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7Rückblick
Das also war des Pudels Kern!(Johann Wolfgang von Goethe)
Usability Engineering folgt einer bestimmten Philosophie. Dieses Ka-pitel soll einige Kernpunkte nochmals in Form von fünf zentralenPrinzipien zusammenfassen. Es kann hilfreich sein, sich diese Prinzipienin einer ruhigen Minute zu vergegenwärtigen und den eingeschlagenenKurs zu überprüfen.
7.1 Fragestellung: Zielgerichtet vorgehen
Lassen Sie die in diesem Buch vorgestellten Methoden und KonzepteRevue passieren. Es wurde oft betont, wie substanziell die Definitioneiner Fragestellung ist:
• Contextual Inquiry wird von den offenen Fragen gesteuert, die es zubeantworten gilt.
• Personas werden unterschiedlich charakterisiert, je nachdem, ob hoheQualität der Arbeit, hohe Effizienz oder hohe Sicherheit im Vorder-grund steht.
• Aus der Fragestellung lässt sich ableiten, welche Art von Prototypingzielführend ist: Sollen Anforderungen geklärt oder die Benutzer-
149M. Richter, M.D. Flückiger, Usability Engineering kompakt, IT kompakt,DOI 10.1007/978-3-642-34832-7_7, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2013
150 7 Rückblick
Ziele, Risiken, Fragen---
Vorgehen/Methoden----
Quellen--------
Resultate--------
Ressourcen---
Abb. 7.1 Ein einfaches Hilfsmittel zur gemeinsamen Entwicklung von Fragestellun-gen und Planung der beabsichtigten Usability-Methoden in einem Workshop
schnittstelle konzipiert werden? Geht es darum, ein User Interface zuoptimieren oder für die Entwicklung zu spezifizieren?
• Wie und wann ein Fragebogen zum Einsatz kommt, hängt von derFragestellung der Untersuchung ab.
Jeder Methode sollte eine wohlüberlegte Fragestellung zugrunde liegen.Abbildung 7.1 zeigt ein Hilfsmittel, um in einem Workshop eine Frage-stellung zu entwickeln. Die Teilnehmer schreiben aktuelle Fragen undZiele auf und ergänzen notwendige Quellen, Methoden, beabsichtigteResultate und dafür erforderliche Ressourcen.
7.2 Kontext: Für die Realität entwerfen
Usability hängt per Definition nicht vom Produkt allein, sondern von derWechselwirkung zwischen Benutzer, Werkzeug, Aufgabe und Umfeldab. Usability-Methoden zielen deshalb darauf ab, den realen Anwen-dungskontext einzubeziehen:
• Im Rahmen von Contextual Inquiry geht der Analyst zu den Benut-zern und beobachtet diese bei der Arbeit.
7.3 Partnerschaft: Benutzer konstruktiv einbeziehen 151
• Personas und Szenarien bringen den Kontext in Design und Entwick-lung hinein.
• Storyboards zeigen das Produkt im Umfeld der Benutzung.• In Usability-Tests werden realistische Szenarien durchgespielt.
Eine Software ist kein in sich abgeschlossenes System, sondern untrenn-bar mit dem Kontext verbunden. Die zu erstellende Lösung muss in derWechselwirkung mit ihrer Umwelt betrachtet werden, damit sie auch indiese Umwelt hineinpasst.
7.3 Partnerschaft: Benutzer konstruktiv einbeziehen
Partnerschaft bedeutet, Benutzer als Experten ihres Fachgebietes zu ver-stehen und ihre Wünsche und Bedürfnisse zu berücksichtigen. Benutzerkennen die konkreten Details und Besonderheiten ihrer täglichen Arbeitund sind schließlich die Messlatte für die Praxistauglichkeit des neuenSystems.
• Contextual Inquiry ermöglicht, die Arbeit der Experten vor Ort ken-nenzulernen.
• Storyboards, UI-Prototypen und Styleguides schaffen eine Sprache,die Benutzern und Entwicklern verständlich ist und ermöglichen dieZusammenarbeit.
• In Usability-Tests setzt das Projektteam seine Arbeit systematisch derKritik der Benutzer aus.
• Fragebögen erlauben die Beurteilung eines Systems aus Sicht der Be-nutzer.
Projektmitarbeiter und Benutzer bilden ein interdisziplinäres Team undbearbeiten zusammen eine ausgewählte Fragestellung. So wird konstruk-tive Zusammenarbeit möglich.
7.4 Fakten interpretieren
Fakten werden zusammengetragen, interpretiert und die eigene Interpre-tation wiederum geprüft:
152 7 Rückblick
• Contextual Inquiry und Fragebögen dienen zum Sammeln und Aus-werten von Fakten.
• Personas und Szenarien werden nicht einfach erfunden, sondern ausden gesammelten Informationen herausgearbeitet.
• Use Cases werden aufgrund der Ergebnisse aus der Analyse von Be-nutzern und Kontext erstellt.
• User-Interface-Prototypen werden in Usability-Tests objektiv geprüft.
Es sollten möglichst unvoreingenommene Diskussionen über die Soft-ware geführt werden. Projektmitarbeiter müssen vorgefasste Meinungenüberprüfen und gegebenenfalls revidieren. Lassen Sie die gesammeltenFakten sprechen, hören Sie aufmerksam zu, und entwerfen Sie die zu denFakten passende Software.
7.5 Modellieren: Entwerfen und Feedback einholen
Eine benutzbare Lösung zu entwickeln bedeutet, Entwürfe und Modellezu erarbeiten und mithilfe der Benutzer zu überprüfen und zu optimieren:
• Contextual Inquiry nimmt Bezug auf bereits vorhandene Systeme undArbeitsprozesse. Die Benutzer werden nicht einfach nach ihren Vor-stellungen befragt. Schon in den ersten Interviews schaffen Entwürfeund Prototypen oder vergleichbare Produkte einen Bezug zu der Er-fahrungswelt der Benutzer.
• Personas und Szenarien modellieren Bedürfnisse und Anforderungender Benutzer. In Storyboards und User-Interface-Prototypen werdendiese so aufbereitet, dass die Benutzer eine reale Vorstellung von dergeplanten Lösung erhalten.
• Use Cases repräsentieren die geplante Funktionalität des neuen Sys-tems. Sie werden aufgrund der Rückmeldungen der Beteiligten präzi-siert.
• User-Interface-Prototypen spiegeln die geplanten Abläufe aus Benut-zersicht wider. In Usability Tests wird die Interaktion geprüft undangepasst.
7.5 Modellieren: Entwerfen und Feedback einholen 153
Das Verständnis des Modellierens ist im Usability Engineering es-senziell. Ein effektiv und effizient benutzbares Produkt kann nicht aufAnhieb erstellt werden. Feedbackzyklen auf verschiedenen Ebenen sindnotwendig.
DenkanstoßHalten Sie sich ein aktuelles Projekt vor Augen. Wenn Sie die fünfgeschilderten Prinzipien auf die methodischen Gepflogenheiten indiesem Projekt anwenden würden, was müssten Sie ändern?