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Bundesamt für Verfassungsschutz Islamismus: Entstehung und Erscheinungsformen

Islamismus: Entstehung und Erscheinungsformen · 2 Muhammad Al-Uthaimin, „Die Glaubenslehre der sunnitischen Gemeinschaft“. Aus dem Arabischen Aus dem Arabischen 10 übersetzt

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Bundesamt fürVerfassungsschutz

Islamismus:Entstehung undErscheinungsformen

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Islamismus:Entstehung und

Erscheinungsformen

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ISLAMISMUS: ENTSTEHUNG UND ERSCHEINUNGSFORMEN

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Impressum

HerausgeberBundesamt für Verfassungsschutz ÖffentlichkeitsarbeitMerianstraße 10050765 Kö[email protected] www.verfassungsschutz.deTel.: +49 (0) 221/792-0Fax: +49 (0) 221/792-2915

Gestaltung und DruckBundesamt für VerfassungsschutzIT 21.2 Print- und Mediengestaltung

Bildnachweispicture alliance/ZBpicture alliance/dpapicture alliance/dpa/dpawebapimagesGlobusccvision.deBfV

StandSeptember 2013

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ISLAMISMUS: ENTSTEHUNG UND ERSCHEINUNGSFORMEN

Inhaltsverzeichnis Seite

Einleitung 5

1. Der Missbrauch einer Religion am Beispiel

des Islamismus 6

1.1 Die Religion des Islam 6

1.2 Die Ideologie des Islamismus 10

1.2.1 Definition 10

1.2.2 Entstehung des Islamismus 13

2. Islamistische Bestrebungen in Deutschland 14

2.1 Ausgangslage 14

2.2 „Jihadistische“ Islamisten 16

2.3 Gewaltorientierte Islamisten 19

2.4 Legalistische Islamisten 21

2.5 Salafismus 24

3. Islamistische „Angebote“ und Aktionen 27

3.1 Ausgangslage 27

3.2 Internet 28

3.3 Ausreisen in „Jihadgebiete“ und andere

„islamistische Reisebewegungen“ 30

Fazit 33

Literaturhinweise 34

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EinleitungZiel dieser Broschüre soll es sein, dem Leser ein Grundverständnisdes Phänomens Islamismus in Deutschland zu geben. Hierbei solleneingangs Ideologie und Entstehung des Islamismus beschrieben wer-den. Um Entstehung und Ziele des Islamismus zu verstehen, wirddem ersten Abschnitt ein Kapitel über die Religion des Islam voran-gestellt. In Abgrenzung zur Religion wird unter Islamismus eine reli-giös motivierte Form des politischen Extremismus verstanden.

Die Beobachtung extremistischer Bestrebungen ist Aufgabe der Ver-fassungsschutzbehörden in Deutschland. Sie beobachten jedochweder den Islam als Religion noch die Glaubensgemeinschaft derMuslime. Das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland (GG)schützt Glauben und religiöse Praxis durch das in Artikel 4 verbrief-te Recht auf Religionsfreiheit. Gleichwohl ist die Glaubens- und Re-ligionsfreiheit in unserer Demokratie kein Freibrief für Aktivitätengegen die Demokratie.

Im zweiten Abschnitt sollen islamistische Bestrebungen inDeutschland vorgestellt werden. Das Spektrum der in Deutschlandaktiven Islamisten reicht von den sogenannten Legalisten, die ihreZiele ohne den Einsatz von Gewalt durchsetzen wollen, bis hin zugewaltorientierten Islamisten, die Deutschland primär als Rück-zugsraum nutzen, aber in ihren Herkunftsländern Gewalt als einMittel neben anderen einsetzen. Darüber hinaus finden sich inDeutschland aber auch „Jihadisten“, die ihre Ziele nur durch die An-wendung von Gewalt verwirklicht sehen. In der Öffentlichkeit be-sonders präsent sind die sogenannten Salafisten, die jedoch keinehomogene Gruppe bilden, sondern teilweise mit „jihadistischen“teilweise mit gewaltlosen Mitteln aktiv sind.

Der letzte Abschnitt widmet sich der Frage nach der Attraktivitätdes Islamismus. Welche „Angebote“ und Aktionen machen den Isla-mismus in Deutschland gerade für junge Menschen interessant?Hier sind Aspekte wie die Nutzung des Internets oder die Ausreisein Ausbildungslager von herausragender Bedeutung.

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1. Der Missbrauch einer Religionam Beispiel des Islamismus

1.1 Die Religion des Islam Der Islam ist eine der großen Weltreligionen. Entstanden ist der Is-lam im 7. Jahrhundert nach Christus auf der Arabischen Halbinsel.Im Mittelpunkt steht der Glaube an den einen und einzigen Gott(Allah), der sich der Menschheit durch verschiedene Propheten of-fenbart hat. Muhammad ist nach dem islamischen Glauben der letz-te (das „Siegel“) dieser Propheten. Die wichtigsten Grundlagen desGlaubens sind der Koran und die Sunna sowie die Scharia, die aufdem Koran und der Sunna basiert.

Koran

Der Koran ist die heilige Offenbarungsschrift des Islam. Der ProphetMuhammad, so der islamische Glaube, hat ihn als unmittelbaresWort Gottes empfangen. Der Koran ist in 114 Abschnitte (Suren) un-terteilt, die grob nach ihrer Länge geordnet sind. Der Koran be-schreibt unter anderem Paradies und Hölle, enthält religiöse undgesetzliche Vorschriften sowie warnende Erzählungen.

Sunna

Die Sunna stellt im Islam die prophetische Tradition dar. Sie ist ne-ben dem Koran die zweite Quelle religiöser Normen. Sie ergänzt dieVorschriften für das religiöse, rechtliche und politische Handeln derMuslime. Die Aussprüche, Anordnungen und Handlungen des Pro-pheten Muhammad werden als Hadithe bezeichnet. Sie wurden inder Frühzeit des Islam schriftlich fixiert und zusammengefasst.

Scharia

Die Scharia bezeichnet die im Koran von Gott gesetzte Ordnung, ei-ne Art juristische Grundlage. Die Scharia enthält neben rituellenVorschriften privat-, straf- und öffentlich-rechtliche Regelungen.Die Scharia ist kein ausformuliertes Regelwerk, sondern eine Quelleder Rechtsfindung. Verbindlichkeit und Handhabung der Scharia inden einzelnen islamischen Ländern sind bis heute sehr unter-schiedlich. Innerhalb der islamischen Welt wird die Rolle der Scha-ria kontrovers beurteilt. Einig ist man sich aber darin, dass die Scha-ria eine für alle Bereiche wichtige Rechtsquelle darstellt.

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Der Islam basiert auf fünf Säulen, welche die Grundpflichten derMuslime beschreiben.

Die Auseinandersetzung über die rechtmäßige Nachfolge von Mu-hammad führte zur Spaltung der Gläubigen in zwei große Grup-pen: die Sunniten und die Schiiten. Neben diesen gibt es noch wei-tere, zahlenmäßig kleinere Gruppierungen, wie beispielsweise dieAleviten.

Sunniten

Etwa 85 Prozent der Muslime weltweit sind Sunniten. Sie stellen inden meisten islamischen Ländern die Mehrheit der Muslime dar.Die Bezeichnung „Sunniten“ leitet sich vom arabischen Begriff Sun-na, der Tradition des Propheten, ab. Für die Sunniten muss derNachfolger Muhammads besondere politische, religiöse und militä-rische Fähigkeiten besitzen. Er muss nicht direkt mit ihm verwandtsein. Die Nachfolger des Propheten wurden Kalifen genannt. DieSunniten lassen sich in die vier großen Rechtsschulen der Hanafi-ten, Malikiten, Hanbaliten und Schafiiten unterteilen, die sich in ih-rer Auslegung der Scharia unterscheiden.

Schiiten

Etwa 12 bis 15 Prozent der Muslime sind Schiiten. Sie stellen die Be-völkerungsmehrheit im Iran, im Irak, in Bahrain und in Aserbaid-schan. Größere schiitische Minderheiten leben im Libanon, in Pa-kistan, Afghanistan und dem Jemen. Die Bezeichnung „Schiiten“ lei-tet sich von dem arabischen Begriff „shi´at Ali“ (Partei des Ali) ab.Schiiten erkennen nur Ali, den Cousin und Schwiegersohn des Pro-

(shahada, salat, saum, hajj, zakat)

• Glaubensbekenntnis (shahada)

• Gebet, im Laufe eines Tages fünf Malzu vorgeschriebenen Tageszeiten zuabsolvieren (salat)

• Fasten im MonatRamadan (saum)

• Pilgerreise nach Mekka (hajj)

• Entrichtung einer bestimmten Form von Almosen (zakat)

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pheten, und dessen Nachkommen als Nachfolger Muhammads an.Für Schiiten sind diese Nachfolger, die sie „Imame“ nennen, göttlichgeleitet.

Der Islam verbreitete sich in seiner historischen Entwicklung vonder Arabischen Halbinsel über Nordafrika und über den VorderenOrient bis nach Zentralasien. Heute ist die Mehrzahl der Muslimenicht-arabischer Herkunft. Die meisten Muslime leben in Indone-sien (rund 201 Mio.), Indien (rund 157 Mio.), Pakistan (rund 127Mio.) und Bangladesch (rund 120 Mio.).

Anteil von Muslimen an der jeweiligen Gesamtbevölkerung

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In Deutschland bilden die Muslime nach den christlichen Religi-onsgemeinschaften die größte Glaubensgemeinschaft. Etwa vierMillionen Muslime leben hier.

99% der muslimischen Mitbürger üben ihre Religion friedlich ausund respektieren die vom Grundgesetz der BundesrepublikDeutschland vorgegebene Werteordnung. Ihr Recht auf freie Religi-onsausübung wird durch Artikel 4 Grundgesetz geschützt:

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1 Unter dem Begriff „Herkunftsländer“ werden sowohl die Ursprungsländer ausländischer Muslime alsauch deutscher Muslime mit Migrationshintergrund zusammengefasst.

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„(1) Die Freiheit des Glaubens, des Gewissens, und die Freiheitdes religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses sindunverletzlich.

(2) Die ungestörte Religionsausübung wird gewährleistet.“

1.2 Die Ideologie des Islamismus

1.2.1 Definition

Im Gegensatz zum Islam als Religion beschreibt der Islamismus einereligiös motivierte Form des politischen Extremismus. Islamisten in-strumentalisieren dabei den Islam für ihre politischen Zwecke. Sietreten z.B. dafür ein, dass islamische Vorschriften in einer wörtlichenAuslegung angewendet werden. Islamisten sehen den Islam als einganzheitliches, allumfassendes Regelwerk, das alle sozialen, juristi-schen, wirtschaftlichen und politischen Dimensionen umfassen soll.Islamisten glauben somit im Islam die ideale, universale Weltord-nung zu erkennen. Die islamistische Ideologie geht dabei von einergöttlichen Ordnung der Gesellschaft und des Staates aus. Grundlagehierfür soll eine wörtlich ausgelegte Scharia sein. Diese Positionsteht aber in deutlichem Widerspruch zur freiheitlichen demokrati-schen Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland:

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2 Muhammad Al-Uthaimin, „Die Glaubenslehre der sunnitischen Gemeinschaft“. Aus dem Arabischenübersetzt von Mohammed Benhsain, ohne Ort ohne Jahr, S. 74.10

Freiheitliche demo-kratische Grundordnung

• Achtung der im Grundgesetzverankerten Menschenrechte

Dazu gehören die Unantastbarkeitder Menschenwürde, das Recht aufLeben, körperliche Unversehrtheit,Freiheit der Person sowie die Mei-nungs- und Religionsfreiheit. DieseRechte stehen jedem Menschen zuund gelten unmittelbar.

Islamismus

• Körperstrafen

„Das Abschneiden der Hand einesDiebes oder das Steinigen des Ehebre-chers ist für den Dieb oder den Ehebre-cher von Übel, doch es ist gut für sieauf der anderen Seite, denn es ist Buße(Kaffara) für sie beide (...) .“ 2

• Todesstrafe für die freie Wahl derReligion

„Wir glauben, dass die Scharia (…) dieReligion des Islam ist (…) die durch kei-ne andere Religion angenommen wer-den darf. (…) wer immer die Zulässig-

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3 Auszug aus dem Text „Der Glaube“: Der Glaube des Muslims, abrufbar unter: www.as-sunnah.de.Abgerufen am 03.10.2008.

4 „Ümmet-l Muhammed“ Nr. 362 vom 18.01.2001, S. 8.5 Pierre Vogel, Was ist Islam, Conveying Islamic Message Society (CIMS), Alexandria ohne Jahr, S. 11. 6 Abdul Rahman Bin Hammad al-`Omar, Die Religion der Wahrheit. Übersetzt ins Deutsche von Abu

`Ammar Ghembaza Moulay-Mohamed, ohne Ort ohne Jahr, S. 126.

• Recht auf Bildung und Ausübungeiner parlamentarischenOpposition

Minderheitenfraktionen sollen dieRegierung kontrollieren und politi-sche Alternativen entwickeln. Ihnenstehen Minderheitenrechte zu.

keit einer anderen (…) Religion (…) be-hauptet, wie Judentum, Christentumund so weiter, [ist] ein Ungläubiger(…). Wenn er nicht bereut, muss er alsMurtadd [Apostat] getötet werden.“ 3

„21. Die Verfassung der Muslime istder Koran. (…) 29. Die islamische Reli-gion kennt keine Parteien, denn dieParteien spalten. (…) 30. Der Islamlehnt die Demokratie ab (…). 31. Nie-mand kann sowohl ein Muslim alsauch ein Demokrat sein.“ 4

• Volkssouveränität

Alle Staatsgewalt geht vom Volkeaus. Das Volk übt seinen Einflussdurch Wahlen und Abstimmungenaus.

„Die Souveränität in einem islami-schen Staat gehört Gott. Der Regieren-de ist nur ein Ausführer, der von denMenschen gewählt wurde und derentsprechend den Gesetzen Gottes re-giert.“ 5

• Gewaltenteilung

Die gesetzgebende Gewalt (Legisla-tive), die rechtsprechende Gewalt(Judikative) und die vollziehendeGewalt (Exekutive) sind voneinan-der getrennt. Die drei Staatsgewal-ten kontrollieren sich gegenseitig(„Checks and Balances“).

„Die Rechtsprechung und Gesetzge-bung sind Allahs Vorrechte. Dies istein wichtiger Bestandteil des Mono-theismus.“ 6

• Unabhängigkeit der Gerichte

Richter sind bei ihren Entscheidun-gen nur dem Gesetz unterworfenund unterliegen keinen Weisungen.Sie sind persönlich unabhängig.

„Ebenso begeht man gemäß dem Kon-sens der Muslime Unglaube, wennman glaubt, dass das Richten nach derScharia zwar besser ist als das Richten

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7 „Die Erläuterung des jemandes Islam vernichtenden Faktoren“, ohne Ort ohne Jahr, S. 12, abrufbar unter: www.salaf.de/swf/aqd0016.swf. Abgerufen am 17. August 2010.

8 Abd al-Rahman Al-Aheha, Botschaft des Islam, ohne Ort 2008, S. 123-124.12

Islamisten proklamieren einen Alleinvertretungsanspruch. Sie ge-ben vor, den einzig wahren Islam zu vertreten. Muslime, die eine an-dere Religionsauffassung vertreten, werden von ihnen nicht als„wahre“ Muslime anerkannt.

Alle Islamisten berufen sich grundsätzlich auf den Islam. In ihrenjeweiligen Interpretationen des Islam unterscheiden sich jedoch dieverschiedenen Ausprägungen des Islamismus deutlich voneinan-der. Unterschiede gibt es erstens in der Ausprägung der ideologi-schen Grundlagen und zweitens in der Wahl der Mittel, um die ge-steckten Ziele zu erreichen. Während legalistisch agierende Islamis-ten Gewalt ablehnen und mit politischen Mitteln versuchen, für ih-re Anhänger ein schariakonformes Leben in Deutschland zuermöglichen, befürworten gewaltorientierte Islamisten den Einsatzvon Gewalt als ein mögliches Mittel. Im Zentrum des Interesses undder Taten gewaltorientierter Islamisten steht meist die Herkunftsre-gion. „Jihadistische“ Islamisten sehen im Einsatz von Gewalt durchterroristische Aktionen ein wesentliches Element, um ihre politi-schen und gesellschaftlichen Ziele zu realisieren.

• Verantwortlichkeit der Regierung

Das Parlament als Gesetzgebungsor-gan ist an die Verfassung, insbeson-dere die Grundrechte, gebunden.Das Bundesverfassungsgericht kannprüfen, ob Gesetze mit der Verfas-sung übereinstimmen.

nach menschengemachten Gesetzen,jedoch das Richten nach menschen-gemachten Gesetzen als erlaubt an-sieht.

(…) Die Menschen haben in dieser An-gelegenheit keine Wahl. (…) Daher istdas Richten nach der Scharia für je-dermann eine Pflicht.“ 7

„Das islamische Gesetz (Scharia) be-trachtet den Herrscher im islami-schen Staat als Verantwortlichen fürdie Durchführung der göttlichen Be-fehle (…). Es darf kein Mensch, so hocher sein mag, diesen Regelungen ent-gegenwirken, oder ein Gesetz erlas-sen, das gegen sie verstoßen kann.“ 8

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Unterschied zwischen Islam und Islamismus

1.2.2 Entstehung des IslamismusIm ausgehenden 18. und frühen 19. Jahrhundert entstanden Bewe-gungen, die eine Rückkehr zum „Ur-Islam“ nach dem Vorbild derfrommen Altvorderen (al-salaf al-salih) forderten. Sie wurden ent-sprechend als Salafiya bezeichnet. Hierzu zählt vor allem die Wah-habiya 9 als Gründungs- und Staatsideologie des saudischen König-reichs.

Davon zu unterscheiden sind Strömungen der Salafiya, die ab dem19. Jahrhundert aus der Auseinandersetzung mit Kolonialismus undImperialismus entstanden. Viele islamische Gelehrte sahen die Ur-sache für einen technischen, militärischen, wissenschaftlichen undwirtschaftlichen Rückstand darin begründet, dass sich die Gläubi-gen vom wahren Islam abgekehrt hatten.

Ab Mitte des 19. Jahrhunderts gab es eine Diskussion um die Fragenach der Vereinbarkeit fremder gesellschaftlicher und politischerEntwürfe mit dem Islam. Debattiert wurde auch, inwieweit religiösenVorschriften, beispielsweise dem Zinsverbot, der Zulassung mehrererEhefrauen oder dem islamischen Strafrecht, ewige Gültigkeit zuzu-weisen sei. So genannte Modernisten, unter ihnen islamische Theolo-gen wie Gamaladdin al-Afghani (1838/9-1897) und Muhammad Ab-duh (1849-1905), unternahmen Versuche, derartige Vorschriften aufsich verändernde Lebensbedingungen zu übertragen.

Wachsendes Gehör erhielten seit dem frühen 20. Jahrhundert Stim-men, die in einer Neuinterpretation des Korans einen Verrat am

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9 Diese Bewegung ist nach ihrem Gründer Muhammad Ibn Abdalwahhab (1703/04-1792) benannt.

wird nicht durch den

Verfassungsschutz

beobachtet

wird durch den

Verfassungsschutz beobachtet

verfassungsfeindlich

bzw. verfassungswidrig

Religion

unter dem Schutz

von Art. 4 GG

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Glauben sahen. Sie hielten es insbesondere durch die Erfahrung mitden Auswüchsen von Kolonialismus und Imperialismus für erwie-sen, dass nicht-islamische politische Systeme nicht in der Lage sei-en, die Probleme der islamischen Welt zu lösen. Der indo-pakistani-

sche Denker und Politiker Abu al-A’la al-Maudu-di (1903-1979), engagierter Kämpfer gegen diebritische Besetzung des indischen Subkontinentssowie gegen westliche Einflüsse im Islam, grün-dete 1941 in diesem Sinne die „Jamaat-i-Islami“(JI). Sayyid Qutb (1906-1966) trat hingegen 1951der 1928 in Ägypten gegründeten „Muslimbru-derschaft“ (MB) bei und wurde zu deren maßgeb-lichem Theoretiker. Nach Jahren der Haft, in de-nen sich sein Denken weiter radikalisierte, wurde

er 1966 hingerichtet. Al-Maududi und Qutb zählen bis heute zu dengeistigen Vätern des Islamismus.

Im Fokus der islamistischen Bewegungen stand zunächst die isla-mische Welt selbst, deren Gläubige und Regierungen auf den Wegdes „reinen und wahren Islam“ zurückgeführt werden sollten. AbMitte des 20. Jahrhunderts konnten sie in islamischen Ländern, ins-besondere in der arabischen Welt, erheblichen Zuwachs verzeich-nen und sich allmählich Einfluss in der Gesellschaft und in staatli-chen Institutionen sichern.

2. Islamistische Bestrebungen in Deutschland

2.1 Ausgangslage

Der Islamismus in Deutschland hat aktuell sehr unterschiedlicheErscheinungsformen: das Spektrum reicht von sogenannten Lega-listen, die Gewalt ablehnen, bis zu „Jihadisten“, die ihre Ziele mit Ter-ror verfolgen. Die ganz überwiegende Mehrheit der rund 40.000 Is-lamisten in Deutschland gehört derzeit legalistischen Organisatio-nen an.

Der Islamismus ist dabei keine erstarrte Ideologie, er zeigt sich viel-mehr immer wieder flexibel und dynamisch. So hat sich beispiels-weise der Salafismus in Deutschland zu einer Bewegung entwickelt,die mehr und mehr an Attraktivität gewinnt. Durch professionell ge-machte Internetauftritte, intensive Nutzung sozialer Netzwerke undWerbekampagnen wie die kostenfreie Koran-Verteilung erhält dieseBewegung starken Zulauf.

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Sayyid Qutb(1906-1966)

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So heterogen die Erscheinungsformen des Islamismus sind, so un-terschiedlich sind auch seine Akteure. Es gibt nicht „den Islamisten“.Es gibt auch keine einheitlichen Radikalisierungsmuster. Die Wegein den Islamismus verlaufen vielmehr sehr unterschiedlich.

Gleiches gilt für den Salafismus. Er zeichnet sich heutzutage unteranderem dadurch aus, dass sich ihm vermehrt Jugendliche zuwen-den. Im Zusammenhang mit der zunehmenden Jugendlichkeit derAkteure stehen auch sogenannte Turbo-Radikalisierungen. Dabeiwerden Radikalisierungsprozesse durch das Internet beschleunigt, daPropagandamaterial und soziale Netzwerke rund um die Uhr kosten-los zur Verfügung stehen.

Mit dem Attentäter, der am 2. März 2011 zwei US-Soldaten am Flug-hafen in Frankfurt/Main erschossen hatte, wurde auch in Deutsch-land das Phäno-men des islamis-tisch motivier-ten Einzeltätersgegenwärtig. Mitdem gängigenBegriff „lonewolves“ werdenTäter beschrie-ben, die sich aus-schließlich überdas Internet, d.h.ohne persönli-che, reale Kon-takte in die islamistische Szene, radikalisieren und dann Anschlägeplanen und verüben. Gleichzeitig ist dieser Attentäter ein Vertreterdes so genannten homegrown-terrorism. Zu Akteuren des „home-grown-terrorism“ zählen sowohl Personen mit migrantischem Hin-tergrund als auch Konvertiten, die in Deutschland oder anderenwestlichen Staaten aufgewachsen sind und sich hier radikalisierthaben.

Das Internet spielt darüber hinaus eine große Rolle bei der Beteili-gung von Frauen in der islamistischen Szene. Das traditionelle isla-mistische Frauenbild beschränkt die Rechte von Frauen. Das Inter-net dagegen ermöglicht es auch ihnen, sich verstärkt in der islamis-tischen Szene zu betätigen. Sie beschränken sich damit nicht auf ei-ne passive Unterstützerrolle, z.B. die ideologische Erziehung derKinder, sondern werden im und über das Internet selbst aktiv.

Attentat am Flughafen Frankfurt/Main

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Wer sind„jihadistische“

Islamisten?

• Aktivitäten von Frauen im InternetEine islamistische Aktivistin stellte mehr als 1.000 Videos, Beiträge undKommentare in islamistische Internetforen ein. Außerdem unterstützte siemit 3.200 € Spendengeldern unter anderem die Terrororganisation„al-Qaida“. Das Berliner Kammergericht verurteilte sie hierfür im März 2011zu zweieinhalb Jahren Haft. Im April 2012 wurde sie wegen guter Führungvorzeitig entlassen.

2.2 „Jihadistische“ Islamisten „Jihadistische“ Islamisten berufen sich ausschließlich auf den „klei-nen Jihad“. Für sie bedeutet „Jihad“ gewalttätiger Kampf, und damit„Heiliger Krieg“. „Jihadisten“ setzen Gewalt gezielt ein, um ihre Zielezu erreichen. Für sie ist Gewalt nicht nur ein Mittel neben anderen,sondern ein wesentliches Mittel zur Durchsetzung ihrer politischenForderungen. „Jihadisten“ glauben, dass sich ihre Ziele nur mit Ge-walt erreichen lassen. Sie verstehen sich als „Gotteskrieger“ oder„Kämpfer für die Sache Allahs“. Sie begründen ihre Gewalttaten da-mit, dass diese angeblich durch den Islam gerechtfertigt oder als„Befehl Gottes“ sogar gefordert seien. Sie erklären die Teilnahme ambewaffneten Kampf zur individuellen Pflicht eines jeden Muslimsund rufen zum weltweiten Kampf gegen die vermeintlichen Feindedes Islam auf. Bei Kampfeinsätzen getötete Gewalttäter werden re-gelmäßig als „Märtyrer“ für die Sache Gottes glorifiziert.

Propagierung und Durchführung terroristischer Anschläge sind mitdem Islam jedoch nicht zu legitimieren. „Jihadisten“ missbrauchendie Religion somit ganz bewusst für ihre Zwecke. Sie interpretierenreligiöse Begriffe einseitig und willkürlich, um junge Menschen zuindoktrinieren und sie für die Durchsetzung ihrer ideologischen

Vorgaben zu rekrutieren.

Das Ziel „jihadistischer“ Islamistenist die Bekämpfung nicht-muslimi-scher Länder („Ferner Feind“) undder Sturz vermeintlich nicht-isla-mischer Regierungen („NaherFeind“) in der islamischen Welt.Insbesondere ausländische Trup-pen, die in mehrheitlich muslimi-schen Ländern stationiert sind,werden daher immer wieder alsAngriffsziele benannt.Training des „Palestine Islamic Jihad“

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• „Jihad“ „Jihad“ bedeutet wörtlich „Bemühung“ oder „Anstrengung“. Die islamischeTradition kennt den „kleinen Jihad“ und den „großen Jihad“.

- Der „große Jihad“ ist friedlich. Er bezeichnet das individuelle Bemü-hen um das richtige religiöse Verhalten gegenüber Gott und den Mitmenschen.

- Der „kleine Jihad“ ist kriegerisch. Er wird auch als „militanter Jihad“bezeichnet. Er beschreibt den gewalttätigen Kampf zur Verteidigungbzw. Ausweitung des Herrschaftsgebiets des Islam.

Auch Deutschland liegt im Fokus islamistischer Terroristen. Hierausresultieren Gefahren für die innere Sicherheit, die sich jederzeit inForm von Anschlägen unterschiedlicher Dimension und Intensitätrealisieren können. Vor dem Hintergrund einer verstärkten Bedro-hung durch den islamistischen Terrorismus wurde Ende 2004 inBerlin das Gemeinsame Terrorismusabwehrzentrum (GTAZ) einge-richtet, um eine gemeinsame Kooperations- und Kommunikations-plattform von 40 nationalen Behörden aus dem Bereich der InnerenSicherheit zu schaffen. Die Erfahrung zeigt, dass vor allem die engeund vertrauensvolle Zusammenarbeit von Nachrichtendienstenund der Polizei den Schlüssel für eine erfolgreiche Terrorismusab-wehr in diesem Bereich darstellt.

Warum beobachtet derVerfassungs-schutz„jihadistische“Islamisten?

Gemeinsames Terrorismusabwehrzentrum in Berlin (GTAZ)

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Wie sind„jihadistische“

Islamisten inDeutschland

aktiv?

Welche„jihadistischen“Organisationen

gibt es?

„Jihadisten“ versuchen einerseits, auch in Deutschland Anschlägedurchzuführen. Andererseits planen „Jihadisten“ von Deutschlandaus Anschläge im Ausland oder unterstützen derartige Anschlägelogistisch (beispielsweise durch das Sammeln von Geldern) und in-dem sie Kämpfer zu rekrutieren versuchen. Dies zeigen u.a. die An-schläge von 11. September 2001, die von Terroristen, die in Deutsch-land lebten, ausgeführt wurden.

Das Spektrum islamistischer Terrorstrukturen in Deutschlandreicht von Netzwerken gewaltbereiter Islamisten, die in enger Be-ziehung zu „jihadistischen“ Organisationen im Ausland stehen, überweitgehend autark operierende Kleinstgruppen bis hin zu Einzeltä-tern, die sich – zum Teil in rasanter Geschwindigkeit – radikalisierenund Anschläge selbstständig planen. So gewann der „Online-Jihad“im Internet in den letzten Jahren erheblich an Bedeutung. Die Ver-netzung nimmt aber auch im „realen Leben“ zu, so etwa wenn Kri-senherde weltweit Anziehungskraft als „Jihad“-Schauplatz ausüben.

Beispiele für „jihadistische“ Organisationen sind:

• Kern- „al-Qaida“

„Al-Qaida“ wurde Mitte der 1980er Jahre von Usama bin La-din in Afghanistan gegründet. Die Organisation gilt als eineArt Vorbild für viele terroristische Gruppierungen und Ein-zelpersonen.

• „al-Qaida auf der arabischen Halbinsel“ (AQAH)

2009 schlossen sich die „al-Qaida im Jemen“ und die „al-Qai-da“-Kräfte in Saudi-Arabien zur AQAH zusammen. Die AQAHbewies ihre Handlungsfähigkeit durch zahlreiche Anschlägesowohl im Jemen und in Saudi-Arabien als auch durch verei-telte Anschläge in der westlichen Welt.

Das häufig genutzte Logo der AQAH ist zugleich das offizielleLogo des „Islamischen Staates Irak“

• „al-Qaida im Irak“ (AQI)/“Islamischer Staat Irak“

Der „al-Qaida“-Ableger im Irak gründete sich 2003. Die Orga-nisation ist für zahlreiche Anschläge im Irak verantwortlich.

• „al-Qaida im islamischen Maghreb“ (AQM)

In Algerien gründete sich Ende der 1990er Jahre die „GroupeSalafiste pour la Prédication et le Combat“, die 2006 offiziellder „al-Qaida“ beitrat. Die AQM ist derzeit die größte und ak-tivste terroristische Organisation im Maghreb.

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ISLAMISMUS: ENTSTEHUNG UND ERSCHEINUNGSFORMEN

• „Ansar al-Islam“ (AAI)

Die AAI entstand 2001 im Nordirak als Nachfolgerin der„Jund al-Islam“ (Armee des Islam) durch den Zusammen-schluss kurdischer Splittergruppen. Ihr ursprüngliches Ziel,einen sunnitisch-islamischen Staat im kurdischen Teil desIraks zu errichten, geriet in den Hintergrund. Wichtiger ist ge-genwärtig der Kampf gegen die Koalitionskräfte und für dieBeseitigung der irakischen Regierung.

• „Islamische Bewegung Usbekistans“ (IBU)

Die IBU wurde 1998 in Kabul/Afghanistan mit dem Ziel ge-gründet, das Regime in Usbekistan zu stürzen und sowohldort als auch in ganz Zentralasien ein Kalifat zu errichten. DieIBU kämpft gemeinsam mit den Taliban militärisch gegen dieausländischen Truppen in Afghanistan und richtet ihre Pro-paganda inzwischen auch gezielt gegen Deutschland.

• „Islamische Jihad-Union“ (IJU)

Bei der IJU handelt es sich um eine Abspaltung der IBU, die2002 bekannt wurde. Die IJU kämpft in Afghanistan und hatsich dem globalen „Jihad“ verschrieben.

• „al-Shabab“

Die „al-Shabab“ wurde 2006 in Somalia gegründet und ist dortdie derzeit stärkste islamistisch-terroristische Organisation.„Al-Shabab“ ist auch für Anschläge in anderen Ländern Ost-afrikas verantwortlich.

2.3 Gewaltorientierte Islamisten Gewaltorientierte Islamisten lehnen Gewalt nicht grundsätzlich ab,setzen diese jedoch selektiv und begrenzt ein. Für sie ist Gewalt einMittel neben anderen politischen und propagandistischen Aktivitä-ten. Gewaltorientierte Islamisten in Deutschland haben oft einenengen Bezug zu den Ländern, aus denen sie selbst oder ihre Elternstammen, und in denen ihre „Mutterorganisationen“ ansässig undaktiv sind. Sie setzen Gewalt in der Regel gegen die dortigen Herr-schaftsstrukturen ein. Ihr Ziel ist es, dort eine Gesellschaftsordnungeinzuführen, die auf ihrer islamistischen Ideologie basiert.

Ein weiteres Merkmal von gewaltorientierten islamistischen Orga-nisationen ist, dass sie in ihren jeweiligen Herkunftsländern oftmalsin die politischen und gesellschaftlichen Strukturen eingebunden

Wer sindgewalt-orientierteIslamisten?

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ISLAMISMUS: ENTSTEHUNG UND ERSCHEINUNGSFORMEN

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Warumbeobachtet der

Verfassungs-schutz

gewalt-orientierte

Islamisten?

sind. Viele Organisationen sind inForm von Parteien direkt an derPolitik beteiligt. Ihre sozialen Flü-gel sind im karitativen Bereichaktiv. Sie unterhalten beispiels-weise Schulen oder Krankenhäu-ser. Dadurch sichern sich dieseOrganisationen Rückhalt in Tei-len der Bevölkerung.

Gewaltorientierte Islamistenwerden vor allem deswegen be-obachtet, weil sie die auswärtigenBelange Deutschlands gefährden.Wenn gewaltorientierte Islamis-ten von hier aus aktiv werden,ohne dass der Staat etwas dage-gen unternimmt, kann das Anse-hen Deutschlands internationalbeschädigt werden. Viele dieserOrganisationen stellen auch das Existenzrecht Israels infrage undwenden sich damit gegen den Gedanken der Völkerverständigungund des friedlichen Zusammenlebens der Völker.

Gewaltorientierte Islamisten unterstützen ihre „Mutterorganisatio-nen“ in den jeweiligen Herkunftsländern propagandistisch, finanziellund logistisch. Deutschland ist ihr Rückzugsraum. Daher müssen dieAktivitäten von gewaltorientierten Islamisten auch in Deutschlandbeobachtet werden.

Zu den gewaltorientierten Islamisten zählen in Deutschland rund2.500 Personen. Sie konzentrieren sich darauf, Spendengelder zusammeln, neue Mitglieder zu gewinnen und ihre Propaganda zuverbreiten. Gewaltorientierte Islamisten halten sich mit öffentli-chen Aktionen in Deutschland zurück, um nicht in das Blickfeld derSicherheitsbehörden zu geraten. Öffentliche Veranstaltungen sinddaher selten, oder werden unter dem Deckmantel anderer Organi-sationen abgehalten. Anhänger von gewaltorientierten islamisti-schen Organisationen nehmen auch an politischen Demonstratio-nen teil.

Cover der Zeitschrift “explizit“, die von der „Hizb ut-Tahrir“

herausgegeben wurde.

Wie sind gewalt-orientierte Isla-

misten inDeutschland

aktiv?Welche gewalt-

orientiertenOrganisationen

gibt es inDeutschland?

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ISLAMISMUS: ENTSTEHUNG UND ERSCHEINUNGSFORMEN

• „Hizb Allah“

Die „Hizb Allah“ wurde 1982 im Libanon als Widerstands-gruppe gegen den Einmarsch israelischer Truppen in den Li-banon gegründet. Sie ist eine schiitische Organisation, dievom Iran und Syrien unterstützt wird. Seit 1992 ist die „HizbAllah“ als Partei im libanesischen Parlament vertreten.

• „Hizb ut-Tahrir“ (HuT)

Die HuT wurde 1953 in Jerusalem gegründet. Sie ist eine pan-islamische Organisation, deren Ziel die Vereinigung der isla-mischen Gemeinde (umma) zu einem einzigen Kalifat ist.

• „Harakat al-Muqawama al-Islamiya“ (HAMAS)

Die HAMAS wurde 1988 im Gazastreifen als palästinensischerAbleger der Muslimbruderschaft (MB) gegründet. Die HAMASist als politische Partei aktiv und unterhält zahlreiche sozialeProjekte.

• „Türkische Hizbullah“ (TH)

Die TH gründete sich Anfang der 1980er Jahre in der Türkei.Hauptziel der Organisation ist die Beseitigung des laizisti-schen Systems und die Errichtung eines weltumfassendenStaates auf der Grundlage der Scharia.

• „Nordkaukasische Separatistenbewegung“ (NKSB)

Die NKSB gründete sich Anfang der 1990er Jahre im Kauka-sus. Ihr Ziel ist ein unabhängiger islamischer Staat auf derGrundlage der Scharia. 2007 spaltete sich die Bewegung in die„Tschetschenische Republik Itschkeria“ unter Ahmed Zakaevund das „Kaukasische Emirat“ unter Führung von DokkuUmarov.

2.4 Legalistische Islamisten Der ganz überwiegende Teil der Islamisten in Deutschland zählt zuden sogenannten Legalisten. Damit sind islamistische Organisatio-nen in Deutschland gemeint, die bestrebt sind, auf islamistischerIdeologie basierende Vorstellungen des gesellschaftlichen und indi-viduellen Lebens auf legalem Weg durchzusetzen.

TschetschenischeRepublik

KaukasischesEmirat Itschkeria

Wer sindlegalistischeIslamisten?

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ISLAMISMUS: ENTSTEHUNG UND ERSCHEINUNGSFORMEN

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Warumbeobachtet der

Verfassungs-schutz

legalistischeIslamisten?

Um ihre Vorstellungen umzusetzen, betreiben Funktionäre und Un-terstützer dieser Organisationen Lobbyarbeit. Sie nutzen dabei in-tensiv die Möglichkeiten des deutschen Rechtsstaates („Gang durchdie Instanzen“). Nach innen sollen für die Mitglieder umfassendeund dauerhafte Freiräume für ein schariakonformes Leben geschaf-fen werden. Dadurch können sich jedoch islamistisch geprägte Pa-rallelgesellschaften entwickeln, welche die Integration behindern.

Die Beobachtung vonlegalistischen islamisti-schen Strukturen durchden Verfassungsschutzführt zuweilen zu Kritikin der Öffentlichkeitbzw. durch Teile derMedien. Repräsentan-ten dieser Organisatio-nen geben sich schließ-lich nach außen häufigoffen, tolerant und dia-logbereit. Nach innenversuchen sie jedochweiterhin, insbesonderejunge Muslime von ih-ren islamistischen Posi-tionen zu überzeugen.Dabei werden auch sol-che Prinzipien undWerte vermittelt, dienicht mit der freiheitli-chen demokratischenGrundordnung verein-bar sind.

Legalistische Islamisten machen mit rund 33.000 Mitgliedern denweitaus größten Teil der Islamisten in Deutschland aus. Sie sind hierhauptsächlich in drei Bereichen aktiv: Einflussnahme auf die Poli-tik, Mitgliedergewinnung und Bildungsarbeit. Legalistische Islamis-ten sind oftmals in übergeordneten muslimischen Verbänden orga-nisiert. Durch dieses „Sprachrohr“ versuchen sie, bestimmte gesell-schaftliche Themen wie die staatliche Imamausbildung oder den is-lamischen Religionsunterricht zu beeinflussen. Zudem versuchenlegalistische Islamisten, für ihre jeweilige Organisation neue Mit-glieder zu gewinnen. Ziel ist es, dadurch die eigene Ideologie zu ver-

Flyer der IDG-Jahreskonferenz 2011

Welchelegalistischen

Organisationengibt es in

Deutschland?

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ISLAMISMUS: ENTSTEHUNG UND ERSCHEINUNGSFORMEN

breiten. Zur Mitgliederwerbung unterhalten sie Moschee- und Kul-turvereine oder organisieren Vorträge und andere Veranstaltungen.Auch die Jugend- und Bildungsarbeit ist ein wichtiger Bereich, indem legalistische Islamisten aktiv sind. Es werden Koran- und Som-merschulen sowie zielgruppenorientierte Schulungs- und Freizeit-aktivitäten in Deutschland organisiert. Die Jugend- und Bildungsar-beit dient vor allem dem Zweck, die eigene Islaminterpretation zufördern, um damit geeigneten Nachwuchs heranzuziehen.

• „Islamische Gemeinschaft Millî Görüş“ (IGMG)

Die türkische IGMG wurde 1985 unter der Bezeichnung „Ver-einigung der neuen Weltsicht in Europa“ in Deutschland ge-gründet. Die ideologischen Wurzeln gehen auf den 2011 ver-storbenen türkischen Politiker Necmettin Erbakan (1926-2011) und die türkische Millî Görüş -Bewegung zurück.

• „Muslimbruderschaft“ (MB) /“Islamische Gemeinschaft in Deutschland e.V.“ (IGD)

Die MB wurde 1928 in Ägypten gegründet. Sie gilt als ältesteund einflussreichste sunnitische islamistische Bewegung.Nach eigenen Angaben ist sie heute in mehr als 70 überwie-gend muslimischen Ländern vertreten. In Deutschland nut-zen die MB-Anhänger eine Vielzahl „Islamischer Zentren“ fürihre Aktivitäten. Die wichtigste und zentrale Organisation istdabei die „Islamische Gemeinschaft in Deutschland“ (IGD).

• „Tablighi Jama`at“ (TJ)

Die TJ wurde 1926 in Indien gegründet. Die Organisation ex-pandierte zunächst über den indischen Subkontinent nachSüdasien, später auf die Arabische Halbinsel, über Afrika undEuropa bis nach Nordamerika. Heute ist die TJ eine transna-tionale Massenbewegung mit weltweit mehreren MillionenAnhängern. Ihre Aktivisten sind auch in Deutschland tätig.

• „Islamisches Zentrum Hamburg e.V.“ (IZH)

In Deutschland gibt es eine Reihe von Zentren regimetreuerIraner. Diese Zentren unterstehen dem iranischen Staat unddamit der schiitischen Staatsdoktrin. Das einflussreichsteZentrum ist das IZH, das 1962 gegründet wurde.

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ISLAMISMUS: ENTSTEHUNG UND ERSCHEINUNGSFORMEN

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Was istSalafismus?

2.5 SalafismusDer Salafismus ist sowohl eine Ideologie als auch eine Bewegung in-nerhalb des Islamismus. Salafisten geben vor, ihre religiöse Praxisund Lebensführung am Koran und am Vorbild des Propheten Mu-hammad auszurichten. Bei der Frage, was „wahrhaft islamisch“ ist,kommt den sogenannten „rechtschaffenen Altvorderen“ (al-salaf al-salih) eine entscheidende Rolle zu. Salafisten versuchen, die angebli-che „Reinheit“ der islamischen Urgemeinde unverändert auch inder modernen Gesellschaft zu praktizieren. Andere Lebensentwürfeund Glaubensvorstellungen, sowohl nicht-islamische als auch isla-mische, lehnen sie entschieden ab.

Der Salafismus ist trotzdem keine homogene Bewegung, sondernlässt sich in zwei Richtungen untergliedern. Der Verfassungsschutzunterscheidet zwischen politischen und „jihadistischen“ Salafisten.Beide Richtungen verfolgen dasselbe Ziel, die Errichtung eines sala-fistischen Staates, und berufen sich dabei auf dieselbe Ideologie. Wasdie beiden Richtungen unterscheidet, ist die Wahl der Mittel, umdiese Vorstellung umzusetzen.

Politische Salafisten sind vor allem propagandistisch aktiv. Sie selbstbezeichnen dies als „da`wa“, meist übersetzt mit „Mission“; die ei-gentliche Bedeutung ist „Einladung“. Für „jihadistische“ Salafistenist Gewalt das vornehmliche Mittel zum Erreichen ihrer Ziele. DieÜbergänge zwischen beiden Richtungen sind fließend. Fest steht,dass fast alle „Jihadisten“ aus Deutschland zuvor mit Salafisten odersalafistischen Einrichtungen real oder virtuell in Kontakt standen.Die von Salafisten verbreitete Ideologie fördert also die islamisti-sche Radikalisierung und kann so in den Terrorismus führen.

• „Da`wa“„Da’wa“ – wörtlich „Einladung“ – bezeichnet zunächst die ständige Einladungdurch Gott und die Propheten zum Islam. Hieraus leitet sich die Pflicht einesjeden Muslims ab, durch ein vorbildliches Leben und/oder durch Worte„Da’wa“ zu betreiben und andere vom Islam zu überzeugen. Vor allem Salafis-ten bezeichnen ihre Aktivitäten als „Da’wa“.

Bislang einmalig ist eine neue Aktionsform: die salafistische Stra-ßengewalt. Als im Rahmen des nordrhein-westfälischen Wahl-kampfes Mitglieder der „Bürgerbewegung pro NRW“ Anfang Mai2012 in Solingen und Bonn Muhammad-Karikaturen zeigten, eska-lierte die Situation. Salafistische Gegendemonstranten griffen Mit-

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ISLAMISMUS: ENTSTEHUNG UND ERSCHEINUNGSFORMEN

glieder von „pro NRW“ und Polizisten an. Dabei wurden zwei Poli-zeibeamte schwer verletzt. Diese gewalttätigen Proteste stellen inDeutschland eine im Bereich des Salafismus neue Aktionsform dar.Sie weist in Ansätzen Merkmale einer Straßenmilitanz und Paralle-len zu entsprechenden linksextremistischen Ausschreitungen auf.

Akteure der salafistischen Straßengewalt entstammen sowohl poli-tischen als auch „jihadistischen“ Gruppierungen und definieren zu-nehmend eine neue Rolle für sich. Da, nach ihrer subjektiven Auf-fassung, der Islam in Deutschland beleidigt und bekämpft wird, er-scheint es für diese militanten Salafisten legitim, ihren unmittelba-ren Beitrag zur „Verteidigung des Islam“ auch hierzulande zuerbringen. Sie deklarieren ihre gewalttätigen Aktionen deshalb alsGlaubenspflicht und „Verteidigungs-Jihad“ der Muslime in der Bun-desrepublik. Gewalt betrachten sie bei ihrem Kampf als legitimesMittel. Dabei werden die gewaltsamen Aktionen in Deutschland alsErgänzung der „Verteidigung des Islam“ weltweit verstanden. Insbe-sondere islamkritische oder islamfeindliche Aktionen eröffnen ih-nen einen lokalen Wirkungskreis.

Die salafistische Bewegung hat keine festen oder hierarchischenStrukturen. Sie besteht aus Predigern, Kleinstgruppen und Kleinor-ganisationen, Moscheegemeinden und „einfachen“ Anhängern, die -national und international - netzwerkartig miteinander verbundensind.

Das Ziel von Salafisten ist es, Staat, Rechtsordnung und Gesellschaftnach salafistischen Vorstellungen umzugestalten. Westliche Demo-kratien und ihre Werte werden mit der Begründung abgelehnt, sieseien von Menschen gemacht und damit nicht gottgewollt. Der sa-lafistische Gegenentwurf zu unserer Verfassung ist eine islamisti-sche Gesellschafts- und Staatsordnung, in der Grund- und Men-schenrechte, die freiheitliche demokratische Grundordnung undandere zentrale Verfassungspositionen keine Geltung mehr habensollen.

In Deutschland werden rund 4.500 Personen dem salafistischenSpektrum zugerechnet. Eine genaue Zahl gibt es nicht, da zahlreichesalafistische Personenzusammenschlüsse keine festen Strukturenaufweisen. Die An- und Einbindung in das salafistische Milieu istmeist nicht formell bzw. mitgliedschaftlich organisiert, sonderndurch informelle Schüler-Lehrer-Beziehungen oder virtuelle Kon-takte im Internet gekennzeichnet. Salafisten finden sich jedochauch in anderen islamistischen Organisationen und Einrichtungen.

Warumbeobachtet der Verfassungs-schutzsalafistischeBestrebungen?

Wie sindSalafisten inDeutschlandaktiv?

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ISLAMISMUS: ENTSTEHUNG UND ERSCHEINUNGSFORMEN

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Eine einflussreiche Propagandaplattform salafistischer Ideologiewar bis zu seiner Auflösung der Verein „Einladung zum Paradiese.V.“ (EZP); bis heute aktiv ist die Vereinigung „Die Wahre Religion“(DWR). Neben der Verbreitung salafistischen Gedankenguts überdas Internet führt DWR u.a. auch sogenannte Islamschulungen oderIslamseminare durch. Am 14. Juni 2012 verbot der Bundesinnenmi-nister die salafistische Gruppierung „Millatu Ibrahim“. Das Verbotführte dazu, dass etliche der „Millatu Ibrahim“-Aktivisten Deutsch-land verließen und in arabische Staaten ausreisten.

Salafistische Ideologie wirdheute zunehmend professio-nell und adressatengerechtverbreitet. Ihre Vertreter wis-sen sich bei ihrer „Da`wa-Ar-beit“ öffentlichkeitswirksamin Szene zu setzen. Ein Beispielhierfür ist die Kampagne„Lies!“. Dabei hatten die Akti-visten an „Islam-Infoständen“in Fußgängerzonen den Koranan Passanten verteilt. Hinterder Kampagne steht das Predi-gernetzwerk DWR.

Das Angebot an Propagandareicht von derartigen „Islam-Infoständen“ bis hin zu Groß-veranstaltungen auf öffentli-chen Plätzen und diversen Is-lamseminaren. Diese Seminaresind oftmals mehrtägige Ver-anstaltungen, bei denen be-kannte salafistische Predigeraus dem In- und Ausland auf-treten. Salafistische Netzwerkeorganisieren zudem Pilger-und Sprachreisen. ZentralesMedium für die Verbreitungsalafistischer Propaganda ist

das Internet. So gibt es eine Vielzahl von deutschsprachigen Websei-ten und entsprechende Kurzvideos, z.B. im Internetportal YouTube.

Im Rahmen der „Lies!“-Kampagne sollten25 Millionen Exemplare des Koran an

Nichtmuslime verteilt werden.

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ISLAMISMUS: ENTSTEHUNG UND ERSCHEINUNGSFORMEN

10 Jerome P. Bjelopera, American Jihadist Terrorism: Combating a complex threat. CRS Report for Congress,ohne Ort 2011, S. 20.

11 Vgl. Senatsverwaltung für Inneres und Sport, Abteilung Verfassungsschutz, Vom Gangster-Rap zumJihad-Aufruf – radikalisierende Hymnen „neugeborener“ Salafisten, Berlin 2011.

3. Islamistische „Angebote“ und Aktionen

3.1 Ausgangslage

Islamismus ist gerade für junge Menschen attraktiv. In Deutschlandschafft es vor allem der Salafismus, junge Menschen für seine Inter-pretation des Islam zu begeistern. Islamisten präsentieren sich ju-gendgerecht. Eine US-amerikanische Studie spricht in diesem Zu-sammenhang auch von einem „Jihadi cool“ 10. Das Internet spielt ei-ne wichtige Rolle und verhilft oftmals zum Einstieg in die islamisti-sche Szene. Einfach, schnell, kostengünstig und zunächst anonymkann so der Kontakt zur Szene aufgebaut werden. Gerade Jugendli-che, die mit dem Medium Internet vertraut sind, nutzen das Online-Angebot von Islamisten. Dort eingestellte Videos und „Nashids“ ent-sprechen zudem dem Konsumverhalten von Jugendlichen. Sie ver-packen islamistische Ideologie in einer attraktiven Hülle.

• „Nashid“Das arabische Wort „nashid“ bezeichnet eine Art Gesang oder Hymne. „Nas-hids“ sollen den Mut und die Stärke betonen oder Erinnerungen an histori-sche Ereignisse (z.B. Schlachten gegen den Feind) wach halten. Für Islamistensind „Nashids“ Kampflieder, die die Zuhörer zum „Kampf für die Sache des Is-lam“ bewegen sollen. Sie sind sehr rhythmisch, werden fast immer a capellagesungen oder allenfalls von einer Handtrommel begleitet. Als islamistischeKampflieder wurden „Nashids“ im Krieg gegen die sowjetische Besatzung inAfghanistan (1979-1989) populär.

Die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien hat im März2012 erstmals „Nashids“ aus dem salafistischen Spektrum inDeutschland als jugendgefährdend eingestuft. Zahlreiche Liedtextepropagieren den gewaltsamen „Jihad“ als vermeintliche religiösePflicht für jeden Muslim und enthalten auch Aufrufe zur Tötung„Ungläubiger“. 11

Ein vermeintliches Highlight für radikalisierte Jugendliche ist aberimmer noch die Ausreise in ein sogenanntes „Jihad“-Gebiet und diedortige paramilitärische Ausbildung in einem Trainingslager. Die is-lamistische Propaganda vermittelt hierzu Bilder von Gruppenerleb-nis und Lagerfeuerromantik. Dass die Realität im „Jihad“-Gebietdem in keiner Weise entspricht, stellen viele „Jihadisten“ aus demWesten aber erst vor Ort fest.

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ISLAMISMUS: ENTSTEHUNG UND ERSCHEINUNGSFORMEN

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Ein Grund für die Attraktivität islamistischer Propaganda bei Ju-gendlichen ist die altersbedingte, oft durch familiäre Konstellatio-nen verstärkte Orientierungslosigkeit und die daraus resultierendeintensive Suche nach den richtigen Werten, nach echter Gemein-schaft und nach Gerechtigkeit. Islamisten bieten einfache und ein-deutige Antworten auf alle Fragen des Lebens und geben mithinklare Verhaltensregeln vor. Sie propagieren dabei ein simples Welt-bild, in dem es keine Zwischentöne, sondern nur Gute (Muslime)und Böse (Ungläubige) gibt. Islamisten vermitteln das Gefühl einerfesten, gottgewollten Gemeinschaft, die Halt gibt und Sinn stiftet,sowohl im Diesseits als auch im Jenseits.

3.2 InternetFür Islamisten erfüllt das Internet im Wesentlichen drei Funktio-nen: Wissensspeicher, Netzwerk und Propagandamedium.

Internet als Wissensspeicher

Das Internet dient Islamisten als Wissensspeicher, denn für alleAusprägungen des Islamismus hält das Internet entsprechende An-gebote bereit. Neben islamistischer Propaganda und Veranstal-tungshinweisen finden sich Anleitungen zum Bombenbau, aberauch zur Anschlagsplanung und -durchführung. Auch Hinweise zustrategischen Fragen des globalen „Jihad“, Verschlüsselungssoftwarezum Download und Anleitungen zum konspirativen Verhalten sindim Internet verfügbar.

Islamistische Ideologie wird im Internet auf vielfältige Weise ver-breitet. Neben E-Books und Online-Zeitschriften finden sich Video-,Audio- und Textbotschaften. Vermeintliches Wissen über den „wah-ren“ Islam wird auch in Online-Lehrangeboten vermittelt, z.B. überentsprechende Islamseminare oder in Arabischkursen.

Aus der Vielzahl an verfügbaren Informationen kann jeder Nutzerdiejenigen auswählen, die den eigenen Bedürfnissen am ehestenentsprechen. Aus den Versatzstücken kann dann ein eigenes Welt-bild zusammengesetzt, „erklärt“ und „begründet“ werden. Dem In-ternet kommt so eine wachsende Bedeutung bei der (Selbst-) Radi-kalisierung zu.

Internet als Netzwerk

Islamisten gebrauchen das Internet, um zeitnah, kostengünstig undgrenzüberschreitend Informationen auszutauschen. Kontakte kön-nen so geknüpft und gepflegt werden. Durch das Internet bilden

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ISLAMISMUS: ENTSTEHUNG UND ERSCHEINUNGSFORMEN

sich virtuelle Netzwerke, die Islamisten das Gefühl vermitteln, einerGemeinschaft Gleichgesinnter anzugehören.

Islamisten nutzen weit verbreitete Kommuni-kationswege der digitalen Welt, beispielsweiseE-Mails, Chatrooms und Private-Messages inForen. Auch virtuelle soziale Netzwerke wieFacebook sind für Islamisten wichtig. Hier findet nebender offenen Kommunikation ein Teil des Austausches in geschlosse-nen Bereichen statt oder erfolgt verschlüsselt. Darüber hinaus nut-zen Islamisten zahlreiche islamistische Webseiten wie spezielle isla-mistische Online-Foren oder Blogs.

Internet als Propagandamedium

Islamisten setzen das Internet vorallem dazu ein, ihre Propaganda zuverbreiten, neue Mitglieder undUnterstützer zu gewinnen und ihrevermeintlichen Erfolge zu verkün-den.

Sie präsentieren sich nicht nur inVideo- und Audiobotschaften, son-dern auch durch soziale Netzwerkesowie eigene Webseiten. Ihre Propa-gandaarbeit wird zunehmend pro-fessioneller. Die Qualität der Videossteigt, die Vielfalt der in den Beiträ-gen verwendeten Sprachen nimmtzu.

Eigene Online-Zeitschriften wiedas „Inspire“-Magazin von „al-Qai-da auf der Arabischen Halbinsel“verbreiten „jihadistisches“ Gedan-kengut auch in englischer Sprache.Immer mehr Menschen erhalten soZugang zu islamistischer Propa-ganda. Teilweise schaffen sich ter-roristische Organisationen sogar ei-gene Medieneinrichtungen wie das„al-Fajr“-Medienzentrum. Es fun-giert als zentrale Stelle für Veröf-fentlichungen von wichtigen „jiha-distischen“ Gruppierungen wie derKern-„al-Qaida“.

... ich bin bereit für ALLAH zu kämpfen und bin bereit für ALLAH zu sterben !

Eintrag auf Facebook

Cover einer Ausgabe der Online-Zeitschrift „Inspire“,

die von „al-Qaida auf derArabischen Halbinsel“herausgegeben wird.

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ISLAMISMUS: ENTSTEHUNG UND ERSCHEINUNGSFORMEN

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• Anschlag am Flughafen in Frankfurt/MainEin islamistischer Attentäter verübte am 2. März 2011 auf dem FlughafenFrankfurt/Main einen Anschlag auf US-Soldaten. Dabei erschoss er zwei Sol-daten und verletzte weitere schwer. Bei der Tat handelt es sich um den ersten„erfolgreichen“ islamistisch-terroristischen Anschlag in Deutschland.

Der Attentäter sagte später aus, dass der Auslöser für seine Tat ein Video beiYouTube gewesen sei. In dem Video wurde die Vergewaltigung muslimischerFrauen durch US-amerikanische Soldaten gezeigt. Dass es sich hierbei jedochum einen Ausschnitt aus einem Spielfilm und somit nicht um eine reale Szenehandelte, war dem Attentäter angeblich nicht bewusst. Der Attentäter radika-lisierte sich vor allem über das Internet innerhalb kürzester Zeit selbst. Er wardabei auf diversen jihadistischen Foren aktiv und konsumierte große Mengenjihadistischer Propaganda.

3.3 Ausreisen in „Jihadgebiete“ und andere „islamistische Reisebewegungen“

Auch für Islamisten in Deutschland scheint es oftmals erstrebens-wert, in ein „Jihad“-Gebiet auszureisen, um sich dort ausbilden zulassen und dann aktiv am Kampf teilzunehmen. Zwei Arten von „Ji-had“-Gebieten lassen sich unterscheiden: Erstens Länder oder Re-gionen, in denen Truppen der „Ungläubigen“ stationiert und in mi-litärische Auseinandersetzungen verwickelt sind (z.B. Afghanistan,Tschetschenien, in der Vergangenheit Irak und Bosnien), zweitensLänder oder Regionen der islamischen Welt, in denen die staatlicheMacht nicht in der Lage ist, interne Zwistigkeiten oder Auseinan-dersetzungen zu befrieden (z.B. Jemen, Somalia, Mali, Syrien). Lager,in denen für den bewaffneten Kampf ausgebildet wird, finden sichin beiden Arten von „Jihad“-Gebieten. Neben einheimischen Kämp-fern werden dort u.a. „Jihadisten“ aus dem Westen militärisch undideologisch ausgebildet. Auch aus Deutschland reisen Islamisten indiese Regionen. Personen, die ein terroristisches Ausbildungslagerdurchlaufen haben, stellen in zweierlei Hinsicht ein besonderes Si-cherheitsrisiko dar. Sie verfügen einerseits über die Fähigkeit, An-schläge vorzubereiten und zu begehen, andererseits genießen siehohes Ansehen in der Szene und können deshalb zu einer weiterenRadikalisierung von Islamisten beitragen, vor allem dann, wenn sienach Deutschland zurückkehren.

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ISLAMISMUS: ENTSTEHUNG UND ERSCHEINUNGSFORMEN

Die Reise in ein terroristisches Ausbildungslager ist nicht einfach,ohne Unterstützung eines Mittelsmannes erscheint sie kaum mög-lich. Der Mittelsmann bestimmt neben dem Reiseablauf oftmalsauch die Auswahl des Lagers und damit die Gruppierung, in der dieAusgereisten schließlich aufgenommen werden.

Ausreisen in „Jihad“-Gebiete gehen oft Reisen in islamische, meistarabische Staaten voraus. Islamisten aus Deutschland und anderenwestlichen Staaten reisen bevorzugt in Länder wie Ägypten oderden Jemen, um dort an einschlägig bekannten und beworbenenEinrichtungen Arabisch zu lernen oder den Islam zu studieren. ImUmkreis dieser Einrichtungen findet dann oft eine weitere Radika-lisierung statt. Die meisten dieser Islamisten kehren nach ihren„Studien“ zumindest zeitweilig in ihre Heimatländer zurück, einigevon ihnen reisen aber auch direkt in einschlägige „Jihad“-Gebieteweiter.

Für die Ausreise wird vor allem im Internet geworben. Versprechun-gen von schariakonformem Leben, Action und Thrill inmitten vongleichgesinnten Brüdern und Schwestern sollen Islamisten gezieltzur Ausreise bewegen. Viele lassen sich von dieser Propaganda blen-den und realisieren erst vor Ort, dass die Realität meist vollkommenanders ist, als im Internet suggeriert. Hier dominieren:

• Einsamkeit:Schon aufgrund mangelnder Sprachkenntnisse könnensich die Rekruten aus unterschiedlichen Ländern kaummiteinander verständigen.

• Entbehrungen:Die Lebensbedingungen sind schwierig (schlechte Unter-bringung, Mangel an Geld und Nahrungsmitteln, militäri-scher Drill).

• Krankheit:Die hygienischen Verhältnisse sind schlecht, es gibt meistkeine ausreichende medizinische Versorgung.

• Angst:Ausbildungslager werden immer wieder gezielt angegriffen.

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ISLAMISMUS: ENTSTEHUNG UND ERSCHEINUNGSFORMEN

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Viele westliche Islamisten in den Ausbildungslagern sind nach kur-zer Zeit nicht nur krank, sondern auch desillusioniert und demora-lisiert. Aus dem Lager weg und zurück in ihr jeweiliges Heimatlandzu gelangen, ist jedoch ebenfalls nicht einfach. Meistens stehen sievor dem Problem, keine gültige Aufenthaltserlaubnis, keinen Passund kein oder nur sehr wenig Geld zu besitzen. Als letzter Auswegzurück bleibt oft nur, die eigene Botschaft aufzusuchen.

• Getöteter „Jihadist“Ein „Jihadist“ deutscher Herkunft starb im April 2010 in Pakistan bei Gefech-ten. Er wurde vor allem durch seine angeblichen Memoiren „Mein Weg nachJannah“ 12 bekannt. Nach seinem Tod wurden diese im Internet veröffentlicht.Seine Memoiren sind eine Mischung aus biographischen Angaben, verbundenmit ideologischen Versatzstücken, die eindeutig „jihadistisch“ sind.

Der getötete „Jihadist“ konvertierte 2007 zum Islam und reiste schon im No-vember desselben Jahres in das afghanisch-pakistanische Grenzgebiet aus. Erwurde vermutlich in einem Trainingslager der „Islamischen Jihad-Union“ (IJU)ausgebildet.

12 Das arabische Wort „jannah“ bedeutet „Paradies“.

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ISLAMISMUS: ENTSTEHUNG UND ERSCHEINUNGSFORMEN

FazitDie Beobachtung und Bekämpfung von Islamismus und islamisti-schem Terrorismus wird auch in den kommenden Jahren Schwer-punkt der Arbeit des Verfassungsschutzes sein, denn Deutschlandsteht weiterhin im Fadenkreuz islamistischer Militanz. Auch dienicht abreißende Serie von weltweiten Anschlägen verdeutlicht,dass dem Kampf gegen den internationalen, islamistisch motivier-ten Terrorismus ein besonderer Stellenwert beizumessen ist. Nurauf dem Wege einer engen nationalen und internationalen Zusam-menarbeit aller Sicherheitsbehörden können die grenzüberschrei-tenden Strukturen der „Jihadisten“ und mit ihnen kooperierenderegionale Zusammenschlüsse gewaltbereiter Islamisten frühzeitigerkannt und zerschlagen werden.

Islamistische Gruppierungen in Deutschland, deren Anhänger nichtzu Gewaltanwendung aufrufen, bzw. selbst keine Gewalt anwenden,stehen ebenfalls unter Beobachtung. Die Ziele dieser Organisatio-nen befinden sich im Widerspruch zur freiheitlichen demokrati-schen Grundordnung unseres Landes. Sie versuchen „Freiräume“für die Verwirklichung ihrer islamistischen Vorstellungen innerhalbder deutschen Rechtsordnung zu schaffen. Damit ist aber die Gefahrverbunden, dass ein Teil der hier lebenden Muslime in eine strengabgegrenzte „Parallelgesellschaft“ geführt wird. So behindert ihrWirken nicht zuletzt das friedliche Neben- und Miteinander unter-schiedlicher Religionen bis hin zu einer möglichen Isolation einzel-ner muslimischer Bevölkerungsgruppen in Deutschland.

Mit Nachdruck muss verhindert werden, dass islamistische und be-sonders salafistische Organisationen und Prediger in Deutschlanddie islamistische Ideologie weiter verbreiten. Eine besondere Gefahrerwächst künftig vor allem aus der Tatsache, dass die ideologischenAngebote des Islamismus gerade für Jugendliche mit zunehmenderAttraktivität vermarktet werden.

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ISLAMISMUS: ENTSTEHUNG UND ERSCHEINUNGSFORMEN

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Literaturhinweise

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