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2018 Jahrbuch

Jahrbuch2018 - Interne Revision · Wissensmanagement in einer externen Finanzkontrolle ..... Seite 71 Mag. a. Ulrike Katterl . Internal Audit of the Future..... Seite 77 Christian

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2018

Jahrbuch

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InhaltsverzeichnisVorwort ............................................................................................................................. Seite 1Vorstand des IIRÖ, Geschäftsführer AIR

Aufsichtsrat und Interne Revision als neue Allianz?! ............................................ Seite 13Dr. Josef Fritz

Digitalisierung und Riskmanagement - Aktuelle Herausforderungen an die Interne Revision in Österreich .................................................................................... Seite 25Dr. Stefan Hahnenkamp

Artificial Intelligence - Unterstützung für die Interne Revision oder Konkurrenz? ......................................................................................................... Seite 35Univ.-Prof. Dr. Stefan Koch

Volkswirtschaftliche Aspekte der Digitalisierung ................................................... Seite 43Stefan Bruckbauer

Big Data und Predictive Analytics am Beispiel der Steuerverwaltung ................. Seite 59Hermann Madlberger

Digitalisierung: Die neuen Kommunikationswelten der Österreicher - der Eindruck vom digitalen Wandel .......................................................................... Seite 65Paul Eiselsberg

Wissensmanagement in einer externen Finanzkontrolle ........................................ Seite 71Mag.a. Ulrike Katterl

Internal Audit of the Future ........................................................................................ Seite 77Christian Hoppe, Jakob Pötsch

Megatrend Ethik, Artificial Intelligence & Internet of Things ............................... Seite 85Mag. Walter Pichl

Warum wir andere Führung brauchen - Postkonventionelle Führungskräfte setzen auf Sinn, Autonomie und Kompetenz ........................................................... Seite 93Mag. Markus Petz, MBA

Warum wir andere Führung (noch) nicht haben - Agiles Management als große Herausforderung .......................................................................................... Seite 99Dr. Markus Fally

Entwicklung einer Zertifizierungsmöglichkeit für Interne Kontrollsysteme in österreichischen Unternehmen ........................................................................... Seite 109Richard Gall

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1 | Jahrbuch 2018

Vorwort

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen,

mit diesem Jahrbuch wollen Vorstand und Ge-schäftsführung des Instituts für Interne Revision das abgelaufene Jahr 2018 Revue passieren lassen. Wir haben uns zur Aufgabe gemacht, den Berufsstand der Internen Revision gemäß unseren Statuten zu fördern und Ihnen, liebe Mitglieder, wichtige Infor-mationen für die erfolgreiche Ausübung Ihres Beru-fes zur Verfügung zu stellen: durch die Abhaltung von Konferenzen, einem umfangreichen Programm an Seminaren unserer Tochterfirma Akademie Inter-ne Revision, der Herausgabe eines Newsletters, der einmal pro Quartal erscheint, durch die Abnahme der Prüfung zum Diplomierten Internen Revisor, die Information über die Zertifizierungen des Glo-bal IIA und die Unterstützung bei der Anmeldung und Prüfungsvorbereitung, durch mittlerweile 11

Arbeitskreise, durch eine sehr erfolgreiche Koopera-tion mit der FH Campus Wien, durch Kooperationen mit dem Rechnungshof, Transparency International und INARA. Wir haben uns auch an internationalen Aktivitäten im Rahmen des Global IIA und des ECIIA beteiligt – wenn auch in vermindertem Aus-maß gegenüber früheren Vorstandsperioden.

Bilder sagen mehr als 1000 Worte – wir haben da-her den folgenden Bilderbogen für Sie zusammen-gestellt, der viele - aber bei weitem nicht alle - Akti-vitäten des Instituts für Interne Revision zeigt , und wünschen viel Spaß bei der Lektüre!

Ihr Gesamtvorstand des IIRÖ und Ihr Geschäftsführer AIR

COSO ERM Update

Im Juni 2017 wurde das Enterprise Risk Management – Integrated Framework von COSO aktualisiert und unter der Bezeichnung Enterprise Risk Management – Integrating with Strategy and Performance veröf-fentlicht. Das IIRÖ erwarb die Rechte für die Über-setzung des Management Summary von Englisch auf Deusch und stellte diese neue Broschüre im Jänner 2018 den Mitgliedern zur Verfügung. An dieser Stelle herzlichen Dank an Dietmar Grabher, CIA, CRMA, für die Übersetzung und Erstellung der Grafiken!

Vorwort | 2

Enterprise Risk Management Integrating with Strategy and Performance

Executive Summary

Deutsche Fassung

Co m mit te e o f S p o n s o r in g O rga niz a t io n s o f t h e Trea d way Co m mis s io n

Juni 2017

COSO_Deutsch_CS6_060118.indd 1 06.01.18 21:11

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1 | Jahrbuch 2018 Vorwort | 2

Audit Competence

Das Jahr 2018 begann fulminant mit der Audit Com-petence, die in den Räumlichkeiten des Hotel Savoyen am Rennweg in Wien am 25. und 26. Jänner stattfand.

Beinahe 300 Kolleginnen und Kollegen verfolgten drei Key Note Ansprachen im Plenum und weitere 18 Vorträge in drei parallelen Streams.

Die Eröffnung der Audit Competence wurde vom Vorstandsmitglied Maga. Ines Schubiger vorgenom-men:

Ein wesentliches Element unserer Veranstaltungen ist auch immer die Möglichkeit des Networkings zwischen den Vorträgen.

Große Aufmerksamkeit des Auditoriums bei den Vorträgen unter anderem zum Verhältnis Aufsichts-rat und Interne Revision oder dem heißesten Thema des Jahres 2018: DSGVO.

Der Vorstand bedankt sich an dieser Stelle auch bei der ISACA, mit der die Audit Competence traditio-nell gemeinsam gestaltet wird.

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3 | Jahrbuch 2018 Vorwort | 4

Frühjahrs - ERFA

Der traditionelle Frühjahrs – ERFA fand erstmals im Kardinal König Haus in Wien statt. Unter dem Titel „Heiße Eisen – dünnes Eis“ wurden von Kolleginnen und Kollegen Beispiele über nicht alltägliche Prüfge-biete aus der Praxis vorgetragen.

Gemeinsame Veranstaltung mit INARA in der Wiener Börse

Am 15. Mai folgte eine gemeinsame Veranstaltung mit INARA, der Plattform für Governance und Compliance, in der Wiener Börse. Die Key Note von Dr. Josef Fritz, geschäftsführender Gesellschafter von Boardsearch, beschäftigte sich mit dem Thema „Revision 4.0 - Aufsichtsrat und Interne Revision als neue Allianz!?"

Vlnr: Thomas Schwalb, Bernhard Fromm, Dirk Augustin, Günter Grubmüller, Andreas Hammerschmidt, Isabella Galli, Markus Erlmoser, Hans-Georg Windhaber, Markus Künzel.

Dr. Josef Fritz (Boardsearch)

Aufmerksames Publikum (vlnr: Mag. Gottfried Berger, Vorstandsvorsitzender des Instituts für Interne Revision, Prof. Mag. Dipl.-Ing. Friedrich Rödler, Vorsitzender des Aufsichtsrates der Erste Group, Prof. Mag. Dr. Ofner, Vor-standsdirektor Flughafen Wien, Maga. Ines Schubiger, Mag. Roland Weilguny, Maga. Andrea Hollander)

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3 | Jahrbuch 2018 Vorwort | 4

Die anschließende Podiumsdiskussion zu diesem Thema wurde von Frau Dr. Brigitta Schwarzer mo-deriert. Die TeilnehmerInnen an der Diskussion waren Vorstandsdirektor Prof. Mag. Dr. Günther Ofner (Flughafen Wien), Dr. Wilhelm Rasinger (In-teressenverband für Anleger), Dr. Josef Fritz sowie Mag. Roland Weilguny (Group Audit Director der Prinzhorn Holding) und Frau Maga. Andrea Hollan-der (Leiterin Interne Revision Österreichisches Sied-lungswerk).

An dieser Stelle müssen wir leider auch des allzu frü-hen Ablebens von Maga. Andrea Hollander geden-ken, die im Jahr 2018 verstorben ist. Das Institut hat mit ihr ein engagiertes Mitglied verloren. Frau Maga. Andrea Hollander hat den Berufsstand der Internen Revision stets in vorbildlicher Weise unterstützt.

Wissensgipfel mit dem Rechnungshof

Am 12. Juni 2018 fand in den Räumlichkeiten des Rechnungshofes in Wien unser erster gemeinsamer „Wissensgipfel“ statt. Zum Thema „Ansätze der ex-ternen und internen Kontrolle bei Prüfungen der Qualität der öffentlichen Leistungserbringung“ hiel-ten Maga. Ines Schubiger (Vorstandsmitglied des Instituts und Leiterin der Internen Revision der via-donau), Manuela Höfel (Leiterin der Internen Revi-sion der Buchhaltungsagentur), Mag. Markus Kün-zel (Leiter Interne Revision der Medizinuniversität Wien) sowie Dr. Barbara König, Dr. Rene Wenk und Mag. Norbert Weinrichter Impulsreferate und disku-tierten anschließend auf dem Podium:

Die Rechnungshofpräsidentin Frau Dr. Margit Kra-ker schloss diese Veranstaltung und betonte die Wichtigkeit der Zusammenarbeit der prüfenden Ins-tanzen im öffentlichen Bereich:

Vlnr: Prof. Dr. Günther Ofner, Maga. Andrea Hollander, Mag. Roland Weilguny

Vlnr: Dr. Leopold Mayr (Rechnungshof; Moderator), Maga. Ines Schubiger, Manuela Höfel, Mag. Markus Künzel

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Vorwort | 6 5 | Jahrbuch 2018

14. und 15. Juni CIA Tagung in Pörtschach

Auch in diesem Jahr fand die CIA Tagung in Pört-schach am Wörthersee statt.

Neben einer geballten Ladung an Informationen für unsere zertifizierten Mitglieder gab es auch gute Laune und eine gemeinsame Schifffahrt über den Wörthersee zum Abendessen im Casino in Velden.

Diesmal stand auch das Thema Ethik auf dem Pro-gramm dieser Veranstaltung. Für die Beibehaltung der Zertifizierungen des Global IIA sind seit dem Jahr 2018 auch zwei Ethik - CPE’s nachzuweisen. Unser Kollege Dirk Augustin hat sich dieser Thema-tik angenommen und bei der CIA Tagung auch ei-nen Workshop zum Thema „Code of Ethics“ durch-geführt.

Vlnr: Thomas Schwalb, Franz Wulz, Christopher Schneck, Dirk Augustin, Barbara Rijavec, Hans-Peter Lerchner, Martin Konrad

Dirk Augustin

Christopher Schneck präsentiert die Ergebnisse einer Arbeitsgruppe des Ethik Workshops

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Vorwort | 6 5 | Jahrbuch 2018

Mitgliederversammlung mit Richard Chambers

In unserer Mitgliederversammlung am 20. Juni 2018 wurde vom Vorstand eine Neufassung der Statuten vorgestellt, die von den Anwesenden genehmigt wurde. Weiters wurde der Bericht des Vorstandes zur Kenntnis genommen und der Vorstand für das Jahr 2017 entlastet. Da die aktuelle Vorstandsperi-ode nach drei Jahren auslief, standen auch Wahlen zum Vorstand auf der Agenda. Der Wahlvorschlag des Vorstandes:

Mag. Gottfried Berger Mag. Martin Konrad Dr. Matthias Kopetzky Maga.Emilia Nemling Mag. Thomas Schelmbauer Maga.Ines Schubiger Thomas Staudacher Bakk.

wurde einstimmig angenommen.

Ein besonderes Highlight der Mitgliederversamm-lung war die Anwesenheit von Richard Chambers, dem President und Chief Executive Officer des Glo-bal IIA.

Den scheidenden Vorstandsmitgliedern

Dkfm. Andreas Hammerschmidt Mag. Wolfgang Hieblinger Maga. Angela Witzany

wurde vom Vorstand und den anwesenden Mitglie-dern der Dank für ihre erfolgreiche Tätigkeit in un-serem Institut ausgesprochen, die diese bekanntlich ehrenamtlich ausüben.

Auf Vorschlag des Vorstandes wurde die Verleihung der Ehrenmitgliedschaft an Maga. Angela Witzany beschlossen.

Maga. Angela Witzany flankiert von Richard Chambers und Mag. Gottfried Berger

Der scheidende Vorstand (Vlnr): Mag. Thomas Schelmbauer, Maga. Angela Witzany, Richard Chambers, Mag. Gottfried Berger, Maga. Ines Schubiger, Dkfm. Andreas Hammerschmidt, Mag. Wolfgang Hieblinger

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7 | Jahrbuch 2018

Jahrestagung in Salzburg

Auf Initiative unserer Kollegin Andrea Fleischhacker (Leiterin der Internen Revision der Arbeiterkammer Salzburg) fand die Jahrestagung im Parkhotel Bru-nauer in Salzburg am 13. und 14. September statt.

Vom Programmausschuss des Instituts wurden Vor-träge von hochkarätigen Experten zum Thema „Di-gitalisierung“ organisiert.

Key Note Speaker war Larry J. Harrington, früherer IIA Global Chairman of the Board und Vice President and Chief Audit Executive bei Raytheon Company, der uns in seinem sehr lebhaften Vortrag „The vision of the audit profession in the age of digi-tization“ die wichtige Rolle der Internen Revision bei den Digitalisierungs – Projekten in unseren Unter-nehmen vor Augen hielt.

Nach so viel geballter Wissensvermittlung durf-te auch das gesellige Beisammensein nicht zu kurz kommen. Dresscode für das gemeinsame Abendes-sen im Stieglkeller war „Dirndl und Lederhose“

Vorwort | 8

Mag. Gottfried Berger eröffnet die Jahrestagung 2018

Larry J. Harrington

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7 | Jahrbuch 2018 Vorwort | 8

Let´s Talk Audit

Auf Einladung von Ernst & Young fand am 4. Oktober eine weitere Veranstaltung der Reihe „Let’s Talk Audit“ im Hotel Bristol in Wien statt. Einleitend präsentierte Frau Maga. Cornelia Mi-lotic-Riedl einen Vergleich der Enquetes 2014 und 2017. Im Anschluss wurde die Kooperation des Ins-tituts für Interne Revision mit der FH Campus Wien vorgestellt. An der abschließenden Podiumsdiskus-sion nahmen Prof. DI Martin Langer (FH Campus Wien), Maga. Ines Schubiger (Vorstand IIRÖ), Mag. Markus Hölzl (EY), Maga. Barbara Koppensteiner (IST Austria) und Ing. Mag. Siegfried Paschinger MMBA (voestalpine AG) teil.

Auch zünftig gekleidet: Vorstände und MitarbeiterInnen des Instituts (vlnr: Martin Konrad, Tanya Sharma, Gottfried Berger, Matthias Kopetzky, Larry J. Harrington, Thomas Staudacher, Thomas Schwalb, Emilia Nemling, Anna Ober-walder)

Unsere Gastgeberin Andrea Fleischhacker (rechts im Bild) mit unserer Moderatorin Karin Bauer (Der Standard)

Vlnr: Prof DI Martin Langer, Maga. Barbara Koppensteiner, Mag. Markus Hölzl, Maga. Ines Schubiger, Ing. Mag. Siegfried Paschinger.

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Vorwort | 10 9 | Jahrbuch 2018

8. November 2018: Herbst ERFA

Auch das Institut für Interne Revision beschäftigte sich im Jahr 2018 intensiv mit der DSGVO. Unter Fe-derführung von Frau MMaga. Gabriele Herbsthofer wurde der Leitfaden Datenschutz neu gestaltet, er-gänzt und mit zahlreichen Checklisten für die Prü-fung der DSGVO erweitert.

Der Leitfaden wurde allen Mitgliedern kostenlos zur Verfügung gestellt. Weitere Exemplare können im Institut erworben werden. Der Vorstand des IIRÖ dankt den Autorinnen und Autoren für dieses Werk:

MMaga. Gabriele Herbsthofer, CIA (Projektleiterin, Österreichische Post AG), Mag. Reinhard Hübelbau-er (BDO Austria GmbH), Mag. (FH) Christian Kent, Dipl. IR (Finanzmarktaufsicht), Dr. Matthias Kopetz-ky, CIA, CFE, CPA, SV, Mag. Markus Moser, CISA, CISM (Sparkassen-Prüfungsverband), Mag. Wal-ter Pichl, CIPP/E, CIPM, CIA, CFSA, CISA, CISM, CGEIT, CRISC, SAP TERP10, Maga. Margit Rößl-Hla-vik (Österreichische Post AG), Ing. Manfred Scholz,

CISA, CISM, Dr. Kerstin Schwarz (Concisa Vorsor-geberatung und Management AG), Prof. Mag. Dr. Simon Tjoa, CISA, CISM (Fachhochschule St. Pölten), Peter Toth (Österreichische Post AG), Mag. Michael Walenta (BDO Austria GmbH)

Der Leitfaden wurde beim Herbst – ERFA von MMaga. Gabriele Herbsthofer und Dr. Matthias Kopetzky vorgestellt.

Das Interesse an diesem ERFA war sichtlich sehr groß – keine Überraschung aufgrund der Aktualität!

Zertifizierungen

Seit bereits 43 Jahren gibt es die CIA Zertifizierung, die vom IIA Global ins Leben gerufen wurde. In die-sem Jahr konnte das IIA Global mit Stolz verkünden, dass weltweit bereits 150.000 Personen diese Zerti-fizierung erworben haben! In Österreich freuen wir uns über 11 neue CIA Zertifizierungen im Jahr 2018;

insgesamt gibt es nun 160 CIA Zertifizierte und wei-tere 100 Spezialzertifizierungen. Aber auch die na-tionale Zertifizierung zum Diplomierten Internen Revisor (Dipl. IR), ist weiterhin stark gefragt und so dürfen wir 13 Mitgliedern, welche 2018 ihr Diplom erhalten haben, nochmals ganz herzlich gratulieren!

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Vorwort | 10

Diese Zertifizierungen sind uns ein großes Anliegen – sei es international wie der CIA (Certified Internal Auditor) oder national wie der Diplomierte Interne Revisor. Diese sind sowohl wichtig als Anerkennung unseres Berufsstandes als auch für die persönliche Weiterentwicklung unserer Mitglieder.

Deshalb veranstalten wir regelmäßig Informations-abende für interessierte Mitglieder. Im Jahr 2018 war das im Rahmen der Audit Competence, sowie an eige-nen Terminen am 21. März und 7. November.

Vorstellung einer gemeinsamen Studie mit der Wirtschaftsuniversität Wien

Bei der Jahrestagung wurde eine Studie gemeinsam mit der WU Wien gestartet, die mit einer Umfra-ge unter unseren Mitgliedern noch vervollständigt wurde. Das Thema dieser Studie lautet „Aktuelle Herausforderungen an die Interne Revision“. Am 3. Dezember wurden die Ergebnisse der Studie an der Wirtschaftsuniversität präsentiert.

Das Institut für Interne Revision bedankt sich bei den AutorInnen der Studie:

Dr. Evelyn Braumann Dr. Stefan Hahnenkamp Dr. Arthur Posch Dr. Markus Wabnegg

9 | Jahrbuch 2018

Thomas Staudacher, im Vorstand für die Zertifizierungen zuständig, erläutert die einzelnen Zertifizierungen.

Die Veranstaltung wurde vom stellvertretenden Vorstand-vorsitzenden Dr. Matthias Kopetzky moderiert

Dr. Stefan Hahnenkamp stellte die Ergebnisse der Studie vor

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11 | Jahrbuch 2018

Seminare der Akademie Interne Revision

Im Jahr 2018 wurden von der Akademie Interne Re-vision mehr als 70 Seminare angeboten. Unsere Aka-demie ist DER spezialisierte Seminarveranstalter für die Aus- und Weiterbildung für Interne RevisorIn-nen in Österreich. Wir durften im abgelaufenen Jahr 1.100 Seminartage durchführen! Nach längerer Pau-se konnten wir auch wieder SAP – Seminare in Zu-sammenarbeit mit KPMG abhalten – vielen Dank an Christian Sikora und Dieter Stangl – Krieger dafür!

Social Media

Eines der Ziele des Instituts ist die stetige Verbesse-rung der Kommunikation mit unseren Mitgliedern. Aus diesem Grund richteten wir auch Konten auf facebook, linkedin und Xing ein. Wir mussten aber bisher feststellen, dass hier noch Luft nach oben ist:

Dies nur als kleines Beispiel dafür, dass wir uns der Digitalisierung stellen werden müssen. Der Vorstand beschloss daher in der Strategieklausur 2018 in ei-nem eigenen Projekt die Digitalisierung des Instituts und hier unter anderem auch die Kommunikation mit Ihnen, liebe Mitglieder zu überdenken und zu verbessern.

Die Beiträge in unserem Jahrbuch knüpfen an die Vorträge der Jahrestagung an, ergänzt um Beiträge, die sich mit dem Hauptthema des Jahres 2019 be-schäftigen: Agilität! Großen Dank an alle Autorin-nen und Autoren, die uns ihre Beiträge zur Verfü-gung gestellt haben. Wir hoffen, dass Sie in unserem Jahrbuch interessante Anregungen und Informatio-nen finden!

Unser großer Seminarraum, in dem bis zu 26 TeilnehmerIn-nen Platz finden

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Aufsichtsrat und Interne Revision als neue Allianz?! | 14 13 | Jahrbuch 2018

Aufsichtsrat und Interne Revision als neue Allianz?!

Inhalt

1. Aktuelle Fälle ............................................................................................................................................................. 14 1.1. Einleitung ............................................................................................................................................................ 14 1.2. Arbeitsmarktservice (AMS) ............................................................................................................................. 14 1.3. Revisionsbericht eines börsenotierten Unternehmens im Nachrichten magazin ..................................... 15 1.4. KfW Frankfurt .................................................................................................................................................... 152. Der Begriff der Internen Revision .......................................................................................................................... 153. Die Parallelen zwischen Interner Revision und Aufsichtsrat .............................................................................. 164. Audit Committee - Der Prüfungsausschuß des Aufsichtsrats ............................................................................ 175. Wie die Interne Revision ihren strategischen Einfluß erhöhen kann ................................................................ 186. Fazit ............................................................................................................................................................................. 187. Meine Erfahrungen mit der Revision im Bankwesen .......................................................................................... 188. Die Bedeutung einer adäquaten Fehlerkultur ....................................................................................................... 199. Meine Erfahrungen mit der Revision in der Industrie ........................................................................................ 2010. Meine Erfahrungen mit der Revision in Konzernen ......................................................................................... 2011. Meine Erfahrungen mit der Revision in Familienunternehmen ...................................................................... 2112. Revision 4.0 .............................................................................................................................................................. 2113. Es entstehen neue Prüfungsfelder ......................................................................................................................... 2214. State-of-the-art-Technologie und neue Anforderungen an Revisoren ............................................................ 2215. Fazit ........................................................................................................................................................................... 24

Dr. Josef Fritz Managing Partner eines auf die Suche nach qualifizierten Aufsichtsorganen im deutsch-sprachigen Raum spezialisierten österreichischen Dienstleistungsunternehmens.

Der vorliegende Beitrag beleuchtet das Verhältnis von Aufsichtsrat und Interner Revision und erschien in der Zeitschrift "Aufsichtsrat aktuell". Wir danken dem Linde Verlag für die freundliche Abdruckgenehmigung.

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Aufsichtsrat und Interne Revision als neue Allianz?! | 14

1. Aktuelle Fälle

1.1. Einleitung

Das digitale Morgen-Briefing einer renommierten deutschen Wirtschaftszeitung liest sich wie ein Po-lizeibericht:

• ,,Hundert Ermittler inspizieren BMW";• ,,Die US-Aufsichtsbehörde untersucht den Face-

book-Skandal";• ,,Korruptionsuntersuchungen bei Airbus";• ,,Frankreichs Ex-Staatspräsident Nicolas Sarkozy

wird verhört (Korruptionsvorwurf, illegale Einfluss-nahme)";

• ,,Nach dem Anschlag auf den einstigen russischen Doppelspion Sergej Skripal in Großbritannien fürch-tet der Ex-Oligarch Michail Chodorkowski im Exil um sein Leben."

Die Abteilung „Blaulicht" hat reichlich Zu lauf, heißt es im Text.

Innenrevisionen, beauftragt von der Geschäftslei-tung, arbeiten ausschließlich im Unternehmensinte-resse. Ihre Berichte sind nicht für die Öffentlichkeit bestimmt.

Umso erstaunlicher ist es, dass sich in letzter Zeit in Österreich und in Deutschland drei Mal Berichte der internen Revision sogar auf den Titelseiten von Qua-litätszeitungen fanden:

1.2. Arbeitsmarktservice (AMS)

In Österreich löst ein den Medien zugespielter Be-richt der AMS-Innenrevision eine mehr als einwö-chige Dauerberichterstattung aus. Die Kurzbericht-erstattung findet sich bemerkenswerterweise in den Headlines auf den Deck blättern. Ausführliche Be-richte über das AMS, Analysen sowie Kommentare dominieren so wohl die Wirtschaftsteile wie auch die politische Berichterstattung.

Das AMS hat gemäß diesem Revisionsbericht Pro-bleme bei der Vermittlung von Arbeitskräften mit Migrationshintergrund. Moslemische Mädchen stünden unter der Fuchtel von Patriarchen, Män-ner seien sich für gewisse Jobs zu schade (,,Putzen ist Frauenarbeit"), es mang le an Bildungswillen und bestimmte Klienten zeigen Gewaltbereitschaft. Das

sind einige der im Revisionsbericht aufgezeigten Fehlentwicklungen.

Diese ausführliche mediale Berichterstattung bringt auch aus Sicht des Aufsichtsrats Interessantes ans Ta-geslicht. Dem Vorstand des AMS, der auf sechs Jahre gewählt wird und aus zwei Personen besteht, ist ein Verwaltungsrat übergeordnet.

Gremien mit der Bezeichnung „Verwaltungs-rat" sind in Österreich die Ausnahme. Sieht man sich die Gremienzusammensetzung näher an, so erkennt man als gelernter Österreicher, die Schreibweise „Verwaltungsrat" richtig zu deuten: ,,VERWALTUNGSrat"!

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Aufsichtsrat und Interne Revision als neue Allianz?! | 16

Von den neun Mitgliedern des Verwaltungsrats des AMS werden drei von der Regierung (Sozial- und Finanzministerium), zwei von der Wirtschafts-kammer, eines von der Industriellenvereinigung und drei auf gemeinsamen Vorschlag von Arbei-terkammer und Gewerkschaftsbund nominiert. Da

passt dann rein zu fällig die Vorgangsweise, dass die Verträge der beiden AMS-Vorstandsmitglieder im Herbst erst wenige Tage nach der Nationalratswahl um weitere sechs Jahre verlängert wurden und beide jeweils einer Partei der ehemaligen Regierung ein-deutig zuzuordnen sind.

1.3. Revisionsbericht eines börsenotierten Unternehmens im Nachrichten magazin

Ein in Österreich bekannter Lobbyist wurde rechts-kräftig verurteilt und darf den Rest seiner Haftstra-fe mit Fußfessel zu Hause verbringen. Ausgelöst hatte die causa ein bekanntes Nachrichtenmagazin, das aus dem internen Revisionsbericht eines börse-

notierten Unternehmens die Geschäfte des Konzerns zu zwei Lobbyisten zitierte. Die Revisionsprüfer hat-ten Scheinrechnungen und rückdatierte Aufträge vorgefunden.

1.4. KfW Frankfurt

Auch der Blick nach Deutschland weist einen Re-visionsbericht als Medienereignis aus. Die deutsche Finanzaufsicht BaFin kritisiert die Förderbank KfW (als Förderbank für den Mittelstand eine Anstalt des öffentlichen Rechts) für erhebliche Mängel in der Internen Revision. Sie zeigt auch die personelle Unterbesetzung auf. Nicht zum ersten Mal rüffeln die Finanzaufseher die Förderbank. Somit wartet

auf den neu bestellten Wirtschaftsminister gleich zu Beginn seiner Amtszeit eine heikle Aufgabe. Als Verwaltungsratsvorsitzender der Staatsbank muss er sich dieses Themas annehmen. Eine öffentliche Förderbank, die gegen regulatorische Vorgaben ver-stößt, ist ein erheblicher Reputationsschaden. Eine Wirtschaftszeitung höhnte: ,,Schwarze Schafe gibt es nicht nur im Nadelstreif ".

2. Der Begriff der Internen Revision

Interne Revision, auch Innenrevision genannt, er-bringt eine vom Tagesgeschäft unabhängige, objek-tive Prüfungs- und Beratungsleistung in einer Or-ganisation. Sie unterstützt die Organisation bei der Erreichung ihrer Ziele im Wege eines systematischen und disziplinierten Ansatzes, bei der Bewertung und bei der Verbesserung der Effektivität von Risikoma-nagement, beim internen Kontrollumfeld und bei der Unternehmensführung. Ihr Zweck ist die konti-nuierliche Verbesserung der Geschäftsprozesse und die Schaffung von Mehrwert für die Organisation.

Die Interne Revision unterstützt die Geschäftsfüh-rung (das sind in der Regel der Aufsichtsrat, Vor-stand oder der Verwaltungsrat) in ihrer Kontroll-, Steuerungs- und Lenkungsfunktion im Wege der Durchführung unabhängiger, interner Prüfungs-mandate. Sie ist normalerweise direkt der Geschäfts-leitung der Organisation unterstellt und daher zu-meist eine Stabsstelle.

Das heutige Verständnis der internen Revision geht überwiegend aus dem angelsächsischen Begriff „in-ternal audit" hervor. Eine solche Unternehmensfunk-

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tion etablierte sich in den 1930er- und 1940er-Jah-ren vor dem Hintergrund der Entstehung von (für die Kontrollgremien zunehmend unübersichtlichen) Groß unternehmen sowie der im Zweiten Weltkrieg entstandenen Notwendigkeit, komplexe und res-sourcenaufwendige Projekte bzw Unternehmungen zeitnah und detailliert von unabhängiger Seite zu evaluieren bzw kritisch zu begleiten. Das internal audit wird historisch parallel zum Aufkom-men des modernen Beratungsbegriffs (management

consulting) eingeordnet, wobei die Versicherungs-funktion (assurance) gegen über der Beratungsfunk-tion (consulting) im Vordergrund steht.

Die Abkürzung „IR" hat in Österreich neben den Begriffen „Interne Revision" und „Innenrevision" auch noch eine dritte Deutung erfahren. Als Aust-riacum wird sie von Leidgeprüften manchmal als „Idipferl-Reiter-Abteilung" bezeichnet, das heißt das „Übermäßig-genau-Nehmen".

3. Die Parallelen zwischen Interner Revision und Aufsichtsrat

Das Leitbild der internen Revision und jenes des Aufsichtsrats weisen erstaunliche Parallelen auf.

Der Aufsichtsrat unterstützt das Top-Management sowohl hinsichtlich der Planung und Lenkung als auch in der Steuerung und Kontrolle. Sein Blick ist primär in die Zukunft gerichtet, da er die Vergangen-heit wenig beeinflussen kann. Wie sagen die Englän-der so zu treffend? ,,Don't cry over spilled milk."

Die Unabhängigkeit ist gemäß allen internationalen Vorgaben das Anforderungskriterium schlechthin an den Aufsichtsrat. So sehen auch die neuen Gui-delines der Europäischen Bankenaufsichtsbehör-de (EBA) und der Europäischen Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA) die „independence of mind" vor. Wer als ,,fit & proper" gelten will, muss

Mut, Überzeu gung und Stärke aufweisen, um vorge-schlagene Entscheidungen zu analysieren, aktiv Fra-gen zu stellen und Gruppendenken zu widerstehen. Noch in zu wenigen Fällen wird der Aufsichtsrat dem gerecht. Die letzten gesetzlichen Änderungen im AktG wie auch in den EU-Richtlinien, aber vor allem der Druck von Aktionären rücken die Un-abhängigkeit der Gremienmitglieder in den Vor-dergrund. Allerdings wirken 140 Jahre gewachsene Old-boys-network-Strukturen noch erheblich nach.

Der Trend, wirklich unabhängige, qualifi-zierte wie auch geeignete Mitglieder bei Auf-sichtsratsneubesetzungen zu bestellen, ist unaufhalt-sam. Die Unabhängigkeit bezieht sich auf die Freiheit von Interessenkonflikten. Die Eignung stellt darauf ab, ob neu zu bestellende Mitglieder auch die gebote-ne Affinität zum Un ternehmen sowie seinen Produk-ten und Dienstleistungen mitbringen. Dass es dabei auch das Vertrauen der Besteller braucht, ist evident. Basieren Mandatsbestellungen jedoch ausschließlich auf der Beziehungsebene, so wirken sie a la longue kontraproduktiv. Gremienmitglieder, deren Bestel-lung ausschließlich auf der Beziehungsebene basiert, werden dieses Vertrauensstellungsband nicht durch fortlaufendes Fragen, Hinterfragen und Kritik-Üben „belasten". Sie mutieren zu den berühmten drei Affen: Nicht sehen - nicht hören - nicht sprechen! Besonders die letztgenannte Funktion stellt jedoch ein Muss im Aufsichtsrat dar. Aber der Aufsichtsrat muss erkennen, hinhören, aufzeigen.

PARALLELEN IR UND AR

IR ARUnterstützung in der Kontrolle ü üUnterstützung in der Steuerung ü üUnterstützung in der Lenkungsfunktion ü üUnabhängigkeit ü üQualität ü üVertrauen ü üSicherstellung v. Angemessenheit & Wirksamkeit von Systemen (IKS) Präventivfunktion

ü ü

Transparenz ü üUnterstützung in der Entscheidungsfindung ü ü

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Aufsichtsrat und Interne Revision als neue Allianz?! | 16

Abbildung 1: Parallelen IR und AR

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Die Sicherstellung der Angemessenheit und Wirk-samkeit von Systemen, besonders des internen Kon-trollsystems, ist die klassische Aufgabe, welche die Innenrevision und den Aufsichtsrat verbindet. In größeren Unternehmen und Organisationen, deren Aufsichtsrat einen Prüfungsausschuss eingerichtet hat, kommt dem Jahresabschluss und dem inter-nen Kontrollsystem als den beiden Hauptaufgaben besondere Bedeutung zu, da sie fast das ganze Jahr hindurch ausgeübt werden.

Ich werde häufig gefragt, was wesentliche Erfolge eines Aufsichtsrats sind. Persönlich sehe ich dies in der Verhinderung von Fehlentwicklungen, also in der Prävention.

Auch die Aufgabe „Transparenz" ist dem Aufsichtsrat und der Innenrevision gemein. Aufsichtsräte haben dafür zu sorgen, dass das Geschäftsmodell verständ-lich ist und von allen Beteiligten sowohl verstanden als auch umgesetzt wird. Klare Strukturen und Ab-läufe sind dabei die Grundlage.

Beim Kriterium „Transparenz" ist auch noch auf zwei weitere Umstände zu verweisen: Whistleblo-wing und Corporate Governance. Beide sind sowohl für den Aufsichtsrat als auch für die Innenrevision bedeutsam geworden.

Whistleblowing hat gezeigt, dass der Vorstand eines Unternehmens niemals Auftraggeber und Adressat zugleich sein kann. Empfänger von Whistle- blowing-Berichten kann nur der Aufsichtsrat oder (bei kleineren Unternehmensorganisationen) auch eine ausgelagerte, neutrale dritte Stelle sein.

Die Bedeutung von Corporate Governance und Compliance hat die Themen „Werte" und ,,Wertehal-tung" zurückgebracht. Nach 10 Jahren der internati-onalen Phase der Gier zeigen täglich Beispiele, dass die reine Profitmaximierung nicht mehr über allem steht. Geschäftsmodelle werden wieder auf ihre Sinnhaftigkeit, die Nutzenstiftung und ihren Beitrag für die Gesellschaft hinterfragt. War Steuerminimie-rung in den Konzernen das lange Zeit dominierende Thema, so beginnen erste Organisationen, ihre Steu-erleistungen als gesellschaftlichen Beitrag herauszu-streichen.

Ein Aufsichtsrat produziert nicht, er dienstleistet in der Regel auch nicht. Das Gremium ist ein Kommu-nikations- und Entscheidungsorgan. Die Qualität der Entscheidungsfindung hängt direkt proportional mit der Qualität und Diversität seiner Mitglieder zu-sammen. Die Diversität stellt dabei auf fünf Dimen-sionen ab:

• Geschlecht;• Alter;• Know-how;• Internationalität;• Herkunft.

Buntheit trägt erwiesenermaßen zu besseren Ent-scheidungen bei.

Digitale Kompetenz im Aufsichtsrat wird zum neuen Muss.

4. Audit Committee - Der Prüfungsausschuß des Aufsichtsrats

Insbesondere im Bankwesen agieren der Aufsichts-rat (und hier vor allem der Prüfungsausschuss) und die Revision in enger Abstimmung und Zusammen-arbeit. Daran hat auch die FMA größtes Interesse.

Die FMA hat für die Interne Revision von Kreditinstituten, Versicherungsunternehmen und

Pensionskassen Mindestanforderungen erlassen. Die Einführung einer internen Revision sieht auch der Österreichische Corporate Governance Kodex vor.

Versierte Aufsichtsräte erzählen, wie wichtig das Zusammenwirken des Prüfungsausschusses mit der

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internen Revision ist. Beide profitieren. Auch an der Bestellung eines wirklich unabhängigen Revisions-leiters hat der Aufsichtsrat großes Interesse.

Ein effizientes und effektives Risikomanagement ist für das Funktionieren der Revision maßgeblich. Das systematische Erfassen von Marktrisiken (wie Wäh-rung, equity, Zins, Fristentransformation und auch operative Risiken) ist auch für die Interne Revision bedeutsam.

Der strategische Plan stellt sicher, dass binnen drei Jahren alle wesentlichen Prüfungsgebiete (Organisa-tionseinheiten, Prozesse, Portfolios) auch abgedeckt werden. Dabei kommt auch dem Erfahrungsaustausch der internen Revision mit dem Aufsichtsrat und dem Risikomanagement über Risikolandkarten, emerging risks sowie die Gewichtung von Risiken Bedeutung zu.

5. Wie die Interne Revision ihren strategischen Einfluß erhöhen kann

Das Institute of Internal Auditors (IIA) hat in einem Positionspapier sieben Schwerpunkte beschrieben, wie die Interne Revision deren Einfluss steigern kann:

Die Revision muss• die Strategie des Unternehmens verstehen;• die Perspektive und den Fokus von Vorstand und

Aufsichtsrat verstehen;

• als „trusted partner" mit strategischer Kompetenz wahrgenommen werden;

• das gesamte eigene Revisionsteam mit der Unter-nehmensstrategie vertraut machen;

• mit dem Risikomanagement kooperieren;• ihren Prüfungsplan an der Strategie ausrichten;• mit dem Vorstand und Aufsichtsrat über die strate-

gische Wirkung der Revision kommunizieren.

6. Fazit

Die Änderungen im Aufsichtsratswesen vom „Eh-renamt alter Prägung" zum professionell Agierenden

führen Aufsichtsrat und Innenrevision in eine neue Allianz.

7. Meine Erfahrungen mit der Revision im Bankwesen

Als Sekretär des Generaldirektors einer österreichi-schen Großbank bestand eine meiner ersten Aufga-ben darin, mich mit einem bedeutsamen Revisions-bericht vertieft auseinanderzusetzen. Die über den Anlassfall hinausgehende Erkenntnis zeigte, dass die Revisionsabteilung exzellent agierte. Das Revisions-team war aus reichend divers besetzt. Es waren alle erforderlichen Fachqualifikationen im Team vertre-

ten. Das ging vom Fachbereichswissen der Hauptge-schäftsbereiche der Bank bis zu speziellen Expertisen in Randgeschäftsbereichen, IT-Know-how und Ein-schau-nehmen-Können bei internationalen Tochter-gesellschaften und Filialen. Der Mix aus versierten Praktikern und topmotivierten Jüngeren wie auch Quereinsteigern fand sich auch in der Zusammen-stellung der einzelnen Revisionsteams wieder.

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Innerhalb der Revisionsabteilung gab es eine Stabs-stelle „Strategie". Die Revisionstätigkeit basierte auf einem mehrjährigen, strategischen Masterplan und jährlichen, rollierenden Revisionsplänen.

Das Revisionsverständnis prägten Prävention, lessons learned, Qualität, Wichtiges vor Dringendem, Strate-gisches vor dem Tagesgeschäft, Bewahren vor Fehlent-wicklungen und Weiterentwicklung des Unternehmens.

Es war Usance, dass der Revisionsbericht im Entwurf den Geprüften vorgelegt wurde und die Möglich-keit zur Stellungnahme per System vorsah, von der auch regelmäßig Ge brauch gemacht wurde. Das alte Rechtsprinzip des audiatur et altera pars (Grundsatz des alten römischen Rechts auf Anspruch des recht-

lichen Gehörs beider Seiten vor Urteilsfällung durch den Richter) wurde beispielgebend praktiziert.

Von der Revisionsabteilung wurde gemeinsam mit den Geprüften Maßnahmen festgelegt, die einerseits die Verhinderung von Missständen zum Ziel hatten und andererseits Ablauf- und/oder Systemfehler korrigierten.

Bereits Mitte der 1980er-Jahre war es in dieser Bank üblich, dass der Revisionsbericht mindestens einen Verbesserungsvorschlag enthielt und Aktionspläne erstellt wurden. Die Vorgabe des Generaldirektors an die Revision lautete: .,Keine Kritik ohne Maßnahme!" Nach einem gewissen Zeitraum von zumeist einem Jahr kam es zu einer Follow-up-Prüfung.

8. Die Bedeutung einer adäquaten Fehlerkultur

In anderen Unternehmen lernte ich das Prinzip des Unter-den-Teppich-Kehrens kennen. Vorstand und Aufsichtsrat hatten bei Entdecken von Missständen kein Interesse, dass dies publik wird. Das Gesicht nach außen zu wahren war den Top-Gremien wich-tiger als das Eingestehen von Fehlern, das Auf-den-Grund -gehen von Fehlern und das Beseitigen von Fehlentwicklungen. Vorstände fürchteten, dass im Unternehmen festgestellte Malversationen ihnen selbst zur Last gelegt werden. Aufsichtsräte wollten, dass weder sie selbst noch dass ihr Unternehmen mit negativen Schlagzeilen in die Presse kommt. Die per-fekte Melange für eine ,,Teppichkultur".

In solchen Führungsstrukturen wird die Revision als „Waffe" verstanden, die jedoch nur interne Wirkung hat und hier möglichst auch nur im Stillen agie-ren darf. Getöse, das nach außen dringt, ist uner-wünscht. Dient das Revisionsergebnis jedoch dazu, eine unliebsam gewordene Führungskraft zu

beseitigen, dann „stimmt" der Revisionsbericht. Sol-che Vorstandsmitglieder haben Revisionsberichte als Auftrag an die Personalabteilung genutzt, Maßnah-men zu setzen und nach personellen Konsequenzen (gerne auch in Ressorts von anderen Vorstandsmit- gliedern) zu verlangen. Sie selbst haben zumeist nicht den direkten Kontakt, das Gespräch wie auch die Auseinandersetzung gesucht.

Eine nicht adäquate Fehlerkultur war all diesen Un-ternehmen gemeinsam. Fehler wurden ausschließ-lich als etwas Negatives gesehen. Im Führungs-verständnis dieser Vorstände dürfen Fehler nicht passieren. Da diese jedoch selbst verständlich immer wieder passierten, war das Interesse, diese zuzuge-ben, von allen Beteiligten enden wollend. Ja, ganz im Gegenteil: Man agierte so, als gäbe es gar keine Fehler. Und wenn es zu gravierenden Fehlern kam, die nicht mehr ignoriert werden konnten, musste der Teppich gehoben werden.

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9. Meine Erfahrungen mit der Revision in der Industrie

Die hohe Kultur der Revisionsarbeit im Bankwesen hatte mehrere Ursachen: Tradition, Dienstleistungs-geschäft, das Geschäftsmodell mit der Bedeutung des Wortes „Vertrauen", die Notwendigkeit, immer dann zu prüfen, wenn es um Geld im eigentlichen Sinn geht (früher waren dies zB Kassaprüfungen in Bankfilialen), um nur einige zu nennen.

In der Industrie sind die Schwerpunkte anders ge-setzt. Es dominieren Auftragsqualität, Produkti-onsgenauigkeit, Kostenadäquanz und Liefertreue. Kontrolle und Überprüfung sind regelmäßiger Bestandteil der Produktions- und Ablaufprozesse. ,,Fehlverhalten" zeigen sich unter anderem in Kenn-zahlen wie Leerlauf, Ausschuss und Reklamationen.

Die Revisionstätigkeit steht unter dem Primat der Wirtschaftlichkeitsprüfung. Das zumeist nicht of-fengelegte Ziel ist, dass die Revisionsabteilung ihre Kosten durch Effizienzverbesserungen bzw Einspa-rungen wettmacht.

Die Bedeutung der Revision in der Industrie hat-te nicht diesen Stellenwert wie im Dienstleistungs-bereich mit dem engen Konnex zu Compliance und Risikomanagement. Dementsprechend wur-den Revisionsabteilungen personell eher kleinge-halten, Sondereinsätze überwogen. Dem Aspekt der Aus- und Weiterbildung von Mitarbeitern in der Revision wurde nicht jenes vertiefte und kon-sequente Augenmerk wie in einer Bank beige-messen . Die Revisionsabteilung wurde eher als Machtinstrument verstanden und das Prinzip der Angst und Einschüchterung hatte Vorrang.

Revisionsberichte wurden ohne Einbinden der Ge-prüften erstellt und dem Vorstand vor gelegt. Jährli-che Revisionsberichte an den Aufsichtsrat waren die Ausnahme.

10. Meine Erfahrungen mit der Revision in Konzernen

Eigene Erfahrungen, auch bestätigt durch Gespräche mit Vorständen und Geschäftsführern aus Konzer-nen, zeigen eine zusätzliche Revisionsfacette.

In Konzernen sind Revisionsabteilungen nicht davor gefeit, in Machtspiele, Eitelkeiten oder Interessen-konflikte involviert zu werden.

Drei Praxisbeispiele:• Eine Geschäftsdivision, die sich aufgrund einer

sehr guten Geschäftsentwicklung, ge prägt von hohem Umsatzwachstum und guter Profitabili-tät, Neid und Missgunst anderer operativer Ge-schäftseinheiten zugezogen hat, wird „Opfer" eines Revisionsberichts. Die Erfolge wurden als markt-bedingt und nicht managementbezogen darge-stellt. Ergebnisse wurden durch behauptete Kos-tenvorteile in Abrede gestellt. Der Bereich wurde schlechtgemacht, um Boni-Ansprüche zu kürzen und hausintern Machtverhältnisse zurechtzurü-

cken. Die Revisoren agierten obrigkeitsbezogen, mit vorauseilendem Gehorsam: Gewünschte Er-gebnisse werden dem Vorstand geliefert. Ein so be-troffener Top-Manager brachte es auf den Punkt: ,,Ich habe mir nichts vorzuwerfen. Mir kann man grundsätzlich auch nichts vorwerfen, aber es gilt das alte Sprichwort: Wenn man einen Hund schlagen will, findet man schnell einen Stock!''

• Eine Business-Unit, die schon seit längerer Zeit Dauerverluste machte, wurde mittels Revisions-berichts weiter am Leben gehalten, weil Umstän-de nur einseitig recherchiert bzw Halbwahrheiten aufgestellt wurden.

• Geschäftsführer bzw Vorstände von Tochtergesell-schaften, die einen jahrelangen tadellosen track re-cord aufweisen konnten, fielen nach einem Macht-wechsel an der Konzern spitze in Ungnade. Das neue Top-Management hetzte ihnen die Revision auf den Hals. Nach einjähriger Untersuchung stell-te sich heraus, dass die Vorwürfe ungerechtfertigt

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waren, behauptete Anschuldigungen sich als un-richtig erwiesen und es eigentlich gar nichts zu kri-tisieren gab. Vorstände, die so eine Prozedur selbst erlebt haben und über die Unangemessenheit von vornherein Bescheid wissen, verlassen den Kon-zern durch Selbstkündigung. Das gewünschte Ziel der neuen Konzernspitze wurde mithilfe der Revi-sion erreicht. Das Unternehmen sparte sich - kurz-sichtig gedacht - Personalkosten im siebenstelligen Bereich.

Bei jenen Vorständen, die selbstbewusst durch sol-che Revisionsprozesse gehen und diese auch beste-hen, ist ihr konzerninternes Ansehen dennoch in

Misskredit gezogen (getreu dem Motto: ,,Irgendet-was wird an den Anschuldigungen schon wahr sein") oder sie erfahren sogar auch bei einem Revisionsbe-richt, der ihnen kein Versagen nachweisen kann, ihr Karriereende.

Konzernrevisionseinheiten erleben das Spannungs-verhältnis zwischen einer verantwortungsvollen Tätigkeit und dem Liefern von vorab gewünschten Ergebnissen. Bei einem anderen Konzern habe ich später auch die Vorteile einer Konzernrevision er-lebt, die in der Unabhängigkeit und Spezialisierung lagen.

11. Meine Erfahrungen mit der Revision in Familienunternehmen

In einer Unternehmensgruppe in privater Hand hat-te der Revisionschef mit dem Aufsichtsratsvorsitzen-den eine unheilige Allianz gebildet. Der Aufsichts-ratsvorsitzende verstand sich als weiterhin operativ Tätiger, wiewohl der Ex-CEO dies weder juristisch noch organisatorisch war. Seine laufende Einmi-schung in das Tagesgeschäft wurde von Führungs-

kräften und Mitarbeitern als unliebsam, störend und nach teilig erlebt. Der Revisionsleiter verstand sich als verlängerter Arm des Eigentümers. Einen Teil seiner Zeit verbrachte er nicht mit Revisionstätigkeit, sondern mit Vernadern beim Eigentümer. Er machte Führungskräfte schlecht und stellte Eigeninteressen vor das Unternehmenswohl.

12. Revision 4.0

Die Digitalisierung der Geschäftsmodelle verän-dert auch die Arbeit der internen Revision . Die drei Schlagworte sind dezentrales, interaktives und agiles Prüfungsvorgehen.

Die Rolle von internen Revisionen und den dazuge-hörigen Prüfungsmethoden hat sich in den letzten

Jahren erheblich weiterentwickelt. Die Erwartungen, die an Revisoren und den zu leistenden Mehrwert gestellt werden, den diese für ihre Organisation er-wirtschaften sollen, steigen kontinuierlich. Viele Re-visionsleiter stellen sich der Herausforderung und möchten sich ihren Platz am runden Tisch der Ge-schäftsführung erarbeiten.

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13. Es entstehen neue Prüfungsfelder

Digitalisierung und die Transformation von Ge-schäftsmodellen betreffen alle. Was bedeuten diese Veränderungen für die Revision? Es entstehen in ers-ter Linie neue Prüfungsfelder, die im Revisionsplan zunehmend an Bedeutung gewinnen. Die Revisions-abteilungen müssen sich darüber Gedanken machen, wie sie diese neuen Prüfungsfelder mit einer ähnli-chen Genauigkeit prüfen, die für sie in anderen Be-reichen selbstverständlich ist. Dafür benötigen sie als Erstes veränderte Revisionsansätze und Methoden.

Online-Geschäfte, Webshops, E-Commerce, Mul-tichanneling, Social Media und Big Data verlangen von Innenrevisionen eine neue Prüfantwort. Die In-terne Revision muss auch über digitale Kompetenz verfügen. Vor allem auch das Thema „Sicherheit" und insbesondere die Cyber-Security stellen nicht nur die IT eines Unternehmens, sondern auch die Revisoren vor neue Herausforderungen.

Zahlreiche Unternehmen haben ihre Produktionen oder Teile aus Kostengründen in Billig- und Schwel-lenländer verlagert. Innerhalb eines Konzerns hat die Revision Zugriffs möglichkeiten. Mit dem Einge-hen von neuen Kooperationen, Partnerschaften, Be-teiligungen und Allianzen stellt sich für die Innen-revisionen eine Vielzahl von neuen Schnittstellen. Revisionsteams können - rein gesellschaftsrechtlich - gar nicht auf alle Abläufe und Prozesse zugreifen. Wertschöpfung findet auch außerhalb des Unter-nehmens statt. Lieferketten bestehen teil weise über Kontinente. In der Beurteilung von Qualität und Ef-fizienz ist dies jedoch Voraussetzung. Jedenfalls in Banken ist Outsourcing nur dann erlaubt, wenn die Revision Zugriff hat oder eine externe Prüfungsstelle

gemeinsam festgelegt wird.

Auch für Revisionsabteilungen wird das Thema „Kooperation" bedeutsam. In bestimmten Fällen wird das Zusammenwirken von Innenrevisionen verschiedener Unternehmungen opportun sein. Das kann dann nicht anlassbezogen erfolgen, sondern sollte durch Grundsatzvereinbarungen vorab vorbe-reitet werden. Dabei braucht die Interne Revision die Geschäftsleitung. Aber auch der Aufsichtsrat kann dabei ein neuer Verbündeter sein.

Immer mehr Unternehmen gründen eigene Spezial-einheiten mit Digitalisierungsauftrag. Diese zeichnet Selbständigkeit und Loslösung vom Stammhaus aus. Die Themen „Innovation" und „Kundenorientie-rung" überlagern bzw verdrängen die Risikoüberwa-chung.

Beginnend vom Arbeitsrecht bis zur Revision bedarf es auch hierbei neuer Herangehensweisen. Gelten für diese Digitalkompetenzzentren die Regeln des Mutterhauses? Um Innovation zu fördern, wird die-sen Spezialeinheiten viel Freiraum eingeräumt. Für die Revision heißt dies: Wo beginnt und wo endet die Prüfkompetenz?

Gelten die Compliance-Standards für alle, insbeson-dere die ausgelagerten Innovativen? Wird die Revisi-on bei solchen Auslagerungen von Beginn an einbe-zogen? Oder stellt man erst viel später anlassbezogen fest, dass hier eine Revisionslücke besteht.

14. State-of-the-art-Technologie und neue Anforderungen an Revisoren

Der geeignete Technologieeinsatz ist ein wesent-licher Bestandteil zur Positionierung der internen Revision. Dabei stellt sich die Frage, ob die Interne

Revision bereits die richtigen technischen Hilfsmit-tel einsetzt. Und wenn ja, gilt es zu hinterfragen, ob dies genauso konsequent wie andere Unternehmens-

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funktionen bei kritischen Technologieprojekten in Kerngeschäftsfeldern erfolgt.

Studien sehen die Zukunft der internen Revision im Bereich Arbeitsplatz unter folgenden Bedingun-gen:(1)

• Auch die Revision wird von den Megatrends Indi-vidualisierung und Digitalisierung er fasst.

• Arbeitszeitmodelle sind so flexibel wie die Stand-orte, an denen gearbeitet wird. Um die Work-Li-fe-Balance optimal auszugestalten, ist eine Arbeit mobil von Zuhause, unterwegs, am Wochenende, ,,wann immer man Lust und Zeit hat" denkbar.

• Moderne Arbeitsmittel mithilfe von Sprachassis-tenten und augmented reality erlauben dynamische Arbeitsverhältnisse. Dabei werden Prüfungsinter-views per Videokonferenz weltweit durchgeführt.

• Der bekannte walk through wird mithilfe von Virtual-reality-Brillen durchgeführt. Hierbei kön-nen virtuelle Produktionshallen wie im Automoti-ve-Produktionsumfeld bereits angewendet (daher eigentlich ein Zwang für moderne Revisionsarbeit) sowie auch normale Produktionsstandorte durch - wandert und analysiert werden.

• Dadurch reduziert sich nicht nur die tägliche Pendlerzeit zum Arbeitsplatz, sondern auch die Prüfungsreisezeit zu unterschiedlichen Unter-nehmensstandorten. Denn gerade hier bleibt viel unproduktive Zeit für die Revision sowie auch für jeden Revisor persönlich in Form von Lebenszeit auf der Straße liegen.

Insgesamt ergeben sich hierdurch zahlreiche neue Lern- und Arbeitsfelder für die Interne Revision. Das Prüfen im Rahmen einer virtuellen Realität mit Meeting-Räumen, Produktionsstätten, Interviews und gemeinsamer interaktiver Berichtserstellung will neu erlernt werden.

Wie bei jeder anderen strategischen Stabsfunktion im Unternehmen kann Technologie für den Erfolg eine wichtige Rolle spielen.

Zahlreiche Interne Revisionen setzten je doch - ge-mäß Studien - Technologie nicht in dem Maße ein, wie es zur Erreichung der er warteten Prüfungser-gebnisse erforderlich wäre. Dadurch entsteht bei etlichen Revisionsabteilungen eine Art Technologie-leistungslücke. Zahlreiche Prüfteams verlassen sich auf veral tete Technologien und Verfahren, die ihr Leistungspotenzial, optimal zu arbeiten und weitaus tiefer greifende Erkenntnisse und Mehrwerte zu lie-fern, einschränken.

Beispiele von Faktoren, die Revisionsprozesse und ihre Effektivität durch Technologie zu transformie-ren:

• eine Unternehmensführung, die Technologie als strategisches Ziel festlegt;

• Technologie gleichermaßen wie jedes andere kriti-sche Projekt zu behandeln;

• ein ganzheitlicher Prüfungsablauf, der gegenwär-tig zur Verfügung stehende Technologie optimal nutzt;

• das Verständnis der Zweckmäßigkeit, Analysen und Automatisierung in den Revisionsablauf zu integrieren;

• über den eigenen Revisionssiloansatz hinauszu-gehen und den Technologieeinsatz mit anderen risikoorientierten Stabsabteilungen abzustimmen oder sogar zu synchronisieren.

Bei der Transformierung von Revisionsprozessen durch den Einsatz von geeigneter Technologie bie-tet sich der internen Revision eine große Chance, ihr Leistungsversprechen gegen über dem Unternehmen zu steigern.

[1] ACL-Studie. John Verver ist ein anerkannter Vordenker, Verfasser und Redner zu Themen des Technologieeinsatzes in den Bereichen Prüfung, Betrugsaufdeckung, Risikomanagement und Konformität.

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15. Fazit

Wie eingangs dargestellt, ist die Welt im Umbruch. Der externen wie auch der internen Revision geht die Arbeit nicht aus. Ganz im Gegenteil!

Die internationalen Entwicklungen der letzten Jahre haben die Interne Revision zum Partner des Aufsichtsrats gemacht. So ist die Revision mit ih-ren Berichten in den Blickpunkt des Interesses des Top-Gremiums gerückt. Eine jährliche Präsentation vor dem Aufsichtsrat ist mittlerweile Usance. Man-che Banken legen ihren Aufsichtsräten quartalsweise Revisionsberichte vor, die in einigen Instituten sogar vierteljährlich präsentiert werden.

Die 10 Inhalte des Leitbildes von Aufsichtsrat und Innenrevision sind hinsichtlich ihrer Zielsetzungen ident. Das Zusammenwirken ist sowohl für beide als auch für das Management und das Unternehmens-wohl vorteilhaft.

Insbesondere im Bankwesen agieren der Aufsichts-rat (und hier vor allem der Prüfungsausschuss) und die Revision in enger Abstim mung und Zusammen-arbeit. Daran hat auch die FMA größtes Interesse.

Last but not least ist noch das Risikomanagement in diese neue Allianz einzubeziehen.

Dem Zusammenwirken von interner Revision, Ri-sikomanagement und Compliance gemeinsam mit dem Aufsichtsrat kommt Bedeutung zu. Diese Kom-bination und ihr Agieren im Team stellen einen Wettbewerbsvorteil dar!

Vorstandsmitglieder werden neuerdings im Selekti-onsprozess verstärkt auch nach ihren persönlichen Haltungen und Wertvorstellungen ausgewählt. Men-schen an der Spitze machen den Unterschied.

Dennoch ist im Auge zu behalten, dass die Verweil-dauer von Top-Managern immer kürzer wird. Inter-ne Revision und Aufsichtsrat sind Gremien, die be-ständiger sind. In guter Kombination wirken sie eng zusammen und es verbinden sie ein gemeinsames Führungsverständnis und ein gemeinsamer Werte-kodex.

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„Digitalisierung und Riskmanagement - Aktuelle Herausforderungen an die Interne Revision in Österreich” | 26 25 | Jahrbuch 2018

„Digitalisierung und Riskmanagement - Aktuelle Herausforderungen an die Interne Revision in Österreich”

Inhalt

1. Einleitung und Forschungsziel ............................................................................................................................... 262. Eckdaten der Umfrage .............................................................................................................................................. 273. Ergebnisse ................................................................................................................................................................... 284. Fazit ............................................................................................................................................................................. 325. Literaturverzeichnis .................................................................................................................................................. 33

Dr. Stefan Hahnenkamp Lektor Wirtschaftsuniversität Wien / Geschäftsführer Mathera Consulting GmbH

Einleitender Absatz / Abstract ohne ErgebnisseStetig neue Herausforderungen in den letzten Jahren bedeuten für die Interne Revision eine Zeit der ständigen Neuausrichtung. Neben der Wirtschaftskrise haben auch neue

technologische Innovationen und eine Zunahme von strukturiertem Risikomanagement die Anforderungen an Interne Revisoren verändert. Zugleich versucht die akademische Forschung die Auswirkungen dieser Trends im Bereich der Internen Revision zu erheben und zu analysieren. Dieser Artikel beschäftigt sich insbesonde-re damit, wie diese Themen sich derzeit auf den Alltag von Internen Revisoren in Österreich auswirken und welche Herausforderungen diese für die nächste Zukunft identifiziert haben. Dazu wurde bei der Jahrestagung 2018 eine Expertenumfrage durchgeführt, die anschließend auch online ausgeschickt wurde. Dieser Artikel präsentiert die Ergebnisse dieser Umfrage, wobei er sich insbesondere auf die Themen Data Analytics und Riskmanagement fokussiert.

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„Digitalisierung und Riskmanagement - Aktuelle Herausforderungen an die Interne Revision in Österreich” | 26

1. Einleitung und Forschungsziel

Neben Finanzkrisen und den damit verbundenen ökonomischen Unsicherheiten, haben nicht zuletzt neue technologische Innovationen die wirtschaft-lichen Rahmenbedingungen für Unternehmen ra-dikal verändert. Verschiedene Branchen sind zwar unterschiedlich betroffen, allerdings muss jedes Unternehmen sein internes Kontrollsystem anpas-sen. Dies führt auch zu einer Neuausrichtung der Internen Revision und oftmals zu einer erhöhten Bedeutung des Risikomanagements. Hauptziele der Internen Revision - etwa die Ordnungsmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit der Organisation(1) sowie die langfristige Sicherung der Unternehmenswerte, Zur-verfügungstellung von verlässlichen Rechnungsle-gungsdaten und die Einhaltung aller geltender recht-lichen Vorgaben(2) - gewinnen zudem in ökonomisch unsicheren Zeiten an Bedeutung.

Aufbauend auf eine erfolgreiche Tradition zur Ko-operation zwischen der Wirtschaftsuniversität Wien und dem Institut für Interne Revision Österreich haben ein junges Forscherteam bestehend aus Dr. Evelyn Braumann, Dr. Arthur Posch, Dr. Markus Wabnegg und Dr. Stefan Hahnenkamp gemeinsam mit Dr. Matthias Kopetzky und DI Thomas Schwalb vom Institut für Interne Revision Österreichs eine dazu passende Umfrage durchgeführt.

Durch das sich schneller wandelnde Unternehmens-umfeld müssen Unternehmen mit ständig wachsen-der Komplexität umgehen. Eine Möglichkeit, dies zu adressieren, ist in den Aufbau und die Entwicklung ihres Risikomanagements zu investieren. Dies hat auch Konsequenzen für die Interne Revision. Jedoch

hat sich gezeigt, dass eine verstärkte Einbindung der Internen Revision in Risikomanagement deren Ob-jektivität negativ beeinflussen kann(3). Auch deshalb wird diese Schnittstelle zwischen Risikomanagement und Interner Revision derzeit in der akademischen Forschung vermehrt untersucht und ist auch deswe-gen ein Kernthema unserer Umfrage.

Der zweite Fokus der Umfrage ist direkt mit dem Titel der Jahrestagung 2018 verbunden – Digitalisie-rung und die Auswirkungen auf die Interne Revisi-on. Neue technologische Entwicklungen bringen ei-nerseits Herausforderungen mit sich, bieten zugleich aber die Möglichkeit mit der erhöhten Unsicherheit analytisch umzugehen. Zudem eröffnen sie Internen Revisoren vollkommen neue Wege im Arbeitsalltag und um Prüfungen durchzuführen. Aus diesem An-lass, und nicht zuletzt aufgrund der letztjährig in Geltung getretenen EU-Datenschutz-Grundverord-nung, hat sich die 37. Jahrestagung 2018 in Salzburg intensiv mit dem Thema Datensicherheit und Data Analytics auseinandergesetzt. Aktuelle Forschungs-ergebnisse zeigen, dass IR noch oft damit kämpft, Data Analytics sinnvoll in die eigene Arbeit zu in-tegrieren(4). Insbesondere gibt es Schwierigkeiten bei der Konzeption einer langfristigen Strategie, die die IR in einen “data-driven” Bereich umwandeln soll(5).

Aktuelle Veränderungen in der Internen Revision werden regelmäßig in verschiedensten Studien im deutschsprachigen Raum erhoben, wie das promi-nente Beispiel der regelmäßig durchgeführten En-quête-Studie zeigt(6).

[1] Vgl. Freidank und Peemöller (2007), S. 711[2] Vgl. El-Sayed Ebaid (2011), S. 108[3] Vgl. De Zwaan, Stewart und Subramaniam (2011)[4] Appelbaum, Kogan und Vasarhelyi (2017)[5] Vgl. Protiviti (2018)[6] Vgl. Pohl und Eulerich (2014), S. 163

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Allerdings können kurzfristig angelegte Umfragen gezielter auf aktuelle Themenstellungen eingehen. Zudem haben wir uns in dieser Umfrage ausschließ-lich auf Österreich fokussiert, da die rechtlichen Ausgestaltungen bezüglich Datensicherheit in den DACH-Ländern variieren.

Folglich beschäftigt sich dieser Artikel mit zwei zen-tralen Forschungsfragen, wie sich die Neuausrich-tung der Internen Revision (IR) als Reaktion auf ein verändertes Umfeld gestaltet:

1. Welche Rolle spielt die IR im unternehmensinter-nen Risikomanagement?

2. Wie sehen Unternehmen den Entwicklungsstand von Data Analytics in der IR?

Dabei baut unser Fragebogen auf aktuellen wissen-schaftlichen Studien zu Risikomanagement(7), Risk Governance(8) und Data Analytics(9) in der Internen Revision auf.

2. Eckdaten der Umfrage

Bevor wir näher auf die Ergebnisse eingehen, werden kurz die Rahmenbedingungen und Teilnehmer der Erhebung beschrieben. Der Fragebogen wurde ba-sierend auf den oben zitierten Artikeln und weiteren aktuellen wissenschaftlichen Studien erstellt und von jeweils vier Vertretern aus der Praxis und dem aka-demischen Bereich vorab getestet. Nach einer letzten Überarbeitung wurde er mit einer Ausfülldauer von ca. 20 Minuten finalisiert, Zielgruppe waren Leiter der Internen Revision.

Bei dieser Erhebung handelte es sich um eine quanti-tative Umfrage mit einer 7-stufigen Likert-Skala. Die meisten Aussagen konnten dabei von „trifft gar nicht zu“ (1) bis „trifft völlig zu“ (7) bewertet werden. Die vierte Kategorie in der Mitte der Skala diente als neu-trale Option. Zudem wurden relevante demographi-sche Daten erhoben.

Um die Zahl an Antworten zu erhöhen, wurde eine duale Strategie verfolgt. Zuerst wurde die Umfrage physisch vor Ort bei der Jahrestagung 2018 durch-geführt, danach online versandt. Der Erhebungszeit-raum erstreckte sich über drei Monate von Septem-ber 2018 bis November 2018. Durch zielgerichtetes Responsemanagement konnte ein Rücklauf von 122 ausgefüllten Fragebögen erreicht werden. Die Teil-

nehmer wurden stets darauf hingewiesen, dass wir aus Gründen der wissenschaftlichen Validität nur eine Antwort pro Unternehmen akzeptieren können. Zudem wurden an der Jahrestagung teilnehmende Unternehmen explizit nicht kontaktiert, um Dop-pelantworten zu vermeiden.

Im Durchschnitt haben die Respondenten knapp 14 Jahre Berufserfahrung. Die Unternehmensgröße liegt bei durchschnittlich rund 4000 Mitarbeitern und bei 600 Mio. Euro Umsatz. Die IR-Abteilungen existieren seit ca. 18 Jahren in den Unternehmen. Eine genaue Übersicht der Verteilung der Unterneh-mensgröße bietet Abbildung 1, wobei die Zahlen in den Balken die absolute Anzahl wiedergeben.

50

45

40

35

30

25

20

15

10

5

025 - 250 251 - 500 501 - 1000 1001 - 2000 > 2000

Unternehmensgröße (Mitarbeiter)

�� �� �� ��

��

„Digitalisierung und Riskmanagement - Aktuelle Herausforderungen an die Interne Revision in Österreich” | 28 27 | Jahrbuch 2018

[7] Vgl. Steinbart et al. (2018)[8] Vgl. Viscelli et al. (2016)[9] Vgl. Dai und Vasarhelyi (2016)

Abbildung 1: Unternehmensgröße der Respondenten (absolute Anzahl)

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Zusammenfassend kann man sagen, dass die demo-grafischen Daten zeigen, dass die Studienteilnehmer über sehr viel Berufserfahrung verfügen und in Un-ternehmen arbeiten, in denen die Interne Revision bereits länger existiert. Abbildung 2 bestätigt zudem, dass unser Ziel erreicht wurde, vor allem Leiter der Internen Revision zu befragen.

3. Ergebnisse

Die Ergebnisse fokussieren sich auf mehrere Kernthemen, die im folgenden Kapitel einzeln kurz

diskutiert werden. Danach schließt der Artikel mit einem kurzen Fazit.

Arbeitsschwerpunkte

8 %

7 % 2 %

83 %

Leiter IR Führungskrat Mitarbeiter Sonstige

„Digitalisierung und Riskmanagement - Aktuelle Herausforderungen an die Interne Revision in Österreich” | 28

Abbildung 2: Position der Respondenten

Abbildung 3: Arbeitsschwerpunkte der Internen Revision

27 | Jahrbuch 2018

Prüfung des Rechnungswesens

IT Prüfung

Compliance-Prüfung

Evaluierung des internen Kontrollsystems

Evaluierung des Risikomanagements

Prüfung interner Prozesse

Fraud Audit

Risikobewertung durch IR

Prüfung der Risikokultur

Durchführung eigener Beratungsprojekte

1 2 3 4 5 6 7

4,74

4,44

5,48

6,13

5,08

6,07

4,04

4,66

4,23

3,29

Page 32: Jahrbuch2018 - Interne Revision · Wissensmanagement in einer externen Finanzkontrolle ..... Seite 71 Mag. a. Ulrike Katterl . Internal Audit of the Future..... Seite 77 Christian

„Digitalisierung und Riskmanagement - Aktuelle Herausforderungen an die Interne Revision in Österreich” | 30 29 | Jahrbuch 2018

Abbildung 3 zeigt einleitend die aktuellen Arbeits-schwerpunkte der Internen Revision. Dabei zeigt sich, dass der Trend, dass die Interne Revision ver-mehrt auch Prüf- und Beratungstätigkeiten wahr-nimmt, welcher Anfang des Jahrtausends beobach-tet wurde(10), nicht mehr anhält. Wichtigste Aufgabe bleibt die Evaluierung des internen Kontrollsystems.

Auch zeigt dies die zentrale Bedeutung des internen Kontrollsystems, die auch in der wissenschaftlichen Forschung festgestellt wurde. Etwa zeigt eine Studie, dass materielle Schwächen im internen Kontrollsys-tem einen signifikanten, negativen Einfluss auf Ei-genkapitalkosten von Unternehmen haben.(11)

Umfeldunsicherheit

Interessante Ergebnisse gibt es zur Bewertung der Umfeldunsicherheit. Hier zeigt sich an den niedrigen Durchschnittswerten unter 4, dass die Internen Re-visoren ihr Umfeld im Gesamten als gut einschätzbar wahrnehmen. Dies lässt sich mit der langjährigen Erfahrung der Befragten begründen, welche bereits

mehrere Krisen und rechtliche wie technologische Umwälzungen erlebt haben. Zudem unterstreicht es, dass die Internen Revisoren in österreichischen Un-ternehmen sich nicht leicht von einer etwaigen Hys-terie bezüglich Data Analytics und ökonomischer Krisen anstecken lassen.

Prozessdokumentation

Abbildung 5 zeigt die Ergebnisse zum Fragenblock Prozessdokumentation. Dies wurde erhoben, da eine systematische Prozessdokumentation oft auch als Basis für Anwendungen im Bereich Data Analytics gesehen wird. Die hohen Durchschnittswerte zeigen wenig überraschend, dass die IR besonderen Fokus

auf die Einhaltung von Vorschriften und Regeln legt. Es gibt einen positiven Zusammenhang zwischen höherer Prozessdokumentation und der Effektivität des Riskmanagements sowie der Effektivität der In-ternen Revision.

Abbildung 4: Wahrgenommene Umfeldunsicherheit (Ø = 3.46)

[10] Vgl. Sarens und De Beelde (2006)[11] Vgl. Gordon et al. (2012), S. 2027

Das Verhalten und/oder Kaufverhaltenunserer Kunden

Das Verhalten und/oder Strategien unsererMitbewerber

Technologische Entwicklungen in unsererIndustrie

Das Verhalten und/oder Strategien unsererLieferanten

Rechtliche und/oder politischeEntwicklungen in Bezug auf unser

Unternehmen

1 2 3 4 5 6 7

3,49

3,32

3,19

3,57

3,72

Page 33: Jahrbuch2018 - Interne Revision · Wissensmanagement in einer externen Finanzkontrolle ..... Seite 71 Mag. a. Ulrike Katterl . Internal Audit of the Future..... Seite 77 Christian

„Digitalisierung und Riskmanagement - Aktuelle Herausforderungen an die Interne Revision in Österreich” | 30

Interne Revision und Risikomanagement

Bei 87% der befragten Unternehmen sind Interne Revision und Risikomanagement in getrennten Ein-heiten. Oftmals stellt sich daher die Frage nach der Zusammenarbeit und Aufgabenteilung. Es gibt hier-bei sogenannte „akzeptierte“ Aufgaben der Internen Revision, welche sie laut akademischer Forschung im Bereich des Risikomanagement auch sinnvoll übernehmen kann.

Laut unseren Ergebnissen macht die Interne Revi-sion das Risikomanagement signifikant effektiver, wenn die Interne Revision folgende Aktivitäten übernimmt:

• Prüfung des Risikomanagementprozesses• Prüfung der korrekten Risikobeurteilung• Beurteilung des Risikomanagementprozesses• Beurteilung der Berichterstattung von

Schlüsselrisiken• Überprüfung des Managements von Schlüsselrisiken

Abbildung 6 zeigt, dass diese Aufgaben auch aktuell bereits überdurchschnittlich wahrgenommen wer-den.

Zudem zeigen unsere Ergebnisse, dass die Effekti-vität des Risikomanagement signifikant und positiv von folgenden Faktoren beeinflusst wird:

• Der Qualität der Beziehung zwischen Risikomana-gern und IR (Transparenz, Respekt, konstruktive Zusammenarbeit, Vertrauen)

• Der Unabhängigkeit der IR• Der generellen Effektivität der IR• Der durch die Unternehmensleitung definierten

Kontrollumgebung

29 | Jahrbuch 2018

Abbildung 5: Ergebnisse zur Prozessdokumentation (Ø = 4.91)

Unsere IR dokumentiert operative Prozesseim Rahmen ihrer alltäglichen Tätigkeit.

Unsere IR analysiert bereits dokumentierteProzesse auf die Einhaltung von Vorschriften

und internen Regeln.

Unsere IR analysiert bereits dokumentierteProzesse auf wirtschaftliche E�zienz und

E�ektivität.

Unser IR verwendet eine standardisierteMethode, um Prozesse zu analysieren und

dokumentieren

Unser Unternehmen verwendet einestandardisierte Methode, um Prozesse zu

analysieren und dokumentieren.

1 2 3 4 5 6 7

4,01

6,23

5,56

4,32

4,42

Prozessdokumentation (Ø 4.91)

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„Digitalisierung und Riskmanagement - Aktuelle Herausforderungen an die Interne Revision in Österreich” | 32 31 | Jahrbuch 2018

Data Analytics

Bei der Digitalisierung besteht noch ein gewisser Aufholbedarf für die Interne Revision in Österreich. Etwa übertrifft die aktuelle Wichtigkeit in den Be-reichen Data Mining und Analytics sowie Cybersi-cherheit und Datenschutz die aktuell vorhandenen Kenntnisse (siehe Abbildung 7).

Detailergebnisse für den Bereich Data Mining & Data Analytics bestätigen dieses Bild und zeigen eine noch größere Kluft auf. Der Durchschnittswert für aktuelle Verwendung von 3.03 liegt um einiges unter der angestrebten Verwendung (Ø=4.24).

Abbildung 6: „Akzeptierte“ Aufgaben der Internen Revision im Bereich RM (Ø = 4.81)

Abbildung 7: Kenntnisse der Internen Revision, Gegenüberstellung mit Wichtigkeit

Prüfung des Risikomanagementprozesses

Prüfung der korrekten Risikobeurteilung

Beurteilung des Risikomanagementprozesses

Beurteilung der Berichterstattung vonSchlüsselrisiken

Überprüfung des Managements vonSchlüsselrisiken

1 2 3 4 5 6 7

5,30

4,50

5,06

4,63

4,58

Buchhaltungs-/Finanzkenntnisse

Juristische Kenntnisse

Analytisches und kritisches Denken

Kommunikationsfähigkeiten

Cyberserheit und Datenschutz

Data-Mining und Analystics

Forensic & Fraud-Audit

Branchenspezi�sches Wissen

Prüfung des Risikomanagements

1 2 3 4 5 6 7

5,42 5,07 4,57 4,70

6,28 6,57

5,84 6,34

4,48 5,66

3,93 5,11

4,07 4,40

5,98 5,89

5,20 5,20

Kenntnisse der IR

Aktuelle Kenntnisse Aktuelle Wichtigkeit

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Wenn man diese Ergebnisse allerdings zusammen mit den Ergebnissen zur Umfeldunsicherheit inter-pretiert, sind sie wenig beunruhigend. Den Internen Revisoren Österreichs ist bewusst, dass ihre Unter-nehmen im Bereich Data Minig Aufholbedarf haben,

allerdings ist man zuversichtlich diese Herausforde-rung meistern zu können. Wenig überraschend wei-sen große Unternehmen tendenziell auch eine kleine-re Lücke auf. Sie werden in diesem Bereich aufgrund ihrer größeren Ressourcen eine Vorreiterrolle spielen.

4. Fazit

Abschließend stellt sich die Frage, wie die Interne Revision die Lücke bei Data Mining & Data Ana-lytics reduzieren kann. Unsere Ergebnisse zeigen, dass dies wohl ein Ressourcenthema ist. Je mehr Res-sourcen die Interne Revision besitzt, desto effektiver ist sie und kann sie arbeiten. Allerdings ist die In-terne Revision ressourcenbeschränkt und gerade in den Bereichen der Digitalisierung sind Investitionen kostspielig.

Weitere wichtige Faktoren, um die Lücke zu redu-zieren, sind ein besonderer Fokus bei der Personal-auswahl und Investitionen in die Weiterbildung von Internen Revisoren.

Beim Risikomanagement unterstreichen unsere Er-gebnisse wieder den positiven Einfluss der Internen

Revision auf dessen Effektivität. Allerdings ist eine klare Aufgabenteilung dafür unabdingbar. Aktuelle Studien zeigen in diesem Zusammenhang, dass die Risikokultur eines Unternehmens in Zukunft an Bedeutung gewinnen wird(12). Auch die Interne Re-vision wird angehalten werden, diese Kultur in die Unternehmen hinauszutragen und vorzuleben.

Abschließend gibt es laut unserer Umfrage folgende weitere Wirkungszusammenhänge. So schätzt die Interne Revision die Qualität der eigenen Arbeit si-gnifikant höher ein, wenn die Unternehmensleitung eine klare Kontrollumgebung definiert, wenn sich die Interne Revision auf Evaluierung des Internen Kon-trollsystems fokussiert, wenn sie sich auf Fraud Au-dit fokussiert und wenn sie über Know-How in den Bereichen Cybersicherheit und Datenschutz verfügt.

„Digitalisierung und Riskmanagement - Aktuelle Herausforderungen an die Interne Revision in Österreich” | 32 31 | Jahrbuch 2018

Abbildung 8: Data Mining & Analytics – Aktuelle vs angestrebte Verwendung

Testen des Erfüllens rechtlicher Au�agen

Identi�zierung von Betrugsfällen

Identi�zierung von Problemen im Risikomanagement

Identi�zierung von Problemen in denSteuerungssystemen

Identi�zierung von wirtschaftlichenVerbesserungspotenzialen

1 2 3 4 5 6 7

2,79 3,75 3,40 4,61

2,86 4,09

3,01 4,29

3,09 4,5

Data Mining & Data Analytics (Ø - aktuell: 3.03; Ø - angestrebt: 4.24)

Aktuelle Verwendung Angestrebte Verwendung

[12] Vgl. Protiviti (2018)

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33 | Jahrbuch 2018

5. Literaturverzeichnis

Appelbaum, Deniz, Alexander Kogan, and Miklos A. Vasarhelyi"Big data and analytics in the modern audit engagement: Research needs." Auditing: A Journal of Practice & Theory 36.4 (2017): 1-27

Dai, Jun, and Miklos A. Vasarhelyi"Imagineering Audit 4.0." Journal of Emerging Technologies in Accounting 13.1 (2016): 1-15

De Zwaan, Laura, Jenny Stewart, and Nava Subramaniam"Internal audit involvement in enterprise risk management." Managerial auditing journal 26.7 (2011): 586-604

Ege, Matthew S."Does internal audit function quality deter management misconduct?" The Accounting Review 90 (2014) 2, S. 495-527

El-Sayed Ebaid, I.“Internal audit function: an exploratory study from Egyptian listed firms.” International Journal of Law and Management. 53 (2011) 2, S. 108-128

Eulerich, M.Aktuelle Ziele und Zukunftsperspektiven der Internen Revision. In: Zeitschrift für Interne Revision (ZIR) 49 (2014) 5 , S. 224-230

Freidank, Carl-Christian, and Volker H. Peemöller"Corporate Governance und Interne Revision." Handbuch für die Neuausrichtung des Internal Auditings, Berlin (2008), S. 711-735

Gordon, Lawrence A., and Amanda L. Wilford"An analysis of multiple consecutive years of material weaknesses in internal control." The Accounting Re-view, Vol. 87 (2012) 6, S. 2027-2060

Pohl, H./Eulerich, M. Die Interne Revision in Deutschland, Österreich und der Schweiz. In: Zeitschrift für Interne Revision (ZIR) 49 (2014) 4 , S. 163-166

Protiviti’s Research (2018)Analytics in Auditing Is a Game Changer. ABgerufen am 11. Jänner 2019, from https://www.protiviti.com/sites/default/files/2018-internal-audit-capabilitiesand-needs-survey-protiviti.pdf

Sarens, Gerrit, and Ignace De Beelde"Internal auditors' perception about their role in risk management: A comparison between US and Belgian companies." Managerial Auditing Journal 21.1 (2006): 63-80

Steinbart, Paul John, et al"The influence of a good relationship between the internal audit and information security functions on infor-mation security outcomes." Accounting, Organizations and Society 71 (2018): 15-29

Viscelli, Therese R., Mark S. Beasley, and Dana R. Hermanson"Research insights about risk governance: Implications from a review of ERM research." SAGE Open 6.4 (2016): 2158244016680230

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33 | Jahrbuch 2018

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Artificial Intelligence - Unterstützung für die Interne Revision oder Konkurrenz? | 36 35 | Jahrbuch 2018

Artificial Intelligence - Unterstützung für die Interne Revision oder Konkurrenz?

Inhalt

1. Einleitung ................................................................................................................................................................... 362. Artificial Intelligence ................................................................................................................................................ 363. Digitale Transformation ........................................................................................................................................... 374. Artificial Intelligence und Interne Revision .......................................................................................................... 37 4.1. Einsatzbereiche ....................................................................................................................................................... 37 4.2. Nutzen und Auswirkungen .............................................................................................................................. 38 4.3. Wahrnehmungen der Praxis ............................................................................................................................ 385. Abschluss .................................................................................................................................................................... 416. Literaturverzeichnis .................................................................................................................................................. 42

Univ.-Prof. Dr. Stefan Koch Institut für Wirtschaftsinformatik – Information Engineering, Johannes Kepler Uni-versität Linz

Univ.-Prof. Dr. Stefan Koch leitet seit 2016 das Institut für Wirtschaftsinfor-matik – Information Engineering der Johannes Kepler Universität. Nach dem Studium der Wirtschaftsinformatik an der Universität Wien lehrte und forschte er an der Wirtschaftsuniversität Wien, wo er 2001 promovierte und sich dann

2006 habilitierte. Zwischen 2008 und 2016 war er an an der Bogazici University in Istanbul tätig, und leitete dort vier Jahre das Department of Management. Seine Hauptforschungsgebiete sind IT-Ma-nagement, -Strategie und -Governance in Unternehmen, sowie Geschäftsmodelle und offene Innova-tionsprozesse in der digitalen Ökonomie.

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Artificial Intelligence - Unterstützung für die Interne Revision oder Konkurrenz? | 36

1. Einleitung

Artificial Intelligence (AI) ist aus der momentanen Diskussion nicht wegzudenken, obwohl selbst eine klare Definition schwierig ist. Unbestreitbar ergeben sich aber aus neuen Technologien und einem damit einhergehenden umfassenden Transformationspro-zess der Gesellschaft Herausforderungen für Un-ternehmen. In diesem Beitrag soll insbesondere auf einen wesentlichen Teilbereich von Organisationen fokussiert werden, und zwar die Interne Revision. Anwendungsgebiete und insbesondere Auswirkun-gen von AI in und auf diesen Bereich bzw. die Profes-sion werden inzwischen in Ansätzen wissenschaft-lich diskutiert (Omoteso, 2012; Issa et al., 2016),

sowie auch in der Standesvertretung (Institute of Internal Auditors, 2017a; 2017b) immer mehr zum Thema. Insofern versucht dieser Beitrag zuerst kurz in die grundlegenden Themen wie AI und digitale Transformation einzuführen, und danach Einsatz-bereiche und Auswirkungen herauszuarbeiten. Die Wahrnehmungen der Praxis zu dem Themengebiet werden dann anhand der Ergebnisse einer kurzen Umfrage unter den Teilnehmern der Jahrestagung 2018 des Instituts für Interne Revision Österreich, welche ebenfalls unter dem Titel Digitalisierung und Auswirkung auf die Interne Revision stand, darge-stellt.

2. Artificial Intelligence

Artificial Intelligence (oder Künstliche Intelligenz) ist auch in der akademischen Literatur nicht völlig ein-deutig definiert. Vereinfacht wird oft die Durchfüh-rung kognitiver Funktionen welche normalerweise mit dem Menschen assoziiert werden, beispielsweise Lernen, Schließen oder Problemlösen darunter ver-standen (Russell & Norvig, 2016). Kaplan & Haen-lein (2019) definieren als “a system’s ability to correc-tly interpret external data, to learn from such data, and to use those learnings to achieve specific goals and tasks through flexible adaptation”. Klassische Anwendungsgebiete sind im Sprachverständnis, au-tonomen Fahren, strategischen Spielen wie Schach und vielen mehr. Zumeist werden die verwendeten Methoden in symbolische AI, die Darstellung von Problemen in Menschen-lesbarer Form und damit meist als Experten- bzw. regelbasierte Systeme, pro-babilistische Ansätze basierend auf fortgeschrittener Statistik wie Entscheidungsbäume, sowie insbeson-dere neuronale Netze eingeteilt. Letztere basieren auf

einem Modell des menschlichen Gehirns, bei dem Verbindungen zwischen Input-Daten und einem Output gelernt werden, heute insbesondere “deep le-arning” (LeCun et al., 2015).

Eines der klassischen Aufgabengebiete insbesondere im Kontext der internen Revision liegt in der Klassi-fikation, bei welcher die Aufgabe darin besteht, ein Modell zu erstellen, um das Klassenattribut eines Objektes basierend auf seinen anderen Attributen zu finden (Cios et al., 2007). Meist wird im Rahmen von supervised learning von einem Trainingsset von Ob-jekten mit entsprechendem Klassenattribut und rest-lichen Attributen ausgegangen. Anwendungen liegen dann insbesondere auch in der Fraud Detection wie beispielsweise bei Kreditkartentransaktionen oder auch ERP-Systemen (Khan et al., 2010). Angewandte Techniken können dann im Bereich Entscheidungs-bäume, regelbasierte Systeme, neuronale Netze, Bay-es, Support Vector Maschinen oder weiteren liegen.

35 | Jahrbuch 2018

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Artificial Intelligence - Unterstützung für die Interne Revision oder Konkurrenz? | 38 37 | Jahrbuch 2018

3. Digitale Transformation

Die zunehmende Digitalisierung von Produkten und Dienstleistungen und die Ausbreitung digitaler Wertschöpfungsaktivitäten und insbesondere mo-derner Informations- und Kommunikationstech-nologien bewirken eine signifikante Veränderung bestehender Geschäftsmodelle, Unternehmensstruk-turen und ganzer Branchen (Bharadwaj et al., 2013). Einige Unternehmen sind sich der Potentiale neuer Technologien bewusst, und besitzen zudem die Ma-nagement-Fähigkeit sich gemeinsam mit den neu-en Technologien weiterzuentwickeln, jedoch trifft dies nicht auf alle zu (Fitzgerald et al., 2014). Laut Fitzgerald et al. (2014) wird digitale Transformation als das Benützen von neuen digitalen Technologien definiert, um signifikante Geschäftsverbesserungen zu erzielen. “Digitalisierung“ wird manchmal als Synonym für „digitale Transformation“ verwendet, jedoch sollten nach Hess et al. (2016) die Begriffe unterschieden werden. „Digitalisierung“ definieren die Autoren als Umwandlung von Informationen aus

der analogen in die digitale Welt oder die Automati-on von Prozessen mit Hilfe von Informations- und Kommunikationstechnologien. Die „digitale Trans-formation“ dagegen befasst sich mit Veränderungen im Unternehmen welche die digitalen Technologien mit sich bringen; konkret handelt es sich um Verän-derungen im Geschäftsmodell, den Produkten, Pro-zessen und Organisationsstrukturen. Ähnlich sehen es auch Sikora et al. (2016) und unter „Digitalisie-rung“ beziehen sie sich auf den Prozess der Gesell-schaftstransformation in eine digitale Gesellschaft. Unter dem Begriff der „digitalen Transformation“ wiederum wird die Transformation von Geschäfts-modellen in digitale Geschäftsmodelle verstanden. Notwendig ist eine Analyse, welche Netzeffekte und Technologien in welcher Form als „digitale Hebel“ für die eigene Branche und das eigene Geschäftsmo-dell relevant sind, und die Ableitung einer entspre-chenden Strategie, sowie die Schaffung einer offenen Experimentierkultur mit vernetzter Kommunikation im Unternehmen (Sikora et al., 2016).

4. Artificial Intelligence und Interne Revision

4.1. Einsatzbereiche

Grundsätzlich ist die Einsatzfähigkeit von AI in vie-len Bereichen rein technologisch sicherlich gegeben, ein wesentliches Thema ist jedoch der Erklärungs-gehalt einzelner Ansätze. Insbesondere vollständige Black-Box-Verfahren sind teilweise in diesem An-wendungsgebiet problematisch, was insbesonde-re auch zu Forschung im Bereich Explainable oder Transparent AI geführt hat. Tatsächlich liegen zu-meist Hauptprobleme und auch Aufwand konkreter Projekte (Cios et al., 2007) bei der Datenqualität und Vorverarbeitung.

Basierend auf einem prototypischen Prüfungsablauf können mehrere Einsatzbereiche grob herausgear-beitet werden. Wesentliche Erleichterung kann bei der Prüfungsplanung durch Selektion und Risiko-bewertung bzw. -simulation gewonnen werden, be-

ziehungsweise als einer der Hauptbereiche in Rich-tung Real-Time-Prozessüberwachung und Fraud Detection gearbeitet werden. Die Sammlung und Auswertung von Informationen kann durch geziel-te Filterung und Klassifikation unterstützt werden, insbesondere durch Algorithmen im Bereich Text-, aber Bild- und Videoanalyse sowie -verständnis. Die folgende Berichterstellung und Berichtsabstimmung kann durch die teilweise Generierung von Berichten erleichtert werden. Die Nachschau kann wiederum durch Technologieeinsatz in eine entsprechende Nachverfolgung in Real-Time umgestellt werden. Im laufenden Betrieb kann eine Anfragenklassifikation und teilweise auch -beantwortung wie beispielsweise durch Chatbots erfolgen.

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Artificial Intelligence - Unterstützung für die Interne Revision oder Konkurrenz? | 38

4.2. Nutzen und Auswirkungen

Neben den Kosten einer Einführung entsprechen-der Technologien sind vor allem die Nutzenaspek-te zu evaluieren. Im Allgemeinen wird zwischen direkt monetär messbaren (z.B. Kostensenkungen), nicht direkt monetär messbaren (z.B. Produktivi-tätssteigerungen), und nicht monetär messbaren (z.B. Kundenzufriedenheit) Effekten unterschieden. Insbesondere für Effekte durch schnellere Prozesse, erhöhte Effizienz, oder weniger Personalaufwand bieten sich hergebrachte Methoden wie das hedo-nistische Modell (Sassone, 1987) oder auch Metho-den der Prozesssimulation zur Quantifizierung an. Neben den positiven Auswirkungen von „besserer“ Information, hier unter anderem als aktueller und den Bedürfnissen angemessener zu verstehen, und damit verbesserter Entscheidungsfindung wie es zu-mindest theoretisch durch die direkte Informations-wertermittlung abgedeckt wird, ist gerade in diesem Punkt einer der Hauptnutzeneffekte zu vermuten. Dieser besteht insbesondere in einer Umschichtung von Personal bzw. Zeitanteilen in höherwertige Tä-tigkeiten wie Planung sowie Parametrisierung und Vorverarbeitung sowie Interpretation, da Routine-tätigkeiten teilweise automatisiert werden können,

und Nutzen durch gezieltere und schnellere Prüfun-gen erzielt wird.

Insgesamt wird gerade auch durch eine verstärkte Verlagerung hin zu Real-Time-Überwachung und -Nachschau wesentlicher Nutzen erzielt werden können, da Probleme bzw. Risiken früher erkannt und behoben werden können, was auch zu Zeiter-sparnissen durch Wegfallen langwierigeren Einar-beitens und Sammelns historischer Informationen und Nachbereinigungen führen kann. Als wesentli-cher neuer Arbeitsinhalt ist andererseits die Prüfung von AI-Systemen zu sehen. Da solche Systeme in Zu-kunft im operativen Geschäft weiter verbreitet sein werden, ist deren Prüfung hinsichtlich aller wesent-lichen Anforderungen ein nicht zu unterschätzender zukünftiger Arbeitsinhalt der internen Revision, und ist insbesondere auch mit völlig neuen Anforderun-gen wie der Prüfung von Input-Daten, Trainingsda-ten, Algorithmen und Verfahren selbst bis hin zur Entwicklung, sowie den resultierenden Ergebnissen verbunden.

4.3. Wahrnehmungen der Praxis

Im Rahmen der Jahrestagung 2018 des Instituts für Interne Revision Österreich in Salzburg wurde über ein Online-System eine kurze Umfrage zur Wahr-nehmung der Praxis durchgeführt. Deren Ergebnisse

werden in den folgenden Abbildungen rein deskrip-tiv anhand der absoluten Antworthäufigkeiten zu-sammengefasst, zur Repräsentativität der Stichprobe kann keine Angabe gemacht werden.

37 | Jahrbuch 2018

- 8 -

"Kein Einfluss" "Geringer Einfluss" "Mittlerer Einfluss" "Hoher Einfluss"0

5

10

15

20

25

30

35

40

Wie stark sehen Sie den Einfluss digitaler Transformation auf die IR?

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Artificial Intelligence - Unterstützung für die Interne Revision oder Konkurrenz? | 40 39 | Jahrbuch 2018

"Ja" "Nein" "Ist gerade in Umsetzung"0

10

20

30

40

50

60

70

Wird in Ihrem Unternehmen AI in der IR eingesetzt?

"Nein" "Vereinzelt" "Grossflächig"0

10

20

30

40

50

60

Sehen Sie zukünftig Einsatzgebiete für Artificial Intelligence in Ihrer IR-Praxis?

"Gar nicht" "Wenig" "Mittelmässig" "Sehr stark"0

5

10

15

20

25

30

35

40

Wie stark wird sich in den nächsten 5 Jahren Ihre Tätigkeit durch Technologien wie AI ändern?

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Artificial Intelligence - Unterstützung für die Interne Revision oder Konkurrenz? | 40

In der Zusammenfassung zeigt sich eine deutlich positive Grundeinstellung der Teilnehmer zu AI im Bereich der internen Revision. Die digitale Trans-formation und AI-Technologien insbesondere wird

durchaus ein Einfluss auf das Feld zugebilligt, wenn auch in gewissem Rahmen. Die Chancen werden da-bei klar dominierend gesehen, und das Risiko von Jobverlusten zumindest nur als begrenzt.

39 | Jahrbuch 2018

"Nein" "Höchstens geringfügig" "Ja"0

5

10

15

20

25

30

35

40

Sehen Sie ein Risiko von Jobverlusten (persönlich oder in der IR) durch solche Technologien?

"Risiken" "Chancen" "Beides ausgeglichen"0

10

20

30

40

50

60

Bei neuen Technologien wie AI in der IR sehen Sie vorrangig...

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5. Abschluss

Abschließend kann angeführt werden, dass AI sehr wohl Einfluss auf die zukünftige Interne Revision in Ablauf und Inhalten haben kann. Insbesondere mehrere Teilbereiche wie eine stärkere Betonung von Real-Time-Aspekten, die Prüfungsvorbereitung und -planung sowie die Informationsssuche und -aufbe-reitung können voraussichtlich unterstützt werden. Tendenziell führt der Einsatz von digitalen Tech-nologien in solchen Kontexten vorrangig zu einer Verschiebung in höherwertige Tätigkeitsbereiche.

Insbesondere zeigt sich dies hier daran, dass AI je-denfalls geplant und sinnvoll eingesetzt, sowie gera-de aber auch parametrisiert und überwacht werden muss. Als eine der wesentlichsten Herausforderun-gen für die Interne Revision in Zukunft kann wohl die Prüfung von AI-Systemen gesehen werden.

41 | Jahrbuch 2018 Artificial Intelligence - Unterstützung für die Interne Revision oder Konkurrenz? | 42

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41 | Jahrbuch 2018 Artificial Intelligence - Unterstützung für die Interne Revision oder Konkurrenz? | 42

6. Literaturverzeichnis

Bharadwaj, A., El Sawy, O., Pavlou, P., & Venkatraman, N. (2013)Digital business strategy: toward a next generation of insights. MIS Quartlery, 37, 471–482

Cios, K. J., Pedrycz, W., Swiniarski, R. W., & Kurgan, L. A. (2007)Data mining: a knowledge discovery approach. Springer Science & Business Media

Fitzgerald, M., Kruschwitz, N., Bonnet, D., & Welch, M. (2014)Embracing digital technology: A new strategic imperative. MIT Sloan Management Review, 55(2), 1

Hess, T., Matt, C., Benlian, A., & Wiesböck, F. (2016)Options for Formulating a Digital Transformation Strategy. MIS Quarterly Executive, 15(2)

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Institute of Internal Auditors (2017b)Global Perspectives and Insight: Artifical Intelligence - Considerations for the Profession of Internal Auditing / The IIA’s Artificial Intelligence Auditing Framework Practical Applications, Part A / The IIA’s Artificial Intel-ligence Auditing Framework Practical Applications, Part B

Issa, H., Sun, T., & Vasarhelyi, M. A. (2016)Research ideas for artificial intelligence in auditing: The formalization of audit and workforce supplementati-on. Journal of Emerging Technologies in Accounting, 13(2), 1-20

Khan, R., Corney, M., Clark, A., & Mohay, G. (2010)Transaction mining for fraud detection in ERP Systems. Industrial Engineering and Management Systems, 9(2), 141-156

Kaplan, A., & Haenlein, M. (2019)Siri, Siri, in my hand: Who’s the fairest in the land? On the interpretations, illustrations, and implications of artificial intelligence. Business Horizons, 62(1), 15-25

LeCun, Y., Bengio, Y., & Hinton, G. (2015)Deep learning. Nature, 521(7553), 436

Omoteso, K. (2012)The application of artificial intelligence in auditing: Looking back to the future. Expert Systems with Applica-tions, 39(9), 8490-8495

Russell, S. J., & Norvig, P. (2016)Artificial intelligence: a modern approach. Malaysia; Pearson Education Limited

Sassone, P. G. (1987)Cost-benefit methodology for office systems. ACM Transactions on Information Systems (TOIS), 5(3), 273-289

Sikora, H., Roithmayr, F., & Pomberger, G. (2016)Verändert das digitale Zeitalter die Anforderungen an die strategische Führungskompetenz?Wirtschaftsinformatik & Management, 8(2), 66-77

Page 46: Jahrbuch2018 - Interne Revision · Wissensmanagement in einer externen Finanzkontrolle ..... Seite 71 Mag. a. Ulrike Katterl . Internal Audit of the Future..... Seite 77 Christian

Volkswirtschaftliche Aspekte der Digitalisierung | 44

Stefan BruckbauerChefvolkswirt UniCredit Bank Austria

Seit 2009 ist Stefan Bruckbauer Leiter der Abteilung Economics & Market Analysis Austria und Chefvolkswirt der UniCredit Bank Austria. Sein Arbeits-schwerpunkt sind die Konjunktur, der Finanzmarkt, CEE, die EU, der Euro und der Bankenmarkt.

Stefan Bruckbauer war lange Jahre Lektor für Volkswirtschaftstheorie an der J.K. Universität Linz, der Universität Wien und an der Fachhochschule für Bank- und Finanzwirtschaft in Wien.

Daneben ist er auch Vortragender beim Fonds- und Portefeuillemanagementlehrgang der Vereini-gung Österreichischer Investmentgesellschaften, der Bankakademie und anderen Institutionen und hält Vorträge zu verschiedenen Themenbereichen. Stefan Bruckbauer ist Experte des österreichischen Fiskalrates.

Stefan Bruckbauer studierte Ökonomie an der Johannes Kepler Universität Linz. Er war Mitarbeiter am Forschungsschwerpunkt „Arbeitsmarkt“ an der Johannes Kepler Universität Linz und Assistent am Institut für Volkswirtschaftstheorie in Linz, bevor er in die Abteilung Volkswirtschaft der Zent-ralsparkasse Wien wechselte. Von 2001 bis 2009 war er stellvertretender Leiter der Konzernvolkswirt-schaft der Bank Austria und verantwortlich für Makro- und Bankenmarktresearch Österreich.

Stefan Bruckbauer hat eine Vielzahl von Artikeln speziell zur Konjunktur, zu CEE, zum Finanzmarkt, zu Banken und zum Euro veröffentlicht.

43 | Jahrbuch 2018

Volkswirtschaftliche Aspekte der Digitalisierung

Inhalt

Summary ........................................................................................................................................................................ 441. Was ist Digitalisierung und was können wir erwarten? ....................................................................................... 442. Was bisher geschah ................................................................................................................................................... 463. Was sind mögliche Konsequenzen dieser Entwicklung? ..................................................................................... 484. Wie kann die Gesellschaft darauf reagieren? ......................................................................................................... 51Zusammenfassung und Ausblick ................................................................................................................................. 56Literatur ........................................................................................................................................................................... 57

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Volkswirtschaftliche Aspekte der Digitalisierung | 44

[1] Siehe McKinsey Global Institute(2018). Solving the productivity puzzle: the role of demand and the promise of digitization, 2018 oder Peralta-Alva, A. and Roitman, A.(2018). Technology and the Future of Work, IMF Working Paper/18/207, 2018[2] Exemplarisch: Frey, C.B. and Osborne, M. (2017). The Future of Employment: How Susceptible are Jobs to Computerisation?, Technological Forecasting and Social Change 114: 254-280, 2017 [3] siehe die Studie der Oxford Martin School: Bashshi, H., Downing, J., Osborne, M. and Schneider, P. (2017). The Future of Skills: Employment in 2030, 2017 [4] zitiert nach: Südekam, J. (2018). Digitalisierung und die Zukunft der Arbeit, WPZ Analyse Nr. 19, 2018 [5] Arntz, M., Gregory, T. und Zierahn, U. (2018). Digitalisierung und die Zukunft der Arbeit: Makroökonomische Auswirkungen auf Beschäftigung, Arbeitslosigkeit und Löhne von morgen, ZEW, Mannheim, April 2018

Summary

Sowohl Erwartungen als auch Ängste rund um das Thema Digitalisierung sind enorm. Dabei ist Digi-talisierung nichts Anderes als ein weiterer Produk-tivitätsschub für die Gesellschaft. Die Entwicklung in den USA zeigt jedoch, dass eine ungleiche Ver-teilung des Zugewinns an Produktivität die Gesell-schaft deutlich ungleicher machen kann. Als Maß-nahme dagegen bieten sich neben der klassischen Umverteilung auch eine gerechtere Lohnpolitik, bes-

sere Ausbildung bzw. Umschulung oder Arbeitszeit-verkürzung an. Die Angst, es wird keine Jobs mehr geben, scheint angesichts der historischen Erfahrung übertrieben. Zudem braucht die Gesellschaft auf-grund der demografischen Entwicklung deutliche Produktivitätszugewinne. Somit wäre jeder Versuch der Politik, die technologische Entwicklung verlang-samen zu wollen, nicht nur sinnlos, sondern auch konterproduktiv.

1. Was ist Digitalisierung und was können wir erwarten?

Beschäftigt man sich mit den volkswirtschaftlichen Aspekten der Digitalisierung, so stellt sich zuerst die Frage, was man unter Digitalisierung verstehen soll. Eine exakte Antwort ist jedenfalls kaum zu finden. Im Wesentlichen ist Digitalisierung ein Sammelbe-griff für viele Prozesse, Technologien und sogar Ma-terialien geworden, bei denen große Mengen von Da-ten eingesetzt werden. Dies reicht von 3D Druckern, dem Internet of Things oder Advanced Robotics bis zu den Prozessen rund um das Schlagwort „Künst-liche Intelligenz“(1). Die Debatte um diese Entwick-lung ist geprägt von Erwartungen, die teilweise an Science Fiction erinnern – etwa im Bereich Internet of Things, effizienterer Einsatz von Ressourcen –

und gleichzeitig der Angst um Arbeitsplätze(2),(3). Die Angst, technologische Entwicklungen werden Ar-beitsplätze vernichten und zu Massenarbeitslosigkeit führen, ist so alt wie die technologische Entwicklung selbst. Ein Roboter, der den Menschen ersetzt, zierte die Titelseite des Spiegels 1964, 1978 und 2016(4).

Die Schätzungen über das Ausmaß der Verände-rungen in der Arbeitswelt gehen weit auseinander, abhängig von der Methode, dem Zeithorizont, aber auch der unspezifischen Definitionen und reichen von Analysen, die wenige Auswirkungen sehen und von einer Betroffenheit von rund 7 Prozent ausge-hen(5) bis zu einer Betroffenheit von fast der Hälfte

43 | Jahrbuch 2018

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aller Arbeitsplätze(6). Eine der aktuellsten Studien zu diesem Thema stammt von der OECD(7), die für rund 14 Prozent aller Arbeitsplätze ein Risiko von 70 Pro-

zent angibt, dass der Arbeitsplatz gefährdet sei und für weitere 32 Prozent aller Arbeitsplätze immerhin ein Risiko zwischen 50 und 70 Prozent.

Nimmt man die Schätzung der OECD als Basis und macht eine einfache Hochrechnung, so wären in Österreich über 600 Tausend Jobs mit einer Wahr-scheinlichkeit von 70 Prozent betroffen, weitere 1,4 Millionen Arbeitsplätze mit einer Wahrscheinlich-

keit zwischen 50 und 70 Prozent. In der gesamten EU sprechen wir dann von 33 Millionen bzw. weite-ren 76 Millionen, also insgesamt von rund 100 Milli-onen Arbeitsplätzen.

Es ist klar, dass das Risiko derartiger Veränderungen es für die Politik notwendig macht, tiefer darüber

nachzudenken, wie dies gesellschaftlich zu organi-sieren ist.

2,100,000

310,000630,000

1,430,000

Frey,Osborne

UniMannheim

OECD 2018

Quelle: OECD, UniCredit Research

zwischen50% und 70%Risiko

mehr als 70%Risiko

Jobs in Österreich, die durch "Automation" gefährdet sein könnten

112

1733

76

Frey,Osborne

UniMannheim

OECD 2018

Quelle: OECD, UniCredit Research

zwischen50% und 70%Risiko

mehr als 70%Risiko

Jobs in der EU, die durch "Automation" gefährdet sein könnten (in Mio.)

Volkswirtschaftliche Aspekte der Digitalisierung | 46 45 | Jahrbuch 2018

[6] Frey, Osborne (2017)[7] OECD (2018). Putting faces to the jobs at risk of automation, Policy Brief on the Future of Work, OECD, Paris 2018

Grafik 1

Grafik 2 und 3

47%

7%14%

32%

Frey, Osborne Uni Mannheim OECD 2018Quelle: OECD, UniCredit Research

zwischen 50% und 70% Risiko

mehr als 70% Risiko

Anteil von Jobs, die durch "Automation" gefährdet sind(in %)

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Volkswirtschaftliche Aspekte der Digitalisierung | 46

2. Was bisher geschah

Auch wenn in der Diskussion rund um die Digita-lisierung immer wieder Begriffe auftauchen, die die Welt bisher nicht kannte und die Herausforderung als etwas begriffen wird, das die Welt stark verän-dern wird, ist es tatsächlich „nur“ eine abgewan-delte Form einer Entwicklung, die die Menschheit seit Jahrhunderten prägt, sicherlich verstärkt noch

seit der industriellen Revolution. Das „Zauberwort“ heißt hier Produktivitätswachstum. Betrachtet man etwa die Entwicklung der Produktion in den USA in den letzten dreißig Jahren, so stieg diese um rund 130 Prozent real. Der Input an Arbeitsstunden stieg im selben Zeitraum jedoch nur um 30 Prozent, den Rest „erledigte“ die steigende Arbeitsproduktivität.

Diese Entwicklung ist jedoch nicht auf die letzten dreißig Jahre beschränkt. So stieg die Arbeitspro-duktivität in den USA seit den 60er Jahren ständig,

allerdings in unterschiedlichem Ausmaß zwischen 1 und 3 Prozent pro Jahr.

45 | Jahrbuch 2018

Grafik 4

-2%

-1%

0%

1%

2%

3%

4%

5%

6%

7%

1960 1970 1980 1990 2000 2010Quelle: BLS, UniCredit Research

Veränderung pro Jahr in %10 Jahres-Durchschnitt

Wachstum der Arbeitsproduktivität(Veränderung zum Vorjahr in %, USA Unternehmenssektor ohne Landwirtschaft)

Output real

232

Arbeitsstunden 131

Arbeitsproduktivität176

100

120

140

160

180

200

220

240

1987 1990 1993 1996 1999 2002 2005 2008 2011 2014 2017Quelle: BLS, UniCredit Research

Output und Input(1987=100, USA Unternehmenssektor ohne Landwirtschaft)

Grafik 5

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Volkswirtschaftliche Aspekte der Digitalisierung | 48 47 | Jahrbuch 2018

[8] McKinsey Global Institute(2018) bzw. Campanella, E. (2018). The productivity puzzle: the Digital Revolution has yet to come, UniCredit Research Economic Thinking No. 68, 2018[9] siehe dazu Syverson, C. (2013). Will History Repeat Itself? Comments on ‘Is the Information Technology Revolution Over?’, International Productivity Monitor, 25, Spring 2013, 37-40

Auffällig an dieser Entwicklung, und ein wenig kon-terintuitiv angesichts der Diskussion um die Digita-lisierung, ist der Umstand, dass das Wachstum der

Arbeitsproduktivität in den letzten Jahren - im We-sentlichen seit der Mitte der 2000er Jahre - deutlich zurückgegangen ist.

Der Rückgang des Wachstums der Arbeitsproduk-tivität in den letzten fünfzehn bis zwanzig Jahren ist nicht nur ein Phänomen der USA, sondern der meisten Industrieländer der Welt. So zeigt auch Ös-terreich und Deutschland diesen Rückgang seit ei-niger Zeit, was schlussendlich auch eine Erklärung für das geringere Wirtschaftswachstum der letzten Jahrzehnte gibt, denn schlussendlich ist die Steige-rung der Produktivität bzw. das Produktivitätsniveau eines Landes ausschlaggebend für das Einkommens-wachstum bzw. das Einkommensniveau.

Forschungen der letzten Jahre kommen im Wesent-lichen zu drei Gründen für diese Abschwächung des Produktivitätswachstums seit Mitte der 2000er Jahre (8):

• Die Krise führte zu weniger Investitionen (aller-dings begann der Rückgang des Produktivitäts-wachstums bereits vor der Krise)

• Der positive Produktivitätseffekt der alten „allge-meinen“ Technologie IT läuft aus

• Die neue „allgemeine“ Technologie Digitalisierung braucht noch einige Jahre bis sie voll wirkt

Hinter den beiden letzten Argumenten steckt die Idee, dass neue „allgemeine“ Technologien, wie etwa Dampfmaschinen, Elektrizität, IT oder eben auch Digitalisierung, zu Beginn ihrer Entwicklung wenig Produktivitätswachstum bringen, im Gegenteil. Zum Teil bremsen sie sogar das Produktivitätswachstum, da weniger investiert wird. Hintergrund dafür ist, dass neue Technologien zu Beginn sehr teuer sind, ihr Nutzen aber noch nicht ganz klar ist und daher viele Unternehmen Investitionen verzögern. Nach einigen Jahren (Jahrzehnten) setzt dann aber der volle Produktivitätsschub ein, da dann die Techno-logie ausgereifter ist, mehr Anwendungen möglich sind und die Technologie auch viel breiter verwen-det wird.(9)

Gerade für das dritte Argument spricht auch, dass die Investitionen in Digitalisierung erst in den letz-

Grafik 6 und 7

Österreich

USA

-1.0%

0.0%

1.0%

2.0%

3.0%

4.0%

5.0%

1996 2001 2006 2011 2016Quelle: Eurostat, BLS, UniCredit Research

Wachstum Arbeitsproduktivität(Veränderung zum Vorjahr, Österreich, Gesamtwirtschaft)

Deutsch-land

USA

-1.0%

0.0%

1.0%

2.0%

3.0%

4.0%

5.0%

1996 2001 2006 2011 2016Quelle: Eurostat, BLS, UniCredit Research

Wachstum Arbeitsproduktivität(Veränderung zum Vorjahr, Deutschland, Gesamtwirtschaft)

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ten Jahren sprunghaft angestiegen sind. So lagen die Investitionen von Venture Capital Firmen in den USA in Künstliche Intelligenz Startups bis 2011 bei lediglich einer halben Mrd. USD, stiegen dann bis 2014 auf knapp über 1 Mrd. und erreichten 2016 schon über 3 ½ Mrd. USD pro Jahr(10).

Wenn diese These korrekt ist, dann können wir für die nächsten Jahrzehnte eine deutliche Steigerung der Produktivität erwarten. Welche gesellschaftliche Bedeutung dies haben könnte, sei nochmals anhand

der Entwicklung in Österreich gezeigt. Das reale Bruttoinlandsprodukt in Österreich, also die Summe aller Waren und Dienstleistungen, die in Österreich erstellt werden bzw. gleichzeitig auch verdient wer-den, bereinigt um die Inflation, hat sich seit 1955 verfünffacht. Dieser Anstieg war jedoch zu weni-ger als einem Drittel auf einen Anstieg der Zahl der Erwerbstätigen zurückzuführen, der mit Abstand größte Teil, mehr als zwei Drittel, auf den Anstieg der Produktivität.

3. Was sind mögliche Konsequenzen dieser Entwicklung?

In der Vergangenheit spiegelte sich ein großer Teil des Anstiegs der Arbeitsproduktivität auch im An-stieg der realen Stundenlöhne wider. Zumindest wenn man die USA betrachtet, war dies bis Ende

der 70er Jahre der Fall. Seit den 80er Jahren zeigt die Entwicklung in den USA jedoch eine deutliche Aus-einanderbewegung von realen Stundenlöhnen und Arbeitsproduktivität.

339

158

496

1955 1965 1975 1985 1995 2005 2015Quelle: Statistik Austria, UniCredit Research; *hier nur unselbständig Erwerbstätige

Beitrag Anzahl ErwerbstätigeBeitrag ProduktivitätGesamt

Reales BIP Wachstum Österreich(Anstieg seit 1955 in %, Beitrag von Anzahl Erwerbstätige* und Beitrag Produktivität)

Volkswirtschaftliche Aspekte der Digitalisierung | 48

[10] see AI Index (2017). November 2017, http://cdn.aiindex.org/2017-report.pdf

47 | Jahrbuch 2018

Grafik 8

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Volkswirtschaftliche Aspekte der Digitalisierung | 50

[11] Immer bezogen auf den Median, d.h. nicht das durchschnittliche Einkommen ist hier verwendet, sondern das Einkommen des durchschnittlichen Beschäftigten, also das Einkommen jener Beschäftigten, die so viel verdienen, dass die Hälfte mehr, die andere Hälfte weniger verdient.

49 | Jahrbuch 2018

Als Konsequenz dieser Entwicklung stiegen die rea-len Einkommen der Beschäftigten in den USA spe-ziell in den 80er und 90er Jahren, aber teilweise auch noch in den 2000er Jahren deutlich weniger stark als

die Dividendeneinkommen. In den 50er und 60er Jahren legten dagegen die Einkommen der Beschäf-tigten etwas stärker zu als die Dividenden.

Gleichzeitig konnte in den USA innerhalb der Be-schäftigten eine differenzierte Einkommensentwick-lung nach Bildung festgestellt werden. So schrumpfte das durchschnittliche(11) Realeinkommen von Be-

schäftigten ohne High School Abschluss seit Ende der 70er Jahre um insgesamt 27 Prozent, jenes der Beschäftigten mit lediglich High School Abschluss um 15 Prozent während Absolventen eines Bachelor-

Grafik 9 und 10

Grafik 11

Einkommen Beschäftigter

Dividenden-einkommen

0%

1%

2%

3%

4%

5%

6%

50er 60er 70er 80er 90er 00er 10erQuelle: BEA, UniCredit Research

Realeinkommenswachstum in den USA(Jährliche Veränderung, 10 Jahres-Durchschnitt, real)

Arbeits-produktivität

Realer Stundenlohn

100

200

300

400

500

1948 1958 1968 1978 1988 1998 2008Quelle: BLS, UniCredit Research

Produktivität und Löhne(1948=100, USA)

Arbeits-produktivität

Realer Stundenlohn

0%

1%

2%

3%

4%

1960 1970 1980 1990 2000 2010Quelle: BLS, UniCredit Research

Produktivität und Löhne(Wachstum, 10 Jahre Durchschnitt in %, USA)

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Volkswirtschaftliche Aspekte der Digitalisierung | 50

studiums und darüber immerhin einen Realeinkom-menszuwachs von 10 Prozent erreichen konnten. Allerdings liegt auch der Anstieg der besser ausgebil-

deten Beschäftigten im Median mit 10 Prozent real deutlich unter dem Anstieg der Wirtschaftsleistung der USA.

Geringeres Lohnwachstum und die starke Differen-zierung nach Ausbildung, aber auch die Differenzie-rung nach Branchen bzw. Position im Unternehmen hat in den letzten Jahrzehnten in den USA zu einer deutlich größeren Haushaltseinkommensungleich-heit geführt. Gleichzeitig konnte der Medianhaushalt seit Mitte der 80er Jahre kaum Realeinkommenszu-wächse erzielen. Anders die Entwicklung der obers-

ten 20 Prozent und vor allem der obersten 5 Prozent Einkommensbezieher in den USA. Stieg das Medi-aneinkommen der Haushalte in den letzten fünfzig Jahren um rund 30 Prozent (und das meiste davon vor 1990), konnten die obersten 20 Prozent eine Ein-kommenssteigerung von rund 90 Prozent erreichen und die obersten 5 Prozent sogar ihr Realeinkom-men mehr als verdoppeln.

49 | Jahrbuch 2018

Grafik 12

Grafik 13 und 14

-3

5

12

18

1998 2003 2008 2013Quelle: Census Bureau, UniCredit Research

Realeinkommen USA(seit 1998 in %)

Unterste 25% Unterste 75%Unterste 95% BIP pro Kopf

19

2522

1998 2003 2008 2013Quelle: EU SILC, UniCredit Research

Realeinkommen Euroraum(seit 1998 in %, Haushaltseinkommen)

Unterste 25% Unterste 75%

BIP pro Kopf

212

191

129

1966 1971 1976 1981 1986 1991 1996 2001 2006 2011 2016Quelle: Census Bureau, UniCredit Research

Reales Haushaltseinkommen in den USA(1966=100, Durchschnitt der Einkommensgruppe bzw. Median)

Obere 5%Obere 20%Untere 20%Median

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Volkswirtschaftliche Aspekte der Digitalisierung | 52 51 | Jahrbuch 2018

Ein Vergleich der Entwicklung in Europa ist aufgrund der deutlich schlechteren Datenlage nicht so einfach. In Europa wurde erst viel später mit einer konse-quenten Erfassung von Haushaltseinkommensdaten begonnen, auch lässt die Entwicklung in verschie-denen Ländern immer wieder Brüche erkennen. Eine Annäherung zeigt jedoch, dass es im Euroraum deutlich besser gelungen ist, alle Haushaltseinkom-mensgruppen am Anstieg der Wirtschaftsleistung

bzw. der Produktivitätsgewinne partizipieren zu las-sen. Während es in den USA lediglich die obersten 5 Prozent schafften, ihr Realeinkommen stärker als die Produktivität zu steigern – Produktivität gemessen am realen BIP pro Kopf –, gelang dies im Euroraum deutlich breiteren Einkommensgruppen, selbst das Einkommen der untersten 25 Prozent konnten fast mit dem Produktivitätswachstums mithalten.

Einige neuere Studien zeigen zudem ein weiteres Phänomen der wirtschaftlichen Entwicklung der letzten Jahrzehnte, wobei auch hier Technologie eine wichtige Rolle spielen dürfte. In den letzten

Jahrzehnten kam es zu einem starken Anstieg der Gewinnmargen in praktisch allen Märkten(12). Aller-dings ist die Globalisierung sehr wahrscheinlich der wichtigste Einflussfaktor.

4. Wie kann die Gesellschaft darauf reagieren?

Die Entwicklung in den letzten Jahren zeigt in vie-len Regionen eine ungleiche Verteilung der Erträge aus den Produktivitätssteigerungen, vor allem in den USA. Eigentümer und besser gebildete Arbeitneh-mer profitieren ungleich mehr, auch die Gewinn-margen sind gestiegen. Angesichts dessen, dass die bevorstehende technologische Revolution durch die Digitalisierung möglicherweise wieder zu einem

stärkeren Anstieg des Produktivitätswachstums füh-ren könnte, muss davon ausgegangen werden, dass die Gesellschaft zum einen mit einer noch stärkeren Ungleichheit, vor allem in den USA, rechnen muss bzw. zum anderen dies auch zu einer, zumindest vorübergehenden, schwächeren Nachfrage führen könnte, die schlussendlich auch in Arbeitsplatzver-lusten enden könnte.

Grafik 15

1.07 0.98 1.09 1.00 0.94 1.05 0.92 1.06 1.150.76

1.86 1.62

0.52 0.66

1.631.46

0.74 0.470.41 0.29

0.630.72

-0.45-0.01

1.59 1.64

2.722.46

1.681.52

1.33 1.35

1.781.48 1.41

1.61

Global Europa CH IT UK NL OE DE USA SüdK China BRAQuelle: DeLoecker, Eeckhout 2018, UniCredit Research

Veränderung seit 198019802016

Entwicklung des Markup(Veränderung 1980 bis 2016 in PP)

[12] siehe De Loecker, J., Eeckhout, J. and Unger, G.(2018) The Rise of Market Power and the Macroeconomic Implications, mimeo, Nov. 2018, http://www.janeeckhout.com/wp-content/uploads/RMP.pdf bzw. eine frühere Version http://www.janeeckhout.com/wp-content/uploads/RMP-NBER.pdf als NBER Working Paper

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Volkswirtschaftliche Aspekte der Digitalisierung | 52

Eine gesellschaftliche Antwort auf eine durch die Globalisierung und durch neue Technologien ausge-löste stärkere Ungleichverteilung der Primäreinkom-men, also jener Einkommen bevor der Staat Steuern

und Abgaben einhebt bzw. Transfers auszahlt, könn-te in der nachträglichen „Korrektur“ der Primärein-kommensverteilung durch Umverteilung liegen.

Beispielhaft dafür war die Entwicklung in Österreich seit den 80er Jahren. Die Öffnung der österreichi-schen Wirtschaft, nicht zuletzt durch den Beitritt zur EU und zum EU Binnenmarkt Mitte der 90er Jah-re, ließ die Primäreinkommensverteilung deutlich ungleicher werden(13). So stieg der Gini-Koeffizient von 35 Mitte der 80er Jahre auf zuletzt 48, wobei dieser Anstieg primär vor der Finanzkrise stattfand.

Gleichzeitig blieb jedoch die Verteilung des verfüg-baren Nettoeinkommens der Haushalte in dieser Zeit relativ konstant, der Gini-Koeffizient stieg ledig-lich ganz leicht von 25 auf zuletzt 28, einem weiter-hin sehr niedrigen Wert. Um dies zu erreichen, muss jedoch heute de facto fast doppelt so viel umverteilt werden, wie noch in den 80er Jahren.

51 | Jahrbuch 2018

Grafik 16

Grafik 17

10

2025

28

35

48

0

10

20

30

40

50

80er 90er 00er 10er 2017Quelle: EU SILC, OECD, WID, UniCredit Research

Gini Koeffizient vor und nach Steuern und Transfers(Österreich, inklusive Renten)

"Umverteilung" Verfügbares Einkommen Markteinkommen

KO

RIS

L CHE SV

K SWE

JPN

CZE

NO

RH

UN

ES

TS

VN

CA

NP

OL

DN

KLV

AN

ZL TUR

DEU

NLD AUT BE

LIS

R FIN

AU

S LUX ITA FR

A USA

GB

RP

RT

ES

PC

HL

ME

X IRL G

RC

20

25

30

35

40

45

50

55

Quelle: OECD, UniCredit Research

Einkommensverteilung vor Steuern und Transfers(Gini Koeffizient vor Steuern und Transfers, nur erwerbsfähiges Alter, 2015)

[13] Als Maß der Einkommensverteilung wird hier der Gini-Koeffizient der Brutto- bzw. Nettohaushaltseinkommen gemäß EU SILC Erhebung verwendet. Der Gini-Koeffizient liegt bei 0, wenn die Einkommen vollkommen gleich verteilt sind, d.h. alle haben das gleiche Einkommen. Er liegt bei 100 bei vollkommener Ungleichheit, d.h. nur ein Haushalt verdient das gesamte Einkommen.

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Volkswirtschaftliche Aspekte der Digitalisierung | 54 53 | Jahrbuch 2018

Im internationalen Vergleich(14) unter Industrielän-dern liegt Österreich bei der Verteilung der Brut-topersoneneinkommen mit einem Gini-Koeffizient

von 42 im Mittelfeld und weist eine weniger glei-che Einkommensverteilung als viele skandinavische Länder, aber vor allem auch die Schweiz auf.

Allerdings liegt Österreich bei der Einkommensver-teilung nach Abgaben, Steuern und Transfers, also bei den verfügbaren Nettoeinkommen, im unteren Be-reich und zeigt damit eine nur wenig ungleichere Ein-kommensverteilung als skandinavische Länder bzw. liegt bei der Einkommensverteilung sogar gleicher als die Schweiz mit ihrer deutlich gleicheren Brutto-

einkommensverteilung. Erreicht wird dies durch eine große „Umverteilungsleistung“ der Steuern, Abgaben und Transfers an Haushalte, die deutlich höher ist als etwa in Deutschland oder vor allem in der Schweiz. Eine Konsequenz dieser enormen Umverteilung zur Erzielung einer gleichen Einkommensverteilung ist daher natürlich eine sehr hohe Abgabenquote.

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Quelle: OECD, UniCredit Research

Einkommensverteilung nach Steuern und Transfers(Gini Koeffizient nach Steuern und Transfers, nur erwerbsfähiges Alter, 2015)

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Quelle: OECD, UniCredit Research

Einkommensverteilung nach Steuern und Transfers(Gini Koeffizient nach Steuern und Transfers, nur erwerbsfähiges Alter, 2015)

[14] Für den internationalen Vergleich wurde der Gini-Koeffizient der OECD für Personen (nicht Haushalte) im erwerbsfähigen Alter aus dem Jahr 2015 verwendet.

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Quelle: OECD, UniCredit Research

Abgabenquote(in % des BIP 2018)

Mit einer Abgabenquote von rund 48 Prozent liegt Österreich zwar nicht an der Spitze aller OECD Län-der, aber deutlich im oberen Drittel und dies trotz ei-nes Rückgangs dank der Steuerreform 2016. Im Ge-gensatz dazu liegt die Abgabenquote in der Schweiz

nur bei 35 Prozent. Stellt also der Eingriff des Staates in die Einkommensverteilung mittels Abgaben und Transfers eine mögliche Antwort auf negative Aus-wirkungen von Globalisierung und neuen Techno-logien dar, so kann die Konsequenz daraus, die hohe Abgabenquote, ihrerseits auf gesellschaftliche Ableh-nung stoßen. Auch wenn viele Staaten, etwa auch die USA, hier deutliches Potential zur Korrektur der un-gleichen Einkommensverteilung hätten, in Ländern mit bereits sehr hohen Abgabenquoten könnte es Grenzen dafür geben. Nicht zuletzt wurde in Öster-reich bei den Nationalratswahlen 2017 von der sieg-reichen Partei(15) die Reduktion der Abgabenbelas-tung und von Sozialleistungen propagiert. Es scheint daher durchaus herausfordernd, die möglichen noch stärkeren Konsequenzen der Digitalisierung alleine

durch staatliche Umverteilung ausgleichen zu wol-len, zumindest in Österreich.

Volkswirtschaftliche Aspekte der Digitalisierung | 54 53 | Jahrbuch 2018

Grafik 20

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-220 -227

1644

-813

90

2245

L&F Industrie Dienstl.Quelle: Statistik Austria, UniCredit Research

seit 1974seit 1951

Erwerbstätigkeit in Österreich(Veränderung seit 1974 bzw. 1951 in Tausend)

[15] Bei den Nationalratswahlen im Oktober 2017 konnte die „Liste Sebastian Kurz – die neue Volkspartei“ mit 31,5 Prozent mehr als 7 Prozent- punkte zulegen und somit zur stimmenstärksten Partei aufsteigen. Ihr Wahlprogramm trug den Titel „Neue Gerechtigkeit & Verantwortung“ und versprach Steuersenkungen und sprach von „fehlgeleiteten Sozialleistungen“, diepresse.com (3.6.2017) https://diepresse.com/home/innenpolitik/5229132/Wahlkampf_Kurz-will-Steuern-senken

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55 | Jahrbuch 2018

Eine große Bedeutung beim Umgang mit mögli-chen Konsequenzen einer stärkeren Digitalisierung kommt am Arbeitsmarkt der Möglichkeit zu, wegfal-lende Arbeitsplätze durch neue Arbeitsplätze erset-zen zu können. Das Ausmaß dieses Strukturwandels sollte man dabei nicht unterschätzen. So fielen seit 1951 in Österreich über 800 Tausend Arbeitsplät-ze in der Landwirtschaft weg. Bei einer Diskussion über die möglichen gesellschaftlichen Folgen ei-nes so massiven Arbeitsplatzabbaus - es waren dies immerhin ein Drittel aller Arbeitsplätze in Öster-

reich - wäre jemand, der behauptet hätte, dass es in den nächsten Jahrzehnten gelingen werde, über 2,2 Millionen Arbeitsplätze im Dienstleistungssektor zu schaffen, wahrscheinlich nicht ernst genommen worden. Immerhin arbeiteten damals nicht einmal 800 Tausend Menschen im Dienstleistungssektor. Natürlich war der Übergang nicht einfach und ge-lang vor allem dank eines starken Ausbaus des Bil-dungssystems. So verdoppelte sich zwischen Anfang der 50er Jahre und Mitte der 70er Jahre die Zahl der höheren Schulen in Österreich.

Wenn man über die Verteilung der Erträge steigen-der Produktivität spricht, sollte auch nicht vergessen werden, dass eine mögliche Antwort die Verkür-zung der Arbeitszeit sein könnte. Oft wird unter-schätzt, dass in der Vergangenheit ein Teil des Pro-

duktivitätsgewinnes in die Erhöhung der Freizeit ging. So wurde die wöchentliche Arbeitszeit(16) seit 1960 in den Niederlanden um fünfzehn Stunden, in Deutschland, Frankreich oder der Schweiz immer-hin um zehn Stunden reduziert.

[16] McKinsey Global Institute(2018), Umrechnung der Jahresarbeitszeit auf Wochen, d.h. die Berechnung inkludiert auch die Ausweitung der bezahlten Freizeit wie etwa Urlaub.

Volkswirtschaftliche Aspekte der Digitalisierung | 56

Grafik 22

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Quelle: *McKinsey, beinhalted alle bezahlte Freizeit, ILO, UniCredit Research

Veränderung der wöchentlichen Arbeitszeit in Stunden* seit 1960

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Quelle: Statistik Austria, UniCredit Research

Anteil der über 65-jährigen in Österreich

-15

-10 -10 -10 -9 -8-6

-2NL DE FR CH UK SW IT US

Quelle: *McKinsey, beinhalted alle bezahlte Freizeit, ILO, UniCredit Research

Veränderung der wöchentlichen Arbeitszeit in Stunden* seit 1960

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55 | Jahrbuch 2018

Ein weiterer wesentlicher Aspekt der Diskussion um mögliche Auswirkungen der Digitalisierung auf die Gesellschaft ist die Tatsache, dass viele Länder auf-grund der demographischen Entwicklung, die sie in den nächsten Jahrzehnten erleben werden, eine hö-here Produktivität der eingesetzten Arbeitskräfte be-nötigen werden. So ist etwa in Österreich zu erwar-

ten, dass der Anteil über 65-jähriger in den nächsten 15 Jahren von 18 Prozent auf 23 Prozent ansteigen wird und 2050 knapp unter 30 Prozent erreichen könnte. Je höher die Produktivität der eingesetzten Arbeitskraft in Zukunft ist, umso mehr Menschen können von der damit produzierten Wertschöpfung leben.

Zusammenfassung und Ausblick

Die Erwartungen, aber auch die Befürchtungen rund um das Thema Digitalisierung sind enorm. Gemein-sam ist ihnen, dass sie eine große Menge an Unsi-cherheit umfassen. Die bisherige Entwicklung zeigt zudem, dass das Produktivitätswachstum der letzten zwei Jahrzehnte eher unterdurchschnittlich war, was in einem gewissen Widerspruch zur rasanten Ent-wicklung der Technologie zu stehen scheint. Als Er-klärung für das schwache Produktivitätswachstum dient die Vermutung, dass der Produktivitätsschub der IT Revolution ausgelaufen ist, jener der Digitali-sierung noch nicht wirklich begonnen hat. Daher ist in den nächsten Jahrzehnten mit deutlich steigender Produktivität zu rechnen. Damit kommt dem Um-gang der Gesellschaft mit starken Produktivitätssch-üben eine große Bedeutung zu. Die Entwicklung der USA in den letzten fünfzig Jahren zeigt eine deutliche Ungleichverteilung, d.h. die Eigentümer des Kapi-tals und eine kleine Gruppe der Gesellschaft konnte überdurchschnittlich vom Produktivitätswachstum profitieren, für den Großteil der Bevölkerung blieb das Einkommen jedoch real konstant. Die Entwick-lung in Europa zeigt zum Teil ein anderes Bild, so gelang es etwa in Österreich die gestiegene Ungleich-heit der Bruttoeinkommen durch mehr Umvertei-

lung auszugleichen. Allerdings setzt eine hohe Abga-benquote dieser Strategie auch Grenzen. Daher muss die Gesellschaft mehrere Strategien anwenden, um mit den Herausforderungen der Digitalisierung um-gehen zu können. Die Angst, dass die Digitalisierung zu dramatischen Verlusten an Arbeitsplätzen und Massenarbeitslosigkeit führen wird, erscheint an-gesichts der historischen Erfahrungen übertrieben. Aber im Übergangsprozess braucht es flankierende Maßnahmen, allen voran Bildung. Daneben könnte auch eine weitere Arbeitszeitverkürzung einen Teil des Produktivitätsgewinnes breiter auf die Bevölke-rung verteilen. Allerdings dürfte die demografische Entwicklung dem enge Grenzen setzen, denn der steigende Anteil der Bevölkerung, der nicht im Ar-beitsprozess steht, erfordert höhere Produktivität der Erwerbsbevölkerung. Insgesamt macht es jedenfalls keinen Sinn, Maßnahmen gegen die technologische Entwicklung zu setzen, denn die steigende Produkti-vität ist am Ende der Grund für unseren hohen Le-bensstandard. Die Politik ist jedoch gefordert, diesen Zugewinn gerecht zu verteilen und eventuelle Prob-leme bei der Transformation abzufedern.

Volkswirtschaftliche Aspekte der Digitalisierung | 56

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57 | Jahrbuch 2018

Literatur

AI Index (2017)November 2017, http://cdn.aiindex.org/2017-report.pdf

Arntz, M., Gregory, T. und Zierahn, U. (2018)Digitalisierung und die Zukunft der Arbeit: Makroökonomische Auswirkungen auf Beschäftigung, Arbeitslo-sigkeit und Löhne von morgen, ZEW, Mannheim, April 2018

Bashshi, H., Downing, J., Osborne, M. and Schneider, P. (2017)The Future of Skills: Employment in 2030, 2017

Campanella, E. (2018)The productivity puzzle: the Digital Revolution has yet to come, UniCredit Research Economic Thinking No. 68, 2018

De Loecker, J., Eeckhout, J. and Unger, G.(2018)The Rise of Market Power and the Macroeconomic Implications, mimeo, Nov. 2018, http://www.janeeckhout.com/wp-content/uploads/RMP.pdf

Frey, C.B. and Osborne, M. (2017)The Future of Employment: How Susceptible are Jobs to Computerisation?, Technological Forecasting and Social Change 114: 254-280, 2017

McKinsey Global Institute(2018)Solving the productivity puzzle: the role of demand and the promise of digitization, 2018

OECD (2018)Putting faces to the jobs at risk of automation, Policy Brief on the Future of Work, OECD, Paris 2018

Peralta-Alva, A. and Roitman, A.(2018)Technology and the Future of Work, IMF Working Paper/18/207, 2018

Südekam, J. (2018)Digitalisierung und die Zukunft der Arbeit, WPZ Analyse Nr. 19, 2018

Syverson, C. (2013)Will History Repeat Itself? Comments on ‘Is the Information Technology Revolution Over?’, International Productivity Monitor, 25, Spring 2013, 37-40

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57 | Jahrbuch 2018

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Big Data und Predictive Analytics am Beispiel der Steuerverwaltung | 60 59 | Jahrbuch 2018

Big Data und Predictive Analytics am Beispiel der Steuerverwaltung

Hermann Madlberger MBA MPAist Geschäftsführer der madlberger digitalisierungsberatung gmbh.

Davor war er der Leiter des Predictive Analytics Competence Center in der Steuer- und Zollkoordination des Bundesministeriums für Finanzen und Projektmanager mehrerer Big Data-Projekte (Reporting, Data Mining und Predictive Analytics). Seine Erfahrungen stammen aus 2 Jahrzehnten in Managementfunktionen, unter anderem Leiter einer der größten Betriebsprüfungsabteilungen Österreichs, Leiter der Organi-sationsabteilung für die Steuerverwaltung im Bundesministerium für Finanzen, Regi-onalmanager für Wien und Vorstand der Steuerfahndung Österreich.

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Big Data und Predictive Analytics am Beispiel der Steuerverwaltung | 60

Die CEO von IBM Virginia Rometty meint: “Big bu-siness decisions will be not by experts or intuition but by big data and predictive analytics”.

Der Google CEO Sundar Pichai vertritt die Auffas-sung, dass “AI will be more important than fire and electricity for humans”.

Von Staatspräsident Wladimir Putin stammt der Ausspruch: „Wer künstliche Intelligenz beherrscht, beherrscht die Welt.“

Alle drei Verantwortlichen lassen Milliarden an Euro in den Bereich Artificial Intelligence investieren.

Es stellt sich daher die Frage, was verbirgt sich hin-ter dieser Technologie, wozu wird sie eingesetzt und worauf ist dabei zu achten?

Artificial Intelligence (kurz AI) oder Künstliche In-telligenz (kurz KI) ist schon länger unter den Be-griffen „Datamining“ oder „Predictive Analytics“ als Methodik bekannt.

Im Wesentlichen geht es dabei um die Zielsetzung aus Daten Informationen zu machen. Das ist bei we-nigen Daten kein Problem, allerdings wenn es um 100 Tausende, ja Milliarden von Daten geht, so er-weist sich die Erreichung dieser Zielsetzung für den Menschen als überaus schwierig.

Schon in den 1950er Jahren wurden Methoden ent-wickelt, wie die Software den Menschen bei seinen Bemühungen um die Analyse von Daten unterstüt-zen kann. Aber erst die immer leistungsfähigeren Computer und die Entwicklung der Chips zur Be-wältigung von komplexen Algorithmen in Verbin-dung mit dem stetigen Preisverfall der erforderlichen Hardware ermöglichen seit der Jahrtausendwende den Einsatz dieser Methodik in der normalen Ar-beitswelt.

Die Software versucht durch „Lernen“ aus bekannten Datenbeständen über mathematisch-statistische Lo-giken Einschätzungen für neue Daten zu treffen und damit eine Wahrscheinlichkeit zu Übereinstimmun-gen zu formulieren.

Machine Learning ist DIE Methode der KI mit wel-cher die wesentlichsten Anwendungsfälle gelöst werden können. Machine Learning verwendet Re-gressionen, Entscheidungsbäume und ähnliche Mo-dellvarianten um aus einer Fülle von Variablen Mus-ter zu finden um eine bestimmte Aussage treffen zu können.

Deep Learning ist eine Spezialform des Machine Le-arnings, wobei hier neuronale Netze in verschiede-nen Schichten dazu genutzt werden um die „Abstän-de“ von bestimmten Daten zueinander zu definieren und daraus ebenfalls Übereinstimmungen zu finden und Aussagen zu ermöglichen.

Machine oder Deep Learning kann supervised (auf Basis bekannter unterschiedlicher Daten angelernt), semi-supervised (teils angelernt, teils durch Cluste-rung bzw. Klassifizierung) und unsupervised (Er-mittlung von Ähnlichkeiten, Segmentierung, Ge-wichtung, etc.) erfolgen.

Diese Methoden sind nicht Selbstzweck, es reicht auch nicht als Trendmethode verwendet zu werden, sondern es braucht einen handfesten, zumeist öko-nomischen Grund bzw. Anlass um Datenanalyse mit Softwareunterstützung einzusetzen.

Eine Paradedisziplin für den Einsatz dieser Technolo-gie ist das Risikomanagement bzw. Fraud Detection.

Die Steuerverwaltung hat den gesetzlichen Auftrag (§§ 114f Bundesabgabenordnung) das Abgabenauf-kommen in Milliardenhöhe (Euro) sicherzustellen und über die vollständige und richtige Abfuhr zu wachen.

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Big Data und Predictive Analytics am Beispiel der Steuerverwaltung | 62 61 | Jahrbuch 2018

Die Risiken der Steuerverwaltung gehen von Irrtü-mern über bewusste Nichtabfuhr bis zur absichtli-chen Hinterziehung von verschiedenen Abgaben.

Vom Volumen her sind die sogenannten Drittsteuern „Umsatzsteuer und Lohnabgaben“ (Steuerschuldner ist der Konsument bzw. der Arbeitnehmer) mit rund 2/3tel des Aufkommens die größten Risikozonen, wobei zu berücksichtigen ist, dass die Groß- und Größtbetriebe rund die Hälfte dieser Abgaben ab-führen und in der Regel kein Risiko darstellen, da sie in aller Regel durch die Großbetriebsprüfung Öster-reich regelmäßig geprüft werden.

Das Risiko ist daher bei den rund 500.000 Klein- und Mittelbetrieben hinsichtlich der Umsatzsteuer und bei rund 250.000 Arbeitgeberbetrieben betreffend die Lohnabagaben angesiedelt, wobei auch hier da-von auszugehen ist, dass bei der überwiegenden An-zahl das Risiko gering ist.

Die Steuerverwaltung führt zur Kontrolle der Ri-siken etwa 15.000 Betriebs-Prüfungen und Nach-schauen, sowie etwa 20.000 Lohnabgabenprüfungen durch. Die Herausforderung besteht daher darin diese Kontrollhandlungen bei jenen Unternehmen durchzuführen deren Risiko höher ist als bei ande-ren Unternehmen.

Bisher erfolgte die Auswahl durch verschiedene Me-thoden (Zeit-, Gruppen-, Zufalls- und Einzelaus-wahl).

Seit 2014 setzt die Steuerverwaltung auch Machine Learning zur Auswahl der Lohnabgaben- und Be-triebsprüfungen ein.

Die an dieser Stelle spätestens seit der DSGVO ge-stellte Frage: „Dürfen sie das“ beantwortet § 114 Absatz 4 der Bundesabgabenordnung (idF BGBl. I Nr. 32/2018 seit 17. 5. 2018), der bestimmt, dass „Abgabenbehörden personenbezogene und nicht personenbezogene Daten für Zwecke des automati-onsunterstützten Risikomanagements und der Be-trugsbekämpfung verarbeiten dürfen, soweit dies nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zur Erfüllung ihrer Aufgaben geeignet, erforderlich und angemessen ist.“

Die für das Machine Learning zur Verfügung ste-henden Daten stammen allesamt aus den Steuerer-klärungen der Unternehmen. Der Steuerverwaltung stehen monatliche Umsatzsteuer-Voranmeldungen, Umsatzsteuer- und Ertragsteuer-Jahreserklärungen, sowie Beilagen mit den wichtigsten betriebswirt-schaftlichen Angaben dazu und bei Arbeitgebern auch die 12 monatlichen Lohnsteueranmeldungen zur Verfügung.

Im Jahr 2012 wurde ein Cognos-Report entwickelt, der in den Dimensionen Organisation (Bund/Regio-nen/Ämter/Teams) die Stammdaten, Abgabenarten, Zahlungs- und Prüfungsinformationen aggregiert darstellt. Auf Teamebene ist eine Darstellung der einzelnen Unternehmen mit mehr als 240 Informati-onen je Jahr möglich.

Diese Daten sind für die letzten 10 Jahre für alle heu-te aufrechten Unternehmen bzw. Einkommensteu-erpflichtigen vorhanden und umfassen mehr als 5 Milliarden Daten.

Dieser monatliche automatisierte Report „Prozesso-rientierte Sicht – POS“ ermöglicht die Qualitätssi-cherung der vorhandenen Daten über die Zeitreihe und besondere Auffälligkeiten auf dem langen Weg von der Datenerstellung durch Unternehmen, steu-erliche Vertreter und Bedienstete der Verwaltung über die einzelnen FinanzOnline-Anwendungen in das Data Warehouse bis zum Reporting aus den ent-sprechenden monatlich befüllten Datamarts.

Diese Qualitätssicherung ist Grundvoraussetzung für jegliches Machine Learning, wo von den Exper-ten das geflügelte Wort „Garbage in, garbage out“ verwendet wird. Das Analyseergebnis ist so gut oder schlecht, wie es die Datenqualität ist.

Für das Machine Learning entwickelte IBM den Cross Industry Process for Data Mining (kurz CRISP-DM). Die Experten im Predictive Analytics Competence Center des Bundesministeriums für Fi-nanzen erweiterten diesen Prozess mit wissenschaft-licher Beratung durch Univ. Prof. Marcus Hudec zu einem 10-gliedrigen – immer wieder zu durchlau-fenden – Prozess.

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Big Data und Predictive Analytics am Beispiel der Steuerverwaltung | 62

Die farbliche Unterscheidung der einzelnen Prozes-steile spiegelt die wechselnde Aufgabenstellung zwi-schen Fachbereich und IT wider. Daraus ist leicht erkennbar, dass zur erfolgreichen Bewältigung von AI-Projekten die Einbindung der Fachbereiche un-bedingt erforderlich ist. In unserem Fall sind das Experten aus der Veranlagung (Innendienst) und aus der Prüfung (Außendienst für Betriebe und für Lohnabgaben).

Der Fachbereich (hier "Risikomanagement und Be-trugsbekämpfung") trägt die Verantwortung für die Darstellung des Problems (Business Understanding) und die Kenntnis der zur Verfügung stehenden Da-ten (Data Understanding). Die IT organisiert die Daten (Data Engineering) und bereitet sie auf (Data Preparation), wobei sie aber auch zur Visualisierung und damit zum Verständnis beiträgt.

Die Data Scientists parametrisieren die Analysesoft-ware und erstellen unterschiedliche Modelle, die in einem „Model comparison“ – Knoten miteinander verglichen und auf Tauglichkeit beurteilt werden können.

Um Machine Learning durchführen zu können, braucht es Daten, die aus fachlicher Sicht erwünscht sind (zB abgeprüfte Jahre ohne Feststellung) bzw. aus fachlicher Sicht gesucht werden (zB abgeprüfte Jah-re mit einer Nachforderung von beispielsweise mehr als 10.000 Euro).

Für das Training zur Lohnabgabenprüfungsauswahl

standen rund 220.000 abgeprüfte Jahre mit einer Nachforderung von 0 und rund 5.000 abgeprüfte Jahre mit einer Nachforderung von mehr als 10.000 Euro zur Verfügung. Die 220.000 Fälle erhielten die Kennung (Flag) 0 und die 5.000 Fälle die Kennung 1.

An jedem Fall waren weitere rund 250 Daten (Stammdaten, Erklärungsdaten, Zahlungsdaten, Prüfungsdaten, etc) angehängt, so dass die Software mit verschiedenen Modellen auf die Unterschiede bzw. Muster in den Variablen (Kennzahlen) der Fälle mit den Flags 0 und 1 trainiert werden konnte. In diesen Trainings lernt die Software (Machine Lear-ning) die relevanten Unterschiede in den Datens-trukturen und formt daraus eine Rechenoperation (Algorithmus).

Die besten Ergebnisse in der Unterscheidung wer-den mit dem Einsatz neuronaler Netze erzielt. Da bei neuronalen Netzen der Algorithmus nicht mehr transparent ist und lediglich der Erfolg der Methode recht gibt, wurde für die Prüfungsfallauswahl ent-schieden eine transparente Methode, nämlich über interaktive Entscheidungsbäume zum Einsatz zu bringen. Bei dieser Methode schlägt die Software je-weils die Variable (Kennzahl) vor, wo sie den größten Unterschied zwischen den Fällen mit der Kennung 0 und den Fällen mit der Kennung 1 ortet. Interaktiv deshalb, da dem Vorschlag der nächsten Differen-zierung durch die Software jeweils vom Projektteam zugestimmt werden muss und im Falle einer Nicht-zustimmung auch eine Differenzierungsstufe über-sprungen werden kann.

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Big Data und Predictive Analytics am Beispiel der Steuerverwaltung | 64 63 | Jahrbuch 2018

Bei Einsatz von Entscheidungsbäumen entsteht der Algorithmus durch rechnerische Aneinanderrei-hung der Differenzierungsvariablen (Fremdleistun-gen größer als X + Lohnsteuer im Verhältnis zum Personalaufwand kleiner als Y + usw.). Damit kann dem Prüfer, der Prüferin der Auswahlprozess ein wenig nachvollziehbar gemacht werden während bei einem neuronalen Netz die Auswahlgründe völlig im Dunkeln bleiben. Diesfalls wäre die Akzeptanz der Prüfer, der Prüferinnen für diese Prüfungsauswahl wohl noch geringer als es bei automatisierter Fallaus-wahl ohnedies ist.

Selbst bei der Auswahl über Entscheidungsbäume ist das Verständnis erforderlich, dass die Daten-Kor-relation noch keine Kausalität für die Wahrschein-lichkeit einer Steuernachforderung begründet. Das bedeutet, dass Fälle mit Flag 1 ein bestimmtes Da-tenmuster aufweisen, welches sehr häufig gleichartig vorgekommen ist. Die Korrelation dieser Variablen war also hoch. Damit ist aber noch nicht gesagt, wel-che Gründe damals für die Nachforderungen maß-

geblich waren, sie brauchten mit den korrelierenden Daten nichts zu tun haben. Dieses Verständnis war jedoch nicht von allen Prüferinnen und Prüfern er-zielbar, weshalb es anfänglich Akzeptanzherausfor-derungen gab.

Der Prozess vom Kick-Off-Meeting bis zur Festle-gung mit welchem Modell für die noch ungeprüften Fälle eine Wahrscheinlichkeit durch Feststellung der Nähe zur Kennung 0 oder 1 ermittelt wird, dauert rund 3 Monate und erfordert mindestens 2 Work-shops wöchentlich. Zwischen den Workshops wer-den Evaluierungen und Datenqualitätsverbesserun-gen vorgenommen.

Es wurde rasch erkannt, dass ein solches Auswahl-projekt agilere Arbeitsformen erfordert und das tra-ditionelle Projektmanagement mit nebeneinander abgearbeiteten Arbeitspaketen nicht zum Ziel führt. Alle beteiligten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wurden daher in der Scrum-Technik fortgebildet.

Beim Scrum-Prozess entwickelt man einerseits Ver-ständnis, dass die einzelnen Sprintergebnisse nicht genau vorherbestimmt werden können und anderer-seits, dass bei einem nicht erwarteten Ergebnis eines Sprints das Projekt adaptiert und flexibel weiterge-führt wird. Ein rasch umgesetzter 80%iger Projekter-folg bringt letztlich mehr als ein ewig andauerndes Projekt, das die finanziellen Ziele massiv übersteigt und mühsam zum 100%igen Erfolg geführt wird.

Durch die Tatsache, dass der Prozess zur Prüfungs-auswahl jährlich wiederholt wird, ist leicht erkenn-bar, dass der zweite Durchlauf jede Menge Lern-möglichkeiten aus dem vorangegangenen Projekt eröffnete. Ein eigens eingerichtetes Evaluierungs-teams analysiert die Prüfungsergebnisse an Hand der Auswahldaten. Dabei werden Fehler in den Daten, in den Algorithmen, aber auch in der Prüfungstechnik gefunden. Jeweils zu Beginn des nächstjährigen Aus-

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Big Data und Predictive Analytics am Beispiel der Steuerverwaltung | 64

wahlprojekts berichtet das Evaluierungsteam über die festgestellten Learnings und diese fließen nahtlos in das nächste Projekt.

Da die Ergebnisse gemonitort werden, lässt sich die positive Entwicklung leicht in den Ergebnisdaten nachvollziehen.

Die beiden roten Linien zeigen die durchschnitt-lichen Prüfungsmehrergebnisse über den Erledi-gungsstand, die beiden blauen Linien jene aus den mit KI ausgewählten Fällen, jeweils für 2014 und für 2016.

Es ist leicht erkennbar, dass die Auswahl 2016 durch Predictive Analytics (blaue obere Linie) schon zu Beginn, also bei 10% Erledigungsstand um durch-schnittlich 2.000 Euro je geprüften Fall mehr Nach-forderung auswies. Bei rund solcher Art ausgewähl-ten 4.000 Fällen ergibt sich dadurch ein um 8 Mio. Euro höheres Mehrergebnis. Eine ähnliche Differenz ist auch zwischen der roten und blauen Linie er-kennbar. Die rote Linie zeigt das durchschnittliche Nachforderungsergebnis aus der Einzelauswahl, also durch Experten, und die blaue Linie jenes Durch-schnittsergebnis bei KI-Auswahl-Fällen.

Die Prüfungsauswahl mittels KI bzw. Machine Lear-ning ist daher ein geeignetes Mittel im Rahmen des Tax Compliance Managements.

Mit dieser Methode wird die Anzahl prüfenswerter Fälle gesteigert und gleichzeitig die Anzahl der Null-fälle gesenkt.

Die Konsequenzen:

• das Mehrergebnis steigt, weil bei den richtigen Fäl-len kontrolliert wird und

• die Ehrlichen sind zufrieden, weil Kontrollen ent-fallen, wo sie nicht benötigt werden.

Das nach Vilfredo Pareto (1848–1923) Prinzip, auch Pareto-Effekt oder 80-zu-20-Regel genannt, besagt, dass 80 % der Ergebnisse mit 20 % des Gesamtauf-wandes erreicht werden können.

Predictive Analytics oder KI ist eine Methode um diese 80 % zu finden.

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Paul Eiselsbergist als Senior Research Director und Prokurist am Markt- und Meinungsforschungsin-stitut IMAS International in Linz tätig. Als promovierter Jurist und Sozial- und Wirt-schaftswissenschafter betreut er auch Unternehmen in unterschiedlichen Branchen in den Bereichen Positionierung und Image im In- und Ausland. Er publiziert regelmä-ßig den sogenannten IMAS-Report, eine renommierte Veröffentlichung des Instituts, die monatlich erscheint und sich mit Fragen aus der Gesellschaftspolitik, aktuellen Themen des Einkaufsverhaltens, der Wertewelten und den Einstellungen der öster-reichischen Bevölkerung beschäftigt. Sein Buch #SocialMediaRevolution erschien im Traunerverlag und beschäftigt sich mit den Auswirkungen der sozialen Medien auf die Gesellschaft und Wirtschaft.

Digitalisierung: Die neuen Kommunikationswelten der Österreicher - der Eindruck vom digitalen Wandel | 66 65 | Jahrbuch 2018

Digitalisierung: Die neuen Kommunikationswelten der Österreicher - der Eindruck vom digitalen Wandel

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Digitalisierung: Die neuen Kommunikationswelten der Österreicher - der Eindruck vom digitalen Wandel | 66

Der Trend ist eindeutig: Seit 2000 hat sich die Zahl der täglichen Internet-Nutzer vervierfacht, die Anzahl der intensiven Social Media-Nutzer hat sich in den letzten elf Jahren mehr als versie-benfacht. Insgesamt ist bereits mehr als die Hälf-te der Österreicher im Web 2.0 aktiv, die Gruppe der Internet-Asketen nimmt weiter ab. Durch die virtuelle Welt kommt es zu einer Spaltung der ös-terreichischen Gesellschaft in vier Kommunikati-onstypen, die Spalte zieht sich vor allem entlang der Alterssegmente. Grundsätzlich unterscheiden sich die 14- bis 20-Jährigen im Vergleich zur Ge-samtbevölkerung in drei Bereichen des Internets deutlich: Instant Messaging, Soziale Netzwerke und Chats. Alle drei Nutzungskategorien sind in dieser jungen Altersgruppe um mehr als 20 Pro-zentpunkte höher ausgeprägt. Auch das Spielen von Onlinespielen ist in der jungen Bevölkerung merklich beliebter.

Die Kommunikationsveränderungen der Österrei-cher sind ein Zeichen der Digitalisierung. Doch wie steht Österreich insgesamt nun zu dieser digitalen

Veränderung: Die Digitalisierung wird von den Österreichern spontan mit dem Computer, dem In-ternet und dem Fortschritt verbunden. Auch wenn rund ein Drittel neutrale Nennungen in dieser spon-tanen Abfrage vorkommen, zeigt sich eine positive Grundassoziation zum Digitalisierungsbegriff. Es herrscht eine klare Pattstellung in der Chancen/Ri-siko-Gegenüberstellung sowohl für das eigene per-sönliche Umfeld als auch für die Gesellschaft. Die größten Veränderungen werden durch die künstli-che Intelligenz, die Robotik und den 3D-Druck ver-mutet. Einstellungen rund um die Digitalisierung: Mehrheitlich glauben die Österreicher, dass sich der digitale Wandel negativ auf den Arbeitsmarkt aus-wirkt und gleichzeitig, dass das Leben der Österrei-cher durch den digitalen Wandel erleichtert wird. Neuere Technologien wie Blockchain haben es noch nicht ins Bewusstsein der Österreicher geschafft. Nur ein knappes Viertel hat davon bereits gehört. In der Justiz vertraut man weiterhin auf Menschen. Schöffen sollten weiterhin aus Fleisch und Blut be-stehen, nur eine Minderheit würde der künstlichen Intelligenz mehr vertrauen.

Nun aber zu den Ergebnissen im Detail: Die Zahl der täglich in der virtuellen Welt Aktiven hat sich in den letzten 19 Jahren vervierfacht.

65 | Jahrbuch 2018

n=1.001, Österreichische Bevölkerung ab 16 Jahren, Oktober 2018, Archiv-Nr. 018101

in %

1418

25

31 33 3336 37 35 37

42 41 43 4447 49 49 51

56

32

39

5155

58 58 59 59 57 5761

6467 68 69 70 70

75 76

69

61

4945

42 42 41 41 43 43

3936 33 32 31 30 30

25 24

0

10

20

30

40

50

60

70

80

90

100

2000ÖVA

2001ÖVA

2002ÖVA

2003ÖVA

2004ÖVA

2005ÖVA

2006ÖVA

2007ÖVA

2008ÖVA

2009ÖVA

2010ÖVA

2011ÖVA

2012ÖVA

2013ÖVA

2014ÖVA

2015ÖVA

2016ÖVA

2017ÖVA

2018ÖVA

Heavy Internet-Nutzer Mindestens einmal (ab 2015 mind. mehrmals) im Monat Internet-Asketen

+44

+42

-45

Tägliche Internet-Nutzung hat sich in 19 Jahren vervierfachtBasis: Österreichische Bevölkerung

Frage: "Wie oft benutzen Sie das Internet? Würden Sie sagen –"

n=ca. 8000 pro Jahr, Österreichische Bevölkerung ab 14 Jahre, ÖVA 2000-2018

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Digitalisierung: Die neuen Kommunikationswelten der Österreicher - der Eindruck vom digitalen Wandel | 68 67 | Jahrbuch 2018

Genau genommen geben 56 Prozent der Österrei-cher dem IMAS in der ÖVA 2018 (Österreichische Verbraucheranalyse) zu Protokoll, das Internet na-hezu täglich zu nutzen – 76 Prozent der Bevölkerung sind zumindest mehrmals monatlich im Netz. Der Anteil der Internet-Asketen, also der Menschen, die das Internet kaum oder gar nicht nutzen, hat sich seit dem Jahr 2000 um 45 Prozentpunkte vermindert. Nur noch jeder Vierte bleibt dem virtuellen Raum konsequent fern.

Auch die Zahl der Social Media-Nutzer erhöhte sich rapide: Seit 2008 ist der Anteil der intensiven Nutzer von Web 2.0 Applikationen von drei Prozent auf 22 Prozent angestiegen und im erweiterten Kreis inklu-sive der „Ab und zu“-Nutzer von neun Prozent auf 54 Prozent. Social Media durchdringt nun die Gesell-schaft, schafft aber auch unter den Internet-Nutzern verschiedene Anwendungsbereiche, ein verändertes Nutzungsverhalten und unterschiedliche Nutzungs-geschwindigkeiten.

Die österreichische Kommunikationswelt ist somit nicht nur – wie noch vor einigen Jahren – zweigeteilt, sondern die digitale Spaltung spiegelt sich, wie in den letzten Jahren zuvor, nach wie vor in vier Gruppen wider: Grundsätzlich zeigt sich, dass nur eine abso-

lute Minderheit der Österreicher überhaupt keine Medien nutzt. Daher kann man die österreichische Gesellschaft in unterschiedliche Mediennutzertypen nach Art der Nutzung des Internets unterteilen.

Die Bevölkerung hat sich in vier Kommunikations-welten geteilt: In einer – der Welt der Internet-As-keten – machen die Menschen wie bisher in einer

sozusagen konventionellen Form von den Medi-en Gebrauch. Ähnlich wie im letzten Jahr sind nur vier Prozent der Internet-Asketen unter 30 Jahre.

n=1.001, Österreichische Bevölkerung ab 16 Jahren, Oktober 2018, Archiv-Nr. 018101n=1.000, Österreichische Bevölkerung ab 16 Jahren, Sept. / Okt. 2018, Archiv-Nr. 018091

%Es nutzen das Internet bzw. Social Media:

Ab und zuOft

3 4 611

16 18 21 22 21 21 226 6

8

15

1720

19 19 23 2632

9 1014

26

3338 40 41 44

4754

3537

42 4143 44

4749 49

5156

0

10

20

30

40

50

60

2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018

Social Media-Nutzer insgesamtHeavy Internet-Nutzer (täglich, fast täglich) +21

+26

+19

+45

Intensive Social Media-Nutzung hat sich in 11 Jahren mehr als versiebenfacht

Basis: Österreichische Bevölkerung

n=ca. 8000 pro Jahr, Österreichische Bevölkerung ab 14 Jahre, ÖVA 2008-2018

n=1.001, Österreichische Bevölkerung ab 16 Jahren, Oktober 2018, Archiv-Nr. 018101

Die vier neuen Kommunikationswelten

TYP A: 24% (-1 Pp.)Internet-Asketen

Mediennutzung ohne Internet

TYP B: 23% (-5 Pp.)Basis-Internet-Nutzer

Mediennutzung, InternetAber kein Web 2.0

TYP D: 22% (+1 Pp.)Intensive SocialMedia-Nutzer

Mediennutzung, InternetWeb 2.0 oft

TYP C: 31% (+6 Pp.)Moderate Social

Media-Nutzer Mediennutzung, Internet

Web 2.0 ab und zu

n=ca. 8000, Österreichische Bevölkerung ab 14 Jahre, ÖVA 2018

n=ca. 8000, Österreichische Bevölkerung ab 14 Jahre, ÖVA

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Digitalisierung: Die neuen Kommunikationswelten der Österreicher - der Eindruck vom digitalen Wandel | 68

In den weiteren drei Gruppen (Internet-Nutzer) vollzieht sich eine konsequente Anpassung an die breitgefächerten Möglichkeiten des digitalen Infor-mationstransfers und damit auch eine gravierende Veränderung des Kommunikationsverhaltens. Der Unterschied dieser Gruppen liegt aber in der Inten-sität und konkreten Nutzung des Internets bzw. so-

zialer Medien. Im Vergleich zum letzten Jahr zeigt sich ein Zugewinn bei den moderaten Social Media Nutzern. Die sozialen Medien scheinen nun auch die Generation 50+ zu erreichen. Genau genommen sind nun 54 Prozent der Österreicher zumindest ab und zu in sozialen Netzwerken unterwegs.

Durch die dargestellte Typologie kann man vor al-lem ein Altersgefälle erkennen. Mehr als zwei Fünf-tel der intensiven Social Media Nutzer (Typ D) sind unter 30 Jahre, während sich die generellen Basis-In-ternet-Nutzer (Typ B) eigentlich relativ gleichverteilt über alle Altersgruppen hinweg erstrecken. Intensive Social Media-Nutzer (Typ D) verbringen im Durch-schnitt bereits 106 Minuten pro Tag im Internet.

Betrachtet man nun unabhängig von dieser Typo-logie die Gruppe der 14- bis 20-Jährigen, zeigt sich, dass es in dieser Gruppe – nicht mehr wie in den letz-ten Jahren – zu einem Dreiklang der Medien Inter-net, Fernsehen und Radio kommt, sondern, dass TV und Internet beinahe gleichauf voran liegen und das Radio erst mit deutlichem Abstand dahinter folgt.

In drei Bereichen des Internets unterscheiden sich die 14- bis 20-Jährigen deutlich von der Gesamt-bevölkerung: Instant Messaging, Soziale Netzwerke

und Chats. Alle drei Nutzungskategorien sind in dieser jungen Altersgruppe um mehr als 20 Prozent-punkte höher ausgeprägt. Auch das Spielen von On-linespielen ist in der jungen Bevölkerung merklich beliebter.

Die Digitalisierung ist einer von zahlreichen Me-gatrends, nimmt aber in seiner Bedeutung aller Voraussicht nach die Top-Platzierung unter allen Trends und Entwicklungen ein. Sie ist der Teilchen-beschleuniger der Gesellschaft und verändert das soziale Verhalten, die Kommunikationsformen, das Arbeitsverhalten und viele Business-Modelle. Die Digitalisierung ist – wie soeben beschrieben – in na-hezu in allen Bereichen des Geschäfts- und Privat-lebens der Menschen in Österreich angekommen. Somit liegt es auf der Hand, die grundsätzlichen Ein-stellungen und Bewusstseinsbilder der Österreicher rund um dieses Thema abzufragen.

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n=1.001, Österreichische Bevölkerung ab 16 Jahren, Oktober 2018, Archiv-Nr. 018101

%14-29 Jahre 30-39 Jahre 40-49 Jahre 50-59 Jahre 60+ Jahre

4

15

28

43

3

16

21

21

9

20

21

18

16

24

18

12

69

25

12

7

Die neuen Kommunikationswelten in der Alterszusammensetzung

TYP A: 24%Internet-Asketen

TYP B: 23%Basis-Internet-

Nutzer

TYP C: 31%Moderate

Social Media-Nutzer

TYP D: 22%Intensive SocialMedia-Nutzer

n=ca. 8000, Österreichische Bevölkerung ab 14 Jahre, ÖVA 2018n=ca. 8000, Österreichische Bevölkerung ab 14 Jahre, ÖVA

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Digitalisierung: Die neuen Kommunikationswelten der Österreicher - der Eindruck vom digitalen Wandel | 70 69 | Jahrbuch 2018

Der demoskopische Befund startet mit einer spon-tanen Assoziation, also einer offenen Fragestellung, rund um den Begriff 'Digitalisierung'. Dieser Begriff ist sehr vielschichtig, die Personen, die hierzu eine Angabe machen, nennen im Durchschnitt 1,7 Aspek-te. Nur rund 16 Prozent können zur Digitalisierung überhaupt nichts sagen, hingegen fallen sogar einer fast ident großen Gruppe mehr als zwei gedankliche Bewusstseinsbilder ein.

Die Digitalisierung wird von den Österreichern spontan mit dem Computer, dem Internet und dem Fortschritt verbunden. Auch wenn rund ein Drittel neutrale Nennungen genannt werden, zeigt sich eine positive Grundassoziation zur Digitalisierung. Ge-nau genommen überwiegen im Verhältnis 47 zu 19 die positiven Nennungen.

Für viele Menschen ist die Digitalisierung und der damit verbundene Wandel noch nicht greifbar, we-der auf einer gesellschaftlichen noch auf einer per-sönlichen Ebene. Ein Viertel kann für das persön-liche Umfeld keine Chancen/Risiko-Einschätzung abgegeben, für die Gesellschaft insgesamt rund je-der Fünfte. Es herrscht eine klare Pattstellung in der Chancen/Risiko-Gegenüberstellung sowohl für das eigene persönliche Umfeld als auch für die Gesell-schaft. Genau genommen ist es rund ein Drittel, das jeweils mit dem digitalen Wandel Chancen verbin-det. Für eine ähnlich große Gruppe der Bevölkerung ist der digitale Wandel auch mit Risiko für die Ge-sellschaft verbunden, für den privaten Bereich fällt diese Gruppe etwas kleiner aus.

Männer, Personen unter 34 Jahren und Menschen mit höherer Bildung sind überdurchschnittlich

davon überzeugt, dass der digitale Wandel Chancen bringt.

n=1.001, Österreichische Bevölkerung ab 16 Jahren, Oktober 2018, Archiv-Nr. 018101

Eher Chancen oder Risiken im persönlichen Umfeld / für die Gesellschaft durch den digitalen Wandel?

Frage: "Wenn Sie nun an sich und Ihr persönliches Umfeld denken: Stellen Ihrer Meinung nach der digitale Wandel und die dadurch verursachten Veränderungen eher eine Chance oder eher ein Risiko dar?"

Frage: "Wenn Sie nun an die Gesellschaft insgesamt denken, was meinen Sie: Stellen der digitale Wandel und die dadurch verursachten Veränderungen eher eine Chance oder eher ein Risiko dar?"

Basis: Österreichische Bevölkerung ab 16 Jahren

Eher Chance34%

Eher Risiko27%

Weder noch25%

Keine Angabe

13%

Eher Chance32%

Eher Risiko33%

Weder noch20%

Keine Angabe

15%

Persönliches Umfeld Gesellschaft insgesamt

n=1.001, Österreichische Bevölkerung ab 16 Jahren, Oktober 2018, Archiv-Nr. 018101

Spontane Assoziationen mit dem Begriff 'Digitalisierung'

Frage: "Wenn Sie nun an den Begriff 'Digitalisierung' denken. Welche Aspekte fallen Ihnen zu diesem Begriff ein? Bitte sagen Sie mir einfach ein paar Stichwörter!" (offene Fragestellung)

Basis: Österreichische Bevölkerung ab 16 Jahren

Bevölkerung insgesamt %

Computer, alles geht über den Computer, computergesteuertInternet, Onlinebanking, Onlineshopping

Fortschritt, Modernisierung, Weiterentwicklung, InnovationModern, ist im Trend

Erleichterung im Arbeitsbereich / Alltag, einfachSchnell, alles geht schneller

Technik / Technologie allgemeinHandy, Steuerung über Apps, Smart Home

Daten, Datenerfassung / -speicherung / -verarbeitungDigitale Geräte wie Fernseher, Kamera, von analog auf digital

Arbeitspl. gehen verloren, Mensch wird durch Maschine ersetztZukunft, zukunftsorientiert, das ist die Zukunft

Elektronik, elektronische GeräteAutomatisierung, Roboter, selbstständige Maschinen

Digitale Welt, digitales Zeitalter, alles wird digitalSonst. neg. Aspekte: schlecht, nicht gut, wird übertrieben

Der gläserne Mensch, ständige ÜberwachungGefahr, Risiko, Datenschutz, Datensicherheit

Netzwerke, Vernetzung, alles wird vernetztUmbruch, Wandel, Veränderung

Unpersönlich, Verlust der menschlichen Kommunikation

AnderesWeiß nicht, nichts, keine Angabe

1413

10888

77777

65555

44

33

2

216

1 Aspekt52%2 Aspekte

32%

3+ Aspekte

16%

Konkrete Nennungen(84%=100%)

Ø = 1,7

PositiveAspekte

47%

NegativeAspekte

19%

NeutraleAspekte

34%

Konkrete Nennungen

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Digitalisierung: Die neuen Kommunikationswelten der Österreicher - der Eindruck vom digitalen Wandel | 70

Größte Veränderungen werden durch die künstliche Intelligenz, die Robotik und den 3D-Druck vermu-tet. Noch kaum Veränderungen im Leben der Öster-

reicher vermutet die Bevölkerung bei den meisten abgefragten Technologien, beispielsweise im Bereich Blockchain oder Shared Economy.

Einstellungen rund um die Digitalisierung: Mehr-heitlich glauben die Österreicher, dass sich der digi-tale Wandel negativ auf den Arbeitsmarkt auswirkt und gleichzeitig, dass das Leben der Österreicher durch den digitalen Wandel erleichtert wird. Inte-ressantes Detail: Nach Alter und Internetnutzung unterscheidet sich das Antwortverhalten. Personen bis 34 Jahre und häufige Internetnutzer sind mehr von der Lebenserleichterung und weniger von den negativen Folgen auf den Arbeitsmarkt überzeugt. Insgesamt jeder Zweite aber befürchtet negative Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt und knapp drei Fünftel gehen davon aus, dass die Digitalisierung das Leben erleichtert. Die anderen abgefragten Aussagen erzeugen eine demoskopische Pattstellung: Die Fra-ge nach neuen Jobs durch die Digitalisierung oder

auch die Ernsthaftigkeit der Politik in diesem The-ma. Knapp jeder Zweite meint nicht, dass der digitale Wandel überschätzt wird.

Neuere Technologien wie Blockchain haben es noch nicht ins Bewusstsein der Österreicher geschafft. Nur ein knappes Viertel hat davon bereits gehört. Unter Vorgabe der Definition können sich kaum mehr Ös-terreicher dazu äußern.

In der Justiz vertraut man weiterhin auf Menschen. Schöffen sollten weiterhin aus Fleisch und Blut be-stehen, nur eine Minderheit würde der künstlichen Intelligenz mehr vertrauen. Besonders ablehnend gegenüber der künstlichen Intelligenz sind die Inter-netasketen und die Bevölkerung ab 35 Jahren.

69 | Jahrbuch 2018

n=1.001, Österreichische Bevölkerung ab 16 Jahren, Oktober 2018, Archiv-Nr. 018101

Schöffengerichte vs. künstliche Intelligenz

Frage: "Bitte denken Sie nun ganz allgemein an eine Gerichtsverhandlung. Wenn die Wahlmöglichkeit bestehen würde, dass entweder eine künstliche Intelligenz, also eine Maschine oder ein Computer, oder aber Schöffen die Entscheidung über Schuld und Unschuld, die Höhe einer Strafe und die vorzeitige Freilassung von Straftätern treffen könnten, wem würden Sie dann mehr vertrauen: der künstlichen Intelligenz oder den Schöffen?"

Basis: Österreichische Bevölkerung ab 16 Jahren

Würde künstlicher %Intelligenz Keinemehr vertrauen Würde Schöffen mehr vertrauen Angabe

Bevölkerung insgesamt 18

Männer 17Frauen 20

16-34 Jahre 2535-59 Jahre 17

60+ Jahre 15

Pflichtschule 21Weiterführend ohne Matura 18

Matura, Universität 16

Land (bis 5.000 Einwohner) 23Stadt 16

Tägliche Internetnutzer 21Gelegentliche Internetnutzer 17

Internetasketen 11

13

1610

1812

10

1110

20

1214

1514

3

Künstl. Intelligenz

13%

Schöffen69%

Keine Angabe

18%

69

6770

5772

75

6872

64

6571

6469

85

n=1.001, Österreichische Bevölkerung ab 16 Jahren, Oktober 2018, Archiv-Nr. 018101

Aussagen rund um den digitalen Wandel

Frage: "Welchen der folgenden Aussagen, die ich Ihnen gleich vorlesen werde, würden Sie voll und ganz, einigermaßen, eher nicht oder überhaupt nicht in Bezug auf die Digitalisierung zustimmen?"

Basis: Österreichische Bevölkerung ab 16 Jahren

%Voll und Eher Überhaupt Unent-ganz Einigermaßen ∑ nicht nicht ∑ schieden

Der digitale Wandel wird sich negativ auf den Arbeitsmarkt in Österreich auswirken 51 27 21

Der digitale Wandel erleichtert das Leben der Menschen 58 21 21

Der digitale Wandel wird derzeit überschätzt 33 47 20

Der digitale Wandel wird viele neue Jobs und Arbeitsplätze in Österreich schaffen 41 39 20

Der digitale Wandel wird derzeit von der Politik in Österreich nicht so ernst genommen 39 35 26

21

17

12

11

10

30

41

21

30

28

19

16

32

26

25

8

5

15

13

10

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Mag.a. Ulrike Katterl MAS MBA(1)

Rechnungshof Österreich

Mag. Ulrike Katterl, MAS MBA ist seit 2013 Leiterin der Abteilung Planung und Ent-wicklung im Rechnungshof Österreich. Seit Frühjahr dieses Jahres ist auch der Bereich der Kommunikation in ihr Aufgabenportfolio gewandert. Die Abteilung ist zuständig für die Koordination der Prüfungsplanung innerhalb der Prüfungsbereiche sowie für die Abstimmung mit den Landesrechnungshöfen. Durch ihre Abteilung wird u.a. das Leistungscontrolling, die Organisations- und Personalentwicklung und die Kommuni-kation abgedeckt. Die Abteilung ist das Kompetenzzentrum für Wissensmanagement.Sie hat langjährige Erfahrung in der öffentlichen Finanzkontrolle, als Prüferin und

nun im Support der Prüfungsabteilungen. Davor war sie Nationale Expertin für die Qualität der Öffentlichen Finanzen in der Europäischen Kommission, Generaldirektion für Wirtschaft und Finanzen. Nach Ihrem Studi-um der Volkswirtschaftslehre, im Zuge dessen sie auch ein Semester an der Universität Kopenhagen absolvier-te, startete sie Ihre Karriere in der Privatwirtschaft als Projektmanagerin. Nach einem Master in European Stu-dies wechselte sie ins Bundesministerium für Finanzen (Wirtschaftspolitische Abteilung/Strukturreformen). Im Rahmen ihrer Ausbildung im Rechnungshof Österreich absolvierte sie einen MBA (Public Auditing).

Wissensmanagement in einer externen Finanzkontrolle | 72 71 | Jahrbuch 2018

Wissensmanagement in einer externen Finanzkontrolle

Inhalt

1. Der theoretische Rahmen ........................................................................................................................................ 722. Wissensmanagement in aller Munde ..................................................................................................................... 723. Wissensaufbau, -ausbau und -vernetzung im Rahmen der Prüfungstätigkeit ................................................. 744. Fazit ............................................................................................................................................................................ 75

[1] Die Inhalte dieses Artikels stellen nicht notwendigerweise die offizielle Meinung des Rechnungshof Österreich dar, sondern fallen in die Verantwortung der Autorin.

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Wissensmanagement in einer externen Finanzkontrolle | 72

1. Der theoretische Rahmen

Keine Wirtschaftswachstumstheorie kommt ohne „Wissen“ als wichtige Ressource und wertvoller Wachstumsfaktor aus. War früher der technolo-gische Fortschritt der wesentliche Treiber für das Wirtschaftswachstums, wird es nun Digitalisierung genannt. Unverändert gültig bleibt, dass verstärkte Humankapitalbildung sowie Prozess- und Produkt-innovationen den Fortschritt in Richtung Wachs-tum, Qualitätssteigerungen, etc. vorantreiben. Hi-nuntergebrochen auf die Ebene der Unternehmen und öffentlichen Einrichtungen bedeutet dies, die Aufgabe des Wissensmanagement als Erfolgsfaktor anzuerkennen und in die Unternehmenskultur zu integrieren. Die Optimierung des Wissens stellt ei-nen bedeutenden strategischen Erfolgsfaktor dar, da Wissen neue Kompetenzen schafft und so Prozess- und Produktinnovationen erst möglich macht.

Wissensmanagement hat laut Theorie die Aufgabe Wissen in einer Organisation bestmöglich zu nüt-zen. Dabei geht es einerseits um das bereits vorhan-dene Wissen, aber auch um neues Wissen. Für ein gelungenes Wissensmanagement bedeutet dies, dass

vorhandenes Wissen der Mitarbeiterinnen und Mit-arbeiter identifiziert als auch neues Wissen von au-ßen bzw. von neuen Mitarbeiterinnen und Mitarbei-ter generiert werden muss. Dieser Wissenspool muss verknüpft werden, um es dann für die Prozesse und Aufgaben der Einrichtung nützen zu können und in Folge Innovationen geschehen zu lassen.

In wissensorientierten Einrichtungen, in welchen naturgemäß sehr viel impliziertes Wissen vorhanden ist, ist dies eine besondere Herausforderung.

Erstens, wissen die Mitarbeiterinnen und Mitarbei-ter gar nicht, wie viel sie wissen. Zweitens, verlangt Wissensmanagement ein Maß an Offenheit und Flexibilität gegenüber Neuem. Es gilt beides zu be-gegnen, dann sind optimale Rahmenbedingungen für ein gelungenes Wissensmanagement vorhan-den. Der Rest ist ein dynamisches Experimentieren mit verschiedenen Instrumenten aus dem Bereich der Kommunikation, Personalentwicklung und des Qualitätsmanagements…

2. Wissensmanagement in aller Munde

Irgendeine Einheit in jeder Einrichtung ist mit „Wis-sensmanagement“ betraut. Die Möglichkeiten gehen von klar definierten Wissensmanagern, über zentra-le Abteilungen zuständig für Wissensmanagement bis hin zu Matrix-organisierten dezentralen Verant-wortungsbereichen. Die Managementbücher liefern diverse Informationen über die Vor- und Nachteile der verschiedenen Modelle.

Als Grundlage für ein gelungenes Wissensmanage-ment muss aber vorrangig ein strukturiertes Ver-

ständnis über die Bedeutung von Daten, Informatio-nen und Wissen für die eigene Einrichtung gegeben sein.

Betriebswirtschaftlich übersetzt könnte man Daten, Informationen und Wissen als Produktionsfaktoren der externen Finanzkontrolle sehen. Prüferinnen und Prüfer „produzieren“ durch das Erheben von Daten, durch das Setzen in einen Kontext Informa-tionen und durch entsprechendes Wissen können Aussagen und Bewertungen vorgenommen werden.

71 | Jahrbuch 2018

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Wissensmanagement in einer externen Finanzkontrolle | 74 73 | Jahrbuch 2018

Dies führt zu den Produkten der Prüfungsergebnisse inklusive Empfehlungen. D.h. Wissensmanagement in einer externen Finanzkontrolle kann nur funktio- nieren, wenn das Bewusstsein bei jeder einzelnen Mitarbeiterin bzw. jeden einzelnen Mitarbeiter vor-handen ist, dass Wissensaufbau und -austausch als Kultur gelebt werden muss.

In einer externen Finanzkontrolle haben die Prüfer- innen und Prüfer mit allen Formen und Ausprägun-gen von Daten zu tun. Daten sind alle in gedruckter, gespeicherter, visualisierter oder sonstig wahrnehm-barer Form verwertbare Angaben über die verschie-densten Dinge und Sachverhalte. Bei Prüfungshand-lungen sind sie somit die Basis für jegliche weitere Vorgangsweise. Daten bilden die Grundlage für In-formation in wissensbasierten Systemen und Insti-tutionen.

In einer mikroorientierten Sichtweise sind Daten alleine noch kontext-unabhängig und noch nicht interpretiert. Dafür bedarf es methodischer, konzep-tioneller, organisatorischer und technischer Maß-nahmen und Verfahren zur Behandlung der Daten mit dem Ziel, diese Daten interpretieren zu können.

Für Prüferinnen und Prüfer ist hier die spannende Phase Prüfhandlungen zu setzen, die Daten zu ver-stehen, und um Sachverhalte zu erkennen.

Es ergeben sich Informationen für die Prüferinnen und Prüfer. Sie stellen eine logisch in sich abge-schlossene, aus Daten bestehende Einheit dar. Für die Prüferin bzw. den Prüfer haben diese Informationen eine relevante Aussagekraft. Entscheidend für diese Informationsgewinnung ist der Bedeutungskontext.

Prüferinnen und Prüfer bedienen sich hier interner und externer Informationsquellen (bspw. Interviews mit der überprüften Stelle, Fragebögen, Aktenein-sicht), aber auch individueller Informationsverarbei-tungen (bspw. Datenanalysen, Stichprobenziehun-gen). Die Herausforderung bei den verschiedenen Informationsquellen besteht darin, dass die richtige Information den gewünschten Empfänger erreicht.

Wissen entsteht erst wenn die wahrgenommenen In-formationen tatsächlich verarbeitet wurden. Wissen

stellt das Endprodukt von Lernprozessen dar, in de-nen Daten als Informationen wahrgenommen und als neues Wissen angeeignet wurden.

Zu beobachten ist, dass dieser Wissensaufbau bei den Prüferinnen und Prüfern kaum als tatsächlicher Lernprozess wahrgenommen wird. Dabei ist gerade dieses individuelle Wissen – die Kenntnis, Fähigkeit und Fertigkeit, die zur Einschätzung von Sachverhal-ten und Bewertungen eingesetzt werden - wesentlich für ein funktionierendes Wissensmanagement.

Individuelles Wissen ist zwar implizit, weil es an den Menschen gebunden ist, doch können bestimmte Anteile expliziert werden. Wie auch in anderen Ein-richtungen wird hier auch im Rechnungshof Öster-reich auf ein Mentoring-System zurückgegriffen, da so erfahrene Prüferinnen und Prüfer diese Kompe-tenz - oft „nebenbei“- an die jungen Prüferinnen und Prüfer weitergeben.

Im Rechnungshof Österreich ist das Wissensma-nagement organisatorisch zentral in einer Abtei-lung angesiedelt. Zusätzlich kann die Abteilung auf dezentrale Wissensmanager in den verschiedenen Prüfungsbereichen zurückgreifen. Diese Wissens-manager sind mit spezifischer Themenverantwor-tung (bspw. Prüfungsmethode, Datenanalyse) ausge-stattet. Seit Juli 2018 gibt es nun in allen Abteilungen Kompetenzzentren für spezifische Prüfungsberei-che. Dies vervollständigt das Wissensmanagement im Rechnungshof Österreich.

Das Bewusstsein über ein sinnvolles Wissensma-nagement spannt sich über alle Kontinente. Somit ist es nicht überraschend, dass auch die INTOSAI, die Internationale Organisation der Obersten Rech-nungskontrollbehörde, in ihrem strategischen Plan 2017 bis 2022 die „Schaffung von Anreizen zur Zu-sammenarbeit, Mitarbeit und kontinuierlichen Opti-mierung der Obersten Rechnungskontrollbehörden durch den Wissensausbau, den Wissensaustausch und den Einsatz von Wissensmanagement“ zu den strategischen Zielen zählt (INTOSAI, Strategischer Plan 2017 – 2022). Auch innerhalb Österreichs ar-beiten die Rechnungshöfe zusammen, unter ande-rem mit einer gemeinsamen Grundausbildung der neuen Prüferinnen und Prüfer, um optimale Rah-

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Wissensmanagement in einer externen Finanzkontrolle | 74

[2] Das Wissenscontrolling ist ebenfalls ein wichtiger Bereich des Wissensmanagements. D.h. die strukturierte Erfassung und Bewertung von Wissen. Ebenso Informations- und Kommunikationssysteme. Dies wird in diesem Artikel aber bewusst ausgespart.

menbedingungen für den Wissensaufbau und Wis-sensaustausch zu schaffen. Der mittlerweile jährliche Wissensgipfel zwischen dem Rechnungshof Öster-

reich und den Internen Revisionen des öffentlichen Sektors trägt auch erfolgreich zu diesem verstärkten Wissensaustausch bei.

3. Wissensaufbau, -ausbau und -vernetzung im Rahmen der Prüfungstätigkeit

Das Wissensmanagement(2) in einer externen Fi-nanzkontrolle, wie dem Rechnungshof Öster-reich, besteht aus verschiedenen Dimensionen. Die Grundausbildung liefert die gemeinsame Basis und gemeinsame Verständnis insbesondere für das orga-nisatorische Wissen in der externen Finanzkontrol-le. Um komplexe gebarungsrelevante Sachverhalte in den Datengrundlagen erkennen, beurteilen und in den Prüfungsergebnissen stringent sowie konzis wiedergeben zu können, sollten die Prüferinnen und Prüfer zum einen über eine einschlägige, d.h. ju-ristische, wirtschaftliche oder technische Aus- bzw. Vorbildung verfügen und zum anderen ihr theoreti-sches Fachwissen idealerweise in einer mehrjährigen Berufstätigkeit in einem der überprüften Sachgebie-te angewendet haben. Diese beiden individuellen Voraussetzungen einer Prüferin bzw. eines Prüfers stellen Grundprämissen bei der Aufnahme dar. Die Prüfteams setzen sich in der Regel aus gemischten Teams zusammen, d.h. verschiedene Fachrichtungen sind vertreten, um einen gesamthaften Zugang zum Prüfthema sicherstellen zu können.

Auch hier stellt der Wissensaustausch zwischen den verschiedenen Kompetenzen einen hohen Stellen-wert dar. Auch das Weiterbildungsprogramm baut sehr stark auf diesen internen Wissensaustausch auf. So sind sehr viele Kurse von Mitarbeiterinnen bzw. Mitarbeiter für die Kollegenschaft. Insbesonde-re bei prüfungsrelevanten Fragestellungen hat sich dieses Format bewährt (Prüfungen von Vergaben, IKS-Prüfungen, Datenanalysen, etc.).

Der Rechnungshof Österreich setzt bereits seit ei-nigen Jahren auf eine akademische Grundausbil-dung der Prüferinnen und Prüfer. Diese ist auf der

Wirtschaftsuniversität Wien Executive Academy zu absolvieren. Seit 2017 gibt es den Universitätslehr-gang „Public Auditing“ welcher sich durch seine Praxisorientiertheit auszeichnet. Auch hier wird der Wissensaustausch zwischen verschiedenen Ebenen forciert. Einerseits zwischen der wissenschaftlichen Ebene der Vortragenden der Wirtschaftsuniversität Wien und andererseits durch den Teilnehmenden-kreis, welcher neben den Rechnungshofmitarbei-terinnen und -mitarbeiter auch aus anderen Rech-nungshöfen aber auch Internen Revisionen besteht. Diese Netzwerke halten über den Lehrgang hinaus und bilden somit eine optimale Grundlage für einen nachhaltigen Wissensaustausch.

Der Kern des Wissensmanagements hat jedoch im Wissensaufbau,-ausbau und -vernetzung im Rah-men der Prüfungstätigkeit zu erfolgen. Hier entste-hen jene Informationen die relevant für die Wissens-basis des Rechnungshofes sind. Dies ist auch jene Phase, in welcher das Wissensmanagement stark verschränkt mit der Qualitätssicherung und Quali-tätskontrolle zu erfolgen hat. Als übergeordnete Di-mension ist die Kommunikations- aber auch Fehler-kultur zu sehen.

Hier gibt es einerseits die Möglichkeit sehr forma-listische Vorgaben für die Abwicklung von Prozes-sen zu formulieren. Dies würde ein sinnvolles Wis-sensmanagement jedoch verfehlen. Daten können erhoben werden; Informationen bereitgestellt wer-den, aber bei Wissen geht es um eine Vernetzung von Informationen und im weitersten Sinne um die Vernetzung von Menschen. Kein Qualitätsstandard kann dies sicherstellen, dies ist eine Frage der Unter-nehmenskultur.

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Aufgrund der Bedeutung der Bereithaltung, der Auf-findbarkeit, der Weitergabe und der Anwendung des Wissens sind hier Dokumentationsvorgaben und Be-richtspflichten trotzdem von besonderer Bedeutung. Der Rechnungshof Österreich hat ein elektronisches Dokumentenmanagementsystem implementiert, welches sicherstellen soll, dass Unterlagen schnell auffindbar gemacht werden. Dies kann aber nur ein Element darstellen. Ein anderes sehr erfolgreiches Element stellen die sogenannten Frühstücksprä-sentationen dar. Bei Vorlage bzw. Veröffentlichung

eines Berichtes stellt das Prüfteam den Bericht, ins-besondere die Prüfungshandlungen, die Heraus-forderungen, etc. den Kolleginnen und Kollegen in einer kurzen Präsentation vor. Dies fördert den In-formationsaustausch und in weiterer Folge auch den Wissensaustausch. Konferenzen zu Prüfungsschwer-punkten runden hier das Bild ab, um Informationen über spezifische Themen den Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einerseits vorzustellen, aber - oft wichti-ger – zur Diskussion zu stellen.

4. Fazit

Die Autorin ist davon überzeugt, dass ein gelunge-nes Wissensmanagement nur eingebettet in einer professionellen Unternehmenskultur funktioniert. D.h. Wissensmanagement kann nie isoliert von an-deren Bereichen einer Einrichtung gesehen werden. Ein funktionierendes Wissensmanagement sollte in der Lage sein, die rasante Weiterentwicklung neuer Technologien für sich zu nutzen. Diverse Innovati-onsschubs, wie derzeit die Digitalisierung, werden in einem funktionierenden Wissensmanagement posi-tiv integriert werden, indem bspw. neue Möglichkei-ten der Wissensvermittlung (bspw. E-Learning-tools; blended learning) bzw. Prozessmanagement (bspw. Automatisierungen) verwendet werden können.

Dies setzt aber voraus, dass die Hausübungen im Bereich der – laufend zu evaluierenden - Prozesse, Personal- und Organisationsentwicklung, Kommu-nikation, Fehlerkultur, etc. gemacht werden. Nicht jeder Trend muss verfolgt werden. Ernüchternd ist, dass ein Projekt „gelungenes Wissensmanagement“ nie abgeschlossen werden wird. Die Halbwertszeit an Wissen wird immer kürzer. Dies verlangt auch den Mut „Altes“ durch „Neues“ zu ersetzen.

Erfreulich ist, dass eine Einrichtung – ob ein Unter-nehmen oder eine öffentliche Einrichtung – durch eine Weiterentwicklung des eigenen Wissensma-nagements stets gestärkt hervorgeht. Diese Erfah-rung machte der Rechnungshof Österreich schon vor über zehn Jahren, als der Rechnungshof seine erste Wissensbilanz erstellt hat. Die Einrichtung der Kompetenzzentren im Jahr 2018 eröffnete nun die Möglichkeit eine Überleitung von impliziten zum expliziten Wissen zu schaffen und so eine breitere interne Wissensbasis zu generieren. Meist sind es aber die kleinen Elemente des Wissensmanagements – meist getragen von intrinsisch motivierten Mitar-beiterinnen und Mitarbeitern, welche die externe Fi-nanzkontrolle in ihrem täglichen Tun unterstützen.

Das Ziel eines funktionierenden Wissensmanage-ment einer externen Finanzkontrolle ist- durch das Nutzen der Fähigkeiten und des individuellen Wis-sens der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter – eine un-abhängige Informationsquelle für die Bürgerinnen und Bürger zu sein. Dies gewinnt durch die rasche Verfügbarkeit teilweise nicht verifizierter, immenser Daten- und Informationsmengen („fake news“) an Bedeutung.

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Seminarhighlights Herbst & Winter 2019

9. – 11. September 2019Einführung in die Interne RevisionDie Interne Revision ist ein bedeutsames Managementinstrument sowohl in Wirtschaftsbetrieben als auch in der öf-fentlichen Verwaltung, weil durch Größenwachstum und zunehmende Diversifikation der Aufgaben auch die eigene Organisation für das Top-Management immer schwerer überschaubar und weniger transparent geworden ist. Dazu kommt die Dynamik der wirtschaftlichen Entwicklung, die ständig neue Herausforderungen stellt.

Termin im Herbst 2019 wird noch bekannt gegebenRevision von und mit SAP R/3Die Gestaltung von Geschäftsprozessen zählt zu den wichtigsten betriebswirtschaftlichen Aufgabenfeldern jedes Unternehmens. Effiziente Abläufe steigern die Qualität von Produkten, sichern Kundenzufriedenheit und sind im Rahmen der fortschreitenden IT-Durchdringung nicht zuletzt auch Ausgangspunkt für Kostenoptimierung. SAP, als eine der meistgenutzten ERP Anwendungen der heutigen Zeit, deckt viele Unternehmensprozesse von der Beschaf-fung bis zum Vertrieb ab.Dieses Spezialseminar bietet den Teilnehmern die Möglichkeit, Ansätze und Methoden zur effizienten und risikoori-entierten Revision von und mit SAP R/3 kennen und anwenden zu lernen. Einen Schwerpunkt stellt das Thema „Data & Analytics“ dar, welches durch datenbasierte Analyseansätze die immer größer werdende Flut an Informationen auf das Wesentliche reduziert.

18. – 20. September 2019Beratungs- und Verhandlungstechnik Aufgrund der hohen Nachfrage bieten wir dieses Spezialseminar ein zweites Mal im September an. Das Seminar bietet den TeilnehmerInnen die Gelegenheit und die Möglichkeit, praxisbewährte Beratungs- und Verhandlungs-techniken kennen zu lernen, Kommunikationstechniken mit dem Ziel einer WIN - WIN Situation einzusetzen und die wichtigsten psychologischen Aspekte des menschlichen Verhalten, bezogen auf die eigene Person, sowie auf die der Anderen, zu reflektieren und somit bewusst zu machen und damit ergebnisorientiert einzusetzen. Zusätzlich werden die Herausforderungen der Revisoren in ihren alltäglichen Tätigkeiten analysiert und gemeinsam Lösungsansätze erarbeitet. Eine hohe Praxisorientierung und der persönliche Mehrwert für die Tätigkeit als Interner Revisor wird in diesem Seminar großgeschrieben. Das bedeutet für die teilnehmenden Revisoren die zusätzliche Steigerung der eigenen Kompetenzen, in den angesprochenen Bereichen, um die Wirksamkeit von Prüfungsinterventionen wesent-lich zu verbessern.

3.Oktober 2019ISO/IEC 27001 - Aufbau und Prüfung eines ISMSDie ISO27001 legt die Anforderungen an ein Information Security Management System (kurz ISMS) und beschreibt einen kontinuierlicher Verbesserungsprozess (KVP), der das Unternehmen befähigt in einer risikoorientierten Vor-gangsweise die notwendigen Sicherheitsmaßnahmen zu implementieren und ständig zu verbessern. Mit der ISO 27001 erhalten Unternehmen im Bereich der IT-Sicherheit und Informationssicherheit die Möglichkeit, eine struktu-rierte Vorgangsweise zu etablieren, welche vergleichbar mit einem Qualitäts-Management System nach ISO 9001 ist, das in der Industrie seit langem erfolgreich angewendet wird. Eine Zertifizierung nach ISO/IEC 27001 wird seit Gültigkeit der DSGVO zunehmend von Kunden gefordert. Unternehmen sollten sich daher frühzeitig mit den Anfor-derungen der ISO 27001 beschäftigen.

Buchung über unsere Homepage oder direkt via E-Mail [email protected]

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Christian Hoppe ist Senior Manager im Bereich Risk Advisory der Ernst & Young Wirtschaftsprüfungs-gesellschaft in München. Sein Schwerpunkt liegt im Bereich der Internen Revision so-wie in der Digitalisierung von Internen Revisionsfunktionen. Herr Hoppe ist zudem in unserem Kernteam zur Entwicklung des EY Virtual Internal Auditor – einer globalen EY Platform zur Digitalisierung des gesamten Revisionslebenszyklus.

Jakob Pötsch ist Senior Consultant im Bereich Risk Advisory der EY Management Consulting GmbH in Wien. Sein Schwerpunkt liegt im Bereich der Internen Revision sowie in der Implementierung und Prüfung von Internen Kontrollsystemen und Risikomanage-mentsystemen. Er befasst sich insbesondere mit der Zukunft der Internen Revision im Kontext des österreichischen Unternehmensumfelds.

77 | Jahrbuch 2018

Internal Audit of the Future

Inhalt

Die Transformation der Internen Revision ............................................................................................................... 78Auswirkung der Digitalisierung und Big Data auf das Prüfungswesen ................................................................ 80Die Bedeutung von Datenanalysen in der Abschlussprüfung ................................................................................ 80Die Bedeutung von Datenanalysen in der Internen Revision ................................................................................ 81Jenseits von Datenanalysen ......................................................................................................................................... 81Wie man die Interne Revision der Zukunft aufbaut ................................................................................................ 83Fazit ................................................................................................................................................................................. 84

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Internal Audit of the Future | 78

Organisationen unterliegen ständigem Wandel. In unserem Zeitalter laufender technischer Revoluti-onen werden sie von „disruptiven“ Entwicklungen und Technologien dazu veranlasst, sich selbst zu transformieren, um nicht zurückzubleiben. Sie müs-sen sich den Herausforderungen der digitalen Revo-lution stellen: dem Übergang zu digitalen Prozessen und Geschäftsmodellen, komplexer werdender re-gulatorischer Vorschriften, der stark zunehmenden Nutzung sozialer Medien und disruptiver neuer Technologien, welche die Vernetzung vorantreiben und nach neuen Kompetenzen verlangen.

Auch die Internen Revision muss sich diesen Her-ausforderungen stellen. Sie muss sich kontinuierlich selbst hinterfragen, ob sie bereit ist sich als Funktion ebenfalls zu digitalisieren, ein Wegbereiter für die „digitalen Reise und Transformation“ des Unter-nehmens zu sein und ob sie die Herausforderung, umfassendere Lösungen zu liefern auch annimmt.

Dieser Artikel soll Wege aufzeigen, wie die Interne Revision auf die digitale Revolution reagieren und wie sie agieren sollte. Der Artikel ist bewusst provo-kativ formuliert. Unser Ziel ist es, neue Denkweisen zu schaffen und aktuelle Paradigmen zu hinterfra-gen. Es gibt jedoch kein Patentrezept – die „Reise“ jeder Organisation wird anders und einzigartig sein.

Zusammenfassend kann die Interne Revision mit einem Flugverkehrskontrollturm verglichen wer-den, der aktuelle und neueste Technologien für eine kontinuierliche Prüfung und zeitnahe Berichterstat-tung über wesentliche Risiken ermöglicht. Dieses Operating Model ermöglicht einen flexiblen und dynamischen Revisionsprozess, gestützt durch Tech-nologien, die es der Funktion ermöglichen, auf die sich ständig weiter entwickelnde Risikolandschaft zu reagieren und vorausschauend im Sinne der Unter-nehmensziele zu agieren.

Die Transformation der Internen Revision

Interne Revisionsfunktionen wurden bereits in den letzten 20 Jahren laufend „transformiert“. Dies führ-te zu schrittweisen Verbesserungen, die dabei helfen, heutige Aufgaben effizienter durchzuführen (bspw. durch begrenzte Datenanalysen und die selektive Nutzung von Technologien) und sich stärker auf wesentliche Risiken zu konzentrieren (bspw. durch risikobasierte Prüfpläne). Der grundlegende Ansatz und die Methodik der Internen Revision haben sich jedoch nur wenig geändert - die meisten Revisions-funktionen prüfen immer noch beinahe genauso wie in den 1990er Jahren. Dieses traditionelle Muster kann die Revisionsfunktion allerdings dabei beein-trächtigen, den Anschluss an neue Entwicklungen zu wahren und sich in gleicher Geschwindigkeit wie die 1st und 2nd Line zu verändern, wodurch eine Risi-kolücke resultieren kann.

Um sich zu stetig zu verbessern und weiterhin re-levant für die Unternehmung zu bleiben, muss die Interne Revision die Art und Weise, wie sie heute ar-beitet, grundlegend verändern. Die heutige Kernauf-gabe der Internen Revision wird künftig mit deutlich weniger Kosten und Personalaufwand durchgeführt

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werden. Die dadurch frei gewordene Kapazität wird es ihr ermöglichen den Fokus auf neue Aufgaben legen, da immer mehr Risiken und Themenberei-che (wie bspw. die Prüfung von Machine Learning Systemen der Unternehmung) jenseits des heutigen Rahmens behandelt werden müssen.

Der Auftrag der Internen Revision wird sich vom Prüfer als Assurance Funktion zum Change Agent, Anticipative Monitor und Business Counselor weiter-entwickeln:

1. Assurance Factory: Fokus auf unabdingbare Prü-fungsleistungen, Sicherstellung grundlegender Funktionstüchtigkeit von Prozessen und Kontrol-len sowie auf aktuelle und vergangene Themen mit Feststellungen, in Bezug auf aktuelle Auswirkun-gen von Empfehlungen, um ein Bewusstsein für aktuelle und vergangene Themen zu schaffen

2. Change Agent: Fokus auf Trends von Gründen, auf-grund deren es systematisch zu Fehlern kommt, und Prüfung gegen „unbekannte“ Regeln. Feststel-

lungen werden auf Basis einer tiefgehenden Ursa-chenanalyse, basierend auf internen Best Practices für Empfehlungen berichtet, um Änderungen in der Organisation anzustoßen

3. Anticipative Monitor: Fokus auf zukünftige The-men (z.B. fehlende Kontrollen, Richtlinien und Verfahrensanweisungen), wobei Feststellungen und Empfehlungen in Bezug auf ihre zukünftigen Auswirkungen, durch Antizipation des sich verän-derten Geschäftsmodells und regulatorischen Um-felds berichtet werden

4. Business Counselor: Fokus auf strategische Themen und aktives Einbringen in strategische Diskussio-nen und Problemlösungen. Feststellungen werden hinsichtlich der Antizipation zukünftiger Entwick-lungen und Branchentrends sowie deren Auswir-kungen auf das Unternehmen berichtet. Dadurch sollen Veränderung sowie die Entwicklung und der Austausch von Best Practices gefördert werden.

Interne Revisionsfunktionen werden dabei verschie-dene Facetten dieser Aufgaben vereinigen.

Die Vision einer digitalisierten Internen Revision, einschließlich des technologischen Ansatzes und der Voraussetzungen für die Governance sowie für die Mitarbeiter, muss an die Bedürfnisse der Stakeholder angepasst werden. Letztendlich wird diese Transfor-mation zu einer vollständig digitalisierten Revisions-funktion führen, die durch eine vollständig automa-tisierte Informationsverarbeitung und durchgängig digitalisierte Interne Revisionsprozesse ermöglicht wird.

Diese Digitalisierung reicht von der softwaregestütz-ten Definition der Strategie und des Mandats der Internen Revisionsfunktion über digitale Prüfungs-planung und -durchführung anhand effizienter Da-tenanalysen auf Basis vollständig digitalisierter, op-timierter und standardisierter Geschäftsprozesse, bis hin zur Durchführung einzelner Prüfschritte durch Softwareroboter und der digitalen Berichterstattung von Prüfungsergebnissen und Empfehlungen.

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Auswirkung der Digitalisierung und Big Data auf das Prüfungswesen

Unternehmen erleben aktuell eine rasante Auswei-tung der Menge und des Umfangs der Daten, die sie erzeugen, sowie der verfügbaren Technologien zur Verarbeitung dieser Daten. Täglich werden derzeit 2,5 Trillionen Bytes erzeugt, in den letzten zwei Jah-ren wurden 90% der weltweit verfügbaren Daten ge-neriert(1). Sinkende Kosten für die Datenspeicherung und -verarbeitung machen es möglich, diese Date-nexplosion zu verarbeiten. Steigender Wettbewerb, Kosten und regulatorischer Druck motivieren die Führungskräfte, Datenanalyse zu implementieren, um Erkenntnisse für die Hauptgeschäftsprozesse zu erhalten.

Infolgedessen sind auch Prüfer mit den neu auf-kommenden Prüfungsthemen und -möglichkeiten konfrontiert. Zusätzliche Herausforderungen sind beispielsweise:

• Die klare Erwartungshaltung von Aufsichtsgremi-en und der Geschäftsführung, dass die Prüfer die neuen digitalen Techniken verwenden und daraus resultierende Mehrwerte hinsichtlich Risikoabde-ckung und Effizienzverbesserungen erzielen.

• Ein Blick über „Assurance“ oder „Compliance“ hi-naus wird immer wichtiger.

• Unternehmensrisiken und Schwachstellen erfor-dern einen immer stärkeren integrierten Blick, der als Grundlage Daten und Analysen erfordert, die über eine einfache Extraktion aus einem System oder Funktionsbereich hinausgehen.

• Ein wachsender Bedarf von Aussagen über eine kontinuierliche Ordnungsmäßigkeit von Daten und nicht nur Überwachungsmaßnahmen zu ei-nem bestimmten Zeitpunkt.

Datenanalysen haben sich zu einer wichtigen Prü-fungstechnik entwickelt, mit welcher der Prüfer Einsichten erhält, um Geschäftsprozesse und -ergeb-nisse zu verbessern und Risiken zu minimieren. Da-tenanalysen werden im Allgemeinen abgegrenzt als: „Descriptive“ - Was war? / „Predictive“ - Was könnte geschehen? / „Prescriptive“ - Wie soll auf potenzielle künftige Ereignisse reagiert werden?

Datenanalysen sind jedoch nicht nur eine Prüfungs-technik, sondern auch die Grundlage für verschie-dene digitale Innovationen wie beispielsweise inter-aktive Dashboards und Berichterstattung, präzises Risiko-Benchmarking und Bewertung, Vorhersagen zu Prozessfehlern, Modellierung von Risikoauswir-kungen und von Mustern zur Betrugserkennung.

Die Bedeutung von Datenanalysen in der Abschlussprüfung

Der Einsatz von Datenanalysen in der Abschlussprü-fung ist bereits stark standardisiert. Die Entwicklung von einem substantiellen stichprobenbasierten An-satz hin zu verstärkt analytischen Ansätze wurde vor allem durch die signifikante Steigerung des Trans-aktionsvolumens und der Komplexität, die dem Ab-schluss zugrunde liegen, getrieben. Auch die Anfor-derungen aus Prüfungsstandards und Gesetzen und nicht zuletzt die Erwartungshaltung der Prüfungs-ausschüsse zahlen darauf ein.

EY hat in den letzten Jahren die Entwicklung von eigenen Analyseplattformen und Tools vorangetrie-ben, was zur vollständigen Einbettung von Daten-analysen in den Standardprüfprozess geführt hat. Ebenfalls ermöglichen unsere Investments in neue Technologien deren Einsatz im Rahmen des Prüf-prozesses bzw. für bestimmte Prüfbereiche (z.B. Process Automation, Process Mining oder Machine Learning).

[1] Quelle: MerlinOne (14.02.2019). The History of Digital Content. https://merlinone.com/resources/the-history-of-digital-content/ (abgerufen am 18.03.2019)

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Die Bedeutung von Datenanalysen in der Internen Revision

Die Nutzung von Datenanalysen innerhalb der In-ternen Revision ist in den letzten Jahren signifikant gestiegen. Datenanalysen werden normalerweise auf Basis von definierten sequentiellen Schritten durch-geführt:

1. Extrahieren (Definition der Datenanfragen, Abzug und Überprüfung der Daten), Erfassen (Import und Aufbereitung der Daten in der Analyseplatt-form)

2. Analysieren (Durchführung, Auswertung und Nichtverfolgung der Ergebnisse), sowie

3. Visualisieren (Erstellung der Visualisierung für die Arbeitspapiere und die Berichterstattung).

Datenanalysen sind mittlerweile ein Schlüsselele-ment für das operative Modell der meisten Revisi-onsfunktionen. Bei großen Revisionsfunktionen sind in-House-Analysefunktionen üblich, kleine bzw. mittlere Revisionsfunktionen gehen oftmals über Outsourcing. Größere Funktionen (+25 Prüfer) richten bereits häufig spezialisierte Zentren/Pools für Datenanalysen ein.

Aktuell dominiert keine einzelne Technologie bzw. Tool den Markt. In einem großen Umfang werden kommerzielle oder Open-Source-Tools verwendet und Dienstleister wie EY werden für Basisanalysen bei Schlüsselprozessen genutzt. EY unterstützt seine Kunden dabei mit einer breiten Palette von Lösun-gen, von Standardanalysetools wie EY Optix, mit dem ein umfangreicher Katalog vorkonfigurierter Datenanalysen im Rahmen unserer Dienstleistungen angeboten werden kann, bis hin zur Implementie-rung von für den Kunden individuell zugeschnitte-nen und nahtlos in dessen Revisionsprozesse integ-rierten Analyseanwendungen („Bespoke Analytics“).

Datenanalysen werden derzeit meist während der Prüfungsdurchführung eingesetzt, und nur wenig,

um beispielsweise die Risikobewertung und Jahres-prüfplanung zu unterstützen. Auch wenn der Fokus auf den primären ERP-Systemen der Unternehmen liegt, sind systemunabhängige Lösungen aufgrund von heterogenen Systemlandschaften für die meisten Revisionsfunktionen von zentraler Bedeutung.

Die meisten Revisionsfunktionen starten mit de-skriptiven/regelbasierten Basisanalysen für wichtige, wiederkehrende Prüfbereiche und entwickeln den Analysekatalog laufend weiter. Basisanalysen wer-den aktuell hauptsächlich für Finanztransaktionen, Kerngeschäftsprozesse und für Identifikation von „red flags“ eingesetzt. Ad-hoc-Analysen werden aus-geführt, um je nach Bedarf spezifische Fragestellun-gen zu beantworten.

Die Vorteile von Datenanalysen können erheblich sein, wenn sie vollständig in den Lebenszyklus und das Rahmenwerk der Revision integriert sind:

• Einmal etabliert, können Analysen und Skripte für regelmäßige Prüfungen wieder verwendet werden.

• Das Testen der gesamten Grundgesamtheit stellt sicher, dass das Ausmaß von Kontrollfehlern voll-ständig quantifiziert, sowie die Auswirkungen verstanden werden können und erhöht die Wahr-scheinlichkeit, Schwachstellen und Geschäftsrisi-ken zu erkennen.

• Durch die zentrale Bereitstellung von Analysen kann der Reiseaufwand oder die Unterstützung von Dienstleistern für die Prüfungsdurchführung in entfernten Standorten reduziert werden.

• Datenanalysen bieten eine unternehmensweite Sichtweise und die Möglichkeit, durch verbesserte Effektivität einen Mehrwert für das Unternehmen zu schaffen (beispielsweise transparentere Werte bei Lieferantenverhandlungen) sowie für den Geld- rückerwerb (z.B. Doppelzahlungen, Steuerrücker-stattungen).

Jenseits von Datenanalysen

Einige der für die Interne Revision relevanten Inno-vationen gehen weit über Datenanalysen und GRC-

Tools hinaus. Der Internen Revision stehen heute Technologien und Werkzeuge zur Verfügung, die

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viele der traditionellen Aufgaben des Prüfers über-nehmen oder komplett verändern können.

• Robotics process automation (RPA): Softwarelösun-gen, die eigenständig laufen und wie ein virtuel-ler Mitarbeiter beliebige Benutzeroberflächen an-derer Softwareprogramme bedienen können, um repetitive Aufgaben zu erledigen. Diese „Bots“ bieten Flexibilität und Vernetzung zwischen Pro-grammen, erhöhen die Effektivität von Program-men, und führen Routineaktivitäten durch, die bisher manuellen Aufwand benötigt haben. Sie ersetzen aber nicht vorhandene Rechnerkapazi-täten, und sie ersetzen für gewöhnlich auch nicht Mitarbeiterstellen, sondern schaffen Ressourcen um sich anderen Aufgaben widmen zu können. Softwareroboter können insbesondere Aufgaben wahrnehmen, in denen

• Daten manuell von verschiedenen Programmen abgerufen und gesammelt werden müssen

• Daten manuell von einem System in ein anderes bewegt werden müssen

• manuell die Übereinstimmung von Daten zwi-schen verschiedenen Systemen abgeglichen werden muss

• manuell dieselbe Information in verschiedenen Systemen aktualisiert werden muss

• manuell Daten in mehreren Konten korrigiert werden müssen

In der Internen Revision können Softwareroboter z.B. im Kontrolltesting, Compliance Monitoring und bei der Aggregation von Risikoinformationen eingesetzt werden.

• Künstliche Intelligenz (Artificial Intelligence/AI): Softwarebasierte Intelligenz, die menschliche Wahrnehmung, Verhalten und Denkprozesse nachahmt, um komplexere Aufgaben durchzufüh-ren, die fachliches Urteilsvermögen und Wissen über die Vergangenheit erfordern. Für die Revision können bspw. Machine Learning Elemente einge-setzt werden, um große Mengen unstrukturierter Daten zu verarbeiten und zu clustern.

• Process Mining: Hierbei handelt es sich um eine Methode, mit der die aktuellen und tatsächlichen Transaktionsdaten genutzt werden können, um gelebte Prozesse darzustellen und zu untersuchen. Bei der Analyse wird zuerst der Soll-Prozess gemäß Prozessbeschreibung, die für gewöhnlich häufigs-te und einfachste Prozessvariante, dargestellt. Im nächsten Schritt werden weniger häufige Prozess-verläufe dargestellt. Dabei zeigen sich Ausnahmen, Unregelmäßigkeiten und Prozessineffizienzen. Schlussendlich kann die „vollständige Realität“ ab-gebildet werden, ein komplexes Netz aus diversen Prozessverläufen, ungewöhnlichen Prozesspfaden oder Schwachstellen, die andernfalls verborgen blieben.

Process Mining bietet für die Interne Revision einige Vorteile gegenüber traditionellen Prozessanalysen. So muss sich der Prüfer z.B. nicht auf ggf. veraltete Prozessbeschreibungen verlassen. Auch kann auf verzerrte und „befangene“ Beschreibungen von Interviewpartnern verzichtet werden und das Ausmaß der nötigen Doku-mentation reduziert werden. Durch Process Mining können bisher unbekannte Prozessschwächen aufgedeckt und die Prozessoptimierung, -harmonisierung und –standardisierung vorangetrieben werden. Zudem kann Process Mining auch im Rahmen der Risikoidentifikation und -bewertung genutzt werden.

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Internal Audit of the Future | 84 83 | Jahrbuch 2018

• Technology Enabled Contract Review (TECR): Dieses Werkzeug nutzt Texterkennungssoftware (OCR) zum Einlesen und zur Analyse von unstrukturierten Daten (bspw. PDF-Dokumenten wie Verträgen). Es sucht dabei nach wiederkehrenden Mustern und gemeinsamen Komponenten, und klassifiziert Inhalte nach Schlüsselwörtern. Zudem wird das System vom Benutzer kontinuierlich „trainiert“,

um die Mustererkennung stetig zu verbessern. Die Interne Revision kann TECR beispielswei-se nutzen, um Prüfungsnachweise wie Verträge, Richtlinien oder Prozessdokumentation zu digi-talisieren und zu durchsuchen. Dadurch kann die Prüfung durch die Suche nach Stichwörtern und die Analyse der relevanten Informationen effizien-ter gestaltet werden.

Wie man die Interne Revision der Zukunft aufbaut

Der methodische Ansatz zum Aufbau von Revisi-onsfunktionen, einschließlich eines Übergangsplans, muss auf Innovationen und den neuesten (verfügba-ren) Technologien basieren. Sie müssen zumindest die folgenden Elemente berücksichtigen:

• Digital Excellence: effiziente Bereitstellung von Da-tenanalysen und optimierte Abläufe durch weitere Prozessstandardisierung

• Die Nutzung von Off- / Nearshore-Hubs und flexi-blen bzw. digitalen Arbeitskräften

• Disruptive Innovationen: Predictive und Prescrip-tive Analytics, Prüfung aufkommender Risiken mit durch Robotics- und künstliche Intelligenz-ge-stützte Prüfverfahren

• Verbesserte interne Zusammenarbeit in der ersten und zweiten Line of Defense

Die praktische Anwendung wesentlicher Teile des Konzepts in der gesamten digitalen Wertschöpfungskette muss schrittweise umgesetzt werden, wie zum Beispiel:

• Beginnen mit deskriptiven Analysen, um die Basis für präskriptive und prädiktive Analysen zu legen

• Neuverteilung der Aufgaben zwischen Mensch und Maschine, vermehrter Einsatz von Robots und AI (künstlicher Intelligenz) bei der Durch-

führung von Prüfschritten und Verbesserung der Back-End-Verarbeitung

• Neugestaltung des Risikobewertungsprozesses durch kontinuierliches Bewerten von Risiken und gezielter Fokus auf laufende Risikoanalysen

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• Implementierung neuer Kommunikationswege zur Durchführung von Interviews und Workshops (z.B. mit Online-Tools wie EY Think Tank) und zur Berichterstattung (z.B. mit Hilfe von interaktiven Dashboards und Videoberichten)

• Verwendung von Sprachverarbeitungstechnologi-en zur Etablierung eines interaktiven Prüfungsas-sistenten (wie z.B. Siri und Alexa)

Ein neues Mitarbeitermodell, das es der IR ermög-licht, sich auf zielgerichtete und wertschöpfende Arbeit zu konzentrieren, wird ebenfalls erforderlich sein. Diese sich ändernde Mitarbeiterdynamik wird für die Interne Revision notwendig sein, um eine flexiblere, anpassungsfähigere und kollaborative Ar-beitsumgebung zu entwickeln.

Fazit

Die Interne Revision muss neue Technologien als Teil ihres neuen Betriebsmodells berücksichtigen. Dies ermöglicht auch die Nutzung einer Vielzahl dynamischer Arbeitsergebnisse in Echtzeit, um Fee-dback zu liefern, das auf den Bedürfnissen der ver-schiedenen Stakeholder basiert.

Ursprünglich waren wir davon überzeugt, dass sich unsere Vision erst mittelfristig in einigen Jah-ren verwirklichen würde. Angesichts des schnellen Fortschritts der Digitalisierung, den wir bei EY und einigen unserer Kunden bereits durchleben, sind wir heute überzeugt, dass sich der Wandel deutlich schneller vollziehen wird – die „Reise“ hin zur Inter-nen Revision der Zukunft hat bereits begonnen.

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Megatrend Ethik, Artificial Intelligence & Internet of Things | 86 85 | Jahrbuch 2018

Megatrend Ethik, Artificial Intelligence & Internet of Things

Inhalt

0. Ein fiktiver Prüfauftrag als Startpunkt .................................................................................................................... 861. Der Gang der Untersuchung .................................................................................................................................... 862. Reduktion auf diskutierbare Klassen ....................................................................................................................... 873. Ethik aus Gesetzeserfüllung ..................................................................................................................................... 904. Ableitungen und Empfehlungen ............................................................................................................................. 92

Mag. Walter Pichl CIA, CFSA, CIPP/E, CISA, CISM, CGEIT, CRISC & SAP TERP10wurde 1999 zum ABAP Entwickler ausgebildet und betreut seit 2002 in der Konzern-ITeines Finanzdienstleisters eine der größten SAP-Installationen Mittel- und Osteuropas. Die beruflichen Schwerpunkte sind SAP Security Management & Security Operations, Risk Assessment & Risk Management, ISAE3402, Self-Audit, Compliance & Daten-schutz – immer als interner Mitarbeiter im SAP Competence Center. Er arbeitet aktiv mit in den Think Tanks SAP und Datenschutz des Instituts für Interne Revion. Aktuell arbeitet er gemeinsam mit Markus Moser, Simon Tjoa und Peter Schönegger an einem Leitfaden zur Prüfung von Künstlicher Intelligenz und den Neuen Technologien.

Disclaimer

Mag. Walter Pichl ist kein Jurist und erteilt hier keine juristischen Fachauskünfte. Rechtsmaterialien werden hier lediglich zur Ableitung von Prüfansätzen herangezogen. Diese Untersuchung ist keinesfalls vollständig und sollte ohne weitere juristische Analysen weder als ausreichend noch angemessen angesehen werden. Die hier vertretenen Ansichten stehen in keinerlei Zusammenhang mit vergangenen oder gegenwärtigen Dienstge-bern, sondern sind private Meinung des Autors.

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Megatrend Ethik, Artificial Intelligence & Internet of Things | 86

0. Ein fiktiver Prüfauftrag als Startpunkt

Dieser Beitrag bezieht sich auf einen fiktiven Prü-fauftrag des Vorstandes einer Bank.

„Danke für Dein Kommen. Wir haben Sorge und brauchen Klärung. Beim Datenschutz hast Du uns sehr geholfen, jetzt stehen wir vor einer noch größeren Herausforderung. Wir sind drauf und dran, all diese neuen Technologien wie Blockchain, Big Data, Inter-net of Things, Robotic Process Automatization (RPA), Data Science und Künstliche Intelligenz einzuführen. Wir stehen unter Druck vieler Stakeholder. Fondsma-nager drängen auf rasche Einführung wegen erhoffter Gewinnsteigerungen. Die Ethik-Fonds zeigen sich be-

sorgt ob der menschlichen Würde und der Betriebsrat will dringlichst Auskunft haben, was dran ist an den Gerüchten, dass wir nun alle Buchhalter, Controller und Personaladministratoren durch Roboter ersetzen. Auch die Bankenaufsicht hat schon durchblicken las-sen, dass sie gerne wissen würde, ob nun irgendwelche Maschinen bei uns die Entscheidungen treffen werden. Außerdem gibt es auch schon die erste Anfragen von Journalisten, ob nun Roboter hinter dem Schalter ste-hen werden.

Welche Risken kommen da auf uns zu? Was müssen wir beachten?“

1. Der Gang der Untersuchung

Auf den ersten Blick ist alles gegeben, was ein struk-turiertes Vorgehen schwierig macht: Der Prüfauf-trag ist breit und nicht klar umrissen, es handelt sich um neue Technologien, die Begriffe erscheinen nicht eindeutig bzw. werden nicht einheitlich verwendet und die Auswirkungen auf Strategie und Risiko sind nicht klar.

Zur Künstlichen Intelligenz und den Neuen Tech-nologien gibt eine unendliche Fülle an Dokumen-ten, es wird breit diskutiert und das Thema ist ein bewegliches Ziel. Die Gefahr ist mehr als groß, man-gels Überblick sich in Detailaspekten und einzelnen Technologien zu verlieren.

Unklarheit entsteht meistens aus Vermischung und Vermengung klarer Bestandteile in einer Art und Weise, dass der Wald vor lauter Bäumen nicht mehr erkennbar ist. Analytische Unterstützung findet sich in der literaturwissenschaftlichen Methode des

Französischen Strukturalismus. Ein Text wird inter-pretiert, indem das „Textil“ Text in seine einzelnen Fäden zerlegt und danach neu verstanden wird. Ge-nauso ist auch hier vorzugehen, jedoch in umgekehr-ter Reihenfolge: Es ist ein Textil neu zu weben, ein Text neu zu codieren - das zukünftige Unternehmen nach Einsatz neuer Technologien.

Die Bestandteile des zukünftigen möglichen Ganzen sind:

• bestehende und neue Technologien• bestehendes und neues Wissen in den Köpfen der

im Unternehmen arbeitenden Menschen• bestehende und neue Kunden-, Lieferanten- und

Außenbeziehungen

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Megatrend Ethik, Artificial Intelligence & Internet of Things | 88 87 | Jahrbuch 2018

Das neue Ganze muss sich unter folgenden Rahmen-bedingungen bewähren:

• bestehende und neue Gesetze• die ethischen Ansprüche der Stakeholder des Un-

ternehmens – Kunden, Mitarbeiter, Eigentümer, Betroffene, Staat, Umfeld etc.

Weiters ist zu untersuchen, welche Effekte gewünscht bzw. zu erwarten sind:

a) Erwünschtheit des Ergebnisses,

b) Erwünschtheit des Wegs zum Ergebnis, also das eingesetzte Werkzeug, das Mittel, die Technologie.

Die Anzahl der Technologien ist zu hoch für eine strukturierte Diskussion in einem Unternehmensumfeld. Die Technologien sind völlig unterschiedlich und auch die Begriffe uneindeutig definiert. Deshalb sind die wirtschaftlichen, juristischen und ethischen Risken nicht einfach erkennbar. Weiters ist beobachtbar, dass unter der Bezeichnung der Künstlichen Intelligenz andere Technologien, welche keinesfalls unter diesen Be-griff fallen, mitdiskutiert werden. Deshalb erscheint es besser, einen Metabegriff zu verwenden, den Begriff der „Neuen Technologien“ („Emerging Technologies“). Auch die SAP bezeichnet ihre ERP-Systeme, welche mit diesen Neuen Technologien ausgestattet sind, in ähnlicher Weise mit den Meta-Begriffen als „Intelligent ERP“ oder „Intelligent Enterprise“.

2. Reduktion auf diskutierbare Klassen

Diese große Anzahl der Begriffe und Technologien wird nun einer genaueren Betrachtung zugeführt. Was ist die dahinterstehende Struktur?

Alle diese neuen Technologien

• basieren auf Informationstechnologie• verarbeiten elektronisch Daten (Input)

• liefern elektronisch Ergebnisse (Output)• sind somit elektronische Maschinen• welche alleine oder in Kombination mit anderen

Akteuren arbeiten

Was ist nun der Unterschied, nach welchen Kriterien lassen sich die Technologien unterscheiden?

Entscheidend ist die Bestimmbarkeit der Ergebnisse, die sogenannte Deterministik. Eine Technologie, eine Ma-schine, ein Roboter, ein Algorithmus, ein Verfahren ist deterministisch, wenn zu Beginn klar ist, welches Er-gebnis zu erwarten ist. Eine weitere Unterscheidung ist, ob der Weg der Verarbeitung bestimmbar ist.

Ergebnis ist bestimmbar (deterministisch)

Ergebnis ist nicht bestimmbar (nicht deterministisch)

Weg der Verarbeitung ist bestimmbar (deterministisch) [Klasse 1] [Klasse 3]

Weg der Verarbeitung ist nicht bestimm-bar (nicht deterministisch) [Klasse 2] [Klasse 4]

• [Klasse 1] Robotic Process Automation (RPA) ist vergleichbar mit der Nachahmung eines Men-schen. Es wird aufgezeichnet, welche Handlungen

ein Mensch in einem System setzt. Danach wer-den diese Handlungen nachahmend automatisiert durchgeführt. Die Maschine besteht aus einer ma-

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Megatrend Ethik, Artificial Intelligence & Internet of Things | 88

schinellen Anleitung in einer Programmierspra-che, einem Script. Anwendungsbeispiel ist die au-tomatisierte Verarbeitung eines Beleges in einem Buchhaltungssystem: Input (Beleg) soll auf einem vorbestimmten Weg (SAP Transaktion, Buchungs-

schlüssel) in ein vorbestimmtes Ziel (Buchung im Hauptbuch) verändert werden. Die Maschine funktioniert richtig, wenn das bestimmte Ziel auf dem bestimmten Weg erreicht wird.

Ergebnis ist bestimmbar (deterministisch)

Ergebnis ist nicht bestimmbar (nicht deterministisch)

Weg der Verarbeitung ist bestimmbar (deterministisch)

[Klasse 1] Robotic Process Automation (RPA) [Klasse 3]

Weg der Verarbeitung ist nicht bestimm-bar (nicht deterministisch) [Klasse 2] [Klasse 4]

• Internet der Dinge / Internet of Things (IoT): Hier werden einfache Chips und Sensoren in Ma-schinen oder Bauteile eingesetzt und somit Infor-mationsaustausch ermöglicht. Triviales Beispiel aus dem Alltag wäre das „intelligente“ Milchpa-ckerl, welches auf Basis von Sensoren selbständig an den Kühlschrank meldet: „Meine Temperatur ist zu hoch!“ oder an ein Einkaufssystem: „Ich bin halbleer!“ bzw. „Mein Mindesthaltbarkeitsdatum ist

abgelaufen!“. Auch hier haben wir ein bestimmtes Ziel, welches auf einem bestimmten Weg erreicht werden soll. Es ist lediglich nicht klar, ob und wann das auslösende Ereignis eintritt [Klasse 1].

• Fortgeschrittene Kommunikationstechnologien und Verfahren wie Blockchain fallen ebenso in die Kategorie [Klasse 1].

Dies führt bereits zur ersten wichtigen Aussage:

Vollends deterministische Systeme stellen keine Neuheit dar, sondern sind bereits Normalität in Unter-nehmen. Mögliche Risiken sind lediglich aus allfällig fehlender Reife dieser Neuen Technologien oder man-gelnder Vertrautheit des Umgang mit diesen abzuleiten. Diese Technologien sind in bekannter Weise im Internen Kontrollsystem, der IT-Governance, der IT-Operations und dem IT-Audit zu behandeln.

Code-Review, Unit-Test, Integrationstest oder Regressionstest sind hier anwendbar.

Ergebnis ist bestimmbar (deterministisch)

Ergebnis ist nicht bestimmbar (nicht deterministisch)

Weg der Verarbeitung ist bestimmbar (deterministisch)

P [Klasse 1] Robotic Process Automation (RPA), Internet of Things (IoT), Blockchain

[Klasse 3]

Weg der Verarbeitung ist nicht bestimm-bar (nicht deterministisch) [Klasse 2] [Klasse 4]

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Megatrend Ethik, Artificial Intelligence & Internet of Things | 90 89 | Jahrbuch 2018

[Klasse 2] Das Ziel der Verarbeitung ist bekannt, aber der Vorgang, der Weg ist nicht eindeutig bestimmt oder nicht erkennbar. Es ist unklar, welcher Weg, welcher Algorithmus, welches mathematisch-statistische Verfahren im konkreten Anwendungsfall gewählt werden wird. Falls Zugriff auf die Algorithmen vorliegt bzw. es sinnvoll ist, werden diese Technologien genauso getestet wie diejenigen der Klasse 1. Falls dies nicht der Fall ist, dann wird getestet, ob die Verfahren zuverlässig die richtigen Ergebnisse liefern.

Klassische Anwendungsbeispiele sind hier Verfahren zur Entscheidungsunterstützung oder Big Data-An-wendungen.

Solche Szenarien sind ebenso nicht neu und sind in bekannter Weise im Internen Kontrollsystem, der IT-Go-vernance, dem IT-Operations und dem IT-Audit zu behandeln.

Es ist anzumerken, dass fast alle Neuen Technologien in die Klassen 1 und 2 fallen. Nur wenige Anwendungen wie echte Künstliche Intelligenz fallen nicht darunter. Sobald das Ergebnis nicht bestimmbar ist, liegt ein Risiko vor, welches nicht mehr im Vorfeld durch klassische Testverfahren beherrscht werden kann.

Ergebnis ist bestimmbar (deterministisch)

Ergebnis ist nicht bestimmbar (nicht deterministisch)

Weg der Verarbeitung ist bestimmbar (deterministisch)

P [Klasse 1] Robotic Process Automation (RPA), Internet of Things (IoT), Blockchain

! [Klasse 3] Künstliche Intelligenz

Weg der Verarbeitung ist nicht bestimm-bar (nicht deterministisch)

P [Klasse 2] Big Data, Ent-scheidungsunterstützung

! [Klasse 3] Künstliche Intelligenz

Daraus lassen sich bereits erste Handlungsempfehlungen ableiten:

Arbeitspaket 1 Begriffs- & Terminologie-Glossar

Unternehmensweite eindeutige Definition und Beschreibung der verschiedenen Technologien (inklusive Synomyme)

Ergebnis: Einheitliches Begriffsverständnis, Risiko aus Missverständnis verhindert.

Arbeitspaket 2 Klassifizierungsschema verbindlich machen

Es gibt ein vollständiges Verfahren, mit dem die Technologien eindeutig klassifiziert und den drei Klassen zugeordnet werden.

Ergebnis: Die Grundlagen für das Risiko-Management sind geschaffen

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Megatrend Ethik, Artificial Intelligence & Internet of Things | 90

3. Ethik aus Gesetzeserfüllung

Die Gesellschaft ist unvollständig informiert über die Neuen Technologien und überfordert durch das Durcheinander der Begriffe. Die daraus resultie-renen Ängste haben vielerorts zur Einrichtung von Ethik-Kommissionen oder Ethik-Beiräten geführt. Eindeutige, allgemeine und verbindliche Antworten auf diese Ängste werden wohl noch auf sich warten lassen. In der Zwischenzeit braucht es jedoch Lö-sungsansätze. Diese lassen sich aus den bereits beste-henden Gesetzen ableiten.

Eine mögliche Mission oder Vision der Bank könnte lauten:

„In Bezug auf die Neuen Technologien und die Künstliche Intelligenz orientiert sich die Bank an

der durch den Gesetzgeber definierten Ethik. Wir gehen davon aus, dass zum Erreichen ethischen Handeln die vollständige Einhaltung der Gesetze der erste Schritte ist. Alle darüber hinaus gehenden noch offenen ethischen Fragen werden gemäß der Unternehmensphilosophie behandelt.“.

Wichtige Maßnahmen lassen sich bereits aus der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) ablei-ten: „Ethik aus Technikgestaltung“ analog zu „Da-tenschutz aus Technikgestaltung“ (Artikel 25) und die „Ethik-Folgenabschätzung“ analog zur „Daten-schutz-Folgenabschätzung“ (Artikel 35 und 36). Deutlich und klar ist die Erwähnung der „neuen Technologien“ in Artikel 35 Absatz 1.

Artikel 25

Datenschutz durch Technikgestaltung und durch datenschutzfreundliche Voreinstellungen

(1) Unter Berücksichtigung des Stands der Technik, der Implementierungskosten und der Art, des Umfangs, der Umstände und der Zwecke der Verarbeitung sowie der unterschiedlichen Eintrittswahrscheinlichkeit und Schwere der mit der Verarbeitung verbundenen Risiken für die Rechte und Freiheiten natürlicher Personen trifft der Verantwortliche sowohl zum Zeitpunkt der Festlegung der Mittel für die Verarbeitung als auch zum Zeitpunkt der eigentlichen Verarbeitung geeignete technische und organisatorische Maßnahmen — wie z. B. Pseudonymisierung — trifft, die dafür ausgelegt sind, die Datenschutzgrundsätze wie etwa Datenminimierung wirksam umzusetzen und die notwendigen Garantien in die Verarbeitung aufzunehmen, um den Anforderun-gen dieser Verordnung zu genügen und die Rechte der betroffenen Personen zu schützen.

Abschnitt 3 Datenschutz-Folgenabschätzung und vorherige Konsultation

Artikel 35 Datenschutz-Folgenabschätzung

(1) Hat eine Form der Verarbeitung, insbesondere bei Verwendung neuer Technologien, aufgrund der Art, des Umfangs, der Umstände und der Zwecke der Verarbeitung voraussichtlich ein hohes Risiko für die Rechte und Freiheiten natürlicher Personen zur Folge, so führt der Verantwortliche vorab eine Abschätzung der Folgen der vorgesehenen Verarbeitungsvorgänge für den Schutz personenbezogener Daten durch. Für die Untersuchung mehrerer ähnlicher Verarbeitungsvorgänge mit ähnlich hohen Risiken kann eine einzige Abschätzung vorge-nommen werden.

(2) – (6) -- [ausgelassen durch Verfasser]

(7) Die Folgenabschätzung enthält zumindest Folgendes:

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Megatrend Ethik, Artificial Intelligence & Internet of Things | 92 91 | Jahrbuch 2018

a) eine systematische Beschreibung der geplanten Verarbeitungsvorgänge und der Zwecke der Verarbeitung, gegebenenfalls einschließlich der von dem Verantwortlichen verfolgten berechtigten Interessen;

b) eine Bewertung der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit der Verarbeitungsvorgänge in Bezug auf den Zweck;

c) eine Bewertung der Risiken für die Rechte und Freiheiten der betroffenen Personen gemäß Absatz 1 und

d) die zur Bewältigung der Risiken geplanten Abhilfemaßnahmen, einschließlich Garantien, Sicherheitsvorkeh-rungen und Verfahren, durch die der Schutz personenbezogener Daten sichergestellt und der Nachweis dafür erbracht wird, dass diese Verordnung eingehalten wird, wobei den Rechten und berechtigten Interessen der be-troffenen Personen und sonstiger Betroffener Rechnung getragen wird.

(8) – (10) -- [ausgelassen durch Verfasser] --

(11) Erforderlichenfalls führt der Verantwortliche eine Überprüfung durch, um zu bewerten, ob die Verarbei-tung gemäß der Datenschutz-Folgenabschätzung durchgeführt wird; dies gilt zumindest, wenn hinsichtlich des mit den Verarbeitungsvorgängen verbundenen Risikos Änderungen eingetreten sind.

Die Überlegung lautet:

• In der Bank sind fast alle Daten personenbezo-gen. Schon aus wirtschaftlicher Überlegung heraus macht es keinen Sinn, nicht-personenbezogene Daten anders als personenbezogene Daten zu be-handeln.

• Die Bank hat als Mission auch ethische Ziele, wel-che über das gesetzlich gebotene Maß hinausge-hen.

• Sämtliche Neuen Technologien werden behandelt, als ob sie unter die DSGVO fallen würden. Daten-schutz ist bereits Teil des Internen Kontrollsystems. Mit dieser Gleichstellung sind die Neuen Techno-logien in die IKS-Strukturen des Unternehmens eingebettet.

• Der Einsatz Neuer Technologien erzeugt drei Ar-ten von Risken:

• Risiko 1 (deterministische Technologien): Das angestrebte Ziel ist nicht im Einklang mit Gesetz, Unternehmensstrategie oder der ethischen Mission des Unternehmens. Die-sem Risiko ist mit den bekannten Werkzeu-gen der Governance (z.B. COSO) zu begegnen.

• Risiko 2 (deterministische Technologien): Der Mechanismus/Algorithmus versagt und liefert falsche Ergebnisse, weil z.B. der Algorithmus mangelhaft ist. Auch diesem Risiko ist mit den bekannten Werkzeugen der Governance (z.B. COSO) und nun auch der IT-Governance (z.B. COBIT) zu begegnen. Projektmethodologie, Software-Engineering, Testen – also mit geeig-neten TOMs (technisch-organisatorischen Maß-nahmen).

• Risiko 3 (nicht deterministische Technologi-en aus Klasse 3): Hier werden klassische Test-methoden alleine nicht mehr ausreichen. Ist die Technologie nicht deterministisch, dann ist die erste und wichtigste Maßnahme bestmögliches Risk Assessment, z.B mit Simulation. Es ist auf jeden Fall eine Ethik-Folgenabschätzung durch-zuführen und geeignete TOMs sind vorzusehen. Auf jeden Fall wird ein nicht kalkulierbares Restrisiko bleiben. Das Verhalten der Technolo-gie ist zeitnahe oder in Echtzeit zu überwachen. Es ist allfällig gegenzusteuern und gegebenen-falls ist das System zu stoppen. Hier werden die TOMs herausfordernd, aber unabdingbar sein.

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Arbeitspaket 3 Governance Entscheidungen – Mission & Policy

• Neue Technologien sind im IKS allen Anwendungen gleichgestellt, welche unter den Datenschutz fallen.

• Neue Technologien sind einer Folgenabschätzung zwingend zu unterwerfen

• Nicht-deterministische Technologien wie Künstliche Intelligenz sind in zeitnahe oder real-time TOMs ein-zubetten.

• Es ist sicherzustellen, dass entgleitende Technologien jederzeit von Menschen übersteuert und allfällig stillgelegt werden können.

4. Ableitungen und Empfehlungen

• Sämtliche Neuen Technologien jedweder Art (inkl. der Künstlichen Intelligenz) sind - mit den Werk-zeugen der Internen Revision verstehbar und eine Risikoeinschätzung ist möglich.

• Eine unternehmenseinheitliche Definition von Be-griffen ist hoch empfehlenswert, eine Policy samt Definitionsteil sollte erstellt werden.

• All diese Neuen Technologien mögen vielleicht technologisch bereits „reif “ sein, jedoch ist die betriebswirtschaftliche Sinnhaftigkeit kritisch zu hinterfragen. Mehr denn je sind Business Cases und sämtliche Methodologien der Wirtschaftlich-keitsanalyse anzuwenden.

• Der Einsatz der Neuen Technologien findet bereits heute nicht im rechtsfreien Raum statt.

• Der Einsatz der Neuen Technologien ist bei sorgsa-mer Einbettung in ein effektives IKS beherrschbar und vertretbar.

• Ethische Fragen und Problemstellungen sind in einem effektiven IKS beherrschbar und vertretbar.

• Es ist mit weiteren Gesetzen, Klarstellungen und Detailregelungen auf Europäischer, nationaler und internationaler Ebene zu rechnen, beispiels-weise im Bereich der Produkthaftung.

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Mag. Markus Petz, MBA ist geschäftsführender Gesellschafter der HILL Management GmbH in Wien.

Dieser Beitrag erschien in der Zeitschrift "GRC aktuell". Wir danken dem Linde Verlag für die freundliche Abdruckgenehmigung.

Im Übergang vom Industrie- zum Wissenszeitalter verändert sich Führung dramatisch. Diese Entwicklung zeitgerecht einzuleiten und nachhaltig in Organisationen zu verankern, ist die Herausforderung der Stunde. Was gilt es dabei zu bedenken? Welche Anwendungserfahrungen haben wir gemacht?

Warum wir andere Führung brauchen - Postkonventionelle Führungskräfte setzen auf Sinn, Autonomie ... | 94 93 | Jahrbuch 2018

Warum wir andere Führung brauchenPostkonventionelle Führungskräfte setzen auf Sinn, Autonomie und Kompetenz

Inhalt

1. Grundsätzliches ......................................................................................................................................................... 942. Die Veränderung – unser Schreckgespenst ........................................................................................................... 943. Wege zum Erfolg ....................................................................................................................................................... 954. Entwicklung in Richtung Ökosystem ..................................................................................................................... 965. Automotive Industrie: Neuorientierung einer großen technischen Abteilung ................................................. 966. Führungskräfte neu ................................................................................................................................................... 97

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Warum wir andere Führung brauchen - Postkonventionelle Führungskräfte setzen auf Sinn, Autonomie ... | 94

1. Grundsätzliches

„(…) bei uns ist alles gerade im Umbruch (konzern-weite Softwareumstellung, Rollout neuer Qualitätssi-cherungsprozesse, Restrukturierung eines Geschäftsbe-reiches etc). Da wollen wir im Moment lieber nichts Neues ausprobieren.“ Diese und ähnliche Aussagen fallen immer wieder in Gesprächen mit Unterneh-men, die – verständlicherweise – das Wort Change nicht mehr hören können. Zu groß ist die Sehnsucht nach Ruhe, Beständigkeit und Sicherheit.

Der hinter diesem Zugang liegende Fehlschluss ist zwar menschlich, aber oft fatal. Zu glauben, dass wir uns gegen den Strom der Veränderung stellen kön-nen, indem wir weiterhin handeln wie bisher, kostet Kraft, lässt uns eventuell wichtige Signale übersehen und spiegelt Sicherheit vor, wo es in Wirklichkeit keine gibt.

Arbeitsdruck und Komplexität in Betrieben stei-gen, damit auch die psychische Belastung der Men-schen. Führungskräfte erleben, dass bisher erfolg-reiche Ansätze und Methoden nicht mehr zu den gewünschten Zielen führen. Das erzeugt Unsicher-heit.

In vielen Fällen geht die Verbindung der Menschen zum jeweiligen Arbeitsinhalt verloren. Effizienz-druck und die Fragmentierung der Aufgaben ver-hindern, dass sich die Menschen mit ihrer Arbeit identifizieren können, Tätigkeiten werden als sinn- entleert wahrgenommen. Unsicherheit und Verän-derung belasten, Orientierung fehlt. Dabei wird die Veränderung in absehbarer Zukunft noch inten-siver werden sowie in noch kürzeren Zeiteinheiten und noch unglaublicheren Dimensionen stattfinden!

2. Die Veränderung – unser Schreckgespenst

Warum ist diese geradezu reflexhafte Reaktion gera-de jetzt so häufig zu erleben? Woraus resultiert sie? Die Erklärung ist in ein paar Grundprinzipien zu finden:

• Menschen verändern sich, sie wollen aber nicht verändert werden: Der Druck zur Veränderung von außen ist es, den wir gerade so intensiv erle-ben. Dies erzeugt Widerstand, der uns oft gar nicht bewusst ist.

• Unsere Welt wird immer unvorhersehbarer: Vie-le Menschen haben Angst vor dem Unbekannten.

Dass wir heute noch weniger wissen, was uns er-warten wird, als noch vor ein paar Jahrzehnten, wird täglich deutlich spürbarer.

• Wer von Angst bestimmt ist, sucht Sicherheit im Vertrauten: ein bekannter Reflex.

• Die bisher wirksamen Konzepte, Methoden und Vorgehensweisen bringen nicht mehr die ge-wünschten Erfolge: Die meisten von uns haben keine Tools und Verhaltensweisen erlernt, die uns im Umgang mit Veränderung und Unsicherheit unterstützen und uns diesem vielleicht sogar posi-tiv begegnen lassen.

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Warum wir andere Führung brauchen - Postkonventionelle Führungskräfte setzen auf Sinn, Autonomie ... | 96 95 | Jahrbuch 2018

Um mit den aktuellen und zukünftigen Heraus-forderungen umgehen zu können, müssen wir uns ändern. Wir brauchen neue Fähigkeiten und Qua-litäten, um uns im aktuellen Umfeld erfolgreich be-

wegen zu können. Darauf zu warten, dass unsere Bil-dungseinrichtungen diese Kompetenzen zeitgerecht liefern werden, wäre vergeudete Zeit.

3. Wege zum Erfolg

Was ist das Geheimnis von Organisationen, die in turbulenten Zeiten zu Höchstform auflaufen und anderen um Nasenlänge voraus sind? Hier ein paar Erfolgskriterien, von denen die ersten drei von Frédéric Laloux(1) formuliert wurden:

• Identität: Diese Organisationen wissen genau um ihre Einzigartigkeit und Bestimmung. Sie geben ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern dadurch Sinn und Sicherheit in der Veränderung. Die Iden-tität ist lebendig und entwickelt sich – adaptiv und dynamisch – mit den Anforderungen weiter.

• Ganzheit: Die Organisation der Zukunft heißt ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter als ganze Persönlichkeiten willkommen. Möglichst alle in-dividuellen Potenziale werden eingebracht und können ihre Wirkung entfalten. Das erfüllt und motiviert Menschen.

• Selbstmanagement: Vertrauen darin, dass eine Gruppe von Menschen mit einem klaren Ziel vor Augen imstande ist, sich selbst zu managen, gibt den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern das gute Gefühl, nicht so ausgeliefert zu sein und selbst ge-stalten zu können. Dieser Ansatz geht weit über Empowerment hinaus und transferiert ein Prinzip in die reale Welt, das in vielen Online-Gruppierun-gen erfolgreich funktioniert.

• Richtung und Perspektive: Angst schwindet, wenn sich Menschen miteinander verbinden und gemeinsam etwas Neues schaffen. Das zu ermög-lichen und zu fördern, ist die Aufgabe der Füh-rungskräfte im 21. Jahrhundert.

Nicht die Minimierung von Arbeitslast und Vertriebs- zielen stehen im Zentrum von Lösungen, sondern die Steigerung der Resilienz durch zwei Aspekte:

• Viele Unternehmen stehen vor komplexen Frage-stellungen, die nicht mit den herkömmlichen Zu-gängen und allein in der Führungsetage beantwor-tet werden können. Es geht darum, die kollektive Intelligenz von Teams zu aktivieren und Mitarbei-terinnen und Mitarbeiter in die Lösung der Pro-bleme sowie in unternehmerische Fragestellungen aktiv zu involvieren. Innovative Lösungen entste-hen, indem unterschiedliche Menschen ihr eige-nes Wissen und ihre Erfahrungen in einer neuen Art der Kooperation verbinden und über Synthese wirklich Neues hervorbringen. Bedeutsam zum Ganzen beitragen zu können, stellt die eigene Ar-beit wieder in einen Sinnzusammenhang.

• Schenkt man Menschen das Vertrauen, in ihrem Bereich selbständig zu arbeiten und auch zu ent-scheiden, und dürfen sie ihre persönliche Kompe-tenz in vollem Umfang einbringen, um zum Un-ternehmenserfolg beizutragen, dann ist eine hohe Motivation der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die natürliche Folge.

Sinn, Autonomie und Kompetenz machen den Unterschied. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter identifizieren sich mit dem, was sie tun. Sie erleben Freude an der Arbeit und bleiben gesund. Dadurch gewinnen Unternehmen auf ganzer Linie: Motivierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie Unterneh-menserfolg getragen von Menschen, die gut zusam-menarbeiten, sind Merkmale eines gesunden Unter-nehmens.

Es ist wichtig Fragen zu stellen. Jedoch werden Men-schen nicht psychisch entlastet, indem man bloß Fragebögen vorlegt und Ergebnisse evaluiert. Es geht um neue Formen der Zusammenarbeit, die die drei

[1] Laloux, Reinventing Organisations (2015)

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Warum wir andere Führung brauchen - Postkonventionelle Führungskräfte setzen auf Sinn, Autonomie ... | 96

Säulen von Motivation (Sinn, Autonomie und Kom-petenz) stärken. Co-kreative und soziale Prozesse, durch die die kollektive Intelligenz von Teams und Führungskräften genützt wird, erweitern die unter-nehmerischen Handlungsmöglichkeiten. Identitäten

werden gestärkt, die Menschen erfahren Sinnstif-tung, Werte und gemeinsame Ausrichtung werden aktiv gelebt.

4. Entwicklung in Richtung Ökosystem

Fallbeispiel A

Entwicklung eines mittelgroßen deutschen Produktionsunternehmens im Rahmen eines Generationen-wechsels.

• Zielsetzung: rasches, agiles Entwickeln und gemeinsames Innovieren über die Unternehmensgrenzen hinaus; neue Formen der Zusammenarbeit und tiefere Integration mit ausgewählten Schlüsselkunden und Lieferanten.

• Spezielle Herausforderungen: Familienunternehmen mit eher patriarchaler Führung über viele Jahr-zehnte; aktive Beteiligung der zahlreichen Produktionsmitarbeiterinnen und -mitarbeiter im Prozess, die einmal entstandene Dynamik zu erhalten; für das Führungsteam: in spannungsvollen und schwierigeren Zeiten gemeinsam Spannung zu ertragen und mit einer klaren Intention den Prozess kraftvoll weiterzu-halten.

• Struktur und Ansatz: Steuerung durch zentrales Führungsteam, Ausrichtung der Organisation an ge-meinsam entdecktem Purpose und drauf aufbauend Entwicklung eines eigenen Rückgrats; Umsetzung (bis heute) durch ein Team von etwa 50 internen Katalysatorinnen und Katalysatoren aus unterschiedli-chen Unternehmensbereichen und Hierarchien, die die sozialen Prozesse gestalten, steuern und begleiten.

• Ergebnisse: Die Aktivierung der Mitarbeiterschaft ist in doppelt so großem Umfang gelungen, wie ur-sprünglich antizipiert; die Veränderungsbereitschaft und das individuelle Engagement sind stark gestie-gen; die Ausrichtung ist für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter so eindeutig und klar.

5. Automotive Industrie: Neuorientierung einer großen technischen Abteilung

Fallbeispiel B

Die Neuorientierung einer Abteilung von über 1.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, deren Auftrag es war, Prototypen zu testen, wurde durch wachsende Digitalisierung der bisherigen Aufgaben notwendig. Die hohe Identifikation und die tiefe technische Expertise der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bieten eine gute Grundlage. Dennoch führte die fehlende Perspektive zu Unsicherheit, Demotivation und Angst.

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Warum wir andere Führung brauchen - Postkonventionelle Führungskräfte setzen auf Sinn, Autonomie ... | 98 97 | Jahrbuch 2018

• Spezielle Herausforderungen: als Teil einer großen Organisation eine neue eigene Identität zu entwickeln; mit den zum Teil nicht beeinflussbaren Rahmenbedingungen zu arbeiten; die zum Großteil sehr fakten- orientierten Technikerinnen und Techniker auf ungewohnte Pfade zu führen.

• Struktur und Ansatz: Bildung einer Gruppe von etwa 30 Personen mit Führungsverantwortung oder infor-mellen Führern; parallele Arbeit am eigenen Führungsverständnis bzw an neuen Führungs-Skills, die co-kre-atives Arbeiten unterstützen; Entwicklung einer neuen gemeinsamen Identität innerhalb der Organisation.

• Ergebnisse: neues gemeinsames Selbstverständnis als professionelle Gestalter von Schnittstellen in der technischen Organisation; Motivation und Selbstvertrauen, Gestaltungskraft und neue Führungsqualitäten.

6. Führungskräfte neu

Postkonventionelle Leader sind Menschen, die er-kannt haben, dass ihre persönliche Qualität und ihre Bewusstheit ausschlaggebend dafür sind, dass sie an-deren den Raum dafür schaffen können, sich als In-dividuen und als kollektive Intelligenz zu entfalten. Anstatt selbst Raum einzunehmen, ist die Verant-wortung neuer Führung, (Kommunikations- bzw Interaktions-)Räume zu halten. Sie eröffnen an-deren Menschen, ihren Mitarbeiterinnen und Mit-arbeitern, neue Wege des Denkens. Sie nützen die Unterschiedlichkeit der Menschen und die daraus entstehende kreative Spannung. Sie verbinden sich mit dem Unbekannten und Impliziten, um daraus Neues entstehen zu lassen und setzen klare Hand-lungen, sobald die Zeit dafür gekommen ist. Dazu braucht es die Bereitschaft, sich mit den eigenen Stär-ken und Schwächen, den eigenen Ängsten und der eigenen Identität auseinanderzusetzen. Es braucht neue Skills, die wir (noch) nicht in der Schule oder auf Universitäten lernen. Wir können das ändern.

Das (Über-)Lebensmittel der Stunde und auch der Zukunft heißt Innovation – gemeint in einem radi-kalen Sinn. Es gilt, Althergebrachtes zurückzulassen und vollkommen Neues (das zunächst vielleicht so-gar absurd erscheinen mag) in die Welt zu setzen.

Dazu benötigen wir

• Kreativität, und zwar• von vielen unterschiedlichen Menschen.

Hier wird es richtig schwierig: Kreativität wird in un-seren Bildungseinrichtungen bestenfalls am Rande toleriert, eine intensive Auseinandersetzung findet bis dato hauptsächlich in klassischen Wissensbereichen (Mathematik, Physik, Geografie etc) statt. Der Zu-gang zum gesamten Wissen über das Internet macht diese Schwerpunktsetzung aber obsolet. Warten, bis das in den Bildungseinrichtungen angekommen sein wird? Das ist keine erfolgversprechende Idee.

Auch die Nutzung von Unterschiedlichkeiten ist uns bis dato eher fremd. Doch gerade darin liegt ein enormer Mehrwert, den es bewusst zu nutzen gilt. Neue Führung sucht bewusst Unterschiede bei den Menschen, schafft ein Klima des Vertrauens und er-möglicht durch das Raumhalten und die Nutzung kollektiver Intelligenz das Entstehen von Neuem.

Postkonventionelle Führungskräfte haben also mit ihrer Haltung und ihren Handlungen den zuvor beschriebenen Auswirkungen unserer Bildungsein-richtungen aktiv entgegenzuwirken. Nicht Anpas-sung, sondern Querdenken und -handeln werden zum neuen Credo.

Sven Gábor Jánszky und Lothar Abicht(2) beschreiben die zukünftigen Schulfächer wie folgt:

• Verantwortung,• Herausforderung,• Kreativität,• Strategie und Analyse,

[2] Jánszky/Abicht, 2025 – So arbeiten wir in Zukunft (2013)

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Warum wir andere Führung brauchen - Postkonventionelle Führungskräfte setzen auf Sinn, Autonomie ... | 98

• Recherche und Quellenarbeit,• Reflexion und Kritik,• Kommunikation und Psychologie,• Mut,• Nachhaltigkeit und Ausdauer,• Musik und Instrument lernen,• Sport sowie• logisches Denken und Schach.

Führungskräfte sind schon heute und ab sofort ge-fordert, genau diese Fähigkeiten bewusst zu machen und bei deren Ausbildung und Vertiefung in der Or-ganisation zu unterstützen bzw zu begleiten.

Auf den Punkt gebracht

Die genannten Veränderungen bei Führungskräften und in Organisationen dürfen nicht dem Zufall über-lassen werden – man kann sie designen. Über Jahrzehnte haben wir menschliche Veränderungsprozesse be-obachtet, evaluiert und daraus Methoden abgeleitet, wie Teams und Individuen ihr volles Potenzial entfalten und so zur nachhaltigen Entwicklung der Organisation wesentlich beitragen können. Es funktioniert, und das Beste daran ist: Es macht allen Beteiligten viel Freude.

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Warum wir andere Führung (noch) nicht haben - Agiles Management als große Herausforderung | 100

Dr. Markus Fally CRMA, Dipl. IR ist Leiter der Konzernrevision der Energie Steiermark AG in Graz und Mitherausgeber von GRCaktuell.

Dieser Beitrag erschien in der Zeitschrift "GRC aktuell". Wir danken dem Linde Verlag für die freundliche Abdruckgenehmigung.

In diesem Beitrag werden die Ausführungen von Petz(1) zur „anderen“ Führung aus den subjektiven Erfah-rungen des Verfassers als Betroffener, Beobachter und Führungskraft heraus reflektiert. Dabei fließen sowohl Hard Facts wie Wettbewerb, Organisation und Prozesslandschaft als auch Soft Facts wie Unternehmenskul-tur, Gruppendynamik und Kommunikationsfähigkeit in die Betrachtungen mit ein. Zudem wird ein Blick in die Vergangenheit gewagt.

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Inhalt

1. Grundsätzliches ....................................................................................................................................................... 1002. Good Governance unter agilen Bedingungen ..................................................................................................... 1013. Ausbildung ............................................................................................................................................................... 1024. Menschen ................................................................................................................................................................. 1025. Business Stupidity of Intelligent People ................................................................................................................ 1036. Leadership ................................................................................................................................................................ 1057. Fazit ........................................................................................................................................................................... 107

[1] Petz, Warum wir andere Führung brauchen, AIR Jahrbuch 201, 30ff

Warum wir andere Führung (noch) nicht habenAgiles Management als große Herausforderung

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1. Grundsätzliches

Die Polarisierung zwischen konventionellem und agilem, modernem Management spitzt sich zuneh-mend zu. Müssen wir die Führung der Vergangen-heit ganz über Bord werfen? Müssen sich nur die Manager ändern und schon sind die Herausforde-rungen der Zukunft mit entfesselt kreativen, eigen-verantwortlichen und motivierten Mitarbeitern zu meistern?

Das Business Universe ist nicht schwarz-weiß. Vie-le für das neue Führen propagierte Skills gehören schon lange zu den Good Practices erfolgreicher Unternehmensführer. Vieles von dem, was heute als Kriterien für den Change gepredigt wird, haben die Management-Gurus von Peter Drucker bis Fredmund Malik auch schon postuliert. Tom Peters nannte sei-nen Bestseller aus dem Jahr 1992 bereits „Jenseits der Hierarchien – Liberation Management“.(2)

Nicht nur im Unternehmen des Verfassers ist wahr-zunehmen, dass Statussymbole wie Luxusautos und feudale Bürofluchten sowie der Halbgott-Habitus zunehmend an Bedeutung verlieren. Viele Mana-ger nehmen sich als Menschen aus Fleisch und Blut wahr und wissen, wie wichtig Authentizität und gute Kommunikation sind. Gerade in Stresssituationen und bei der Bewältigung hochkomplexer Problem-stellungen ist es jedoch schwierig, souverän und selbstreflexiv zu bleiben. Das wird sich auch im hochmodernen Management nicht ändern.

Haben wir schon die richtigen Mitarbeiter für mo-dernes, agiles, evokatives Management?(3) Zum einen gibt es nicht jenen einen Mitarbeiter, sondern eine Vielzahl von Individuen mit unterschiedlichen Geschichten, Begabungen und Temperamenten, zum anderen weist Petz auf die Problematik des Bil-dungssystems hin, das eher die Konditionierung der Individuen zu angepassten, wertvollen Mitgliedern der Gesellschaft verfolgt. Damit ist die Ausrichtung auf ein gewisses Mittelmaß auf gutem Niveau vor-programmiert. Viele Fähigkeiten, die heute unseren Erfolg ausmachen, erarbeiten wir erst nach der Schu-le. Darauf weist auch Petz mit den vom deutschen Trendforscher Sven Gàbor Jànszky geforderten zu-künftigen Schulfächern hin.

Natürlich sehen wir mit Innovationsnotwendigkeit, Digitalisierung etc große Herausforderungen für alle Unternehmen und Organisationen. Aber wie oft haben wir schon gehört, dass enorme Umwälzungen auf uns zukommen? Wie oft standen wir vor extrem spannenden Revisionsprojekten, bei denen wir eini-ge Zeit gebraucht haben, um zu wissen, wo wir anpa-cken müssen? Wir können lernen, auch mit diesen neuen Situationen, Systemen, Prozessen und Tools umzugehen. Wie schnell, flexibel und nachhaltig das gelingt wird darüber entscheiden, ob wir zu den Sie-gern oder zu den Verlierern zählen werden.

[2] Peters, Jenseits der Hierarchien (1993)[3] Paula, Evocative Leadership – Führung für das 21. Jahrhundert (2011) http://www.walkyourtalk.at/evocative-leadership-fuehrung-fuer-das-21-jahrhundert/leadership/ (Zugriff am 18. 2. 2019)

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2. Good Governance unter agilen Bedingungen

Das Umfeld im Wettbewerb wird immer komple-xer. Die Ausführungen zum agilen Management beziehen sich meist auf Führung, Organisation und Menschen im Primärprozess der Unternehmen. Das Schlagwort lautet: „We live in a VUCA world (Volati-lity, Uncertainty, Complexity, Ambiguity).“ Selten bis nie werden Themen wie Governance, Compliance, Risikomanagement, internes Kontrollsystem, Audit und das immer engere rechtliche Korsett beleuchtet.

Wurde das Three-Lines-of-Defense-Modell, das das Zusammenspiel von operativem Management, Assurance Services und Überwachungsinstanzen beschreibt, obsolet? Der Verfasser präsentierte – ausgehend vom ursprünglichen und etwas starren Modell – bereits eine flexiblere, erweiterte, kom-munikativere Version, bei der es über die klassische Präventionsfunktion Managing Risks hinaus um Enabling Business als zukunftsorientierte, nachhal-tige Chancenverwertung geht.(4) Zahlreiche Rechts-vorschriften wie gesellschafts- und handelsrechtliche Vorgaben, das Verbandsverantwortlichkeitsgesetz, das Unternehmensrechts-Änderungsgesetz 2008, die DSGVO und vieles mehr werden uns auch in Zu-kunft dazu zwingen, Kontrollsysteme und -aufgaben in die Prozessorganisation zu integrieren.

Lässt sich agiles Management wie eine neue Produk-tionsstraße einführen? Viele Organisationen, vor al-lem jene mit technisch dominierter DNA, sind noch immer sehr stark perfektionistisch und fehleravers geprägt. „Trial and error“ sind jedoch das Credo der Innovation. Wer kann sich in seiner Organisation schon den berühmten Spruch von Thomas Alva Edi-son „I’ve not failed! I’ve just found 10.000 ways that won’t work!“ leisten? Wie viele Unternehmen sind reif für agiles Management, für visionäre Führungs-kräfte und Mitarbeiter?

Stakeholder und vor allem Shareholder sind oft an die klassischen Elemente konventionellen Manage-ments wie zB Organisation, Hierarchien, Planung, Reporting gewöhnt. Wie gelingt der Change unter Aufrechterhaltung des Vertrauens?

Wenn wir von noch nie dagewesenen Herausforde-rungen der Gegenwart und Zukunft sprechen, lohnt auch ein Blick in die Vergangenheit. Welche Challen-ge war es für Dschingis Khan im 12./13. Jahrhundert, das größte Weltreich der Geschichte ohne moderne Kommunikationstechnologien, Satellitennavigation und Managementratgeber aufzubauen, zu führen und zu verwalten? Er hat, bei aller Grausamkeit der Zeit, als radikaler Innovator die Führungs- bzw Gesellschaftsstrukturen und die Rechtsgrundlagen umgekrempelt, bisher unbekannte religiöse Tole-ranz sowie geniale Berechtigungs- und Authentifi-zierungssysteme eingeführt. Wahrscheinlich war er bereits ein „moderner“ Führer, der in einer sehr volatilen Umgebung unter äußerst unsicheren Be-dingungen klare Entscheidungen traf. Als er merkte, dass die wachsenden Anforderungen seine Kompe-tenz überstiegen, holte er sich externe Berater und bestimmte gegen alle Stammesriten frühzeitig seinen zweitjüngsten und fähigsten Sohn zum Nachfolger. So sicherte er das von ihm geschaffene Imperium nachhaltig über 200 Jahre.

Das kreative und innovative Biotop, das in offener, respektvoller Atmosphäre die Schwarmintelligenz aller Player nutzt, wird nur dann nachhaltig existie-ren und funktionieren, wenn die Basis der Gover-nance (Risikomanagement, Compliance, internes Kontrollsystem, IT-Security etc) sichergestellt ist.

[4] Fally, „Three Lines of Defense“ in der Governance-Schlacht, GRCaktuell 2018, 34

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3. Ausbildung

Petz fordert in seinem Beitrag, dass postkonventi-onelle Führungskräfte den Auswirkungen der Bil-dungseinrichtungen mit ihrer Haltung und ihren Handlungen entgegenzuwirken hätten. Was das Gesamtsystem betrifft, ist ihm grundsätzlich beizu-pflichten. Warum werden Vorzugschüler, heraus-ragende Begabungen natürlich ausgenommen, in vielen Fällen als uninteressante Gesprächspartner wahrgenommen? Das liegt wohl daran, dass sie der gewünschten Norm des angepassten, allgemeinge-bildeten, untertänigen Staatsbürgers am ehesten ent-sprechen. Ein undifferenziertes Bildungs-Bashing ist natürlich nicht fair. ME sind in der Schule nicht die Noten, sondern die Lehrer entscheidend. Viele Lehrer arbeiten sehr engagiert an der Förderung von Persönlichkeit, Eigenverantwortung und Fantasie. Es gibt auch entsprechende Qualitätsunterschiede unter den Schulen, je nach Führung und Spirit.

Ein Begriff, der in der Diskussion um agiles Ma-nagement nicht vorkommt, steht im Mittelpunkt der heiß umkämpften Streitschrift „Lob der Disziplin“ des deutschen Erziehungswissenschaftlers Bernhard Bueb.(5) Auf ein gewisses Maß an Disziplin und „An-strengungsbereitschaft“, ein von Bueb als Karriere-voraussetzung geprägter Begriff, werden wir auch in Zukunft nicht verzichten können, wenn wir zu den Gewinnern zählen möchten.

Die von Petz zitierten zukünftigen Schulfächer nach Jànszky zielen klar auf die Ausbildungserfordernis-se der Player der postkonventionellen Führung ab. Leider ist die Umsetzung wohl nur ein revolutionä-rer Wunschtraum, der die Lehrerausbildung radikal verändern würde. Der Verfasser würde die Fächer dennoch gerne um folgende Gegenstände ergänzen:

• Philosophie und dialektische Rhetorik,• (digitale) Wirtschaftsethik,• Achtsamkeitstraining,• Konfliktmanagement und• Resilienz.

Das Problem stellt die Entwicklung des Gesamtbil-dungssystems dar, fachlich und hinsichtlich Social Skills, das wahrscheinlich nur sehr langfristig gelöst werden kann. Diskussionen zu schulautonomen Ta-gen, Lehrerüberstunden und zum Zeitpunkt der ers-ten Benotung helfen wenig, weil wir auf einen visi-onären, innovativen, resilienten Bildungspolitiker warten müssen. Bis dahin können wir nur in unse-rem unmittelbaren Einflussbereich an den Schrau-ben drehen.

4. Menschen

Sicherheit, Ruhe und Beständigkeit sind heute nach wie vor für viele Menschen Entscheidungskriterien für die Arbeitgeberwahl. Da man Menschen nicht einfach umprogrammieren kann, ist neben der Rei-fe der Organisation die Frage entscheidend, welche Mitarbeiter in welcher Ausprägung für unsere Un-ternehmen und Zukunftsherausforderungen benö-tigt werden. Den Agile Business Soldier, den Ideal-typus in großer Menge, wird es nicht geben, daher ist es notwendig, aus dem vorhandenen und zu entwi-

ckelnden Kompetenzmix jene Energie zu schöpfen, die wir für die Zukunft brauchen werden.

Es geht also nicht darum Personal, sondern Men-schen zu entwickeln, um mündige, kreative, mutige Mitarbeiter und authentische, respektvolle, souverä-ne Führungskräfte in einem dynamischen, innova-tiven, erfolgreichen Unternehmensumfeld zu haben, wobei auch, wie Petz vermerkt, die Inklusionsfähig-keit und Diversität einer Organisation zunehmend an Bedeutung gewinnt.

[5] Bueb, Lob der Disziplin (2007)

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Der mitunter kritisierte Myers-Briggs-Typenindi-kator(6) ist mE ein interessantes Tool. Für die Analy-se unterschiedlicher Ausprägungen von Persönlich-keitsstrukturen, insbesondere im Zusammenwirken in erfolgreichen Teams, liefert dieser Ansatz immer wieder erstaunliche Erkenntnisse.

Die Themen Freude an der Arbeit, Work Life Ba-lance etc werden von fast allen Autoren als Vor-aussetzung für modernes Management gesehen. Gudrun Happich, Autorin und Executive Business Coach, beschreibt das Dilemma, dass man, sobald eine Karrierestufe erreicht ist, sehr bald überlegt, wie es auf der Karrieretreppe weitergehen kann, ohne zu reflektieren, ob die Position zum eigenen Ich passt. Dies und die lang geübte Praxis, den besten Experten zur Führungskraft zu machen, führen oft zu Ängs-ten, Überforderung, Stress, Burnout, körperlichen Beschwerden oder zur Abneigung gegen den Job. Der überschaubare Erfolg ist damit vorprogram-miert. Der Weg nach oben ist eine potenzielle Ein-bahnstraße, die in eine Sackgasse führen kann.

Die moderne Business World ist kein schöpferi-sches Paradies. Der heute oft noch von oben spür-bare Druck wird nicht einfach schwächer, sondern zu einem Gruppendruck auf Augenhöhe, weil man

auch als einfallsreicher, engagierter, fairer Teamplay-er von den Kollegen viel stärker gefordert sein wird.

Machtkämpfe werden im agilen Management nicht einfach verschwinden, sondern subtiler spürbar und viel Widerstandskraft sowie gute Kommunika-tions-Skills abverlangen. Vom amerikanischen Ko-miker Groucho Marx stammt der Spruch: „Man kann den Krieg nicht absagen, wenn man das Schlachtfeld schon gemietet hat.“

Im Retro-Management werden oft Scharmützel zum Selbstzweck des Sieges im Machtkampf bis zur letzten Patrone geführt und viele Probleme ohne Lösungs-perspektive zugespitzt. Das im Jahr 1981 entwickel-te Harvard-Konzept(7) propagiert eine respektvolle, alle Standpunkte miteinbeziehende Herangehens-weise, an deren Ende eine Win-win-Situation für alle Beteiligten stehen sollte. Dieser Zugang hat sich in vielen kniffligen Fällen und scheinbar unüber-windlichen und frontalen Interessenlagen bewährt.

Eine stabile, authentische und kooperative Persön-lichkeitsstruktur sollte mit der entsprechenden Resi-lienz ausgestattet sein, um dem Gruppendruck und der nicht so selten auftretenden „Business Stupitidy of Intelligent People“ widerstehen zu können.

5. Business Stupidity of Intelligent People

Das Thema Business Stupidity beschäftigt den Ver-fasser seit einiger Zeit sehr intensiv. Der umfangrei-che Zitatenschatz(8) und die Erfahrungen zu diesem Thema zeigen, dass auch Intelligenz nicht davor schützt, im Gegenteil sogar nahezu eine Vorausset-zung für Business Stupidity ist. Die Wirtschaftspro-fessoren Mats Alvesson und André Spicer beschreiben Dummheit in ihrem Buch „The Stupidity Paradox“(9) als etwas sehr Ambivalentes, weil dadurch auch

neue und innovative Lösungen sowie bessere, Mut machende Rahmenbedingungen entstehen können.

„Functional stupidity can be catastrophic. It can cau-se organisational collapse, financial meltdown and technical disaster. And yet a dose of stupidity can be useful and produce good, short-term results: it can nurture harmony, encourage people to get on with the job and drive success.“(10)

[6] Briggs/Myers, Myers-Briggs-Typenindikator, https://de.wikipedia.org/wiki/Myers-Briggs-Typenindikator oder https://derstandard.at/852291/Der-Myers-Briggs-Typenindikator (Zugriff am 19. 2. 2019)[7] Fisher/Ury/Patton, Das Harvard-Konzept (erweitert und neu übersetzt, 2018)[8] Van Boxsel, Die Enzyklopädie der Dummheit (2001)[9] Alvesson/Spicer, The Stupidity Paradox (2016)[10] Alvesson/Spicer, Stupidity Paradox

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ME handelt es sich um keine Business Stupidity mehr, wenn durch eine mutige, unkonventionelle, quergedachte Aktion Verbesserung bzw Optimie-rung tatsächlich umgesetzt wird. Unter Business Stupidity ist ein trotz vorhandener Kompetenz un-bewusstes oder (grob) fahrlässiges Verhalten als In-dividuum oder Gruppe zu verstehen, das in letzter Konsequenz gegen Einzelinteressen und/oder Inter-essen der Organisation/des Unternehmens gerichtet ist. Zur Illustration hat der Verfasser, inspiriert vom Fraud Triangle, ein Business Stupidity Triangle ent-wickelt (siehe Abb 1).

Den Ausgangspunkt bilden durchaus intelligente, gut ausgebildete, für wichtige Aufgaben herangezo-gene Mitarbeiter. Sie haben in einem zweiten Schritt aber keinen (positiven) Ehrgeiz und keinen eigenen Antrieb, die Aufgaben und Lösungswege kritisch zu reflektieren. In einem dritten Schritt finden sie keine Energie und keinen Mut, gegen suboptimale Entwicklungen zu argumentieren, flexibel zu kom-munizieren, fair in Konflikt zu treten und bessere Lösungen zu initiieren.

Ein drastisches Beispiel für Business Stupidity ist der Dieselgate-Skandal. Stäbe von top-ausgebil-deten, hochqualifizierten Experten wollten, nicht ganz ohne Eigennutz, ihrem technikbesessenen Vor-

standsvorsitzenden imponieren und vergaßen völlig, dass sie dabei Kunden, Behörden und die Öffentlich-keit betrogen. Negative Auswirkungen auf die Ge-schäftsergebnisse blieben vorerst erstaunlicherweise aus, die internationale Strafverfolgung zahlreicher Manager und die mehrmonatige Untersuchungshaft des Audi-Chefs zeigten aber doch Wirkung. Mittler-weile geht man von einem Gesamtschaden für den VW-Konzern iHv über 30 Mrd € aus.

Auch eine genauere Betrachtung vieler CEO-Fraud-Fälle zeigt deutliche Spuren von Business Stupidi-ty. Wir alle sind nicht davor gefeit, situativ in eine solche Lage zu geraten, und merken in Projekten, Teams, Arbeitsgruppen, Organisationseinheiten etc, dass die Diskussion in eine falsche Richtung läuft, in-effiziente Prozesse ablaufen und Ziele nicht erreicht oder kreativ abgeändert werden. Manchmal wundert man sich, manchmal nicht, dass der Erfolg ausbleibt oder ein Risiko schlagend wird.

Auch für misslungene Projekte gibt es oft Abschluss-feiern, die Querdenker und Rule Breaker, die Projek-te kritisch hinterfragt haben und diese in die richtige Richtung modifizieren hätten können, werden je-doch selten gewürdigt. Schon Niccolò Machiavelli(11)

beschrieb am Beispiel der Florentiner Gesellschaft die „Schwarmdummheit“ aus Unternehmensräson und Mangel an Courage.

„Die Menschen urteilen im Allgemeinen nach dem Augenschein […] Sehen nämlich kann jeder, verstehen können wenige. Und diese wenigen wagen es nicht, sich der Meinung der vielen entgegen zu stellen, denn diese haben die Majestät des Staates zur Verteidigung ihres Standpunktes.“(12)

Ein sicheres Anzeichen für Business Stupidity ist dann gegeben, wenn alle zuständig sind, aber nie-mand verantwortlich ist. Diesen Verhaltensweisen entgegenzuwirken ist nichts Neues. So sind Fairness, Kooperationsfähigkeit und Folgebewusstsein jetzt schon als Kernwerte des Unternehmens des Verfas-sers definiert.

Business Stupidity TriangleIntelligence/Know-how/Education

Business Stupidity

No Courage/No Resilience

No Ambition

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Abbildung 1: Business Stupidity Triangle; Quelle: Eigene Darstellung

[11] Fink, Machiavelli (1990)[12] Machiavelli in Il Principe, 1513; Reinhardt, Niccolò Machiavelli – Meister der Manipulation (2017) https://www.zeit.de/zeit-geschichte/2017/03/niccolo-machiavelli-populismus-luegen (Zugriff am 19. 2. 2019); Machiavelli, Il Principe, http://www.juszh.ch/linkfiles/fuerst.pdf (Zugriff jeweils am 19. 2. 2019)

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6. Leadership

„Leadership ist Gift, außer für jene die das Gegengift in ihrem Herzen haben.“(13)

Der britische Wirtschaftsprofessor und Agiles-Ma-nagement-Promotor Peter Hawkins beschreibt Füh-rung folgendermaßen: „Leadership is not a role, it´s an attitude.“(14) Damit ist klar, dass es nicht um eine angenommene Rolle, sondern um eine authenti-sche, werteorientierte Haltung geht. Das ist auch der Unterschied zwischen einem Chef und einer Führungskraft.(15)

Tatsächlich geht es vielfach noch um Elitedenken und die damit verbundene Arroganz. Laut einer Stu-die der Universität Leipzig aus dem Jahr 2016(16) sind nur 1,7 % der westdeutschen Führungspositionen von Menschen mit Ost-Hintergrund besetzt, obwohl deren Gesamtbevölkerungsanteil 17 % beträgt. Wo-ran das drei Jahrzehnte nach der Wiedervereinigung liegt? Laut Studie haben viele Ostdeutsche nicht den Habitus der Oberschicht, verfügen nicht über deren Geschmacksurteile und deren selbstbewusstes Auf-treten. Die Chefetagen großer Unternehmen und Verwaltungen, in denen über Karrieren entschieden wird, seien in der Regel eben westdeutsch besetzt.

In der Vergangenheit wurden viele Führungsprinzi-pien der Wirtschaft von militärischen Vorbildern abgeleitet. Dieses Modell scheint in der agilen Welt ausgedient zu haben, zumal es, mit militaristischen Begriffen wie Hierarchie, Drill, Kadavergehorsam verbunden, über ein denkbar schlechtes Image ver-fügt. Neben Ehre (authentische, faire Wertehaltung) und Disziplin („Anstrengungsbereitschaft“) gilt dabei die Fürsorglichkeit des Kommandanten (Ver-antwortung, Respekt, Empathie) als wesentliche Leadership-Tugend. Der militärische Erfolg liegt

nicht im Sieg in der Schlacht, sondern in der pro-fessionellen Leistungsbereitschaft zur Prävention. In Überwindung der unrühmlichen Vergangenheit ist es wichtig, die Verteidigung nicht söldnergestützten Berufsarmeen, sondern einem in der Bevölkerung verankerten Milizheer zu überlassen, in dem auch agile Skills Platz haben. Schon vor vielen Jahren hat der Verfasser Elemente aus Peters „Jenseits der Hier-archien“ mit erstaunlichem Erfolg bei militärischen Übungen eingesetzt.

Auch Machiavelli war Heerführer und schrieb in sei-ner parallel zu „Il Principe“ entstandenen „Kunst des Krieges“ allen Führern ins Stammbuch: „Ein Herr-scher muss den Frieden lieben und wissen, wann er Krieg führen muss.“(17) Was die agilen Führungsei-genschaften des frühen 16. Jahrhunderts betrifft, legte Machiavelli folgende Kernbegriffe fest, die gar nicht 500 Jahre alt anmuten:

• Virtú (Tugend, Tüchtigkeit, Willenskraft, soziales Handeln),

• Fortuna (Glück, Fortune, Schicksal, Zufall),• Ambizione ([gesunder] Ehrgeiz, Antrieb),• Necessità (Notwendigkeit; in Ausnahmefällen hei-

ligt der Zweck (Selbstbehauptung) die Mittel)• Occasione ([gute, günstige] Gelegenheit, Füh-

rungsqualität auch in Handlungen/Entscheidun-gen umzusetzen).

Ein anderes Beispiel früher agiler Führung ist Sir Ernest Shackleton. Seine Endurance-Expedition zur Antarktisdurchquerung entschwindet im Jahr 1914 fast ganz aus dem Bewusstsein, um knapp 100 Jahre später in der Managementliteratur eine Aufer-stehung zu feiern. Peter P. Baumgartner und Rainer Hornbostel setzten mit ihrem Werk über den „Mythos

[13] Dschalāl ad-Dīn ar-Rūmī (persischer Gelehrter und Dichter; 1207–1273)[14] Hawkins, Tommorow’s Leadership Challenges (2016) https://www.youtube.com/watch?v=UGSudYX8s4c (Zugriff am 19. 2. 2019)[15] 70 Tipps für bessere Führungskräfte, https://karrierebibel.de/wp-content/uploads/2015/09/Fuehrungskraft-werden-70-Tipps.pdf (Zugriff am 19. 2. 2019)[16] dpa, Darum ist deutsche Elite noch immer westdeutsch (2019) https://www.handelsblatt.com/politik/deutschland/ arbeitsmarkt-darum-ist-deutsche-elite-noch-immer-westdeutsch/23961520.html?ticket=ST-309410-blGXMQeP1Jvcqh XjYEyG-ap2 (Zugriff am 19. 2. 2019)[17] Machiavelli, Die Kunst des Krieges (1521)[18] Baumgartner/Hornbostel, Manager müssen Mut machen – Mythos Shackleton (2008)

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Shackleton“(18) dem Boss, wie ihn seine Gefährten nannten, ein Denkmal. Er erreichte seine Expediti-onsziele nie, weil er sich jeweils kurzfristige, realisti-sche Ziele setzte und nicht bereit war, für die großen Ziele sein Leben und das Leben seiner Mannschaft zu opfern, wie es seine ehrgeizigen, autoritären Kon-kurrenten taten.

Shackleton bestach durch Charisma, starke, aber empathische und reflexive Führung sowie seine vernünftigen Entscheidungen, sodass er trotz enor-mer Risiken und extremer Anstrengungen seine Expeditionsteilnehmer von allen Unternehmungen wohlbehalten nach Hause brachte. Als moderner Leader waren ihm nominelle Ausbildung und Kom-petenzen beim Recruiting nicht so wichtig wie die Frage, ob der Bewerber zur Unternehmung/zum Unternehmen passt. Für die Endurance-Expedition sprach bei Shackleton ein abenteuerlustiger Schau-spieler vor, der so überhaupt keine Kompetenzen und Fähigkeiten für Jahre in Dunkelheit und bitterer Kälte hatte. Der Boss war von seiner angenehmen Persönlichkeitsstruktur und seinem gewinnenden Wesen so angetan, dass er ihn unbedingt mitneh-men wollte. Da er noch keinen Geografen im Team hatte, schlug er dem Schauspieler vor, in der Zwi-schenzeit rasch Geografie zu studieren, was dieser auch prompt tat und auf seinem Gebiet zu einem anerkannten Experten wurde. Eine unglaubliche Ge-schichte moderner Führung, die eine Inspiration für heutige Manager sein kann.

Als gutes Mittel zur Entkrampfung und Vermensch-lichung von Unternehmenswelten sind auch die bereits lange in der Managementlehre bekannten Humortechniken anzuführen, die man aber nur anwenden sollte, wenn man sie wirklich beherrscht. Vom deutschen Showmaster Hans Rosenthal stammt der Spruch: „Karriere macht man mit Bonmots, die man bei sich behalten hat.“ ME ist Humor das wahr-scheinlich sicherste Zeichen für Intelligenz.

Das im Rahmen der neuen Führungsdiskussion ge-gen die Scheingenauigkeit und den nutzlosen Perfek-

tionismus fast immer zitierte Pareto-Prinzip kann, wenn es nicht gerade um die Einhaltung von Com-pliance-Anforderungen zur Verhinderung von Or-ganisationsverschulden geht, ein Ansatz zur Fokus-sierung auf das Wesentliche sein. Aber auch das ist nicht wirklich neu.

Der Nobelpreisträger Werner Heisenberg sagte im Zusammenhang mit seiner berühmten Unschärfe-relation: „Unschärfe ist immer Teil des Kalküls.“ Der deutsch-amerikanische Genetiker Max Delbrück, ebenfalls Nobelpreisträger, sprach vom Prinzip der begrenzten Schlampigkeit. Unter Effizienzgesichts-punkten mit entsprechender Risikoabwägung sind das interessante Ansätze für moderne Führung.

Kommunikation war schon in der Vergangenheit der entscheidende Schlüssel zu guten zwischen-menschlichen Beziehungen und zum sinnvollen Zusammenwirken von Individuen bzw aller Stake-holder. Die deutsche Kommunikationswissenschaft-lerin und Publizistin Miriam Meckel meinte jüngst in einer philosophischen Fernsehdiskussion, dass sich die Kommunikation in der Reflexion zuerst an uns selbst richte und dann an unsere Umwelt, wobei es in einer liberalen Gesellschaft darum gehe, nicht in Schachteln zu denken, sondern stets das Unerwar-tete zu erwarten. Das klingt stark nach anderer Füh-rung. Die deutsche Philosophin Svenja Flaßpöhler sprach in dieser Diskussion von der Lust an der zu-fälligen Begegnung, dem Zulassen, dass einen der Zufall als Treiber von Innovation findet und inspi-riert. Das Zulassen und das Unerwartete zu erwar-ten, kann uns vieles geben, was uns am Schreibtisch nicht einfällt.

„Whereas the heroic manager of the past knew all, could do all, and could solve every problem, the posthe-roic manager asks how every problem can be solved in a way that develops other people’s capacity to handle it.“(19)

[19] Charles Handy (irischer Wirtschafts- und Sozialphilosoph; geboren 1932)

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7. Fazit

• Menschenentwicklung: An die Stelle von Perso-nalentwicklung sollte in der „anderen“ Führung die Menschenentwicklung treten, wobei es nicht nur um Ausbildung und Kompetenzen, sondern vor allem um die richtigen Menschen für das Un-ternehmen und die Herausforderungen der Zu-kunft geht.

• Unternehmenskultur: Die Unternehmenskul-tur der „anderen“ Führung prägt informell das unternehmensweite Verständnis von gemeinsa-men Kernwerten, kooperativer Zusammenar-beit, adäquater Fehlerkultur und konstruktiver Konfliktkultur. Ein Kollateralnutzen einer ver-innerlichten Unternehmenskultur wäre auch die Minimierung des „Arschloch-Faktors“(20) in der Organisation.

• Kommunikation: Kommunikation bzw Informa-tion ist das Rückgrat, der Schlüssel zur „anderen“ Führung in der analogen und digitalen Welt, wobei

die Inspiration bzw Innovation nicht nur aus geplan-tem Austausch, sondern dem Zulassen, dass der Zu-fall/Gedanke einen findet, geschöpft werden kann.

• Kompetenzen: Die meisten Kompetenzen, die heute für bessere, agile Leader in der „anderen“ Führung gefordert werden, sind nicht neu und be-reits in den klassischen Good Practices für erfolg-reiche Manager enthalten.

• Führungsmodelle:(21) Nicht alle alten Organisati-onsmodelle sind von vornherein falsch, sondern können situativ auch Vorteile bieten. Die einzelnen Elemente sollten in der anderen Führung nicht starr installiert, sondern beweglich und flexibel an die Notwendigkeiten angepasst werden.

• Herausforderungen: Die Herausforderung der „anderen“ Führung liegt darin, aus dem Bündel von Kompetenzen und Fähigkeiten die richtigen Elemente für sich, das Team, das Umfeld und die Zukunft zu ziehen.

Auf den Punkt gebracht

Viele Ansatzpunkte für moderne Führung erschließen sich aus Beispielen der Vergangenheit und bestehen-den Good Practices der Führung. Die Balance zwischen der Sicherstellung der risikoorientierten Governan-ce-Strukturen als Basis und der Schaffung einer offenen, innovationsfreundlichen, Performance-fördernden Atmosphäre wird in Zukunft über den nachhaltigen Erfolg entscheiden. Damit das gelingen kann, bedarf es einer adäquaten Unternehmenskultur, Menschenentwicklung und Führungskräfteauswahl.

[20] Sutton, Der ARSCHLOCH-Faktor (2006)[21] Rassek, Führungsstile: Diesen begnenen Sie im Job, https://karrierebibel.de/fuehrungsstile/ (Zugriff am 19. 2. 2019)

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107 | Jahrbuch 2018

DATUM ORT VERANSTALTUNG

07.07.2019 -

10.07.2019

Anaheim, CA, USA Internationale IIA Konferenz

19.09.2019 -

21.09.2019

Luxemburg ECIIA Konferenz

26.09.2019 -

27.09.2019

Wien/Schönbrunn 38. Jahrestagung des Instituts für Interne Revision

14.11.2019 Kardinal König Haus Herbst ERFA

21.11.2019 -

22.11.2019

Dresden, Deutschland Jahrestagung Deutsches Institut für Interne Revision

23.1.2020 -

24.01.2020

Wien, Hotel Savoyen Audit Competence 2020

26.03.2020 Kardinal König Haus Frühjahrs ERFA gestaltet vom Think Tank Wirtschaftskriminalität

01.10.2020 -

02.10.2020

Schloss Seggau 39. Jahrestagung des Instituts für Interne Revision

12.11.2020 Kardinal König Haus Herbst ERFAgestaltet vom Think Tank Energiewirtschaft

Termine

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Entwicklung einer Zertifizierungsmöglichkeit für Interne Kontrollsysteme in österreichischen Unternehmen | 110

Richard Gall Die nachfolgend beschriebene Arbeit wurde im Zuge der Abschlussarbeit für das Bachelorstu-dium „Integriertes Sicherheitsmanagement“ an der FH Campus Wien erstellt.

Der Autor, Richard Gall, absolvierte dieses Studium im Zeitraum von September 2015 bis Juni 2018 und konnte mit dem akademischen Grad „Bachelor of Science in Engineering (BSc)“ ab-schließen. Der Fachbereich Interne Kontrollsysteme wurde an der FH im fünften und sechsten Semester gelehrt und stand somit für die wissenschaftliche Abschlussarbeit als Themenauswahl bereit. Da das Thema „Entwicklung eines Zertifizierungssystems für Interne Kontrollsysteme“

eine anspruchsvolle und sehr interessante Aufgabenstellung für den Forscher war, entschied er sich für dieses Fachgebiet. Da auch eine sehr gute fachliche Unterstützung durch das IIRÖ gegeben war, konnte das Forschungsvorhaben erfolgreich umgesetzt und ein optimales Forschungsergebnis erzielt werden.

Richard Gall ist 26 Jahre alt und im nördlichen Weinviertel wohnhaft. Sein beruflicher Werdegang entwickelte sich im technischen Bereich. Nach Absolvierung der Reifeprüfung ergab sich die Möglichkeit, sein privates Hobby als Beruf aus-zuüben. 2012 begann Richard Gall bei einer der größten Betriebsfeuerwehren Österreichs zu arbeiten. Nach der feu-erwehrfachlichen Grundausbildung und der Einsatzleiterausbildung folgte rasch ein Aufstieg in die Offizierslaufbahn. Die Aufgaben veränderten sich von der klassischen Feuerwehrarbeit hin zur strategischen Planung des vorbeugenden Brandschutzes für komplexe Industrieanlagen. Auch der Aspekt Arbeitssicherheit und Risikoprävention wurde in der beruflichen Ausübung immer relevanter. Aus diesem Grund wurde auch der Weg der akademischen Ausbildung an der FH Campus Wien eingeschlagen. Das Studium vermittelte einen detaillierten Überblick über rechtliche Kenntnisse und Normenpraxis in der kompletten „Sicherheitsbranche“. Auch Fachkenntnisse über moderne Managementansätze konnten erworben werden. Nach dem Studium führte ihn ein beruflicher Wechsel zum österreichischen Marktführer für Flüssig-gas. Dort belegt er derzeit die Position des internationalen Sicherheitsmanagers für die Alpenregion. Ein Internes Kont-rollsystem ist auch im derzeitigen Unternehmen implementiert und auch dort kann die theoretische Ausbildung nun mit praktischen Erfahrungen kombiniert werden.

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Entwicklung einer Zertifizierungsmöglichkeit für Interne Kontrollsysteme in österreichischen Unternehmen

Inhalt

1. Einleitung ................................................................................................................................................................. 1102. Methode und Durchführung ................................................................................................................................. 111 2.1. Zieldefinition der Arbeit ................................................................................................................................. 111 2.2. Umsetzung der Feldphase ............................................................................................................................... 111 2.3. Kriterien für die Zulassung als Fachexpert/in .................................................................................................. 1123. Ergebnisse ................................................................................................................................................................. 112 3.1. Zusammenfassung der Ergebnisse ................................................................................................................ 1164. Diskussion ................................................................................................................................................................ 116 4.1. Fazit ................................................................................................................................................................... 116 4.2. Empfehlungen .................................................................................................................................................. 117 4.3. Ausblick und künftiger Forschungsbedarf ........................................................................................................ 118Relevante Literatur ...................................................................................................................................................... 119

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1. Einleitung

Unternehmen befassen sich immer mehr mit dem Thema Interne Kontrollsysteme. Einerseits sind Or-ganisationen gesetzlich dazu verpflichtet, anderer-seits möchten viele Betriebe auf „Nummer sicher“ gehen und drohenden Schaden durch effiziente Kon-trolle abwenden.

Oft sind in Unternehmen ständig wachsende Interne Kontrollsysteme implementiert, die aber nur teilwei-se die nötigen Standards aufweisen und nicht immer den Zweck erfüllen, den sie erfüllen sollten.

Ein großes Problem stellt auch die vage Definition der einschlägigen Gesetze dar. Es wird zwar in eini-gen gesetzlichen Vorgaben auf ein Internes Kontroll-system verwiesen, einheitliche Standards bzw. Um-setzungsvorgaben gibt es jedoch nicht.

Praktisch gesehen stützen sich IKS-Systeme zumeist auf das in der Branche anerkannte COSO-System. Der COSO-I-Würfel, welcher in den 1990er Jahren in Amerika entwickelt wurde, gilt als Standardwerk für Interne Kontrollsysteme in Organisationen. Er wurde mit den Jahren immer weiterentwickelt und zunehmend erforscht. Derzeit stehen zwei CO-SO-Würfel zur Verfügung, wobei der COSO-II-Wür-fel eher auf Enterprise-Risk-Management abzielt und die konkreten Vorgaben für IKS-Systeme über-deckt. Aus diesem Grund wurde in der Arbeit auch das COSO-I-Modell als Grundlage angewendet.

Eine Grundlage für die Umsetzung von IKS in Ös-terreich ist der Leitfaden des österreichischen Rech-nungshofes, welcher auf dem amerikanischen CO-SO-Würfel aufbaut. Zudem gibt es eine Vielzahl von Literatur, welche einzelne IKS-Modelle zu beschrei-ben versuchen. Die Definitionen von IKS sind in den einzelnen Werken teilweise sehr unterschiedlich.

Zwar meinen alle dasselbe, in der Umsetzung sind sie aber dann weit voneinander entfernt.

Die einzelnen Literaturen definieren meist keine konkreten Verantwortlichkeiten und Zuständigkei-ten innerhalb des IKS-Systems. In der praktischen Umsetzung gibt es ebenfalls oft keine klar definierten Rollen bzw. Verantwortlichkeiten und keine konkre-te Ressourcenplanung für das Interne Kontrollsys-tem einer Organisation. Noch viel öfters kommt es vor, dass IKS von der obersten Leitung als „lästig und nutzlos“ angesehen wird. Dies liegt daran, dass viele Mitglieder der obersten Leitung kein Bild von den Aufgaben und Rollen eines für ihr Unternehmen wirksamen IKS haben.

Die dargestellte Problemstellung ist beteiligten Per-sonen durchaus bekannt oder bewusst. Die invol-vierten Verantwortlichen sind zumeist damit kon-frontiert, ein eigenes IKS aus vorhandener Literatur abzuleiten. Oftmals wird ein solches Konzept damit vollendet, dass ein mäßig ausgereiftes IKS-System implementiert wird, welches innerhalb der Organi-sation mangelhaft bis gar nicht umgesetzt werden kann.

Das Ziel der Forschungsarbeit war es, ein effizientes Zertifizierungssystem für Interne Kontrollsysteme in Österreich zu entwickeln. Die empirische Forschung wandte sich an österreichische Unternehmen im öf-fentlichen Sektor. Öffentliche Unternehmen haben ein sehr ausgeprägtes Verständnis von IKS und zu-dem war zu dieser Branche ein entsprechender Zu-gang zum Forschungsfeld gegeben. Es würden sich die Forschungserkenntnisse aber auch auf andere Branchen und Fachbereiche ausdehnen lassen. Eine Anpassung an die branchenspezifischen Anforde-rungen müsste aber zuvor durchgeführt werden.

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2. Methode und Durchführung

2.1. Zieldefinition der Arbeit

Es sollten einheitliche Mindeststandards für ein all-gemein anwendbares IKS-System entwickelt und die Implementierung einer Zertifizierung für Interne Kontrollsysteme erforscht werden. Im Zuge einer qualitativen Befragung von Expert/innen aus dem öffentlichen Sektor sollte festgestellt werden, ob und wie die Einführung der Zertifizierung in deren Bran-che realisiert werden kann. Eine weitere Frage war, ob die entwickelte Systemzertifizierung ausreichend anwendbar ist und für welche Bereiche im IKS eine Anwendung besonders zielführend ist.

Die für die Bachelorarbeit aufgestellte Forschungs-frage lautete:

Wie kann ein effizientes Zertifizierungssystem für Interne Kontrollsysteme im öffentlichen Sektor eingesetzt werden?

Folgende forschungsleitende Fragen ergaben sich aus der gestellten Forschungsfrage:

• Was sind die Mindestbestandteile einer Systemzer-tifizierung für IKS in Österreich?

• Ist das COSO-Modell und der Leitfaden des Rech-nungshofes für das Zertifizierungssystem anzu-wenden und sind die erarbeiteten Mindeststan-dards in Österreich einheitlich umsetzbar?

• Welche Verantwortlichkeiten gibt es bei Internen Kontrollsystemen?

• Ist die Zertifizierung eines IKS-Systems eine sinn-volle Erweiterung für ein Unternehmen?

Zwei Hypothesen wurden zur besseren Beantwor-tung der Forschungsfrage generiert:

H1: Das vorliegende IKS-Zertifizierungssystem kann effizient umgesetzt werden.

H2: Die Abgabe der Gesamtverantwortlichkeiten des IKS-Systems von der obersten Leitung an andere Führungskräfte führt zu Gleichgültigkeit an Interes-sen betreffend IKS durch das TOP Management.

Die grundlegende Frage, welche sich zu Beginn einer jeden Feldphase stellt ist, ob die Forschung qualitativ bzw. quantitativ geführt werden soll. Beide Metho-den sind wissenschaftlich anerkannt und standen für diesen Forschungsbereich zur Verfügung. Gewählt wurde der qualitative Forschungsweg, da hier die Stichprobenauswahl durch ausgewählte Expert/in-nen aus den Branchen generiert wird.

2.2. Umsetzung der Feldphase

Die Umsetzung der Feldphase wurde folgenderma-ßen geplant:

Der Zugang zu den befragten Personen war über das Institut für Interne Revision Österreich (IIRÖ) gege-ben. Seitens des IIRÖ meldeten sich gesamt 8

Expert/innen, welche ihr Fachwissen in die Arbeit einbringen wollten. Es wurden dann sechs Expert/innen nach den nachfolgend beschrieben Kriteri-en ausgewählt und die wissenschaftliche Befragung durchgeführt.

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2.3. Kriterien für die Zulassung als Fachexpert/in

Arbeitsumfeld:Da für die Bachelorarbeit die Branche „öffentlicher Sektor“ als Referenzbranche angenommen wurde, war es wichtig, dass der/die Befragte seiner/ihrer Be-rufstätigkeit in dieser Branche nachgeht.

Berufserfahrung:Der/Die Expert/in sollte ausreichend Erfahrun-gen in der Erarbeitung bzw. Führung von Internen Kontrollsystemen haben. „Ausreichend Erfahrung“ wurde im Allgemeinen als gegeben vorausgesetzt, da die Expert/innen vom Institut für Interne Revision Österreich empfohlen bzw. vermittelt wurden. Eine mindestens dreijährige Tätigkeit im Bereich Interne Kontrollsysteme bildete jedoch den Minimalrah-men, um für die Befragung herangezogen werden zu können.

Verfügbarkeit:Um die Befragung auch zielführend umsetzen zu können, war eine Verfügbarkeit der Expertin/des Experten wichtig. Diese bezog sich auf räumliche und zeitliche Ebene. Zum einen war die räumliche Verfügbarkeit ein wesentliches Thema. Die Erhe-bung wurde österreichweit durchgeführt. Da aber die Befragung in zwei Wochen abgeschlossen wer-den musste, ergab sich eine „Reiseroute“ an deren Achse sich die Befragten befinden mussten. Zum an-deren spielte aber auch die Verfügbarkeit der Person eine wesentliche Rolle. Das Interview sollte sich über einen maximalen Zeitraum von 60 Minuten erste-cken. Deshalb musste der/die Befragte mindestens zwei Stunden (inkl. An- und Abfahrt) zur Verfügung stehen.

Aufgabenbereich/Kompetenz:Innerhalb der Organisation war es wichtig, dass der/die Teilnehmer/in mit der Führung oder der Kon-zeption des IKS-Systems beauftragt oder als IKS Be-auftragte/r im Unternehmen tätig ist. Eine direkte Verbindung mit den IKS-Prozessen war Vorausset-zung.

Die Befragung hatte einen zeitlichen Umfang von maximal 60 Minuten und umfasste 17 Fragen. Das Gespräch wurde aufgezeichnet und anschließend transkribiert dargestellt. Mit den Expert/innen wur-de das Transkript vor der Auswertung nochmals überarbeitet, damit die Aussagen auch wirklich rich-tig interpretiert und ausgewertet werden konnten. Es folgte eine detaillierte Auswertung mittels zusam-menfassender Inhaltsanalyse nach Phillip Mayring. Die einzelnen Interviews wurden dazu komplett an-onymisiert weiterverarbeitet.

Die gestellten Fragen wurden im Vorfeld entspre-chend operationalisiert, also messbar gemacht. Nach der Befragung wurden aus der Operationalisierung einzelne Kategorien gebildet und die Aussagen der Expert/innen dazu analysiert. Zu den einzelnen Aus-sagen gab es Übereinstimmungen und Abweichun-gen. Daraus wurden Reduzierungen getroffen und nur Kernaussagen weiter übernommen. Am Ende ergab sich dadurch in der zweiten Reduktionsstufe eine zusammengefasste Kernaussage, aus welcher exakte Ergebnisse und Trends entnommen werden konnten.

3. Ergebnisse

Im Zuge des Forschungsprozesses zeichnete sich ein System ab, welches grundsätzlich für die Vereinheit-lichung und Standardisierung eines IKS-Systems verwendet werden kann. Das theoretische Modell des Forschungsprojekts stützte sich dabei auf klassi-sche Organisationstheorien.

Detailliert fokussierte sich die Arbeit auf den „admi-nistrativen Ansatz“ nach Henry Fayol. Dieser Ansatz spiegelt die wichtigsten Faktoren und Kernpunkte ei-nes modernen Normen- und Zertifizierungssystems in einer wissenschaftlich anerkannten Theorie wider.

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Auf dessen Basis konnte die Eingliederung in beste-hende Managementsysteme sowie die Vereinheitli-chung und Standardisierung in der Praxis auf dessen Anwendbarkeit überprüft werden.

Ein weiterer theoretischer Ansatz, welcher für die

Ausarbeitung des Zertifizierungssystems bzw. für die ganzheitliche Arbeit von Bedeutung ist, ist der so-genannte Deming-Zyklus. Das sogenannte „PDCA–Modell“ konnte als geeigneter Rahmen für die Erstel-lung des IKS-Modells und speziell für den Abschnitt „ständige Verbesserung“ herangezogen werden.

Im Forschungsprozess wurden nun die im COSO-I-Rahmen-werk angeführten Inhalte in ein Zertifizierungssystem für IKS umgewandelt, welches an den weltweit einheitlichen Aufbau der ISO-Normen angelehnt wurde.

Der Aufbau nach ISO reflek-tiert auch die fünf Basiswerte von Fayol (Planung, Organisa-tion, Befehl, Koordination und Kontrolle), welche auf Anwend-barkeit geprüft werden sollten. Fayols Punkte wurden nahtlos in das entwickelte System ein-gearbeitet und im Zertifizie-rungsmodell angewendet.

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Abbildung 1: PDCA Zyklus für IKS Systeme Abbildung 2: Basispunkte nach H. Fayol

Abbildung 3: Einarbeitung der Basispunkte nach Fayol in das IKS Konzept

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Als Referenzmodell für die Erstellung eines IKS-Zer-tifizierungsmodells kommt die ISO 19600:2017 für Compliance Management zur Anwendung. CMS und IKS sind sich in vielen Punkten ähnlich und so-mit bietet sich eine optimale Ausarbeitungsbasis.

Damit eine effiziente und vor allem praxisnahe An-wendung der Zertifizierung möglich ist, wurde die ANNEX-SL-Richtlinie verwendet, nach der auch die ISO 19600:2017 aufgebaut ist. Der Vorteil ist, dass sich das künftige IKS-Zertifizierungssystem in be-stehende Managementsysteme, wie bspw. Risikoma-nagement, unproblematisch integrieren lässt.

Der Annex-SL Leitfaden definiert zehn Hauptka-tegorien, die jede ISO Norm mindestens enthalten muss. Der einheitliche Aufbau von ISO-Normen ge-

mäß ANNEX-SL soll die Implementierung verschie-dener Managementsysteme vereinfachen.

Es wurden in zwei aufeinanderfolgenden und auf-bauenden Schritten die Grundzüge des zu erarbei-tenden Zertifizierungssystems für Interne Kontroll-systeme dargestellt.

Der erste Schritt beschäftigte sich mit der theo-retischen Ausarbeitung der zehn Punkte des An-nex-SL-Kodex. Dazu wurden die sieben Punkte des IDW-PS-980-Standards aus Deutschland und des COSO-I-Systems an die österreichischen Anforde-rungen eines IKS-Systems angepasst. Weiters wurde ein Abgleich mit den Vorgaben des österreichischen Rechnungshofes vorgenommen.

Der zweite Schritt stellte die notwendigen Anfor-derungen für die „akkreditierte“ Zertifizierung des künftigen IKS-Managementsystems dar. Dazu wur-den die zehn Punkte des ANNEX-SL-Kodex durch ei-nen elften Punkt erweitert. Dieser regelt die Anforde-rungen für eine mögliche künftige IKS-Zertifizierung.

Der Aufbau des Systems wird anhand folgender Grafik verständlich. Die zehn Punkte ergeben ein komplettes Managementsystem, welches aufgrund des standardisierten Aufbaus problemlos in bereits bestehende Managementsysteme integriert werden kann.

Abbildung 4: COSO I Würfel Abbildung 5: IDW 980 Standard aus Deutschland

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Die Effektivität des Systems ergibt sich aus einem we-sentlichen Punkt. Wie bereits beschrieben, wurde als Referenzmodell die ISO 19600:2017 für Complian-ce Management zur Anwendung herangezogen. Da sich Compliance Management und IKS ergänzen, ergeben sich hier wesentliche Schnittstellen, die zur Ressourcenoptimierung beitragen. Die Forschung würde sich sogar noch erweitern lassen, indem in das Modell auch die Anforderungen der ISO 49000 für Risikomanagement eingearbeitet werden könn-ten. Ein komplettes integriertes Managementsystem könnte so entwickelt werden.

Eine wesentliche Erkenntnis ist auch die Definiti-on und Ausarbeitung von Verantwortlichkeiten im IKS-System. Dieser Punkt wurde in der Befragung zwar unterschiedlich aufgefasst, aber ein Grundrah-men wurde identifiziert, der einzuhalten ist, um das System wirksam und effizient arbeiten zu lassen. Die nachfolgende Grafik soll den Verantwortungsbereich der jeweiligen Personenkreise grafisch darstellen.

Die Auswertung der Expert/innenmeinungen zeigte, dass das Modell in der Praxis grundsätzlich ohne gra-vierende Änderungen angewendet werden könnte.

Wesentliche Kritikpunkte ergaben sich aber am Nut-

zen einer Systemzertifizierung. Auch die einzelnen Positionen und Verantwortlichkeiten für IKS-Syste-me müssen nochmals überarbeitet werden.

Die nachfolgende Tabelle zeigt die Zusammenfas-sung der Gedanken der befragten Expert/innen zu den beiden kritischen Punkten.

Abbildung 6: Grafik des IKS Zertifizierungssystems nach R. Gall

Abbildung 7: Entwurf der Verantwortlichkeiten vor Befragung der Expert/innen

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Nutzen einer Zertifizierung:Eine Zertifizierung ist ein Qualitätsmerkmal und macht das System stabil bzw. verlässlich. Das System wird durch regelmäßige Audits am Laufenden gehalten und gelebt. Allerdings ist eine Zertifizierung kein Muss und eher ein Mittel zum Zweck, damit das System gelebt wird. Zertifizierungen benötigen entsprechend viel Aufwand und Ressourcen - sie sind kein relevantes Kriterium zur Bewertung von IKS-Systemen einer Orga-nisation.

Verantwortlichkeiten und Rollen:Die Gesamtverantwortung muss die oberste Leitung übernehmen. Ein/e IKS-Beauftragte/r ist zu installie-ren. Zwischen den Beschäftigten und dem/der IKS-Beauftragten sind die Führungskräfte als Koordinatoren einzubeziehen. Die Verantwortlichkeiten müssen aber auf die Organisationsgröße abgestimmt sein.Im öffentlichen Sektor sollte auch die politische Ebene eingebunden werden.

3.1. Zusammenfassung der Ergebnisse

Das entwickelte Modell wurde durch die Expert/innen gut aufgenommen und stieß auf positive Re-sonanz. Eine branchenübergreifende Anwendung wurde bestätigt. Kritikpunkte wurden, wie bereits erläutert, an den dargestellten Verantwortlichkeiten angebracht. Zwischen IKS-Beauftragte/n und den Beschäftigten soll eine weitere Ebene eingefügt wer-den. Diese Tatsache lässt sich darauf zurückführen, dass in den befragten Organisationen die operativen Führungskräfte als IKS-Koordinatoren zum Einsatz kommen und die Beschäftigten überwachen. Der/Die IKS-Beauftragte ist oft als übergeordnete Ma-nagementfunktion angesiedelt und kann für mehre-re Managementsysteme verantwortlich sein.

Den Verantwortlichkeiten im IKS-System sollen ein-deutige Kompetenzen zugewiesen werden und sie sollen zudem mit minimalen Rechten ausgestattet werden. Dies unterbindet einen eventuellen Miss-brauch von etwaigen Kompetenzen. Ein Wunsch der Expert/innen war es zudem, dass das IKS-System prozessorientiert und IT-gestützt aufgebaut wird.

Eine wertvolle Empfehlung der Expert/innen zur praktischen Umsetzung des Systems in Organisati-onen ist, einen PRE-Test mit einer geeigneten Füh-rungskraft in einem „Musterbereich“ der Organisa-tion durchzuführen.

4. Diskussion

4.1. Fazit

Der Kontext der Problemstellung bzw. die Ausgangs-lage des Forschungsprojektes werden im Fazit den zentralen Ergebnissen des Projektes gegenübergestellt.

Ein wesentliches Ergebnis bezieht sich auf die Wahr-nehmung von IKS-Verantwortlichkeiten. Laut ge-

setzlichem Auftrag ist die oberste Leitung einer Organisation für die Umsetzung eines IKS-Systems verantwortlich. In der Ausarbeitung wurde durch die Befragung der Expert/innen sehr deutlich, dass die oberste Leitung erst dann zum Handeln angeregt wird, wenn sich gravierende Vorfälle abzeichnen

Tabelle 1: Generalisierung der Expert/innenaussagen

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bzw. in vielen Unternehmen IKS noch nicht ausge-prägt umgesetzt ist.

Die Anzahl an Unternehmen, welche IKS verpflich-tend einführen müssen bzw. sich freiwillig mit dem System befassen steigt kontinuierlich an. Im Zuge der Erhebung zeigte sich auch deutlich, dass die ein-zelnen Funktionen im Managementsystem klar und deutlich formuliert werden müssen, um den vollen Funktionsumfang gewährleisten zu können. Die er-wähnten gesetzlichen Regelungen in Österreich de-finieren die Gesamtverantwortung für das IKS-Ma-nagementsystem nachvollziehbar.

Im Zuge der Forschung sollte auch erhoben wer-den, ob eine Delegation der Gesamtverantwortung vom TOP-Management an die direkt unterstellten Führungskräfte zu einem Interessensverlust bzw. zu Gleichgültigkeit der obersten Leitung führen könn-te. Dieser Interessensverlust wurde von allen Expert/innen einheitlich bestätigt und sollte verhindert wer-den. Rechtlich gesehen gibt es zwar Wege, die es er-lauben, das IKS-System an andere Führungskräfte zu delegieren. Die Abwälzung der Gesamtverantwor-tung muss jedoch gründlich überdacht werden. Ein Commitment aller Betroffenen ist dazu unerlässlich.

Ein Problem, welches sich mit dem ausgearbeiteten IKS-Zertifizierungssystem beheben lassen würde, ist die Umsetzung einheitlicher, österreichweit gleich anwendbarer Standards in den einzelnen Organisa-tionen. Vorhandene IKS-Systeme können mit ver-hältnismäßig geringem Ressourcenaufwand an die ausgearbeiteten Standards angepasst werden.

Das wohl größte Problem, welches sich bei der Er-hebung der Ausgangslage abzeichnete, ist, dass es keinen einheitlichen Begriff bzw. keine einheitliche Definition für IKS in Österreich gibt. Die Definition im Modell wurde deshalb deutlich ausgearbeitet und trägt somit zu einem einheitlichen Verständnis des Begriffes IKS bei. Für die Ermittlung einer konkreten Begriffsdefinition fand das Standardwerk des IIRÖ „Das Interne Kontrollsystem aus Sicht der Internen Revision“ Anwendung.

Ein Lösungsansatz, welcher sich für das Funktionie-ren eines effizienten IKS-Systems als elementar dar-stellte, ist jener, dass das System in bereits bestehen-de Managementsysteme eingegliedert werden kann. Die Befragung der Expert/innen zeigte klar, dass die-se Integrationsmöglichkeit durch die Anlehnung an den Annex-SL-Leitfaden besteht. In einem weiteren Schritt wäre sogar die Zusammenführung in ein in-tegriertes Managementsystem anzudenken.

Ein wesentliches Ziel dieser Arbeit war es, einheit-liche Mindeststandards für IKS-Systeme zu entwi-ckeln, welche das System effizient und anwendbar machen sollen. Dieses Ziel konnte zu einem großen Teil erreicht werden, da von den Fachexpert/innen die Anwendbarkeit bestätigt wurde.

Geringfügige Anpassungen wären vorzunehmen, welche aber organisationsabhängig zu betrachten sind.

4.2. Empfehlungen

Zusammenfassend können folgende Empfehlungen abgeleitet werden:

Für die befragten Personen ist das entwickelte Modell grundsätzlich branchenübergreifend anwendbar. Die oberste Regel jedoch lautet, dass für die Implementie-rung innerhalb der Organisation alle Verantwortlich-keiten und Aufgaben klar zu definieren sind und aus-reichend Ressourcen bereitgestellt werden müssen.

Eine unbedingte Empfehlung ist, dass innerhalb der Organisation mit einer Musterabteilung bzw. einem Musterbereich und mit geeigneten Führungskräften ein PRE-Test absolviert wird, bevor das System auf die gesamte Organisation ausgeweitet wird. Geeig-nete Führungskräfte, klar definierte Verantwortlich-keiten und exakt zugewiesene Aufgaben sind für eine wirksame Umsetzung elementar.

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Für die Zertifizierung des Systems empfiehlt es sich, das System in der Organisation zu implementieren, es einem durchgängigen KVP (Kontinuierlicher Ver-besserungsprozess) zu unterziehen und erst bei aus-reichender Stabilität des IKS-Systems einem Zertifi-zierungsprozess zu unterwerfen. Hier bestehen auch die größten Herausforderungen bei der Umsetzung

des Modells. Sollte das System nicht stabil genug aufgestellt sein, nimmt eine Zertifizierung sehr viele personelle und finanzielle Ressourcen in Anspruch. Dies gilt es im Zuge der Wirtschaftlichkeit und Effi-zienz zu vermeiden.

4.3. Ausblick und künftiger Forschungsbedarf

Die eben beleuchteten zentralen Ergebnisse dieser Arbeit zeigen eine deutliche Richtung für kommen-de Forschungsprojekte. Das gegenständliche Projekt legt Grundsteine für die Zertifizierung von IKS-Sys-temen. Das IKS-Zertifizierungsmodell, welches nun theoretisch entworfen wurde und auf Praxistauglich-keit untersucht wurde, kann nun in im Feld getestet werden.

Da das Forschungsfeld auf den öffentlichen Sektor beschränkt war, ergeben sich weitere forschungs- lohnende Aspekte. Um zentrale Aussagen über die branchenübergreifende Anwendung zu erhalten, müsste eine entsprechende Testung erfolgen.

Ein weiterer wichtiger Schritt wäre es, die zentralen Verantwortlichkeiten für IKS-Systeme weiter zu

erforschen und auch Musterlösungen für diverse Un-ternehmensformen und -größen zu entwickeln. Mit der Führung und Verantwortung der einzelnen Rol-len fällt die Entscheidung, ob ein IKS-System in der Organisation leben kann oder „schubladisiert“ wird.

Ein interessanter Anstoß für künftige Forschung wäre auch, ein integriertes Managementsystem bestehend aus Risikomanagement, IKS und Compliance-Ma-nagement zu entwickeln und auf dessen Praxistaug-lichkeit zu testen. Im Zuge des Forschungsprozesses ließen sich hier deutliche Schnittstellen erkennen. Mit diesem integrierten Managementmodell könn-ten auch die personellen und finanziellen Ressour-cen deutlich gesenkt werden, da ein/e Management-beauftragte/e mehrere Managementsysteme vereint und kontrolliert abdecken könnte.

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Relevante LiteraturInstitut für Interne Revision IIA Austria (2009) „Das Interne Kontrollsystem aus der Sicht der Internen Revision“

Österreichischer Rechnungshof (2016): „Leitfaden zur Überprüfung von Internen Kontrollsystemen“

Committee of Sponsoring Organizations of the Treadway Commission (2004)“Unternehmensweites Risikomanagement, übergreifendes Rahmenwerk”

Oliver Bungarz (2012) „Handbuch Interne Kontrollsysteme (IKS) Steuerung und Überwachung von Unternehmen“

Loyds Register Quality Assurance GmbH (2017)„Annex SL: übergeordnete Struktur für alle Managementsystemstandards“

INTOSAI Generalsekretariat (2017): “INTOSAI Richtlinien für die internen Kontrollnormen im öffentlichen Sektor“

Günther Breitfuß (o.J.) “Organisationstheorie“

Matthew Barsalou (o.J.) “PDCA – Plan-Do-Check-Act“

Phillip Mayring (2015): “Qualitative Inhaltsanalyse Grundlagen und Techniken“

Normen und Gesetze: ISO 19600:2017, Aktiengesetz 2017, Zertifizierungsschema Y03 von Dr. Peter Jonas

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Impressum Institut für Interne Revision Österreich - IIA Austria

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A - 1120 Wienwww.internerevision.at

CoverfotoDipl. VW (FH) Dirk Augustin, CIA

Fotos VorwortPWR Beratung & Fotografie - Mag. Peter Wolfgang Rösler, 3435 Zwentendorf, Postgasse 75

Dipl. VW (FH) Dirk Augustin, CIA

LayoutWebArtists G. Temel KG - www.webartists.at

ISBN978-3-9503796-5-5

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2018

JahrbuchInstitut für Interne Revision Österreich - IIA Austria

Schönbrunner Strasse 218 - 220 U4 Center, Stiege B, 3. OG

A - 1120 Wienwww.internerevision.at

ISBN978-3-9503796-5-5