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J. Traube zum 70, Geburtstag Am 31. M~rz dieses Jahres feiert Professor J. Traube seinen 70. Gebnrtstag. Manchem, der ihn persSn]ich kennt, wird diese Nach- richt nicht ganz glaubwtirdig erscheinen, viele werden ihn viel eher ftir einen rtistigen Ftinfziger halten. Es ist, als ob sein reger Geist Chronos zwei Jahrzehnte abgetrotzt h~tte. Er ist heute noch so wie damals, als ich illn nach dem Kriege kennenlernte. Ich kann reich noch sehr gut erinnern, was ftir einen Eindruck die Begegnnng mit ihm auf reich gemacht hat, wie er bei jedem kleinen Gespr~ch immer gleieh arts dem tiefen Born seiner wissenschaftliehen Kenntnisse sehSpfte, wie er selbst bei der Diskussion sich abqu~lte, um mit der Erkenntnis einea Schritt weiterzukommen, wie er in temperamentvoller Weise bier scharfe Kritik iibte, dort sich fiir neue Wege begeisterte, seine idealistische Begeisterung auf andere tibertrng nnd sich rastlos immer wieder Neuem zuwandte. J. Traube wnrde am 31. M~rz 1860 in tIildesheim geboren. Er studierte ab 1879 in Berlin und promovierte auch dort mit einer chemi- schen Abhandlang, die er im physiologischen Institut ausgeftihrt hatte. Ein Semester lang assistierte er dann in Heidelberg und zwei Jahre an der Landwirtschaftlichen Akademie in Bonn. 1885--1890 leitete er gemeinsam mit Bodl~nder ein ttandelslaboratorium in Hannover. Im Jahre 1891 habilitierte er sich ftir physikalische Chemie an der Tech- nischen Hochschule in Berlin, wo er heute noeh unermtidlich weiter- arbeitet, trotzdem er sich stets mit ~uflerst bescheidenen Mitteln ftir die Ffihrung seines dortigen Laboratoriums and fiir seinen eigenea Lebens- unterhalt begntigen muBte. Traubes Rolle in der Wissenschaft war vielfach die des Forschers, der seiner Zeit vorauseilt, der arts diesem Grande oft nnd oft gegen den Strom schwimmen muir, aufs Sch~trfste bek~impft wird und auf Unver- sti~ndnis st5l~t, his die allgemeine Entwicklung seiaer Forschangsgebiete ihn schliel~lich einholt and mit einem Male das fiir selbstverstgndlich betrachtet wird, woftir der Vork~tmpfer einst erbittert and nur zu oft auch verbittert gekgmpft hat. Es liegt in dieser Rolle eine gewisse

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J. Traube zum 70, Geburtstag

Am 31. M~rz dieses Jahres feiert Professor J. T r a u b e seinen 70. Gebnrtstag. Manchem, der ihn persSn]ich kennt, wird diese Nach- richt nicht ganz glaubwtirdig erscheinen, viele werden ihn viel eher ftir einen rtistigen Ftinfziger halten. Es ist, als ob sein reger Geist Chronos zwei Jahrzehnte abgetrotzt h~tte. Er ist heute noch so wie damals, als ich illn nach dem Kriege kennenlernte. Ich kann reich noch sehr gut erinnern, was ftir einen Eindruck die Begegnnng mit ihm auf reich gemacht hat, wie er bei jedem kleinen Gespr~ch immer gleieh arts dem tiefen Born seiner wissenschaftliehen Kenntnisse sehSpfte, wie er selbst bei der Diskussion sich abqu~lte, um mit der Erkenntnis einea Schritt weiterzukommen, wie er in temperamentvoller Weise bier scharfe Kritik iibte, dort sich fiir neue Wege begeisterte, seine idealistische Begeisterung auf andere tibertrng nnd sich rastlos immer wieder Neuem zuwandte.

J. T r a u b e wnrde am 31. M~rz 1860 in tIildesheim geboren. Er studierte ab 1879 in Berlin und promovierte auch dort mit einer chemi- schen Abhandlang, die er im physiologischen Institut ausgeftihrt hatte. Ein Semester lang assistierte er dann in Heidelberg und zwei Jahre an der Landwirtschaftlichen Akademie in Bonn. 1885--1890 leitete er gemeinsam mit B o d l ~ n d e r ein ttandelslaboratorium in Hannover. Im Jahre 1891 habilitierte er sich ftir physikalische Chemie an der Tech- nischen Hochschule in Berlin, wo er heute noeh unermtidlich weiter- arbeitet, trotzdem er sich stets mit ~uflerst bescheidenen Mitteln ftir die Ffihrung seines dortigen Laboratoriums and fiir seinen eigenea Lebens- unterhalt begntigen muBte.

T r a u b e s Rolle in der Wissenschaft war vielfach die des Forschers, der seiner Zeit vorauseilt, der arts diesem Grande oft nnd oft gegen den Strom schwimmen muir, aufs Sch~trfste bek~impft wird und auf Unver- sti~ndnis st5l~t, his die allgemeine Entwicklung seiaer Forschangsgebiete ihn schliel~lich einholt and mit einem Male das fiir selbstverstgndlich betrachtet wird, woftir der Vork~tmpfer einst erbittert and nur zu oft auch verbittert gekgmpft hat. Es liegt in dieser Rolle eine gewisse

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mensehliche Tragik, die den, der wenigstens sp~ter die Bedeutung der Wandlung tier Dinge zu verstehen glaubt, zu doppelter Dankbarkeit verpfliehtet zu dem, der sie durch seine Lebensarbeit vorbereitet hat. Mit vielem ging es T r a u b e auch in der Theorie so wie mit seinen kleineu medizinischen Tropffl~tsehchen, die heute jeder beniitzt und yon denen man sich schon gar nicht mehr vorstellen kann, dal~ sie einmal nicht existiert haben, daJ] sie erst yon einem findigen Kopf ersonnen werden mul~ten. So sind uns heute auch viele bedentsame t heo re t i s ehe Aus- wirkungen seiner Ideen, die auch die Oberfl~chenerscheinungen zum Ausgangspunkt hatten, etwas ganz Selbstverstgndliches und sind inte- grierende Bausteine der Kapillarchemie geworden. Als aber Traube mit seinen Theorien der Auswirkungen der Oberflgchenaktivitgt, der ,,Haft- druckerscheinungen", der Traubeschen Regel yon der Wirknng aqni- valenter Mengen kapillaraktiver Stoffe in den homologen Reihen auf den Plan trat, da mu6te er in der Biologie erst mgehtig Sturm laufen gegen die Lipoidtheorie, die damals die ganze Zellphysiologie antler Atem hielt und gerade solche wichtige Probleme der Biologie und Medizin wie die Permeabilitgtserscheinungen und die Narkose aufs beste verst~ndlieh zu machen schien. Da die Lipoidtheorie so au6erordentlich anregend ge- wirkt hatte, war es begreiflich, da6 man sie so temperamentvoll ver- teidigte und den Streit yon beiden Seiten gar zu sehr auf ein Entweder- Oder einstellte. Hat ein Stoff eine hohe Oberfl~ehenaktivitgt, so kann er an jeder Zelloberflgehe, mag sie nun aus Eiweil~kSrpern oder aus Lipoiden bestehen, angereiehert werden; ist die Zellmembran irgendwo wirklieh eine Lipoidmembran, so schliel~t LSslichkeit eines Stoffes in den Membranlipoiden nattirlich Oberflgchenadsorptionserscheinungen in keiner Weise arts. Dal~ andererseits die Haftdrucktheorie allein nieht zur Er- kl~trung aller Permeabilit~tsphgnomene ausreieht, dal~ sie bertieksiehtigen mu~, dal~ die gesetzmgfiige Kolloidstruktur der Membran selbstverstgnd- lich nieht ohne Einflu6 auf die Passage gelSster Substanzen ist, dal~ gerade sie den Unterschied zwischen der Permeabilit~t der lebenden and der toten Zellmembran bedingt uad ihre ~_nderuug den physiologischen Permeabilit~tsgnderungen zugrunde liegt, alas tut im t~brigen der Be- deutung der Haftdruckerseheinungen keinen Abbruch. - - Weder die Lipoidtheorie noeh die ttaftdrucktheorie in ihrer ursprtingliehen Form gaben eine Erkl~rung des Wesens der Narkose. Sie k~nnen nur er- klgren, weshalb die Narkotika wirksam oder unwirksam sind. Die Par- allelitgt zwisehen den Gesetzmgl~igkeiten der Traubeschen Kegel und der narkotischen Wirksamkeit ist aber imponierend, und dartiber hinaus

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scheint es, wenn wir heute dartiber auch noch nichts Sicheres wissen, durchaus miiglich, da6 die Anreicherung der narkotisch wirkenden Sub- stanzen an den Grenzfl~chen Konsequenzen hat - - man denke nur etwa an eine Anderung yon Grenzfl~tchenpotentialen - - , welche bei z u k t i n f t i g e n Untersuchungen noch zum Wesen der Narkose h i n f t i h r e n k~innten.

Die physikalisch-chemischen und speziell ko]loidchemischen Betrach- tungsweisen und Methoden, welche T r a u b e ja tiberhaupt sowohl in der Chemie als auch in Biologie als einer der Ersten mit Erfolg propagierte, wandte er auch bei der Analyse der Wirkung der verschiedensten Arznei- mittel und zur Bestimmung der Eigenschafteu normaler und pathologi- scher KSrperfltissigkeiten, wie Urin, Blur, Milch und Magensaft an. Alle diese medizinisch-biologischen Arbeiten T r a u b e s sind derart, dal~ sich daraus viel Lehrreiches auch fiir die allgemeine Protoplasmaforschung ergibt. - -

Zum Schlu• noch ein Wort dankbarer Anerkennung ftir eine Unter- nehmung J. T r a u b e s , die uns ganz besonders angeht. Kurz vor dem Kriege grtindete J. T r a u b e die , , I n t e r n a t i o n a l e Z e i t s c h r i f t f i i r p h y s i k a l i s c h - c h e m i s c h e B i o l o g i e " . Sowohl das theoretische Pro- gramm der Zeitschrift, als anch ihre P a r o l e d e r briiderlichen inter- nationalen Znsammenarbeit beim Aufbau dieser modernsten biologischen Disziplin decken sich in wesentlichen Punkten mit denen der Zeitschrift ,,Protoplasma ~'. Aber tiber T r a u b e s Unternehmung stand kein Glticks- stern. Trotzdem in den wenigen erschienenen B~nden seiner Zeitschrift viele wertvolle Publikationen enthalten sind, war in den Kreisen, die als Abonnenten in Frage kamen, damals noch kein ausreichendes Inter- esse ftir diese Orientierung in der Biologie vorhanden, nnd dann kam der unselige Weltkrieg und machte das ganze hoffnungsvolle internatio- uale Projekt zunichte. Die Zeitschrift wurde ein Opfer des Krieges and ist auch sp~tter hie wieder aufgenommen worden. Als dann 1996 die Protoplasma-Zeitschrift gegrtindet wurde, hatte sich inzwischen die Situation sehr zngunsten des Projektes verschoben. Erstens war in tier ganzen Welt der Sinn fiir das Ideal kultivierter internationaler Zusammenarbeit m~chtig gest~trkt, und zweitens war mit einem Male in fast allen L~tndern sogar ein aul]ergewShnliches Interesse fiir unsere Art der physikalisch-chemi- schen Zellforschung aufgekommen. Wie es kommen mul~te, waren es jetzt in erster Linie die Biologen und Mediziner selbst, welche jenes Arbeitsprogramm der physikochemischen Betrachtungsweise zu dem ihrigen machten; daher jetzt auch der biologische Name, den wir uns auf die Fahne geschrieben, tier aber nattirlich die Mitarbeit der Physikochemiker,

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die uns ja letzten Endes alle exakten Grundlagen liefern, in keiner Weise ausschliei~t. Die Entwicklung ist iiber den urspriinglichen Stand der Dinge rasch hiniibergegangen. Den verdienstvollen Anteil, den T r a u b e an ihr hat, werden wir aber hie vergessen.

Wir bringen unsere herzlichsten Glilckwtinsche dar J. T raube , dem Vorkgmpfer der physikalisch-chemischen Betrachtungsweise in tier Biologie und dem Wegebereiter des Programmes cytologischer Forschung, welches die Protoplasm~-Zeitschrift verficht!

Josef SI)ek (Heidelberg)

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ProtoDlasma bd, IX Tafei

K. B(~lar r)ho' Verlag yon GebrQder 6orntraeger in Leipzig