale; Überprüfung der Schnittstellen in der Sozialhilfe für vorläufig Aufgenommene und aner-kannte Flüchtlinge; Prüfen der materiellen Gleichstellung der vorläufig Aufge-nommenen in der Sozialhilfe;

Gesundheit: Anpassung der heutigen Angebote und Gesundheitsdienste an die spezifischen Voraussetzungen der ausländischen Bevölkerung; Einbezug der Bedürfnisse der Migrationsbevölkerung in die Erarbeitung von Gesund-heitsförderungs- und Präventionsmassnahmen, insbesondere im Rahmen der Strategie psychische Gesundheit;

Religion: Förderung der Diskussion über Bestattungsmöglichkeiten für musli-mische Einwohnerinnen und Einwohner;

Politische Partizipation: Verbesserung der politischen Partizipationsmöglich-keiten für seit langer Zeit Ansässiger;

Weiterbildung: Ausbau der Weiterbildungsangebote zu interkultureller Kom-petenz;

Interkulturelles Übersetzen: Klärung der Finanzierung der Einsätze in den Regelstrukturen.

9.3 Handlungsbedarf der spezifischen Integrationsförderung119

In Ergänzung zur Optimierung der Regelstrukturen muss die spezifische Integrations-förderung neue Massnahmen in folgenden Bereichen ergreifen:

Steuerung der spezifischen Integrationsförderung:

Klären der Finanzierungsvorgänge in der spezifischen Integrationsförderung im Hinblick auf die neue Finanzierungsform durch den Bund;

Quantitative und qualitative Steuerung der Angebote der spezifischen Integra-tionsförderung (Koordination, Bündelung und Harmonisierung der Aktivitäten der spezifischen Integrationsförderung);

119 Eine ausführliche, tabellarische Zusammenstellung des in den Kapitel. 5, 6 und 7 diskutierten Be-

darfs findet sich im Anhang 10.7.

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Handlungsbedarf

70

Sicherstellen eines wirkungsorientierten Controllings.

Information und Beratung:

Information und Sensibilisierung der Bevölkerung und der Politik für die Integ-rationsthematik;

Aufbau eines Systems zur Erstinformation der Neuzuziehenden;

Aus- und Aufbau weiterer regionaler Kompetenzzentren;

Führen einer Arbeitsgruppe zur Erarbeitung von Massnahmen zum Diskrimi-nierungsschutz.

Bildung und Arbeit:

Erarbeiten eines kantonalen Rahmenkonzeptes zur quantitativen und qualita-tiven Koordination der Deutschkurse;

Aufbau/Unterstützung von Angeboten der Frühen Förderung;

Aufbau/Unterstützung von qualifizierenden Massnahmen für nicht ALV-bezugsberechtigte vorläufig Aufgenommene und anerkannte Flüchtlinge.

Weiterführen bzw. optimieren muss die spezifische Integrationsförderung ihre Mass-nahmen im Bereich:

Information und Beratung:

Verbesserung der Information für die ausländische Wohnbevölkerung, für die Regelstrukturen, für die Gemeinden und die Anbieter von Integrationsförder-massnahmen (Aufbau einer Informationsplattform); Einbezug von Schlüssel-personen ausländischer Netzwerke und von Fachleuten;

Integrationsvereinbarungen (Nachhaltigkeit der eingeleiteten Massnahmen verbessern).

Bildung und Arbeit:

Ausbau von niederschwelligen Sprachkursen;

Motivation und Information der Gemeinden in Bezug auf das Einsetzen von In-tegrationsförderungsmassnahmen im Rahmen der Integrationspauschalen und darüber hinaus für vorläufig Aufgenommene und anerkannte Flüchtlinge.

Verständigung und gesellschaftliche Integration:

Unterstützung von Projekten zur Stärkung des Zusammenlebens und des Austausches auf kommunaler Ebene;

Förderung des Einsatzes von interkulturellem Übersetzen.

9.4 Weiteres Vorgehen

Gestützt auf die Ergebnisse des vorliegenden Integrationsberichtes wird der Regie-rungsrat Aufträge zur Ausarbeitung von Massnahmepaketen in einzelnen Bereichen an die zuständigen Departemente erteilen. Die auszuarbeitenden Massnahmen

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Handlungsbedarf

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müssen in Anbetracht der zur Verfügung stehenden Ressourcen nach Prioritäten gewichtet werden. Vertretungen der Gemeinden, der Schulgemeinden und weiterer Akteure der Integrationsförderung sind in die Ausarbeitung der Massnahmen einzu-beziehen.

Die Massnahmen der spezifischen Integrationsförderung werden in das kantonale In-tegrationsprogramm einfliessen. Sie werden soweit sinnvoll durch operationalisierte Zielvorgaben und Indikatoren zur Messung der Zielerreichung ein wirkungsorientier-tes Controlling erlauben.

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Anhang

72

10 Anhang

10.1 Projektorganisation

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10.2 Zusammensetzung der Expertinnen- und Experten-Workshops

Expertinnen- und Expertenworkshop Deutschkurse

Kantonale Fachstelle Integration, Organisation O. Lind, B. Vincenz, D. Pfeiffer, M. Zablonier

AWA J. Birchmeier HEKS J. Bertozzi Integrationsklasse Amriswil A. Brühwiler Fachstelle für Integration Frauenfeld M. Kutter Peregrina Stiftung S. Höllwarth RAV T. Niederdorfer Stiftung Zukunft A. Jungclaus VTG R. Häfner KEK-CDC Consultants, Moderation R. Vogt

Expertinnen- und Expertenworkshop Frühe Förderung

Kantonale Fachstelle Integration, Organisation O. Lind, B. Vincenz, D. Pfeiffer, M. Zablonier

Amt für Volksschulen P. Reichmuth Fachstelle Kinder-, Jugend- und Familienfragen R. Siegenthaler Heilpädagogische Früherziehung TG L. Greuter Kantonsärztlicher Dienst J. Hübscher Fachstelle für Integration Frauenfeld M. Kutter Kompetenzzentrum Integration Kreuzlingen Z. Blank-Antakli Mütter-/Väterberatung Frauenfeld R. Gysi Perspektive Thurgau D. Grauwiler VTG R. Häfner VTGS M. Mendelin Unabhängige Fachperson A. Hecken KEK-CDC Consultants, Moderation R. Vogt

Expertinnen- und Expertenworkshop Vorläufig Aufgenommene/anerkannte Flüchtlinge

Kantonale Fachstelle Integration, Organisation O. Lind, B. Vincenz, D. Pfeiffer, M. Zablonier

ABB, Dienste Berufsfachschulen ABB, Case Management Berufsbildung

S. Arnet R. Kreis

AWA J. Birchmeier Caritas Thurgau R. Summerauer Fürsorgeamt F. Wohnlich Integrationsklasse Amriswil A. Brühwiler Peregrina Stiftung R. Maurer VTG A. Saam KEK-CDC Consultants, Moderation R. Vogt

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10.3 Massnahmen zum Diskriminierungsschutz in den kantonalen Ämtern und Stellen

Amt/Stelle Massnahme

Kantonales Personalamt Weiterbildung zum Thema „Ausländische Kundinnen und Kunden - Umgang mit kultu-reller Vielfalt“

Amt für AHV und IV Schulung des Personals in spezifischen As-pekten der Kommunikation mit Migrantinnen und Migranten

Amt für Arbeit und Wirtschaft,

Anstellung von Personal mit Fremdspra-chenkenntnissen

Fallbesprechungen

Regionale Arbeitsvermittlungsstellen (RAV) Weiterbildung der Personalberaterinnen und –berater in interkultureller Kompetenz

Neuanstellung von Beraterinnen und Bera-tern mit eigenem Migrationshintergrund

Amt für Volksschule Information der Schulbehörden und Schullei-tungen über die aktuelle Rechtsprechung des Bundes in Bezug auf die Kopftuchthe-matik

Pädagogische Hochschule Thurgau Aus- und Weiterbildungen von Lehrpersonen in interkultureller Kompetenz

Beratungsstelle für Schule und Religion

Psychiatrischen Dienste Thurgau Mitglied im Netzwerk gesundheitsfördernder Spitäler in der Sektion „Migrant friendly hos-pital“

interne Leitlinien zur Behandlung von Migrantinnen und Migranten

interne Minimalrichtlinien für den Einsatz von Dolmetscherinnen und Dolmetschern

interne Arbeitsgruppe und Weiterbildungen zu transkulturellen Fragen

Hinweis: Ergebnisse gemäss Umfrage der kantonalen Fachstelle Integration im Jahr 2010 bei den kantonalen Ämtern.

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10.4 Übersicht Sprachkurse (subventioniert durch kantonale Fachstelle Integ-ration und Bund, 2010)

Angebot: Durchgeführt von:

92 Deutsch- und Integrationskurse Region Frauenfeld

8 Sprachspielgruppen

2 Informationskurse wie die Schweiz funkti-oniert

Fachstelle für Integration Frauenfeld

10 Einstiegskurse

44 Sprach- und Integrationskurse A1 und A2

4x Deutsch Lernen beim Nähen

10 Kinder-Integrationsgruppen

HEKS-infra Sprache und Integration, Amris-wil

24 Deutsch als Zweitsprache für Erwachse-ne

Sekundarschulgemeinde Romanshorn-Salmsach

5 Deutschkurse Türkischer Kultur- und Sozialverein, Ricken-bach

4x Deutschunterricht

5 Kurse Deutsch im Einzel- und Kleinunter-richt

Gemeinde Weinfelden

Deutsch für fremdsprachige Erwachsene Volksschulgemeinde Münchwilen

Hinweis: Es fehlen in der Übersicht einzelne Kleinangebote, die nur von der kantonalen Fachstelle In-tegration, nicht aber vom Bund subventioniert werden.

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10.5 Übersicht Angebote im Bereich Frühe Förderung

Ohne Anspruch auf Vollständigkeit (Stand November 2011)

Angebot Durchgeführt von:

Elternkurse TAGEO

Femmes Tische Perspektive TG im Auftrag des Kantonsärztlichen Dienstes und unterstützt durch die Fachstelle KJF

„Guter Start ins Kinderleben“ (Modellprojekt)

Perspektive TG im Auftrag des Kantonsärztlichen Dienstes TG und der Fachstelle KJF

Heilpädagogische Früherziehung mit Unterstützungsmassnahmen bei Kindern und Familien mit be-sonderem Bedarf

Verein Heilpädagogische Früherziehung im Kanton Thurgau

Integrationskindergarten „Fit in den Kindergarten“ (ehem. „Fit in Deutsch“) in Amriswil

(Modellprojekt)

Schulgemeinde Amriswil-Hefenhofen-Sommeri, unter-stützt durch Elternbeiträge, die Stadt Amriswil, das Bundesamt für Migration, die kantonale Fachstelle In-tegration und die kantonale Fachstelle KJF

„Miges Balu" Teilprojekt des Aktionsprogrammes gesundes Körper-gewicht „Thurgau bewegt“; durch Perspektive Thurgau in Zusammenarbeit mit Caritas und Mütter-Väterberatung im Auftrag des Kantonsärztlichen Diens-tes TG

Murmelhaus Sulgen

(Modellprojekt)

Verein Integration vor 4 in der Schulgemeinde Sulgen, unterstützt durch Elternbeiträge, die politische Gemein-de Sulgen und die kantonale Fachstelle KJF

Sozialpädagogische Familienbe-gleitung

Verein Annea

Inspira GmbH

„Spiel mit mir“ in Weinfelden und Umgebung

(Modellprojekt)

Mütter-und Väterberatung des Bezirks Weinfelden und Kommission für Integration der Gemeinde Weinfelden, unterstützt durch Gemeinde Weinfelden, Schulgemein-de Weinfelden, das Bundesamt für Migration und die kantonale Fachstelle KJF

Sprachspielgruppen Angebot in verschiedenen Gemeinden

Informationsplattformen

Ostschweizer Familienplattform (Übersicht über die Betreuungsangebote)

Sozialnetz Thurgau (Übersicht über Beratungsangebote), ab 2012 geplante Erweiterung um Angebots- und Projektdatenbanken

Fachstelle KJF (Übersicht der mitfinanzierten Projekte)

Konzepte in Erarbeitung:

Konzept zu Aufsuchender Eltern-arbeit in Frauenfeld

Fachstelle für Integration Frauenfeld

Hinweis: Zusätzlich gibt es verschiedene Angebote mit paralleler Kinderbetreuung (verschiedene Sprachkursan-gebote für Mütter mit gleichzeitiger Betreuung der Kinder im Vorschulalter, z.B. Schulgemeinde Kreuzlingen, Am-riswil, Arbon; Sprachkurse der HEKS).

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10.6 Zuständigkeiten in der Sozialhilfe für Personen im Asylprozess und bei anerkannten Flüchtlingen im Kanton Thurgau

Personengruppe Angebot Zuständigkeit Finanzierung

Neue Asylsuchende Unterbringung in Empfangs- und Verfahrenszentren des Bundes

Bund Bund

Asylsuchende in der ersten Phase

Unterbringung in Durchgangs-heimen; Sprachkurse und Be-schäftigungsprogramme

Peregrina-Stiftung im Auf-trag des Kanto-nalen. Fürsorge-amtes

Finanzierung nach Auf-wand durch Globalpau-schale des Bundes

Asylsuchende in der zweiten Phase

Unterbringung in Gemeinden; Sprachkurse und Beschäfti-gungsprogramme

Gemeinden Globalpauschale des Bundes

Vorläufig aufge-nommene Flüchtlin-ge bis 7 Jahre nach Einreise in die Schweiz

Unterbringung in Gemeinden; Sprachkurse und Förderung der beruflichen Integration

Peregrina-Stiftung im Auf-trag der kanto-nalen Fachstelle Integration

Globalpauschale des Bundes und spezif. Integ-rationspauschale des Bundes

Vorläufig aufge-nommene Flüchtlin-ge ab 7 Jahre nach Einreise in die Schweiz

Unterbringung in Gemeinden; Sprachkurse und Förderung der beruflichen Integration

Gemeinden Sozialhilfe der Gemein-den

Übrige vorläufig Aufgenommene bis 7 Jahre nach Einrei-se in die Schweiz

Unterbringung in Gemeinden; Sprachkurse und Förderung der beruflichen Integration

Gemeinden Globalpauschale des Bundes und spezif. Integ-rationspauschale des Bundes

Übrige vorläufig Aufgenommene ab 7 Jahre nach Einrei-se in die Schweiz

Unterbringung in Gemeinden; Sprachkurse und Förderung der beruflichen Integration

Gemeinden Gemeinden

Anerkannte Flücht-linge bis 5 Jahre nach Einreise in die Schweiz

Unterbringung in Gemeinden; Sprachkurse und Förderung der beruflichen Integration

Peregrina Stif-tung

Sozialhilfe durch Bund und spezif. Integrations-pauschale des Bundes

Anerkannte Flücht-linge ab 5 Jahre nach Einreise in die Schweiz

Unterbringung in Gemeinden; Sprachkurse und Förderung der beruflichen Integration

Gemeinden Gemeinden

Personen im Famili-ennachzug von an-erkannten Flüchtlin-gen

Unterbringung in Gemeinden; Sprachkurse und Förderung der beruflichen Integration

Peregrina-Stiftung

Je nach Aufenthaltsdau-er: Sozialhilfe durch Bund oder Gemeinde und spezif. Integrations-pauschale des Bundes

Personen im Famili-ennachzug (ausser bei anerkannten Flüchtlingen)

Unterbringung in Gemeinden; Sprachkurse und Förderung der beruflichen Integration

Gemeinden Gemeinden

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10.7 Tabellarische Übersicht Bedarf

Im Folgenden wird der im Bericht aufgezeigte Bedarf in einer Übersicht dargestellt. Es wird dabei unterschieden, ob es sich um den Aufbau von neuen Angeboten bzw. Strukturen oder um die Optimierung von bestehenden Angeboten bzw. Strukturen handelt. Zu-dem wird angegeben, wer für die Ausarbeitung von Massnahmen in den einzelnen Bereichen zuständig ist.

Themenbereichs-übergreifender Bedarf

Bereich Bedarf Zuständigkeit für Massnahmener-arbeitung / Auf-trag an:

1 Aufbau von Neu-em

2 Optimierung von Bestehendem

Ref.Kap.

Gesamt-Koordination Aufbau eines Koordinationsgremiums auf Ebene der in-tegrationsrelevanten kantonalen Departemente und Ämter sowie der Gemeinden mit deren integrationsrelevanten Institutionen

FI 1 5.1.4

Steuerung der Angebote zur Integrationsförderung (quantitativ und qualitativ)

Verbesserung der Bedarfsgerechtigkeit und Qualitätssi-cherung der Angebote im Bereich der Integrationsförde-rung

FI 2 5.1.2

5.1.4

5.2.2.1

Verbesserung der Datenlage zur Angebotssteuerung und Qualitätssicherung

Controlling

Aufbau eines wirkungsorientierten Controlling mit Indika-toren

FI 2 5.1.6

5.2.1

5.2.6

Klären der Aufgabenteilung zwischen Kanton und Ge-meinden

Klären der Verteilung der Mittel

Finanzierung der spezifischen Integrationsförderung

Klären der Abläufe im Finanzierungsbereich

FI 1 6.2

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Information und Beratung (Pfeiler 1 gemäss BFM120)

Bereich Bedarf Zuständigkeit für Massnahmener-arbeitung / Auf-trag an:

1 Aufbau von Neu-em

2 Optimierung von Bestehendem

Ref.Kap.

Sensibilisierungsarbeit in Bezug auf Massnahmen der In-tegrationsförderung

Politische Agendasetzung des Themas Integrationsförde-rung

Massnahmen zum Diskriminierungsschutz

Information und Sensibili-sierung der Gesamtbevölkerung und der Politik

Verstärkte Informationsvermittlung zu Migrationsthematik

Klären der Rollen und Zuständigkeiten zwischen kan-tonaler Fachstelle Integration und regionalen Kompe-tenzzentren

FI 1 5.1.1

5.1.5

5.1.6

5.2.2.1

Aufbereiten und Verbreiten kantonsweit gültiger Informati-onen in den häufigsten Sprachen (über bestehende An-gebote in allen integrationsrelevanten Bereichen, Finan-zierungsmöglichkeiten, Integrationspauschalen, Best-Practice-Empfehlungen betr. Integrationsmassnahmen und Zusammenarbeitsformen)

Zugänglichkeit zu Informationen optimal auf ver-schiedene Zielgruppen ausrichten

Prüfen neuer Informationskanäle (z.B. social media)

Einbezug von Schlüsselpersonen bestehender oder auf-zubauender ausländischer Netzwerke von Migrantinnen und Migranten sowie von Fachleuten in Informationstätig-keiten

Informationen für Ausländi-sche Wohnbevölkerung, Regelstrukturen, Gemeinden, Anbieter von Integrations-förderungsmassnahmen

Ausbau der Weiterbildungsangebote zu interkultureller Kompetenz insbesondere bei kommunalen und kantona-len Behörden mit Kundenkontakt

FI 1 5.1.1

5.1.4

5.1.6

5.2.1

5.2.2.1

5.2.2.2

5.2.3

5.2.5

5.2.6

5.3

5.4

120 Vgl. Kapitel 5

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80

Information und Beratung (Pfeiler 1 gemäss BFM120)

Bereich Bedarf Zuständigkeit für Massnahmener-arbeitung / Auf-trag an:

1 Aufbau von Neu-em

2 Optimierung von Bestehendem

Ref.Kap.

Klären des Vorgehens bzgl. Erstinformation zwischen Kanton und Gemeinden

Sicherstellen eines einheitlichen Minimalstandards unter den Gemeinden

Information der Neuzuzüge-rinnen und Neuzuzüger: Erstbegrüssung

Ausbau der Weiterbildungsangebote zu interkultureller Kompetenz insbesondere bei kommunalen und kantona-len Behörden mit Kundenkontakt

FI 1 5.1.1

Integrationsvereinbarungen Nachhaltigkeit der eingeleiteten Massnahmen verbessern

Prüfen der Schnittstellen in Bezug auf Zuständigkeit für Casemanagement

Absicherung der interinstitutionellen Zusammenarbeit

FI 2 5.1.2

5.2.5

5.2.6

Aus- und Aufbau weiterer regionaler Kompetenzzentren

Klären der Aufgaben und Zuständigkeiten zwischen kant. Fachstelle Integration und regionalen Kompe-tenzzentren sowie zwischen den Kompetenzzentren und den Anbietern

Regelung der Finanzierung

Kompetenzzentren

Erstellen von Leistungsvereinbarungen

FI 1 5.1.3

Schutz vor Diskriminierung Einsetzen einer Arbeitsgruppe zur Erarbeitung eines Massnahmenpaketes zum Diskriminierungsschutz, z.B.

Politische Agendasetzung des Themas: Aufnahme in die Politikformulierung in verschiedenen Bereichen

Informations- und Sensibilisierungsarbeit bei der aus-ländischen und schweizerischen Bevölkerung, bei zi-vilrechtlichen und staatlichen Akteuren

FI 1 5.1.6

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Information und Beratung (Pfeiler 1 gemäss BFM120)

Bereich Bedarf Zuständigkeit für Massnahmener-arbeitung / Auf-trag an:

1 Aufbau von Neu-em

2 Optimierung von Bestehendem

Ref.Kap.

Sensibilisierung der Arbeitgeber

Sicherstellung eines Monitoring- und Dokumentati-onssystems von Diskriminierungsfällen mit einer zentralen Meldestelle, evt. interkantonale Zusam-menarbeit

Aufbau von Strukturen und Fördermassnahmen (Be-ratungs- und Vermittlungsangebote für Betroffene mit klaren Kompetenzen und genügenden Ressourcen; Schaffen einer Ombudstelle; interkulturelles Überset-zen)

Weiterbildungen in transkultureller Kompetenz und zu Diskriminierungsschutz für zivilgesellschaftliche und staatliche Akteure

Controlling der getroffenen Massnahmen und Quali-tätssicherung

Page 84: Integrationsbericht: Situation der Ausländerinnen und ... · Für eine nachhaltige Integrationsförderung braucht es prioritär zusätzliche Mass-nahmen im Bereich der Frühen Förderung,

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Bildung und Sprache (Pfeiler 2 gemäss BFM121)

Bereich Bedarf Zuständigkeit für Massnahmener-arbeitung / Auf-trag an:

1 Aufbau von Neu-em

2 Optimierung von Bestehendem

Ref.Kap.

Erstellen eines kant. Rahmenkonzepts (quantitative und qualitative Aspekte; Eruieren von Lücken bzgl. Angeboten und Zielgruppen; Entwickeln von Qualitätsstandards)

FI 1 5.2.1

Ausbau von niederschwelligen Kursen

Aufbau einer Informationsplattform

Sprachkurse

Verbesserung des Controllings

FI 2 5.2.1

Erstellen eines kant. Konzeptes (Strategien, Ziele, Zu-ständigkeiten, Qualitätsstandards)

Klären der Zuständigkeiten auf kantonaler und kom-munaler Ebene

Schaffen von gesetzlichen Grundlagen

Sensibilisierung von Politik und Öffentlichkeit

Nachhaltigkeit/Finanzierung der bestehenden Angebote und Projekte sichern

Zuständigkeit unter kant. Ämtern und auf kommuna-ler Ebene klären

Abbau von Zugangsbarrieren: Prüfen der bestehen-den Angebote auf deren Zugänglichkeit für ausländi-sche Kinder und Eltern

Elternbildung

Frühe Förderung

Durchführen von Modellprojekten, deren Evaluation und Verbreiten von Best-Practice-Empfehlungen

DEK 1 5.2.2.1

121 Vgl. Kapitel 5.

Page 85: Integrationsbericht: Situation der Ausländerinnen und ... · Für eine nachhaltige Integrationsförderung braucht es prioritär zusätzliche Mass-nahmen im Bereich der Frühen Förderung,

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Bildung und Sprache (Pfeiler 2 gemäss BFM121)

Bereich Bedarf Zuständigkeit für Massnahmener-arbeitung / Auf-trag an:

1 Aufbau von Neu-em

2 Optimierung von Bestehendem

Ref.Kap.

Diskussion und Koordination von Qualitätsstandards

Vernetzung von Fachleuten

Aufbau und Unterhalten einer Informationsplattform

Ausbau der Angebote der selektiven Frühen Förderung

Aufbau kommunaler/regionaler Konzepte zur Früher-kennung und Frühintervention bei belasteten (schweizerischen und ausländischen) Familien

Aufbau ergänzender neuer Angebote mit finanziellen Starthilfen durch den Kanton

DEK

VTG

VTGS

FI

1 5.2.2.1

Modelle und Projekte zur Früherkennung und Frühinter-vention bei Schulschwierigkeiten mit Begleitung am Über-gang von Schule zur Berufsbildung

Klären der Zuständigkeiten

Verbreiten von Modell-Erfahrungen und Best-Practice-Empfehlungen

Verbesserung der Elternbildung

Aufbereiten von mehrsprachigem Informationsmate-rial

Entwickeln von neuen Informationskanälen

AV

2 5.2.2.2

Förderung des Einsatzes von und Übernahme der Kosten für interkulturelles Übersetzen durch die Schulen

AV

VTGS

2 5.2.2.2

Schulbildung

Optimierung der Förderung der Bildungssprache für Kin-

der mit Migrationshintergrund

Aus- und Weiterbildungsangebote für Lehrpersonen

AV 2 5.2.2.2

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Bildung und Sprache (Pfeiler 2 gemäss BFM121)

Bereich Bedarf Zuständigkeit für Massnahmener-arbeitung / Auf-trag an:

1 Aufbau von Neu-em

2 Optimierung von Bestehendem

Ref.Kap.

und Schulen im Bereich DaZ, interkulturelle Pädago-gik, Umgang mit Heterogenität und Mehrsprachigkeit,

Implementierung des Förderdossiers DaZ, um in den Schulen ähnliche Qualitätsstandards zu verfolgen

Förderung von Kooperationsprojekten von Schulen mit HSK-Lehrpersonen, um die Wertschätzung der Erstsprache zu sichern

Tagesbetreuung als Integrations- und Sprachförde-rung nutzen

Unterstützung der Lehrpersonen durch Elternbil-dungsangebote und Informationsmaterial (im Bereich Lernen, Erziehung, Sprachförderung)

Angebote für spätzugezogene Kinder und Jugendliche sowie für junge Erwachsene, insbesondere auch aner-kannte Flüchtlinge und vorläufig Aufgenommene:

Aufbau einer regionalen Koordination der Angebote an Integrationsklassen für spätzugezogene Kinder/ Jugendliche und Schaffung von neuen Angeboten (Unterstützung/Anreiz für Gemeinden)

Zugang zu Schulabschluss verbessern (insbesonde-re Flexibilisierung der Altersgrenze)

Erarbeitung von Konzepten zur schulischen Einstu-fung von spätzugezogenen Kindern und Jugendliche

Angebote zur Nachholbildung aufbauen (Unterstüt-zung/Anreizschaffung durch Kanton)

Zugang zu Berufsbildung verbessern

AV/ABB 1 5.1.2

5.2.2.2

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Bildung und Sprache (Pfeiler 2 gemäss BFM121)

Bereich Bedarf Zuständigkeit für Massnahmener-arbeitung / Auf-trag an:

1 Aufbau von Neu-em

2 Optimierung von Bestehendem

Ref.Kap.

Optimierung der Schnittstelle zwischen obligatorischer Schule und Berufsbildung (Übergang I)

Prüfen der Empfehlungen der EDK auf ihre Relevanz für den Kanton Thurgau

Auswertung und Optimierung im Hinblick auf den Ab-bau von Zugangsschwellen für ausländische Jugend-liche: Brückenangebote, Case Management Berufs-bildung, Interinstitutionelle Zusammenarbeit (insbe-sondere Betreuung schwieriger Lehrverhältnisse)

Verbesserung des Zugangs zu niederschwelligen Be-rufsausbildungen und zu Nachholbildung insbeson-dere für spätzugezogene Jugendliche, für erwachse-ne anerkannte Flüchtlinge und vorläufig Aufgenom-mene

Klärung der Zuständigkeit für Case Management bei Personen ohne Schweizer Schulabschluss

Sensibilisierung von Lehrpersonen und Schulbehör-den für Problematik der Nahtstelle zwischen Schule und Berufsbildung

Berufsbildung

Verbesserung der Elternbildung in Hinsicht auf deren Einbezug in die Berufswahl/Berufsbildung

ABB/AV 2 5.2.2.2

5.2.3

Klären von Finanzierungsfragen bzgl. Lebenshaltungskos-ten während der Berufsausbildung

AMH/FSO 2 5.2.3

Vereinfachung des Validierungsverfahrens von Bildungs-leistungen

ABB 2 5.2.3

5.2.4

Förderung der Arbeitsmarkt-fähigkeit

Optimierung der Schnittstelle zwischen Berufsbildung und AWA 2 5.2.5

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Bildung und Sprache (Pfeiler 2 gemäss BFM121)

Bereich Bedarf Zuständigkeit für Massnahmener-arbeitung / Auf-trag an:

1 Aufbau von Neu-em

2 Optimierung von Bestehendem

Ref.Kap.

Eintritt in den Arbeitsmarkt (Übergang II)

Überprüfung der arbeitsmarktlichen Massnahmen im Hinblick auf Abbau von Zugangsbarrieren für auslän-dische Jugendliche und junge Erwachsene

Überprüfung, allenfalls Ausbau von qualifizierenden Massnahmen für vorläufig Aufgenommene und aner-kannte Flüchtlingen

Weiterentwicklung der Interinstitutionellen Zusam-menarbeit IIZ: Aufbau von Kompetenzen bzgl. Mehr-fachbelastungen der Klientel, insbesondere bei Per-sonen mit Fluchterfahrungen (vorläufig Aufgenom-mene, anerkannte Flüchtlinge)

5.2.6

Beschleunigung der Abläufe für kurzfristige Arbeitsbewilli-gungen

MIA/AWA 2 5.1.2

5.2.6

Verbesserung der Nutzung der Integrationspauschalen

Kontinuierliche Information der Gemeinden über die mit der Integrationspauschale verbundenen Möglich-keiten

Verbesserung des Controllings bzgl. Verwendung der Integrationspauschale

Motivierung der Gemeinden zur Finanzierung über die In-tegrationspauschale hinaus reichender Integrationsmass-nahmen insbesondere ein Bezug auf Berufsbildung

FI 2 5.2.6 Sozialhilfe

Ausbau von qualifizierenden Massnahmen für nicht ALV-bezugsberechtigte vorläufig Aufgenommene und aner-kannte Flüchtlingen

FI 1 5.2.6

5.1.2

Page 89: Integrationsbericht: Situation der Ausländerinnen und ... · Für eine nachhaltige Integrationsförderung braucht es prioritär zusätzliche Mass-nahmen im Bereich der Frühen Förderung,

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Bildung und Sprache (Pfeiler 2 gemäss BFM121)

Bereich Bedarf Zuständigkeit für Massnahmener-arbeitung / Auf-trag an:

1 Aufbau von Neu-em

2 Optimierung von Bestehendem

Ref.Kap.

Zugang zu Arbeitserfahrungen für Bezüger der Global-pauschale erleichtern (anerkannte Flüchtlinge und vorläu-fig Aufgenommene)

FI 2 5.2.6

5.1.2

Klärung und Vereinfachung der Schnittstellen in der Sozi-alhilfe für vorläufig Aufgenommene und anerkannte Flüchtlinge

Prüfung der materiellen Gleichstellung der vorläufig Auf-genommenen in der Sozialhilfe

FSO 2 5.2.6

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88

Verständigung und gesellschaftliche Integration (Pfeiler 3 gemäss BFM122)

Bereich Bedarf Zuständigkeit für Massnahmener-arbeitung / Auf-trag an:

1 Aufbau von Neu-em

2 Optimierung von Bestehendem

Ref.Kap.

Integration ins Gemeindeleben

Unterstützung von Projekten zur Stärkung des Zusam-menlebens und des Austausches auf kommunaler Ebene

VTG (Vorstand)

2 5.3.1

Religion Förderung der Diskussion über Bestattungsmöglichkeiten für muslimische Einwohnerinnen und Einwohner

VTG (Ressort Einwohnerdiens-te)

2 5.3.2

Politische Partizipationsmöglichkeiten

Verbessern der politischen Partizipationsmöglichkeiten für seit langer Zeit Ansässiger

Ermöglichung eines kommunalen Wahlrechts für nie-dergelassene Ausländerinnen und Ausländer

Erleichterte Einbürgerung für Secondas und Secon-dos

vermehrtes Einsetzen von kommunalen Ausländer-beiräten

VTG (Vorstand) 1 5.3.3

Interkulturelles Übersetzen Vermehrter Einsatz und Finanzierung von interkulturellem Übersetzen in den Regelstrukturen

FI 2 5.3.4

122 Vgl. Kapitel 5.

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89

Weitere integrationsrelevante Bereiche

Bereich Bedarf Zuständigkeit für Massnahmener-arbeitung / Auf-trag an:

1 Aufbau von Neu-em

2 Optimierung von Bestehendem

Ref.Kap.

Gesundheit Anpassung heutiger Angebote und Gesundheitsdienste auf spezifische Voraussetzungen der ausländischen Be-völkerung

KAZD/GA 2 5.4

Abbau von Zugangsbarrieren

Überprüfung des Potentials der vorhandenen Ge-sundheitsdienste für Frühe Förderung

Aufbau interkultureller Kompetenz im Gesundheits-system und Förderung und Sicherstellung der Finan-zierung des Einsatzes von interkulturellen Überset-zungen im Gesundheitssystem

Aufbau und Sicherstellen der interdisziplinären und interinstitutionellen Koordination und Kooperation

Qualitätssicherung in Ausbildung und Praxis

Verbesserung der Erreichbarkeit ausländischer Per-sonen unter Einbezug der Netzwerke von Migrantin-nen und Migranten im Gesundheitssystem

Best-Practice-Empfehlungen

Einbezug der Bedürfnisse der Migrationsbevölkerung in die Erarbeitung von Gesundheitsförderungs- und Präven-tionsmassnahmen, insbesondere im Rahmen der Strate-gie psychische Gesundheit

KAZD 2 5.4

Öffentlicher Raum und Sicherheit

Kein zusätzlicher Handlungsbedarf --- --- 5.5

Page 92: Integrationsbericht: Situation der Ausländerinnen und ... · Für eine nachhaltige Integrationsförderung braucht es prioritär zusätzliche Mass-nahmen im Bereich der Frühen Förderung,

Literaturverzeichnis

90

11 Literaturverzeichnis

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