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(Aus der Universit/~tsklinik ffir Ohren-, Nasen- und Halskrankheiten in Greifswald. [DirekLor: Prof. A. Linck].) InziSion oder Tonsillektomie? Ein Beitrag zur Behandlung der paratonsilliiren Abszesse. Von A. Linek, Greifswald. Mit 14 Textabbildungen. (Eingegangen am 23. April 1932.) Der le~zte grol3e Umsehwung in der Heilkunde ffir Ohren-, Nasen- und Halskrankheiten betraf unsere Erkenntnisse und Anschauungen fiber die Pathologie und Klinik der Gaumeumandeln. Die Wandlung vollzog sich auf einer lange und langsam vorbereiteten Grundlage ver- h/iltnism/~i~ig schnell. Wir lernten dabei die Gaumenmandeln als Krank- heitsobjekt yon ganz ver/inderten Gesiehtspunkten aus beurteilen und behandeln. Am sinnf/illigsten kommt der Umschwung zum Ausdruck in der weiten Verbreitung, welche die Anwendung der Tonsillektomie in der Therapie chronisch-entzfindlicher und funktioneller Gaumenmandelaffektionen gefunden hat, fiber Mle Hemmungen und Widerst/~nde hinweg, welche yon berufener und unberufener Seite diesem therapeutischen RadikMis- mus in den Weg gelegt wurden. Heute finden sieh gerade unter den Faeh/~rzten, welche sieh gegen eine weitgehende Anwendung der Ton- sfllektomie am liingsten und heftigsten str/iubten, ihre eifl'igsten Ver- fechter. Nut bei der Behandlung der akuten eitrigen Krankheitsvorg/~nge im Gaumenmandelgebiet hat die Tonsillektomie bisher nicht wesentlich an Boden gewonnen. Das gilt namentlich auch yon den Abszessen, welehe sieh im Ansehluf3 an akute Entzfindungssehfibe in den Gaumen- mandeln neben und hinter ihnen im Muskelbindegewebe des weiehen Gaumens und der seitliehen Raehenwand entwickeln. Diese paratonsill~ren Abszesse (die fibliche Bezeichnung ,,peritonsill/tr" kommt sinngem/~I~ diesen Abszei3bildungen nicht zu und sollte fallen gelassen werden) werden noch heute fast ausschliel~lich mit einfaehen Inzisionen behandelt. Nur vereinzelte Stimmen fordern, da~ aueh ffir sie die Tonsillektomie eingeffihrt werden sollte.

Inzision oder Tonsillektomie?

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Page 1: Inzision oder Tonsillektomie?

(Aus der Universit/~tsklinik ffir Ohren-, Nasen- und Halskrankheiten in Greifswald. [DirekLor: Prof. A. Linck].)

InziSion oder Tonsillektomie? Ein Beitrag zur Behandlung der paratonsilliiren Abszesse.

Von

A. Linek, Greifswald.

Mit 14 Textabbildungen.

(Eingegangen am 23. April 1932.)

Der le~zte grol3e Umsehwung in der Heilkunde ffir Ohren-, Nasen- und Halskrankheiten betraf unsere Erkenntnisse und Anschauungen fiber die Pathologie und Klinik der Gaumeumandeln. Die Wandlung vollzog sich auf einer lange und langsam vorbereiteten Grundlage ver- h/iltnism/~i~ig schnell. Wir lernten dabei die Gaumenmandeln als Krank- heitsobjekt yon ganz ver/inderten Gesiehtspunkten aus beurteilen und behandeln.

Am sinnf/illigsten kommt der Umschwung zum Ausdruck in der weiten Verbreitung, welche die Anwendung der Tonsillektomie in der Therapie chronisch-entzfindlicher und funktioneller Gaumenmandelaffektionen gefunden hat, fiber Mle Hemmungen und Widerst/~nde hinweg, welche yon berufener und unberufener Seite diesem therapeutischen RadikMis- mus in den Weg gelegt wurden. Heute finden sieh gerade unter den Faeh/~rzten, welche sieh gegen eine weitgehende Anwendung der Ton- sfllektomie am liingsten und heftigsten str/iubten, ihre eifl'igsten Ver- fechter. Nut bei der Behandlung der akuten eitrigen Krankheitsvorg/~nge im Gaumenmandelgebiet hat die Tonsillektomie bisher nicht wesentlich an Boden gewonnen. Das gilt namentlich auch yon den Abszessen, welehe sieh im Ansehluf3 an akute Entzfindungssehfibe in den Gaumen- mandeln neben und hinter ihnen im Muskelbindegewebe des weiehen Gaumens und der seitliehen Raehenwand entwickeln. Diese paratonsill~ren Abszesse (die fibliche Bezeichnung ,,peritonsill/tr" kommt sinngem/~I~ diesen Abszei3bildungen nicht zu und sollte fallen gelassen werden) werden noch heute fast ausschliel~lich mit einfaehen Inzisionen behandelt. Nur vereinzelte Stimmen fordern, da~ aueh ffir sie die Tonsillektomie eingeffihrt werden sollte.

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Der erste, der diese Forderung vertrat, war Winlder i Allerdings wollte er die Tonsillektomie, als zweekmal~ige und zuverlassige Methode fiir ausgiebige Entleerung, nur in den Fallen angewandt wissen, wo die Eiterung auf der H6he ihrer Entwicklung and geifung sich befand. Fiir das Friihstadium der paratonsillgren Entziindung lehnte er die Ton- sillektomie ab. Der Vorsehlag Winklers wurde seinerzeit in Amerika begeistert aufgenommen, wghrend es in Deutschland bei der Therapie paratonsillgrer Abszesse alles beim Alten blieb.

Erst im Jahre 1930 wurde von Levinger ~ die Tonsillektomie fiir die paratonsillgren Abszesse erneut in Vorsehlag gebraeht, allerdings ohne, dag der urspriingliche Trager des Gedar~kens auch nur mit einem Wort erwahnt wurde. Ein bemerkenswerter Untersehied gegeniiber Winklers Auffassung zeigte sich bei Levinger dadureh, dag er nicht nur die vor- geschrittenen, ausgereif~en Abszesse, sondern alle, aueh die frfiheren Entwieklungsstadien, als geeignet Iiir diese Behandlungsmethode an- sah. Er forderte dafiir aber grundsgtzlieh die Erhaltung des untereg Pols, well er dessen radikale Ausrottung fiir unn6tig und gefghrlich hielt.

Neuerdings hut dann Mathd a aus der K6nigsberger Ktinik eine Arbeit ver6ffentlicht, in weleher er den Wert der Tonsillektomie bei der Behand- lung paratonsillarer Abszesse auseinandersetzt.

Meine Erfahrungen mit dieser Behandlungsmethode reiehen in das Jahr 1927 zurfiek. Es handelte sieh fiir reich damMs - - noeh an der K6nigs- berger Klinik - - zun/iehst nur durum, zu zeigen, dub die Tonsillektomie bei paratonsillgren Abszessen im Gcunde genommen niehts anderes dar- stelle, als die durehaus folgeriehtige Weiterfiihrung der yon Kil l ian ein- gefiihrten und gerade wieder in der Literatur neu aufkommenden LSsung des oberen Pols. Datm aber, als ieh mieh erst yon der leiehten Dureh- fiihrbarkeit, Ungefghrliehkeit und besonderen Eignung dieser radikalen Methode in dem neuen Indikationsbereieh iiberzeugt und eine ent- spreehende Nodifikation der lokalen Betaubung gefunden ~md erprobt hatte, gelangte ieh alsbald zu ihrer grundsatzliehen Anwendung. I m Jahre 1928 fiihrte ieh die Tonsillektomie an meiner Klinik in Greifswald ein als die Methode der Wahl fiir die Behandlung aller paratonsillgren Abszesse.

Die Ausfiihrung der Operation gesehah stets in radikMer Form. Wit haben es also von vornherein abgelehnt, gewisse Teile der Tonsille zu sehonen, wie das Levinger mit dem unteren Pol vorgesehlagen hat. Seine Beseitigung lgl?t sieh ebenso gut durchfiihren wie bei gew6hnliehen Tonsillektomien und bringt, wie unsere Erfahrungen gezeigt haben,

Winkler: Dtsch. reed. Wschr. 1911, Nr 46, 2139. Levinger: Mtinch. reed. Wschr. 19g0, 1066.

a Math4: Arch, Ohrenheilk, 128, H. 3.

21"

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nicht die geringsten Schwierigkeiten und Gefahren fiir den postoperativen Verlauf mit sieh. Aueh sonst ist auf radikMe Beseitigung aller Tonsillen- teile besonders zu achten. Mi~unter, wenn der AbszeB einen Teil der Tonsille selbst mit zerwiihlt hat, ist das nicht ganz leieht durehfiihrbar, well die sorgf/~Itige Differenzierung und Isolierung des Tonsillengewebes yon der granulierenden AbszeBwand mit Sehwierigkeiten verbunden ist. In solchen F/tllen ist man oft genStigt, nach Beseitigung des Hauptteiles den Hintergrund des Abszesses und seine Rg~nder sorgf~ltig naeh Ton- sillenresten abzusuchen und sie st/iekweise zu entfernen. Von jedem zurfiekbleibenden Tonsillenrest kann sich ein Stumpf bilden, aus dem schwere Rezidive der paratonsill~ren Entzfindung und progressive Kern- plika~ionen hervorgehen k6nnen.

l~olizeileutnant W., 32 Jahre, ist wegen hgufiger Anginen mi~ wiederholten paratonsill/iren Entziindungen yon faeh/~i'zlblieher Sei~e tonsillektomidr~. 6 Mona~e sp/iter erkrankt er wieder an einer schweren linksseitigen Halsentzfindung, die yon vornherein mit hohem Fieber und schwerer Beeintri~chtigung des Allgemeinbefindens einhergeht. Deswegen wird er auf die inhere Station des Krankenhauses eingeliefert nnd auf Sepsis behandel~. Wegen Versohlimmerung seines Zustandes wird er mir zur Begu~aehtung vorgestellt. ~Bei der Untersuehung stelle ich eine Phlegmone der linken Tonsillengegend und des weiehen Gaumens lest. Letzterer is~ stark vorgew61bg und gedunsen. In der Mitre der entziindliehen Vorw61bung befindet sieh ein eingezogener Trieh~er, in welehem man deutlieh einen 6demat6sen Stumpf erkennt, der niehts anderes sein kann, als ein Tonsillenrest. ])ie Inzision ergibt einen grol3en Abszeg. Seine Entleerung bringt keine ]3esserung mit sich. Naeh 2 Tagen tritt ganz sehnell unter septisehem Zusammenbrueh der Exitus ein. Offenbar ist gerade mit dem Tonsillenrest ein ak~ionsf/ihiger Infektionsherd zuri~ekq~eblieben, yon dem aus sieh die progressive Phlegmone und Sepsis entwiekelt hatten.

Auf Grund unserer ausgezeiehneten Erfahrungen an etwa 75 F/~llen babe ieh dann sehon im September 1930 im gahmen eines Vortrages fiber ehronisehe Tonsillopathie auf der Versammhmg deutseher Natur- forseher und ~rzte in K6nigsberg 1 die Tonsillektomie ffir die paraton- sill/~ren Abszesse auf das dringendste empfohlen und in einem weiteren Vortrag, den ieh in der Greffswalder medizinisehen Gesetlsehaft fiber dies Behandlungsproblem hielt, habe ieh diese Nmpfehlungen wiederholt und eingehend begrfindet. Bei dieser Gelegenheit h~be ieh die AbszeBinzision der Tonsillektomie gegenfiber gestellt und die therapeutisehen Leistungen beider Met.hoden mi~einander vergliehen. ])as Ergebnis fal]te ieh dahin zusammen, dab bei paratonsill~tren Abszessen die Tonsillektomie nieht etw~ nur aueh m6glieh und neben der Inzision, gewissermaBen als deren radikale Abwandlung, zur Auswahl zu s~ellen sei; vielmehr sei sie Mlein dazu imstande, allen in Betraeht kommenden ther~peutisehen An- forderungen zu geniigen, und deshalb dazu berufen, die Inzision zu verdr/~ngen und grunds~tzlieh an deren Stelle zu treten. Zu dieser Erkenntnis gelangge ieh dadureh, dab ieh die Formulierung und Erffil- lung der Behandlungsaufgaben der besonderen pathologiseh-anatomisehen

1 Linck, A.: Z. Laryng. usw. ~1, H. 3/4, 342.

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and klinisehen Eigenart anpa6te, dutch welche sieh die paratonsill/iren Abszesse yon gewShnliehen Weiehteilabszessen anterseheiden.

Pathologiseh-anatomisch sind die paratonsill/iren Abszesse nieht, wie die gewShnliehen Weiehteilabszesse, yon geweblicher Bindung freie Eiterungen, die ffir sieh selbst bestehen und das dutch die eitrige Infektion betroffene Weichteilgebie~ einfaeh substituieren, sondern sie sind unfreie,/itiologiseh gekuppelte Fokalabszesse. Darunter sind solehe Abszesse zu verstehen, welehe aus einem weiter fortbestehenden eitrigen Herd (Fokus) hervorgehen und entweder yon ihm losgel6st irgendwo im Organismus auftreten (fernmetastatisehe Fokalabszesse) oder in enger geweblieher Bindung mit ihrem eitrigen Ausgangsherd entstehen und ver- bleiben (geweblieh gebundene, region/ire Fokalabszesse). Ob mit dem Fokus eng verbunden oder losgel6st und abseits gelegen, stets sind die t0okMabszesse ihrem Wesen naeh Teilerseheinungen eines zusammen- h/ingenden eitrig-entziindliehen Krankheitskomplexes, yon dem sie aueh als Behandlungsobjekt folgeriehtig nieht zu trennen sind.

Die paratonsill/iren Abszesse geh6ren zu den geweblich gebundenen, region/iren Fokalabszessen. Den angekuppelten Fokus bildet die Gaumen- mandel im Zustand einer ehronisehen Tonsillitis, bzw. ehronisehen Ton- sillopathie. Aus ihr gehen die Abszesse, mit oder ohne akute Exazerbation (akute Angina), hervor, das eine Mal als induzierte Entzfindtmg, welche dureh die bindegewebige Kapsel hindurehsehl/igt, das andere Mal als region/ire, lymphangitisehe oder thrombophlebitisehe Nahmetastase.

Auf diese Weise entstehen Abszesse yon sehr verschiedener Lokali- sation und Gr66e. Neben solehen Abszessen, welehe in kltrzer Zeit den ganzen Hintergrund der Gaumenmandeln unterhShlen, gibt es solehe, welehe nut eine ganz geringe Ausdehnung erreiehen. Manehe Abszesse befinden sieh hinter dem oberen Abschnitt, andere nehmen den Hinter- grund des unteren Pols ein. Mitunter sind sie ausgesproehen retro- tonsill/ir, in anderen F&llen mehr lateral lokalisiert.

Dutch diese Versehiedenheiten in der Lokalisation und Ausbreitung ist die in der Literatur vielfaeh vertretene Annahme widerlegt, dab die paratonsill/iren Abszesse dureh Sekretverhaltung und Entzfindung in der oberen Sehleimhauttasehe der Gaumenmandeln entstehen. Aber aueh sonst ist diese Annahme unhMtbar geworden naeh dem, was wir heute fiber das Wesen der ehronisehen Tonsillopathie wissen und fiber die Bedeutung, welehe ihr bei der Genese tonsillogener Komplikationen zukommt.

Nieht nur in der LokMisation und Gr6ge weisen die ]~a,ratonsill/iren Abszesse die verschiedensten Varianten auf, sondern aueh im Hinbliek auf Art und Charakter der Exsudation. In der I~egel handelt es sieh freilieh um eine mehr oder weniger reiehliehe, unter Druek stehende flfissige Eiter- bildung. Mitunter finder man aber in dem Entzfindungshohh'aum aueh festes, krfimeliges Exsudatgerinnsel mit sehmierigen oder speckigen

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Bel/~gen. Die Erreger sind haupts/~chlieh Streptokokken, hgmolytisehe oder anh/~molytisehe.

Eine besondere pathologiseh-anatomisehe Eigenart der paratonsill~ren Abszesse kommt dann noeh in ihrem Entwieklungsprogramm zum Aus. druek und in der Art, wie sie dabei uls Krankheitszustand ffir den Gesamt., organismus bedeutungsvoll werden kSnnen. Dabei sind folgende MSglich- keiten zn beriieksiehtigen:

1. Spontune Rfiekbildung im Anfangsstudium und in jeder weiteren Entwieklungsphase.

2. tleilung dutch spontanen gugeren Durehbrueh (fiber die Tonsille selbst oder fiber den weiehen Gaumen) oder kfinstliehe Entleerung.

3. Unvollkommene Heilung mit Fistelbildung (in der Tonsille oder vorderem Gaumenbogen).

4. Progressive Phlegmone, Lymphangitis, Thrombophlebitis mit Aus- gang in sekundgre Erseh6pfungssepsis bzw. in eine der t6dliehen Vor- stufen (pr/iseptisehe Meningitis, Peritonitis, Verblutung dutch Karotis- arrosion).

Von diesen vier M6gliehkeiten stellt nur die letztgenannte mit ihren t6dliehen Verlaufsvurianten einen tats/tehliehen endgfiltigen AbsehluB des Entwieklungsprogramms dur. Den Gegensatz dazu bietet die unvoll- kommene Heilung mit Fistelbildung. Hier handelt es sich unter allen Umst~i.nden nur um einen Ubergangszustand. Bei den versehiedenen Formen der Riiekbildung und Ausheilung kann man sieb dagegen niemals daruuf verlussen, dug mit ihnen dus Entwieklungsprogrumm nun aueh wirklieh erledigt ist. Vielmehr ist mit dem einmaligen Auftreten einer paratonsillgren Eiterung immer der Keim gelegt zu einer neuen entzandliehen Eruption. Auf dem ~rege, den sieh die gespeieherten bakteriellen Energien aus der krunken Tonsille heraus in die Naehbar- sehaft gebahnt haben, kSnnen sie immer wieder durehbreehen. Und es k6nnen in dem purutonsillgren Entz~ndungsherd keimfghige Bukterien- depots an Ort und Stelle yon dem Heilgewebe eingesehlossen zuriiekbleiben und sieh lunge aktionsfghig ei'halten (Abb. 1--4).

Die Bilder entstammen yon Tonsillen, die wegen danernder leiehter, rezidivieren- dot Fieberzust~nde tonsillektomiert warden, weit die Un~ersuohung andere Ursaehen des Krankheitszustandes niehfl butte naehweisen lassen. In dem einen t~all (Abb. 1 und 2) handelt es sich um einen 7j~hrigen Sohn eines Faehkollegen. Der PaOent war unter besonders soi\gf/iltiger Beobaohtung gewesen, und es waren wiederholfi Entztindungsschiibe an den Gaumenmandeln festgest.ellt worden. Paratonsill~re Versehlimmerungen hatten sich stets zuriiekgebildet. Die mikroskopisehe Unter- suehung deckte einen alten Entztindungsherd in einer Kal0selschwiele auf mit verschiedenen grbBeren und kleineren ruhenden Bakteriendepots.

In einem anderen F~lle (s. Abb: 3 und 4) w~r der P~gient ein junger M~nn, der wiederholte Nandelentziindungen und einmal vor Woehen schon eine p~ratonsiIl~re Eiterung geh~bt hatte, die yon selbst n~eh ~ugen durehgebroehen und abgeheilt w0~r. :Die mikroskopisehe LTntersuehung zeigte unmittelb~r an der Kapsel einen

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grSgeren Organisationsherd mi t massenhaft B~kterien in der Umgebung der Blut- gefgge.

Ein dritger Fall zeichnet sich aus dutch katas t rophalen Verlauf. Der betreffende Pa~., 32 Jahre, kam in die Poliklinik mit einem rechtsseitigen paraton- sill~rea Abszel~. Well er keine sonderlichen Beschwerden hat te , lehnte er die vor- geschlagene Operation (Tonsillektomie) ab. Nach 6 Wochen erscheint er wieder in schwerl~'ankem Zustande: Kal ter Schweil~ auf der Stirn, bliulich-fahle Gesichts- farbe, kleiner frequenCer Puls, beschleunigte mtihsame Atmnng. Zunge borkig,

Abb. 1. Abgeheilter p~r~toIlsill&rer Abszel~. Entziinctungsreste in tier I{gpselschwiele mit~ J~kteriennestern (schwache VergrOBerung).

trocken. Im I-I~lse ist t ro tz gen~uester Inspekt ion nichts , ~ber auch g~r nichts Abweichendes zu konst~tieren. Auf Befr~gen gibt er an, d~l~ er seinerzeit vom Kassen~rzt durch Abs~ugen ~n seiner rechten G~umenm~ndelentziindung beh~ndelt worden sei. D~durch sei der H~ls in wenigen Tugen ~uch ohne Operation vollst/~ndig gu~ geworden. Er h~be inzwischen uuch schon wieder gearbeitet. Seit 2 Tagen aber fiihle er sich sehr krunk, h~be SchiittelfrSste und hohes ~Seber. Sein Arzt babe ges~g~, ~m H~lse l ige es diesmul n icht ; er sei aber doch noch einm~l zur Unter- suchung gekommen, weil er sich so schlecht fiihle, Der klinische Ges~mteindxuck w~r der einer schweren Lungenentziindung. Die Lungenuntersuchung bes t i t ig te diesen Eindruck. ~ b e r beide Lungen f~nd sich D/impfung, Bronchi~l~tmen und klingendes krepitierendes Rasseln. Wenn ich nicht selbst seinerzeit den ~usgesprochenen p~r~tonsilliiren Abszefi gesehen hi~tte, wiirde ich unter diesen Umsti~nden bes t immt

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nur an eine doppelseitige krup6se Pneumonie gedaeht haben. So aber konnte ieh den Eindruek nicht loswerden, dal3 das Ganze eine vorgesehrittene tonsillogene IIffektion sein miisse.

Da nach Lage der Dinge eine spezial-ehirurgisehe Behandlung nieht mehr in Frage kam, lie6 ieh den Pa~ienten in der inneren Klinik aufnehmen. Dort starb er bereits in der Naeht. Die Autopsie ergab zahlreiehe, grol~e und kleine, jauehige metastatisehe Abszesse in beiden Lungen. Sonst land sich nichts. Die Jugularis war innen und auBen v011kommen intakt, ebenso die Vena Iaeialis. Nirgends war, trotz sorgf/~ltigen Suehens, ein Herd zu linden, der als Urslgrung fiir die Sepsis in Ansprueh genommen werden konnte. Die Autopsie sehiei1 mit der Diagnose:

Abb. 2. Abg'eheilter para?~onsillfirer Abszeg. Entzfindungsprozeg in der Kapselschwiele mit Bakterien. (Olimmersion.)

Kryptogenetisehe Septikopy~mie absehlieBen zu sollen. Sehliel31ieh wurde auf meinen besonderen Wunseh noeh die Jugularis bis in die kleinen zuffihrenden Venen auf der reehten Sei~e aufgesehnibten. Dabei land sieh in der Vena tonsillaris ein kleiner mil3farbener zerfallener Thrombus und daneben ein kleiner, etwa erbsen- groBer in Sehwarten eingesehlossener jauehiger AbszeB dieh~ neben der Tonsille. Damit war das t~tsel gel6st. Der parator~sillS~re Abszeg war seinerzeit vSllig aus- geheilt bis auf einen kleinen Entziindungsrest, von dem die progressive Thrombo- phlebitis und die Sepsis ausgegangen war. I-Igtte der Patient seinerzeit die yon uns vorgesehlagene wim/~re Tonsillektomie vornehmen lassen, wgre es bestimmt nieht zu der tSdliehen lnfektion gekommen.

Zu den aus solehen zurfiekgebliebenen aktionsf/~higen Entzi indungsi resten ents tehenden l~ezidiven gehSren meistens aueh diejenigen F/~lle, welehe naeh gewShnlichen Tonsi l lektomien nieht selten beobaehte t werden. I n den betreffenden Ver6ffentl iehungen werden die dann ent- s tehenden Ei te rungen und Phlegmonen fast immer auf Fehler der

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Ind ika t ionss te l lung (zu frfihes Operieren) oder auf teehnisehe Feh le r bei der Inf i l t ra t ionsans zurfickgefiihrt . I ch hal te das ffir einen grund- ss I r r t um. Nach meiner Ansicht dfirfte es sieh in den ~l lermeisten Fgl len bei derar t igen pos toper~t iven K o m p l i k a t i o n e n um die Neum~ni- fes ta t ion zurfickgebliebener paratonsi l l / i rer Entzf indungsres te handeln . Eine m6gliehst rasche und friihzeitige Tonsi l lektomie ira aku ten Frfih- s t ad ium paratonsill/~rer Entzf indungen ist die beste P rophy laxe gegen- fiber derar t igen unangenehmen pos toper~t iven Zuf/illen. I n dem yon der

Abb, 3. Durch spont~nen Durehbruch abgehei l ter paratonsi l l~rer AbszeI]. Organisat ions- herd an der JKapsel m i t B~kterien. (Schw~ehe VergrSi~erung.)

Bonner Kl in ik kfirzlich verSffenthchten Fa l l i s t meines Erach tens die pos topera t ive K o m p l i k a t i o n erst durch das wochenlange Zuwar ten erm5gl ieht worden. :dhnliches beobaeh te te ich selbst in frfiherer Zeit .

Frau F., 29 Jahre, leidet se~t Monaten an Halsschmerzen und unregelm/~l~igen Fiebersteigerungen. Da ihr k6rperhcher Zustand dadurch stark in Mitleidenschaft gezogen wird, wtinscht der Hausarzt eine spezial/~rztliche K1/~rung. Ieh finde bei der Untersuchung keine bemerkenswerten Ver/~nderungen im Halse, insbesondere keinen Unterschied zwischen rech%s und links. Die Guumenmandela sind zerkltiftet, stark reduziert. Die Umgebung ist auf beiden Seiten welch und eindriickbar. Unter diesen Umsti%nden glaube ich, den Herd in den Tonsillen allein vermuten zu diirfen, und schlage die Tonsillektomie vor. Die Operation wird dureh

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318 A. Linek:

Verwachsungen auf der linken Seite etwas erschwert. Die ersten Tage naeh der Operation bleibV die l~atientin fieberlos. Am 3. Tage zeigt sich leichte Temperatur- steigerung, die schon am 4. Tage zunimmt und 390 erreieht. Gleichzeitig klagt die Patientin fiber starke linksseitige Schluekschmerzen, die nach dem Ohr zu aus- strahlen, und fiber ]eichte Kieferklemme. Die Revision der Operationsw~nden ergibt auf der linken Seite eine leiehte Gedunsenheit und Vorbueklung der Operationswunde und ihrer Umgebung. Durch Punktion in den sehwieligen I-Iintergrund gelangt man in einen ttohlraum, aus dem stinkender Eiter in die Spritze hineinsehiel~t. Breite Inzision entleert einen etwa wallnul~grol]en tiefen Abszel]. Von d~ ab f la t ter Wund- verlauf und Heilung. Aueh hier wfirde man vielleieht annehmen wollen, da~ es

Abb, 4. Dutch spontanen Durchbruch abgcheilter paratonsill~ircr Absze~. Organisations- herd an der K~Dsel mit ]~kterien. ((~limmcrsion.)

sich um einen postoperativeu (durch Injektion entstandenen) Abszell handele, wghrend ieh iiberzeugt bin, dal~ er schon vorher bestanden hat als Entzfindungsres~ eines frfiheren unvollkommen geheilten paratonsill~ren Abszesses, der wegen seines Schwieligen Absehlusses bei der Tonsillektomie nicht mit freigeleg~ wurde. Durch seine postoperative Manifestation ermSglichte er rech~zei~ig seine sekund~ire Auf- findung und Entleerung.

Frau It., 29 Jahre, leide~ nach wiederholten, zum Teil recht schweren Hals- entziindungen seit Woehen s n unregelm~Bigen Fiebererscheinungen, welche trotz sorgfgltigsten Behandelns nicht beseitigt werden kSnnen, da man die Ursache nieht aufzufinden vermag. Die Patientin ist selu" stark herun~ergekommen. Bei der Konsultation stelle ich im I-Ialse einen gewShnlichen Befund an den Gaumen- mandeln lest. Weder an ihnen selbst, noch an der Umgebung laI~t sieh etwas

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Abweiehendes finden, was auf eine paratonsillgre Entzi indung hinweisen konnte. Da die Untersuchung aber aueh sonst im Ohren-Nasen-Halsgebiet keine Ursache ftir das Fieber naehweisen 1/~gt, sehlage ich die Tonsillektomie vor, in der Hoffnung auf diese Weise einen versteekten Infektionsherd aufdeeken und beseitigen zu k6nnen. Die Operation geht sehr glair vor sieh. Das M_andelbett ist vSllig frei, nu t auf der reehten Seite zeigen sieh stgrkere sehwartige Verwachsungen. Der t taus- arzt un te rn immt die weitere Beobaehtung, und seine Zwisehenberiehte lauten zungehst zufriedenstellend, Naeh 8 Tagen meldet er abet pl6tzlieh, dab es der Pa t ien t in sehleeht gehe; sie kSnne nieht sehlueken, es bestehe sehr starke Xiefer- klemme, das Fieber sei seit 3 Tagen wieder erhSht. Ich finde die Pa t ien t in in einem trostlosen Zustande. Die Inspekt ion des Mundes ist wegen starker Kieferklemme fast unm6glieh; t ro tzdem bemerkt man auf der reehten Seite eine starke phleg- monSse RStung und Sehwellung. AuBen finder sieh an der reehten t talsseite am hinteren Rande des Sternokleidomastoideus eine leiehte, etwas sehmerzhafte Resistenz. Hiernaeh bestand kein Zweifel, dab es sieh um eine progressive Hals- phlegmone, ausgehend yon dem rechten Tonsillengebiet, handeln miisse. Die Opera- t ion wurde noeh am selben Abend vorgenommen. Naeh Lage der Dinge kam nu t noeh eine Er6ffnung der Phlegmone yon augen in Frage. Dureh brei ten Sehni t t am hinteren Rande des Sternok[eidomastoideus wurde ein gugang nach der Tiefe zu gesehaffen. Im Bereieh der tiefen Nackennmskulatur gelangte man auf sehwartige, etwas verfs Verwaehsungen, die bereits einen pene t ran ten f0tiden Gerueh aus- str6mten. Naeh seharfer Durehtrennung dieser P la t te gelangte man in einen aus- gedehnten jauehigen AbszeB, weleher sich naeh oben his zur 8ehgdelbasis und naeh un ten etwa bis zur t t6he des Kehlkopfes erstreekte und naeh innen b i s zu dem Gaumenmandelgebiet reiehte, t~eim Abtas ten der Tiefe entleerte sieh zuerst massenhaft jauehiger Eiter und pl6tzlieh ein Sehwall dunklen ven6sen Blutes. Es gelang ohne Mtihe dutch Jodoformgazetamponade unter Leitung des Fingers die Blntung zu stillen nnd den AbszeB vSllig auszuftillen. Indessen war in dent Augenbliek, wo die ]~lutung eingetreten war, der Puls mit einem Sehlage klein and fadenf6rmig geworden. Er erholte sich nieht mehr, t rotz Xoehsglz und reichlieher Herzmittel. In der Naeht t r a t der Exitus ein, offenbar als Folge einer bei der Blutung aus der Vena jugularis eingetretenen Luftembolie (Autopsie verweigert).

Ieh halte es fiir ausgesehlossen, dug die Ursaehe dieser jauehigen Phlegmone dureh die bei der Tonsillektomie erfolgten Einspri tzungen verursacht wurde. Viel- mehr nehme ieh mit Best immthei t an, dug es sieh hier mn einen sehon lange be- stehenden, gegen die Tonsille sehwartig abgesehlossenen par~tonsillgren AbszeB gehandelt hat . Dureh ihn, und nieht nu t dureh Entzi indungsherde in der Tonsille, wurden die woehenlangen Fiebersteigerungen und die zunehmende Verelendung der Pa t ien t in bedingt. Bei der Spgttonsillektomie konnte er wegen Sehwielen- bildung nieht gleieh miter6ffnet werden, und seine v611ige lokale Symptomlosigkeit verhinderte eine gesonderte Aufdeckung und Entleerung nach der Tonsillektomie. Zwar w&re es aueh so noeh in letzter Stunde gehmgen, die Phlegmone zu beherrsehen und die Pat ient in zu retten, wenn nicht dutch den unglitekliehen Zufall der Jugu- larisbIutung nnd der Luftembolie beim Abtas ten der AbszeghShle der Heilplan durehkreuzt worden w~re. Der ganze sehwere und sehliefllieh traurig endende Krankhei tsverlauf wgre abet i iberhaupt vermieden worden, wenn seinerzeit der im Beginn wahrseheinlieh kliniseh naehweisbar gewesene paratonsill~re Abszeg im Fri ihstadium dutch Tonsillektomie beseitigt worden wgre, wo er noch nieht dutch Sehwielenbildung yon der Tonsille ab und naeh der Tiefe zu gedrgngt war.

B e i W i e d e r h o h m g e n p a r a t o n s i l l g r e r Abszes se h g n d e l t es s ich a lso

m e i s t e n s u m das A u f f l a e k e r n e ines s e h w e l e n d e n E n t z t i n d u n g s r e s t e s , d e r y o n e i n e m v o r h e r g e h e n d e n , , a u s g e h e i l t e n " A b s z e g z u r i i e k g e b l i e b e n ist .

N i c h t s e l t e n k o m m t es a u f d iese W e i s e z u e ine r f o r t l u u f e n d e n K e t t e y o n

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Rezidiven, die in 1/~ngeren Zwischenr~umen oder kurz hintereinander auftreten.

Jedes solcher Rezidive, das naeh erfolgter Heilung oder l~fiekbildung friiherer paratonsill~rer Abszesse yon neuem sich entwickelt, kann auf eine andere Linie des Entwicklungsprogramms abgedrs werden, dar- unter aueh auf die Bahn einer progressiven Phlegmone. Wenn sich solehe b5sartigen Komplikationen einer dekompensierten Tonsillopathie ent- wiekeln, so ist das im allgemeinen ein Beweis daftir, da6 mindestens

einmal eine paratonsill/~re eitrige Entziindung in mehr oder weniger vollkommener Ausbildung oder in abortiver Form vorausgegangen ist. Damit lassen sieh die paratonsil- 1/~ren Abszesse eharakterisieren als Vorl/~ufer und Sehrittmaeher der tonsillogenen Sepsis.

Die klinische Eigenart der para- tonsill/~ren Abszesse zeigt sieh in der grogen Versehiedenheit der Symptomatologie. Oft sind die klinisehen Erseheinungen stark ins Auge fallend und eharakteristiseh (objektiv: Fieber, Sebwellung, R6- tung, Verdr/~ngung des weiehen Gaumens und der Uvula, Hals- dr/isen, Kieferklemme, gaumige Spraehe, Speiehelflu6, stark belegte

Abb. 5a. Zunge ; subjek~iv : Sehmerzen beim Sehlucken, beim Sprechen, auch

nach dem Ohr ausstrahlend, Sehmerzhaftigkeit der Halsdriisen). In solehen F/tllen ist die Erkennung der Krankheitslage leieht und selbst- verst/~ndlieh (s. Abb. 5a).

Nieht selten fehlen aber die eharakteristischen Symptome v611ig. Sehwellung und Verdr/~ngungserseheinungen sind geringftigig oder gar nieht vorhanden. Das gleiche ist mit den Sehmerzen der Fall. Auf diese Weise kann der ganze Krankheitskomplex den Eindruek einer sieh 1/~nger bin- ziehenden Angina oder eines Rachenkatarrhs erweeken. Migunter bemerkt man nichts ~ls einen sehmalen, leieht gedunsenen roten Saum am Tonsillenrande, der Umschlagsfalte der Schleimhaut entspreehend, an sieh gar nieht auffallend und nur durch einen Vergleieh der anderen Seite noch eben erkennbar (Abb. 5b). Wieder in anderen F~llen betrifft die Verdr/ingung die Tonsille allein, w/~hrend die Umgebung gar keine Ver- /~nderungen aufweist, so dab es aussieht wie eine einfaehe Hyperplasie der Gaumenmandel. Wenn so/ehe geringftigigen VerAnderungen auf

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beiden Seiten sich l inden, und auf diese Weise die diagnostisehe Ver- wendung des Kontras tes fehlt, k6nnen sie vol lkommen iibersehen werden. SehlieBlieh k a n n es noeh vorkommen, daB paratonsill/tre Abszesse voll- st/indig maskiert sieh entwiekeln und fortbestehen. D a n n ist i iberhaupt niehts davon zu sehen und der ganze Krankhe i t skomplex maeh t sieh lokal i iberhaupt nieht und nur allgemein dureh unregelm/igige Fieber- steigerungen oder dureh die Ante i lnahme abseits gele- gener Organgebiete bemerk- bar. (Nieren, Gelenke.)

Ein seehsjithriges Kind wird mir vorgestellt, damit ieh die Ursaehe woehenlangen Fiebers aufkl~ren helfe. ])as Kind ist sehon -con den versehiedensten Arzten, darunter aueh von Inter- nisten und Piidiatern, erfolglos n~eh den verschiedensten Rich- tungen hin untersucht und be- handelt worden. In der hiesigen Kinderklinik soll nun ein iibriges zur tIeilung unternommen wer- den. Die sorgfiiltigste Unter- suehung ergibt keinen Anhalt fiir das Fieber, und so soll wegen einer leichten Naekensteifigkeit die Lumbalpunktion vorgenom- men werden. Vorher wird das Kind Inir noeh gezeigt. Aueh ich finde im 0hren-Nasen-Hals- gebiet niehts Bemerkenswertes und will schon die Untersuehung mit negativem Ergebnis ab- breehen, als mir eine gewisse ,,KloBigkeit" der Stimme beim Abb. 5b. Spreehen und Weinen auff/illt. Daraufhin sehe ieh mir das Kind noch einms1 genauer an und finde doeh einen g~nz geringen Untersehied in der WSlbung des weichen Gaumens und der Tonsillen. Die reehte Seite scheint etwas stiirker gew61bt zu sein, sonst ist 811es gleiehm~gig weieh und nichts yon R6tung zu sehen. Daraufhin sehlage ich die reehtsseitige Tonsillektomie vor. Bei der am n/~ehsten Tage vorgenommenen Operation wird ein etwa walnuBgroBer AbszeB hinter der reehten Gaumenmandel aufgedeekt und beseitigt. Von Stund an ist das Kind fieberfrei und gesund.

Was yon den Symptomen der paratonsi l ls Abszesse im engeren Sinne gilt, das trifft auch zu auf das klinische Verhal ten ihrer ganzen pathologisch-anatomischen Entwicklung. Hier liegen die diagnostischen Verh/~ltnisse sogar noch viel ungiinstiger. Nur in den F~llen, w o e s sich naeh dem lokMen t~efund offenkundig um eine miBgliickte, unvoll- kommene Ausheilung handel t (granulierende eiternde Fistel in der Tonsille oder im weichen Gaumen mi t dauernder oder schubweiser Ent leerung) ,

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oder um die Erscheinungen einer progressiven Phlegmone, die sigh unmittel- bar an den lokalen ProzeB anschliel~en, ist das Symptomenbild der weiteren Entwieklung in dem einen oder anderen Sinne klar und zuverD, ssig zu deuten. In allen Fgllen aber, wo die lokalen Entztindungsvorggnge, ohne

Abb. 6. Klciner paratonsi l l~rer lqesidualabszel] ohne lokale Symptome . (LupenvergrSBerung.)

grSbere Spuren zu hinterlassen, in spontaner Resolution oder nach spon- taner bzw. kiinstlicher Perforation sich zuriickbilden, ist die Beant- wortung der Frage, welchen Weg die Entwicklung des paratonsillgren Abszesses genommen hat, bzw. weiter nehmen wird, oft sehr schwierig oder auch ganz unm6glich. Ein fortschwelender Entziindungsherd kann sich jedem lokalen Nachweis entziehen. Deshalb l~l]t sich auch aus dem giinstigen Lokalbefund garnichts Sicheres entnehmen. Die tiefliegende

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Entzf indungsnarbe umsehliegt den Herd und deekt das ganze an der Oberfliiche zu, so daI3 augen von dem krankhaf ten ProzeB in der Tiefe nieht das geringste zu sehen ist. Derartige F&lle bieten lokal das Bild, als wenn hinter der Gaumenmande l alles in sehSnster Ordnung ware.

In dem Fall, yon dem Abb. 6 und 7 stammen, war die Tonsillektomie woehen- lung nach dem letzten akuten Entziindungsschub, der ganz yon selbst wieder

Abb. 7. Starke Vergr52erung mit reichlich Bakterien. (Der glciche Fall wie Abb. 6.)

ausgeheil~ war, wegen dauernder leichter ~alsbeschwerden und gelegentlicher l~'iebersgeigerungen ausgeftihrt worden. Bei" der klinisehen Untersuehung waren nieht die geringsgen lokalen Ver~nderungen an der betreffenden Tonsille wahr- nehmbar gewesen.

Trotzdem k a n n aueh bier die Lage diagnostiseh gekl~rt werden, wenn in Erg~nzung des niehtssagenden Lokalbefundes entspreehende Begleit- symptome im engen zeitliehen Zusammenhang mi t vorausgeg~ngenen entzt indl iehen Manifesta~ionen zur Verfiigung stehen: zur~ekbleibende sehmerzhafte, an- und absehwellende Halsdri isen un te r dem Kieferwinkel, unregelm/~l~ige Fiebersteigerungen, Auf t re ten yon Gelenk- und Nieren- affektionen. Nieht selten fehlen indessen aueh diese Beglei tsymptome, oder aber sie t re ten erst naeh l~ngeren Zwisehenr~umen auf, so dal3 m~n sie nieht

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ohne weiteres mit dem abgelaufenen paratonsillgren Absze6 in ursgchlichen Zusammenhang zu bringen vermag. Dann ist man lediglieh auf den triige- risehen negativen Lokalbefund angewiesen und k o m m t dadurch leicht in die Lage, eine v611ig abgesehlossene Heilung im paratonsill/iren Ent- ziindungsgebiet anzunehmen, wo es sich in Wirklichkeit nur um eine Scheinheilung handelt . Aus dieser klinischen Lage entwiekeln sieh dann jene Fglle, wo man dutch ein plStzliehes Hervor t re ten progressiver Ph]eg- monen im Halsgebiet iiberraseht wird, und jene anderen Fglle, die wegen unerklgrllcher Fiebersteigerungen mit oder ohne Organbeteiligung unter der nichtssagenden Diagnose ,,Sepsis" mit allen m6glichen internistisehen Mitteln und Einspri tzungen fruchtlos behandelt werden, bis sie an Erseh6pfungssepsis zugrunde gehen (kryptogenetische Septikopygmie oder Sepsis der verpa6ten Gelegenheiten).

Student G. ist vor 4 Wochen an doppelseitiger Halsentztindung erkrankt. Seitdem besteht dauernd Fieber, obwohl die ttalsentziindung sich in wenigen Tagen raseh zuriickgebildet hat. Wegen ,,Sepsis" wird der Patient weiter inter- nistisch mit Fiebermitteln und Einspritzungen behandelt. Im Hals wird inter- nistiseh trotz wiederholter Inspektion niehts Bemerkenswertes Iestgestellt. Sehlie6- lieh wird der Patient, sehon mit Lungenerseheinungen, meiner Klinik zugefiihrt. Hier fi~llt eine ganz geringe Randr6tung und Vorw61bung der reehten Gaumen- mandel auf. Die Tonsillektomie legt einen gr6geren Abszeg hinter der Gaumen- mandel frei. Bei der darauf noeh vorgenommenen Revision der groBen l-Ials- gefgge wird eine ausgedehnte Peri- und Endo-Thrombophlebitis der Jugularis interna festgestellt. Die Resektion lgBt sich noeh gerade im Gesunden durchftihren. In dem parapharyngealen Gewebsspalt kein Eiter. Am ngehsten Tage Exitus. Die Autopsie ergibt ausgedehnte metastatisehe Lungenabszesse. WAre der Patient uns sehon im Frtihstadium fiberwiesen und tonsillektomiert worden, so wgre das Unheil mit leiehter Mtihe abzuwenden gewesen.

Die Behandlungsau/gaben bei paratonsillgren Abszessen sind an sieh die gleiehen, wJe bei anderen Weiehteilabszessen. Das heigt, die Therapie 1/~uft darauf hinaus, den AbszeB aufzufinden, zu entleeren und so zu versorgen, dab eine zuverl/~ssige und endgiiitige Dauerheilung erzielt wird. Nur bringt es die besondere pathologiseh-anatomisehe und klinisehe Eigenart der paratonsillgren Abszesse mit sieh, dab die Durchfiihrung dieser therapeutischen Aufgaben aueh besondere Anforderungen an die ehirurgisehe Methodik stellt.

Ftir die Auffindung und EntIeerung paratonsill/~rer Abszesse gentigen die gebrguchlichen ehirurgisehen Methoden und Mittel, Punkt ion und Spaltung, nur in solchen Fgllen, wo es sich um groge ausgetragene und ausgereifte Abszesse handelt, die den oberen Pol iiberh6hen und seitlieh iiberlagern und eine reiehliehe Menge fltissigen, unter Druck stehenden Eiters enthMten. Ganz anders aber ]iegen die Verh/~ltnisse und Vor- bedingungen ffir die Therapie in den vielen Fgllen, wo der Abszel3 hinter der Gaumenmandel verborgen liegt und yon ihr wegen seiner besehr/~nkten Ausdehnung v611ig verdeekt wird. Hier ist das Bemiihen, dureh Punkt ion den Abszel3 zu finden und dureh Inzision zu er6ffnen und zu entleeren,

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meist fruchtlos. Auch bei wiederholten Versuchen quil l t b lo t immer Blur aus der Tiefe. Man pflegte sich bisher in solchen F/s dami t zu trdsten, dab noch kein riehtiger Abszeg vorhanden gewesen w/s sondern nur ein entziindliehes 0dem, und in den meisten F/illen semen der weitere Verlauf dieser A n n a h m e aueh recht zu geben, indem die En tz f indung all- m~hlich zuriickgeht. Und doch war die Annahme in der Regel falsch. Der AbszeB war dagewesen, aber nicht gefunden und nicht entleer$, u n d e r war nicht infolge, sondern trotz der ungent igenden chirurgischen MaBnahmen yon selbst zuriickgegangen:

Dasse]be gilt yon den eitrigen paratonsill/~ren Ph]egmonen, wo es sich n icht eigentlieh um dine freie, mi t flfissigem Eiter gef~llte Hdhle handel t , sondern wo der paratonsill/ire Gewebsraum yon sehmierigen speckigen Exsuda tmassen auseinandergedr/~ngt und e ingenommen wird. Auch hier hat man weder mi t der Punkt ionsspr i tze noeh mit dem SkMpell die MSgliehkeit, den sehuldigen Entz i indungsherd aufzudecken und zu erdffnen, bzw. m a n ha t keine Kontro]le dariiber, ob es gelungen ist oder nicht. Und eine Ent lee rung soleher Exsuda~massen ist auch durch die breiteste Spal tung nicht zu erreichen.

Alootheker A., 35 Jahre, wird in frtiher Morgenstunde yon seinem Ilausarzt selbst in die Klinik gebraeht, well sich sein Zustand in der Naeht bedenklieh ver- sehlimmert hat. Seit 10 Tagen leidet er im Ansehlug an doppelseitige Angina an einer linksseitigen paratonsill~ren Entzfindung. Eine Inzision hat keinen Eiter und nur eine voriibergehende Erleiehterung gebracht. Daraufhin wird in der Ann~hme, dab es sieh vielleicht um eine Diphtherie handeln k6nne, eine 8eruminjektion vorgenommen, aueh ohne jeden Erfolg. Die starke Versehlimmerung ist ganz loldtzlieh eingetreten, naehdem der Arzt noeh einmal versucht hat, durch eine Liiftung des oberen Pols, wo er einen beginnenden Durehbrueh vermutete, Er- leiehterung zu versehaffen. Der Patient macht bei der Aufnahme einen schwer- kranken Eindruek. Er kann nieht schlueken, nicht sprechen, seine Atmung ist behindert, so dal3 er nut halb aufreeht liegen kann. Der Pnls ist klein, frequent. Die Temperatur ist stark erh6ht (39,80). Im Hals ist die linke Gaumenmandel- p~rtie unf6rmig gedunsen. Die Zunge ist borkig, trocken. Bei sofortiger Tonsill- ektomie gelangt man in einen hinter der Gaumenmandel gelegenen Gewebshohlraum, der start Eiters einen miBfarbenen, grau-griinen, kriimligen Inhalt und Wandbelag aufweist. Die Gaumenmandel ist dutch den Hohlraum in groBer Ausdehnung abgehoben und 1/~gt sieh mit Leiehtigkeit total entfernen. Sehon im Laufe des Operationstages lytiseher Abfall der Temperatur und iiberraschende Besserung des Allgemeinbefindens. Pa, tient kann sehlucken und spreehen und frei atmen. Die Oloerationswunde ist anf~nglich mit graubraunen Bel/~gen bedeekt, die sich all- m/~hlich abstoflen. Der weitere Verlauf fiihrt zu einer glatten Heilung. tiler war es in letzter Stunde durch radikalen/)rtliehen Eingriff mSglieh, allen weiteren Kom- plikationsmdglichkeiten vorzubeugen und trotz der bedrohlichen Erseheinungen einen sehnellen giinstigen Ausgang zu erzielen.

Dieser Fall ist noch durch eine geminiszenz besonders interessant und lehrreieh, die dureh seine kasuis~isehe fJhnlichkeit mit einem frtiher erlebten Fall bei dem Hausarzt ausgeldst wurde und aueh dessen diesmalige Therapie beeinfluBte. (Di- phtherieverdacht und Seruminjektion.) Aueh damals hatte es sieh um einen Patienten mit paratonsill~rer Entziindung gehandelt, der wiederholt inzidiert worden war, ohne dal3 es gelang, aus dem phlegmonOsen Ioaratonsillgren Entziindungsgebiet

Archly f. Ohren-, Nasen- u. Kehlkopfhei lkunde . Bd. 131. 22

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Eider zu entleeren und den bedrohlichen Zust~nd zu beeiaflussen. SehlieBlieh hat~e man naeh 1/~ngerer fruchtloser Behandlung in dem Rachensekret Diphtheriebazillen naehweisen k6nnen und, im Geftihl sonstiger therapeutiseher Ohnmaeht, eine Serum- injektion vorgenommen, ohne Erfolg. Als der Patient sehlieBlieh unter dem Bilde der Sepsis zugrunde gegangen war, hatte man das Ganze fiir eine sep~isehe Dil?htherie gehalten. Natiirlieh war das auch damals, wie jetz~ dem betreffenden Arzt selbst dutch den Verlauf des gegenwgrtigen Falles Mar bewugt wurde, keine septische Diphtherie, sondern eine tonsillogene Ersch6pfungssepsis gewesen, die sich aus einem unbeherrscht gebliebenen paratonsillgren Abszeg entwickelt hatte und die ab- zuwenden gewesen wgre, wenn man den Patient rechtzeitig tonsillektomiert hgtte.

Gutsbesitzer W. erkrankte vor 12 Tagen an einer doppelseitigen Halsent- ztindung und im AnschluB daran an linksseitiger paratonsillgrer Phlegmone. Wieder- holte Inzisionen bringen keine Eiterentleerung und keine Besserung, sondern nut weitere Verschlimmerung mit Auftreten yon SchiittelfrSsten. Wegen Diphtheriever- dacht wird Serum eingespritzt. Keine Xnderung des Zustandes und Uberweisung in die Klinik. Im Halse zeigt sich mange Gedunsenheit und Schwellung des linken Gaumenmandelgebiets. Die etwas vorgedrgngte Gaumenmandel l~tgt noch einen konfluierenden Kryptenbelag erkennen. Der Puls ist klein und frequent, die Atmung etwas erschwert. Das Gesieht ist stark gestaut, blgulich fahl. Auf der Stirn steht kalter SehweiB, die Tempergtur betr~gt 37,20 (mittags 40o}. Sofortige Tonsillektomie (abends 7 Uhr). Nach LoslSsen des oberen Pols gelangt man in einen Hohlraum, dutch den der grSBte Teil der Gaumenmandel abgedr~ingt ist. Er enthglt keinen fliissigen Eiter, sondern grau-griinen migfarbenen kriimeligen Inhalt mit entsprechenden Wandbelttgen. Die totale Entfernung der Tonsille geht ohne Schwierigkeit vonstatten. Am n~ehsten Morgen ist das Xrankheitsbild unvergndert, sehwere, beschleunigte Atmung, frequenter Puls. Freilegung der 1-IalsgefaBe. Die Jugularis ist ~ugerlieh intakt und innen bluthaltig. Totalresektion. Nirgends Eiter. Nur einige matschige Halsdrtisen sind sichtbar. Im Laufe des Tages schneller Verfall, in der Naeht Exitus. Autopsie ergibt: l~berschwemmung der Lunge mit multiplen Metastasen. In diesem Falle hatte wiederum der durch frustrane Inzisionen herbeigefiihrte Zeitverlust die Katustrophe sich soweit vorbereiten lassen, dab sie nieht mehr abgewendet werden konnte. Naeh Lage der Dinge war der paratonsillgre AbszeB dureh Inzision iiberhaupt nicht zu beherrsehen. Eine friihzeitige Tonsillektomie h~tte eine glatte Heihmg ermSglicht.

Gegeniiber den vers teck ten para tons i l l a ren Abszessen, welche nur durch ganz geringffigige cntzi indl iche Anzeiehen in der la te ra len Rand- zone der Tonsille ihr Vorhandense in kund tun , miissen die gew6hnlichen chirurgischen Magnahmen zur Auff indung und En t lec rung ebenfalls versagen. Das kann m a n wohl mi t Sicherhei t behaupten , obwohl cs p rak t i sch noch nicht e rp rob t werden konnte . Denn solche Abszesse sind bisher a.uf diesem gew6hnlichen Wcge i ibe rhaup t noeh n icht Gegens tand ehirurgiseher Behandlung gewcsen, aus dcm einfaehen Grundc, well man sie h in ter solehen harmlosen Ver~inderungen gar n icht vermute te , und weft sie sich in der Regel denn auch zun~tchst yon sclbst wieder zuriick- zubi lden pflegtcn. E r s t wenn sic bei einem der folgenden, racist un- ausbMbl ichcn Rezidive sich zu eincr entsprechenden Gr6Be cnt- wickelten, wurden sic den gewShnliehcn chirurgisehen Behandlungs- mc thoden zuganglich. Dabe i pf legte dann al lcrdings auch s tets der I r r t u m mi t unterzulaufen, dab es sich um einen ErstabszeB gehandel t habe.

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Es unterliegt hiernaeh keinem Zweifel, dab der gebr/~uchliehen Methodik ein groger Teil der paratonsill/~ren Abszesse therapeutiseh unzug/~nglieh ist, und zwar gerade diejenigen, welehe dutch ihre t/~usehende Heilungsbereitschaft den Patienten und seinen Arzt irrefiihren und dureh ihr Verbleiben eine Quelle dauernder Gefahr bilden fiir Leben und Gesundheit des Erkrankten. Sehon aus diesem Grunde seheint es er- forderlieh, die ehirurgisehe Methodik so abzu/~ndern, dab sie in teehniseher Anp~ssung an die besondere Eigenart der paratonsill~ren Abszesse aueh diejenigen F/~lle in den Bereich therapeutiseher Wirksamkeit ein- bezieht, welehe bisher unbehandelt blieben. Die Unzul/~ngliehkeit der gebr~uchliehen Methodik wird uber noeh offenbarer, wenn mtm dgs Endziel der AbszeBtherapie ins Auge fast, welches in der Erlangung einer endgiiltigen und zuverl/~ssigen Dauerheilung zu bestehen hat.

Bei den gew6hnliehen Weichteilabszessen pflegt dies Ziel im Mlgemeinen allein sehon dureh die einfaehe Spaltung und Entleerung erreicht zu werden. Von praktiseher Wiehtigkeit ist dabei nut, dab man der Art, Gr6Be und Lokulisation der Eiterung entspreehend die Gr61~e des Ein- sehnitts riehtig bemil3t (S~iehinzision oder breite SpMtung) und in der Nachbehandlung den AbszeIl gen/igend offenzuhalten und zu drainieren versteht.

Bei den paratonsill/~ren Abszessen liegen die Verh/~ltnisse ganz anders. Wohl kann man naeh einer ausgiebigen Spaltung in den dieser Methode zng/~ngliehen F/~llen die gewiinsehte und m6gliehe therapeutisehe Beein- flussung der akuten Entziindungsvorg/~nge in mehr oder weniger kurzer Zeit eintreten sehen. Nur bet den ganz besonders ausgedehnten Abszessen ist es hier und da notwendig, noeh besondere Mittel der Offenhaltung und Drainage anzuwenden. Aber ein zuverl/~ssiger Weg, eine Dauerheilung zu erlangen, ist das nieht. Das zeigen die zuhh'eiehen Fs wo einmalige oder mehrmalige Rezidive sieh zeigen und wiederholte Operationen notwendig maehen, und die anderen F/~lle, wo naeh kurzen oder langen Zwisehen- r~umen im AnsehluB an die erfolgte ,,Heilung" entweder blitzartig pro- gressive Phlegmonen auftreten oder ein 1/~ngerer fieberhafter Krankheitszu- stand (mit oder ohne Nieren-, tterz- oder Gelenkbeteiligung) sieh entwiekelt.

Wenn man die pathologiseh-anatomisehe Eigenart der p~r~tonsill/~ren Abszesse bertieksiehtigt, so ist es ja aueh ganz natiirlieh, dab die Besei- tigung des akuten AbszeBst~diums allein omf die Dauer keine voll- kommene Gew/~hr zu geben vermag fiir eine Ausheilung des gesamten paratonsill/~ren Krankheitskomplexes, der seine Wurzel in einer kranken Tonsille hat (dekompensierte ehronisehe Tonsillopathie). Zwar lehrt die praktisehe Erfahrung in vielen F/~llen, dab die paratonsill/~ren Abszesse naeh einmMiger SpMtung niemMs wieder auftreten und die Patienten naeh dieser Riehtung him unbelgstigt bleiben. Es kommt aueh oft genug vor, dab bei AbszeBrezidiven die letzte Spaltung sehlieSlieh doeh zu

1 IAnck: Z, L~ryng. usw. 21, 342. 22*

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dem gewiinsehten Ziele der Ausheilung ffihrt. Diesen F~llen stehen abel" gegeniiber die zahlreiehen Beobachtungen des therapeu~ischen Migerfolges, und sie zeigen, welcher Gefahr aueh die zungehst giinstig verlaufenden F/~lle paratonsill/~rer Abszegbildung bis zur endgiiltigen Ausheilung aus- gesetzt sind.

Patient K., 19 Jahre, ist wegen reeidivierender paratonsill~rer Eiterung bereits dreimal aul3erhalb der Klinik mit Inzisionen behandelt. In sehwerkrankem Zust, ande wird er in die Xlinik eingeliefert. Die Tonsillektomie erOffnet rechts eirten groBen tiefliegenden Abszefi. Die Jugularis is~ frei, desgleichen die Vena facialis. Beide werden nach Unterbindung im Zusammenhang reseziert. Beim Aufsehneiden finder sit~h gegeniiber der Einmi~ndung der Vena faeialis auf der Intima der Jugul'~ris ein grau-gelblieh belegt.es linsengro6es Gesehwfir (mikroskopiseh: eitrig-fibrin6se Endophlebitis, keine BakLerien). Die Liiftung der tiefen parapharyngealen Gewebs- spMgen ergibt keinen Eiter. Die tiefen Weiehteile des Zungengrundes und die Umgebung der Submaxillaris lind Sublingualis sind mit multiplen kleinen Abszessen durehsetzt. ~ber beiden Lungen massenhaftes krepitierendes t~asseln. Am n/~ehsten Tage schneller Verfall, Exitus. Die Autopsie ergibt zahlreiehe metastatisehe Abszesse in den Lungen und noah weitere multiple Abszesse im Parotisgebiet. Aueh hier war under frustranen Inzisionen ein hoffnungstoser Zustand herbeigefiihrt, der dureh die friihzeitige Tonsillektomie zu verhfLten gewesen w/~re.

Sehwester Anneliese W. is~ wegen paratonsill/~rer AbszeBbildung bereits zweimal in zeitliehen Zwisehenr/~umen yon etwa 14 Tagen yon 2 versehiedenen Faeh~rzten inzidiert worden. Jedesmal hat sieh etwas Eiter entleert und der Zustand gebessert. Sie hat dann ihren Dienst vor kurzem wieder aufgenommen, aber ietzt ist eine neuerliehe Verschlimmerung eingetreten. Das Allgemeinbefinden ist nieht welter ges~frt. Es bes~ehen nut mM~ig starke Sehmerzen beim Spreehen und SeMueken. Temperatur 37,8 ~ Im Hals sieht man auf der reehten Seite den weiehen Gamnen leich~ vorgew61b~ und 5dematOs. Dureh Tonsillektomie wird ein m~tlig grol]er Abszeg er6ffnet rail reiehliehem, egwas blutigem Eiter. Glatter Wundverlauf, Heilung.

Die paratonsillgren Abszesse sind eben im g a h m e n der paghogene- tischen Zusammenh/~nge als akut-entziindliehe Durehbruehskomplikat ion eine Teilerseheinung der ehronisehen Tonsillopaghie und bilden als solehe ein Symptom der erfolgten Dekompensat ion im tonsillgren Entzfindungs- gebiet. Eine Behandlung, welehe dies Sym pt om allein beriieksichtigt und den Ausgangsherd, die ehronische Tonsillopathie, zuriiekl/~Bg, ist unvoll- kommen, weil sie die /~tiologisehe Komponente der Therapie auger aeht l~gt. Und die Behandlungsmethode, welche nieht aueh die Atiologisehe Komponente in die Therapie mig einzubeziehen vermag, ist eine unzuI/~ng- liehe Methode, und sie ist nieht imstande, die Gewg, hr ffir eine voll- kommene Ausheilung zu geben.

Auf Grund dieser Erfahrungen und, um die empfundene Liieke in der Therapie der paratonsill/~ren Abszesse auszufiillen, ist man ja denn aueh in unserem Spezialfach schon seit Jahren dazu iibergegangen, naeh er- folgger Abheilung der akuten paratonsitt/~ren Durehbruehskomplika~ion in angemessenem zeitliehen Abstand (mehrere Wochen oder Monate sparer) die Beseitigung des tonsill/~ren Ausgangsherdes und der vor- handenen gewebliehen ~bergangse tappen dureh radikale Tonsillektomie naehtr~glieh hinzuzuftigen. Damit is$ im Prinzip nieh~ nu t die Unrol l -

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kommenheit der bisherigen Methodik bei der Behandlung der paraton- sillgren Abszesse grundsgtzlich anerkannt, sondern aueh der Weg gewiesen, auf dem ihre Vervollkommnung erreieht werden kann.

In der Tat, das einzige Mittel, bei paratonsillgren Abszessen der rein symptomatischen Behandlung des gesamten Krankheitskomplexes auch die /ttiologischen Komponente hinzuzuf/igen, ist die Tonsillektomie. Auf diese Weise steht also heute nut noeh die ]?rage zur Diskussion, wann diese therapeutische Erggnzung vorzunehmen ist, ob es notwendig und zweekmgBig ist, die beiden sich erggnzenden Phasen der Therapie zeitlieh voneinander zu trennen, oder ob es nicht mSglieh und zweckmgBig wgre, beide Pliasen der Therapie, die symptomatisehe und die /~tiologisehe, in einem Eingriff zusammenzufassen. Das wfirde aber bedeuten, dub die Tonsillektomie bei paratonsillgren Abszessen sehon prim/~r im akuten Stadium vorgenommen werden miiBte, um gleiehzeitig den AbszeB auf- zufinden und zu entleeren und den urs~ehliehen Herd zu beseitigen.

Die M6gliehkeit dieses spezial-ehirurgisehen Vorgehens ist bereits erwiesen. Sehon heute verftigen mehrere Autoren fiber entspreehende Erfahrungen an insgesamt wohl mehreren 100 F~llen. Seit 1928, wo an meiner Klinik in Greifswald im ganzen 163 F~lle yon unkomp!izierter para- tonsill~rer Abszegbildung primgr im akuten Stadium tonsillektomiert wurden, ist bisher auch nieht bei einem einzigen Fall die aueh in faeh~rzt- lichen Kreisen beffirehtete Versehlimmerung des Zustandes dutch Entzfin- dungspropagation eingetreten. Das klinisehe und anatomisehe Bild der phlegmon6sen Entztindung war viehnehr stets mit einem Schlage beseitigt.

Damit diirfte das Vorurteil, dub dutch die prim&re Tonsillektomie nachteilige entztindliehe Versehlimmerungen in den Weichteilen des Halses herbeigeffihrt werden kSnnten, endgtiltig widerlegt sein. Die anatomisehen u liegen ja aueh bei den paratonsill/~ren Abszessen ffir eine radikale Therapie so gfinstig wie m6glieh. Und der Allgemein- ehirurg w/irde bei Blinddarmabszesse~ gewiG niemMs auf den Ged~nken der Zweizeitigkeit im ehirurgisehen Vorgehen verfallen sein, bzw. er wiirde bei anf/~nglieher Zweiteilung sehon l~ngst davon abgekommen und zu einer einzeitigen Operation fibergeg~ngen sein, wenn ebenso, wie beim paratonsill~ren Abszeg die Tonsille, auch der Wurmfortsatz auf dem Bauehh/3hlenabszeB wie ein kompakter Deekel augen aufs/~Be, und wenn der Eingrift start in der Bauehh6hle augen in den Weichteilen der Baueh- deeke sieh abspielte.

Was der allgemeinen Einf/ihrung der primgren Tonsillektomie bei paratonsill/tren Abszessen bislang im Wege stand, war abet nieht allein das Vorurteil der Entziindungspropagation, sondern aueh das Problem der Bet~ubung. Die allgemeine Narkose, die in Deutschland, im Gegen- satz zu Amerik~, aus triftigsten Griinden bei den Tonsillektomien fiber- haupt Ablehnung gefunden hatte, konnte bei der operativen Behandlung paratonsilli~rer Abszesse selbstverstgndlieh erst reeht nieht in Frage

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kommen. Und die bei Tonsi l lektonl ien sonst angewandte lokale Be tgubung muBte mi t l~ficksieht auf die eitr ige Affekt ion im Hin te rg rund der Ton- sille eine Einschrgnkung erfahren, die ihre Wi rkung zum Teil illu- soriseh Inaehte. Inzwischen sind aber Modif ikat ionen und Kombi - na t ionen in der Metbodik der lokalen Angsthesie e rdach t und angegeben worden, welche ihre Anwendung ungefghrl ieh und wi rkungsvo l l genug ges ta l ten lassen (s. unten).

Aueh fiber die ZweekmgBigkei t der p r imgren Tonsi l lektomie bei para tons i l lg rem Abszeg k a n n ein Zweifel heute n ieh t mehr bestehen, weft sieh ihre fiberlegene Leis tungsfghigkei t im Vergleich zu der Inzisions- behandlung naeh jeder R ieh tung hin erwiesen hat . Bei der Auff indung yon para tons i l lg ren Abszessen ist sie sehleehterdings untibertreffl ieh. Es g ib t kein Vorbeipunkt ie ren und kein Vorbeisehneiden mehr, was ffir die Patient, en immer nur eine unnStige Quglerei bedeute t und in der Regel aueh yon vers tg rk ten Beschwerden gefolgt ist. Vfl l ig vermieden werden aueh die E i te rverha l tungen , die bei Inzis ionen so leicht ein- t re ten und zu unangenehmen und a la rmierenden Rfiekfall- und Propa- gat ionserseheinungen fiihren. Denn Schwier igkei ten der Offenhal tung lind Dra inage sind eben bei der Tonsi l lektomie nieht mfgl ich, weil der paratonsil l / t re AbszeB als soleher naeh der Opera t ion einfaeh n ieht mehr da ist. I h m ist du tch die Besei t igung der Tonsille das ganze Wand- gebie t vorne und seitl ieh reseziert . Aus der HShle is t eine bre i t frei- l iegende granul ierende Gesehwtirsfl/tehe geworden.

Nur ausnahmsweise k o m m t es vor, dab dureh die Tonsillek~omie nieht gleieh der Abszeg in seiner T o t a h t g t aufgedeekt und besei t igt werden kann. Dann f inder man ihn aber unmi t t e lba r unger der du tch Tonsi l lektomie freigelegten Muskelpla t te . En tweder en tdeek t man ihn dabei du tch eine mehr oder weniger grebe in die Tiefe ff ihrende Zugangs- 6ffnung oder dureh Aussehen und Verhal ten des Muskelh in tergrundes und d~raufhin vorgenommenr Punkt ion .

Erna l~., 5 Jahre, ist wegen Fiebers und Schluckbeschwerden schon egwa 3 Wochen in Behandlung. In letzter Zeit haben die Schluckbeschwerden stark zugenommen und auch die Agmung is~ etwas behindert. Deshalb wird das Kind der Klinik iiberwiesen. Bei der Aufnahme sieht man auf der rechten Seite eine starke Ge- dunsenheit und Vorbucklung der Gaumenmandel und des weichen Gaumens. Die Gaumenmandel ist durch das Weichteilfdem fast vollkommen verdeokt. Tonsill- ektomie. Die Gaumenmandel lgBt sich gut aus schwartigen Verwachsungen isolieren und herausschglen. Nirgends kommg :Eiter zum Vorschein. Aber der freigelegte Tonsillenhintergrund drgngt sich mit ~teutlicher WSlbung vor. Die sofort angeschlossene Punktion entleert aus einer in der Muskulatur verborgenen AbszeBhShle rahmigen Eiter. Die Muskelplatte wird brei~ inzidiert und ein etwa walnuBgrol~er Abszeg erOffnet und entleert. Glatte Heilung.

Hans F., 3 Jahre, wird wegen rechtsseitiger paratonsillgrer Phlegmone in die Klinik gesehickt. Der behandelnde Arzt hat den AbszeB zweimal aufgemaeht, ohne dab der Zustand sich gebessert hat. Im ganzen dauert der Krankheitszustand bereits 14 Tage. Auf der rechten Seite ist die Gaumenmandelpartie gedunsen und VOlgew/51bt. Bei der Tonsillektomie wird nach Ablfsung der oberen TonsillenhMfte

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zwar ein Sehwall Eiters entleert, doch kommt man nicht wie sonst gleich in eine ein- heitliche, unmittelbar hinter der Tonsille gelegene AbszeBh6hle, vielmehr quillt der Niter aus einer zungchst noeh unfibersichtlichen Tiefe hervor. Nrst nach Been- digung der Tonsitlektomie erkennt m~n in dem Tonsillenhintergrund, in die Mus- kulatur des weiehen Gaumens tiefer hineingehend, eine 0ffnung, aus der immer noeh Niter hervorquillt. Dutch Nrweiterung des Zugangs mit der Tonsillensehere wird eine etwa walntlggrol~e Abszel3h6hle breit er6ffnet. Glatter I<eihmgsverlauf.

Patient Sch., 41 JMn'e, ist im AnschluB an Angina an einer paratonsill~ren Eiterung erkrankt und von dem behandelnden Faeharzt mit wiederholten Inzisionen behandelt. Dabei soll sich Eiter entleert haben. 2 Tage nach der letzten Inzision wire[ dann yon dem Facharzt wegen erneuter Verhaltung eine Nachspreizung der verklebten Wundr&nder mit der Kornzange vorgenommen. ])abei entleert sioh eine Menge ,,zersetzten Blares". Am Abend des gleiehen Tages Sehiittelfrost und ansteigende Temperatur his zu 40 ~ Auf Wunseh der Angehbrigen wird der Patient am ni~chsten Abend in meine Ktinik gebraeht. Nr macht einen schwerkranken Nin- druek. Schlueken und Spreehen dtu'ch Schmerzen st~rk behindert, leichte Kiefer- klemme, borkige Zunge, fame Gesichtsfarbe. Puls sehr frequent, Temperatur 37,2 ~ (gegen 400 Morgentemperatur). Im Halse ist die linke Gaumenmandelpartie unf6rm- lieh gedunsen and vorgebuekelt. I)ie Inzision ist total verquollen. Tonsillektomie. Nach L6sung des oberen Pols kommt man in einen m~Big grogen, mit fliissigem und geronnenem Blur angeffillten ttohlraum, durch welchen die Gaumenm~ndel -con dem Hintergrund abgedr&ngt ist. Keine Spur yon Niter. Nach Entfernung der Gaumenmandei sieht man, dub der seitliehe Hintergrund leieht vorgebuckelt er- seheint. Punktion. In die Spritze gelangen wenige Tropfen einer iibelrieehenden schmutzig grau-r6tlichen Fliissigkeit. Die glNche Fliissigkeit flief~t aus der Punktions- 6ffnung nach auSen. Dutch L~ngsinzision wird eine jauchige AbszeBh6Me erSffnet, aus der reiehlieh stinkende triibe miSfarbene Jauehe hervorstrSmt. Dureh quere Einkerbung der starren Inzisionsr~nder wird die tt6hle ganz breit zugi~ngig ge- maeht. Ihre W~nde zeigen grau-griinliche Bel&ge. Am n~chsten Tage ist Patient wie umgewandelt. Er fiihlt sich v611ig gesund, ist fieberfrei. Er kann essen, schlueken und sprechen. Die Temperatur bleibt normM. Der AbszeBgrund reinigt sich schnell. Nach I0 Tagen wird der Patient gesund entlassen.

Schmerzen a n d Schtuckbesehwerden sind naeh der AbszeBtonsi l lekto- mie in der g e g e l mi t einem Sehlage besei t igt . Der Wundsehmerz is t goringftigig odor gar n icht vorhanden. I n dieser Beziehung f inder sieh ein auffal lender Unterseh ied gegeniiber dem Befinden naeh gew6hnlicher Tonsi l lektomie, wo die Pa t ien ton naeh der Opera t ion noch tage lang t iber qu~lenden Wundsehmerz zu klagen haben.

Dis B lu tung aus dem Opera t ionsgebie t is t bei den pr im~ren AbszeB- tonsi l lektomien, im Gegensatz zu den Inzis ionen, e rs taunl ieh gering. So habe i c h in den vielen Fs der Tons i l lek tomie noch niemMs eine Un te rb indung oder Umsteehung n6t ig gehabt . Soll te aber gelegent l ieh doeh e inmal eino Blu tung bei der Opera t ion e in t re ten , so l~13t sie sich ohno Sehwier igkoi ten in dent f l~chenhaft frei l iegenden Wundge b i e t chirurgiseh beherrschen.

Die einzige Blutung, yon der m a n aueh bei einer Tonsi l lektomie im Augenbl ick t iberw~lt igt werden k6nnte , w~re die ~us einor a r rodier ten Karo t i s bzw. ~us einem ihrer gr6geren Aste . A b e t die wtirde sieh bei der Inz is ionsbehandlung in gen~u derselben bzw. sogar noch sehl immeren Weise auswirken mtissen. I eh mSchte n~mlich g lauben , dab m a n

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vergleichsweise dieser gef/~hrlichen S i tua t ion immerh in noch besser begeg- hen k6nnte , wenn man die Tonsille ausgiebig gelSst bzw. besei t igt hat , als wenn m a n ihr bei der Inzis ion in un~bsehbarer Tiefe be ikommen miigte . I m i ibrigen ist j~ gerade die grunds/i tzl iche Anwendung der Tonsi l lektomie auch im ~'r i ihst~dium der pamtons i l lg ren Abszesse da,s sicherste p rophy- l~ktische Mittel , um das E in t r e t en solcher ka t a s t ropha l e r Kompl i - ka t ionen, wie sie eine Arrosion der Karo t i s bzw. eines grSgeren Astes dureh die pamtonsi l l / i re E i te rung dars te l l t , zu verhil ten. Denn sie ent- wieke l t sieh bes t immt niemals im Beginn, sondern stets nur bei 1/inger daue rnden oder versehleppten, bzw. im Rtickfal l auf t re tenden para- tonsill/ tren Abszessen.

~)ber einen Fall, der diese urs~ehliehen Zusammenh/~nge zwisehen verschleppter paratonsilli~rer Abszel3bildung und t6dliehen Blutungen in geradezu ersehii~ternder Weise aufzeigt, beriehtet Walliezelc auf der 44. Tagung der siidostdeutschen Hals- Nasen-Ohren~rzte (26. 4. 31): Die 26j~hrige Patientin war veto 20.--26. 3. wegen eigriger Mandelentziindung stationer behandelt worden. Am 28. 3. kam sie yon neuem zur Aufnahme mit einem paratonsill/iren Abszel~, der am 29. 3. inzidier~ wurde und in kurzen Zwisehenr/iumen bei andauerndem Fieber Jmmer wieder ,,rezidivierte", so dab am 2.4., am I1.4. und sehlieBlieh noeh am 18.4. (ira ganzen aNo viermal) immer wieder inzidiert werden multte. Am 18.4. erfolgte naeh der Inzision sehlagartig eine profuse arterielle Blutung, weleher die Patientin in wenigen Minuten erlag. Die Autopsie ergab Ted dutch Verblutung aus walnuggrol~em Arrosionsaneurysma der Maxillaris interna, das in die Abszel3h6hle hinein dureh- gebroehen w~r.

In den folgenden Diskussionen wies Hinsberg auf /~hnliehe selbsterlebte Ver- blutungsfMle und auf die Ver6ffentliehung Lebrams hin, der 25 Fi~lle derartiger Ver- blutungen zusammengestellt hatge. Alle diese F~lle zeigen clas typisehe Bild w,r- sehleppter paratonsill/irer Abszesse, die sehlieBlich an Arrosionsverblutungen aus dem Carotisgebiet zugrunde gingen.

Mir selbst begegnete noeh in meiner K6nigsberger Zeit ein derartiger Fall, zu dem Jeh als Konsiliarus hinzugezogen wurde. Aueh hier handelte es sieh um einen versehleppten, spontan durehgebroehenen, fistelnden paratonsill~ren AbszeB. Schon mehrfaeh waren leiehte Blutungen aus der t~istel erfolgt. Mein dringender I~at, die Carotis zu unterbinden und im AnsehluB daran die Tonsillektomie vornehmen zu lassen, wurde nieht befolgt. Wenige Tage sp/~ter erlag der Patient einer letzten, diesmal t6dliehen Blutung.

Es unter l iegt ke inem Zweifel, dal3 alle diese F/~lle und die vielen die es sonst geben diirf te, dureh pr imgre Tonsi l lektomie auf die einfachste Weise zu heilen gewesen w/iren. Wenn etwas geeignet ist, die i iberlegene Leistungsf/i tf igkeit prim/irer Tonsi l lektomie bei par~tonsiI1/iren Abszessen zu beweisen, so sind es diese t ragischen F/ille t6dl ieher Arros ionsblu tung, welehe durch die unzul/~ngliche Inz is ionsbehandlung im wahrs ten Sinne des Wor t e s herangezi ieh te t wurden.

Kurz und gut, bei einer Gegeni ibers te l lung yon prim/irer Tonsill- ek tomie und Inzis ion zeigt es sieh, dug die Vortei le Und d a m i t die gr613ere Zweckm/iBigkeit unve rkennba r auf seiten der Tonsi l lektomie liegen. Dasselbe ist abe t der Fa l l , wenn m a n die pr im/ire Tonsi l lektomie der sekunds im In te rv~ l l erfolgenden Ausseh/i lung gegentiberstel l t .

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Schon in technischer Hinsicht ist es ein groler Unterschied, ob die Gaumenmandeln yon dem aufgelockerten, zum Teil unterhShlten Abszel~- hintergrund losgelSst oder aus mehr oder weniger alien derben Ver- waehsungsschwielen herausgearbe[tet werden m~ssen. Was im ersteren Fall nach Entleerung des Eiters schnell und leicht durehgefiihrt werden k~nn, verlangt im zweiten F~dl ein sorgf/~ltiges, miibevolles, zum Tell sogar nur mit dem seharfen Messer durchzufiihrendes Freipr~parieren, das durch Blutungen oft sehr behindert wird. Und w/~hrend bei der prim/~ren Tonsillektomie die Patienten nach der Operation so gut wie besehwerdefrei sind, miissen sie bei der sekunds Intervalltonsill- ektomie dieselben Schmerzen erdulden wie nach gewShnlicher Tonsill- ektomie. Vor allem aber bleibt die sekundgre Interva,lltonsillektomie stets eiae therapeutische Angelegenheit, die yon der entsprechenden Einsicht und dem guten Willen der Pgtienten abh/~ngig ist. Werm diese beiden subjektiven Faktoren versagen, so bleibt eben der wich- tige ~tiologische Teil der Therapie unerledigt. Der Arzt hat es also auf diese Weise gar nicht in der Hand, die Therapie bei paratonsill/~ren Abszessen so durchzufiihren, wie dgs seiner praktischen und wissen- sehaftliehen Einstellung entspricht, und die unvollkommene Dureh- ffihrung der Therapie wird ganz unberechtigterweise yon de~ Sehultern des verantwortlichen Arztes auf die Schultern des unverantwortliehen L~ien und subjektiv Le[dertden abgewglzt. Urtd schtiel~lieh: wer (iber- nimmt, selbst die Bereitwilligkeit des Patienten vorausgesetzt, die Ge- ws d~fiir, dab die sekund~re Intervalitonsillektomie noch zur rechten Zeit kommt, bevor aus dem unvollkommen behandelten Abszel] und der urs~ehliehen dekompensierten ehronisehen Tonsi[lopathie neue schwere akut-entztindliche Komplikationen entstehen ~. !

Nach diesen Feststellungen diirfte aueh der Vergleich zwischen prim~rer Tonsillektomie und der Inzisionsbehandlung mit sekund/~rer Tonsillektomie im Hinbliek ~uf die Beh~ndhmg der groi~en ~usgereiften Abszesse fraglos zugunsten der ersteren entsehieden sein. Die thera- peutische tSberlegenheit der primgren Tonsillektomie kommt abet vor allem noch darin zum Ausdruek, dal~ sie auch die exsudativen paraton- sill~ren Gewebsphlegmonen ohne fliissigen Eiter und auch die kleinen, abgelegenen, klinisch kaum noch zu erfassenden Abszesse der restlosen chirurgischen Beh~ndlung ersehliei~t, die sonst mit keiner ehirurgisehen Methodik aufzufinden und zu entleeren sind. J a sie erlaubt es sog~r, alle akuten Fglle zu operieren, welche eines paratonsills Entziindungs- fortschrittes verd/~chtig sind, und gestattet uns so, schon im Beginn derartiger tonsill/~rer Dekompensationen einzugreifen und jede MSglieh- keit eines Weiterschreitens in verh/~ngnisvoller Richtung kurzerhand abzuschneiden.

Patient B, wird mittags nach dem Essen eines Herings yon Schmerzen in der rechten Halssei~e befallen. Die Schmerzen nehmen rasch an In~ensit~t zu, Der

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Patient glaubt, dag er eine Gr~te versehluekt und sieh damit, verletzt, habe. I)er Arzt, den er konsultiert, glaubt das aueh und versueht die Gri~te zu entdeeken, was ihm abet nieht gelingt. Er sehiekt den Patienten deshalb zu einem ~'aeharzt. Dieser glaubt an die Gr~ten/itiologio der Erkrankung nieht, sondern h~lt das Ganze ftir eine progressive HMsentzfindung. Inzwisehen hat sieh der Zustand aueh bereits stark versehleehtert. Nieht nur, dab die Sehmerzen an Intensit~t zugenommen haben, auch die At,mung wird mehr und mehr behindert. Die Temperaturmesaung ergibt 39 ~ Am Sp~tnaehmittag desselben Tages, also etwa 5 Stunden naeh Krank- heitsbeginn, wird der Patient meiner Klinik zugeftihrt. Jetzt maeht der Patient bereits einen sehwerkranken Eindruek. Es besteht stridorSses At.men, fame leieht bl/tuliehe Gesiehtsfarbe, Sehlueken ist nut unter sehr starker Anstrengung und Sehmerzhaftigkeit m6glieh. Dabei sitzt Patient teilnahmslos da in ~,ornt~ber- geneigter Haltung, die ihm das Atmen etwas erleichtert. Die reehte Halsseite zeigt aul3en sehon bei leiehter Bertihrung eine augerordentlieh starke Sehmerzhaftigkeit. Im Halse sieht man auf der reehten Seite eine ganz geringe Sehwellung. Die sichtbare Ganmenmandeloberfl/~che ist hoehrot, etw~s gedunsen, mit bl/~ulieh- weil]en Beschl&gen. ]Nine streifige R6tung zieht sich Ms sehmales Band an der ~bergangsfalte der Schleimhaut seitw~rts und nach unt~n an dem vorderen Gaumen- bogen entlang. Mit dem Kehlkopfspiegel stellt man eine deutliche Sehwellung der seitliehen Raehenwand fest, die sieh nach dem Kehlkopf zu hinzieht. Die Valleeula ist 6dematOs ausgefttllt. Der Kehlkopfeingang ist yon der Seite and hinten durch einen 5dematOsen Wulst fiberlagert, welcher sich in das Kehlkopfinnere hineinzieht und in eine gleiehm~/?ige Versehwellung der wahren und falsehen Stimmb&nder auf beiden Seiten iibergeht. Nur noch ein kleines Lumen in der vorderen Kom- missur gestattet den Durchtritt der l~espirat.ionsluft.

Diagnose: foudroyante tonsillogene Phlegmone and Lymphangitis. PaI~,- laryngeales und endolarynge~les kollaterales Odem.

Tonsillektomie. Nach L6sung des oberen Pols flieBt trfibes dgnnfltissiges ~Exsudat aus dem Tonsillenhintergrnnd. Die weitere L6sung der Tonsille und ihre totale Entfernnng geht leieht vonstatten. Es gliiekt, die drohende Erstieknngs- gefahr, auf die alles ~'orbereitet ist, zu umgehen. I)a das Blutbild keine Links- verschiebung zeig~, wird yon jeder weiteren lViaBnahme abgesehen. Sehon wenige Stunden naeh der Operation bessert sieh die Atmung und das Gesamtbefinden des Patienten zusehends. Die Temperatur, die vor der Operation 39,8 ~ betrug, f/~llt sehnell auf 37,2 ~ Die Naeht verl/iuft ungestOrt. Am n&ehsten Tage kann der Patient, wieder gut at,men, spreehen nnd sehlueken, hat Appet,i~, nimmt, fliissige. und breiige Speisen zu sieh. Die Temperatur bleibt normal. Sehon am zweit~n Tage naeh der Operation ist das paralaryngeale and laryngeale 0dem bis auf wenige /~este versehwunden. 8 Tage naeh der Operation wird der Patient geheilt entlassen.

Mit Hilfe der Tonsillektomie ist also die Therapie bei paratonsi l lgren E n t z / i n d u n g e n aller Grade und aller Entwieklungsph~,sen, yore ersten Beginn bis zum ausgetragenen ausgereiften Zustande, vom kleinsten bis zum gr6Bten AbszeB, auf eine einheitliche und unbegrenzt leistungs- f/thige methodisehe Grundlage gestellt, welehe sieh der pathologiseh- ~natomischen und klinischen ~Eigenart dieser bonsillogenen Kompl ika t ion und ~llen sieh d~r~us ergebenden ther~peutischen Forderungen ngch jeder Rieh tung bin anzupassen vermag.

Die Indikation zur Tonsillektomie bei paratonsi l l~ren Abszessen is~ hier- nach mi t dem Augenblick gegeben, wo ein soleher Abszeg festgestellt ist oder der Verdaeht auf einen paratonsill/~ren Entz t indungsfor tsehr i t t aueh nur im geringsten gerechtfertigt erscheint. Jedes Stadium der paraton-

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sill//ren Entzfindung ist reif zur Tonsillektomie. Die Seheu vor der Friihoperation ist vSllig unberechtigt. I m Frifiastadium der Entziindung ist die Tonsillektomie genau so gut ausffihrbar und nfitzlich wie bei den ausgetragenen groBen Abszessen. Auch eine offenkundige Bereit- sehaft zur Rfiekbildnng darf nicht eine Gegenanzeige bilden. I m Gegenteil[ Gerade in solchen F~lien ist r~sches und entsehlossenes Zufassen yon grol3er Bedeutung. Dureh Abwarten und ZSgern gibt man hier die therapeutischen Triimpfe oft endgiiltig aus der Hand. Aueh sonst gibt es keine Gegenanzeige, nur unter Umsts vielleicht einen rein physisehen Hindernngsgrund. Das ist die vorgesehrittene Kieferklemme. Dutch sie k6nnte Mlerdings die Vornahme der Tonsill- ektomie bei Abszegbildung gelegentlieh unm6glieh gemaeht and die Riiekkehr zur einfaehen Inzision erzwungen werden.

Eine mEBige Kieferklemme, bei der der Mund noeh einigermaBen geSffnet werden kann, bildet kein Hindernis. Unsere Erfahrungen haben gezeigt, dub die Entleerung der Eiterh6hle gleieh im Beginn der Operation geniigt, um die Kieferklemme so welt zu beseitigen, dug der Zugang far die weiteren MaBnahmen der totalen Tonsillektomie ausreicht. Auf diese Weise haben wir aueh in den durch Kieferklemme ersehwerten Fs den Kreis der Indikationsstelhmg welter ziehen k6nnen, als es ~nf/~nglieh mSglieh zu sein sehien.

Auch das jugendliehe Alter bildet heute ffir uns bei paratonsills Ab- szessen keine Gegenanzeige mehr. Sonst stehe ieh allerdings immer noeh auf dem Standpunkt, dab die Tonsillektomie bei Kindern bis zum 12. oder 14. Lebensjahre nieht vorgenommen werden soil, wean nieht besondere Grtinde dazu zwingen. Als solehe erkenne ieh bei Kindern gew6hnliehe, nieht gehs lakun/~re Anginen nnd die lymphoiden Hyperplasien der Gaumenmandeln nieht an, obwohl ieh aueh sie fiir den Ausdruek der eingetretenen und sieh fortentwiekelnden tonsills Invo- lutionskrise und der beginnenden chronisehen Tonsillopathie ansehe. Abet ich glaube eben, dub die Kinder in diesem Alter ihre Tonsillen trotzdem zur Selbstfeiung noeh brauehen k6nnen und seheue reich deshalb, sie dieses Sehutzmittels ohne zwingenderen Grund zu berauben. Wenn sich abet bei dem Kinde ein paratonsill&rer Abszel~ entwiekelt hut, so ist das ein sieherer Beweis daffir, dub die betreffende Tonsille der in ihr auf- gespeieherten bakteriellen Energien lokal nieht mehr Herr zu werden vermag, und dub aueh die zentrMen Immunkr/~fte des Organismus ihren Durchbruch nieht mehr zu hindern verm6gen. Eine solehe TonsilIe muB aneh bei Kindern entfernt werden, wenn man den Organismus vor sps Gefahren ffir Leben und Gesundheit bewMlren will. Da es sieh ja meistens nut um einseitige Abszesse handelt, so bleibt dann immer noeh eine Tonsille fibrig, so dub das betreffende Kind doeh noeh fiber einen leistungsfs nieht paralysierten tonsills Sehutzappar~t verfiigt.

Wenn es sieh im Gegensatze dazu um im Alter welt vorgesehrittene

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Individuen handelt, um Patienten yon 70--80 Jahren, so wird man sieh freilieh yon Fall zu Fall iiberlegen miissen, ob es noch lohnt, eine Prophylaxe auf weitere Sieht der Indikationsstellung zugrunde zu legen und die Ton- sillektomie zur Beseitigung eines pgrabonsillaren Abszesses anzuwenden. Ieh habe reich jedenfalls einmal, trotz meiner sonstigen grundsatzliehen Einstellung bei einem paratonsillaren Abszeg, der eine Dame von 86 Jahren betraf, dazu entsehlossen, yon einer Tonsillektomie abzusehen und reich mit einer breiten Inzision zu begniigen.

])a es sieh in der Regel um einseitige Abszesse h~mdelt, is~ aueh die primate AbszeBtonsillektomie meist nur einseitig indiziert. Selbstver- st/indlieh ist es dabei, dab in Fallen yon doppelseitiger AbszeBbildung die Tonsillektomie auf beiden Seiten vorgenommen werden muB.

Eine andere Frage ist es, wie ma.n sieh zur Tonsillektomie der anderen Seite stellen sell, wenn hier die Umgebung und der Hintergrund der Ton- stile v611ig unverdachtig erseheint. Der Gedanke liegt jedenfalls nahe, ob man nieht aueh auf dieser Seite, wenn man sehon einmal beim Ton- sillektomieren ist, gleieh mit radikal operieren sell.

Zunaehst ist dazu zu sagen, dab m~n bei einseitig manifesten paraton- sillaren Abszessen noeh weniger wie sonst mit absoluter Sieherheit einen verborgenen paratonsillaren Entztindungsherd hinter der anderen Tonsille aussehliegen kann. Wir haben jedenfalls wiederhoIt in Fallen, we wit lediglieh zur vSllig sieheren Klarstellung auf beiden Seiten operiert haben, aueh anf der kliniseh an sieh unverds Seite kleine Abszesse aufdeeken und beseitigen kSnnen. Wiederholt ist es uns aueh passier~, dab wir in Fallen, we wit zunaehst nur auf der einen Seite einen para- tonsillaren Abszeg annehmen konnten und operierten, naeh wenigen Tagen aueh auf der anderen Seite einen AbszeB sehnell manifest werden sahen und operieren muflten.

Derartige diagnostisehe und therapeutisehe Korrekturen k6nnen allzu leieht vorkommen. Bei starkerem Hervortreten der paratonsillaren Entziindung auf der einen Seite ist es eben ganz besonders sehwer, einen zuverl/tssigen Magstab ffir die Beurteilung der anderen Seite zu gewinnen, und dutch den trfigerisehen VergMeh k6nnen Ver/~nderungen, die einem sonst noeh unter allen Umstanden auffallen wiirden, allzu Meht voll- kommen verdeekt werden. Ein gewisses Mil3trauen der anseheinend gesunden Seite gegeniiber ist a lso bei der Indikationsstellung stets bereehtigt. Darum wiirde eine grundsatzliehe Durehffihrung der doppel- seitigen TonsilIektomie bei seheinbar einseitigen paratonsill/tren Abszessen praktiseh aueh nut eine folgeriehtige und restlose Durehfiihrung der kurativen und prophylaktisehen Therapie gegeniiber allen weiteren M6gliehkeiten tonsillogener Komplikationen bedeuten, die bei para- tonsillaren Abszessen praktiseh in I{eehnung gesetzt werden mfissen.

Allerdings ist dabei wieder die Seheu zu fiberwinden, welehe dem Operieren in einem akut-infizierten Gebiet entgegensteht. Hier handelt

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es sich sogar darum, dab neben einer er6ffneten, wenn auch sofort operativ ver6deten AbszeBhShle eine ganz frisehe Wundfl/~ehe gesetzt werden soll. Offenbar ist abet aueh diese Scheu unbereehtigt. Unsere praktischen Erfahrungen haben jedenfMls gezeigt, dag in den F/tllen, wo entgegen unseren Erwartungen der Eingriff auf der anderen Seite tat- s~ehlieh nur auf die reine Tonsillektomie hinauslief, nicht die geringsten postoperativen Sehwierigkeiten entstanden. In der Mundh6hle mit ihrer dauernden Selbstreinigung und Selbstberieselung liegen offenbar die Verh~ltnisse derart, dag Beffirehtungen, die vielleieht sonst unter den gleiehen operativen Bedingungen fiberall zutreffen wiirden, gegenstandslos werden. Immerhin sind unsere Erfahrungen noch nicht derart, dag wit uns zu einer grunds/~tzliehen doppelseitigen Durchfiihrung der Tonsill- ektomie aueh bei klinisch mit Bestimmtheit anzunehmender Einseitigkeit der paratonsill/~ren Abszegbildung entschlossen haben und anderen emp- fehlen k6nnen. Ich m6ehte darum die Entwieklungsm6glichkeiten der Indikationsstellung naeh dieser Riehtung hin zun~ehst noch often lassen.

Um in dem angegebenen grogen Bereieh der chh'urgischen Anzeige- stellung die Tonsillektomie bei der Therapie der paratonsill/~ren Abszesse auf breiter Grundlage praktiseh durehzuffihren, bedarf es naturgem/~B der Mitarbeit yon seiten des Allgemeinpraktikers (Hausarztes). Denn er ist die Beratungsinstanz, bei der die meisten einschl~gigen F/~l]e zuerst zur Feststellung gelangen, und yon ihm hs es ab, ob er sie zur faehs RadikMoperation fiberweisenwilloder nicht. Indiesem Sinneist einPrimat der haus/~rztlichen Beratungsinstanz bei der Indikationsstellung fiir Ton- sillektomie etwas v611ig Selbstverst/~ndliehes, was sich aus dem natiir- lichen Vertrauensverh~ltnis zwisehen Arzt und Patienten ganz von selbst ergibt. Damit dies natfirliche Vorrecht abet auch richtig und verst/~ndnis- voll gehandhabt wird, ist es notwendig, die Mlgemein-~rztliehen Kreise weitestgehend fiber die pathologiseh-anatomisehe Bedeutung der para- tonsills Abszesse und der ehronischen Tonsillopathie aufzukl~ren. Denn nut so werden sie als vorberatende s Instanz bef~higt sein, den therapeutisehen Weft der Tonsillektomie bei der kurativen und prophylaktisehen Behandlung tonsillogener Komplikationen zu erkennen und diese Erkenntnis bei der Indikationsstellung gegenfiber paratonsill/~ren Abszessen zu verwerten.

Wenn eine derartige Aufkl/~rung erfolgreieh stattgefunden und durch Erweiterung der Erkenntnis zur erforderliehen Urteilsf~higkeit der Allgemeinpraktiker und Haus- ~rzte geftihrt hat, wird bei ihnen auch sonst die Indlkationsstellung zur Tonsill- ektomie in guten H~nden sein. Bis dahin aber ist es verfriiht, die Entseheidung dariiber, ob die Tonsillektomie angewandt werden soll oder nieht, grunds~tzlieh den Attgemeinpraktikern und Haus~rzten zu iiberlassen oder gar als Mleiniges, dem faeh/~rztliehen Urteil iibergeordnetes, Vorreeht fiir sie in Ansprueh zu nehmen, wie das 1930 auf dem Naturforseherkongreg bei der Diskussion zu dem Referat: ,,Chro- nische Tonsillits" Ascho/] getan hat, nattirlich unter dem starken Beifall der All- gemeinpraktiker. Ich glaube nicht, dag dureh eine solche verfriihte Forderung aus autoritativem Munde, durch welche die erst noch zu Belehrenden und Belehrung

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Suchenden zu Meistern und die natfirliehen Vertreter des Bestehenden, Alther- gebrachten zu l~iehtern fiber das Neue, Zukfinftige aufgerufen werden, der Boden geschaffen wird ffir eine wirkungsvolle und erfolgreiche Aufkl~rung und Mitarbeit. Im fibrigen wtirde eine derartige alleinige dominierende Bevorrechtung des Allgemein- praktikers bei der Indikationsstellung zur Tonsiliektomie der faktischen Verteilung der Verantwortung durehaus widerspreehen. Denn wer tr/~gt bier die Verantwortung ? Doch immer nur der Arzt, weleher ffir die Folgen des therapeutisehen Tuns und Lassens bis ins letzte einzustehen hat. Das aber ist niemals der Allgemeinpraktiker und ttausarzt, der die F/~lle yon ehroniseher Tonsillopathie, wenn sie dureh die Dekompensationen und Komplikationen die Gesundheit sichtbarlieh benachteiligen oder gar das Leben bedrohen, stets aus den H'~nden gibt, sondern der Faeharzt, der sie zu fibernehmen und den entseheidenden Endkampf durehzuffihren hat.

Zu einer planvollen Aufkl/~rung der Allgemeinpraktiker und ihrer Gewinnung fiir die Tonsillektomie bei paratonsill/~ren Abszessen gehSrt dann naturgem~6 aueh das entspreehende Beispiel der Fach/~rzte. Denn man kann von den Allgemeinpraktikern nicht erwarten, dal~ sie sich ftir die AbszeBtonsillektomie begeistern und die einsehlggigen F/~lle dem Faeharzt iiberweisen, wenn sie sehen, dag dieser selbst garnieht daran denkt, den erwarteten spezial-ehirurgisehen Eingriff aueh wirklich zur Anwendung zu bringen und sieh wie jeder andere AIlgemeinpraktiker mit der Inzision begnfigt. Der Faeharzt mug sieh also auch seinerseits therapeutisch umstellen und zur Tonsillektomie bei paratonsills Abszessen grunds/~tzlieh bekennen. Dag dies in nieht allzulanger Zeit der Fall sein wird, m6ehte ieh bei der therapeutischen l~berlegenheit dieser Operation nieht bezweifeln, zumal ihre Anwendung in den Hi~nden eines Spezialchirurgen, der mit der Tonsillektomie an sieh schon v611ig vertrant geworden ist, heutzutage nieht mehr die geringsten Sehwierig- keiten darbietet.

Die Methodik der Abszel3-Tonsillektomie gestaltet sich folgenderma6en: Die Vorbe~eitung des Patienten besteht darin, dal3 er eine halbe Stunde

vor der Operation eine Atropininjektion bekommt (1 mg subkutan). Bei sehws Patienten wird diese Injektion kombiniert mit Cardiazol, bei kri~ftigen Patienten kann man Pantopon (0,02) oder Morphium (0,01) hinzuftigen. AuBerdem wird durch fleiBiges Spfilen mit Wasserstoffsuper- oxyd eine grobe Ss der MundhShle und des Operationsgebietes herbeigefiihrt.

Die Bet~iubung erfolgt an meiner Klinik dureh Infiltration auf kombi- niertem Wege von auBen und yon innen mit Riieksieht darauf, dab neben Trigeminus auch der Glossopharyngeus einen groBen Teil der sensiblen Versorgung im Gaumenmandelgebiet und im Gebiete des weiehen Gaumens tibernimmt. Um an seine Verzweigungsgebiete am Zungengrunde unter Umgehung der Eiterung auf einfaehe Weise heran- zukommen, umspritzen wit den Gaumenmandelhilus von augen, indem wir eine lange dfinne Kaniile am Unterkieferwinkel einstechen und sehr/~ge bei seitwgrts geneigtem und entgegengesetzt gedrehtem Kopfe ziemlieh steil nach oben und medial in die Tiefe gehen (s. Abb. 8). Man

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wird, um an das zu umspritzende Gebiet heranzukommen, bei Leuten mig einem kurzen und dieken Halse tiefer zu gehen haben, als bei Patienten mit einem sehlanken und mageren Halse. Durch ~bung bekommt man leieht das Geffihl, wie weir man im Ein- ze]fM1 mit der Kaniile vorzu- dringen hat. Dann werden unter langsamem Zurtickziehen der Kaniile etw~ 5 cem der ~,~--1% Novokain-Adrenalin-L6sung de- poniert. Unter Umst~nden emp- fiehlt es sieh, naeh teilweisem Zurtiekziehen der Kanfile noeh einmal in einer leieht abweiehen- den I~iehtung vorzugehen und zu injizieren.

Die innere Injektion erfolgt an 4--5 versehiedenen Punkten in der unmittelbaren Umgebung der Tonsille. Dadureh wird das Ton- sillengebiet yon der Uvula bis herum zum Ansatz des Zungengrundes ganz oberfl/~chlieh infiltriert (s. Ab- bildung 9).

Naeh der Injektion wird der Patient hingelegt und sorgf~ltig be- obaehtet, gegebenenfalls unter An- wendung yon Iterzmitteln.

Die yon Mathd empfohlene Be- t~ubung ist eine reine, kombinierte Leistungsangsthesie, welche die Xste des 2. und 3. Trigeminus und den Glossopharyngeus yon aui3en zu er- fassen sueht. Den 2. Trigeminus sehaltet er aus dutch die yon Payr empfohlene Injektion yon der Mitre des oberen Joehbeinrandes. Den Glossopharyngeus faBt er, indem er mit der Nadel yon dem vorderen Rande des Proeessus mastoideus langs~m n~ch vorn oben 4--5 em Abb. 9. in die Tiefe geht bis auf den Con- dylus oeeipitalis. Hier wird dann die Nadel etwas weiter nach vorn geriehtet und die NovokMn-Adrenalinfliissigkeit deponiert. Den 3. Trige- minus beeinfluflt er, indem er die Nadel, die yon dem linken bzw.

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reehten Eckzahn aus gegen die Innenseite des rechten bzw. linken Processus coronoideus gefiihrt wird, in dem Trigonum retromolare ein- stieht und dann etwa 11/2 cm nach hinten gegen die Lingula gleiten 1/s wo man ein Depot von 2 ecru Novokainl6sung setzt.

Die Operation selbst erfolgt unter den gewohnten aseptisehen Kautelen. Sie beginnt mit einem bogenfSrmigen Schnitt, welcher etwas abseits yon der Schleimhautumschlagsfalte den weichen Gaumen am oberen Pol und der sei~lichen Partie entsprechend umschneidet, bis man in das sulzige 6demat6se Gewebe gelangt, das die Gaumenmandeln umschlieBt

Abb. 10. Abb. 11.

(s. Abb. 10). Wenn man in der riehtigenTiefe ist, hat man stets das Gefiihl eines gewissen Knirsehens beim Weiterschneiden. Das ist der Augenblick, wo man stumpf mit der Tonsillenschere in die Tiefe vorzugehen hat, unter AuslSsung des oberen Pols und der seitliehen Tonsillenkante. Fast immer kommt mail auf diese Weise alsbald in die AbszeBhShle, aus der sich dann der rahmige Eiter in einem Schwall entleert (Abb. l 1). Wenn kein fliissiger Eiter vorhanden ist, dann sieht man dureh den Zugang in die dunkle EntziindungshShle mit gelblich-griinen Reflexen. Mit der TonsillenfaBzunge wird der freie obere Pol ausgiebig gefaBt und nach vorne gezogen. Dureh kleine Seherensehnitte werden dann die noch iibriggebliebenen geweblichen Verbindungen yon dem Hinter- grund und den seitlichen Partien durchtrennt, bis die Tonsille nur noch mit dem unteren Pol an der Seitenwand und an dem seitlichen Zungengrund haftet (Abb. 12). Auch diese Verbindung wird durch Einkerben bis auf einen diinnen Stiel verschm/~lert, so dab auch eine

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totale Resektion im Gebiete des unteren Pols erm6glieht wird. Dureh Anlegen der Bri~ningsehen Schlinge und Abschntiren des verdfinnten Polstiels wird die g a n z e losgel6ste Tonsille reseziert (s. Abb. 13). Nach der Operation ist eine sorgfs Inspektion des nun freigelegten Tonsillenhintergrundes bzw. des bloI~liegenden Abszel~hintergrundes (s. Abb. 14) erforder]ieh, um etwa blutende Gef~13e zu fassen und zu unter- binden, und um nach etwa vorhandenen in die Tiefe ffihrenden und Eiter enthaltenden Nisehen und Zug~ngen zu suchen und diese gegebenenfalls zu erweitern und zu entleeren. Wenn der Tonsillenhintergrund keine

Abb. 12.

Absze[tbildung erkennen ls und die klinisehen Verhs t rotzdem auf das Vorhandensein einer paratonsill~ren Eiterung hinweisen, ist eine sorgf~tltige Inspektion besonders erforderlich und wichtig und dabei auf Vorw61bungen des I-Iintergrundes zu achten. Zutreffendenfalls ist eine Probepunktion notwendig. Ergibt sich Eiter, so ist die Muskel- plat te breit zu inzidieren.

Die Nachbehandlung erfordert keine besonderen Magnahmen auBer denen, die selbstverst~tndlich sind: Bettruhe, Hochlagerung, Eiskrawatte, Gurgeln. Da der Nachsehmerz im allgemeinen sehr geringffigig zu sein pflegt, ist die Anwendung yon schmerzstillenden Mitteln (Morphium, Aspirin) nur in AusnahmefMlen notwendig. Die Allgemeinbehandlung und Beobachtung richtet sich nach den j eweiligen besonderenVerhMtnissen.

Schluflbetrachtung: Durch die Literatur unseres Faches geht mit steigender Intensit~t der Kampf gegen die progressiven tonsillogenen Infektionen (,,postangin6se Sepsis" oder ,,Sepsis naeh Angina"). Den

Archly f. Ohren-, Nasen- u. Keh lkopfhe i lkunde . Bd. 13i . 23

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Gegenstand des Kampfes bilden hauptsgehlieh die vorgesehrittenen Stadien, welehe der tonsillogenen Erseh6pfungssepsis mehr oder weniger unmi~elbar vorausgehen. Die Wege wurden erforseht, welehe die Infektion in diesem Stadium zu nehmen pflegt, und die kurative Therapie wurde ausgearbeitet, um die Infektion durch grebe chirurgische Eingriffe zu umfassen und zum Stillstand zu bringeu.

Was sich dabei in den Ver6ffentlichungen widerspiegelt, sind zum Teil seh6ne operative Erfolge (Claus, Zanye, U//enorde), zum Teil Bekennt- nisse hoffnungsloser therapeutiseher Ohnm~eht gegen/iber einer Infektion,

2~bb. 13. A b b . 14.

welehe fast ~ussohlieBlieh junge, blfihende, krgftige Mensohen ~us bester Gesundheit jgh dah inra f f t .

Es ist mit Sieherheit anzunehmen, dab jene Fglle, welehe aus sehwerster Komplikation duroh .planvolles Operieren zur Heflung gebraeht werden konnten, zum allergrUgten Tell aueh zur VerSffen~liehung gelangten. {)ber die t6dlieh endenden, unbeherrseht gebliebenen Fglle wird dagegen, wie das immer so ist, im allgemeinen nioht viel beriehtet. Um so sohwerer wiegen die wenigen, in der Literatur ersehienenen thera- peutisehen Fehlsohlgge, hinter denen in Wirklichkeit eine erdrtiekende {)berzahl tSdlich verlaufener Fglle steht, yon denen jeder file sieh eine erschiitternde Spraehe hoffnungslosen Kampfes redet.

Trotzdem wird man die Bem/ihungen nicht aufgeben, Mittel und Wege zu finden, urn mehr und mehr such diese sehweren und sehwersten Fglle einer erfolgreiehen ehirurgisehen kurativen Therapie zu ersehliegen. Von grol]er Wiehtigkeit ist aber daneben, angesiehts der sehwer zu

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behandelnden Krankheitszust/inde und der Unsicherheit des Erfolges, der sorgf/iltigste Ausbau der Prophylaxe. Wir so]fen mit a]len Mitteln, durch systematische planvolle Bek/impfung der Ausgangsstadien, die Entwicklung jener progressiven tonsillogenen Komplikationen naeh M6glichkeit fiberhaupt zu verhindern suchen. Dazu ist, wie ich das schon seinerzeit in K6nigsberg im Rahmen meines Vortrages fiber chronische Tonsillopathie auseinandersetzte, die planm/s Einffihrung der Ton- sillektomie in allen F/~llen erforderlich, wo eine chronische Tonsillopathie durch irgendwelche Symptome die eintretende Dekompensation klinisch manifestiert.

Unter diesen Symptomenkomplexen bildet das Auftreten paraton- sills Abszesse stets das Signal besonderer und dringendster Gefahr. Wer diese Abszesse erfolgreieh bek/~mpft und in ihrem gesamten Ent- wieklungsprogramm radikal und endgfiltig ausschaltet, fiber alle anato- mischen Besonderheiten und alle klinischen Verschleierungen hinweg, der beseitigt damit die h/~ufigste und unmittelbarste Ursache der pro- gressiven tonsillogenen Phlegmonen iiberhaupt. Er behandelt diese schweren Komplikationen prophylaktisch und am sichersten an ihrem Ausgangspunkt und 16scht das Feuer im Entstehen aus, bevor es zu einem verheerenden Brand entfacht ist.

Das therapeutisehe Mittel hierzu hat uns Winkler mit der Absze$- tonsillektomie in die Hand gegeben. Wenn wir sie allgemein einffihren und riehtig, d .h . in allen Stadien paratonsill/~rer Entziindung radikal anwenden, so wird sic sieh therapeutiseh zum gr61~ten Segen auswirken, und sie wird viel blfihende Menschenleben mfihelos erhalten lassen, die sonst fiberhaupt nicht oder nur mit gro6em ehirurgischen Aufwand zu retten sind.

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