28
Bertelsmann Stiftung (Hrsg.) Lehrer unter Druck Arbeitsplatz Schule: zwischen Sokrates und Sozialarbeit

ISBN 978-3-89204-924-1 Lehrer unter Druckdownload.e-bookshelf.de/download/0000/0238/21/L-G-0000023821... · Redaktion: Dr. Thomas Orthmann, Agentur Annuntio, Hamburg ... Ein Interview

  • Upload
    doxuyen

  • View
    213

  • Download
    0

Embed Size (px)

Citation preview

Das Buch »Lehrer unter Druck« beschreibt differenziert und pra-xisnah die Situation eines ganzen Berufsstandes: der Lehrer. In einer reformbedürftigen Umgebung setzen sie den Bildungsauftrag von Schule tagtäglich um. Die Erwartungen, was sie dabei zu leis-ten haben, sind ebenso vielfältig wie hoch. Im Fokus von Medien, Öffentlichkeit und Politik sollen Lehrer ihre Schüler für eine mul-tikulturelle, globale und mobile Gesellschaft befähigen. Mitten im System Schule sind sie dabei die am leichtesten fassbaren Adressaten für Kritik von außen. Druck auf die Schule bedeutet deshalb immer auch Druck auf die Lehrer.

In der vorliegenden Publikation berichten Lehrer und Schul-leiter von ihren Erfahrungen innerhalb und außerhalb des Klassenzimmers. Bildungsexperten aus dem In- und Ausland zeigen mögliche Lösungsansätze für schulische Entwicklung in einer sich immer schneller wandelnden Gesellschaft. Schüler-, Eltern- und Gewerkschaftsvertreter formulieren ihre Sicht auf den gesamten Bildungssektor, in dem Unterrichtsmethoden ebenso wie Lehreraus- und -fortbildung schon lange nicht mehr den ver-änderten Anforderungen genügen.

www.bertelsmann-stiftung.de/verlag

ISBN 978-3-89204-924-1

Lehr

er u

nter

Dru

ck

Bertelsmann Stiftung (Hrsg.)

Lehrer unter DruckArbeitsplatz Schule: zwischen Sokrates und Sozialarbeit

924_Lehrer_Kock.indd 1-2 19.02.2007 14:08:27 Uhr

Bertelsmann Stiftung (Hrsg.)

Lehrer unter Druck

Arbeitsplatz Schule: zwischen Sokrates und Sozialarbeit

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in derDeutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Datensind im Internet unter http://dnb.d-nb.de abrufbar.

© 2010 E-Book-Ausgabe2. Auflage 2007© 2007 Verlag Bertelsmann Stiftung, GüterslohAlle Rechte vorbehaltenVerantwortlich: Christiane ReuschRedaktion: Dr. Thomas Orthmann, Agentur Annuntio, HamburgHerstellung: Sabine ReimannUmschlagabbildung: © Bertelsmann Stiftung/Veit Mette, BielefeldUmschlaggestaltung: Nadine HumannGesamtherstellung: Hans Kock Buch- und Offsetdruck GmbH, BielefeldISBN 978-3-86793-195-3

www.bertelsmann-stiftung.de/verlag

5

Inhalt

Lehrer unter Druck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7Johannes Meier

Vom Versagen zum Erfolg: Die Rolle der Schulinspektionenbei der Verbesserung von Schulen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17Timothy Key

Aktuelle Methoden der individuellen Leistungsfeststellungbei Lehrern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37Johan C. van Bruggen

Von der Last und der Lust, ein Lehrer zu sein . . . . . . . . . . . . . . . 79Katja Irle

Schulleiter als Dienstvorgesetzte von Lehrern . . . . . . . . . . . . . . . 97Hans-Günter Rolff

»Es reicht heute nicht mehr aus,nur intelligent organisiertes Wissen zu vermitteln« . . . . . . . . . . 125Ein Interview mit Claudia Langer

Lehrerbildung im Wandel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147Florian Buch und Detlef Müller-Böling

6

Inhalt

Schlechte Lehrer, schwierige Schüler –Woran die Schule wirklich leidet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171Jan-Martin Wiarda

Qualitätssicherung und die Motivation der Lehrkräfte . . . . . . 183Jürgen Oelkers

Rechtliche Reaktionen auf ineffizientes Lehrerverhalten . . . . . 209Helmut Schnellenbach

»Lehren und Erziehen sind untrennbarmiteinander verbunden« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239Ein Interview mit Ludwig Eckinger

»Ein guter Lehrer muss sich pädagogischüberflüssig machen« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247Ein Interview mit Heinz-Peter Meidinger

»In ihren Erziehungsvorstellungen ist dieGesellschaft nach wie vor gespalten« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257Ein Interview mit Marianne Demmer

Die Autoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269

7

Lehrer unter Druck

Die deutsche Schule ist reformbedürftig. Das ist nicht nur ein hin-länglich bekanntes Ergebnis aus internationalen Vergleichsstudienwie PISA. Die Notwendigkeit, Schule zu verändern und Schule zuverbessern, zeigt sich jeden Tag – im Unterricht, im Lehrerzimmerund nicht zuletzt in den Statistiken der Schulabbrecher sowie dernicht vermittelbaren Bewerber für Ausbildungsstellen.

Dort, wo Schüler heute für eine multikulturelle, globale und mo-bile Gesellschaft befähigt werden sollen, reicht es oftmals nicht malmehr für die Vermittlung grundlegendster Kenntnisse und Kom-petenzen. Klassen und Schulen mit hohem Migrationsanteil bildendabei nur einen Faktor, der erfolgreichen Unterricht erschwert undbisweilen vollständig verhindert. Zahlreiche Schüler verfügen übereinen persönlichen und familiären Erfahrungshintergrund, der denSchulalltag zum Teil stark belastet. Immer mehr Eltern überschrei-ben schließlich – zumeist aufgrund eigenen Unvermögens – ihrenErziehungsauftrag gleich ganz der Institution Schule.

Die Erwartungen, was Schule alles leisten soll, sind entspre-chend hoch und vielfältig. Und der Druck von außen nimmt zu.Medien zeigen Schule – bevorzugt in Sachen Missstände –, wie sieist, und deutlich seltener, wie sie idealerweise sein soll. Die Öffent-lichkeit verlangt nach Reformen und die Politik versucht zu reagie-ren, wobei die Diskussionen sich schnell in unproduktiven Debat-ten über Strukturänderungen festfahren.

8

Lehrer unter Druck

Doch ist es an dieser Stelle zu kurz gegriffen, allein in einer Re-form des Schulsystems die Lösung aller Probleme zu sehen. Dennmittendrin im »System Schule« oder der »Schule als Ganzem« ste-hen die Lehrer. Sie sind die »vor Ort« handelnden Personen, dieden Bildungsauftrag der Schule jeden Tag umsetzen. Sie sind dieam leichtesten fassbaren Adressaten für Kritik von außen. Druckauf die Schule bedeutet deshalb in der Regel auch Druck auf dieLehrer.

Grund genug, sich eingehender mit dem Beruf des Lehrers imKontext aktueller und zukünftiger Gesellschaftsbedingungen zubeschäftigen.

Ebenso wenig wie sich die Verhältnisse an einer Schule einfachauf eine andere Schule übertragen lassen, lässt sich die Unter-richtssituation eines Lehrers mit der eines anderen Lehrers verglei-chen. Zu unterschiedlich sind die fachlichen Voraussetzungen,individuellen Kompetenzen und persönlichen Einstellungen. Zuunterschiedlich ist die jeweilige Situation in der einzelnen Klasse.Es bedarf deshalb einer differenzierten Betrachtung, um zunächsteinmal festzustellen, ob wir in der Schule auch immer die richti-gen Personen an der richtigen Stelle haben.

Überlegungen dazu müssen bereits bei der Ausbildung zumLehrerberuf beginnen. Wie können wir zum Beispiel sicherstellen,dass nur die jungen Menschen sich im Studium und in der Praxiserfolgreich qualifizieren, die auch am besten dafür geeignet sind?Eine rein auf das Lehrfach bezogene, inhaltliche Kompetenzreicht hier bei Weitem nicht mehr aus. Doch wie soll – am bestenschon vor Studienbeginn – eine sinnvolle Auswahl von Interessen-ten und späteren Lehramtsanwärtern erfolgen? Auf welche Weisekann ihnen eine praxisnahe und praxisgerechte Ausbildungermöglicht werden?

Diese Fragen setzen sich im Schulalltag sowohl für Lehrer alsauch für Schulleiter fort. Sie müssen sich an dem Ort, an dem sieunseren Kindern Wissen, Kompetenzen und Werte als Grundlage

9

Lehrer unter Druck

für alle nachfolgenden Generationen vermitteln, auch auf sich ver-ändernde Gesellschaftsstrukturen und Anforderungen einstellenkönnen.

Welche Möglichkeiten der Fortbildung und des Kompetenz-erwerbs werden den Lehrern dafür geboten? Wie lassen sich be-rufliche Motivation und persönliches Engagement dauerhaft hoch-halten oder im Zweifel wieder aufbauen? Welche Unterstützungerfahren Lehrer, die ihre bisher noch nicht genutzten Potenzialeausbauen wollen; und wie geht Schule schließlich mit Lehrern um,die entweder bestimmte Leistungen verweigern oder gar nichtmehr in der Lage sind, notwendige Leistungen zu erbringen?

All dies sind nur wenige Facetten aus einem komplexen Berufs-umfeld, welches vor allen Dingen eines immer zu berücksichtigenhat: die darin handelnden Personen. Schulen sind keine uniformenProduktionsstätten, die am Ende normgerechte Werkstücke be-reitstellen. Schulen sind vielmehr geprägt durch die Vielfalt undUnterschiedlichkeit der an ihr beteiligten Menschen – ob Schullei-ter, Lehrer, Schüler oder Eltern. Das aber ist zugleich auch diegrößte Herausforderung der Institution Schule, und es ist derUmstand, aus dem für die Lehrer der meiste Druck resultiert.

Die vorliegende Publikation bringt die Vielfalt der an SchuleBeteiligten und die daraus resultierenden Konsequenzen für dieLehrer bereits durch die Auswahl der verschiedenen Autoren zumAusdruck. Sie beleuchtet die aktuelle Situation der Lehrer und desUmfelds Schule aus sehr unterschiedlichen Perspektiven – sei esaus Sicht von Schulleitern, Schulinspektoren, Gewerkschaftsver-tretern, Bildungsexperten, Schülern oder auch der Lehrer selbst.

Aus seiner langjährigen Berufspraxis als Schulinspektor inGroßbritannien berichtet zum Beispiel Timothy Key. Er erläutertnicht nur das dortige Inspektionssystem, welches im europäischenVergleich bereits eine lange Tradition hat, sondern stellt auch dar,welche Rolle der Schulinspektion bei der Verbesserung von Schulegrundsätzlich zukommt. Sein Beitrag beschreibt die Kriterien,

10

Lehrer unter Druck

nach denen englische Schulen bewertet werden, nennt kennzeich-nende Merkmale »schlechter« Schulen und arbeitet heraus, wasSchulen bei ihrer Verbesserung und Weiterentwicklung helfenkann.

Key zeigt auch eine Besonderheit im unmittelbaren Umfeld bri-tischer Schulen und Schulinspektionen auf. So stehen diese mitihren Ergebnissen und Leistungserfolgen im direkten Fokus derMedien. Sowohl regionale als auch überregionale Medien beob-achten fortlaufend den Leistungsstand einzelner Schulen, was eineenglische Kultur der Transparenz widerspiegelt. In seinen Schluss-folgerungen fasst Timothy Key schließlich zusammen, inwieweitDeutschland vom englischen Inspektionsmodell lernen kann.

Internationale Vergleiche zwischen Deutschland und anderenLändern zieht auch der niederländische Bildungsexperte Johan C.van Bruggen. Er befasst sich in seinem Beitrag mit einem sensiblenThema, das für Lehrer eng mit dem Gefühl des Drucks von außenverbunden ist: van Bruggen diskutiert aktuelle Methoden der indi-viduellen Leistungsfeststellung bei Lehrern.

Leistungskontrolle im schulischen Bereich ist ein Instrument,das zunächst die Schüler betrifft. Viele Lehrer fühlen sich interes-santerweise schon unter Druck gesetzt, wenn ihre eigenen Leis-tungen regelmäßig erfasst und bewertet werden sollen – was ineinem Lernumfeld eigentlich ein Paradoxon darstellt. Autor vanBruggen illustriert anhand eines Beispiels aus den Niederlanden,dass diese Form der Beurteilung aber durchaus im Interesse undvon Vorteil für jede einzelne Lehrkraft ist. So bietet sie den Leh-rern wichtige Orientierung im Hinblick auf ihre eigenen Stärkenund Schwächen sowie die damit verbundenen Entwicklungsmög-lichkeiten bzw. -anforderungen. Darüber hinaus liefert eine regel-mäßige Leistungsbestimmung die notwendige Grundlage zurErmittlung des Status quo schulischer Arbeit sowie zur Formulie-rung von Qualitätsstandards, Kompetenzanforderungen und Ent-wicklungszielen.

11

Lehrer unter Druck

Ein besonderes Augenmerk van Bruggens liegt auf den grund-legenden Kompetenzen, die für die Lehrerausbildung und denLehrerberuf definiert und gefordert werden. So stellt der Bil-dungsexperte verschiedene Kompetenzlisten aus den VereinigtenStaaten, Großbritannien sowie den Niederlanden vor und zeigtneben zahlreichen Parallelen auch interessante Besonderheitenauf, welche die Kompetenzanforderungen einzelner Länder aus-zeichnen.

Besonders für Schulleiter bedeuten die abschließenden Ausfüh-rungen van Bruggens einen zentralen Beitrag innerhalb der gesam-ten Publikation. Hier erläutert der Autor detailliert die verschie-denen Möglichkeiten, die ein Schulleiter zur individuellenLeistungsermittlung bei Lehrern zur Verfügung hat und welcheVor- und Nachteile mit diesen im Einzelnen verbunden sind.

Was aus der Lust am Lehrerberuf eine Last werden lässt,beleuchtet Katja Irle, Redakteurin der »Frankfurter Rundschau«.Sie lässt in ihrem Bericht verschiedene Lehrer zum Alltag und zuden gesellschaftlichen Bedingungen von Schule Stellung nehmenund führt auf, welche wissenschaftlichen Erkenntnisse zur Berufs-und Stresssituation bei Lehrkräften existieren.

Der Pauschalkritik und den Vorurteilen gegenüber Pädagogenversucht die Journalistin mit einem differenzierten Bild des Leh-rerberufes entgegenzutreten. Dabei bleiben Probleme auf Lehrer-seite bzw. mit einzelnen Lehrern aber nicht ungenannt, wie bei-spielsweise fehlende Kommunikationsbereitschaft oder mangelndeTeamfähigkeit bis hin zu gezieltem Mobbing im Lehrerzimmer.

Problemen mit Lehrern widmet sich auch BildungsforscherHans-Günter Rolff in seinem Kapitel über Schulleiter und ihrerRolle als Dienstvorgesetzte von Lehrern. Neben einer einführen-den Betrachtung ihrer Position in der Schule – und speziell imLehrerkollegium – diskutiert Rolff die unterschiedlichen Kom-petenzen, Pflichten und Befugnisse von Schulleitern. Er setzt diesein Beziehung zum weit verbreiteten beruflichen Selbstverständnis

12

Lehrer unter Druck

der Lehrer, wonach Lehrerkollegien weitestgehend hierarchiefreiund Lehrer sowie Schulleiter grundsätzlich gleichgestellt sind.Rolff macht deutlich, inwieweit aus diesem falschen »Kollegiali-tätsprinzip« sowie auch dem tabuisierten Umgang mit Unterschie-den zwischen einzelnen Lehrern Führungsdefizite und verpassteChancen zur Verbesserung von Schule resultieren.

Der Beitrag zeigt jedoch nicht nur bestehende Defizite undProblembereiche auf, sondern bietet auch Lösungsansätze, ins-besondere im Hinblick auf mögliche Führungsformen von Schul-leitern oder den konsequenten Umgang mit Defiziten bei Lehrern.

Der Alltag in der Schule wird am besten von Akteuren aus derSchule kommentiert. Karl-Heinz Heinemann, Fachjournalist fürBildungsthemen, hat sich deshalb mit Schulleiterin Claudia Lan-ger vom Freiherr-vom-Stein-Gymnasium in Bünde getroffen undsie interviewt. Seine Fragen berühren zahlreiche Themen aus derPraxis, die im vorliegenden Buch aus verschiedenen Perspektivenauch von den anderen Autoren angesprochen werden.

Dazu zählen ebenso die veränderten Bedingungen von Schuleund schulischer Arbeit über die letzten Jahre wie auch der Um-gang mit engagierten oder demotivierten und desinteressiertenKollegen. Heinemann fragt nach, wie eine Schulleiterin von heutesich das Schulsystem von morgen vorstellt und welche grundsätz-liche Haltung sie zu Themen wie »Personalführung«, »Leistungs-kontrolle«, »Arbeitszeitmodelle« oder aber »Qualitätsentwick-lung« in der Schule hat.

Wer beim Thema »Schulentwicklung« auf die Qualität derLehrer setzt und defizitäre Leistungen in der Schule eingrenzenwill, der muss auch dafür sorgen, dass im Lehramtsbereich dierichtigen Studierenden nachrücken. In direkter Folge müssendiese dann eine gute Ausbildung erhalten.

Die Sozialwissenschaftler Florian Buch und Detlef Müller-Bö-ling untersuchen und erörtern in ihrem Beitrag den aktuellenStand und die Entwicklungen im Bereich der Lehrerbildung. Sie

13

Lehrer unter Druck

befassen sich dabei ebenso mit der Studienstruktur wie auch mitder Organisation von Lehrerfortbildung. Dazu gehören neben derDefinition von Ausbildungsstandards auch die Zuordnung vonKompetenzen sowie die Einbindung von Fort- und Weiterbildungin den Berufsalltag von Lehrern. Buch und Müller-Böling beschlie-ßen ihr Kapitel mit der Diskussion um individuelle Eignungsfest-stellungen im Rahmen von Lehramtsstudium und Lehrerberuf.

Weitere schulische Erfahrungen aus erster Hand greift »Zeit«-Redakteur Jan-Martin Wiarda auf. In seinem Beitrag zum Alltagim Klassenzimmer kommen vor allem Eltern- und Schülervertre-ter zu Wort und berichten von manch befremdendem Ansatzpädagogischer Alltagsarbeit, wie er hinter einigen verschlossenenKlassentüren praktiziert wird. Wiarda knüpft an diesen Beispielenan und fragt auch hier, ob wir in der Schule mit den vorhandenenLehrern überhaupt die richtigen Personen haben? Ist eine General-schelte für den Berufsstand der Lehrer wirklich gerechtfertigt odersind es einzelne unbegabte und unmotivierte Pädagogen, die dasGesamtbild prägen?

Der Bericht illustriert dabei sowohl die Hilf- und Machtlosig-keit auf Seiten der Eltern und Schüler als auch die Erkenntnis, dassviele Lehrer häufig mit einem ähnlichen Gefühl der Ohnmachtihren Job ausüben. Auch Lehrer sind direkt von Inkompetenz undLeistungsdefiziten im Kollegenkreis betroffen, und Wiarda machtdeutlich, wie mühsam es für alle Akteure in der Schule ist, gegendas daraus resultierende Bild des unfähigen Pädagogen anzuge-hen.

Der tägliche Druck auf Lehrer – egal ob tatsächlich vorhandenoder nur persönlich empfunden – hat Folgen. Selbst Lehrer, dieengagiert ins Berufsleben starten, können unter den Bedingungendes zuweilen grauen Schulalltags langfristig ihre Motivation ver-lieren. Die Zahl der Lehrer mit physischen und psychischen Prob-lemen ist hoch. Immer weniger Lehrkräfte erreichen das regulärePensionsalter. Wie lassen sich Motivation und Leistungsbereit-

14

Lehrer unter Druck

schaft von Lehrern auch noch nach Jahrzehnten im Beruf aufrecht-erhalten oder zumindest wieder zurückgewinnen? Dieser Fragegeht der Erziehungswissenschaftler Jürgen Oelkers nach.

Wenn alle Bemühungen um einen guten Start ins Berufslebenlangfristig scheitern, Weiterbildungsmaßnahmen nicht greifen undInspektionen, Leistungsbeurteilungen oder Evaluationen nicht hel-fen, muss es in letzter Konsequenz Lösungen für den Fall geben,dass Lehrer entweder nicht willens oder aber nicht fähig sind, guteLeistungen zu erbringen. In welcher Form kann individuellem Leh-rerversagen jedoch angemessen und mit Aussicht auf Erfolg begeg-net werden? Welche rechtlichen Reaktionen auf Lehrerversagensind möglich und im Einzelfall notwendig?

Auf diese und weitere Fragen rund um die Leistungserbringungsowie Pflichterfüllung von Lehrkräften geht Rechtsexperte HelmutSchnellenbach in seinem Beitrag ein. Dabei erläutert er ebensoinnerschulische Instrumente zur Begegnung defizitären Verhaltenswie auch arbeitsrechtliche Folgen, die mit Leistungsverweigerungoder beständig unzureichender Leistung verbunden sind.

In drei Einzelinterviews der Journalistin Sybille Wilhelm schil-dern schließlich Verbands- und Gewerkschaftsvertreter ihre Sichtvon der beruflichen Situation der Lehrer. Wie wirkt sich ihrerMeinung nach der gesellschaftliche Wandel auf die allgemeineBerufssituation in der Schule aus? Was für Folgen hat dieser fürdie Lehrer und welche Unterstützung von außen erfahren sieinnerhalb einer sich auch verändernden Schule? Wie sehen dieGewerkschaften die Lehrerausbildung in der Zukunft? WelchenBeitrag leisten die Gewerkschaften zur Veränderung der Lehrer-professionalität? Welche Unterstützungs- und Anreizsysteme müs-sen geschaffen werden? Zu Wort kommen dabei Marianne Dem-mer, stellvertretende Vorsitzende der Gewerkschaft Erziehungund Wissenschaft (GEW), Ludwig Eckinger, Bundesvorsitzenderdes Verbandes Bildung und Erziehung (VBE), sowie Heinz-PeterMeidinger als Vorsitzender des Deutschen Philologenverbandes.

15

Lehrer unter Druck

Lehrer stehen seit jeher »an der Front« der Institution Schuleund müssen sich an den Leistungserfolgen ihrer Schüler messenlassen. Die damit verbundene Verantwortung der Lehrer ist nichtneu, ebenso wenig wie die mit dem Lehrerberuf verknüpftengrundsätzlichen Anforderungen. Das Buch räumt in diesem Zu-sammenhang entschieden mit dem Vorurteil auf, dass jedes neueInstrument zur Schul- und Lehrerentwicklung bzw. jede neue, denUmständen notwendigerweise angepasste Anforderung an denLehrerberuf gleich auch eine ungerechtfertigte Belastung undsomit Druck darstellt. Die Bildungsexperten differenzieren deut-lich, welche Veränderungen dringend notwendig sind und inwie-weit diese sogar eine Chance für die Lehrer sowie Schule als Gan-zes bedeuten.

Ein Bildungssystem, das auch in Zukunft den gesellschaftli-chen Anforderungen genügen will, muss schließlich die gleicheFlexibilität und Anpassungsfähigkeit zeigen, die es von seinenAkteuren (Schülern, Lehrern usw.) erwartet. Das gilt insbesonderefür die Bereiche Lehrerausbildung und -fortbildung. Denn nurhier können gesellschaftliche Veränderungen und Anforderungenaufgenommen, bildungsrelevant adaptiert und nachfolgend auchin den Berufsalltag von Lehrern integriert werden.

Durch Positivbeispiele aus anderen Ländern illustriert dasBuch, welche dauerhaften Erfolge durch unterschiedliche Metho-den und Instrumente zur Qualitätsverbesserung und Schulent-wicklung erzielt werden können. Somit bietet es eine Motivationfür alle an Schule Beteiligten, die ihr Engagement oder auch ihreanfängliche Begeisterung erhalten haben. Den anderen, die ihreinnere Kündigung bereits ausgesprochen haben bzw. die nur nochihre Zeit bis zur Frühpensionierung absitzen, führt es vor Augen,dass für sie in einer Schule von heute – und erst recht in einerSchule von morgen – kein Platz mehr sein kann.

Lehrer müssen also ihre Scheu oder Distanz gegenüber neuenbzw. bisher noch nicht angewendeten Anforderungen und Metho-

16

Lehrer unter Druck

den ablegen. So sind zum Beispiel Leistungskontrollen und Eva-luation als Instrumente individueller und systemischer Qualitäts-entwicklung auch Bestandteile zahlloser weiterer Berufe, undauch dort erstrecken sie sich über alle Hierarchieebenen.

Last but not least: Defizite im System bzw. in der InstitutionSchule können von Lehrern allein weder aufgefangen noch kom-pensiert werden. Dieser Punkt wird häufig übersehen, wennEltern oder Medienvertreter individuelles oder kollektives Schü-lerversagen bei den vermeintlich »zuständigen« Lehrern reklamie-ren. Umgekehrt stehen einzelne Lehrer oder einzelne Schulennicht für das ganze Bildungssystem. Hier ist gerade bei der Suchenach Verantwortlichkeit oder Zuständigkeit eine differenziertereBetrachtung notwendig. Erst eine ganzheitliche Sicht in der Bil-dungspolitik auf regionale Bildungslandschaften mit ihren vielenAkteuren und Schnittstellen zur Jugendhilfe und Sozialhilfe kannzu einem produktiven Umgang mit der Differenzierung und Viel-falt vor Ort führen.

Dr. Johannes MeierMitglied des Vorstands der Bertelsmann Stiftung

Gütersloh, im Januar 2007

17

Vom Versagen zum Erfolg:Die Rolle der Schulinspektionen beider Verbesserung von SchulenTimothy Key

Überblick

Einer der wesentlichen Erfolge der englischen Behörde für Bildungsstandards(Ofsted – Office for Standards in Education) innerhalb der letzten zehn Jahrewar die Identifizierung und Verbesserung von Problemschulen (»FailingSchools«) im eigenen Land. Dieser Beitrag, geschrieben von einem Schul-inspektor, beschreibt die Kriterien, nach denen englische Schulen bewertetwerden, nennt die kennzeichnenden Merkmale »schlechter« Schulen undarbeitet heraus, was diesen Schulen bei ihrer Verbesserung und Fortentwick-lung helfen kann.

Einleitung

Auch noch die schwächsten Schulen eines Landes verbessern zuwollen ist eine wichtige, aber auch schwierige Aufgabe, die ineinigen Fällen zudem ein langwieriges Unterfangen bedeutet. InEngland hat man erkannt, dass die schulischen Leistungen allerSchüler verbessert werden müssen, wenn das Niveau des eigenenBildungssystems im internationalen Vergleich verbessert werdensoll. Ebenso deutlich war auch die Erkenntnis, dass die Schüler-leistungen an Englands schwächsten Schulen einen ernsten Grundzur Sorge bedeuten.

18

Vom Versagen zum Erfolg

Seit September 1993 müssen alle Schulinspektoren melden,wenn sie im Rahmen ihrer Inspektionen feststellen, dass eineSchule den notwendigen Anforderungen nicht mehr genügt undfür diese Schule »besondere Maßnahmen« ergriffen werden müs-sen. Der Status »besondere Maßnahmen erforderlich« bedeutetzunächst nur, dass für eine Schule die höchste Dringlichkeitsstufein Sachen Verbesserungsbedarf besteht. Er umfasst inhaltlichnoch keine konkreten Maßnahmen, da diese von Schule zu Schuleverschieden sind. Eine genauere Erläuterung zur Einstufung indiese Kategorie erfolgt etwas später.

Die Kriterien dafür, dass eine Schule nicht in der Lage ist, ihrenSchülern akzeptable Bildungsstandards zu bieten, sind seitdemklar definiert. Auch der Begriff »Failing« ist mittlerweile als Ter-minus in der Gesetzgebung verankert. Er bezieht sich jedoch aus-schließlich auf die Schulen und Colleges, nicht aber auf Lehreroder Dozenten – denn die Verantwortung für die Lehrer liegt beiden Schulen und nicht bei Ofsted.

Die Entscheidung, ob im Fall einer Schule besondere Maßnah-men erforderlich sind, hängt von mehreren Faktoren ab. Zunächsteinmal führt in der Regel nicht nur ein Faktor zu einer solchenEntscheidung. Es gibt jedoch typische Merkmale in Bezug auf dieerreichten Bildungsstandards, die die Durchführung gesonderterMaßnahmen indizieren. Dazu gehören u.a. ein grundsätzlichgeringes Leistungsniveau, geringe Lernfortschritte, auf breiterEbene nicht zufrieden stellender Unterricht, schlechtes Benehmender Schüler und auch schwache Managementleistungen von Sei-ten der Schulleitung.

Wird eine Schule als schlecht eingestuft, hat sie 40 Arbeitstagefür die Vorbereitung eines Aktionsplans, in welchem sie darlegt,wie sie den im Inspektionsbericht aufgeführten Schwachstellenund Defiziten begegnen will. Der Aktionsplan muss dem Staats-sekretär und der Schulinspektion vorgelegt werden. Die Kom-munalbehörde hat dann weitere zehn Tage Zeit, innerhalb derer

19

Timothy Key

sie den Aktionsplan kommentieren und ihre eigene Vorgehens-weise erläutern kann. Sie muss u.a. angeben, inwieweit von Be-hördenseite aus Handlungsbedarf besteht und welche zusätzlichenAnstrengungen die Behörde hinsichtlich der Problemschule unter-nehmen muss.

Die Führungseigenschaften und Managementqualitäten desSchulleiters haben entscheidenden Einfluss auf die Leistungsfähig-keit einer Schule. Müssen im Fall einer Schule besondere Maß-nahmen ergriffen werden, ist häufig mangelnde Führung einer derGründe, die maßgeblich dazu beigetragen haben. Werden wirk-lich Führungsdefizite festgestellt, hat das in der Regel zur Folge,dass der Schulleiter abwägt, ob er über die notwendigen Fähigkei-ten zur Verbesserung der Situation verfügt. In vielen Fällen ver-lässt der Schulleiter an diesem Punkt die Schule. Wenn das pas-siert, hilft die Kommunalbehörde zumeist dadurch, dass sie einenerfahrenen Schulleiter an die betroffene Schule entsendet.

Was wird geprüft?

Von Gesetzes wegen evaluieren und berichten Inspektoren über:– die Bildungsarbeit der Schule und inwieweit diese die unter-

schiedlichen Bedürfnisse der guten sowie schlechten Schülerberücksichtigt

– die Bildungsstandards, welche die Schule erfüllt– die Führungsqualität und das Management der Schule– die geistige, moralische, soziale und kulturelle Entwicklung der

Schüler– den Beitrag, den die Schule zum allgemeinen Wohlergehen ihrer

Schüler leistet

Mittlerweile liegt allen Inspektionsurteilen das gleiche Bewer-tungsschema zugrunde. Früher war dies noch eine 7-Punkte-Liste

20

Vom Versagen zum Erfolg

mit der Note 1 für »ausgezeichnet« und der Note 7 für »ungenü-gend«. Doch zeigte die Praxis schnell, dass nur sehr selten auchwirklich alle Bewertungsstufen verwendet wurden. Aus diesemGrund wurde die Bewertungsskala für alle Inspektionsurteile imSeptember 2005 auf vier Punkte reduziert:– Note 1: hervorragend– Note 2: gut– Note 3: befriedigend– Note 4: mangelhaft

Das endgültige Urteil, das ein Inspektionsteam über eine Schulefällt, bezieht sich auf die »allgemeine Leistungs- und Funktions-fähigkeit« dieser Schule. Die Frage danach zielt auf den Unter-richt sowie alle damit in Verbindung stehenden Leistungen ab undberücksichtigt, inwieweit diese den Bedürfnissen der Schüler ent-sprechen.

Das Urteil zur allgemeinen Leistungsfähigkeit wird erst amSchluss einer Inspektion gefällt, da es die Bewertung aller anderenLeistungskriterien einer Schule mit einbeziehen muss. Die Inspek-toren legen im Rahmen ihrer Bewertung auch dar, welche wei-teren Schritte sie für eine Verbesserung des Unterrichts für nötigerachten. In ihren Berichten bringen sie schließlich deutlich zumAusdruck, warum sie gerade für diese oder jene Schule zu einembestimmten Gesamtergebnis gekommen sind.

Evaluation der allgemeinen Leistungsfähigkeit – die Kriterien

Ein allgemeines Regelwerk für Inspektionen (zu finden auf derWebseite von Ofsted unter www.ofsted.gov.uk) listet alle Krite-rien auf, die von den Inspektoren bei der Beurteilung der allgemei-nen Leistungsfähigkeit verwendet werden. In zusammengefassterForm sind dies:

21

Timothy Key

– Hervorragend (Note 1)Eine Schule mit dieser Bewertung ist eine außergewöhnlicheSchule. Fast alle Bereiche der schulischen Arbeit sind mindes-tens gut, maßgebliche Teile davon vorbildlich.

– Gut (Note 2)Inspektoren bewerten eine Schule mit »gut«, wenn in allenBereichen der Schularbeit grundsätzlich starke Leistungen zuverzeichnen sind und wenn auf der Grundlage bisheriger Ent-wicklungen ein ausgeprägtes Potenzial im Hinblick auf diezukünftigen Entwicklungen erkennbar ist.

– Befriedigend (Note 3)Die Leistungen einer mit »befriedigend« bewerteten Schulesind in keinem wichtigen Bereich mangelhaft und können inverschiedenen Aspekten gut sein.

– Mangelhaft (Note 4)Eine Schule ist im Ganzen als eher »mangelhaft« zu bewerten,wenn einer oder mehrere der folgenden Punkte als mangelhafteingestuft werden: erreichte Standards, persönliche Entwick-lung und Wohlbefinden der Schüler, allgemeine Qualität desUnterrichts sowie Führung und Management.

Schulen, die Anlass zur Sorge geben

Wird im Rahmen einer Inspektion die allgemeine Leistungsfähig-keit einer Schule als mangelhaft beurteilt, wird sie in eine vonzwei Kategorien eingestuft:– Besondere Maßnahmen sind erforderlich: Dies ist der Fall,

wenn eine Schule die akzeptablen Bildungsstandards nichterreicht und wenn die für die Leitung oder das Management

22

Vom Versagen zum Erfolg

der Schule zuständigen Personen nicht über die Fähigkeit ver-fügen, die notwendigen Verbesserungen in der Schule sicher-zustellen.

– Es besteht erheblicher Verbesserungsbedarf: In diese Kategoriewerden Schulen eingeordnet, die zwar keiner speziellen Maß-nahmen bedürfen, die sich in ihren Leistungen aber docherheblich schlechter darstellen, als es unter den gegebenenUmständen von ihnen erwartet werden kann. Diese Schulenerhalten eine Art Verbesserungsbescheid.

Merkmale schlechter Schulen

Erreichte Standards

Schlechte Schulen verzeichnen – im Hinblick auf einzelne Schüler-gruppen oder auch die Mehrheit der Schüler – typischerweise einniedriges Leistungsniveau und geringe Erfolge bei der Einhaltungder Lehrpläne. Auch wenn das Leistungsniveau absolut betrachtetvielleicht gut ist, können Inspektoren die Fortschritte der Schülerals unzureichend einstufen. In England kann mit Hilfe konkreterDaten festgestellt werden, welchen Beitrag eine Schule daran hat,dass Schüler von einer Leistungsstufe auf die nächste gelangen.Dies geschieht auf Grundlage der Ergebnisse nationaler Lehrplan-beurteilungen. Anhand dieser Vergleichswerte können auch Schu-len identifiziert werden, die oberflächlich gesehen zunächst ganzgut abschneiden, deren Leistungen aber den Daten nach bessersein sollten.

23

Timothy Key

Die geistige, moralische, soziale undkulturelle Entwicklung der Schüler

Zu den Merkmalen von Schwächen in diesen Bereichen der Schü-lerentwicklung gehören:– regelmäßig störendes Verhalten– Disziplinlosigkeit oder häufige Verweise von der Schule– ausgeprägte fremdenfeindliche Spannungen und Übergriffe– die Gefahr körperlicher und emotionaler Übergriffe durch

Schüler oder Erwachsene in der Schule– scharfer Ton sowie durch Konfrontation geprägter Umgang

zwischen Lehrern und Schülern– nachgewiesene Fälle von Schikanierung und Drangsalierung

von Schülern– Unpünktlichkeit oder Fernbleiben vom Unterricht

Die Qualität der Bildungsvermittlung

In Schulen, in denen die Qualität der Bildungsvermittlung man-gelhaft ist, werden typischerweise starke Defizite in den BereichenLehrvermögen und Umsetzung der nationalen Lehrpläne regis-triert.

Management und Leistungsfähigkeit der Schule

Es wird oft behauptet, die Qualität der englischen Schulen steheund falle mit der Arbeit ihrer Schulleiter. So wurden den Schulenin den vergangenen Jahren beträchtliche Kompetenzen übertra-gen. Die Verantwortung für die meisten der darin zu treffendenEntscheidungen liegt nun bei den Schulleitern sowie leitendenSchulgremien.

24

Vom Versagen zum Erfolg

Bedenken, die hinsichtlich des Managements und der Leis-tungsfähigkeit einer Schule geäußert werden, beginnen fast immermit der Ansicht, die Schulleitung arbeite ineffektiv. Damit kannauch schon ein beträchtlicher Vertrauensverlust gegenüber derSchulleitung verbunden sein. Dieser Zustand führt in der Regelzur Demoralisierung und Ernüchterung unter den Lehrern, zueinem schlechten Management, zur ineffizienten Nutzung vor-handener Ressourcen und der schließlich damit verbundenen Auf-fassung, dass die Schule bzw. deren Leistungen ihr Geld nichtmehr wert seien.

Was hilft schlechten Schulen, sich zu verbessern?

An keinen zwei Schulen finden sich die exakt gleichen Probleme.Und es gibt auch nicht das eine Zaubermittel, mit dem sich aufeinen Schlag alle »Krankheiten« an einer Schule beseitigen ließen.Schließlich ist auch der Zeitraum, den einzelne Schulen zur Bewälti-gung ihrer Defizite brauchen, sehr unterschiedlich. Vom Zeitpunktder eigentlichen Schulinspektion an vergehen mindestens zwölf Mo-nate, bevor eine Schule wieder vom Status »Failing School« herun-terkommt. Die meisten Schulen sind innerhalb von 24 Monatenin der Lage, wieder akzeptable Bildungsstandards zu erreichen.

Nun lässt sich nicht sagen: »Folge diesem oder jenem Beispiel,und du wirst deine Standards erhöhen.« So einfach funktioniertSchulentwicklung nicht. Wir können uns jedoch anschauen, wel-che Strategien bereits an anderer Stelle funktioniert haben undinwieweit sie erfolgreich waren. Aus diesen Ergebnissen müssenwir dann lernen.

Jede Schule muss ihren eigenen Weg der Verbesserung findenund sich kritisch mit den erzielten Fortschritten auseinanderset-zen. Die Verantwortung der Schulinspektoren liegt bei diesemProzess darin, die ursprünglich schwachen Schulen in regelmäßi-

25

Timothy Key

gen Abständen zu besuchen, um so die tatsächlichen Fortschritteerfassen zu können. Dabei wird der jeweilige Leistungsstandebenso überprüft wie auch die Auswirkungen der Hilfestellungdurch die lokalen Behörden.

Der erste Schritt auf dem Weg zur Besserung liegt im Erkennender wesentlichen Hindernisse, die von der Schule nach der Einstu-fung als Problemschule überwunden werden müssen. Erst wenndiese erkannt und genau umrissen sind, können sie auch in Angriffgenommen werden. In der Regel zählen zu den größten Schwierig-keiten:– der manchmal lange anhaltende Ärger über das Urteil »Failing

School«– Schwächen in den Managementstrategien des Schulleiters– der Zeitaufwand für die Besetzung und Etablierung neuer Stellen– die Selbstgefälligkeit unter den Lehrern – sowohl den neuen

Kollegen als auch den alten Kollegen, die vielleicht nicht ein-sehen, dass sie ihre Unterrichtsweise oder ihren Führungsstiländern müssen

– inkonsistentes Verhalten von Lehrern gegenüber Schülern– unzureichende Kenntnisse zur Entwicklung von Lehrplänen– mangelndes Vermögen, mehr Aufmerksamkeit und Pünktlich-

keit im Unterricht durchzusetzen– geringe Erwartungen an die Fähigkeit der Schüler, höhere Stan-

dards überhaupt erreichen zu können– fehlende Unterstützung von Seiten lokaler Behörden, der

Schulbeiräte, der Ausbilder oder auch der Eltern– die Unfähigkeit zu verstehen, was Leistungserfassung und

-bewertung in der Praxis eigentlich bedeuten

Die vielleicht größte Herausforderung einer als schwach einge-stuften Schule liegt wohl in der Entscheidung, mit welchen Schrit-ten nun eigentlich begonnen wird. Die Lehrer fühlen sich anfangsoft mit ihren negativen Gefühlen – auch hinsichtlich der eigenen

26

Vom Versagen zum Erfolg

Fähigkeiten – alleine gelassen. Einige werden vielleicht abstreiten,dass ihre Schule wirklich so schlecht ist, wie in dem Inspektions-bericht aufgeführt. Auch die Schule als Ganzes kann anfangs mitSchock und später auch Ärger reagieren. Das alles sind ganz nor-male Gefühle, und es ist jetzt entscheidend, insbesondere unterden Lehrern und Schülern wieder ein gesundes Selbstbewusstseinaufzubauen.

Während ich dieses Kapitel schreibe, liegt vor mir der Auszugaus einer aktuellen Ausgabe einer Bildungszeitschrift. Darin wirdvon einer Schule in einer wohlhabenden Gegend berichtet, an derman eigentlich mit den eigenen Leistungen ganz zufrieden war –bis zu dem Tag, an dem die Ofsted-Inspektion die Fortschritte derSchüler für unzulänglich befand. Als Folge dieser Bewertungwurde die Schule in der Lokalpresse stark attackiert, trat derSchulleiter zurück und musste die Lehrerschaft mit dem Schockzurechtkommen, kritisiert worden zu sein.

Nun stand es mit Blick auf die genauen Daten sowie denUntersuchungsbericht aber völlig außer Frage, dass die Schülereine unzureichende Leistung zeigten und eigentlich zu weitausmehr imstande sein müssten.

Der Schule wurde als Erstes ein neuer Schulleiter zugeteilt. Ersollte helfen, das Ruder wieder herumzureißen. In dem Zeitungs-bericht wird er wie folgt zitiert: »Als Resultat des Ganzen zeigtsich, dass die Schule jetzt viel stärker geworden ist. Anfangs wardas Urteil der Schulinspektoren für das Kollegium ein schwerermoralischer Schlag. Immerhin war diese Schule im Jahr 2000 alsherausragend bewertet worden und hatte den Ruf, sehr leistungs-orientiert zu sein. Doch Lehrer, Schüler und Eltern unterstütztendie Schule, und wir hatten dadurch die Chance, die in dem Unter-suchungsbericht aufgeführten Probleme im Führungs- und Ma-nagementbereich in Angriff zu nehmen.«

Der Fachleiter für Mathematik, der schon dreiundzwanzigJahre an der Schule unterrichtete, erläutert: »Es war gut, dass un-

27

Timothy Key

sere Schule durch diese Sache wachgerüttelt wurde. . . . Wir warenbequem geworden, und ich glaube, wir drifteten so langsam inRichtung Selbstzufriedenheit. Heute gibt es an unserer Schule vielmehr Optimismus, was die Zukunft betrifft.«

Ein Englischlehrer ergänzt schließlich: »Es war wirklich einSchock. Wir hatten vielleicht damit gerechnet, uns in einigenwenigen Bereichen verbessern zu müssen. Dass es aber so ernstsein würde, hatten wir nicht gedacht. Nun liegt ein Jahr vollergemischter Gefühle hinter uns – eine wahre Achterbahnfahrt. Eswar hart, aber das war es auch wert.«

Der letzte Bericht der Schulinspektoren über die Fortschrittean dieser Schule lobt die »raschen Verbesserungen in der Grund-haltung der Schule« sowie »den aufrichtigen Enthusiasmus undWillen, etwas zu ändern«. Ein echtes Beispiel für »vom Scheiternzum Erfolg«.

Typischerweise gibt es sieben Schlüsselkomponenten für dieVerbesserung einer Schule. Das sind:– eine starke Führung durch den Schulleiter– effektives Management durch führende Mitarbeiter– klare Aktionspläne mit präzisen und überprüfbaren Zielen

sowie Ergebnissen– engagierter Einsatz aller Lehrer mit dem gemeinsamen Willen

zur Verbesserung– eine gute Kommunikation zwischen Schule, Eltern und

Gemeinde– striktes Vorgehen gegen schlechtes Benehmen und mangelnde

Anwesenheit– effektive Finanzplanung

28

Vom Versagen zum Erfolg

Die Auswirkungen der Inspektion

Wie schon erwähnt, werden Problemschulen regelmäßig von denSchulinspektoren kontrolliert. Diese Besuche sind keine vollstän-digen Inspektionen. Sie dienen in erster Linie der Überprüfung derFortschritte vor dem Hintergrund der Aktionspläne. Zudem wirdeine Art »Gesundheits-Check« durchgeführt, um zu sehen, wo dieSchule zu jedem Zeitpunkt steht.

In diesem Zusammenhang werden intensive Diskussionen mitdem Schulleiter und den leitenden Mitarbeitern geführt. Nachdem Besuch durch die Inspektoren erhält die Schule dann einenBericht darüber, welche Fortschritte tatsächlich erzielt wurdenund in welchen Bereichen noch weiterer Handlungsbedarf be-steht. Diese Besuche werden besonders von den Schulen begrüßtund als hilfreich angesehen, die von vornherein auch ihre Ent-schlossenheit unter Beweis gestellt haben, die Dinge wirklich zuverbessern.

Was in England bis zum heutigen Tag an schulischen Verbes-serungen und Weiterentwicklungen vorzuweisen ist, kann sichsehen lassen. Beinahe sechs von zehn Schulen konnten aus derKategorie »besondere Maßnahmen erforderlich« herausgestuftwerden. Bei ihrer nächsten Inspektion waren sie dann teilweisenicht nur als befriedigend, sondern als gut oder besser bewertetworden. Jedes Jahr veröffentlicht die Schulinspektionsbehördeeine Liste herausragender Schulen, und es ist nicht ungewöhnlich,auf dieser Liste auch Schulen zu finden, die einmal als »FailingSchool« eingestuft worden sind.

Die wesentlichste innerschulische Verbesserung findet in derRegel im Bereich der Führungs- und Managementqualitäten statt.In den meisten Fällen geht das mit einem Führungswechsel in derSchulleitung einher. Auf der persönlichen Ebene kann dies eintraumatisches Erlebnis für den Einzelnen oder auch die ganzeSchule bedeuten. Doch wenn ein Schulleiter nicht in der Lage ist,

29

Timothy Key

die notwendigen Veränderungen voranzutreiben, wird sich dieSituation weder für die Schüler noch für die Lehrer bessern. DieSchule bleibt weiterhin eine Problemschule.

Nun bedeutet ein Personalwechsel in der Schulleitung nichtautomatisch, dass sich auf einmal alles ändert. Der neue Leiterbesitzt auch keinen Zauberstab, den er einfach nur schwingenmüsste. Der Führungswechsel an einer Schule kann aber den not-wendigen Anstoß dafür geben, dass sie sich entwickelt und dasssie die Bildungsqualität und die Bildungsmöglichkeiten für ihreSchüler verbessert. Ein neuer Schulleiter bedeutet zumeist auchneuen Schwung und neue Begeisterung.

Dafür muss er aber zunächst den Rückhalt und die Unterstüt-zung durch das Kollegium gewinnen. Das ist nicht so einfach,denn er muss sich eventuell mit Schwächen im mittleren Manage-mentbereich auseinandersetzen. Ebenso muss er bestehende Defi-zite im Unterricht angehen – was einem neuen Schulleiter abermeist einfacher fällt als einem Leiter, der bereits seit vielen Jahrenan der Schule ist. Letzterer könnte nämlich eine gewisse Loyalitätgegenüber Kollegen empfinden, die er vielleicht ehemals sogarselbst eingestellt hat und die nun nicht mehr die erforderlichenLeistungen bringen.

Das Medieninteresse

In England besteht grundsätzlich und vor allen Dingen in denMedien ein großes Interesse an den Leistungen des Bildungssys-tems und der Schulen. Der britische Premierminister Tony Blairbrachte dies sehr gut zum Ausdruck, als er sagte, seine drei Regie-rungsprioritäten wären »Bildung, Bildung, Bildung«.

Die Art der Berichterstattung durch die Presse ist naturgemäßsehr unterschiedlich. So berichten die Landesmedien in der Regelüber das Bildungssystem als Ganzes, wogegen die Regionalme-