10
1 3 SCHWERPUNKTTHEMA Online publiziert: 12. Oktober 2013 © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2013 Integrationsmanagement für Erneuerbare Energien – Dezentrale Koordination im Strommarkt der Zukunft Katrin Trepper · Christoph Weber · Daniel Kallen uwf (2013) 21:209–218 DOI 10.1007/s00550-013-0292-1 Stromnetz, Probleme mit der Spannungshaltung und der Überlastung einzelner Betriebsmittel sowie neue Technolo- gien wie Elektromobilität und Wärmepumpen erhöhen den Bedarf an dezentraler Koordination in Zukunft. In der Energiewende ist allgemein vielfältige Koordi- nation erforderlich: zwischen Bund und Ländern (z. B. im Hinblick auf die Länderpläne zum EE-Ausbau), zwischen Netz- und Erneuerbaren-Ausbau (z. B. Offshore-Ausbau, Solar-Zubau im ländlichen Raum), zwischen (dezentralen) Erzeugern, Verbrauchern und Speichern (Stichwort: Smart Energy) sowie mit den europäischen und weltweiten Part- nern und Konkurrenten (Klimawandel als globales Problem, Einbindung Deutschlands in europäischen Stromverbund). In den Projekten der E-Energy-Förderinitiative des BMWi standen regionale Marktplätze im Mittelpunkt (vgl. BMWi 2013). Der Fokus der dort ausgewählten sechs Modellregionen lag allerdings vor allem auf der Entwick- lung und Demonstration der technischen Infrastruktur, insbesondere von geeigneten Informations- und Kommu- nikationstechnologien für solche regionalen Koordinations- mechanismen. Die Ökonomie der regionalen Marktplätze bzw. der regionalen Koordination allgemein wurde weitge- hend ausgespart. Hier setzt der vorliegende Beitrag an, der wesentlich auf Ergebnissen des Forschungsprojekts NaREM 1 basiert, das sich u. a. mit dem zukünftigen Marktdesign nachhal- tiger, regionaler Märkte beschäftigt hat. Dabei ist die Aus- gangshypothese, dass regionale Märkte vor dem skizzierten Hintergrund einen Baustein der Energiewende darstellen können, der insbesondere zur dezentralen Koordination von Angebot und Nachfrage beiträgt. Näher beleuchtet werden soll aber auch die Alternative, dass dezentrale Koordination 1 Marktdesign für nachhaltige regionale elektrische Energiemärkte (http://www.ewl.wiwi.uni-due.de/forschung/projekte/) 1 Einleitung Die massive Zunahme der dezentralen und fluktuierenden Einspeisung aus Erneuerbaren Energien (EE) stellen die deutschen Stromnetze vor große Herausforderungen. Das gilt nicht nur für das Übertragungsnetz für den weiträumi- gen Stromtransport sondern auch für die unterlagerten Ver- teilnetze. Die zeitweise Umkehrung der Flussrichtung im Gefördert durch: Bundesministerium für Bildung und Forschung Das diesem Arbeitspapier zugrundeliegende Vorhaben wurde mit Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung unter dem Förderkennzeichen 01UN1008 gefördert. Die Verantwortung für den Inhalt dieser Veröffentlichung liegt bei den Autoren. K. Trepper () · C. Weber · D. Kallen Lehrstuhl für Energiewirtschaft, Universität Duisburg-Essen (Campus Essen), Universitätsstr. 11, 45117 Essen, Deutschland E-Mail: [email protected] C. Weber E-Mail: [email protected] D. Kallen E-Mail: [email protected] Katrin Trepper Christoph Weber Daniel Kallen

Integrationsmanagement für Erneuerbare Energien – Dezentrale Koordination im Strommarkt der Zukunft

  • Upload
    daniel

  • View
    219

  • Download
    1

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: Integrationsmanagement für Erneuerbare Energien – Dezentrale Koordination im Strommarkt der Zukunft

1 3

Schwerpunktthema

Online publiziert: 12. Oktober 2013© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2013

Integrationsmanagement für Erneuerbare Energien – Dezentrale Koordination im Strommarkt der Zukunft

Katrin Trepper · Christoph Weber · Daniel Kallen

uwf (2013) 21:209–218DOI 10.1007/s00550-013-0292-1

Stromnetz, Probleme mit der Spannungshaltung und der Überlastung einzelner Betriebsmittel sowie neue Technolo-gien wie Elektromobilität und Wärmepumpen erhöhen den Bedarf an dezentraler Koordination in Zukunft.

In der Energiewende ist allgemein vielfältige Koordi-nation erforderlich: zwischen Bund und Ländern (z. B. im Hinblick auf die Länderpläne zum EE-Ausbau), zwischen Netz- und Erneuerbaren-Ausbau (z. B. Offshore-Ausbau, Solar-Zubau im ländlichen Raum), zwischen (dezentralen) Erzeugern, Verbrauchern und Speichern (Stichwort: Smart Energy) sowie mit den europäischen und weltweiten Part-nern und Konkurrenten (Klimawandel als globales Problem, Einbindung Deutschlands in europäischen Stromverbund).

In den Projekten der E-Energy-Förderinitiative des BMWi standen regionale Marktplätze im Mittelpunkt (vgl. BMWi 2013). Der Fokus der dort ausgewählten sechs Modellregionen lag allerdings vor allem auf der Entwick-lung und Demonstration der technischen Infrastruktur, insbesondere von geeigneten Informations- und Kommu-nikationstechnologien für solche regionalen Koordinations-mechanismen. Die Ökonomie der regionalen Marktplätze bzw. der regionalen Koordination allgemein wurde weitge-hend ausgespart.

Hier setzt der vorliegende Beitrag an, der wesentlich auf Ergebnissen des Forschungsprojekts NaREM1 basiert, das sich u. a. mit dem zukünftigen Marktdesign nachhal-tiger, regionaler Märkte beschäftigt hat. Dabei ist die Aus-gangshypothese, dass regionale Märkte vor dem skizzierten Hintergrund einen Baustein der Energiewende darstellen können, der insbesondere zur dezentralen Koordination von Angebot und Nachfrage beiträgt. Näher beleuchtet werden soll aber auch die Alternative, dass dezentrale Koordination

1 Marktdesign für nachhaltige regionale elektrische Energiemärkte (http://www.ewl.wiwi.uni-due.de/forschung/projekte/)

1 Einleitung

Die massive Zunahme der dezentralen und fluktuierenden Einspeisung aus Erneuerbaren Energien (EE) stellen die deutschen Stromnetze vor große Herausforderungen. Das gilt nicht nur für das Übertragungsnetz für den weiträumi-gen Stromtransport sondern auch für die unterlagerten Ver-teilnetze. Die zeitweise Umkehrung der Flussrichtung im

Gefördert durch: Bundesministerium für Bildung und Forschung Das diesem Arbeitspapier zugrundeliegende Vorhaben wurde mit Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung unter dem Förderkennzeichen 01UN1008 gefördert. Die Verantwortung für den Inhalt dieser Veröffentlichung liegt bei den Autoren.

K. Trepper () · C. Weber · D. KallenLehrstuhl für Energiewirtschaft, Universität Duisburg-Essen (Campus Essen), Universitätsstr. 11, 45117 Essen, DeutschlandE-Mail: [email protected]

C. WeberE-Mail: [email protected]

D. KallenE-Mail: [email protected]

Katrin Trepper Christoph Weber Daniel Kallen

Page 2: Integrationsmanagement für Erneuerbare Energien – Dezentrale Koordination im Strommarkt der Zukunft

210

1 3

K. Trepper et al.

weniger über „den Markt“ als über „das Netz“, wie z. B. über Netzanreizsysteme erfolgen kann.

Ziel dieses Artikels ist es dementsprechend verschiedene Ansätze hinsichtlich ihrer Eignung zur Koordination regio-nalen Angebots und Nachfrage nach Elektrizität in Deutsch-land vergleichend zu analysieren. Nachdem in Kap. 2 die Notwendigkeit ortsabhängiger Investitionssignale und dezentraler Koordination in Deutschland kurz dargestellt wurde, wird dann in Kap. 3 der Ansatz regionaler Märkte und dessen Eignung als dezentraler Koordinationsmecha-nismus beschrieben. Kap. 4 beschreibt und bewertet dann verschiedene Möglichkeiten zur Anreizsetzung in Verteil-netzen: neben konventioneller Netzsteuerung, Nodal Pri-cing und variablen Netztarifen (u. a. mit engpassabhängiger Tarifkomponente) werden auch sogenannte Smart Contracts betrachtet. Kap. 5 schließt dann mit einem zusammenfas-senden Fazit und Ausblick.

2 Notwendigkeit ortsabhängiger (Investitions-) Signale und dezentraler Koordination in Deutschland

Der Ausbau der Erneuerbaren führt zu folgenden, miteinan-der verbundenen Problemlagen im Verteilnetz:

● Steigende Einspeisung aus dezentralen Anlagen ● Fluktuierendes Einspeiseprofil der meisten EE-Anlagen ● Einspeisevorrang für Erneuerbaren-Strom ● Starke Belastung einzelner Betriebsmittel und Probleme

mit der Einhaltung der zulässigen Spannungsbänder ● Teilweise Umkehrung der Lastflüsse

Die ursprüngliche Aufgabe des Verteilnetzes bestand maß-geblich in der Versorgung der Endkunden und nicht in der Aufnahme und Abführung von EE-Strom. Deshalb richten sich Netzstruktur, Aufbau und Auslegung des Verteilnetzes

vor allem nach einer unidirektionalen Lastflussrichtung von der Übertragungsnetz- hin zur Niederspannungsebene.

Um Netzengpässe zu vermeiden, ergibt sich nach (DENA 2012) bis 2030 ein Netzausbaubedarf von 135.000–193.000 Stromkreiskilometer (vgl. Abb. 1). Damit einher geht bis 2030 allein im Verteilnetz ein Investitionsbedarf von 27,5–42,5 Mrd. € (vgl. DENA 2012). Eine immense Herausforderung stellt die Systemintegration dar, wenn bis 2030 bis zu 225 GW (je nach Szenario) Erzeugungsleistung einer Lastbandbreite von 30–85 GW gegenübersteht (vgl. DENA 2012).

Den Berechnungen von (DENA 2012) liegen zwei ver-schiedene Erneuerbaren-Ausbauszenarien zugrunde: Das Szenario NEP B 2012 entspricht dabei im Wesentlichen dem Leitszenario B des Netzentwicklungsplans Strom 2012 (vgl. ÜNB 2012). Hiernach wird bis 2030 von einer ins-tallierten Leistung regenerativer Anlagen von insgesamt 166 GW ausgegangen. Das Bundesländerszenario berück-sichtigt hingegen, ausgehend von den Daten des Szenarios C des Netzentwicklungsplans 2012 (vgl. ÜNB 2012), die spezifischen Zielsetzungen der Bundesländer. Im Bundes-länderszenario wird von einer installierten Leistung regene-rativer Anlagen bis 2030 von 222 GW ausgegangen.

In Anbetracht dieses hohen Investitionsbedarfs stellt sich die Frage, inwiefern durch dezentrale Koordination das Netz effizienter genutzt und damit der Netzausbau reduziert werden kann. Maßgeblich für den Erfolg von Koordina-tionsmechanismen ist jedoch das Setzen der richtigen, orts-abhängigen Signale für den kurzfristigen Anlagenbetrieb und vor allem auch für langfristige Investitionsentschei-dungen. Die „Netzperspektive“ ist in Zeiten zunehmen-der Netzengpässe und dem damit verbundenen steigenden Redispatchbedarf (siehe Abb. 2) wichtiger denn je.

In Deutschland erfolgt die Marktpreisbildung aktuell jedoch weiterhin ohne Berücksichtigung von Netzrestrik-

Umbau (in km) Umbau (in km)Jahr Jahr

Ausbau (in km) Ausbau (in km)

Jahr

Szenario NEP B 2012

Jahr

Bundesländerszenario

Abb. 1 Netzausbaubedarf in Stromkreiskilometern nach Spannungsebene. (Eigene Darstellung in Anlehnung an (DENA 2012))

Page 3: Integrationsmanagement für Erneuerbare Energien – Dezentrale Koordination im Strommarkt der Zukunft

211

1 3

Integrationsmanagement für Erneuerbare Energien – Dezentrale Koordination Im Strommarkt der Zukunft

abgeleitet werden. Vielmehr ergeben sich regionale Preise und damit regionale Märkte nach ökonomischer Logik „automatisch“ im Falle des Vorliegens eines Netzengpasses – insofern der implementierte Preismechanismus am Markt die Netzrestriktionen berücksichtigt.

Demnach sind aus ökonomischer Sicht folgende zwei Charakteristika für regionale Märkte zu fordern:

● Ihre Abgrenzung orientiert sich an Netzengpässen und regional unterschiedliche Preise existieren nur bei Vor-liegen eines Netzengpasses

● Liegt kein Netzengpass vor, gibt es auch keinen Grund für regional unterschiedliche Preise.

Unter diesen Prämissen liefern regionale Märkte einen Beitrag zur ökonomisch effizienten Stromversorgung durch:

1. Ausgleich von regionalem Angebot und Nachfrage – bei Vorliegen eines Netzengpasses

2. Flexible Integration der regionalen Nachfrage (und des Angebots) in den übergeordneten Energiemarkt – wenn kein Netzengpass vorliegt

Die Energiewende macht eine verstärkte Koordination sämtlicher relevanter Bereiche notwendig. Regionale Marktplätze stellen hierbei einen Ansatz zur Koordination dar. In jedem Fall erfordert die ökonomische Effizienz die Kopplung möglicher regionaler Energiemärkte mit den übergeordneten Märkten. Grundsätzlich kann bei der erforderlichen Kopplung dann zwischen einem Bottom-Up-Ansatz und einem Top-Down-Ansatz unterschieden werden. Beim Bottom-Up-Ansatz erfolgt eine Kopplung unterschiedlicher regionaler Energiemärkte (auch: Market Coupling), beim Top-Down-Ansatz wird hingegen der über-geordnete Markt in mehrere Teilmärkte aufgeteilt, wobei sich die Aufteilung an den Netzengpässen orientiert (auch: Market Splitting bzw. Nodal Pricing).

tionen. Drohende Engpässe werden durch Redispatch-Maßnahmen2 oder im Notfall durch die Abregelung von EE-Anlagen behoben. Im Verteilnetz ist eine aktive Steue-rung wie im Übertragungsnetz jedoch i. d. R. nicht möglich.

3 Die Idee regionaler Märkte zur Anreizsetzung im Verteilnetz

3.1 Regionale Märkte

Die Verwendung des Begriffs der regionale Märkte (oder auch: regionale Märktplplätze) erfolgt in der aktuel-len wissenschaftlichen und politischen Diskussion häu-fig nicht konsistent. Zum Teil werden unter regionalen Marktplätzen Marktstrukturen verstanden, die oberhalb der nationalen Strukturen angesiedelt sind (z. B. Strom-markt Central-West-Europe3). Zum Teil werden aber auch Marktplätze unterhalb der nationalen Ebene adressiert, so etwa im Rahmen der E-Energy-Projekte.

Für beide Ausprägungen der Begrifflichkeit erweist sich jedoch eine ökonomische Grundregel von großer Bedeu-tung: Das Einheitspreisgesetz („law of one price“ vgl. z. B. Burdett und Judd 1982; Mankiw 2011) sollte bei funktio-nierenden Märkten gelten und dazu führen, dass sich für ein einheitliches Produkt auch ein einheitlicher Markt-preis ergibt. Dementsprechend muss auch der Strompreis in einem regionalen, untergeordneten Markt der gleiche wie im übergeordneten Markt sein, solange keine Trans-portengpässe oder Transportkosten im Stromnetz auftreten. regionale Märkte sollten demnach nicht „künstlich ange-legte“ Marktgebiete sein, die bspw. aus in der Informations- und Kommunikationstechnologie begründeten Aspekten

2 Eingriff eines ÜNB in die Fahrweise von Erzeugungs- und Speicher-anlagen zur Sicherstellung der Systemsicherheit im Falle eines dro-henden Netzengpasses3 Siehe auch http://www.marketcoupling.com/market-coupling/euro-pean-market

Abb. 2 Entwicklung der Redispatchmengen im Zeitraum 2007–2011. (Quelle: In An-lehnung an Bundesnetzagentur 2012, S. 10)

Page 4: Integrationsmanagement für Erneuerbare Energien – Dezentrale Koordination im Strommarkt der Zukunft

212

1 3

K. Trepper et al.

These 6. Regionale Märkte leisten zweifellos einen Beitrag zur ökonomisch effizienten Gestaltung der Strommärkte, wenn (1.) sich die Grenzen der regionalen Märkte an bestehenden Netzengpässen orientieren und wenn (2.) eine Preiskopplung an den darüber liegenden Markt vorliegt.

Ohne Netzengpass hat das Gut Strom im regionalen Markt den gleichen ökonomischen Wert wie im übergeord-neten Markt („Law of one price“). Dementsprechend sind das (zeitweise) Vorhandensein von Netzengpässen und die Preiskopplung entscheidend für die Effizienz des imple-mentierten Marktes. Durch die Preiskopplung muss sicher-gestellt werden, dass ohne Transportengpass auch kein Preisunterschied zwischen regionalem und übergeordnetem Markt auftritt. Andernfalls werden entweder Produzenten oder Konsumenten im regionalen Markt benachteiligt.

These 7. Die (Preis-) Ankopplung an den darüber liegenden Markt stellt ein zentrales Designelement eines jeden regio-nalen Marktes dar.

Die Anbindung kann entweder über koordinierte Auktio-nen erfolgen (Market Coupling bzw. Market Splitting) oder durch einen bzw. mehrere Marktakteure, die die Rolle eines Brokers (Handelsvermittlers) zwischen regionalem und übergeordnetem Marktplatz übernehmen.

These 8. Wenn es um die Bewirtschaftung lokaler Ein-speiseüberschüsse geht, weisen regionale Märkte, wie sie im Rahmen der E-Energy-Initiative größtenteils verstanden werden, kein gutes Verhältnis zwischen Aufwand und Nut-zen auf.

Der lokale Ausgleich von Angebot und Nachfrage ist nur in den Stunden erforderlich, in denen Netzengpässe vorlie-gen. Aufgrund der zeitlichen Verteilung der erneuerbaren Einspeisung wird dies maximal in einigen hundert bis rund 1000 h des Jahres der Fall sein. Zudem wird bei häufig auf-tretenden Netzengpässen ein Netzausbau ökonomisch in der Regel vorteilhaft sein bzw. der Netzbetreiber ist hierzu durch die aktuelle Rechtslage sogar weitgehend verpflichtet.

These 9. Regionale Engpassbewirtschaftung ist erforder-lich und sinnvoll, sollte aber eher an die Netzbewirtschaf-tung als an regionale Marktplätze gekoppelt sein.

Mit der zunehmenden Einspeisung aus fluktuierenden Erneuerbaren Energien ergeben sich in den Stromnetzen verstärkt temporäre Engpässe. Ökonomisch ist es nicht sinnvoll, das Netz so auszubauen, dass Netzengpässe voll-ständig vermieden werden – denn zumindest für die letzten Ausbaumaßnahmen ist der Grenznutzen niedriger als der Zusatzaufwand. Dementsprechend sind Maßnahmen der Engpassbewirtschaftung erforderlich, um eine temporäre Netzüberlastung oder gar einen Netzzusammenbruch zu

beides auf der Homepage des Lehrstuhls für Energiewirtschaft der Universität Duisburg-Essen zu finden: http://www.ewl.wiwi.uni-due.de/forschung/projekte/

3.2 Das Verständnis regionaler Märkte in den E-Energy Projekten

In den vom BMWi geförderten E-Energy-Projekten ist der Begriff lokaler Marktplätze von zentraler Bedeutung. Die meisten der E-Energy-Projekte nehmen jedoch eine eher technische Sichtweise auf dezentrale Märkte ein und beschäftigen sich vor allem mit der (nicht minder wichti-gen) Entwicklung notwendiger Informations- und Kom-munikationssysteme. Ökonomische bzw. Marktaspekte werden allenfalls am Rande einiger Projekte betrachtet. Das in E-Energy eingenommene Verständnis regionaler Markt-plätze fokussiert auf Marktplätze unterhalb der nationalen Ebene. Der Ausgleich von lokaler Erzeugung und lokaler Nachfrage mit Hilfe der entsprechenden Informations-und Kommunikationstechnologie steht hierbei im Fokus. Der regionale Marktplatz ermöglicht den elektronischen Geschäfts-und Rechtsverkehr zwischen allen Teilnehmern, ein hoher Automatisierungsgrad wird angestrebt. Hier wer-den Erzeugung und Verbrauch intelligent koordiniert und damit Flexibilität im Netz geschaffen. Unterstützt wird die-ser Prozess durch Aspekte intelligenter Speicherung, inso-fern diese technisch möglich und wirtschaftlich ist.

Aus ökonomischer Sicht ist jedoch nicht so sehr das lokale Ausregeln von Angebot und Nachfrage relevant, sondern vielmehr die mittelbare Wirkung dessen auf die Engpasssituation im Netz. Reflektieren regionale Märkte nicht die lokale Netzsituation, können sie nur begrenzt zur effizienten Bewirtschaftung von (lokalen) Engpässen und damit auch zur Integration der EE beitragen. Dies ist bspw. der Fall, wenn regionale Märkte so gebildet werden, dass sich die Schwankungen zwischen regionaler Erzeugung und regionaler Nachfrage möglichst gut ausgleichen. Regionale bzw. dezentrale Märkte sollten sich vielmehr nach im Netz bestehenden (strukturellen) Engpässen orientieren. Im Falle eines nicht engpassbehafteten Netzes müssen bei einem ökonomisch effizienten Marktdesign die sich in den regio-nalen bzw. dezentralen Märkten ergebenden Marktpreise identisch sein (bzw. dem Systempreis entsprechen). Diese netzökonomische Sichtweise wurde in den E-Energy-Pro-jekten jedoch eher selten eingenommen.

3.3 Zentrale Ergebnisse des Forschungsprojekts NaREM

Aus den vielfältigen Ergebnissen von NaREM wurden ins-gesamt zehn zentrale Thesen abgeleitet. Diese Thesen fassen knapp wesentliche Erkenntnisse zusammen, die im Rahmen der verschiedenen Arbeitspakete des Projekts gewonnen wurden.4 Im Rahmen dieses Artikels sind vor allem die fol-genden Thesen von zentraler Bedeutung:

4 Ausführliche Erläuterungen zu den Thesen finden sich im Schluss-bericht des Projekts NaREM und in den jeweiligen Arbeitspapieren,

Page 5: Integrationsmanagement für Erneuerbare Energien – Dezentrale Koordination im Strommarkt der Zukunft

213

1 3

Integrationsmanagement für Erneuerbare Energien – Dezentrale Koordination Im Strommarkt der Zukunft

Brandstätt et al. (2011) folgende Anforderungen relevant: (Ökonomische) Effizienz, Effektivität, Marktkompatibilität, Effekte auf die Einkommensverteilung und Integrität in die bestehende Gesetzeslage.

Ein Koordinationsmechanismus muss vor allem effizient ausgestaltet sein. Hierbei ist jedoch zwischen kurzfristiger Effizienz, d. h. dem Einfluss auf den kurzfristigen Anlagen-einsatz und langfristiger Effizienz, d. h. dem Einfluss auf Investitionen und Standortentscheidungen, zu unterschei-den. Darüber hinaus ist ein Koordinationsmechanismus nur dann effektiv, wenn der erzielte Effekt wesentlich ist und die Kosten durch den Nutzen überkompensiert werden. Drittens sollte ein Koordinationsmechanismus marktkompatibel sein. Dabei ist im Wesentlichen entscheidend, ob ein Koordina-tionsmechanismus mit parallelen Marktprozessen vereinbar ist oder ob er gar selbst einen Marktmechanismus umfasst, so dass die marktbasierte effiziente Ressourcenallokation im System weiter möglich ist. Aus verteilungspolitischer Sicht sind zudem auch die Einkommensverteilungseffekte auf Produzenten, Nachfrager und Netzbetreiber bedeutend. Ebenso sollten bürokratische und weitere Kosten möglichst vermieden werden. Neben der Marktkompatibilität wird auch wesentlich sein, inwiefern sich Koordinationsmecha-nismen in die bestehende Gesetzeslage integrieren lassen und welche regulatorischen und rechtlichen Aspekte umge-setzt werden müssen, um den Koordinationsmechanismus zu implementieren (vgl. Brandstätt et al. 2011).

4.2 Konventionelle Netzsteuerung

Die Betreiber steuern den elektrischen Lastfluss im Netz zum einen durch Schalthandlungen bei Netzbetriebsmitteln und Eingriffe in die Netztopologie, zum anderen durch akti-ves Erzeugungsmanagement wie dem Redispatch von Anla-gen. Letztgenannte Maßnahmen werden aber erst ergriffen, wenn Schalthandlungen und Eingriffe in die Netztopologie nicht ausreichend sind, denn durch den Redispatch entste-hen erhebliche Kosten.

Im Verteilnetz ist eine solche aktive Steuerung aufgrund häufig fehlender Mess- und Steuereinrichtung allerdings bisher kaum möglich – obwohl eine Vielzahl der im Über-tragungsnetz verursachten Netzengpässe auf ans Verteilnetz angeschlossene dezentrale EE-Anlagen zurückzuführen ist.

Der Redispatch im Übertragungsnetz erfolgt auf der Basis von Preisgeboten der Anlagenbetreiber und ist damit (mit Einschränkungen) marktorientiert. In den Verteilnetzen erfolgt hingegen bislang im Wesentlichen nur eine Abschal-tung von Erzeugungsanlagen falls es andernfalls zu Über-lastungen im Netz kommt. Damit gibt es keine Anreize für eine Anpassung der lokalen Nachfrage oder die Nutzung von Speichern.

verhindern. Da die Netzbetreiber spezifische Kenntnisse über die Engpasssituation in den Netzen haben, ist zu prü-fen, ob nicht eine Engpassbewirtschaftung im Rahmen der Netzbewirtschaftung vorteilhafter ist als die Einrichtung regionaler Marktplätze. Die hier grundsätzlich denkbaren Möglichkeiten werden daher im Folgenden kurz dargestellt und hinsichtlich ihrer Eignung zur dezentralen Koordina-tion bewertet.

4 Möglichkeiten zur Anreizsetzung im Verteilnetz

Die Ausführungen des vorangegangenen Kapitels haben verdeutlicht, dass eine rein marktbasierte, dezentrale Koor-dination von Angebot und Nachfrage aufgrund der Rolle des Netzes in der Stromversorgung nicht zielführend ist.

Das Netz ist sowohl Ermöglicher von Marktinteraktionen als auch monopolistischer Engpass. Letzteres hat zur Folge, dass das Netz einer staatlichen Regulierung unterliegt, in Deutschland im Wesentlichen ausgeübt durch die Bundes-netzagentur. Die optimale Ausgestaltung dieser Regulierung soll nachfolgend nicht im Fokus stehen – vielmehr wird als Arbeitshypothese davon ausgegangen, dass es dem Regu-lierer durch entsprechende Anreize weitgehend gelingt, die Netzbetreiber zu systemorientiertem Verhalten anzuhalten5.

Unter dieser Prämisse ist die zentrale Frage, welche Instrumente der Netzbetreiber seinerseits nutzen kann, um die regionale Koordination von Angebot und Nach-frage im Hinblick auf das Systemoptimum bestmöglich zu bewerkstelligen.

Dabei sind grundsätzlich neben konventionellen Metho-den der Netzsteuerung vor allem preisorientierte Mechanis-men wie Nodal Pricing oder variable Netzentgelte denkbar. Eine Variante, die von Brandstätt et al. (2011) diskutiert wird, sind sogenannte Smart Contracts. Hier bezahlt der Netzbetreiber für Rechte zur netzorientierten Bewirtschaf-tung von Anlagen. Eine andere Alternative, die im Rahmen des Projekts NaREM identifiziert wurde, sind variable, netz-engpassorientierte Netzentgelte. Bevor diese unterschiedli-chen Konzepte nachfolgend diskutiert werden, sind jedoch die Anforderungen an solche Koordinationsmechanismen zu reflektieren.

4.1 Anforderungen an dezentrale Koordinationsmechanismen

Für regionale Koordinationsmechanismen zwischen Ange-bot und Nachfrage im Strommarkt sind in Anlehnung an

5 Diese Arbeitshypothese ist sicherlich kritisch zu hinterfragen und die möglichen Ausgestaltungen der Regulierung näher zu untersuchen (vgl. auch Brandstätt et al. 2011). Dies würde jedoch den Rahmen der vorliegenden Ausführungen sprengen.

Page 6: Integrationsmanagement für Erneuerbare Energien – Dezentrale Koordination im Strommarkt der Zukunft

214

1 3

K. Trepper et al.

4.4 Variable Netzentgelte

Die Endkundenpreise für Strom umfassen in der Regel neben dem (Großhandels-) Marktpreis für die gelieferte Energie sowie Steuern und Abgaben auch Netzentgelte, mit denen die Kosten der Netzinfrastruktur einschließlich der Kosten für Reserveleistung, Spannungshaltung und System-verluste abgegolten werden. Diese Entgelte basieren bislang zumeist auf konstanten Tarifen pro bezogene Energiemenge und/oder maximaler Bezugsleistung.

Indem diese Tarife orts- oder/und zeitabhängig gemacht werden, können sie jedoch Anreize für systemdienliche Ein- oder Ausspeisung liefern. Brandstätt et al. (2011) fokussie-ren auf ortsabhängige Netzentgelte und verwenden hierfür den Begriff des Locational Network Pricings (LNP). Die entsprechenden Netznutzungsentgelte sowie ggf. anfallen-den Netzanschlussgebühren sollen hierbei die marginalen, langfristigen Infrastrukturkosten decken. Wesentlich sind hierbei die Systemperspektive, d. h. der Einfluss auf das gesamte Netzwerk und die Langfristigkeit als Schwerpunkt der Bewertung. In diesem Zusammenhang wird daher auch von sogenannten deep charges (vgl. Brandstätt et al. 2011) gesprochen, die insbesondere die Kosten der Netzwerker-weiterung einbeziehen. Fokus ist also eine Optimierung in der langen Frist, eben dort, wo der Ansatz des Nodal Pri-cings unter Umständen „zu kurz greift“ (vgl. Kap. 4.2). Jedoch stellt die transparente Ermittlung und Allokation von deep charges eine Herausforderung dar, insbesondere wenn diese für die Netznutzer ex-ante planbar sein sol-len. In Großbritannien existiert jedoch ein solches System bereits seit Jahren für die Übertragungsnetzebene und eine Anwendung dieses Konzepts auch auf Verteilnetzebene wird gerade diskutiert.

Für Deutschland werden variable Netzentgelte unter anderem von Kießling et al. (2011), Landeck (2011) und Moma (2012) diskutiert. Dabei werden neben ortsabhän-gigen Netzentgelten auch zeit- oder/und kundenabhängige Entgelte gefordert. Moma (2012) zeigt insbesondere, dass dadurch auch gezielt Anreize für Kunden gesetzt werden, die ihren Verbrauch den Bedürfnissen des Netzbetreibers anpassen können.

4.5 Smart Contracts

Smart Contracts (vgl. Brandstätt et al. 2011) stellen individu-ell verhandelte Tariflösungen zwischen Verteilnetzbetreiber und Netznutzern, also Konsumenten bzw. Erzeugern, dar. Die Idee dieser bilateralen, freiwilligen Verträge ist es, aus-gewählte Netznutzer für ein „netzfreundliches“ Verhalten zu belohnen, ansonsten jedoch die bisherige Netzentgeltsys-tematik nicht anzutasten. Smart Contracts basieren nicht auf einem generellen Tarifplan wie die LNP. Vielmehr können in den Smart Contracts nach Brandstätt et al. (2011) indivi-

4.3 Nodal Pricing

Beim Nodal Pricing (vgl. z. B. Hogan 1992; Schweppe et al. 2000), auch bekannt als Locational Marginal Pricing (LMP), werden Netz und Strommarkt gemeinsam bewirt-schaftet. Netzrestriktionen werden somit unmittelbar bei der Kalkulation der Marktpreise berücksichtigt. So ergeben sich je nach Engpasssituation im Netz knotenspezifische Preise. Ohne Vorliegen eines Netzengpasses stimmen jedoch die nodalen Preise mit dem Systempreis überein (mit kleinen Abweichungen aufgrund von Netzverlusten).

Während Nodal Pricing schon lange im Kontext effi-zienter Bepreisung und Investitionsanreizung auf Über-tragungsnetzebene diskutiert wird (vgl. z. B. Trepper und Weber 2013; Neuhoff et al. 2011; Weigt et al. 2006), rückt die mögliche Übertragung dieses Konzepts auch auf die Verteilnetzebene nun häufiger in den Fokus. Sotkiewicz und Vignolo (2006) argumentieren, dass durch nodale Preise Leitungsverluste ökonomisch effizient reduziert und markt-basierte Signale für die netzdienliche Anbindung dezentra-ler Anlagen an das Verteilnetz geschaffen werden können. Nodale Preise beziehen die eingespeiste Menge sowie die marginalen Verluste in Abhängigkeit von Nachfrage und Einspeiseort, bzw. Transportentfernung zum Angebotsnetz-knoten mit ein. Damit haben sie Signalwirkung nicht nur für die operative Steuerung der Erzeugung, sondern auch für die Verwendung der Transportkapazitäten. Der lokale Preis steigt einerseits mit Änderung der Nachfrage, insofern diese die Netzwerkverluste erhöht und andererseits mit steigender Entfernung vom Angebotsknoten.

Nodal Pricing gewährleistet als Konzept zur operationa-len Optimierung vor allem in der kurzen Frist ökonomische Effizienz. Variable Netzwerk- und Konstruktionskosten werden abgebildet, allerdings nicht die fixen Kosten der Netzwerkerweiterung. Brandstätt et al. (2011) argumentie-ren, dass die Nichtberücksichtigung von Economies of scale beim Netzausbau langfristig zu einer ineffizienten Signal-wirkung führt. Die gesamten Netzkosten werden zwar reduziert, aber nur unzureichend. Die Implementierung eines nodalen Preissystems würde zudem eine umfassende Umstrukturierung des Markdesign erfordern. Aufgrund der starken Vermaschung des europäischen Stromnetzes erscheint zudem nur eine europaweite Implementierung nodaler Strompreise sinnvoll (vgl. Trepper und Weber 2013). Die hohe Anzahl an Netzknoten auf Verteilnetzebene erhöht zum einen die Komplexität, zum anderen besteht auf-grund der resultierenden kleineren Marktgebiete die Gefahr der Ausübung von Marktmacht und zu geringer Liquidität. Außerdem ist in Deutschland auch die existierende fixe Einspeisevergütung für EE-Strom inkompatibel mit einem nodalen Preiskonzept, da die Erneuerbaren damit von einer Signalwirkung über die Marktpreise nicht berührt würden.

Page 7: Integrationsmanagement für Erneuerbare Energien – Dezentrale Koordination im Strommarkt der Zukunft

215

1 3

Integrationsmanagement für Erneuerbare Energien – Dezentrale Koordination Im Strommarkt der Zukunft

4.6 Variable Netzentgelte mit engpassabhängiger Tarifkomponente

Die zuvor beschriebenen Smart Contracts stellen einen Rah-men für individualisierte vertragliche Regelungen dar, mit denen eine effiziente Koordination auf regionaler Ebene erreicht werden soll. Allerdings bleibt fraglich, ob und wie hier eine standardisierte, weitgestreute Umsetzung möglich ist. Auf der anderen Seite erfordern die in den Kap. 3 und 4 diskutierten Ansätze zur dezentralen Preisfindung sehr grundlegende Umgestaltungen des marktlichen Umfelds. Im Rahmen des Forschungsprojekts NaREM wurde daher ein integrierter Ansatz zur Setzung örtlich und zeitlich adäquater Preisanreize entwickelt, der auf variablen Netz-entgelten basiert. Hierbei wird zum allgemeinen Marktpreis eine engpassabhängige (positive bzw. negative) Netzent-geltkomponente hinzu addiert, die in einem iterativen Preis-bildungsprozess, der in Abb. 3 graphisch dargestellt wird auf Basis disaggregierter, lokaler Angebotsprofile ermittelt wird.

Alle (dezentralen) Anlagenbetreiber platzieren day-ahead ihre Angebote am zentralen Marktplatz (Börse) (1). Diese ermittelt auf Basis der Angebote den Systempreis (2). Die Anlagenbetreiber und Nachfrager übermitteln ihre Day-ahead-Fahrpläne daraufhin dem zuständigen lokalen Netzbetreiber (3), welcher wiederum hierauf basierend die resultierende Lastflusssituation und vor allem auch die Netz-auslastung bestimmt (4). Im Fall, dass sich eine unzulässige Netzbelastung ergibt, ermittelt der lokale Netzbetreiber dann engpassbedingte Zu- und Abschläge (zum allgemei-nen Marktpreis) für jede einzelne Anlage (5). Stellt der Netzbetreiber bspw. einen drohenden Engpass beim Strom-abtransport in einer Region fest, so wird er einen Abschlag auf den aktuellen Marktpreis berechnen, der die Anreize zur

duelle Netzentgelte und Abschaltvereinbarungen festgelegt werden. Der Verteilnetzbetreiber, der die aktuelle Netzeng-passsituation kennt, kann gemeinsam mit dem Netznutzer, bspw. dem Verursacher eines Engpasses, einen individuel-len Vertrag aushandeln. Dabei sollen Smart Contracts nach Brandstätt et al. (2011) sowohl in der kurzen Frist, ähnlich wie nodale Preise, als auch in der langen Frist, ähnlich wie LNP, effiziente Signale liefern. Zudem argumentieren die Autoren, dass Smart Contracts effektiver als nodale Preise und LNP sind, da sie nur einzelne Kunden betreffen bzw. individuell ausgestaltet sind. Da die bilateralen Verträge auf freiwilliger Basis verhandelt werden, werden diese nur in einer Win-Win-Situation abgeschlossen, wodurch negative Umverteilungseffekte vermieden werden (vgl. auch Vogel 2009). Auch sind die Smart Contracts marktkompatibel, können sie sich doch parallel zur dezentralen Erzeugung entwickeln. Allerdings sind bei der Umsetzung von Smart Contracts die Anreize für netzdienliches Verhalten nicht mehr diskriminierungsfrei – die Netznutzer mit Smart Contracts werden für netzdienliches Verhalten belohnt, andere hingegen nicht. Zudem beinhalten Smart Contracts auch die Gefahr strategischen Verhaltens. Sind z. B. einem Investor bestehende Netzengpässe bekannt, so kann er die-ses Wissen missbräuchlich nutzen, indem er eine Zahlung vom Netzbetreiber dafür realisiert, dass er seine geplante Erzeugungsanlage nicht an einem vorgeblich „geplanten“, engpassbelasteten Standort baut, sondern an einen weni-ger engpassgefährdeten Standort ausweicht. Schließlich sind auch die Transaktionskosten für individuell verhan-delte Smart Contracts im Auge zu behalten – obwohl durch (Teil-) Standardisierung die Transaktionskosten sicherlich reduziert werden können.

Abb. 3 Ermittlung einer engpassabhängigen Netzentgeltkomponente

Page 8: Integrationsmanagement für Erneuerbare Energien – Dezentrale Koordination im Strommarkt der Zukunft

216

1 3

K. Trepper et al.

Ein „Weiter so“ mit punktuellen netzseitigen Eingriffen bei auftretenden Einspeiseüberschüssen hat zweifellos den Vorteil, dass keine tiefgreifenden Eingriffe in bestehende Strukturen erforderlich sind. Zugleich ist die langfristige Anreizwirkung höchst problematisch. Auf der anderen Seite ist ein umfassendes System lokaler, zeitabhängiger Preise sehr aufwendig zu implementieren, da insbesondere ein unabhängiger, umfassender Netz- und Marktplatzbetreiber (ISO) implementiert werden müsste – zudem ist unklar, ob aufgrund von Economies of scale dieser Ansatz tatsäch-lich langfristig zu einem effizienten Trade-off zwischen Netzausbau und Engpassmanagement führen würde (vgl. Brandstätt et al. 2011). Ortsabhängige Netztarife hingegen bieten allenfalls langfristig adäquate Investitionsanreize, ihre kurzfristige Effizienz ist jedoch begrenzt wie auch die G-Komponente in den britischen Netzentgelten belegt.

Dementsprechend sind im Hinblick auf eine langfris-tig tragfähige Koordination von regionalem Angebot und regionaler Nachfrage durch netzorientierte Anreize insbe-sondere die Konzepte der Smart Contracts und der variablen Netzentgelte mit engpassabhängiger Komponente vertie-fend zu untersuchen. Freiwillig abgeschlossene, bilaterale Smart Contracts sind eine flexible Option für ein gezieltes Engpassmanagement. Gegenüber dem Status quo werden sie zweifellos aufgrund ihres optionalen Charakters zu einer Verbesserung der ökonomischen Effizienz führen. Aller-dings besteht aufgrund von Transaktionskosten und Anrei-zen für strategisches Verhalten auch die Gefahr, dass damit nicht das ökonomische Optimum erreicht wird. Variable Netzentgelte mit engpassabhängiger Komponente stellen ebenfalls einen Ansatz dar, der flexibel eingeführt werden kann, da er insbesondere auf die Regionen mit relevanten Netzengpässen beschränkt werden kann. Indem der Grund-gedanke räumlich und zeitlich differenzierter, aber für alle Netznutzer einheitlicher Knappheitspreise umgesetzt wird, sollte das Konzept zu einem vergleichbar effizienten Eng-passmanagement führen wie das Nodal Pricing, bei Bei-behaltung der bisherigen weitgehenden Entflechtung von Netzmanagement und Markt. Dies erfordert allerdings eine Anpassung der Marktregeln im Hinblick auf eine iterative Preisfindung unter Berücksichtigung der regionalen Eng-pässe. Daneben ist auch sicherzustellen, dass es zu einem ökonomisch effizienten Netzausbau in Abstimmung mit dem Ausbau von EE kommt – diese Herausforderung stellt sich jedoch auch im Kontext von Smart Contracts. Hier muss vor allem der Regulierer angemessene Anreize für die Netzbetreiber setzen.

5 Schlussfolgerungen und Ausblick

In Folge der Energiewende und des damit verbundenen massiven Ausbaus an meist dezentral einspeisenden EE ist

lokalen Einspeisung verringert und zugleich den lokalen Verbrauch stimuliert. Die Anlagenbetreiber, Verbraucher und Speicherbetreiber haben dann Gelegenheit, auf die durch die engpassbedingten Zu- und Abschläge (= Preis-signale) zu reagieren und ihre Fahrweise anzupassen. Die Börse ermittelt dann auf Basis der neuen Angebote erneut einen Systempreis und der Netzbetreiber die Lastflüsse. Die Schritte (6) bis (10) werden falls erforderlich wiederholt. Grundsätzlich ist dieses Modell auch für Nachfrager denk-bar, die dann durch DSM-Maßnahmen neben die Anlagen-betreiber treten.

Von Vorteil ist, dass dieses Modell keinen unabhängigen Systemoperator (ISO) voraussetzt und auch nicht notwen-digerweise flächendeckend eingeführt werden muss. Da die Produktionsentscheidung (Dispatch) weiterhin dezen-tral durch die Anlagenbetreiber erfolgt (und nicht durch einen zentralen ISO), wird in diesem Modell zudem nicht in die Entscheidungskompetenz der Anlagenbetreiber ein-gegriffen. Trotz Beibehaltung des zurzeit in Deutschland implementierten Preisbildungsprozess geht die Netzbelas-tungssituation damit zusätzlich in den Day-ahead-Markt ein. Die dezentrale Koordination von Angebot und Nachfrage erfolgt durch die Setzung adäquater Signale für (dezentrale) Einspeiser und Nachfrager in Form der engpassabhängigen Netzentgelte und realisiert so gleichzeitig ein verbessertes Engpassmanagement. Durch die effizientere Nutzung des bestehenden Netzes kann infolgedessen ein Teil der Kosten für den Netzausbau eingespart werden.

Unter Umständen sind jedoch viele iterative Schritte notwendig bis das Marktergebnis (gegen nodale Preise) konvergiert. Der Aufwand zur Erstellung regional aufge-löster Fahrpläne ist vergleichbar mit dem Ansatz nodaler Preise. Wichtig bei der Implementierung solcher engpass-abhängiger Netzentgeltkomponenten ist vor allem ein transparenter Kommunikationsprozess, der die rechtzeitige Vorankündigung der Einführung eines solchen Systems durch den Netzbetreiber beinhaltet. Um eine „Verschlep-pung“ systemdienlicher Netzinvestitionen zu vermeiden, muss zudem der Netzbetreiber verpflichtet werden darzu-legen, dass der Netzausbau nicht vorteilhafter ist als die Netzengpassbewirtschaftung.

In weiterer Forschung soll untersucht werden, wie dieser Ansatz konkret operationalisiert werden kann und engpass-abhängige Netzentgeltkomponenten tatsächlich mit ange-messenem Zeitumfang und Aufwand so ermittelt werden können, dass sie ausreichend Anreize im Verteilnetz setzen.

4.7 Zusammenfassende Bewertung der Koordinationsmechanismen im Verteilnetz

Im Hinblick auf die in Kap. 4.1 aufgestellten Anforderungen werden die zuvor beschriebenen Modelle in Tab. 1 bewertet.

Page 9: Integrationsmanagement für Erneuerbare Energien – Dezentrale Koordination im Strommarkt der Zukunft

217

1 3

Integrationsmanagement für Erneuerbare Energien – Dezentrale Koordination Im Strommarkt der Zukunft

Tab. 1 Bewertung von Preis- und Tarifmodellen zur Setzung adäquater Signale in VerteilnetzenAnforderung Konven-

tionelle Netzsteuerung

Nodal Pricing (NP) Ortsvariable Netztarife (NT)

Smart Contracts (SC) Variable Netzentgelte mit engpassabhängiger Komponente (NE)

(Ökono-mische) Effizienz

(−) Orientie-rung an Netz-engpässen, zumeist nicht an Kosten oder Zahlungsbe-reitschaften

(+) Kurzfristige Effizienza gegeben(−) Langfristige Effizienzb aufgrund von Skalen-effekten im Netzausbau begrenzt

(−) Geringe kurzfristige Effizienz (da explizite kurzfristige Signale fehlen)(+) Langfristige Effizienz gegeben

(+) Kurzfristige Effizienz im Prinzip gegeben(+) Langfristige Effizienz im Prinzip gegeben(−) Selektive Anwendung von SC auf ausgewählte Kundengruppen reduziert Effizienz

(+) Kurzfristige Effi-zienz gegeben(+) Langfristige Effizienz durch Ausge-staltung der ortsab-hängigen Komponente möglich

Effektivität (+) bei vor-handenen Mess- und Steuereinrich-tungen direkte Beeinflussung möglich

(−) Verglichen mit Einheitspreismechanisms höhere Effektivität aber aufgrund von Skalenef-fekten beim Netzausbau langfristig unzureichend

(−) Hängt von der kon-kreten Ausgestaltung der Netztarife ab

(+) Hohe Effektivität (Grundgedanke: Kunden werden für netzfreundliches Ver-halten belohnt)

(+) Hohe Effektivität, vergleichbar mit NP, ggf. auch langfristige Anreizkompatibilität

Verteilungs-effekte (verglichen mit einer Si-tuation ohne Berücksich-tigung des Netzes)

(−) Anlagen-betreiber in Gebieten mit Engpässen werden ab-geregelt und ggf. nicht oder unzureichend kompensiert

(−) Produzenten erhalten Preissignale und beteiligen sich an Netzwerkkosten(−) Nachfrager profitieren wahrscheinlich (Sozialisie-rung der Netzwerkkosten erfolgt nicht mehr aus-schließlich nachfrageseitig)(+) geringere Gesamt-(Netzwerk)kosten (Vorhan-denes Netz wird effizienter genutzt)

(−) Negative Verteilungs-effekte für Produzenten da diese sich an den Netz-werk kosten beteiligen(+) Aber: Reduktion der Systemkosten möglich, da kostenbasierte Tarife die Effizienz erhöhen

(+) Keine negativen Verteilungseffekte da Verträge freiwillig sind (Einwilligung in einen neuen Vertrag wird nur erfolgen, wenn dieser vorteilhaft für den Verbrau-cher/ Produzenten/ VNB ist)

(−) vergleichbar mit NP

Markt-kompati-bilität und Integrier-barkeit in bestehenden Gesetzes-rahmen

(+) Status Quo(−) Falsche Signale an Investoren und damit langfristig Verschärfung existierender Probleme

(−) Hoher Implementie-rungsaufwand da massive Systemänderungen ggü. dem aktuellen Einheits-preissystem, u. a. Imple-mentierung eines ISO und sehr komplexer (Lastfluss-)Modelle zur Kalkulation der nodalen Preise(−) Widersprüchliche Politik: Kombination aus nodalen Preisen und fixen Einspeisetarifen für EE erscheint schwierig

(+) Moderater Imple-mentierungsaufwand (Einmalige Kosten für Systemänderung, Rechenmodelle und Entscheidungsprozesse)(−) Regulatorischer Auf-wand abhängig von spezi-fischer Ausgestaltung: Bei Implementierung als An-reizmechanismus kann die Aufgabe des Designs ört-lich differenzierter Tarife an die Verteilnetzbetreiber übertragen werden(−) Bestehende Gesetzes-lage erlaubt örtlich diffe-renzierte Tarife nichtc

(+) Hohe Marktkompatibilität:1. Existierender Großhandelsmarkt bleibt erhalten und zudem Entwicklung zu de-zentralen Märkten parallel möglich2. Mögliche Konflikte mit bestehender Politik z. B. fixe Einspeisetarife für EE können durch spezifische, “kreative” SC durch den NB vermieden werden(−) NB müssen Einspeisung vor allem aus EE kontrollieren können, zurzeit aber kaum aktive Steuerung im Verteilnetz möglich(−) Implementierungsaufwand abhängig von Level der Standardisierung:Teil-Standardisierung reduziert Vertrags-komplexität und Implementierungsauf-wand aber erlaubt dennoch Realisierung der meisten Vorteile(−) Optimale Verträge werden Strom-preise und Netzentgelte einbeziehen, u. U. Konflikte mit Unbundling

(+) Hohe Marktkompatibilität:1. Existierender Groß-handelsmarkt bleibt erhalten2. Für Anlagen außer-halb von Engpass-gebieten ändert sich nichts(+) Rückwirkungen des lokalen Engpassma-nagements auf Markt-bilanzkreise konsistent abgebildet(−) NB müssen Netz-entgeltsignale an Netz-nutzer kommunizieren können

Weitere An-merkungen

(−) Keine Erfahrung auf Verteilnetzebene (nur auf Übertragungsnetzebene)(−) Preisvolatilität,Risikohedging hängt maßgeblich von Marktli-quidität ab (neue Hedging-Produkte notwendig)(−) Hohe Implementie-rungskosten da Berech-nung nodaler Preise sehr komplex ist; das Verteilnetz besteht zudem aus einer Vielzahl an Netzknoten

(?) Wie können Anreize für NB zur Imple-mentierung optimaler Verträge gesetzt werden?(−) Strategisches Verhalten bei Wissen über bestehende Netzengpässe möglich

aKurzfristige Effizienz bezieht sich auf Anreize bzgl. des AnlagenbetriebsbLangfristige Effizienz bezieht sich vor allem auf InvestitionsanreizecUnzulässigkeit aller Methoden zur Ermittlung von Netzentgelten, die nicht in § 17 StromNEV genannt werden

Page 10: Integrationsmanagement für Erneuerbare Energien – Dezentrale Koordination im Strommarkt der Zukunft

218

1 3

K. Trepper et al.

Bundesnetzagentur (2012) Beschluss wegen der Festlegung von Krite-rien für die Bestimmung einer angemessenen Vergütung bei strom-bedingten Redispatchmaßnahmen und bei spannungsbedingten Anpassungen der Wirkleistung, Aktenzeichen: BK8-12–019

Brandstätt C, Brunekreeft G, Friedrichsen N (2011) Locational signals to reduce network investments in smart distribution grids: What works and what not? Utilities Policy 19:244–254

Burdett K, Judd KL (1983) Equilibrium price dispersion, Econometri-ca, Jg. 51. Nr 4:955–969

DENA (2012): Ausbau- und Innovationsbedarf der Stromverteilnetze in Deutschland bis 2030; abrufbar unter: http://www.dena.de/pro-jekte/energiesysteme/verteilnetzstudie.html

Hogan W (1992) Contract networks for electric power transmission. J Regul Econ 4:211–242

Kießling A, Hauser E, Klann U, Leprich U, Luxenburger M (2011) Modellstadt Mannheim: Untersuchung des technischen, energie-wirtschaftlichen und regulatorischen Rahmens; abrufbar unter: http://www.modellstadt-mannheim.de/moma/web/media/pdf/Be-richt_zur_Nachhaltigkeit.pdf

Landeck E (2011) Möglichkeiten und Grenzen der Laststeuerung! Wer stellt eigentlich den Marktplatz? Präsentation im Rahmen der BDEW-Leitveranstaltung zu den Erneuerbaren Energien 2011, Berlin; abrufbar unter: http://www.smart-renewables.de/filead-min/archiv/vortraege/SR11_Landeck_BDEW_Smart_Renewa-bles_23-02-2011.pdf

Moma (2012) Mannheim – Auswirkungen auf das politische Instru-mentarium (Endbericht); abrufbar unter: http://www.modellstadt-mannheim.de/moma/web/media/pdf/Endbericht_AS57.pdf

Mankiw NG (2011) Principles of economics, 6. Auflage, South Wes-tern Educ Pub, ISBN 978–0538453059

Neuhoff K, Boys R, Grau T, Barquin J, Echavarren FM, Bialek J, Dent C, Hirschhausen C von, Hobbs BF, Kunz F, Weigt H, Nabe C, Papaefthymioub G, Weber C (2011) Renewable electric ener-gy integration: Quantifying the Value of Design of Markets for International Transmission Capacity. Smart Power Market Project, Available at: http://climatepolicyinitiative.org/wp-content/up-loads/2011/12/Quantitative-Simulation-Paper.pdf

Schweppe FC, Caramanis MC, Tabors RD, Bohn RE (2000) Spot pri-cing of electricity, Vierte Auflage, Kluver Academic Publications, Boston

Sotkiewicz PM, Vignolo JM (2006) Nodal pricing for distribution networks: Efficient Pricing for Efficiency Enhancing DG. IEEE Transactions On Power Systems 21(2):1013–1014

Trepper (geb. Schmitz) K, Weber C (2013) Does one design fit all? On the transferability of the PJM market design to the German electri-city market, EWL Working Paper No. 02/2013

Übertragungsnetzbetreiber (2012) Netzentwicklungsplan Strom 2012, abrufbar unter: http://www.netzentwicklungsplan.de/

Vogel P (2009) Efficient investment signals for distributed generation, Energy Policy, Jg. 37. Nr 9:3665–3672

Weigt H, Freund K, Jeske T (2006) Nodal pricing of the European elec-tricity grid – a welfare economic analysis for feeding-in offshore wind electricity, Working paper, Abrufbar unter: http://tu-dresden.de/die_tu_dresden/fakultaeten/fakultaet_wirtschaftswissenschaf-ten/bwl/ee2/dateien/ordner_publikationen/wp_ge_10_freund_weigt_jeske_nodal_%20pricing_nw_europe.pdf

eine verstärkte Koordination von Angebot und Nachfrage auf regionaler Ebene notwendig. Die dezentral und fluktu-ierend einspeisenden Erneuerbaren verursachen maßgeblich diesen erhöhten Koordinationsbedarf – zugleich stellen sie aber auch ein wesentliches Hindernis für einfache Lösun-gen dar. Denn durch die schwankende Einspeisung ändert sich auch die Engpasssituation im Netz fortlaufend und Koordinationsmechanismen müssen nicht nur allgemein anwendbar sein, sondern auch flexibel auf die wechselnden Knappheitssituationen reagieren können. Dementsprechend sind regionale Marktplätze nur geeignet, wenn sie auch die lokale Netzsituation angemessen reflektieren. Wesentlich ist zudem, dass die regionalen Preise an die Preise des darüber liegenden Marktes gekoppelt sind. Insbesondere ist sicher-zustellen, dass die regionalen Preise den Preisen im über-geordneten Markt entsprechen, solange keine Netzengpässe auftreten.

Alternativ zu solchen regionalen Marktplätzen erschei-nen auch Koordinationsmechanismen, bei denen das Netz eine stärker koordinierende Rolle übernimmt, angemessen. Neben sogenannten Smart Contracts kann insbesondere ein flexibler, selektiver Engpass-Bepreisungsalgorithmus wie die vorgestellten engpassabhängigen Netzentgelte, entspre-chende Anreize zur dezentralen Koordination im Verteilnetz schaffen. Die Eingriffstiefe ist bei gleichzeitiger ökonomi-scher Effizienz begrenzt. Wie die konkrete Operationalisie-rung dieses Konzeptes erfolgen kann, so dass tatsächlich mit angemessenem Aufwand ausreichend Koordinationsanreize im Verteilnetz gesetzt werden, muss jedoch im Rahmen weitergehender Untersuchungen vertieft betrachtet werden.

Maßgeblich für die Effizienz sämtlicher Anreizmecha-nismen, auch für regionale Märkte, ist allerdings auch die Behandlung der meist dezentralen Einspeisung von EE. Die Beibehaltung des absoluten Einspeisevorrangs führt zu einer Entwicklung „vorbei am Markt“ und eliminiert viel Koordinationspotenzial. Ein relativer Einspeisevorrang ist hingegen aufgrund der sehr niedrigen variablen Kosten jedoch auch bei einer marktorientierten Einspeisung gege-ben. Dies wird sicherlich ein wichtiger Aspekt bei der anste-henden Reform der Förderung von EE sein.

Literatur

BMWi (2013) E-Energy: IKT-basiertes Energiesystem der Zukunft, abrufbar unter: http://www.bmwi.de/DE/Themen/Digitale-Welt/Internet-der-Energie/e-energy.html