44
JAHRESBERICHT 2015 über die Erfahrungen und Ergebnisse der interdisziplinären Frühförderung von Kindern mit Hörschädigung, Sehbehinderung, Blindheit und Autismus in Hessen LANDESWOHLFAHRTSVERBAND HESSEN Fachbereich Überregionale Schulen

Jahresbericht Henke 21.06.2016 nn - LWV) Hessenwebcom.lwv-hessen.de/files/266/JB_2015_interdiszip... · Schule, Außenstelle Wiesbaden Autismus Therapie- und Beratungszentrum, Kassel

  • Upload
    others

  • View
    2

  • Download
    0

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: Jahresbericht Henke 21.06.2016 nn - LWV) Hessenwebcom.lwv-hessen.de/files/266/JB_2015_interdiszip... · Schule, Außenstelle Wiesbaden Autismus Therapie- und Beratungszentrum, Kassel

JAHRESBERICHT 2015 über die Erfahrungen und Ergebnisse der interdisziplinären Frühförderung von Kindern mit Hörschädigung, Sehbehinderung, Blindheit und Autismus in Hessen

LANDESWOHLFAHRTSVERBAND HESSEN Fachbereich Überregionale Schulen

Page 2: Jahresbericht Henke 21.06.2016 nn - LWV) Hessenwebcom.lwv-hessen.de/files/266/JB_2015_interdiszip... · Schule, Außenstelle Wiesbaden Autismus Therapie- und Beratungszentrum, Kassel

02 IMPRESSUM

Herausgeber Landeswohlfahrtsverband Hessen Ständeplatz 6 - 10 34117 Kassel Tel. 0561 1004 - 0 Text Fachbereich Überregionale Schulen Ständeplatz 2 34117 Kassel Tel. 0561 1004 - 0 [email protected] Frühberatungsstelle Hören und Kommunikation an der Hermann-Schafft-Schule Homberg Frühförderung Sichtweisen, Ev. Regionalverband Frankfurt Frühberatungsstelle für Kinder mit Sehbehinderung oder Blindheit an der Johann-Peter-Schäfer-Schule, Außenstelle Wiesbaden Autismus Therapie- und Beratungszentrum, Kassel Autismus-Therapieinstitut, Langen Fotos Interdisziplinäre Frühberatungsstellen des LWV Hessen Rolf K. Wegst privat Gestaltung Heiko Horn, Carola Henke Druck Druckerei des LWV Hessen Stand Juni 2016 Internet www.lwv-hessen.de

Page 3: Jahresbericht Henke 21.06.2016 nn - LWV) Hessenwebcom.lwv-hessen.de/files/266/JB_2015_interdiszip... · Schule, Außenstelle Wiesbaden Autismus Therapie- und Beratungszentrum, Kassel

VORWORT 03

LIEBE LESERINNEN UND LESER, die Leistungen der interdisziplinären Frühförderstellen werden nach den individuellen Bedürfnissen der Kinder und ihrer Familien ausgerichtet. Die Förderungen finden mobil aufsuchend im Elternhaus, in den Früh-beratungsstellen oder in den Kindertagesstätten statt. Die Mitarbeite-rinnen und Mitarbeiter arbeiten mit vielen professionellen Fachdiszipli-nen zusammen und helfen so, Lebens- und Lernbedingungen dort zu optimieren, wo die Kinder leben. Damit werden Teilhabe und Inklusion möglich. Für die Organisation dieser pädagogischen und administrativen Arbeit mit sinnesgeschädigten Kindern werden künftig die Prozesse optimiert, standardisiert und weiterentwickelt. Derzeit wird in mehreren Phasen eine neue Software in den interdisziplinären Frühberatungsstellen des LWV Hessen eingeführt, die neben der Abrechnung mit den örtlichen Sozialhilfeträgern auch die Prozesse vom Erstkontakt bis zur Beendi-gung der Frühfördermaßnahme abbilden wird. Die Einführung einer solchen Software ist ein komplexer und aufwändiger Prozess, der alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus den interdisziplinären Frühbera-tungsstellen vor neue Herausforderungen und damit vor die Aufgabe stellt, sich mit einem neuen Verfahren wie auch Veränderungen des bisherigen Arbeitsprozesses auseinanderzusetzen. Aufgrund des be-trächtlichen Arbeitsaufwandes im Kontext dieses Umstellungsprozes-ses werden daher (einmalig) die statistischen Angaben des Erfahrungs-berichtes 2015 in reduziertem Umfang dargestellt. Zudem wurden die Gespräche mit den Kommunalen Spitzenverbänden im Frühjahr 2016 wieder aufgenommen. Die Kostenträger und die Träger der speziellen Frühförderung haben sich darauf verständigt, dass die bestehende Leistungsvereinbarung fortentwickelt und dann auch die Vergütungsvereinbarung neu verhandelt werden soll. Daneben hat das Ministerium für Soziales und Integration im Jahr 2015 die Sockelförderung für die spezielle Frühförderung sinnesgeschädigter Kinder und die Frühförderung autistischer Kinder angehoben. Mit die-sen Fördermitteln können der LWV Hessen, die Blindenstudienanstalt Marburg, der Evangelische Regionalverband Frankfurt sowie die Autis-mus-Therapiezentren ihre Angebote an spezieller Frühförderung und deren Qualitäts- und Leistungsstandards weiterentwickeln.

Uwe Brückmann Landesdirektor

Foto

: Uw

e Zu

cchi

Page 4: Jahresbericht Henke 21.06.2016 nn - LWV) Hessenwebcom.lwv-hessen.de/files/266/JB_2015_interdiszip... · Schule, Außenstelle Wiesbaden Autismus Therapie- und Beratungszentrum, Kassel

04

VORWORT 03 RECHTLICHE UND FACHLICHE GRUNDLAGEN 06 1. FRÜHFÖRDERUNG VON KINDERN MIT SINNESSCHÄDIGUNG 1.1 Einzugsbereiche 08 1.2 Angebote der interdisziplinären Frühberatungsstellen 12 1.3 Interdisziplinäre Zusammenarbeit 14 1.4 Entwicklung der Betreuungszahlen 15 1.4.1 Anzahl der betreuten Kinder zum Stichtag 31.12.2015 15 1.4.2 Altersstruktur der Kinder 15 1.4.3 Betreuung von Kindern mit Migrationshintergrund 16 1.4.4 Behinderungsspezifische Zuordnung 16 1.5 Regionale Verteilung von Kindern mit Sinnes- schädigung in Hessen/Versorgungssituation 19 1.6 Einschulungen 19 1.7 Personalausstattung 21 1.8 Finanzielle Situation 22  2. AUS DEM ALLTAG DER INTERDISZIPLINÄREN

FRÜHBERATUNGSSTELLEN 24 3. FRÜHFÖRDERUNG VON KINDERN MIT AUTISMUS 3.1 Was ist Autismus? 30 3.2 Zur Früherkennung autistischer Störungen 31 3.3 Zur Frühförderung autistischer Kinder 32 3.4 Einzugsbereiche 32 3.5 Leistungsangebot 33 3.6 Funktion als offene Anlaufstelle 34 3.7 Interdisziplinäre Zusammenarbeit 34 3.8 Entwicklung der Betreuungszahlen in der pädago-

gischen Frühförderung von Kindern mit Autismus 35

Page 5: Jahresbericht Henke 21.06.2016 nn - LWV) Hessenwebcom.lwv-hessen.de/files/266/JB_2015_interdiszip... · Schule, Außenstelle Wiesbaden Autismus Therapie- und Beratungszentrum, Kassel

3.9 Altersstruktur der Kinder mit Autismus in der Frühförderung 36

3.10 Personelle Ausstattung 36 3.11 Finanzielle Situation der Frühförderung von Kindern mit Autismus 37 4. ERFAHRUNGSBERICHTE 4.1 Autismus Therapie- und Beratungszentrum Kassel 38 4.2 Autismus-Therapieinstitut Langen 42

INHALT 05

Page 6: Jahresbericht Henke 21.06.2016 nn - LWV) Hessenwebcom.lwv-hessen.de/files/266/JB_2015_interdiszip... · Schule, Außenstelle Wiesbaden Autismus Therapie- und Beratungszentrum, Kassel

06

Unter Berücksichtigung der besonderen Bedürfnisse und der familiären Situation werden individuelle Förderziele und Förder-schwerpunkte in einem Förderkonzept festgelegt und umgesetzt. Wesentliche fachliche Grundlage ist die im Jahr 2014 (im Auftrag des Hessischen Ministeriums für Soziales und Integration) fertiggestellte gemeinsame Rahmenkonzepti-on von allgemeiner und spezieller Frühförde-rung, die unter Federführung der Arbeitsstelle Frühförderung erarbeitet wurde. Die bis heute maßgebliche Leistungsvereinba-rung gemäß § 75 SGB XII wurde im Jahr 2002 zwischen den Kommunalen Spitzenverbänden und den Trägern der Frühberatungsstellen für Sinnesgeschädigte abgeschlossen. Sie trifft Aussagen zur Qualität, regelt die Art, den Inhalt und Umfang der Leistung, die Ziele und Aufgaben der Frühförderung von Kindern mit einer Sinnesschädigung und das Verwaltungs-verfahren. Sie wird derzeit - wie im Vorwort dargestellt - fortentwickelt. Für die Frühberatungsstellen für Kinder mit Autismus bestehen Leistungsvereinbarungen mit den Sozialhilfeträgern am Standort der jeweiligen Autismustherapieinstitute.

Träger der Interdisziplinären Frühberatung/-förderung von Kindern mit Hörschädigung, Sehbehinderung und Blindheit sind die Blindenstudienanstalt Marburg, der Evange-lische Regionalverband Frankfurt am Main und der Landeswohlfahrtsverband Hessen. Das Autismus-Therapieinstitut (ATI) in Langen in Trägerschaft der Behindertenhilfe in Stadt und Kreis Offenbach e. V. und das Autismus-therapie- und Beratungszentrum Kassel (ATB) in Trägerschaft des Regionalverbandes Au-tismus Nordhessen e.V. und des Lebenshilfe-Werks Kreis Waldeck-Frankenberg e.V. stellen die Frühförderung für Kinder mit Autismus sicher. Rechtsgrundlagen der Frühförderung von Kindern mit Behinderung und von Kindern, die von Behinderung bedroht sind, sind die §§ 26, 30, 55 und 56 SGB IX in Verbindung mit der entsprechenden Frühförderverordnung vom 01.07.2003 und die Regelungen zur Eingliede-rungshilfe in den §§ 53 und 54 SGB XII. Die spezielle Frühförderung ist eine heilpädagogi-sche Leistung gemäß §§ 55, 56 SGB IX, die entsprechend den gesetzlichen Vorgaben interdisziplinär arbeitet. Den Rahmen für die inhaltliche Ausgestaltung bilden die „Fachlichen Handlungsanweisungen für die Frühförderung behinderter und von Behinde-rung bedrohter sowie entwicklungsgefährde-ter oder entwicklungsverzögerter Kin-der“ (Erlass des Hessischen Ministeriums für Umwelt, Energie, Jugend, Familie und Gesundheit sowie des Hessischen Ministeri-ums für Frauen, Arbeit und Sozialordnung vom 15. Februar 1995 (StAnz. 95, S.883). Diese Hilfen sollen sich an den individuellen Bedürfnissen und Möglichkeiten des Einzel-nen Kindes in seinem Umfeld orientieren.

RECHTLICHE UND FACHLICHE GRUNDLAGEN

Page 7: Jahresbericht Henke 21.06.2016 nn - LWV) Hessenwebcom.lwv-hessen.de/files/266/JB_2015_interdiszip... · Schule, Außenstelle Wiesbaden Autismus Therapie- und Beratungszentrum, Kassel

FRÜHFÖRDERUNG VON KINDERN MIT SINNESSCHÄDIGUNG 07

Page 8: Jahresbericht Henke 21.06.2016 nn - LWV) Hessenwebcom.lwv-hessen.de/files/266/JB_2015_interdiszip... · Schule, Außenstelle Wiesbaden Autismus Therapie- und Beratungszentrum, Kassel

08

Johannes-Vatter-Schule, Friedberg: Wetteraukreis, Landkreis Gießen, Main-Kinzig-Kreis, Landkreis Marburg-Biedenkopf mit den

Gemeinden Angelburg, Bad Endbach, Biedenkopf, Breidenbach, Cölbe, Dautphetal, Ebsdorfergrund, Fronhausen, Gladenbach, Lahntal, Lohra, Marburg, Münchhausen, Steffenberg, Weimar und Wetter,

Vogelsbergkreis mit den Gemeinden Feldatal, Freiensteinau, Gemünden, Grebenhain, Herbstein, Homberg/Ohm, Lautertal, Mücke, Romrod, Schotten und Ulrichstein,

Hochtaunuskreis mit den Gemeinden Bad Homburg, Friedrichsdorf, Oberursel, Steinbach, Usingen und Wehrheim.

Hermann-Schafft-Schule, Homberg/Efze: Stadt Kassel, Landkreis Kassel, Landkreis Waldeck-Frankenberg, Werra-Meißner-Kreis, Schwalm-Eder-Kreis, Landkreis Hersfeld-Rotenburg, Landkreis Fulda, Landkreis Marburg-Biedenkopf mit den

Gemeinden Amöneburg, Kirchhain, Neustadt, Rauschenberg, Stadtallendorf und Wohratal,

Vogelsbergkreis mit den Gemeinden Alsfeld, Antriffttal, Grebenau, Kirtorf, Lauterbach, Schlitz, Schwalmtal und Wartenberg.

Schule am Sommerhoffpark, Frankfurt/Main: Stadt Frankfurt/Main, Stadt Offenbach, Landkreis Offenbach, Landkreis Groß-Gerau,

Hörgeschädigte Kinder in Hessen werden durch die Interdisziplinären Frühberatungsstellen Hören und Kommunikation in Trägerschaft des Landeswohlfahrtsverbandes Hessen versorgt und sind den LWV-Schulen mit dem Förder-schwerpunkt Hören in Bad Camberg, Friedberg, Homberg/Efze und Frankfurt am Main angeglie-dert. Blinde und sehbehinderte Kinder in Hessen werden von den Interdisziplinären Frühbera-tungsstellen des Evangelischen Regionalverban-des in Frankfurt am Main, der Blindenstudienan-stalt Marburg und des Landeswohlfahrtsverban-des Hessen an der Johann-Peter-Schäfer-Schule in Friedberg, Schule mit dem Förderschwerpunkt Sehen, mit Außenstelle in Wiesbaden und der Außenstelle Kassel der Hermann-Schafft-Schule gefördert. 1.1 EINZUGSBEREICHE Für die Interdisziplinären Frühberatungsstellen wurden Einzugsbereiche gebildet, um landes-weit gleichmäßig die Frühförderung sicherzu-stellen. Für die Interdisziplinären Frühberatungsstellen Hören und Kommunikation gelten folgende Einzugsbereiche: Freiherr-von-Schütz-Schule, Bad Camberg: Rheingau-Taunus-Kreis, Kreis Limburg-Weilburg, Stadt Wiesbaden, Lahn-Dill-Kreis, Hochtaunuskreis mit den Gemeinden

Glashütten, Grävenwiesbach, Königstein, Kronberg, Neu-Anspach, Schmitten und Weilrod,

Main-Taunus-Kreis mit den Gemeinden Eppstein, Flörsheim, Hofheim, Hattersheim, Hochheim und Kriftel.

1. FRÜHFÖRDERUNG VON KINDERN MIT SINNESSCHÄDIGUNG

Page 9: Jahresbericht Henke 21.06.2016 nn - LWV) Hessenwebcom.lwv-hessen.de/files/266/JB_2015_interdiszip... · Schule, Außenstelle Wiesbaden Autismus Therapie- und Beratungszentrum, Kassel

FRÜHFÖRDERUNG VON KINDERN MIT SINNESSCHÄDIGUNG 09

Page 10: Jahresbericht Henke 21.06.2016 nn - LWV) Hessenwebcom.lwv-hessen.de/files/266/JB_2015_interdiszip... · Schule, Außenstelle Wiesbaden Autismus Therapie- und Beratungszentrum, Kassel

10

Außenstelle Wiesbaden: Stadt Wiesbaden, Landkreis Groß-Gerau, Main-Taunus-Kreis, Rheingau-Taunus-Kreis.

Hermann-Schafft-Schule, Außenstelle Kassel: Stadt Kassel, Landkreis Kassel, Schwalm-Eder-Kreis ohne den ehemaligen Landkreis Ziegenhain, Landkreis Waldeck-Frankenberg ohne den

ehemaligen Landkreis Frankenberg, Werra-Meißner-Kreis, Landkreis Hersfeld-Rotenburg.

*soweit es aufgrund der räumlichen/verkehrstechnischen Zuordnung günstiger erscheint, erfolgt die Betreuung der sehgeschädigten Kinder aus dem Landkreis Gießen durch die interdisziplinäre Frühberatungsstelle der Blindenstudienan-stalt, Marburg.

Stadt Darmstadt, Landkreis Darmstadt-Dieburg, Landkreis Bergstraße, Odenwaldkreis, Main-Taunus-Kreis mit den Gemeinden Bad

Soden, Eschborn, Kelkheim, Liederbach, Schwalbach und Sulzbach.

Für die Interdisziplinären Frühberatungsstellen für Kinder mit Sehbehinderung oder Blindheit gelten folgende Einzugsbereiche: Blindenstudienanstalt, Marburg: Lahn-Dill-Kreis, Landkreis Gießen, Landkreis Marburg-Biedenkopf, Schwalm-Eder-Kreis ohne die ehemaligen

Landkreise Fritzlar-Homberg und Melsun-gen,

Landkreis Waldeck-Frankenberg ohne den ehemaligen Landkreis Waldeck.

Evangelischer Regionalverband, Frankfurt/Main: Stadt Frankfurt/Main, Stadt Offenbach, Landkreis Offenbach, Stadt Darmstadt, Landkreis Darmstadt-Dieburg, Landkreis Bergstraße, Odenwaldkreis.

Johann-Peter-Schäfer-Schule, Friedberg: Wetteraukreis, Main-Kinzig-Kreis, Landkreis Fulda, Vogelsbergkreis, Landkreis Gießen*, Landkreis Limburg-Weilburg, Hochtaunuskreis.

Page 11: Jahresbericht Henke 21.06.2016 nn - LWV) Hessenwebcom.lwv-hessen.de/files/266/JB_2015_interdiszip... · Schule, Außenstelle Wiesbaden Autismus Therapie- und Beratungszentrum, Kassel

FRÜHFÖRDERUNG VON KINDERN MIT SINNESSCHÄDIGUNG 11

Page 12: Jahresbericht Henke 21.06.2016 nn - LWV) Hessenwebcom.lwv-hessen.de/files/266/JB_2015_interdiszip... · Schule, Außenstelle Wiesbaden Autismus Therapie- und Beratungszentrum, Kassel

12

Stationäre Wechselgruppe Die Arbeit der Frühberatungsstellen für Kinder mit einer Hörschädigung erfährt eine qualitative Erweiterung durch das überregional ausgerich-tete Angebot der „Stationären Wechselgruppe“. Alle hessischen Familien mit einem Kind mit einer Hörschädigung können dieses zusätzliche Angebot wahrnehmen. Diese Eltern-Kind-Gruppen werden jede Woche, jeweils von Montag bis Donnerstag, angeboten. Diese mehrtägige, intensive aufbauende Förderung und Beratung in vierteljährlichen Abständen bewirkt einen Schub in der Hör- und Sprachent-wicklung des Kindes.

Offene Beratungsstelle für Eltern und Kinder Beratung und Diagnostik sind ein wesentlicher Bestandteil der präventiven Arbeit der Interdis-ziplinären Frühberatungsstellen im Sinne rechtzeitiger Erkennung und fallspezifischer punktgenauer Hilfen. Die Interdisziplinären Frühberatungsstellen werden als niedrigschwellige, offene Beratungs-stelle von Eltern in Anspruch genommen, die die Sorge haben, dass ihr Kind schlecht hört oder sieht. Bei den Frühberatungsstellen nimmt die Kind bezogene Diagnostik einen breiten Raum

1.2 ANGEBOTE DER INTERDISZIPLINÄREN FRÜHBERATUNGSSTELLEN Mobile Frühförderung in den Familien oder in den Kindertagesstätten Die regelmäßige, individuelle Förderung findet als mobile Frühförderung zu Hause im vertrau-ten Umfeld des Kindes oder auch in der Kinder-tagesstätte oder im Kindergarten statt. Die Gegebenheiten vor Ort können so unmittelbar in die Förderung und Beratung einbezogen werden. Dies kann von allen betroffenen Eltern genutzt werden und entlastet im Regelfall die Familien. Die Frühförderkraft erlebt das Umfeld unmittelbar und kann die Eltern dabei unter-stützen, dieses so zu gestalten, dass das Kind bestmögliche Entwicklungsbedingungen hat. Im übrigen könnten - bedingt durch die großen Einzugsbereiche - viele Eltern, in der Regel die Mütter, regelmäßige Fördertermine in den häufig entfernt liegenden Frühberatungsstellen unter Umständen sonst nicht wahrnehmen. Ambulante Frühförderung in den Interdisziplinären Frühberatungsstellen Angebote zur Diagnostik und zur speziellen Einzelförderung wie auch Gruppenangebote ergänzen die mobile Frühförderung. In den Räumen der Frühberatungsstellen ist eine spezielle Ausstattung - wie beispielsweise Audiometrie oder ein Dunkelraum - vorhanden, die der komplementären Diagnostik und speziellen Förderung dienen. In Kleingruppen können Sozialverhalten, Grob- und Feinmotorik, Sinneswahrnehmungen und Sprachverhalten im Spiel erfahren und geübt werden. Die Gruppenangebote bieten Kindern und Eltern gleichermaßen zudem die Möglich-keit, Familien in vergleichbaren Lebensumstän-den kennenzulernen und sich auszutauschen.

Page 13: Jahresbericht Henke 21.06.2016 nn - LWV) Hessenwebcom.lwv-hessen.de/files/266/JB_2015_interdiszip... · Schule, Außenstelle Wiesbaden Autismus Therapie- und Beratungszentrum, Kassel

FRÜHFÖRDERUNG VON KINDERN MIT SINNESSCHÄDIGUNG 13

chenden Fördermöglichkeiten und Spielmateria-lien sowie zu spezifischen Hilfsmitteln und deren Bezugsquellen. Zudem werden Mitarbeiter/-innen der Bera-tungsstellen häufig für Vorträge, Seminare, Hospitationen oder Tagungen in oder außerhalb der Beratungsstellen angefragt, um Auskunft über die Besonderheiten bei der Förderung hörgeschädigter, sehbehinderter oder blinder Kinder zu geben. So zeigen beispielsweise Institutionen wie Kindertagesstätten, Allgemeine Frühberatungs-stellen, Ärzte und Kliniken, Sozialpädagogische Zentren, Behörden, Technische Dienste (z. B. Akustiker, Optiker), Therapeuten, Pädagogische Hochschulen und Selbsthilfegruppen verstärktes Interesse an Fortbildung in den Bereichen Hören und Sehen. Diese Aktivitäten der Interdisziplinären Frühbe-ratungsstellen werden in der Regel durch Teilnehmerbeiträge finanziert.

ein. Die zahlreichen Erstberatungen münden nicht immer in Fördermaßnahmen, die mit dem örtlichen Sozialhilfeträger abgerechnet werden können, z. B. wenn sich bei näherer Betrachtung ein anderer Förderbedarf herausstellt. Eltern können sich direkt an die Interdisziplinären Frühberatungsstellen Hören und Kommunikati-on bzw. für Kinder mit Sehbehinderung oder Blindheit wenden, ohne dass es einer Zuweisung von medizinischen, sozialen oder pädagogischen Institutionen und Diensten bedarf. In der Regel wird das Angebot der Beratungsstelle dann in Anspruch genommen, wenn Eltern Auffälligkei-ten in der Hör- und Sprachentwicklung oder bezüglich des Sehvermögens vermuten und insoweit evtl. Störungen und Schädigungen geklärt wissen möchten. Das pädagogische Fachwissen der Interdiszipli-nären Frühberatungsstellen für Sinnesgeschä-digte wird auch von Institutionen und Fachkräf-ten genutzt, um spezielle Fragen, die bei der Therapie oder Förderung eines Kindes mit einer Sinnesschädigung auftreten, zu klären. Die Interdisziplinären Frühberatungsstellen erhalten häufig Anfragen zu den jeweiligen Sinnesbehin-derungen und den möglichen Auswirkungen auf die Entwicklung eines Kindes, zu den entspre-

Page 14: Jahresbericht Henke 21.06.2016 nn - LWV) Hessenwebcom.lwv-hessen.de/files/266/JB_2015_interdiszip... · Schule, Außenstelle Wiesbaden Autismus Therapie- und Beratungszentrum, Kassel

14

schiedensten Berufsgruppen und Institutionen statt. Für die Einbindung von Therapeuten in die interdisziplinäre Zusammenarbeit werden Kooperationen vereinbart, die in Kooperations-verträgen verbindlich geregelt werden. Die Vielfältigkeit der möglicherweise an einer Maßnahme beteiligten Stellen wird im nachfol-genden Schaubild beispielhaft deutlich ge-macht. Diesem Konzept entsprechend sind zahlreiche Fachdisziplinen an der interdisziplinä-ren Frühförderung für hörgeschädigte, sehbe-hinderte und blinde Kinder beteiligt.

1.3 INTERDISZIPLINÄRE ZUSAMMENARBEIT Die im Rahmen der sog. Sockelförderung bereitgestellten Mittel des Landes Hessen und des Landeswohlfahrtsverbandes Hessen sind unter anderem zur Finanzierung der Zeitanteile für interdisziplinäre Zusammenarbeit zu verwenden. Aufgrund der Komplexität der Beeinträchtigung oder Behinderung müssen unterschiedliche Fachdisziplinen miteinander verknüpft werden. Damit dies professionell umgesetzt werden kann, ist eine interdisziplinä-re Kooperation mit anderen Fachdisziplinen unerlässlich. Im Bereich der Frühförderung findet diese Kooperation zwischen den ver-

Quelle: Fachbereich Überregionale Schulen

Interdisziplinäre Zusammenarbeit

Page 15: Jahresbericht Henke 21.06.2016 nn - LWV) Hessenwebcom.lwv-hessen.de/files/266/JB_2015_interdiszip... · Schule, Außenstelle Wiesbaden Autismus Therapie- und Beratungszentrum, Kassel

FRÜHFÖRDERUNG VON KINDERN MIT SINNESSCHÄDIGUNG 15

Somit sind das frühe Erkennen einer Seh- oder Hörschädigung und die individuelle fachliche Förderung unverzichtbare Bausteine für die Entwicklung des Kindes mit einer Sinnesbehin-derung. So konnte die Früherkennungsquote hörgeschä-digter Kinder durch das Neugeborenen-Hörscreening wesentlich verbessert werden. Gleichwohl wird die Hörschädigung noch immer zu spät erkannt. Die Folge ist dann eine verzö-gerte und/oder eingeschränkte Sprachentwick-lung. Dies lässt sich heute durch Frühförderung und moderne Hörgeräte-Technologie vermei-den. Das Neugeborenen-Hörscreening zur Früherkennung von schweren Hörstörungen schafft die Voraussetzung für eine frühzeitige Diagnosestellung und Einleitung von Therapie-maßnahmen innerhalb der ersten sechs Lebensmonate. Bei den sehbehinderten oder blinden Kindern kann häufig vor dem ersten Geburtstag mit der Frühförderung begonnen werden. Hier zeichnen sich die Erfolge einer intensiven Öffentlichkeitsarbeit ab, denn der rechtzeitige Beginn dieser Fördermaßnahmen ist auch davon abhängig, ob das Angebot der Interdisziplinären Frühberatungsstellen bei den maßgeblichen Diagnostikern, Therapeuten, Behandlern etc. so bekannt ist, dass darüber der Zugang zur Frühförderung erfolgt. Das Schaubild auf Seite 16 zeigt die derzeitigen Zugangswege. Die Kinder gelangen oftmals durch die Kliniken in die Frühberatungsstellen für sinnesgeschä-digte Kinder. Die Eltern werden überwiegend durch den medizinischen Bereich auf die Frühberatungsstellen hingewiesen. Zudem finden inzwischen immer mehr Eltern auch den direkten Weg in die Interdisziplinären Frühbera-tungsstellen.

1.4 ENTWICKLUNG DER BETREUUNGSZAHLEN 1.4.1 Anzahl der betreuten Kinder zum Stichtag 31.12. Insgesamt wurden 1.040 Kinder zum 31.12.2015 in den speziellen Interdisziplinären Frühbera-tungsstellen für sinnesgeschädigte Kinder gefördert. Davon waren 595 Kinder hörgeschä-digt und 445 Kinder sehbehindert oder blind. Dies bedeutet einen Zugang gegenüber dem Vorjahr von 28 Kindern.

1.4.2 Altersstruktur der Kinder Entsprechend den „Fachlichen Handlungsanwei-sungen …“ sollen Entwicklungsverzögerungen oder -gefährdungen sowie drohende oder bestehende Behinderungen möglichst frühzeitig erkannt und die erforderlichen Hilfen eingeleitet werden können. Ausschlaggebend für eine rechtzeitige Frühför-derung ist das Alter des Kindes zu Beginn der Frühförderung. Je früher die Fördermaßnahmen beginnen können, umso größer ist das Entwick-lungspotenzial.  

Entwicklung der Kinderzahlen

Page 16: Jahresbericht Henke 21.06.2016 nn - LWV) Hessenwebcom.lwv-hessen.de/files/266/JB_2015_interdiszip... · Schule, Außenstelle Wiesbaden Autismus Therapie- und Beratungszentrum, Kassel

16

unterschiedlichen Wertmaßstäben und können so eine optimale Förderung beeinträchtigen. 1.4.4 Behinderungsspezifische Zuordnung In den Interdisziplinären Frühberatungsstellen werden Kinder mit den verschiedensten Beeinträchtigungen betreut. Bei manchen Kindern sind einige Sinne vollständig ausgefal-len, d. h. sie sind blind oder gehörlos, andere Kinder sind sehbehindert, viele Kinder weisen zusätzliche Behinderungen auf und ein Teil der Kinder ist von Behinderung bedroht, weil die Eltern hochgradig sinnesgeschädigt sind. Vom Grad der Hörschädigung her wird in den Interdisziplinären Frühberatungsstellen für

Quelle: Fachbereich Überregionale Schulen 1.4.3 Betreuung von Kindern mit Migrations-hintergrund Insbesondere in den städtischen Einzugsberei-chen wird in einem großen Teil der Familien eine andere Muttersprache als Deutsch gesprochen. Die Förderung von Kindern in Familien mit Migrationshintergrund oder in Familien, in denen nicht deutsch gesprochen wird, stellt andere Anforderungen an die pädagogischen Fachkräfte und bereitet zum Teil erhebliche Probleme. Vor allem Verständigungs-probleme erschweren die Arbeit mit dem Kind und in der Familie. Oft differieren aber auch die Erziehungsvorstellungen der Frühförderinnen/Frühförderer und der Eltern aufgrund des jeweiligen kulturellen Hintergrundes mit völlig

Zugangswege

Page 17: Jahresbericht Henke 21.06.2016 nn - LWV) Hessenwebcom.lwv-hessen.de/files/266/JB_2015_interdiszip... · Schule, Außenstelle Wiesbaden Autismus Therapie- und Beratungszentrum, Kassel

FRÜHFÖRDERUNG VON KINDERN MIT SINNESSCHÄDIGUNG 17

stark eingeschränkt und kommunizieren im familiären Alltag überwiegend mittels Gebär-densprache. Die Kinder sind somit von einer Sprachentwicklungsverzögerung bedroht. In den Frühberatungsstellen von Kindern mit einer Sehbehinderung oder Blindheit wird der Grad der Sehschädigung (sehbehindert - blind) hingegen erfasst, da die einzusetzenden Förderinstrumente dort unterschiedlich sind.

hörgeschädigte Kinder nicht differenziert, weil die Art der Förderung eher von anderen Entwicklungsfaktoren wie Umfeld, Sprachförde-rung im Elternhaus und frühzeitiger Versorgung mit technischen Hilfen beeinflusst wird. Explizit erfasst werden jedoch die hörenden Kinder hörgeschädigter Eltern. Diese sind durch ihre Gehörlosigkeit vor allem in der lautsprachlichen Artikulations- und Kommunikationsfähigkeit

Page 18: Jahresbericht Henke 21.06.2016 nn - LWV) Hessenwebcom.lwv-hessen.de/files/266/JB_2015_interdiszip... · Schule, Außenstelle Wiesbaden Autismus Therapie- und Beratungszentrum, Kassel

18

Mehrfachbehindert Ein relativ hoher Anteil der Kinder ist mehrfach beeinträchtigt. Als mehrfachbehindert1 gelten Kinder, die zusätzlich zur Sinnesschädigung sowie unab-hängig von dieser mindestens eine weitere Behinderung aufweisen, die sich nach gegen-wärtigem Kenntnisstand ungünstig auf die weitere Entwicklung auswirken kann. Hierzu zählen Kinder mit definierten organischen Schädigungen, wie z. B. Cerebralparesen, Krampfanfällen, Taubheit, die entwicklungsrele-vant sind und in der Regel eine weitere thera-peutische Unterstützung neben der Frühförde-rung notwendig machen. Weiterhin Kinder, bei denen zwar bislang keine organische Schädi-gung nachgewiesen wurde, die jedoch Entwick-lungsverzögerungen zeigen, die wegen ihrer Art oder ihres Ausmaßes mit hoher Wahrscheinlich-keit nicht auf die Sinnesschädigung oder eine mangelnde Förderung zurückgeführt werden können. Nicht als mehrfachbehindert gelten Kinder, die zwar organische Schädigungen aufweisen, diese sich aber voraussichtlich nicht unmittelbar auf die Entwicklung auswirken werden (z. B. leichtere körperliche Fehlbildungen, Lungener-krankung o. ä.). Ebenso Kinder mit (deutlichen) Entwicklungsverzögerungen, bei denen aber nicht auszuschließen ist, dass die Verzögerun-gen auf die Sinnesschädigung und/oder eine mangelnde Förderung zurückzuführen sind (z. B. auch Kinder, die in der Schule vermutlich als „Lernhilfe-Kinder“ eingestuft würden).

Schwerstmehrfachbehindert Als schwerstmehrfachbehindert werden Kinder bezeichnet, deren Entwicklung langfristig nicht über das Entwicklungsniveau eines (maximal) einjährigen nichtbehinderten Kindes hinausge-hen wird. Diese zusätzlichen Behinderungen der Kinder erfordern andere pädagogische Methoden und damit auch erweiterte Kompetenzen der Fachkräfte. In den Interdisziplinären Frühberatungsstellen Hören und Kommunikation war der Anteil der Kinder mit zusätzlichen Behinderungen in den letzten zehn Jahren relativ konstant und liegt durchschnittlich bei 13,7 %. In den interdisziplinären Frühberatungsstellen für sehbehinderte und blinde Kinder lag der Anteil von Kindern mit Mehrfachbehinderungen wesentlich höher und liegt bei durchschnittlich 54 %.

1 vgl. zur Definition Fröhlich, A. & Haupt, U. (1993) „Leitfaden zur Förderdi-agnostik mit schwerstbehinderten Kindern“, Dortmund: Verlag modernes Lernen.

Page 19: Jahresbericht Henke 21.06.2016 nn - LWV) Hessenwebcom.lwv-hessen.de/files/266/JB_2015_interdiszip... · Schule, Außenstelle Wiesbaden Autismus Therapie- und Beratungszentrum, Kassel

FRÜHFÖRDERUNG VON KINDERN MIT SINNESSCHÄDIGUNG 19

sehgeschädigten Kindern zu verzeichnen. Dies ist einerseits auf den Bekanntheitsgrad zurück-zuführen, andererseits spielt das Zuzugsverhal-ten durchaus eine Rolle. Eltern von behinderten Kindern werden bei geplanten Umzügen eher darauf achten, dass eine gute und möglichst wohnortnahe Versorgung und Förderung ihrer Kinder sichergestellt ist. 1.6 EINSCHULUNGEN Die Frühförderung verfolgt u. a. das Ziel, Kinder mit Sinnesschädigungen soweit zu fördern, dass sie in der Lage sind, entsprechend ihren individuellen Bedingungen die für sie geeignete Schule zu besuchen.

1.5 REGIONALE VERTEILUNG VON KINDERN MIT SINNESSCHÄDIGUNG IN HESSEN/VERSORGUNGSSITUATION Die Versorgungssituation in Hessen stellt sich unterschiedlich dar. In Regionen an den Landesgrenzen werden zum Teil außerhessische Angebote wahrgenommen und im näheren Umkreis der Frühberatungsstellen werden mehr Kinder versorgt, weil viele Familien in die Nähe der Angebote ziehen. Häufig ist die Inanspruch-nahme auch von der Akzeptanz dieses Frühför-derangebots durch die Fachärzte/-kliniken abhängig, die wiederum durch eine geeignete Öffentlichkeitsarbeit erreicht werden muss. Der durchschnittliche Versorgungsgrad bei der Frühförderung hörgeschädigter Kinder hat sich in den letzten 10 Jahren nahezu verdoppelt. Diese Entwicklung bestätigt die Erfahrung, dass durch eine verbesserte frühe Diagnostik wenige Kinder (mit Förderungsbedarf) unerkannt und unversorgt bleiben. Durch verstärkte Öffentlichkeitsarbeit sowie durch intensive Kontakte mit Ärzten, Kliniken usw. gelingt es zunehmend, den Bekanntheits-grad der speziellen Frühberatungsstellen zu erhöhen, um so eine frühzeitige und damit effektive Förderung der Kinder mit Hörschädi-gung zu ermöglichen. Bei der Frühförderung sehbehinderter und blinder Kinder ist der durchschnittliche Versor-gungsgrad in den letzten Jahren nahezu konstant geblieben. Hier weicht der Anteil der geförderten sehge-schädigten Kinder im Verhältnis zur Gesamtkin-derzahl in einzelnen Landkreisen und kreisfreien Städten zum Teil erheblich voneinander ab. In der näheren Umgebung der einzelnen Beratungsstellen ist ein relativ hoher Anteil an

Einschulungsentwicklung

Page 20: Jahresbericht Henke 21.06.2016 nn - LWV) Hessenwebcom.lwv-hessen.de/files/266/JB_2015_interdiszip... · Schule, Außenstelle Wiesbaden Autismus Therapie- und Beratungszentrum, Kassel

20

Für 231 Frühförderkinder begann im Jahr 2015 die Schulpflicht, von ihnen wurden 116 (50 %) in Regelschulen, 64 (28 %) in andere wohnortnahe Förderschulen und 51 Kinder (22 %) in die speziellen Schulen für Sinnesgeschädigte eingeschult.

Differenziert nach den Frühberatungsstellen für Hören und Kommunikation und denen für Kinder mit Sehbehinderung oder Blindheit ergibt sich folgendes Bild:

Von den 142 eingeschulten Kindern mit Hörschädigung besuchen 89 Kinder (63 %) seit Schuljahresbeginn 2014/2015 die Regelschule, 23 Kinder (16 %) besuchen andere wohnortnahe Förderschulen und 30 Kinder (21 %) eine Förderschule Hören.

Im Jahr 2015 konnten 27 (30%) sehbehinderte und blinde Kinder in eine Regelschule einge- schult werden, 41 (46 %) wohnortnahe Förder- schulen und 21 (24 %) besuchen eine Schule mit dem Förderschwerpunkt Sehen.

Entwicklung der Einschulungsquote - Hören -

Entwicklung der Einschulungsquote - Sehen -

Page 21: Jahresbericht Henke 21.06.2016 nn - LWV) Hessenwebcom.lwv-hessen.de/files/266/JB_2015_interdiszip... · Schule, Außenstelle Wiesbaden Autismus Therapie- und Beratungszentrum, Kassel

FRÜHFÖRDERUNG VON KINDERN MIT SINNESSCHÄDIGUNG 21

1.7 PERSONALAUSSTATTUNG Die Ausstattung mit entsprechend ausgebilde-ten Fachkräften ist ein wesentliches Qualitäts-merkmal der Interdisziplinären Frühberatungs-stellen. Bereits in der Leistungsvereinbarung aus dem Jahr 2002 wurde zwischen Kostenträgern und Anbietern vereinbart, dass die Eingangsqua-lifikation mindestens auf Fachholschulniveau liegen soll, zudem sollen spezielle Fortbildungen für die - im Hinblick auf das besondere Klientel - erforderliche Anpassungsqualifikation sorgen. Der begleitende Fachdienst muss ebenfalls mindestens über diese Qualifikation verfügen und besonders erfahren sein. In der Leistungsvereinbarung findet sich darüber hinaus auch eine Vereinbarung zur Personalaus-stattung. Diese sieht eine Betreuungsrelation von 1 : 12 (ein Mitarbeiter/Vollzeitstelle, 12 Kinder) vor. Durch die erhebliche Zunahme der Frühförderkinder, insbesondere in den Jahren nach Abschluss dieser Vereinbarung, konnte dieser Schlüssel nicht gehalten und mangels ausreichender Finanzierung danach auch nicht mehr erreicht werden.

In den Interdisziplinären Frühberatungsstellen Hören und Kommunikation liegt der durch-schnittliche Betreuungsschlüssel zum Stichtag 31.12.2015 bei 1 : 19, bei den Interdisziplinären Frühberatungsstellen für Kinder mit Sehbehin-derung oder Blindheit bei 1 : 16. Den nachstehenden Tabellen sind die aktuellen Betreuungsschlüssel jeder einzelnen Interdiszip-linären Frühberatungsstelle zu entnehmen. Im Jahr 2016 wurden die Gespräche zwischen den Kostenträgern und Anbietern wieder aufgenommen. Ziel ist es, die Leistungs- und Prüfungsvereinbarung neu zu verhandeln und darauf aufbauend eine angemessene Vergütung zu vereinbaren. In diesem Rahmen wird auch über die künftige Personalausstattung zu verhandeln sein. Mit den aktuellen Betreuungs-schlüsseln ist eine angemessene und ausrei-chende Förderung sowohl in quantitativer als auch qualitativer Sicht nicht möglich.

Page 22: Jahresbericht Henke 21.06.2016 nn - LWV) Hessenwebcom.lwv-hessen.de/files/266/JB_2015_interdiszip... · Schule, Außenstelle Wiesbaden Autismus Therapie- und Beratungszentrum, Kassel

22

1.8 FINANZIELLE SITUATION DER INTERDISZIPLI-NÄREN FRÜHBERATUNGSSTELLEN Die Frühförderung von Kindern mit einer Sinnes-schädigung ist eine heilpädagogische Leistung der Eingliederungshilfe gemäß §§ 53, 54 Abs. 1 SGB XII i. V. m. §§ 55 Abs. 2 Nr. 2 und 56 SGB IX. Sie wird einzelfallbezogen mit den örtlichen Trägern der Sozialhilfe abgerechnet. Die Anbieter haben das Angebot der Anhebung des Vergütungssatzes der Tarifvereinbarung in der Vertragskommission SGB XII um 1,94 % bis April 2016 angenommen; er beträgt derzeit 121,48 €. Das Leistungsentgelt soll die Kosten des pädagogischen Personals, des Leitungsperso-nals, des Verwaltungspersonals sowie den Sachaufwand (ohne Reisekosten) abzüglich der Mittel, die vom Hessischen Ministerium für Soziales und Integration und vom Landeswohl-fahrtsverband Hessen als Sockelförderung zur Verfügung gestellt werden, refinanzieren. Die im Förderprozess anfallenden Reisekosten werden den zuständigen Kostenträgern neben dem Leistungsentgelt in Rechnung gestellt. Das Hessische Ministerium für Soziales und Integration hat mit Bescheid vom 15.06.2015 finanzielle Mittel für die Frühförderung von Kindern mit Sinnesschädigung in Höhe von insgesamt 832.200 € bereitgestellt. Der Landeswohlfahrtsverband Hessen hat im Jahr 2015 Mittel für die Frühförderung im Umfang von 449.600 € in die gemeinsame Sockelförderung eingebracht. Die Mittel der Sockelförderung werden vor allem für anteilige Finanzierung der Kosten eingesetzt, die nicht als heilpädagogische Maßnahmen im Einzelfall von den örtlichen Sozialhilfeträgern getragen werden. Neben den erforderlichen Zeitanteilen für Fortbildungsmaßnahmen, Supervision, Fachbegleitung und Teamkoopera-tion wird durch die Sockelförderung insbesonde-re der Zeitanteil finanziert, der für die interdis-ziplinäre Zusammenarbeit mit Ärzten, Psycholo-

Entwicklung der Sockelförderung je Kind

gen und Therapeuten sowie für die Vernetzung der Hilfen in einer Region erforderlich ist. Außerdem werden mit der Sockelförderung auch die Kosten abgedeckt, die durch die Funktion als offene Beratungsstelle entstehen, damit diese allen Eltern offen stehen, die befürchten, dass ihr Kind sinnesgeschädigt ist. Um den Verwaltungsaufwand zu begrenzen, wird die Sockelförderung als Pauschalbetrag gewährt. Dieses Verfahren wurde mit den kommunalen Spitzenverbänden, dem damali-gen Hessischen Ministerium für Frauen, Arbeit und Sozialordnung und den einzelnen Anbietern abgestimmt. Die Beratungsstellen erhalten im jeweils laufenden Haushaltsjahr unter Berück-sichtigung ihrer unterschiedlichen Kostenstruk-turen ein Budget, das die durch die Sockelförde-rung zu finanzierenden Kostenanteile abdecken soll, aber auch einen Ausgleich zwischen den Anbietern herbeiführt, damit die Leistung „Frühförderung“ hessenweit zu einheitlichen Standards und Preisen angeboten werden kann. Die nachstehende Grafik zeigt die Entwicklung der Sockelförderung pro Kind seit dem Jahr 2005.

Page 23: Jahresbericht Henke 21.06.2016 nn - LWV) Hessenwebcom.lwv-hessen.de/files/266/JB_2015_interdiszip... · Schule, Außenstelle Wiesbaden Autismus Therapie- und Beratungszentrum, Kassel

FRÜHFÖRDERUNG VON KINDERN MIT SINNESSCHÄDIGUNG 23

Die Entwicklung wird beeinflusst durch die Veränderungen bei den Kinderzahlen und der vom Land und LWV Hessen bereitgestellten finanziellen Mittel. Der Anstieg der Sockelförderung pro Kind im Berichtszeitraum 2015 ist - trotz Zunahme der Kinderzahlen - auf die Erhöhung der Landesmit-tel zurückzuführen. Bis zum Jahr 2010 sind die Betreuungszahlen stetig angestiegen, was dazu führt, dass der zur Verfügung stehende Anteil der Sockelförderung gesunken ist. Ab dem Jahr 2011 war die Zahl der Kinder leicht rückläufig. Der LWV Hessen erhöhte seinen Anteil an der Sockelförderung ab 2012 um 76.400 €, was dazu führt, dass der Anteil pro Kind wieder gestiegen ist. Da ab dem Jahr 2013 die Zahl der Kinder wieder gestiegen ist, reduziert sich der zur Verfügung stehende Anteil pro Kind. Im Jahr 2014 ist die Zahl der Kinder gesunken, so dass sich der zur Verfügung stehende Anteil pro Kind leicht erhöhte. Der Zeitanteil für die fallübergreifenden Aufgaben, der aus der Sockelförderung finan-ziert wird, sinkt entsprechend bis zum Jahr 2010, nimmt aber ab dem Jahr 2011 wieder zu. Wegen der herausragenden Bedeutung der verschiedenen Leistungen der Interdisziplinären Frühberatungsstellen im Rahmen der Inklusion wäre daher zumindest zur Sicherung der Qualität eine Anpassung der Sockelförderung an den gestiegenen Bedarf weiterhin notwendig. Den offenen Beratungsstellen und der interdis-ziplinären Zusammenarbeit kommt eine wesentliche Bedeutung zu, damit die Frühförde-rung weiterhin erfolgreich ihren Beitrag zur Integration der Kinder bzw. zur inklusiven Beschulung leisten kann.

Page 24: Jahresbericht Henke 21.06.2016 nn - LWV) Hessenwebcom.lwv-hessen.de/files/266/JB_2015_interdiszip... · Schule, Außenstelle Wiesbaden Autismus Therapie- und Beratungszentrum, Kassel

HEREINSPAZIERT! - ZIRKUSGRUPPE FÜR VOR-SCHULKINDER DER INTERDISZPLINÄREN FRÜH-BERATUNGSSTELLE HÖREN UND KOMMUNIKA-TION AN DER HERMANN-SCHAFFT-SCHULE HOMBERG „Was für ein Zirkus!“, dachten sicherlich die Besucher des Sommerfestes der Frühberatungs-stelle Hören und Kommunikation an der Hermann-Schafft-Schule als sie am 26. Juni 2015 die Aula von Haus 9 betraten. Auf der Bühne war mit bunten Tüchern und einem großen Schwungtuch eine Manege aufgebaut. Als die Musik begann, marschierten acht kostümierte Artisten in die Manege ein. In der Zirkusshow ließ eine Dompteuse wilde Tiger und Löwen durch einen Feuerreifen springen. Eine Schlangenbeschwörerin brachte mit ihrem Flötenspiel eine züngelnde Schlange zum Tanzen und zwei Magierinnen verzauberten das Publikum mit ihren Tricks. Natürlich waren auch Clowns dabei, die ihre Späße trieben und für lautes Gelächter sorgten. Zum Schluss zeigten Akrobaten ihre Kunststücke auf dem Trampolin und dem Schwebebalken. Der Höhepunkt der Vorstellung aber war die große dreistöckige Pyramide mit allen acht Artisten. Die Artisten, die vom Publikum begeistert gefeiert und mit tosendem Applaus bedacht

wurden, waren acht Kinder aus der Frühförde-rung. Als Vorschulkinder, die nach den Sommer-ferien eingeschult werden sollten, hatten sie sich seit November 2014 gemeinsam mit Claudia Steinbrecher und Christian Brandt regelmäßig in der Frühberatungsstelle getroffen und ihre Zirkusnummern eingeübt. Die Zirkus-Vorschulgruppe ist ein Angebot der Frühberatungsstelle Hören und Kommunikation in Homberg, um den Kindern Kompetenzen für den späteren Schulbesuch zu vermitteln, z.B. genaues Zuhören, Abwarten, aufeinander achten und vieles mehr. Während die Kinder trainieren, haben die Eltern die Möglichkeit miteinander ins Gespräch zu kommen. Darüber hinaus erhalten sie Informati-onen darüber, wann ein Kind schulreif ist bzw. welche Kompetenzen es bei der Einschulung haben sollte. Zudem wird der Kontakt zur Leiterin des Förder- und Beratungszentrums der Hermann-Schafft-Schule hergestellt, an die sich die Eltern mit ihren Fragen rund um das Thema Schule wenden können. Christian Brandt, Interdisziplinäre Frühbera-tungsstelle Hören und Kommunikation an der Hermann-Schafft-Schule Homberg

2. AUS DEM ALLTAG DER INTERDISZIPLINÄREN FRÜHBERATUNGSSTELLEN

24

Page 25: Jahresbericht Henke 21.06.2016 nn - LWV) Hessenwebcom.lwv-hessen.de/files/266/JB_2015_interdiszip... · Schule, Außenstelle Wiesbaden Autismus Therapie- und Beratungszentrum, Kassel

ERZIEHER/-INNEN MACHEN SICH AUF DEN WEG - FRÜHFÖRDERUNG SICHTWEISEN IN FRANK-FURT ERPROBT NEUE FORTBILDUNGSFORM

Fester Bestandteil unserer interdisziplinären Arbeit ist die Durchführung von Fortbildungen in Kitas und Krabbelstuben für das jeweilige Gesamtteam. Die Förderung des Kindes mit Sehbeeinträchtigung sowie die Gestaltung des Kindergartenalltags unter dem Aspekt der Teilhabe stehen im Focus. In 2015 erprobten wir zum ersten Mal eine andere Form der Erzieher/-innenfortbildung. Anlass hierfür war der immer wieder geäußerte

Wunsch von Erzieherinnen, in den Austausch mit Kolleginnen zu kommen, die ebenfalls Kinder mit Sehbeeinträchtigungen in ihrer Gruppe begleiten. Diese Vernetzung wollten wir fördern. Mit Starthilfe der Kollegin des begleitenden Fachdienstes in Kassel (dort werden Erzieherin-nenmodule seit Jahren angeboten) erstellten wir eine Konzeption für ein zweitägiges Modul und warteten gespannt auf die Resonanz unserer Einladung, die an ca. 90 Kindereinrichtungen geschickt worden war. 19 Einrichtungen aus unserem gesamten Einzugsgebiet entsendeten 24 Mitarbeiterinnen, die überwiegend an beiden Modulen teilnah-men. Die Kosten hierfür betrugen pro Person 60 € bzw. 100 € (für beide Tage). Eine Kollegin unserer Frühförderstelle führte durch beide Module, mehrere Teamkolleginnen unterstütz-ten sie punktuell (z.B. themenbezogen).

MODUL 1: Grundlagen des Sehens und der

Sehfunktionen Augenerkrankungen und weitere

Beeinträchtigungen, die das Sehen beeinflussen können

Selbsterfahrung unter Simulationsbrille oder Augenbinde, einzeln und in der Gruppe, in Bewegung und am Tisch, drinnen und draußen, im Spiel mit Anderen…..und deren Auswertung

MODUL 2: Fortsetzung wichtiger theoretischer

Kenntnisse über die Bereiche Sehen und visuelle Wahrnehmung

Besondere Entwicklungsvoraussetzungen

FRÜHFÖRDERUNG VON KINDERN MIT SINNESSCHÄDIGUNG 25

Page 26: Jahresbericht Henke 21.06.2016 nn - LWV) Hessenwebcom.lwv-hessen.de/files/266/JB_2015_interdiszip... · Schule, Außenstelle Wiesbaden Autismus Therapie- und Beratungszentrum, Kassel

von Kindern mit Blindheit Möglichkeiten der Beschulung in Hessen Cerebrale Sehbeeinträchtigungen ( CVI) Unterstützte Kommunikation und

Strukturgebung im Kindergartenalltag Fallbeispiele anhand von Videos, die aus

den Einrichtungen mitgebracht wurden. Wir erlebten eine heterogene, äußerst interes-sierte Gruppe, die trotz der sehr unterschiedli-chen Erfahrungen in einen regen Austausch kam. Unser eigener positiver Eindruck von den beiden Tagen wurde in der Abschlussrunde durch die Teilnehmerinnen bestätigt. Insbeson-dere wurde hervorgehoben, dass es sinnvoll sei, jeweils einen ganzen Tag zu investieren. Das Kennenlernen der Frühfördereinrichtung mit der Möglichkeit, Materialien und Fachliteratur zu sichten, sowie verschiedene Referentinnen zu erleben, wurde durchweg als bereichernd erlebt. Der Wunsch nach einer Anschlussveran-staltung in 2016 wurde vielfach geäußert. Für 2016 planen wir einen 2. Durchlauf, was allerdings nicht heißt, dass wir unser „altes“ Modell der Fortbildungen vor Ort verwerfen. Noch immer besteht bei uns die Möglichkeit, für das gesamte Team einer Kindereinrichtung einen halben oder ganzen Tag in den eigenen Räumen zur Fortbildung von uns zu nutzen. Diese Form wird nach wie vor geschätzt, weil es insbesondere in offenen Einrichtungen wichtig ist, das gesamte Team in die Begleitung eines Kindes mit Sehbeeinträchtigung einzubinden. Außerdem können wir bei diesen Veranstaltun-gen auch individueller auf Wünsche eingehen. Insbesondere alltägliche Situationen in den eigenen Räumen unter Augenbinde oder Simulationsbrille zu erleben, zieht mitunter sehr schnell eine Adaption an die Bedürfnisse des Kindes mit Sehbeeinträchtigung oder Blindheit nach sich.

Vorteil der Erzieher/-innenmodule in Frankfurt neben der Vernetzung, ist die Möglichkeit, für neue Kollegen/Kolleginnen (in bereits erfahre-nen Einrichtungen) sich zu qualifizieren. Der Vorteil für Kita oder Krabbelstube ist, dass das Fortbildungsbudget nicht so stark belastet wird, wenn lediglich eine oder zwei Kolleginnen kommen. Wir möchten von daher in Zukunft zweigleisig fahren, den Erzieherinnen und Einrichtungen beide Möglichkeiten anbieten und gemeinsam mit ihnen im Vorfeld entscheiden, was für sie sinnvoller ist. Annegret Meyer, begleitender Fachdienst, Frühförderung Sichtweisen in Frankfurt

26

Page 27: Jahresbericht Henke 21.06.2016 nn - LWV) Hessenwebcom.lwv-hessen.de/files/266/JB_2015_interdiszip... · Schule, Außenstelle Wiesbaden Autismus Therapie- und Beratungszentrum, Kassel

EIN GANZ BESONDERER NACHMITTAG IN UNSERER INTERDISZIPLINÄREN FRÜHBERA-TUNGSSTELLE FÜR KINDER MIT SEHBEHINDE-RUNG ODER BLINDHEIT IN WIESBADEN Im vergangenen Frühjahr hatten wir Frau Kranz zusammen mit ihren zwei speziell ausgebilde-ten Hunden zu Gast zu einem speziellen Themennachmittag zu tiergestützter Therapie. Wir wollten uns etwas Zeit nehmen, um den Kindern ein besonderes Erlebnis zu ermöglichen. Aber auch die Eltern sollten Platz für ihre Fragen, den Austausch untereinander oder eben ein Gespräch mit einer Fachfrau zu diesem Bereich haben. Zudem stellte sich vorab heraus, dass einige Erwachsene bisher entweder keine guten oder überhaupt keine nähere Begegnungen mit einem Hund gehabt hatten. Es sollte also interessant und spannend werden. Schön war, dass unser Kreis doch recht groß war und sich zwei Hunde bei ihrer Arbeit ein wenig abwechseln konnten. Zunächst skeptische Familien hatten die Möglichkeit, sich in diesem zwar relativ engen aber doch ruhigen Rahmen der Sache langsam zu nähern - zunächst vielleicht auch nur zu beobachten und sich dann auf Wunsch auf den eigenen Kontakt mit einem der Hunde einzulassen. Die Zeit ging flugs vorbei - jedes Kind konnte auf seine ihm mögliche Art dem Hund guten Tag sagen, manche sehr direkt mit einem freudigen Lachen und ausgestreckten Händen, manche zunächst eher vorsichtig, beginnend mit einem Fuß auf dem Rücken des größeren Vierbeiners, einem Seite-an-Seite-Liegen oder einem leichten Lächeln, weil der struppige Hundeschwanz so im Gesicht kitzelt. Und alles verlief ohne Sorge um eine beängstigende Reaktion der Tiere auf evtl. ungestüme, nicht so fein zu steuernde Bewe-gungen der Kinder -diese tollen Therapiehunde im Team mit ihrer Frau Kranz strahlten Ruhe und große Gelassenheit aus.

Alles in allem war dies ein sehr positives Beispiel, wie auch im Rahmen von Frühförde-rung wertvolle Impulse mit in die Familien gegeben werden können. Für das eine oder andere Kind war hier der Beginn zu weiteren Tierkontakten gelegt, die sich die Familien dann in ihrem Umfeld selbst organisiert haben. Es entstand sogar in einem Fall hieraus ein Hundebegegnungs-Geburtstagsgeschenk von der ganzen Familie und das Thema dieser besonderen Tiere wurde weiter in den Alltag der Kinder getragen und hat diesen bereichert. Grundsätzlich ist die Finanzierung solcher Veranstaltungen schwierig, da die Kosten nicht alleine über einen Elternbeitrag zu bewältigen sind. Dafür wünschen wir uns in Zukunft eine Lösung.

Andrea Wittgen und Sabine Lux, Interdisziplinä-re Frühberatungsstelle für Kinder mit Blindheit oder Sehbehinderung der Johann-Peter-Schäfer-Schule in Wiesbaden

FRÜHFÖRDERUNG VON KINDERN MIT SINNESSCHÄDIGUNG 27

Page 28: Jahresbericht Henke 21.06.2016 nn - LWV) Hessenwebcom.lwv-hessen.de/files/266/JB_2015_interdiszip... · Schule, Außenstelle Wiesbaden Autismus Therapie- und Beratungszentrum, Kassel

28

BERICHT ZUR BUSEXPEDITION DER FRÜHBERA-TUNGSSTELLE FÜR KINDER MIT SEHBEHINDE-RUNG ODER BLINDHEIT IN WIESBADEN Am Montag, dem 06. Juli 2015, ging es wieder einmal auf unsere besondere Bus-Expedition. Mit einem großen neuen ESWE-Gelenkbus holte uns „unser“ Busfahrer, Herr Schmidt, an der Haltestelle bei unserer Frühberatungsstelle ab. Leider konnten diesmal terminlich nicht so viele Familien mitfahren und aus gesundheitlichen Gründen gab es auch noch kurzfristige Absagen, aber die Sonderfahrt fand trotzdem statt und führte uns auf einen großen freien Kerbeplatz in der Stadt.

Dort konnten wir dann in aller Ruhe den Bus erkunden, die Rampe ausklappen, die unter-schiedlichen Haltestangen ertasten, auseinan-derhalten und zuordnen, alle Sitzplätze zählen oder den Stempelautomaten begutachten. Sogar die Motorklappe hinten wurde geöffnet und wir haben da mal so einen fetten Motor mit allem Drum und Dran aus der Nähe betrachten können. Besonders begehrt war aber der Platz von Herrn Schmidt; mal hinter dem großen Lenkrad zu sitzen mit all den vielen Schaltern, Hebeln,

Page 29: Jahresbericht Henke 21.06.2016 nn - LWV) Hessenwebcom.lwv-hessen.de/files/266/JB_2015_interdiszip... · Schule, Außenstelle Wiesbaden Autismus Therapie- und Beratungszentrum, Kassel

FRÜHFÖRDERUNG VON KINDERN MIT SINNESSCHÄDIGUNG 29

Tasten, Lichtern und Anzeigen um einen herum. Da ließ sich schnell herausfinden, wie man den bequemen Stuhl in der Höhe passend einstellen kann, die Türen zu öffnen sind, eine Durchsage gemacht wird und was ein Busfahrer so alles im Blick und unter Kontrolle haben muß. Einfach toll! Alle sind glücklich von dieser Erkundungsfahrt zurückgekehrt und wir haben sogar noch kleine Busse zum Basteln mit nach Hause nehmen dürfen. Wir sagen Dankeschön für diese interessante Bus-Expedition, denn so eine Sonderfahrt ist nicht selbstverständlich - und ist unter mehreren Aspekten für uns ein ganz wichtiges Gruppenangebot. Unsere Kinder profitieren so sehr davon, einmal in aller Ruhe außerhalb des laufenden Stadtbusbetriebs den Dingen auf den Grund gehen zu dürfen, nahe daran zu gehen, anzufassen, zu fragen und etwas vertrauter zu werden mit diesem so wichtigen Verkehrsmittel. Manchmal verlieren auch Eltern bei dieser Gelegenheit die Scheu vor diesem öffentlichen Verkehrsmittel. Und Geschwisterkinder sind auch mit Begeisterung dabei. Die Kinder sollten für diesen Busausflug ausnahmsweise eine eigene Fahrkarte gestalten oder ein Bild als Dankeschön malen. In diesem Jahr gab es sogar ein Gedicht für unseren Herrn Schmidt, der es uns allen noch vor Fahrtantritt offiziell verlesen hat. Und das ging so: „Lieber Herr Schmidt: Ich finde es toll, dass ich dieses Jahr an der Busexpedition teilnehmen darf, obwohl ich nicht mehr in der Frühförde-rung bin.“ Folgendes Gedicht von mir schreibe ich ihnen noch dazu:

Der Busfahrer

Ein Busfahrer braucht einen Bus,

macht er mit der Schule Schluss,

kauft er sich von vielem Geld,

ein Fahrzeug was recht lange hält,

sitzt er vorne, der Herr Schmidt,

dann fahren viele Leute mit,

und weil er so gut fahren kann,

kommen alle sicher an,

ach, wie nett! am Montag schon,

macht er ‘ne Busexpedition,

und steigt er abends aus dem Bus,

ist für den Tag mit fahren Schluss,

bleibe glücklich und werd‘ nie krank,

Ich sage nochmal vielen Dank

Deine Lena

Page 30: Jahresbericht Henke 21.06.2016 nn - LWV) Hessenwebcom.lwv-hessen.de/files/266/JB_2015_interdiszip... · Schule, Außenstelle Wiesbaden Autismus Therapie- und Beratungszentrum, Kassel

30

Ähnlich wie die Frühförderung sinnesgeschädig-ter Kinder ist auch die Frühförderung für Kinder mit Autismus ein spezielles überregionales Angebot. 3.1 WAS IST AUTISMUS? Autistische Störungen (Autistisches Syndrom, Asperger Syndrom, Kanner Syndrom, Frühkindli-cher Autismus, andere tiefgreifende Entwick-lungsstörungen mit autistischen Zügen) sind gekennzeichnet durch tiefgreifende Beeinträch-tigungen der Entwicklung, die bereits im Kindesalter beginnen und in deren Zentrum eine schwere Beziehungs- und Kommunikationsstö-rung steht. Hinzu kommen zahlreiche Verhal-tensauffälligkeiten, die besonders für die Eltern im alltäglichen Umgang mit ihren Kindern sehr belastend sind. In der internationalen Klassifikation der Erkrankungen (ICD-10) und im Diagnostischen und Statistischen Manual Psychischer Störun-gen (DSM-IV) werden für Autismus - neben dem frühen Beginn (vor dem 3. Lebensjahr) - folgende Kennzeichen als Definitionsmerkmale genannt: Qualitative Beeinträchtigungen der

sozialen Interaktion, qualitative Beeinträchtigungen in der

Kommunikation und im Symbol- oder Phantasiespiel und

ein deutlich eingeschränktes Repertoire von Aktivitäten und Interessen mit repetitiven und stereotypen Verhaltens-weisen.

„Kinder mit Autismus können zunächst keine Geste, kein Lächeln, kein Wort verstehen. Sie können zu anderen Personen, selbst zu den eigenen Eltern, kein normales Verhältnis herstellen. Sie ziehen sich zurück, kapseln sich ‚autistisch‘ ab - daher der Name!

Jede Veränderung in ihrer Umwelt erregt sie stark. Kinder mit Autismus können nicht spielen und benutzen ihr Spielzeug in immer gleicher, oft zweckentfremdeter Art und Weise. Sie entwickeln Stereotypien: z. B. drehen und kreiseln von Rädern, wedeln mit Fäden oder Papier. Die wichtigsten Symptome der autisti-schen Störung sind in ihrem Ausprägungsgrad jeweils unterschiedlich. Menschen mit Autismus haben häufig vom Säuglingsalter an Probleme beim Essen und Schlafen und entwickeln selbststimulierende Verhaltensweisen, die bis zur Selbstverletzung reichen können. Oft treten auch Fremdaggressionen in schwerer Form auf. Sie bestehen zwanghaft auf ganz bestimmte Ordnungen oder können ihre Eltern zur Ver-zweiflung bringen beispielsweise durch exzessives Sammeln bestimmter Gegenstände, durch ihre Weigerung, bestimmte Kleidung zu tragen, durch Wiederholung immer derselben Verhaltensweisen oder sprachlichen Äußerun-gen. Die intellektuelle Begabung von Menschen mit Autismus ist sehr unterschiedlich. Sie reicht von geistiger Behinderung bis hin zu normaler Intelligenz, wobei einige erstaunliche Teilleis-

3. FRÜHFÖRDERUNG VON KINDERN MIT AUTISMUS

Page 31: Jahresbericht Henke 21.06.2016 nn - LWV) Hessenwebcom.lwv-hessen.de/files/266/JB_2015_interdiszip... · Schule, Außenstelle Wiesbaden Autismus Therapie- und Beratungszentrum, Kassel

FRÜHFÖRDERUNG VON KINDERN MIT AUTISMUS 31

3.2 ZUR FRÜHERKENNUNG AUTISTISCHER STÖRUNGEN Die Diagnostik und Früherkennung autistischer Störungen hat sich in den letzten Jahren deutlich verbessert. Dennoch vergeht auch heute noch meist viel Zeit zwischen den ersten Beobachtungen, die die Eltern beunruhigen, und der Autismus-Diagnose (letztere frühestens im 3. oder 4. Lebensjahr des Kindes, meist erst kurz vor der Einschulung oder später). Dies hat seinen Grund zum Teil in den Eigenarten der tiefgrei-fenden Entwicklungsstörung Autismus: Die Merkmale, deren Verknüpfung das

autistische Syndrom ausmacht, sind für sich genommen unspezifisch. Sie kommen auch bei anderen Krankheitsbildern und z. T. bei gesunden Kindern vor.

Die Symptome verändern sich im Verlauf der Entwicklung, und die schwerwiegen-den Symptome zeigen sich in der Regel erst im 3. oder 4. Lebensjahr. Da sich das Syndrom über Jahre entwickelt, ist man auf die Beobachtung des Verlaufs ange-wiesen. Die Diagnose kann daher zunächst nur eine Verdachtsdiagnose sein.

Manche, oft gerade die intelligenteren Kinder, können ihre Defizite besser kompensieren und haben daher keine so eindeutige Symptomaik. Ein autistisches Kind kann eine erreichte Fähigkeit wieder verlieren oder entwickelt sie nicht weiter(Bundesverband "autismus deutschland“ e. V.).

Ein weiterer Grund für diese große Zeitspanne ist, dass - u. a. wegen der Seltenheit autistischer Störungen - viele Fachkräfte (ärztliche und soziale Dienste) zu wenig über dieses Krank-heitsbild informiert sind und daher nicht gezielt auf entsprechende Verdachtsmomente achten.

tungen im Rechnen, in technischen Disziplinen, in der Musik und auf anderen Gebieten zeigen. Die Zahl von Menschen mit Autismus in Deutschland kann aufgrund von Untersuchun-gen im Ausland und aufgrund der Bevölkerungs-struktur hochgerechnet werden. Man muss heute von höheren Zahlen ausgehen als früher angenommen. Nach internationalen Untersu-chungen leiden etwa fünf von 10.000 Menschen an frühkindlichem Autismus. Berücksichtigt man das ganze Spektrum autistischer Störun-gen, kann man von bis zu 25 Menschen auf 10.000 ausgehen. Jungen sind im Vergleich zu Mädchen mit etwa 4 : 1 überrepräsentiert. Bei den autistischen Persönlichkeitsstörungen (Asperger-Syndrom) ist das voll ausgeprägte Bild selten, Störungen leichten Grades scheinen jedoch häufiger vorzukommen als der frühkind-liche Autismus, wobei viele Betroffene mit leichten Auffälligkeiten nie Hilfe in Anspruch nehmen. Auch bei diesem Syndrom überwiegt deutlich das männliche Geschlecht. Es gibt trotz umfangreicher Forschungsergeb-nisse bislang noch kein Erklärungsmodell, das vollständig und schlüssig die Entstehungsursa-chen der autistischen Störung belegen kann. So unterschiedlich sich die ursächlichen Faktoren für das Syndrom darstellen, so vielfältig und jeweils am einzelnen Menschen mit Autismus ausgerichtet müssen die pädagogischen und therapeutischen Ansätze sein.“ (Bundesverband „autismus deutschland“ e.V.) Dementsprechend komplex sind die Aufgaben der Frühförderung. Therapeuten, Psychologen und Pädagogen arbeiten gemeinsam im Team, um den Erfordernissen der Kinder und ihrer Eltern gerecht zu werden.

Page 32: Jahresbericht Henke 21.06.2016 nn - LWV) Hessenwebcom.lwv-hessen.de/files/266/JB_2015_interdiszip... · Schule, Außenstelle Wiesbaden Autismus Therapie- und Beratungszentrum, Kassel

Auch haben viele Ärzte Bedenken, sich und damit das Kind zu früh auf diese Diagnose festzulegen. Eine möglichst frühe Diagnose ist jedoch wichtig für autistische Kinder. Durch einen rechtzeitigen Behandlungsbeginn kann - jeweils im Rahmen der durch die Störung vorgegebenen Grenzen - Entwicklungsverzögerungen und sekundären Schäden vorgebeugt werden. Außerdem ist für die Eltern der Umgang mit ihrem Kind leichter, wenn sie frühzeitig über die Natur der Störung informiert sind. 3.3 ZUR FRÜHFÖRDERUNG AUTISTISCHER KINDER Die Eltern registrieren selten vor dem Ende des ersten Lebensjahres, meist aber im Verlauf des 2. Lebensjahres, das Verhalten ihres Kindes als ungewöhnlich. Trotzdem beginnen spezielle Fördermaßnahmen für die Kinder und Hilfen für die Eltern im allgemeinen noch zu selten vor dem 5. Lebensjahr, weil Ärzte und andere Fachleute die Störung häufig nicht früher einordnen können. Frühberatung sollte jedoch schon bei Verdacht auf Autismus beginnen, um Entwicklungsverzögerungen und sekundären Schäden vorzubeugen. Wie wichtig frühzeitig einsetzende Förderung ist, geht aus der entwicklungspsychologischen Erkenntnis hervor, dass Entwicklungstempo und Entwicklungsniveau maßgeblich von der Häufigkeit und Vielseitigkeit verarbeitbarer äußerer Anregungen abhängig sind. Ein Übermaß an äußerer Anregung bzw. eine zu hohe Anspruchshaltung des sozialen Umfelds kann andererseits aber auch leicht zu Überfor-derung, Rückzug und Abwehr führen. Störungsangepasste Frühförderung sollte auf die Verarbeitbarkeit der Anregungen achten,

Erwartungsdruck vermeiden, Störungen durch therapeutische Anpassung kompensieren sowie durch fachliche Beratung der Eltern die stö-rungsbedingten Belastungen mindern und die Erziehungsvoraussetzungen verbessern. Ein sehr früh einsetzendes Verständnis der Beziehungs-personen für ungewöhnliche Vorlieben, Ausdrucks- und Verhaltensweisen des autistisch verarbeitenden und reagierenden Kindes schützt dieses vor Überforderung und hilft, einer Vertiefung der Kommunikations- und Bezie-hungsstörung entgegenzuwirken (Bundes-verband „autismus deutschland“ e.V.). 3.4 EINZUGSBEREICHE Die Frühförderung von Kindern mit Autismus wird überregional durch das Autismus-Therapie-Institut (ATI) in Langen in der Trägerschaft der Behindertenhilfe Stadt und Kreis Offenbach und in Kassel durch das Autismus Therapie- und Beratungszentrum (ATB) gGmbH durchgeführt. Im April 2013 wurde aus dem ATI Kassel das ATB Kassel. Das ATB konnte im Jahr 2015 seine Angebote weiter dezentralisieren und eröffnete eine Außenstelle in Frankenberg und in Bad Arolsen. Die bestehenden Außenstellen in Kassel Marbachshöhe und Eschwege, sowie die Regionalstelle in Fulda verzeichnen einen stetigen Zulauf und umfassenden Beratungsbe-darf. Das ATI in Langen unterhält Regionalstellen in Darmstadt, Frankfurt, Wiesbaden, Bad Nauheim (Wetteraukreis), Gießen, Offenbach, Höchst/Odw. und Heppenheim.

32

Page 33: Jahresbericht Henke 21.06.2016 nn - LWV) Hessenwebcom.lwv-hessen.de/files/266/JB_2015_interdiszip... · Schule, Außenstelle Wiesbaden Autismus Therapie- und Beratungszentrum, Kassel

Landkreis Göttingen (Niedersachsen), Landkreis Northeim (Niedersachsen). 3.5 LEISTUNGSANGEBOT Autismusspezifische Einzeltherapie:

regelmäßig wöchentlich Sozialkompetenzgruppen/ Gruppen- therapieangebote Beratung der Eltern und des Lebensum-

feldes Organisation und Moderation von Eltern-

gruppen Offene Anlaufstelle, Erstvorstellungen/

Clearing und Hilfen zur Früherkennung Fortbildung und Seminare Beratung in Kindertagesstätten Beratung bei der Überleitung in die

Schule Fachsupervision

Zu den individuellen Angeboten der autis-musspezifischen Förderung und Therapie sind umfassende Seminarangebote und Eltern-workshops hinzugekommen. Ebenfalls bietet das ATB Kassel spezifische Gruppenangebote wie z. B. Musikprojekt, Geschwistertreff oder Boys- oder Girlsgroup, um nur einige zu nennen. Das Autismus-Therapieinstitut Langen bietet das familienorientierte Frühtherapieangebot (FOFT) für Familien mit Vorschulkindern an. 18 Familien mit Kindern aus den Altersgruppen 2 - 6 Jahren nahmen an der FOFT teil. Über intensive entwicklungsorientierte Elternbera-tung und Videointeraktionsberatung erhalten die Eltern Unterstützung bei der Weiterentwick-lung ihres entwicklungsfördernden Elternverhal-tens im Alltag  und im Umgang mit autistischen Verhaltensweisen.

ATI Langen Kreis Offenbach Stadt Offenbach Stadt Darmstadt Landkreis Darmstadt-Dieburg Stadt Frankfurt/Main Main-Kinzig-Kreis Wetteraukreis Landkreis Groß-Gerau Hochtaunuskreis Odenwaldkreis Landkreis Bergstraße Lahn-Dill-Kreis Rheingau-Taunus-Kreis Stadt Wiesbaden Main-Taunus-Kreis Landkreis Limburg-Weilburg Landkreis Gießen. Landkreis Fulda Vogelsbergkreis

Darüber hinaus werden Kinder außerhalb Hessens in folgenden Städten/Kreisen betreut: Landkreis Mainz-Bingen, Stadt Mainz, Landkreis Miltenberg-Obernburg, Bezirk Unterfranken/Würzburg, Stadt Aschaffenburg, Westerwald-kreis.

ATB Kassel Stadt Kassel Landkreis Kassel Werra-Meißner-Kreis Schwalm-Eder-Kreis Landkreis Hersfeld-Rotenburg Landkreis Fulda Landkreis Marburg-Biedenkopf Vogelsbergkreis Landkreis Waldeck-Frankenberg

Darüber hinaus werden Kinder außerhalb Hessens in folgenden Kreisen betreut: Hoch-sauerlandkreis (NRW), Landkreis Höxter (NRW),

FRÜHFÖRDERUNG VON KINDERN MIT AUTISMUS 33

Page 34: Jahresbericht Henke 21.06.2016 nn - LWV) Hessenwebcom.lwv-hessen.de/files/266/JB_2015_interdiszip... · Schule, Außenstelle Wiesbaden Autismus Therapie- und Beratungszentrum, Kassel

34

3.6 FUNKTION ALS OFFENE ANLAUFSTELLE Das ATI in Langen und das ATB in Kassel sind oft erste Anlaufstelle für Eltern und Institutionen, die den dringenden Verdacht haben, dass bei einem Kind Autismus vorliegen könnte. In den Therapieinstituten sind das erforderliche Fachwissen und die Erfahrung vorhanden, die notwendig sind, um Verdachtsmomente für die Entwicklung einer autistischen Störung frühzeitig zu erkennen. Sie tragen daher zu einer besseren Früherkennung von Autismus in Hessen bei. Die diagnostischen Einschätzungen werden mit den Eltern ausführlich besprochen, schriftlich festgehalten und den Eltern als Bericht zur Verfügung gestellt.

Das ATI sowie das ATB sind auch Anlaufstellen für Betroffene, bei denen die Diagnose Autismus bereits gestellt wurde sowie für deren Angehöri-ge und für Fachkräfte und Mitarbeiter/-innen von Institutionen, die Menschen mit Autismus betreuen. Sie werden z. B. von Kindertagesstät-ten, Beratungs- und Förderzentren (BFZ), begutachtenden Lehrern, Integrationshelfern, Kinderkliniken, Zivildienstleistenden, Absolven-ten des freiwilligen sozialen Jahres und Thera-peuten angefragt. Dies beinhaltet (Erst-)Beratungsgespräche, Informationsveranstaltun-gen, telefonische Beratungen zu Fragen stationärer Betreuung, medizinischen Einrich-

tungen, speziellen Fördermaßnahmen, Fachlite-ratur, bundesweiten Adressen etc.. Die Mitarbeiter/-innen von ATI/ATB werden auch angefragt für Supervisionen und Fallbesprechun-gen, sie betreuen Studierende und Praktikanten, werden für Fortbildungen, welche die anfragen- den Institutionen selbst finanzieren, in Anspruch genommen und halten Vorträge bei Seminaren und Tagungen. Fortbildungen werden entweder vor Ort für einzelne Einrichtungen durchgeführt oder als ausgeschriebene Veranstaltungen in den Räumen des ATI bzw. des ATB. 3.7 INTERDISZIPLINÄRE ZUSAMMENARBEIT Die Mittel des Landes Hessen und des LWV Hessen sind wie bei der Frühförderung von Kindern mit Sinnesschädigungen auch für die Finanzierung der Zeitanteile für interdisziplinäre Zusammenarbeit zu verwenden. Die nebenste-hende Tabelle, in der abweichend zu der Darstel-lung bei den Kindern mit Sinnesschädigung Kinder zum Stichtag aufgeführt sind, zeigt den Umfang der begleitenden Maßnahmen. Zu berücksichtigen ist darüber hinaus, dass die Angaben des ATI Langen hier auch die Kinder in Kindertagesstätten beinhalten, die nicht regelmä-ßig gefördert werden. Die Angaben der Tabelle zeigen weiter, dass nahezu alle Kinder über die Frühförderung hinaus an weiteren begleitenden Maßnahmen teilneh-men. Bei den therapeutischen Angeboten nehmen Logopädie und Ergotherapie den größten Raum ein. Der Besuch im Kindergarten findet überwie-gend mit zusätzlicher sonderpädagogischer Förderung statt. Kinder in Kindertagesstätten, die nicht regelmäßig über ATI/ATB gefördert werden, stehen entweder auf der Warteliste oder werden zum Teil durch interdisziplinäre Frühberatungsstellen betreut.

Erstberatungen ohne Anschlussförderung/Diagnostische Untersuchungen

Page 35: Jahresbericht Henke 21.06.2016 nn - LWV) Hessenwebcom.lwv-hessen.de/files/266/JB_2015_interdiszip... · Schule, Außenstelle Wiesbaden Autismus Therapie- und Beratungszentrum, Kassel

FRÜHFÖRDERUNG VON KINDERN MIT AUTISMUS 35

3.8 ENTWICKLUNG DER BETREUUNGSZAHLEN IN DER FRÜHFÖRDERUNG VON KINDERN MIT AUTISMUS In der nachfolgenden Tabelle sind die Zu- und Abgänge der beiden ATI im Jahr 2015 darge-stellt. Hierbei ist im Vergleich zur Frühförderung sinnesgeschädigter Kinder zu berücksichtigen, dass nicht bei allen Kindern im Anschluss an ein Clearing bzw. eine Erstvorstellung sofort mit der Frühförderung begonnen werden kann, da zum Teil noch weitere diagnostische Untersuchun-gen gefordert werden. Bei Vorliegen der Kostenzusage kann zeitnah mit der Förderung begonnen werden. Darüber hinaus werden auch Kinder und deren Bezugspersonen im Rahmen der offenen Anlaufstelle betreut. Die Abgänge wiederum enthalten Kinder, bei denen z. T. die Frühförde-rung wegen Umzug usw. beendet wurde, aber auch jene, deren weitere Betreuung durch die ATI/ATB erfolgt, allerdings nicht mehr im Rahmen der Frühförderung.

Regelmäßig begleitende Maßnahmen

Entwicklung der Betreuungszahlen

Page 36: Jahresbericht Henke 21.06.2016 nn - LWV) Hessenwebcom.lwv-hessen.de/files/266/JB_2015_interdiszip... · Schule, Außenstelle Wiesbaden Autismus Therapie- und Beratungszentrum, Kassel

36

Personelle Ausstattung/Aktuelle Betreuungssituation

3.9 ALTERSSTRUKTUR DER KINDER MIT AUTIS-MUS IN DER FRÜHFÖRDERUNG Die nachfolgende Übersicht zeigt deutlich die Unterschiede zur Frühförderung von Kindern mit Sinnesschädigung. Der überwiegende Teil der Kinder, die sich zum Stichtag 31.12.2015 in der Frühförderung befanden, war bereits im schulpflichtigen Alter. 70 Kinder waren bereits eingeschult. Diese Situation erklärt sich aus der eingangs beschriebenen Feststellung, dass Autismus im frühkindlichen Alter oft nicht erkannt wird.

Zugangsalter bei Beginn der Frühförderung

Altersstruktur

Auch die Betrachtung des Zugangsalters zeigt erhebliche Unterschiede zur Frühförderung von Kinder mit Sinnesschädigungen. Der Zugang zur Frühförderung durch die ATI/ATB erfolgt meistens, wenn die Kinder zur Einschulung anstehen bzw. bereits eingeschult sind.

3.10 PERSONELLE AUSSTATTUNG Die ATI und ATB betreuen nicht nur Kinder in der Frühförderung, sondern auch Schulkinder, Jugendliche und Erwachsene. Die nachfolgende Betrachtung der aktuellen Betreuungssituation beschränkt sich aber auf die Stellen, die vom Land Hessen und dem LWV Hessen im Rahmen der interdisziplinären Frühförderung gefördert werden.

* In den Angaben des ATI Kassel sind auch die Kinder enthalten, für die im Kindergarten eine Beratung aber keine regelmäßige Förderung stattfindet.

Page 37: Jahresbericht Henke 21.06.2016 nn - LWV) Hessenwebcom.lwv-hessen.de/files/266/JB_2015_interdiszip... · Schule, Außenstelle Wiesbaden Autismus Therapie- und Beratungszentrum, Kassel

FRÜHFÖRDERUNG VON KINDERN MIT AUTISMUS 37

und Therapeuten zur interdisziplinären Förder-planung finanziert. Mit den Mitteln des Landeswohlfahrtsverbands Hessen werden anteilig pädagogische/psychologische Fachkräf-te, insbesondere der Zeitanteil für Teamkoope-ration, interdisziplinäre Zusammenarbeit mit Ärzten, Therapeuten und Vernetzung der Hilfen in den Regionen finanziert. Außerdem sollen mit diesen Mitteln Erstgespräche oder Beratungen ohne anschließende regelmäßige Förderung finanziert werden, da ATI und ATB als Bera-tungsstellen allen Eltern offen stehen sollten, die befürchten, dass bei ihrem Kind eine Form von Autismus vorliegen könnte. Die ATI und ATB werden zunehmend im Rahmen der offenen Anlaufstellen angefragt (Eltern, Fachleute, Institutionen) und leisten einen unverzichtbaren Beitrag zur Früherkennung, Frühberatung und Aufklärung. Die sich hier bietenden Chancen zur Früherkennung und frühen Förderung müssen in die Überlegungen der Finanzierung einbezogen und auch zukünf-tig auf eine tragfähige Basis gestellt werden.

Das ATI Langen hat im Jahr 2015 zusätzlich 68 Kinder im Rahmen der Beratung/Begleitung in Kindertagesstätten (ohne regelmäßige Förde-rung) betreut. Hierfür standen 0,25 Stellenantei-le aus Landesmitteln zur Verfügung. 3.11 FINANZIELLE SITUATION DER FRÜHFÖRDE-RUNG VON KINDERN MIT AUTISMUS Die Frühförderung von Kindern mit Autismus ist eine heilpädagogische Leistung der Eingliede-rungshilfe gemäß §§ 53, 54 Abs. 1 SGB XII i.V.m. §§ 55 Abs. 2 Nr. 2 und 56 SGB IX. Sie wird einzelfallbezogen mit den örtlichen Trägern der Sozialhilfe abgerechnet. Die ATI und ATB erbringen darüber hinaus auch Leistungen für Schulkinder im Rahmen der Hilfe zu einer angemessenen Schulbildung (§ 54 Abs. 1 Nr. 1 SGB XII) sowie für Erwachsene. Die ATI und ATB haben Leistungsvereinbarungen gem. SGB XII §§ 75 ff. und §§ 77 ff. SGB VIII mit den je- weils örtlichen Sozialhilfeträgern abgeschlossen. Das Hessische Ministerium für Soziales und Integration hat im Jahr 2015 die finanziellen Mittel für die Frühförderung von Kindern mit Autismus erhöht und einen Betrag in Höhe von 36.500 € bereitgestellt. Die Landesmittel für die Autismustherapieinsti-tute in Kassel und Langen werden ebenfalls dem Landeswohlfahrtsverband Hessen zugewiesen und vom LWV Hessen an das ATB/ ATI ausge-zahlt. Der Landeswohlfahrtsverband Hessen hat im Jahr 2015 Mittel für die Frühförderung von Kindern mit Autismus im Umfang von 48.100 € eingebracht. Mit den Landesmitteln werden die Beratungen in Kindertagesstätten und die Honorare an Ärzte

Page 38: Jahresbericht Henke 21.06.2016 nn - LWV) Hessenwebcom.lwv-hessen.de/files/266/JB_2015_interdiszip... · Schule, Außenstelle Wiesbaden Autismus Therapie- und Beratungszentrum, Kassel

38

Das Jahr 2015 zeichnete sich im ATB durch eine hohe Beratungsdichte und eine Vielzahl an the-rapeutischen Interventionen aus. Durch die um-fassende Dezentralisierung der Angebote im nord- und osthessischen Raum, konnten wir uns durch unsere ortsbezogene Arbeit wesentlich deutlicher als Mitarbeiter der Regionalbereiche identifizieren. Verbunden mit Toleranz und Offenheit ermöglichen wir ein partnerschaftli-ches Miteinander in unserer Zusammenarbeit mit allen Beteiligten und bewahren hierbei stets eine wertschätzende Grundhaltung. Die regio-nale Anbindung und leichte Erreichbarkeit unse-rer Zentren wurden von vielen Eltern und Be-troffenen als sehr positiv thematisiert. Auch die kollegiale Beratung im regionalen Umfeld wurde intensiviert und mit vielfältigen Gesprächen und gemeinsamen Arbeitskreisen fachlich weiter ausgebaut. Unseren hohen fachlichen Anspruch an unsere Tätigkeit konnten wir im Jahr 2015 durch eine Vielzahl interessanter Qualifizierungen und Weiterbildungen unserer Mitarbeiter weiter fes-tigen.

4.1 AUTISMUS THERAPIE- UND BERATUNGS-ZENTRUM KASSEL Für die nord- und osthessi-schen Regionen konnte das ATB eine weitere Verdichtung der Förderangebote erreichen. Die Außenstellen Fulda und Eschwege nahmen neue Klienten auf und konnten die Therapiepla-nung entsprechend intensivieren. Für das Stadt-gebiet Kassel konnte die Zweigstelle im Stadtteil Marbachshöhe räumlich vergrößert werden. Da-mit sind auch die Anfahrten der umliegenden Landkreise wesentlich erleichtert. ATB Autismus Therapie- und Beratungszentrum Hauptgeschäftsstelle Rudolf-Schwander-Straße 4-8 34117 Kassel ATB Autismus Therapie- und Beratungszentrum Kassel Marbachshöhe Brandenburger Straße 6 34131 Kassel ATB Autismus Therapie- und Beratungszentrum Eschwege Bismarckstraße 1 37269 Eschwege ATB Autismus Therapie- und Beratungszentrum Bad Arolsen Bathildisstraße 7 34454 Bad Arolsen ATB Autismus Therapie- und Beratungszentrum Frankenberg Marburger Straße 38 35066 Frankenberg ATB Autismus Therapie- und Beratungszentrum Fulda Rabanusstraße 35 36037 Fulda

4. ERFAHRUNGSBERICHTE

Page 39: Jahresbericht Henke 21.06.2016 nn - LWV) Hessenwebcom.lwv-hessen.de/files/266/JB_2015_interdiszip... · Schule, Außenstelle Wiesbaden Autismus Therapie- und Beratungszentrum, Kassel

FRÜHFÖRDERUNG VON KINDERN MIT AUTISMUS 39

Auch im Jahr 2015 organisierten wir Fachtage und prägten maßgeblich die Vernetzung der Re-gion. Im Netzwerk Autismus Nordhessen (NANo) leiten wir seit Jahren zuverlässig und regelmäßig die Arbeitsgruppe Therapeutische Hilfen und sind als Mitbegründer des Netzwerkes aktiv an der fachlichen Ausgestaltung der Jahrestreffen tätig. Um eine hohe Fachlichkeit in unserer Arbeit zu gewährleisten, orientieren wir uns maßgeblich an dem aktuellen Stand der Autismusforschung. Die verschiedenen Qualifikationen unserer Mit-arbeiter und Mitarbeiterinnen bieten eine wich-tige Basis für intensive fachliche Diskussionen. Durch interne und externe Weiterbildungen und einen regen Austausch in fachlich übergreifen-den Arbeitsgruppen können wir neues Wissen

erarbeiten, reflektieren und in unseren berufs-praktischen Alltag anwenden. Das umfassende Thema der Inklusion stellten wir als Schwerpunkt auf unserem 2. Autismus-Fachtag intensiv dar. Der sehr gut besuchte Fachtag ebnete den Weg zu wichtigen gemein-samen Überlegungen in verschiedenen Lebens-übergängen. Der Übergang von der Kindertages-stätte in die Schule stellt unsere autistischen Kinder und ihre Familien immer wieder vor gro-ße Herausforderungen. Diese gemeinsam zu meistern und den Familien und Kolleginnen und Kollegen ein tragfähiges Netz an Unterstüt-zungsleistungen anzubieten, ist hierbei unsere größte Aufgabe. Die Referenten stellten zum einen die professio-nelle Sicht (Dr. Jürgen Frank, Mitglied des Exper-tenkreises „Inklusive Bildung“ der UNESCO) und die Sicht von Autisten (Gee Vero) sehr lebhaft und gut nachvollziehbar nebeneinander. In den anschließenden Workshops konnten diese vie-len Informationen dann praxisnah in Konzepten umgesetzt werden.

Page 40: Jahresbericht Henke 21.06.2016 nn - LWV) Hessenwebcom.lwv-hessen.de/files/266/JB_2015_interdiszip... · Schule, Außenstelle Wiesbaden Autismus Therapie- und Beratungszentrum, Kassel

40

Die Klientenzahlen entwickelten sich auch im Jahr 2015 zunehmend. Einen wesentlichen An-stieg konnten wir in diesem Jahr bei den schul-pflichtigen Kindern und hauptsächlich auch Ju-gendlichen feststellen. Auch hier stellen wir fest, dass die besseren diagnostischen Möglichkeiten und die Sensibilität für das Thema einen umfas-senderen und offenen Umgang mit sich bringen. Deutlich spürbar für uns und viele unserer Klien-ten ist die Entwicklung in der Autismusfor-schung. Heute wird der Autismus sehr viel brei-ter gefasst und hat eine Bandbreite von Sympto-men. Daher sprechen wir heute zumeist vom Autismus - Spektrum. Hinter dieser Vorstellung des Spektrums verbirgt sich die Erkenntnis, dass es nicht einen Autismus gibt, sondern eine sehr große Vielfalt. Katja Dallmann

Page 41: Jahresbericht Henke 21.06.2016 nn - LWV) Hessenwebcom.lwv-hessen.de/files/266/JB_2015_interdiszip... · Schule, Außenstelle Wiesbaden Autismus Therapie- und Beratungszentrum, Kassel

FRÜHFÖRDERUNG VON KINDERN MIT AUTISMUS 41

Page 42: Jahresbericht Henke 21.06.2016 nn - LWV) Hessenwebcom.lwv-hessen.de/files/266/JB_2015_interdiszip... · Schule, Außenstelle Wiesbaden Autismus Therapie- und Beratungszentrum, Kassel

42

Zentrale Verwaltung und Erstanmeldung für alle Stellen: Autismus-Therapieinstitut Langen Moselstrasse 11 63225 Langen 06103-202860 [email protected] www.autismus-langen.de Kleine Kinder mit Autismus Im internationalen Vergleich wird in Deutsch-land die Diagnose Autismus erst vergleichswei-se spät gestellt. Eine verlässliche Diagnose ist jedoch schon ab dem Alter von 2 Jahren mög-lich – insbesondere bei autistischen Kindern mit einer Sprachentwicklungsstörung. Derzeit liegt national und international ein For-schungsschwerpunkt in der Frage, inwieweit eine frühe Diagnose und damit einhergehend, eine frühe, autismusspezifische Förderung die Entwicklungsverläufe und Symptomatik grundlegend beeinflussen kann. Derzeit be-steht Übereinstimmung darin, dass dabei ins-besondere auch eine intensive, störungsspezi-fische Elternarbeit insbesondere im Frühför-deralter stabile positive Effekte hat. Unser Fa-milienorientiertes Frühtherapieangebot ist da-rauf ausgerichtet. In 2015 nahmen 22 Familien mit Kindern aus den Altersgruppen 2-6 Jahre an der Familienorientierten Frühtherapie (FOFT) mit intensiver Elternberatung teil. Öffentlichkeitsarbeit In 2015 führten wir in den Regionalstellen Darmstadt, Frankfurt, Gießen, Langen, Offen-bach, Wiesbaden und Höchst im Odenwald 8 Informationsnachmittage durch, an denen ins-gesamt 104 Fachkräfte aus Frühförderstellen, Kitas, Schulen, freien Praxen und anderen Einrichtungen teilnahmen. Wir vermitteln in diesen Veranstaltungen einen Einblick in das

4.2 AUTISMUS-THERAPIEINSTITUT LANGEN Einweihung der neuen Räume der Regionalstelle Wiesbaden Im April 2015 ist unsere Regionalstelle Wiesba-den in eigene Räume umgezogen. Damit konnte das bisherige Angebot in Wiesbaden bedarfsge-recht ausgebaut und die bestehende Warteliste für die Region abgebaut werden. Im August wurden die neuen Räume unter gro-ßer Beteiligung der regionalen Fachöffentlich-keit eingeweiht. Frau Dr. Preißmann, selbst be-troffen vom Asperger-Autismus, hat einen an-schaulichen Vortrag zum Thema „Individuelle Unterstützung für Menschen mit Autismus- In-klusion und Individualität“ gehalten. In den neuen Räumen konnten sich anschlie-ßend alle Interessierten über das Thema Autis-mus und die therapeutischen Angebote des Au-tismus-Therapieinstituts informieren. Regionalstellen des ATI Langen Das ATI Langen ist derzeit an 9 Standorten in Hessen vertreten: 63225 Langen, Moselstraße 11

60439 Frankfurt, Böttgerstraße 22

64285 Darmstadt, Steinackerstraße 10

65187 Wiesbaden, Niederwaldstr. 8

61231 Bad Nauheim, Karlstraße 57-59

64739 Höchst/Odw., Montmelianer Platz 1a

35396 Gießen, Wingert 18

63067 Offenbach, Ludwigstraße 136

64646 Heppenheim, Friedrichstraße 7

Page 43: Jahresbericht Henke 21.06.2016 nn - LWV) Hessenwebcom.lwv-hessen.de/files/266/JB_2015_interdiszip... · Schule, Außenstelle Wiesbaden Autismus Therapie- und Beratungszentrum, Kassel

FRÜHFÖRDERUNG VON KINDERN MIT AUTISMUS 43

Problemfeld Autismus, stellen unsere pädago-gisch-psychologische Arbeit vor und nehmen Fragestellungen der TeilnehmerInnen auf. FORTBILDUNGSANGEBOTE Wir führten Inhouse-Fortbildungen themen-spezifisch für Kindertagesstätten, Schulen, be-rufliche Schulen, Wohnheime, Werkstätten, Arbeitsämter, Arbeitgeber, Integrationsämter und andere pädagogisch-therapeutische Fach-kräfte und sonstige Verbände durch. Diese sind themenspezifisch auf die Fragestellungen der anfragenden Einrichtung zugeschnitten. Unser Fortbildungsjahresprogramm 2015 um-fasste Fortbildungsveranstaltungen für päda-gogische und therapeutische Fachkräfte und Integrationshelfern in Kitas, Schulen, berufsbil-dende Schulen, Hortbetreuung und Werkstät-ten. In 2015 haben wir 9 Fortbildungen durchge-führt, an denen insgesamt 88 Personen teil-nahmen. HEILPÄDAGOGISCHE KITAFACHBERATUNG KRIPPEN Erstmals hatten wir im Rahmen unserer heil-pädagogischen Kitafachberatung auch anfra-gen von Kinderkrippen, die sich an uns gewen-det haben, weil sie ein schon diagnostiziertes autistisches Kind unter 3 Jahren in der Einrich-tung betreuen oder Verhaltes- und Entwick-lungsauffälligkeiten beobachten, die auf Autis-mus hindeuten.

Page 44: Jahresbericht Henke 21.06.2016 nn - LWV) Hessenwebcom.lwv-hessen.de/files/266/JB_2015_interdiszip... · Schule, Außenstelle Wiesbaden Autismus Therapie- und Beratungszentrum, Kassel

Der Landeswohlfahrtsverband Hessen ist ein Zusammenschluss der Landkreise und kreisfreien Städte, dem soziale Aufgaben übertragen wurden. Er unterstützt behinderte, psychisch kranke und sozial benachteiligte Menschen in ihrem Alltag und im Beruf. Er betreut Kriegsbeschädigte, deren Angehörige und Hinterbliebene. Er ist Träger von Förderschulen und Interdisziplinären Frühberatungsstellen. Er ist Alleingesellschafter der Vitos GmbH, die einen wesentlichen Teil der psychiatrischen Versorgung in Hessen sicherstellt. www.lwv-hessen.de