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R egulierungs- und Reputationsdruck, Innovation und Strukturierung der SRI-Analyseprozesse sowie die Nachfrageentwicklung neuer Anlegergenerationen sprechen unwiderlegbar für die Entwicklung sozialverant- wortlicher Anlagen. Zu diesem Schluss kommt Angela de Wolff, Pionierin in diesem Sektor, in dem sie seit mehr als 15 Jahren tätig ist. Im folgenden Interview spricht sie über ihre SRI-Analyse. Investnews: Morningstar hat kürzlich die Einführung eines neuen SRI-Ratings für ca. 20 000 Fonds bekannt gegeben. Im Rahmen Ihrer Beratungstätigkeit haben Sie selbst neue Portfolio- Analysetools entwickelt, um die Nachhaltigkeit und die Qualität im Hinblick auf soziale und ökologische Verantwortung zu messen. Ihr Ziel ist es, „Zugang zu den besten Lösungen zu bieten, die der Sensibilität der Anleger möglichst optimal entsprechen“. Sie sind also besonders gut qualifiziert, um das Interesse am von Morningstar angebotenen, neuen Rating zu beurteilen. Wie analysieren Sie dieses? Angela de Wolff: Grundsätzlich begrüssen wir alle Initia- tiven, welche die Transparenz der Fonds verbessern und das Messen des Portfolio-Impacts erleichtern. Dank derartiger Ansätze verstehen die Anleger die Nachhaltigkeitsziele besser, wodurch immer mehr Anleger solche Ansätze wählen. Es ist aber auch riskant, zu vereinfachen. In diesem Fall ist das mit dem Risiko verbunden, dass man bestimmte Fonds- manager anderen vorzieht. Anlageentscheidungen sind nie binär, sondern beruhen auf zahlreichen Indikatoren sowie wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Hypothesen, die Entscheidungen beeinflussen und von Natur aus subjektiv sind. Diese Feststellung gilt für traditionelle Investitionen, bei denen der finanzielle Aspekt im Mittelpunkt steht, aber noch mehr für SRI, welche die Entscheidungen komplexer machen. Das Nachhaltigkeitsrating von Morningstar beruht jedoch auf einer einzigen Quelle: „Sustainanalytics“, ein Lieferant von (Environmental, Social und Governance). Man könnte ohne Weiteres denken, dass dieses Rating automatisch Fonds bevorzugt, die diese Quelle nutzen und die anderen Giganten wie Morningstar positionieren sich jetzt auch auf dem SRI-Ratingmarkt (Socially Responsible Investment). Das zeigt, wie wichtig es für die Anleger ist, nicht-finanzielle Kriterien zu bewerten. Mit Sicherheit handelt es sich hierbei um mehr als nur eine „Modeerscheinung“. Vom „Nice-to-have“ zum absoluten „Must“ 74

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Regulierungs- und Reputationsdruck, Innovation und Strukturierung der SRI-Analyseprozesse

sowie die Nachfrageentwicklung neuer Anlegergenerationen sprechen unwiderlegbar für die Entwicklung sozialverant-wortlicher Anlagen. Zu diesem Schluss kommt Angela de Wolff, Pionierin in diesem Sektor, in dem sie seit mehr als 15 Jahren tätig ist. Im folgenden Interview spricht sie über ihre SRI-Analyse.

Investnews: Morningstar hat kürzlich die Einführung eines neuen SRI-Ratings für ca. 20 000 Fonds bekannt gegeben. Im Rahmen Ihrer Beratungstätigkeit haben Sie selbst neue Portfolio-Analysetools entwickelt, um die Nachhaltigkeit und die Qualität im Hinblick auf soziale und ökologische Verantwortung zu messen. Ihr Ziel ist es, „Zugang zu den besten Lösungen zu bieten, die der Sensibilität der Anleger möglichst optimal entsprechen“. Sie sind also besonders gut qualifiziert, um das Interesse am von Morningstar angebotenen, neuen Rating zu beurteilen. Wie analysieren Sie dieses?Angela de Wolff: Grundsätzlich begrüssen wir alle Initia-tiven, welche die Transparenz der Fonds verbessern und das Messen des Portfolio-Impacts erleichtern. Dank derartiger Ansätze verstehen die Anleger die Nachhaltigkeitsziele besser, wodurch immer mehr Anleger solche Ansätze wählen. Es ist aber auch riskant, zu vereinfachen. In diesem Fall ist das mit dem Risiko verbunden, dass man bestimmte Fonds-manager anderen vorzieht. Anlageentscheidungen sind nie binär, sondern beruhen auf zahlreichen Indikatoren sowie wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Hypothesen, die Entscheidungen beeinflussen und von Natur aus subjektiv sind. Diese Feststellung gilt für traditionelle Investitionen, bei denen der finanzielle Aspekt im Mittelpunkt steht, aber noch mehr für SRI, welche die Entscheidungen komplexer machen.Das Nachhaltigkeitsrating von Morningstar beruht jedoch auf einer einzigen Quelle: „Sustainanalytics“, ein Lieferant von (Environmental, Social und Governance). Man könnte ohne Weiteres denken, dass dieses Rating automatisch Fonds bevorzugt, die diese Quelle nutzen und die anderen

Giganten wie Morningstar positionieren sich jetzt auch auf dem SRI-Ratingmarkt (Socially Responsible Investment). Das zeigt, wie wichtig es für die Anleger ist, nicht-finanzielle Kriterien zu bewerten. Mit Sicherheit handelt es sich hierbei um mehr als nur eine „Modeerscheinung“.

Vom „Nice-to-have“ zum absoluten „Must“

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N A C H H A L T I G E F I N A N Z E N

benachteiligt. Muss man daraus schliessen, dass nachhaltige Fonds „unvergleichbar“ sind?Nein, ich möchte nur betonen, wie schwierig der Vergleich ist. Unser Research hat gezeigt, dass die Quellen von ESG-Ratings im Hinblick auf das weltweite Unterneh-mensuniversum in mehr als 50 % der Fälle voneinander abweichen. So kann beispielsweise die UBS-Aktie nach Auffassung einer Ratingagentur an der Spitze einer Klasse stehen, während sie von einer anderen Ratingagentur als mittelmässig eingestuft wird. Dasselbe gilt selbst für grosse Werte wie BP oder Volkswagen, die je nach Perspektive der ESG-Analyse sehr unterschiedlich bewertet werden können.Um diese Fehler zu vermeiden, haben wir eine Methode entwickelt, die auf einem ESG-Rating mit mehreren Quellen basiert. Unser Modell zeigt den Marktkonsens bezüg-lich Nachhaltigkeit von mehr als 5000 Unternehmen und Staaten und bezieht ebenfalls die Streuung zwischen den Ratings ein. Damit können die Fonds untereinander effizient bewertet und vergleichen werden.Das ESG-Screening ist ein erster Schritt in Richtung Stan-dardisierung und Messbarkeit nachhaltiger Anlagen. Es ist nützlich und interessant, reicht aber nicht aus, um die Seriosität und globale Qualität nachhaltiger Fonds zu beurteilen. Um eine effizi-ente Fondsauswahl vorzunehmen und diese erste Information zu vervollständigen, ist eine Beurtei-lung des ESG-Bewertungs- und Research-Prozesses erforderlich.

Sie scheinen also perfekt für das bereits als „Überangebot“ qualifizierte Angebot an SRI-Fonds gerüstet zu sein? Wie sehen Sie als Spezialistin für die Analyse von SRI-Fonds diese Entwicklung? Man kann nicht von einem Überangebot sprechen. Das Angebot ist jedoch sehr diversifiziert. Es ist daher wichtig, über einen soliden Analyserahmen zu verfügen, um die angebotenen Ansätze, die von einem Ausschluss aus ethi-schen Gründen bis hin zu Impact Investing reichen, zu differenzieren. Andernfalls besteht das Risiko, dass sich Unternehmen durch Marketing- und PR-Massnahmen ein

„grünes“ Image verschaffen, das berühmte „Greenwashing“. Das beobachten wir übrigens bereits bei gewissen grossen Akteuren, welche die Prinzipien für verantwortungsvolles Investieren der Vereinten Nationen unterzeichnet haben. Ein solcher Ansatz kann nur zu Misserfolgen führen. Dies alleine schon deshalb, weil die Qualitätsvorgaben der angebotenen Vehikel sehr unterschiedlich sind. Das ist auch der Grund, warum es uns gibt. Unsere Experten sind in der Lage, die Bedürfnisse und Sensibilitäten der Kunden zu beurteilen und die für sie geeigneten nachhaltigen Lösungen auszuwählen.

Welche wesentlichen Wachstumsfaktoren gibt es auf der Nachfrageseite?Der Regulierungsdruck veranlasst immer mehr institutionelle Anleger dazu, sich mit einem SRI-Ansatz zu engagieren.

Ganz allgemein wird von ihnen verlangt, dass sie ihr Handeln und insbesondere ihre Investitionspolitik mit ihren Aussagen in Einklang bringen. Das haben wir am Beispiel der Bill and Melinda Gates Foundation gesehen, und – etwas näher bei uns – geriet auch die Schweizerische Nationalbank SNB unter Beschuss: Die Schweiz hat internationale Abkommen unterzeichnet, welche die Herstellung nicht-konventioneller Waffen untersagen. Eine Untersuchung der SNB-Investi-tionen zeigte aber, dass sie mehrere Titel amerikanischer Unternehmen hielt, die Waffen, Atombomben oder Streu-bomben herstellen. Solche Widersprüche werden immer weniger akzeptiert.Seitens der Privatinvestoren zeichnet sich eine neue Gene-ration ab, die sich für Nachhaltigkeitsfragen interessiert und in diesem Sektor Gelegenheiten sucht. Ich denke beispiels-weise an Tesla, die symbolhaft für die Bewegung „Leistung ohne CO2“ stehen.

Bisher war überwiegend von Aktieninvestitionen die Rede. Wie entwickelt sich die Nachfrage bei den Anleihen und anderen Anlagen?Das „Screening“ der Unternehmen gilt sowohl für Aktien

als auch für Anleihen. Allerdings kann sich angesichts des derzei-tigen Zinsniveaus ein Anleger, der in Obligationen investiert, die zusätz-lichen Kosten für eine SRI-Be-wertung kaum leisten. Anleger, welche die Anleihen aber direkt halten, hindert nichts daran, Titel

von Unternehmen mit gutem SRI-Rating zu bevorzugen. Bei den anderen Anlagen beobachten wir eine bemer-kenswerte Entwicklung, sowohl bei Immobilieninvestiti-onen, z. B. mittels nachhaltiger Immobilienfonds, als auch bei Private Equity, besonders in den Bereichen „Cleantech“, nachhaltige Infrastrukturen, Social Entrepreneurship oder Mikrofinanz.

Gemäss jüngst veröffentlichten Schätzungen bleibt die Schweiz bei SRI führend und verfügt auf diesem Gebiet noch über grosses Potenzial. Teilen Sie diesen Optimismus?Die Vergleichbarkeit, Rückverfolgbarkeit und Transpa-renz sind sicher die Voraussetzungen für eine nachhaltige, gewinnbringende Entwicklung der Finanzaktivitäten in der Schweiz. Dabei werden die Unternehmen national und inter-national Wettbewerbsvorteile haben, die diese Kriterien in alle Aktivitäten und Leistungen integrieren.

ANGELA DE WOLFF

Angela de Wolff ist seit 22 Jahren im Finanzsektor aktiv, davon 15 Jahre auf dem Gebiet nachhaltiger Anlagen. 2007 gründete sie Conser Invest, ein in nachhaltigen Finanzen tätiges Unternehmen, das sich spezifisch den SRI-Lösungen widmet. Sie war auch an der Gründung der Organisation Sustainable Finance Geneva beteiligt, die sie von 2008 bis 2011 präsidierte, und wo sie heute noch Vorstandsmitglied ist. Darüber hinaus ist A. de Wolff Verwaltungsratsmitglied der Genfer Kantonalbank BCGE und Vizepräsidentin von Swiss Sustainable Finance.

[ INSTITUTIONELLE ANLEGER MÜSSEN IHR HANDELN UND INSBESONDERE

IHRE INVESTITIONSPOLITIK AUF IHRE AUSSAGEN AUSRICHTEN, WEIL

WIDERSPRÜCHE IMMER WENIGER AKZEPTIERT WERDEN ]

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