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Zwischen Genie und Wahnsinn Die seltsamen Methoden des TV-Mediziners Dr. House Der Arzt Dr. Gregory House (Hugh Laurie) ist der Titelheld der US-amerikanischen Fernsehserie Dr. House (Originaltitel House, M.D.), die von 2004–2012 in acht Staffeln, in insgesamt 177 Episo- den, sehr erfolgreich produziert und ausgestrahlt wurde. Von Hause aus Nephrologe zeichnet sich House vor allem durch seinen außergewöhnlichen Spürsinn und seine unorthodoxen Methoden bei der Aufdeckung seltener Erkrankungen seiner meist lebensgefährlich erkrankten Patienten aus. Der eigenwillige Spezialist, der am fiktiven „Princeton-Plainsboro Teaching Hospital“ praktiziert, befindet sich dabei nicht selten im Konflikt mit anderen Ärzten, einschließlich seines eigenen diagnostischen Teams. Typisch für ihn sind auch seine Missachtung der Krankenhausregeln und üblicher Verfahren. Dr. House selbst leidet nach einer Oberschenkel-OP unter ständigen Schmerzen, ist daher medika- mentenabhängig und auf einen Gehstock angewiesen, der seine bittere, schonungslose Haltung zu- sätzlich unterstreicht. Ruppig im Umgang mit seinen Mitmenschen, gelingt es ihm jedoch immer wieder, schnelle und exakte Diagnosen zu stellen, nachdem er seinen Patienten scheinbar keine Auf- merksamkeit gezollt hat. Obwohl sein Verhalten mitunter ans Unsoziale grenzt, ist House ein herausragender, wenn auch ei- genbrötlerischer Mediziner, dessen unkonventionelle Denkweise und tadellosen Instinkte ihm großen Respekt eingebracht haben. Die Serie wurde bislang sehr erfolgreich in über 60 Ländern gezeigt. Fokus Gesundheit Jahrgang 2017 | Nr. 1 MAGAZIN DES SRH WALD-KLINIKUMS GERA E s gibt nicht viele Arztserien, die auch Mediziner gerne schauen. Der amerikani- sche TV-Erfolg um den brillanten, aber skurrilen Diagnostiker „Dr. House“ gehört jedoch dazu. Denn dessen kniffligen Fälle um seltene Diagnosen sind erstaunlich real. Für Priv.-Doz. Dr. Martin Kaatz, Chefarzt der Hautklinik am SRH Wald-Klinikum Gera, Anlass, mit einem Augenzwingern den "Dr.- House-Award" zu verleihen. Prä- miert werden außergewöhnliche Leistungen beim Aufspüren sel- tener, nicht leicht zu erkennender Krankheiten. An wen haben Sie die „Dr.- House-Plakette“ denn das erste Mal vergeben? Dr. Kaatz: Der Preis ging an eine junge Assistenzärztin unserer Klinik, Nadine Kretschmar, die sich beim nicht ganz leichten He- rausfinden der Ursache einer Ge- sichtsschwellung verdient machte. Die Patientin war uns eigentlich zum Ausschluss einer Allergie oder Medikamentenunverträg- lichkeit zugewiesen wurden. Dafür haben wir aber trotz ausführlicher Suche keinen Hinweis gefunden. Die Kollegin ließ jedoch nicht locker, hat sich alle Vorbefunde noch mal schicken lassen und eine zusätzliche CT-Untersuchung vor- geschlagen. Dabei fand sich ein Gefäßverschluss, der nunmehr durch die Kol- legen der Gefäß- und Thoraxchirurgie bzw. mit einem Blutverdün- ner behandelt wird. Der Patientin geht es bereits deutlich besser. Was ist das Anliegen dieser Preisvergabe? Zum einen möchte ich unsere Mitarbeite- rinnen und Mitarbei- ter täglich motivieren, über den Tellerrand zu schauen, zwar an das Naheliegende zuerst zu denken, aber wenn Be- schwerden und Befunde nicht zusammenpas- sen oder eine erapie nicht wirksam ist, auch andere Ursachen zu be- denken, die gleichzeitig ein anderes Fachgebiet betreffen können. Dabei ist die Verbesserung der bereits gu- ten interdisziplinären Zusammen- arbeit ein großes Plus für unsere Patienten. Zum anderen möchte ich mit diesem Award auch den Wettbewerb und Meinungsstreit unter den Kollegen beleben und fördern. Ich meine, die Kunstfigur eines begnadeten Diagnostikers ist dafür bestens geeignet und An- sporn für jeden Mitarbeiter. Wie hoch ist eigentlich der An- teil von Krankheiten, bei denen Sie zunächst im Trüben fischen oder deren Ursachen Sie nicht herausfinden können? Der ist glücklicherweise sehr gering und liegt bei vielleicht ei- nem Prozent. Bei den meisten Hauterkrankungen, bei ca. 80 Prozent, liegen die Ursachen so- fort auf der Hand. Hinzu kommen etwa 15 Prozent, denen wir nach gezielter Diagnostik sicher auf die Spur kommen. Bei weiteren vier Prozent dauert die Suche etwas länger. Die finden wir über kurz oder lang aber auch heraus. Aber einige wenige Patienten bleiben, wo sich anfangs keine Ursache für die Beschwerden finden lässt oder der Zufall helfen muss. Bei welchen Symptomen und Krankheitsbildern erweist sich die Diagnostik als besonders schwierig? Ganz allgemein betrachtet sind es manchmal Allerweltsbeschwer- den wie Kopfschmerzen oder www.waldklinikumgera.de Das aktuelle ema: Wenn die Diagnose zur Detektivarbeit wird Der Patient ist 22 Jahre alt und klagt über Schmerzen in der linken Schulter als er in die Not- aufnahme kommt. Zerrung? Schulter-Arm-Syndrom? Ein klarer Fall für den Orthopäden? Weit gefehlt, der Check in der Notaufnahme ergibt etwas ganz anderes: Der Patient hat trotz seiner wenigen Lenze bereits einen Herzinfarkt – und gehört auf kürzestem Weg ins Herzka- theterlabor. In der Notaufnahme müs- sen Ärzte zügig und sicher die Ursachen für die verschie- densten Symptome erkennen. Das ist nicht immer so einfach wie es klingt. Patienten klagen zum Beispiel häufig über Kopf- schmerzen. Doch die können ein Hinweis auf ganz unterschied- liche Erkrankungen sein. Auf einen einfachen Wassermangel oder eine Nackenverspannun- gen, aber auch auf eine Infektion, einen Schlaganfall, einen akuten Grauen Star oder ein Aneurys- ma der Hirnarterie. „Hier ist je- den Tag ein bisschen Dr. House“, schmunzelt Chefarzt Ronald Kämpf, Leiter der Notaufnahme, mit Blick auf den genialen Dia- gnostiker aus der bekannten US- Fernsehserie. Ärztliche Erfah- rung, der Blick über die eigene Spezialisierung hinaus und die gute Vernetzung aller Fachdiszi- plinen sind die entscheidenden Faktoren, um auch seltene Fälle zu klären. Am Ende ist es lebenswichtige Detektivarbeit, wenn Ärzte bei einem Patienten mit unerklär- baren, starken Bauchschmerzen so lange suchen, bis sie den Stich einer Mücke als Ursache heraus- finden. So geschehen im vorigen Jahr. Der Mann, der kurz zuvor in Afrika Urlaub gemacht hatte, musste nicht etwa wegen eines Magengeschwürs, sondern ge- gen das seltene Dengue-Fieber behandelt werden. Aus dem Inhalt Psychosomatische Erkrankun- gen: Körperliche Beschwerden ohne organische Ursachen Seite 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ein HNO-Arzt plaudert über seine seltsamsten Fälle Seite 3 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mit Radiologen auf Spuren- suche im Körperinneren Seite 4/5 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der „Sherlock Holmes“ im Neurologen Seite 6 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Licht und Farbstoff sollen Wunden heilen helfen Seite 7 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Warum uns die Haare ausgehen Seite 8 Cartoon: Christian Habicht Schwindel. Dafür gibt es hunderte Gründe und Ursachen. Die meis- ten sind jedoch glücklicherweise harmlos. In unserem Fachgebiet sind es vor allem Allergien, ent- zündlich-rheumatische Erkran- kungen oder auch das Symptom Juckreiz mit mannigfaltigen Ur- sachen und einer zur Aufdeckung notwendigen Spürnase. Am An- fang steht dann die Aufgabe die richtigen Fragen zu stellen und den Patienten gründlich zu un- tersuchen. Erst danach erfolgt der gezielte Einsatz von Blutuntersu- chungen oder bildgebender Di- agnostik, die sich in den letzten Jahren extrem weiter entwickelt hat. Wichtig ist aber zu Beginn die Weichen richtig zu stellen. Die beste Karte vom Mars nützt nichts, Ärzte mit dem siebten Sinn wenn man Richtung Mond unterwegs ist. Wir leben heute in ei- ner immer komplizier- ter werdenden globa- lisierten Welt. Hat das auch Auswirkungen auf die Medizin, wenn ich z.B. an seltene Erkran- kungen denke? Natürlich. Wir be- schäſtigen uns wieder mit Krankheitsbildern, von denen wir glaubten, dass sie bei uns nicht mehr existieren. Dazu gehören die Tuberku- lose und auch viele Ge- schlechtserkrankungen, etwa die Syphilis. Auch AIDS wird wieder häu- figer, da viele Menschen denken, das ist ja nicht mehr so gefährlich. Auch solche Dinge wie Läuseinfektionen neh- men dank des Selfie-Haar-Ku- schel-Booms insbesondere bei Teenagern und jungen Erwachse- nen deutlich zu. Schließlich sind wir durch die jüngst stark gestie- genen Zahlen von Einwanderern und Flüchtlingen vermehrt mit Tropenkrankheiten konfrontiert. So stellen sich Patienten mit Leis- hmaniosen (Aleppobeule), Para- sitosen und Wurmerkrankungen vor. Das lässt erkennen, wie wich- tig, weil manchmal lebensrettend, gerade heute eine saubere und sichere Diagnostik ist. Vergessen dürfen dabei aber nie unseren Patienten, dem wir die einzelnen Schritte erklären müssen. Und mit dem wir auch besprechen müssen, welche Erwartungen er hat und was davon realistisch zu erfüllen ist. Klaus-Peter Kirsten Der menschliche Körper ein Puzzlespiel? Für präzise Diagnosen müssen alle Teile zusammen passen. Foto: Christoph Beer Geschwollenes Gesicht? Schwindeliges Gefühl? Pochender Kopfschmerz? Hinter diesen Symptomen können die unterschiedlichsten Krankheiten stecken. Wer nach der Ursache sucht, kommt sich manchmal vor wie „Dr. House“. Kam einer seltenen Krankheitsursache auf die Spur: Assistenzärztin Nadine Kretschmar mit "Dr.-House-Plakette". Foto: Wiesner

Jahrgang 2017 | Nr. 1 Fokus Gesundheit · gen, aber auch auf eine Infektion, einen Schlaganfall, einen akuten Grauen Star oder ein Aneurys-ma der Hirnarterie. „Hier ist je-den Tag

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Page 1: Jahrgang 2017 | Nr. 1 Fokus Gesundheit · gen, aber auch auf eine Infektion, einen Schlaganfall, einen akuten Grauen Star oder ein Aneurys-ma der Hirnarterie. „Hier ist je-den Tag

Zwischen Genie und WahnsinnDie seltsamen Methoden des TV-Mediziners Dr. House

Der Arzt Dr. Gregory House (Hugh Laurie) ist der Titelheld der US-amerikanischen Fernsehserie Dr. House (Originaltitel House, M.D.), die von 2004 –2012 in acht Staff eln, in insgesamt 177 Episo-den, sehr erfolgreich produziert und ausgestrahlt wurde. Von Hause aus Nephrologe zeichnet sich House vor allem durch seinen außergewöhnlichen Spürsinn und seine unorthodoxen Methoden bei der Aufdeckung seltener Erkrankungen seiner meist lebensgefährlich erkrankten Patienten aus. Der eigenwillige Spezialist, der am fi ktiven „Princeton-Plainsboro Teaching Hospital“ praktiziert, befi ndet sich dabei nicht selten im Konfl ikt mit anderen Ärzten, einschließlich seines eigenen diagnostischen Teams. Typisch für ihn sind auch seine Missachtung der Krankenhausregeln und üblicher Verfahren.

Dr. House selbst leidet nach einer Oberschenkel-OP unter ständigen Schmerzen, ist daher medika-mentenabhängig und auf einen Gehstock angewiesen, der seine bittere, schonungslose Haltung zu-sätzlich unterstreicht. Ruppig im Umgang mit seinen Mitmenschen, gelingt es ihm jedoch immer wieder, schnelle und exakte Diagnosen zu stellen, nachdem er seinen Patienten scheinbar keine Auf-merksamkeit gezollt hat.

Obwohl sein Verhalten mitunter ans Unsoziale grenzt, ist House ein herausragender, wenn auch ei-genbrötlerischer Mediziner, dessen unkonventionelle Denkweise und tadellosen Instinkte ihm großen Respekt eingebracht haben. Die Serie wurde bislang sehr erfolgreich in über 60 Ländern gezeigt.

Fokus GesundheitJahrgang 2017 | Nr. 1

MAGAZIN DES SRH WALD-KLINIKUMS GER A

Es gibt nicht viele Arztserien, die auch Mediziner gerne schauen. Der amerikani-

sche TV-Erfolg um den brillanten, aber skurrilen Diagnostiker „Dr. House“ gehört jedoch dazu. Denn dessen kniffl igen Fälle um seltene Diagnosen sind erstaunlich real. Für Priv.-Doz. Dr. Martin Kaatz, Chefarzt der Hautklinik am SRH Wald-Klinikum Gera, Anlass, mit einem Augenzwingern den "Dr.-House-Award" zu verleihen. Prä-miert werden außergewöhnliche Leistungen beim Aufspüren sel-tener, nicht leicht zu erkennender Krankheiten.

An wen haben Sie die „Dr.-House-Plakette“ denn das erste Mal vergeben?

Dr. Kaatz: Der Preis ging an eine junge Assistenzärztin unserer Klinik, Nadine Kretschmar, die sich beim nicht ganz leichten He-rausfi nden der Ursache einer Ge-sichtsschwellung verdient machte. Die Patientin war uns eigentlich zum Ausschluss einer Allergie oder Medikamentenunverträg-lichkeit zugewiesen wurden. Dafür haben wir aber trotz ausführlicher Suche keinen Hinweis gefunden. Die Kollegin ließ jedoch nicht locker, hat sich alle Vorbefunde noch mal schicken lassen und eine zusätzliche CT-Untersuchung vor-geschlagen. Dabei fand sich ein

Gefäßverschluss, der nunmehr durch die Kol-legen der Gefäß- und Thoraxchirurgie bzw. mit einem Blutverdün-ner behandelt wird. Der Patientin geht es bereits deutlich besser.

Was ist das Anliegen dieser Preisvergabe?

Zum einen möchte ich unsere Mitarbeite-rinnen und Mitarbei-ter täglich motivieren, über den Tellerrand zu schauen, zwar an das Naheliegende zuerst zu denken, aber wenn Be-schwerden und Befunde nicht zusammenpas-sen oder eine Th erapie nicht wirksam ist, auch andere Ursachen zu be-denken, die gleichzeitig ein anderes Fachgebiet betreff en können. Dabei ist die Verbesserung der bereits gu-ten interdisziplinären Zusammen-arbeit ein großes Plus für unsere Patienten. Zum anderen möchte ich mit diesem Award auch den Wettbewerb und Meinungsstreit unter den Kollegen beleben und fördern. Ich meine, die Kunstfi gur eines begnadeten Diagnostikers ist dafür bestens geeignet und An-sporn für jeden Mitarbeiter.

Wie hoch ist eigentlich der An-teil von Krankheiten, bei denen Sie zunächst im Trüben fi schen oder deren Ursachen Sie nicht herausfi nden können?

Der ist glücklicherweise sehr gering und liegt bei vielleicht ei-nem Prozent. Bei den meisten Hauterkrankungen, bei ca. 80 Prozent, liegen die Ursachen so-

fort auf der Hand. Hinzu kommen etwa 15 Prozent, denen wir nach gezielter Diagnostik sicher auf die Spur kommen. Bei weiteren vier Prozent dauert die Suche etwas länger. Die fi nden wir über kurz oder lang aber auch heraus. Aber einige wenige Patienten bleiben, wo sich anfangs keine Ursache für die Beschwerden fi nden lässt oder der Zufall helfen muss.

Bei welchen Symptomen und Krankheitsbildern erweist sich die Diagnostik als besonders schwierig?

Ganz allgemein betrachtet sind es manchmal Allerweltsbeschwer-den wie Kopfschmerzen oder

www.waldklinikumgera.de

Das aktuelle Th ema:

Wenn die Diagnose zur Detektivarbeit wird

Der Patient ist 22 Jahre alt und klagt über Schmerzen in der linken Schulter als er in die Not-aufnahme kommt. Zerrung? Schulter-Arm-Syndrom? Ein klarer Fall für den Orthopäden? Weit gefehlt, der Check in der Notaufnahme ergibt etwas ganz anderes: Der Patient hat trotz seiner wenigen Lenze bereits einen Herzinfarkt – und gehört auf kürzestem Weg ins Herzka-theterlabor.

In der Notaufnahme müs-sen Ärzte zügig und sicher die Ursachen für die verschie-densten Symptome erkennen. Das ist nicht immer so einfach wie es klingt. Patienten klagen zum Beispiel häufi g über Kopf-schmerzen. Doch die können ein Hinweis auf ganz unterschied-liche Erkrankungen sein. Auf einen einfachen Wassermangel oder eine Nackenverspannun-gen, aber auch auf eine Infektion, einen Schlaganfall, einen akuten Grauen Star oder ein Aneurys-ma der Hirnarterie. „Hier ist je-den Tag ein bisschen Dr. House“, schmunzelt Chefarzt Ronald Kämpf, Leiter der Notaufnahme, mit Blick auf den genialen Dia-gnostiker aus der bekannten US-Fernsehserie. Ärztliche Erfah-rung, der Blick über die eigene Spezialisierung hinaus und die gute Vernetzung aller Fachdiszi-plinen sind die entscheidenden Faktoren, um auch seltene Fälle zu klären.

Am Ende ist es lebenswichtige Detektivarbeit, wenn Ärzte bei einem Patienten mit unerklär-baren, starken Bauchschmerzen so lange suchen, bis sie den Stich einer Mücke als Ursache heraus-fi nden. So geschehen im vorigen Jahr. Der Mann, der kurz zuvor in Afrika Urlaub gemacht hatte, musste nicht etwa wegen eines Magengeschwürs, sondern ge-gen das seltene Dengue-Fieber behandelt werden.

Aus dem Inhalt

Psychosomatische Erkrankun-gen: Körperliche Beschwerden ohne organische UrsachenSeite 2. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ein HNO-Arzt plaudert über seine seltsamsten FälleSeite 3. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mit Radiologen auf Spuren-suche im KörperinnerenSeite 4/5. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .Der „Sherlock Holmes“ im NeurologenSeite 6. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .Licht und Farbstoff sollen Wunden heilen helfenSeite 7. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .Warum uns die Haare ausgehenSeite 8

Cartoon: Christian Habicht

Schwindel. Dafür gibt es hunderte Gründe und Ursachen. Die meis-ten sind jedoch glücklicherweise harmlos. In unserem Fachgebiet sind es vor allem Allergien, ent-zündlich-rheumatische Erkran-kungen oder auch das Symptom Juckreiz mit mannigfaltigen Ur-sachen und einer zur Aufdeckung notwendigen Spürnase. Am An-fang steht dann die Aufgabe die richtigen Fragen zu stellen und den Patienten gründlich zu un-tersuchen. Erst danach erfolgt der gezielte Einsatz von Blutuntersu-chungen oder bildgebender Di-agnostik, die sich in den letzten Jahren extrem weiter entwickelt hat. Wichtig ist aber zu Beginn die Weichen richtig zu stellen. Die beste Karte vom Mars nützt nichts,

Ärzte mit dem siebten Sinn

wenn man Richtung Mond unterwegs ist.

Wir leben heute in ei-ner immer komplizier-ter werdenden globa-lisierten Welt. Hat das auch Auswirkungen auf die Medizin, wenn ich z.B. an seltene Erkran-kungen denke?

Natürlich. Wir be-schäft igen uns wieder mit Krankheitsbildern, von denen wir glaubten, dass sie bei uns nicht mehr existieren. Dazu gehören die Tuberku-lose und auch viele Ge-schlechtserkrankungen, etwa die Syphilis. Auch AIDS wird wieder häu-fi ger, da viele Menschen denken, das ist ja nicht mehr so gefährlich. Auch solche Dinge wie Läuseinfektionen neh-

men dank des Selfi e-Haar-Ku-schel-Booms insbesondere bei Teenagern und jungen Erwachse-nen deutlich zu. Schließlich sind wir durch die jüngst stark gestie-genen Zahlen von Einwanderern und Flüchtlingen vermehrt mit Tropenkrankheiten konfrontiert. So stellen sich Patienten mit Leis-hmaniosen (Aleppobeule), Para-sitosen und Wurmerkrankungen vor. Das lässt erkennen, wie wich-tig, weil manchmal lebensrettend, gerade heute eine saubere und sichere Diagnostik ist. Vergessen dürfen dabei aber nie unseren Patienten, dem wir die einzelnen Schritte erklären müssen. Und mit dem wir auch besprechen müssen, welche Erwartungen er hat und was davon realistisch zu erfüllen ist.

Klaus-Peter Kirsten

Der menschliche Körper ein Puzzlespiel? Für präzise Diagnosen müssen alle Teile zusammen passen. Foto: Christoph Beer

Geschwollenes Gesicht? Schwindeliges Gefühl? Pochender Kopfschmerz? Hinter diesen Symptomen können die

unterschiedlichsten Krankheiten stecken. Wer nach der Ursache sucht, kommt sich manchmal vor wie „Dr. House“.

Kam einer seltenen Krankheitsursache auf die Spur: Assistenzärztin Nadine Kretschmar mit "Dr.-House-Plakette". Foto: Wiesner

Page 2: Jahrgang 2017 | Nr. 1 Fokus Gesundheit · gen, aber auch auf eine Infektion, einen Schlaganfall, einen akuten Grauen Star oder ein Aneurys-ma der Hirnarterie. „Hier ist je-den Tag

Die Patientin klagt seit länge-rem über Rückenschmerzen, die an manchen Tagen unerträglich sind. Der Weg führt sie zum Hausarzt und von da zum Wir-belsäulenchirurgen. Der stellt eine leichte Abnutzung der Bandscheiben fest – aber ein Fall für eine operative Behandlung ist sie nicht. Erst eine Schmerzthe-rapie bei der auch ein Psychologe begleitet, lindert ihr Leid. Es sind die großen Sorgen, die sich die ältere Dame um die Zukunft ih-res Enkels macht. Der droht auf die schiefe Bahn zu geraten – im wahrsten Sinne des Wortes beugt sich die Großmutter vor Gram. Dr. Thomas Jochum, Chefarzt der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie, kennt viele Fälle so genannter somatoformer Stö-rungen. Dabei nehmen Betrof-fene Beschwerden wie bei einer körperlichen Erkrankung wahr, Ärzte können jedoch keine orga-nische Erklärung finden. Typische Symptome sind Rücken– oder Kopfschmerzen, Erschöpfung und Müdigkeit, Atemnot oder Herzra-sen. Die Bandscheiben aber sind robust und die Pumpe läuft wie geschmiert. Diese Patienten sind krank – ohne greifbaren Befund.

Das verunsichert beide Sei-ten. Patient und Arzt sind es ge-wohnt, dass nach der Diagnose ein Medikament verschrieben, eine Behandlung angeordnet, zur OP geschickt wird. Diesen Ablauf zu durchbrechen, fällt nicht leicht. Ärzte müssen sich sicher sein, in der Befundung nichts übersehen und nichts falsch gedeutet zu ha-ben. „Dafür braucht es aber ei-nen erfahrenen Mediziner“, sagt Jochum. Noch mehr verlangt die Diagnose „psychosomatische Erkrankung“ dem Patienten ab. Hinter ihm liegt oft eine Odyssee durch Arztpraxen. Dass die mit der Aussage endet, "Ihnen fehlt körperlich nichts", macht ihn

Was fehlt mir bloß? Wenn Ärzte keine organische Ursache für körperliche Beschwerden fi nden,

steckt häufi g eine psychosomatische Erkrankung dahinter.

Jahrgang 2017 | Nr. 1DAS THEMA2

nicht unbedingt glücklich. Im Ge-genteil. „Das bilde ich mir doch nicht nur ein“, ist eine Standard-Antwort, gepaart mit dem Gefühl unverstanden zu sein. Dabei ist der Zusammenhang zwischen Psyche und körperlichen Beschwerden in unserer Alltagssprache fest veran-kert. Dass einem das Herz bricht, dass Ärger sauer aufstößt oder dass es die Sprache verschlägt, sind Redewendungen aus einem reichen Erfahrungsschatz.

Depression verstärkt das Schmerzempfinden

“Zwei Drittel aller depressiven Patienten wenden sich zuerst an ihren Hausarzt. Was sie schildern sind aber keine seelischen, son-dern körperliche Beschwerden, wie Kopfschmerzen, Rückschmer-

zen, den Kloß im Hals, nach deren Ursache der Arzt dann vergebens sucht“, bezieht sich Dr. Jochum auf eine britische Studien, die den Leidensweg von etwa 1000 Patien-ten mit einer depressiven Störung untersucht hat. Für den Zusam-menhang zwischen Schmerz und psychischer Erkrankung gibt es mehrere Erklärungsansätze, die alle davon ausgehen, dass das Schmerzerleben ein subjektiver Prozess ist und die Schmerzwahr-nehmung mannigfaltigen Einflüs-sen unterliegt.

Nachgewiesener Maßen emp-finden Depressive den Schmerz viel intensiver als Gesunde. Ihre Wahrnehmung ist ebenso ver-ändert wie bei Menschen, hinter denen einschneidende Erlebnisse liegen, ein schwerer Verlust zum Beispiel, psychischer oder sozialer Stress. Dann scheint das Alarm-

Davon träumen viele: mal so richtig gut durchzuschlafen. Fotos: Christoph Beer

system des Körpers so sensibili-siert, dass es auch ohne Grund anspringt. So spüren Patienten, die bereits einen Herzinfarkt erlit-ten haben, immer wieder Brust-schmerzen oder Luftnot, obwohl es dafür keinen Anlass gibt.

Tatsächlich liegen Psyche und Schmerzwahrnehmung auch funktional eng beieinander. Die Forschung weiß, dass dieselben Botenstoffe sowohl unsere Stim-mung als auch unsere Schmerz-verarbeitung beeinflussen. Zudem löst seelische Qual ähnliche bio-psychologische Prozesse in uns aus wie körperlicher Schmerz. Liebeskummer und echte Herz-beschwerden sind also gar nicht weit voneinander entfernt. Damit erklärt sich im Umkehrschluss auch, warum stimmungsaufhel-lende Medikamente, so genannte Antidepressiva, erfolgreich in der

Schmerzbehandlung eingesetzt werden können und vor allem eine Psychotherapie einen sinnvol-len Ansatz darstellt, diese Leiden zu lindern, so Jochum. An erster Stelle steht, den Patienten ernst zu nehmen, auch wenn kein Rönt-genbild einen plausiblen Befund zeigt. „In sich regelmäßig tref-fenden Schmerzgruppen versu-chen wir, die Wahrnehmung von Schmerz zu verändern“, weist Dr. Jochum auf die Zusammenarbeit von Psychiatern und Psychologen am SRH Wald-Klinikum hin. Die Patienten lernen, seelischen und körperlichen Schmerz zu unter-scheiden. Ein Ansatz, der unter anderem auch von den Schmerz-therapeuten in einer Multimoda-len Schmerztherapie verfolgt wird.

Die Erkenntnisse sind alles an-dere als neu. In den letzten 20–30 Jahren habe es Fortschritte in der

Behandlung psychosomatischer Erkrankungen gegeben. „Die Leh-re von der reinen Organmedizin ist längst an ihre Grenzen gesto-ßen“, sagt der Chefarzt. Wenn Patienten heute trotzdem eine Odyssee hinter sich brächten bis zur richtigen Diagnose, dann läge das eher am schmalen Zeitfaktor als am Wissen der Ärzte.

Katrin Wiesner

Kann Ärger auf den Magen schlagen?

Stress oder Erregungszustände führen tatsächlich zu einer ver-stärkten Magensäure-Produktion. Die erhöhte Säurekonzentrati-on reizt die Magenschleimhäute und sorgt für Unwohlsein. Wenn dazu noch eine Infektion mit He-licobacter-Bakterien kommt, kann sich schnell auch ein Magenge-schwür entwickeln.

Kann ein Erlebnis unter die Haut gehen?

Das Wechselspiel von Körper und Psyche zeigt sich besonders deutlich auf der Haut. Manchmal ist zuerst die Haut, manchmal zuerst die Seele krank. Auf je-den Fall beeinflussen sich beide. Unser Nervensystem und unsere Haut sind eng verknüpft. Hat der Mensch Stress, so wirkt sich das auf die Anzahl der Leukozyten und den Zellstoffwechsel aus. Das kann zu Entzündungen führen. Stress und auch Angst können Hautkrankheiten wie Psoriasis, Neurodermitis oder Nesselsucht beeinflussen.

Kann ein Herz brechen?Ärzte sprechen vom Broken-

Heart-Syndrom. Wahrscheinlich löst eine extreme psychische Bela-stung eine massive Ausschüttung von Stresshormonen in das Blut aus. In der Folge führt das zu einer Verkrampfung des Herzmuskels. Die Symptome gleichen einem Herzinfarkt und können zum Tod führen. Übrigens nicht nur bei traurigen, sondern auch freudigen emotionalen Ereignissen.

BücherTIPPS

Die KrankheitsermittlerWie wir Patienten mit

mysteriösen Krankheiten helfen (Taschenbuch) Jürgen Schäfer

Verlag: KNAUR–

HousemedizinDie Diagnosen von "Dr. House"

(Taschenbuch) Jürgen SchäferVerlag: WILEY

–Ein rätselhaft er Patient

Die aufregende Suche nach der richtigen Diagnose –

55 wahre Geschichten (Taschenbuch)

Heike Le Ker, Dennis BallwieserVerlag: KiWi

–Der Krankenfl üsterer

Ein Diagnostiker erzählt von seinen interessantesten Fällen

(Taschenbuch) Walter Möbius

Verlag: DUMONT

Dr. Michael Böhme-Steinhauff istneuer Oberarzt in der Klinik für OrthopädieFoto: Katrin Wiesner

Mit Dr. Michael Böhme-Steinhauff hat Anfang Januar ein weiterer

Oberarzt im Team der Klinik für Orthopädie seine Tätigkeit aufge-nommen.

Der gebürtige Heidelberger ab-solvierte seine Facharztausbildung am Rudolf-Elle-Krankenhaus in Eisenberg und arbeitete hier bis 2016 im Hüft -Department. Daher stammen auch die Kontakte zu Chefarzt Dr. Winter, der den aus-gewiesenen Spezialisten für Hüf-tendoprothetik nun nach Gera ho-len konnte. Neben der Abrundung des operativen Spektrums wird Oberarzt Böhme-Steinhauff ab Fe-bruar die Orthopädische Ambu-lanz am SRH Wald-Klinikum mit seiner Fachkenntnis verstärken.

Chefarzt Dr. Winter ist froh über den zusätzlichen Mann im

Neuer Spezialist für Hüft endoprothetikDr. Michael Böhme-Steinhauff neuer Oberarzt in der Klinik für Orthopädie

Team: „Sowohl fachlich als auch menschlich konnten wir hiermit einen hoch motivierten Arzt für unser Haus gewinnen, der im kollegialen Miteinander die Or-thopädische Klinik spürbar voran-bringen und im Hinblick auf ein Endoprothesenzentrum der Ma-ximalversorgung abrunden wird“.

Im Jahr versorgt unsere Or-thopädie mehr als 600 Patienten mit einem künstlichen Gelenker-satz. Neben der Implantation des kompletten Spektrums bewähr-ter Systeme kommen sämtliche modernen Verfahren wie kno-chenschonende Kurzschäft e am Hüft gelenk und Teilprothesen am Kniegelenk zur Anwendung. Dar-über hinaus hat sich die Klinik für die komplexen endoprothetischen Wechseloperationen mit etwa 100 Eingriff en jährlich überregional etabliert.

Kontakt:Orthopädische Praxisam SRH-Wald-KlinikumStraße des Friedens 122, 07548 GeraTelefon (0365) 828-3730

Orthopädische PraxisSchleizer Str. 35-3707549 Gera-LusanTelefon (0365) 7101011

Orthopädische PraxisPuschkinplatz 2-307545 GeraTelefon (0365) 55196456

Für die Vorstellung in unseren Praxen ist kein Überweisungs-schein notwendig.

Klinik für Orthopädie SRH Waldklinikum GeraStraße des Friedens 122Telefon: (0365) 828-3741

Chefarzt Dr. Thomas Jochum weiß, dass es für körperliche Beschwerden nicht immer einen klaren Befund gibt. Foto: Christoph Beer

Ärzte empfehlen SRH Kliniken weiter

Welche Klinik ist die richtige für mich? Eine gute medizinische Versorgung ist für Patienten ein wichtiges Kriterium bei der Krankenhauswahl. Dabei verlas-sen sie sich oft auf Empfehlun-gen – vor allem von Hausärzten und Fachärzten. Hier genießen SRH Kliniken großes Vertrauen: Das SRH Wald-Klinikum Gera erhält von 92 Prozent der ein-weisenden Ärzte die Note 1,6. 97 Prozent der befragten Ärzte und Nachsorger würden das Haus weiterempfehlen. Das ist das Er-gebnis einer aktuellen Studie der SRH Hochschule für Gesundheit Gera.

Die Studie hat auch Verbes-serungspotenzial off enbart. Vor allem bei der Wartezeit der Pa-tienten oder den Terminabspra-chen sehen die Teilnehmer noch Optimierungsmöglichkeiten.

Page 3: Jahrgang 2017 | Nr. 1 Fokus Gesundheit · gen, aber auch auf eine Infektion, einen Schlaganfall, einen akuten Grauen Star oder ein Aneurys-ma der Hirnarterie. „Hier ist je-den Tag

Im SRH Wald-Klinikum Gera GmbH wird aktuell eine klinische Studie zur äußerlichen Behandlung der Schuppen�echte (Psoriasis vulgaris) am Rumpf oder den Gliedmaßen durchgeführt. Schuppen�echte ist eine entzündliche Erkrankung der Haut, die bei ca. 2 Millionen Menschen in Deutschland auftritt. Wenn auch Sie Schuppen�echte am Körper haben, könnten Sie die Vorrausetzungen für die Teilnahme an der Studie erfüllen.

GEEIGNETE PATIENTEN MÜSSEN:

❙ älter als 18 Jahre sein❙ Bei guter Gesundheit sein und eine Diagnose der Schuppen�echte am Rumpf oder den Gliedmaßen vor mindestens 6 Monaten erhalten haben❙ Einwilligen mindestens 16 Studien-Besuche, über 14 Monate hinweg, zuverlässig wahrzunehmen

Die Teilnahme an der Studie ist mit keinerlei Kosten verbunden. Studienbezogene Fahrtkosten werden pauschal erstattet. Wenn Sie Interesse an der Teilnahme haben oder weitere Informationen wünschen, melden Sie sich bitte unter: Tel. 0365/828-7758 oder E-Mail: [email protected]

SRH KLINIKEN

PATIENTEN FÜR DIE TEILNAHME AN EINER KLINISCHEN STUDIE ZUR

BEHANDLUNG DER SCHUPPENFLECHTE AM RUMPF ODER AN DEN GLIEDMAßEN GESUCHT.

SRH Wald-Klinikum Gera GmbH Zentrum für klinische StudienStrasse des Friedens 122 I 07548 GeraTelefon +49 (0) 365/828-7758 I [email protected]

Jahrgang 2017 | Nr. 1 DAS THEMA 3

Zusammen mit zwei Kolle-ginnen war ich gerade auf einem Symposium rund

um neue Aspekte der Wund-versorgung. Man muss sich ja fachlich fi t halten. Auch dies-mal fi el mir wieder auf, dass alle Vorträge mehr oder weniger gut besucht waren und ein merkli-ches Kommen und Gehen statt-fand. Außer bei einem Punkt: Der besondere Fall. Dort ist es immer krachvoll und die Men-schen warten gespannt auf eine Präsentation, der sie dann selbst nach 16 Uhr noch diszipliniert folgen. Stichwort: Die Faszinati-on des Außergewöhnlichen.

Natürlich ist unser Klinikall-tag vor allem geprägt von einer gewissen Routine und der regel-haft en Behandlung bestimmter Krankheiten. Wirklich spannend wird unser Beruf jedoch durch die immer wieder herausfor-dernden menschlichen Begeg-nungen und vor allem durch das Ungewöhnliche, durch den überraschenden Moment, die unerwartete Diagnose. Da er-lebt glaube ich jede Schwester ein paar Dinge, die ihr für im-mer haft en bleiben. Meist merkt man sich sogar bis zum Ende des Berufslebens den Namen des be-treff enden Patienten. Das kann ich gut bei unserer jährlichen Weihnachtsfeier der Frauenheil-kunde beobachten. Schwestern und Ärzte, die schon Jahre und

Jahrzehnte nicht mehr in unse-rem Haus arbeiten, treff en sich Mitte Dezember in der Klinik zur gemütlichen Runde. Und dann werden leidenschaft lich alte Ge-schichten erzählt. Von Kollegen und Ausfl ügen und eben auch von ganz besonderen Fällen.

Und dieser Faszination kann sich scheinbar so gut wie keiner entziehen. Sonst wäre sicher nicht noch die hundertste neue Arztser-ie so erfolgreich (oder kennen Sie eine dieser Serien, die aus Man-gel an Zuschauern abgesetzt wer-den musste?). Und dabei muss es nicht mal sehr blutig zugehen. Die kuriosen Momente überzeugen. Dabei kann eine Serie wie „Dr. House“ durchaus auch positive Auswirkungen auf die medizini-sche Realität haben. In Marburg hat Professor Jürgen Schäfer, Inter-nist und Intensivmediziner an der Universitätsklinik, im Mai 2012 aufgrund seiner Leidenschaft für Doktor Gregory House und seine speziellen Fallkonstellationen ein Zentrum für unerkannte Krank-heiten etabliert. Dort gehen er und seine 4 Kollegen den Leiden auf die Spur, die die „normalen“ ärztli-chen Kollegen nicht diagnostizie-ren konnten und werden seitdem mit Fällen überhäuft .

Wie zum Beispiel mit dem des ständig betrunken wirkenden Pa-tienten, der inbrünstig behauptete, keinen Schluck zu sich genommen

Dr. House ist überallEine Krankenschwester berichtet aus ihrem Alltag

zu haben, aber nachweislich Pro-mille im Blut hatte. Die Lösung war nicht das Trinken, sondern das Essen: der Patient litt unter dem Eigenbrauer-Syndrom. Bei Genuss von Kohlehydraten wie Weißmehl und Nudeln wird bei der Verdauung im Darm Etha-nol gebildet. Die Lösung lag also einfach in einer Low-Carb-Diät. Faszinierend!

Meine persönlichen Erinne-rungen an einen besonderen Fall sind nicht ganz so spektakulär, eher menschlich. Als ich am Neu-jahrstag vor zehn Jahren Früh-dienst hatte, kam ein junges Mäd-chen nach einer Silvesterfeier mit Koliken zu uns in die Urologie. Wir schauten immer wieder nach ihr im Untersuchungszimmer, da der Arzt noch unterwegs war. Ihre Schmerzen wurden immer schlimmer. Meine Kollegin Sabi-ne, die früher in der Gyn gearbei-tet hat, kam nach einer erneuten Kreislaufk ontrolle zu mir und sagte: „Also echt, wenn Du mich fragst, das sind keine Koliken, das sind Wehen!“ Und tatsächlich, nach zwei Stunden war der „Nie-renstein“ da: knapp 3 kg schwer und weiblich. Irgendwie auch ein Happy end …

In diesem Sinne: Bleiben Sie gesund und neugierig und off en für Überraschungen!

Ihre Catrina.

Die seltsamsten Fälle des „Dottore House“HNO-Arzt Stefan Marciniak über Skurriles aus 30 Jahren Berufspraxis

Wenn der passionierte Mountainbiker Ste-fan Marciniak einmal

jährlich die Pisten rund um den Gardasee unsicher macht, erwar-ten seine Sportfreunde ganz ein-fach auch folgenden legendären Running Gag von ihm: Im Foyer der Pension angelt Marciniak sich einen der dort deponierten Spa-zierstöcke aus dem Ständer und macht waschecht einen auf „Doc-tor House“, dem skurrilen Arzt aus der gleichnamigen US-Krankenh-ausserie. Freunde wie auch seine italienischen Gastgeber sind dann dann ganz „aus dem Häuschen“ von ihrem „Dottore House“.

Auch in seiner berufl ichen Praxis, die der heute 54-jährige, leitende Oberarzt 1988 an der da-maligen HNO-Klinik des Geraer Krankenhauses begann, halfen ihm hin und wieder kriminalisti-sches Gespür und sein Sinn für Unorthodoxes bei der Diagnostik und Th erapie seltsamer Fälle, die so nicht im medizinischen Lehr-buch beschrieben waren:

Fall 1: Der scheue Halswurm

Stefan Marciniak erinnert sich noch genau an jene alte Dame, die mit Schluckbeschwerden zu ihm

überwiesen wurde. Die Frau kam ihm zunächst etwas seltsam und verwirrt vor, als sie immer wie-der beharrlich schilderte, wie ihr manchmal ein langer Wurm aus dem Mund herauskäme, der un-mittelbar darauf wieder in ihrem Hals verschwände. Er sei etwa 12, 13 Zentimeter lang. Aber niemand außer ihr hatte bis dahin das scheue Alien zu Gesicht bekommen. Nach eingehender Untersuchung sah der HNO-Arzt tatsächlich etwas Fremdes im Schlund seiner Pati-entin, von dem er endoskopisch eine Gewebeprobe entnahm. Bei der weiteren Untersuchung wurde der „Wurm“ dann als „Weichteilsar-kom“, als seltener, bösartiger Tu-mor, klassifi ziert. Da diese Krebs-form eigentlich in das Fachgebiet des Gastroenterologen fällt, enthielt die HNO-Fachliteratur keinen Hinweis auf das seltene Phänomen. Nach erfolgreicher Entfernung des Sarkoms konnte die Frau dann be-schwerdefrei entlassen werden.

Fall 2: Der deplatzierte Besenstiel

Gut im Gedächtnis geblieben ist Stefan Marciniak auch der Fall einer Frau, die zu Fasching per Feuerwehr in die Rettungsstelle eingeliefert wurde. Der Jeckin war ein Missgeschick der besonderen Art widerfahren. Beim Laden der Konfettikanone mittels eines zum Stopfer umfunktionierten Besen-stiels hatte sich versehentlich ein Schuss gelöst. Der mit einem Pla-stikaufh änger versehene Stiel traf

allerdings ungewollt die Wange der Karnevalistin und durchschlug diese unterhalb der Nase. Es sei ein eindrucksvolles Bild gewesen, erinnert sich Marciniak an die

blutüberströmte Frau mit dem Be-senstiel im Gesicht. Um die Frau überhaupt in den Rettungswagen hineinzubekommen, musste zu-nächst der sperrige Stopfer abge-

sägt werden. Nach dem Entfernen des Stiels, dem Nähen der Wunde und der Linderung der Schmerzen blieben Gottseidank keine wei-teren Schäden zurück. Der Frau war allerdings die Lust an der Fa-schingsfeier gründlich verhagelt.

Fall 3: Batterie im Ohr

Wegen unerklärlicher Ohren-schmerzen überwies der Haus-arzt einen älteren Herrn zu Stefan Marciniak. Der HNO-Spezialist vermutete zunächst eine Mittel-ohrentzündung, ertastete jedoch auch etwas Hartes vor dem Trom-melfell. Um herauszufi nden worum es sich dabei genau han-delte, wurde der Patient in Nar-kose versetzt. Marciniak war nicht schlecht überrascht als er im Ge-hörgang des Mannes eine Hörge-rätebatterie entdeckte, die bis zum Anschlag dort hineingepresst war. Da Inhaltsstoff e der Batterie zum Teil bereits ausgelaufen waren, musste der Fremdkörper schon geraume Zeit im Ohr des älteren Herren gesteckt haben. Nach der Entfernung blieb allerdings ein Loch im Trommelfell zurück. Das Gehör des Patienten konnte den Umständen entsprechend aber erhalten werden. Sogar das Hör-gerät konnte er später wieder ver-wenden. Wie allerdings die Batte-rie in sein Ohr kam, blieb sein gut gehütetes Geheimnis.

Noch von vielen weiteren unge-wöhnlichen medizinischen Vor-

kommnissen weiß der Leitende Oberarzt der Geraer HNO-Klinik zu berichten: von Fädelperlen in Stepkenasen, von im Silvester-rausch verschluckten Plastegäbel-chen oder von nicht erklärbarem Nasenbluten, das Ärzten wie Pa-tienten den letzten Nerv rauben könne.

Und schließlich räumt Marci-niak noch mit einer bislang allzu-gern geglaubten Legende aus mei-ner Kindheit auf: Nein, es gäbe kein Schokoladeneis nach Man-deloperationen, habe es seiner Meinung nach auch nie gegeben. Schade, es hat mir diesen Eingriff bis heute immer regelrecht sym-pathisch gemacht.

Klaus-Peter Kirsten

Immer auch für einen kleinen Spaß zu haben. Oberarzt Stefan Marciniak mimt Doctor House. Foto: Christoph Beer

Impressum

Herausgeber: SRH Wald-Klinikum Gera GmbH Straße des Friedens 12207548 Gera

V.i.S.d.P.: PD Dr. med. Uwe Leder, MBA (Geschäft sführer)Redaktion: Katrin Wiesner, Klaus-Peter KirstenKontakt: Tel. 0365 828-8108 E-Mail: [email protected] Erscheinungsweise: vierteljährlichAufl age: 300.019Gestaltung: Christoph BeerDruck und Verteilung: Verlag Dr. Frank GmbH

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Jahrgang 2017 | Nr. 1DAS THEMA4

Auf Spurensuche im KörperinnerenWarum sich Radiologen manchmal wie Detektive vorkommen. Ein Gespräch mit Chefarzt Prof. Dr. Joachim Böttcher über Tatorte und Beweise, Zufallsbefunde und die Liebe zu digitalen Daten.

Die Entdeckung der Rönt-genstrahlen war spek-takulär. Sie ermöglich-

ten den Blick in das Innere des Körpers, ohne ihn durch einen Schnitt zu öff nen. Inzwischen gibt es weitere Verfahren, wie Sonographie, Computertomo-graphie und Magnetresonanz-tomographie, die nicht nur knöcherne Strukturen, sondern auch Weichteilgewebe und Gefä-ße sichtbar machen. Doch damit ist es nicht getan. Denn diese Bilder muss man auch interpre-tieren können …

Ja und das erinnert manchmal an Detektivarbeit. Die Basis für jeden guten Radiologen ist neben einer sehr guten anatomischen Schulung ein dreidimensiona-les Vorstellungsvermögen, auch wenn die neuesten Gerätegene-rationen inzwischen 3-D-Bilder liefern. Nach wie vor entsteht aus den Schnittbildern im Kopf der Radiologen ein dreidimensionales Bild, auf dem nicht nur alle Struk-turen im Körper zu erkennen sind, sondern vor allem auch, ob selbige gesund sind oder patho-logisch, also krankhaft verändert erscheinen. Fakt ist: Die Körper-strukturen und deren Krankheits-bilder sehen in jedem radiologi-schen Verfahren, also im Röntgen, im Ultraschall, in der Computer-tomographie oder in der MRT, völlig anders aus. Das muss ge-lernt werden – von Kopf bis Fuß. Der Vorteil des Radiologen ist, umso älter und umso erfahrener er wird, desto besser gelingen die Diagnosen.

Und so entdeckt der Radiologe auch Krankheiten, auf die vorher keiner gekommen ist. Haben Sie ein Beispiel?

Nehmen wir einen Patienten mit starken Rückenschmerzen. Alle denken an Verschleiß oder einen Bandscheibenvorfall. Der Patient

wird behandelt und erhält Physio-therapie, aber der Schmerz geht nicht weg. Dann stellt man fest, dass der Schmerz mit erhöhten Entzündungswerten im Blut ein-hergeht. Nun stellt sich die Frage, wie kann das sein? Sind Erreger im Spiel? In der MRT kann der Ra-diologe bezüglich der Wirbelsäule nichts fi nden. Aber im Randbe-reich beim Blick auf die Wirbel-säule, am Kreuzbein wird eine Auff älligkeit entdeckt. Ein Ödem ist nachweisbar. In der ergänzen-den Diagnostik stellt der Radiologe fest, dass der Rückenschmerz aus dem Gelenk zwischen Kreuz- und Darmbein kommt: Der Patient hat eine Sakroiliitis, eine entzündliche Veränderung der unteren Wirbel-säule. Nimmt man die Laborwerte hinzu, steht am Ende vielleicht die Diagnose Morbus Bechterew; eine Krankheit, die typischerweise mit einer solchen Entzündung einher-

geht. Aber da muss man erstmal drauf kommen.

Viel schneller muss es im Not-fall gehen. Ein Schwerverletz-ter trifft ein, wird unverzüglich in den Computertomographen geschoben. Die Untersuchung dauert nur Sekunden – dem Ra-diologen aber liegen tausende Bilder vor. Wonach schauen Sie dann zuerst?

Hier geht der Radiologe stan-dardisiert nach Priorität vor. Ist die Lunge regulär belüft et, gibt es Einblutungen oder atypische Luft ansammlungen im Th orax, sind große Gefäße geschädigt, weist freie Luft auf Verletzungen im Magen-Darm-Trakt hin, gibt es freie Flüssigkeit? Jedes Organ, Leber, Niere, Milz, wird ange-sehen, dann Gefäße und Mus-kulatur. Nicht zu vergessen die

Wirbelsäule mit allen weiteren knöchernen Strukturen. Das ist ein straff es Programm, bei dem die lebenswichtigen Organe zu-erst dran sind und das Off ensicht-liche wie z.B. ein Beinbruch am Schluss steht.

Bei Untersuchungen stoßen Sie auch immer wieder auf Zufalls-befunde; Auff älligkeiten, die bislang zu keinen Beschwerden führten und von denen der Pa-tient deswegen auch gar nichts weiß. Welche Rolle spielen der-artige Befunde im Radiologen-alltag? Und was machen Sie mit dem Wissen?

Sie spielen eine sehr große Rol-le, bei jedem zweiten Patienten gibt es einen solchen Zufallsbe-fund. Etwa ein Viertel davon ist wirklich relevant. Wenn wir bei einer Aufnahme die Lunge erfas-

sen, entdecken wir mehrmals im Jahr unbekannte Tumoren der Lunge. Auch in der Computer-tomografi e bei Verdacht auf Nie-rensteine haben wir schon kleine Nierenzellkarzinome entdeckt. Dann ist natürlich sofort eine Be-handlung nötig und die Heilungs-chancen sind gut. Auch ein Aneu-rysma der Bauchschlagader ist gar nicht so selten. Platzt es, besteht Lebensgefahr. Wird es entdeckt, lässt es sich gut versorgen.

In drei Viertel der Fälle bedarf es nicht zwingend einer Behandlung, aber es ist gut, darüber informiert zu sein. Das gilt zum Beispiel für Abnutzungserscheinungen der Gelenke, aber es gibt auch Rip-penbrüche und Wirbelkörper-frakturen, die niemand bemerkt hat. Oft sehen wir auch typische Anzeichen für eine Osteoporose, auf die wir dann hinweisen.

Der Patient hat meist wenig Kontakt zu den Radiologen, da-bei geben diese Ärzte entschei-dende Hinweise für die Th erapie.

Ohne Pathologie, Radiologie und Labordiagnostik, die alle im Hintergrund arbeiten, könnte ein so großes Krankenhaus nicht funktionieren. 85 Prozent der Pa-tienten behandelt das radiologi-sche Team mit – durch Röntgen, CT, MRT und auch minimal-inva-sive Eingriff e. Mit moderner Dia-gnostik kommen wir schon dicht an die Ergebnisse der Gewebeun-tersuchungen durch die Patholo-gen heran. Oder nehmen wir ein Knie-MRT nach einem Ski-Un-fall. Wir sehen genau: Einblutun-gen im Gelenk, Innenminiskus defekt, vorderer Kreuzbandriss, keine Fraktur. Das ist gute Vorar-beit für den Unfallchirurgen.

Der gute Radiologe gilt als eine Mischung aus Sherlock Holmes und Computerfreak, der stunden-lang digitale Daten auswertet?

Das ist so. Die Hauptarbeit ist Befundung, Bildsichtung und Bewertung. Aber das ist span-nend: Wenn Sie leistungsstarke Geräte und gute Technik haben, dann sehen Sie viel – und stehen vor mancher Herausforderung, lernen immer etwas Neues und entdecken ab und zu auch selte-ne Krankheiten. Das ist schon ein bisschen wie Sherlock Holmes. Die Körperregion – das ist der Tatort, die Befunde – das sind die verschiedenen Tatortmuster und Beweise, die Sie ordnen und in ei-nen Gesamtkontext bringen müs-sen. Es ist die Kunst, zwei bis drei Befunde zu einem Gesamtbild zu-sammenzutragen oder manchmal auch aus zwei, drei Befunden zwei bis drei Diagnosen zu stellen. Ein Patient hat eine unfallbedingte Verletzung, die trifft auf eine Ar-throse und eine bestehende alte Verletzung – wie hängt das zu-sammen oder gibt es gar keinen Zusammenhang? Das ist schon ausgesprochen faszinierend.

Katrin Wiesner

Was ist was?Radiologische Diagnostikverfahren im Überblick

Gutartiger Tumor lähmt die BeineDer Patient (44 Jahre, männlich) klagte über Lähmungen und Gefühllosigkeit der Beine. Aus neurologischer Sicht ergaben sich viele mögliche Diagnosen. In der MRT-Un-tersuchung der Wirbelsäule konnte eine schwerwiegende Veränderung des Rückenmarkes ausgemacht werden. Die Radiologen wiesen im Zentralkanal des Rückenmarks ei-nen gutartigen Tumor nach, der sich typischerweise aus den Zellen der inneren Liquorräume bildet. Nach der er-folgreichen Operation verschwanden die Beschwerden vollständig.

Zufallsbefund: erweiterte Schlagader im KopfSehstörungen brachten eine 78-Jährige in die Notaufnah-me. Ein Schlaganfall konnte ausgeschlossen werden, dafür entdeckten die Radiologen ein Aneurysma, also eine Ge-fäßaussackung in einer Hirnschlagader. Bei körperlicher Anstrengung könnte das Gefäß platzen und zu einer Hirn-blutung mit hoher Lebensgefahr führen.

den Vorteile der Mehrzeilen-Systeme liegen in der reduzierten Scanzeit, der höheren Qualität der Bilder, der verringerte Strahlenbelastung.

Magnetresonanztomographie (MRT)Bildgebendes Verfahren, das vor allem in der medizinischen Diagnostik zur hochaufl ösenden Darstellung von kleinsten Strukturen und deren Integrität für die unterschiedlichsten Organsysteme ohne Strahlenbela-stung eingesetzt wird. Mit der MRT kann man Schnittbilder des mensch-lichen Körpers dreidimensional erzeugen, die eine Beurteilung der Or-gane und vieler krankhaft er Organveränderungen mit hoher Sensitivität und Spezifi tät erlauben.

SonographieMedizinische Bezeichnung für eine Untersuchung mit Ultraschall. Die Sonographie ist eine schmerzlose und risikoarme Methode. Mithilfe von Ultraschallwellen kann der Arzt zum Beispiel Organe wie die Nieren oder die Leber untersuchen – zudem lässt sich mit Ultraschall während der Schwangerschaft das Kind in der Gebärmutter darstellen und so Screening-Diagnostik betreiben. Auch in der Darstellung der Brust, von Schilddrüse, Weichteilstrukturen und Lymphknoten ergeben sich um-fassende Einsatzgebiete. Das Verfahren ist schnell anwendbar, in vielen Fällen aussagekräft ig und zudem kostengünstig.

RöntgenHäufi gstes und ältestes Radiologisches Verfahren, bei dem Bereiche des Körpers aus einer Richtung mit Röntgenstrahlung durchstrahlt werden. Auf der Gegenseite wird die Strahlung mit geeigneten Medien (Film, Speicherfolie oder Detektor) registriert und in ein Bild umgewandelt. Die sogenannten X-Strahlen wurden 1895 von dem deutschen Physiker Wilhelm Conrad Röntgen entdeckt.

Computertomographie (CT)Bildgebendes Verfahren in der Radiologie, wobei im Gegensatz zur Röntgendiagnostik als Projektionsverfahren die Nutzung eines Com-puters zwingend notwendig ist, um aus den Rohdaten Schnittbilder (Schichtaufnahmen) erzeugen zu können. Die Bilder bieten im Gegen-satz zu einer normalen Röntgenaufnahme eine überlagerungsfreie und sehr detaillierte Darstellung aller Körperstrukturen. Außerdem konnten erstmals Gewebearten unterschieden werden.

Mehrzeilen-CTBildgebendes Verfahren mit Strahlenexposition, bei dem bis zu 320 Schnit-te oder Zeilen gleichzeitig aufgenommen werden können. Die entscheiden-

Nicht nur Bilder machen, sondern sie richtig interpretieren – das ist die Kunst der Radiologen. Chefarzt Prof. Dr. Böttcher (rechts) mit Oberarzt Denis Hofmann bei der Auswertung von CT-Aufnahmen. Foto: Jörg Simanowski

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Jahrgang 2017 | Nr. 1 DAS THEMA 5

Die Blase war’s, nicht die BandscheibeDer Patient (55 Jahre, männlich) wurde zur Durchführung einer MRT der Brust- und Lenden-Wirbel-Säule in die Radio-logie überwiesen. Er litt seit einiger Zeit unter Rückenschmerzen mit Ausstrah-lung in die Beine. Als wahrscheinliche Ursache stand ein möglicher Bandschei-benvorfall im Fokus. Als Zufallsdiagnose wurde aber völlig überraschend in der MRT-Untersuchung eine gigantische Aus-stülpung der Harnblase als Ursache für die Beschwerden gefunden. Das prall gefüllte Divertikel der Harnblase drückte auf den Ischias-Nerv.

Oberschenkelhals-bruch mit neun JahrenErstaunlich: Schon ein Bagatellunfall reichte, dass sich eine Neunjährige den linken Oberschenkel brach. Sie war im Sportunterricht ausgerutscht. Als Ursache fanden die überraschten Radiologen eine seltene Knochenzyste. Der mit Flüssigkeit gefüllte Hohlraum verminderte die Stabi-lität des Knochens. Die gutartige Verände-rung konnte operativ versorgt werden.

Beratungsstelle mit neuer Trauergruppe

Die Deutsche Krebshilfe hat die Förderung der Psychosozialen Beratungsstelle für Krebskranke und Angehörige bis zum Ende dieses Jahres verlängert. Mit Un-terstützung durch das SRH Wald-Klinikum kann das Angebot da-mit weiter erhalten werden.

Die Beraterinnen geben wert-volle Unterstützung bei der Be-wältigung der Schockdiagnose „Krebs“. Kostenlose psychologi-sche und sozialrechtliche Beratun-gen sowie die Kunst- und Sport-therapie gehören zum Portfolio der Beratungsstelle, die sich in ei-nem großen Netzwerk für die op-timale Betreuung und Versorgung von Krebspatienten engagiert.

Seit Kurzem bietet die Bera-tungsstelle auch eine kunstthera-peutisch begleitete Trauergruppe an, die bei der Bewältigung von Trauer – entstanden durch den Verlust eines geliebten Menschen – unterstützen kann. Anmeldun-gen nehmen wir gern unter Tel. (0365) 828-7965 entgegen. Leider gibt es nach wie vor noch keine Regelfinanzierung durch Bund, Land und Krankenkassen für die Beratungsstelle, die daher nach wie vor auf Spendengelder ange-wiesen ist. Wenn Sie dazu beitra-gen möchten, dass die Krebsbera-tungsstelle auch zukünftig einen wichtigen Betrag zur Unterstüt-zung des Genesungsprozesses lei-sten kann, dann können Sie dies über folgendes Spendenkonto tun: Deutsche Kreditbank AG GeraIBAN: DE 141203 0000 00 1033901Stichwort: Krebsberatungsstelle

Wer nicht hört, lernt auch nicht

Gut zu Hören spielt in unserer modernen Kommunikationsge-sellschaft eine immer größere Rolle. In Deutschland leiden fast 13 Millionen Menschen an einer Schwerhörigkeit. Ein Drittel der über 65-jährigen ist davon be-troffen. Besonders problematisch sind Hörstörungen bei Säuglin-gen und Kleinkindern in der Pha-se des Spracherwerbs – wer nicht hört, lernt auch nicht sprechen!

Die HNO-Klinik des SRH Wald-Klinikums Gera hat sich anlässlich des Welttages des Hörens in die-sem Jahr diesem wichtigen Thema gewidmet. Während eines Sympo-siums Ende März standen Fragen der Erkennung und Behandlung von Schwerhörigkeiten im Kin-des- und Erwachsenalter im Mit-telpunkt. In Rundtischgesprächen wurde der optimale Versorgungs-weg für Kinder und Erwachsene im Zusammenspiel von allen an der Betreuung beteiligten Ärzten, Hörgeräteakustikern und Rehabi-litationsexperten diskutiert.

Dabei ging es auch darum, wel-che Schwerhörigkeit durch eine Operation oder ein Implantat gebessert und welche mit einem Hörgerät versorgt werden soll. Das Geraer Klinikum hat sich auf die operative Behandlung von Schwerhörigkeiten spezialisiert und bietet mit der sogenannten „Ohrsprechstunde“ von Oberarzt Stefan Marciniak ein spezielles Beratungsangebot für Patien-ten an, die sich schon bei einem HNO-Arzt vorgestellt haben, aber noch nicht sicher sind, ob eine Operation ihnen helfen kann.Kontakt: Tel. (0365) 828-2662

Meldungen Auf Spurensuche im KörperinnerenWarum sich Radiologen manchmal wie Detektive vorkommen. Ein Gespräch mit Chefarzt Prof. Dr. Joachim Böttcher über Tatorte und Beweise, Zufallsbefunde und die Liebe zu digitalen Daten.

Seltene Fehlbildung statt MetastasenDer 63 Jahre alte Patient litt an einem Rippenfelltumor. Im Ultraschall fielen kleine Herde in der Leber auf, die den Verdacht auf Lebermetastasen lenkten. Doch in der MRT-Untersuchung konnten die Radiologen das ausschließen. Vielmehr handelte es sich um Hamartome der Leber (Von-Meyenburg-Komplexe), eine sehr seltene angeborene Fehlbildung der Gallenwege. Mit diesem Ergebnis hatte sich die Prognose für den Patienten deutlich verbessert.

Gefäße dicht –nichts geht mehrDer 66 Jahre alte Mann konnte nur noch kurze Gehstrecken am Stück zurücklegen, er litt an der so genannten Schaufenster-krankheit. In der MRT der Beinarterie zeigte sich als Ursache für die Beschwer-den ein langstreckiger Gefäßverschluss im Bereich der Ober- und Unterschenkel-gefäße.

Sieht wie ein Tumor aus, ist aber keinerDie Patientin (49 Jahre) stellte sich mit Gesichtsfeldausfäl-len vor. In der MRT-Untersuchung konnten die Radiolo-gen eine sehr seltene Form der Multiplen Sklerose diagno-stizieren, die auf den ersten Blick einem Hirntumor oder Abszess sehr ähnlich sieht (tumefactive Form der MS). Sie wird aber nicht operativ versorgt, sondern kann durch neuartige Medikamente erfolgreich therapiert werden. Die enge Zusammenarbeit mit anderen Fachdisziplinen führte hier zur exakten Diagnosestellung, indem Untersu-chungen von Blut und Gehirnwasser, der klinische Befund und die Bildgebung herangezogen wurden.

Die Wassermoleküle führen zum SchlaganfallEin 51 Jahre alter Mann kam in die Rettungsstelle und klagte über Schwindel. Die Ursache war unklar. Bei ei-ner Magnetresonanztomographie wurde in der rechten Kleinhirnhälfte ein akuter Schlaganfall gefunden. Zur Untersuchung des Gehirns griffen die Radiologen auf so genannte „Diffusionsgewichtete Aufnahmen“ zurück. Dabei wird in der MRT die (gerichtete) Beweglichkeit der Wassermoleküle (Diffusion) im Körpergewebe gemessen und aufgezeichnet. Bei Krankheitsbildern des Gehirns treten hier charakteristische durchblutungsbedingte Stö-rungen auf. Ein Schlaganfall wird mit diesem Verfahren zeitnah sichtbar, während er in der klassischen MRT erst Stunden später darstellbar wäre.

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Es sind vor allem seine ersten Berufsjahre, die dem Neu-rologen Dr. Roger Schubert

in den Sinn kommen, spricht man ihn auf die Entwicklung und die Besonderheiten seines Fachgebie-tes an. Damals, um das Jahr 1990 herum, sammelte er gemeinsam mit drei jungen Medizinabsol-venten erste Erfahrungen als As-sistenzarzt an der Nervenklinik der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Die Psychiatrie/Neurologie, in der DDR noch als gemeinsa-mes Fachgebiet verstanden und gelehrt, wurde in jenen Jahren dem bundesdeutschen Standard angepasst und in zwei selbststän-dige Disziplinen unterteilt. Die moderne Neurologie steckte dabei noch in den Kinderschuhen. Bild-gebende Verfahren wie MRT und Computertomographie - heute in der Neurologie Gang und Gäbe - kamen gerade erst auf bzw. waren nur sehr eingeschränkt verfügbar. Patienten mussten lange auf einen entsprechenden Untersuchungs-termin warten, wurden landauf, landab an die großen Zentren in Berlin und Leipzig überwiesen, die bereits über die entsprechende Medizintechnik verfügten.

„Oft waren wir damals ganz einfach dazu gezwungen, aus den erstellten Einzelbefunden ein Gesamtbild zu basteln“, bekennt Schubert nachdenklich. „Diese Fähigkeit zum Kombinieren und zum kriminalistischen Vorgehen

hat sich bis heute erhalten. Wir waren so eine Art „“Sherlock Hol-mes“ der Neurologie, gingen nicht selten andere Wege, um einem untypischen Krankheitsbild auf die Spur zu kommen. „Wir mus-sten mehr unsere Sinne gebrau-chen“. In diesem Zusammenhang erinnert er sich an einen seiner frühen Patienten, einen damals Mitte Dreißigjährigen, der mit

Jahrgang 2017 | Nr. 1DAS THEMA6

Der „Sherlock Holmes“ im NeurologenChefarzt Dr. Roger Schubert über die Besonderheiten seines Fachgebietes

Sie haben das Lösungswort geknackt? Dann senden Sie es bitte an: SRH Wald-Klinikum Gera / Marketing / Str.d.Friedens 122 / 07548 Gera oder per Mail: [email protected] ist der 30. Juni 2017. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen. Wir verlosen drei Mal 50 Euro und sechs Trostpreise. Vielen Dank für die vielen richtigen Einsendungen, netten Mails und Karten vom letzten Mal. Das Lösungswort der Ausgabe 4/2016 lautete: Herzkammer

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Wasseraus derWäschepressen

besitz-anzei-gendesFürwort

FormdesSauer-stoffs

mitBlumen,geblümt

in Warte-stellung(auf ...)

luftför-migeschem.Element

veraltet:Enzym

tiefesBedauern

amerik.Schrift-steller(Mark)

Arznei-mittel-form zumLutschen

Teil desZahnes

Kurort;Gesund-heitsan-wendung

Nah-rungs-bestand-teil

Vorsilbe:gegen(griech.)

harm-loseStiche-lei

feineHaut-öffnung

frühereschwed.Pop-gruppe

Sinnes-organ

Kletter-,Heil-pflanze

Kinder-buch-gestalt(Alpen)

Augen-flüssig-keit

konzen-trierteLösung

Vorder-asiat,Perser

mitdemBesenreinigen

Ansehen,Prestige,Bild(engl.)

Wiederein-gliederungKranker(Kurzwort)

Schub-fach

Licht-signal-anlage

Teil desVogel-kleides

poetisch:aus Erzbeste-hend

Vor-wölbungder Haut

einSchiffstürmen

eitelundgeziert(ugs.)

sich ineinenText ver-tiefen

Keim-zelle

Ver-ordnung,Erlass

kleineBrücke

Turn-gerät

bildendeKünst-lerin

scherz-haft fürArzt

von dortnach hier

fächer-förmigeFluss-mündung

weiden(Vieh)

Abk. fürEuropäi-sche Zen-tralbank

afrika-nischerStrom

Berufin derViehwirt-schaft

Abstrei-tender

Stadt inBaden-Würt-temberg

Flach-land

Steigenund Fal-len desWassers

unge-braucht

feste Ab-lagerungin Hohl-organen

Währungin Japan(100 Sen)

Einfall,Gedanke

Begeis-terung,Ver-zückung

Fluss imSauer-land(NRW)

Uni-versum

schmal;begrenzt

ein Baltebissiger,spöt-tischerMensch

Ent-gegen-nahme,Empfang

röt-lichesMetall

Weinglas Geburts-narbe

Abk. fürElektro-kardio-gramm

griechi-scherSagen-held

nervöseMuskel-zuckung

schott.Stam-mes-verband

Gebäude-teil Massage Papst-

kronespanisch:Hurra!,Los!, Auf!

Früchtezu etwastaugen,passen(sich ...)

Güte,Nach-sicht

Zünd-schnur

linkerNeben-fluss derFulda

heiser,kratzig(Stimme)

Ohren-arzt

Mandel-ent-zündung(lat.)

Meeres-vogel

nord-deutschfür Ried,Schilf

Abk. fürRaster-elektronen-mikroskop

Bogen-geschoss

Schaum-wein

Bundes-staatder USA

bayerisch:Almhirt

RomanvonÉmileZola

danach,dann

wenigbefrie-digend

Gestellz. Trans-portierenKranker

spani-scherArtikel

abge-rundetesQuarz-steinchen

männ-lichesBorsten-tier

engli-scheSchul-stadt

sichtäuschen

wohl-schme-ckend

Burg-,Kloster-saal

schlankund ge-schmei-dig

Kfz-ZeichenWeimar

Fischfett

einer Lähmung der linken Sei-te nach Jena überwiesen wurde. „Letztlich stellte es sich als ein Schlaganfall heraus, wobei keiner der klassischen aber auch keiner der selteneren damals bekannten Risikofaktoren bei dem Betroffe-nen zutraf. „Irgendwie passte das aber alles nicht so recht zusam-men. Wir haben daraufhin alles Mögliche bei ihm unter die Lupe

genommen. Aus heutiger Sicht dauerte das unendlich lange, hatte einen ganz anderen Zeitrahmen.“ Letztlich fanden wir Auffälligkei-ten im Bereich der Haut, die uns nach Durchführung einer Hautbi-opsie auf die richtige Fährte brach-ten. Es fand sich ein Sneddon-Syn-drom. Im Weiteren fanden sich dann bei ganz gezielter Suche im Labor auch noch Veränderungen,

Chefarzt Dr. Roger Schubert prüft die Augenbewegung bei einem neurologischen Patienten. Foto: Jörg Simanowski

die einem Antiphospholipidsyn-drom entsprachen. Insofern konn-ten wir ihm dann noch mit einem ganz speziellen Medikament hel-fen und ihn vor neuen Schlagan-fällen schützen.“

Die Neurologie erfordert auch heute noch krimina-listisches Gespür

Seither sind mehr als zwanzig Jah-re vergangen. Auf dem Gebiet der Neurologie hat sich inzwischen Enormes vollzogen. Kriminalisti-sches Gespür ist bei der Vielfalt der neurologischen Krankheiten jedoch nach wie vor von außeror-dentlichem Nutzen. Insgesamt sind es jährlich etwa 2100 neurologisch Erkrankte, die in der Geraer Klinik mit Krankheitssymptomen und –bildern wie Multiple Sklerose (MS), Schlaganfall, Parkinson, Epilepsie, Bandscheibenvorfällen, Polyneu-ropathie und Ausfallsyndromen aufgenommen, diagnostiziert und therapiert werden. Wenn Dr. Schu-bert zudem an solche Phänomene wie Schwindel, Kopfschmerz oder Migräne und ihre mannigfaltigen Erscheinungsformen denkt, wird ihm einmal mehr die Komplexität und Kompliziertheit seines Fach-gebietes vor Augen geführt. Für die in den meisten Fällen nicht ganz einfach zu ermittelnden Diagno-sen stehen dem hochqualifizierten Fachpersonal dabei moderne bild-

gebende Verfahren wie CT und MRT zur Verfügung. Zudem gab es in den letzten Jahren rasante Ent-wicklungen in den weiteren neu-rologischen Zusatzuntersuchungen wie Elektrophysiologie, Ultraschall und vor allem auch Laboruntersu-chungen z.B. des Nervenwassers. Auch hat sich aufgrund der neuen Erkenntnisse in den verbesserten Untersuchungen und der neuen Möglichkeiten das Grundverständ-nis von Erkrankungen und Diagno-sen grundsätzlich gewandelt, neue Erkrankungen, früher einem be-schreibendem Krankheitsbild zu-geordnet, wurden gefunden, wieder andere Diagnosen verschwanden.

Außerdem hat sich die enge in-terdisziplinäre Zusammenarbeit mit den Spezialisten anderer Fach-richtungen des SRH Wald-Klini-kums Gera längst bewährt. „Da-durch gelingt es uns zunehmend besser und sicherer,. solche Erkran-kungen wie z.B. Multiple Sklero-se früher zu diagnostizieren und durch Verabreichung moderner Medikamente wie z.B. monoklo-nale Antikörper aber auch durch die Gabe von schon etwas länger bekannten Medikamenten wie In-terferonen die Schubhäufigkeit zu senken und damit letztlich den Krankheitsverlauf und die Lebens-qualität zu verbessern“, gibt der Chefarzt der Neurologischen Kli-nik einen optimistischen Ausblick.

Klaus-Peter Kirsten

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Jahrgang 2017 | Nr. 1 AKTUELLES 7

Hohe Auszeichnung für SRH Wald-Klinikum Inklusionspreis der Wirtschaft würdigt die Bemühungen um Inklusion und Wiedereingliederung

bei Geras größtem Arbeitgeber

Manchmal schüttelt Jörg Stieglitz den Kopf, wie-viel Müll so in den Pa-

pierkörben landet. Jeden Morgen schaufelt er in seine Schubkarre, was andere liegen gelassen ha-ben. Den 20 Hektar großen Park am SRH Wald-Klinikum kennt er wie seine Westentasche. Seit 1981 arbeitet er als Gärtner hier. Bei jedem Wetter ist er unterwegs. Schon von weitem grüßt er und wird er gegrüßt. Von sich selbst sagt der 54-Jährige, „ich bin etwas langsamer als die anderen“. Jörg Stieglitz gehört zu den Mitarbei-tern mit Handicap, die am SRH Wald-Klinikum ihren Job haben.

Insgesamt sind am Kranken-haus derzeit 144 behinderte und schwerbehinderte Menschen beschäftigt. Das entspricht einer Quote von 8,4 Prozent und ist weit mehr als der Durchschnitt, der in Thüringen bei 4,6 Prozent liegt. Dieses Engagement wur-de inzwischen prämiert. Dem Klinikum mit seinen 1700 Mit-arbeitern wurde im Februar der Inklusionspreis der Wirtschaft 2016 in der Kategorie „Großes Unternehmen“ verliehen.

Beispielhaft für dieses Enga-gement steht auch Cornelia Arlt. Die ehemalige Krankenschwe-

ster konnte aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr auf Station arbeiten. Das betriebliche Ein-gliederungsmanagement funktio-nierte. Wenn Mitarbeitende nicht mehr am alten Arbeitsplatz tätig sein können, greift ein spezielles

Frühwarnsystem: Arbeitgeber, Betriebsrat, der betroffene Mit-arbeiter und weitere Partner wie Berufsgenossenschaft und Kran-kenkassen beginnen frühzeitig, nach einer Lösung zu suchen. Frau Arlt ist heute als Koordinatorin im

Adipositaszentrum tätig. Leicht ist ihr der Abschied vom alten Beruf zwar nicht gefallen, sagt sie, doch sie sei froh, nahtlos einen neuen Arbeitsbereich gefunden zu ha-ben. „Ich fühle mich rundum gut aufgehoben.“

„Längst sind Gesunderhaltung und Prävention wichtige Elemente in der Personalpolitik geworden, um das Fachpersonal im Unter-nehmen zu halten“, sagt Personal-leiterin Maria Görschel. Gerade in Pflegeberufen sei das Risiko gesundheitsbedingter Erwerbsun-fähigkeit hoch. „Für uns ist Inklu-sion ein wichtiges Instrument zur Sicherung des Fachkräftebestan-des“, so Maria Görschel. „Sie ist ohne Frage eine Win-Win-Situa-tion.“ Krankheitsbedingte Kündi-gungen gab es bislang nicht.

Der Preis

Unternehmen aller Größen-ordnungen haben sich 2016 für den Inklusionspreis der Wirt-schaft „Potenziale von Menschen mit Behinderungen“ beworben. Zu den Gewinnern in jeweils eigener Kategorie gehörte ne-ben dem SRH Wald-Klinikum Gera u.a. der Automobilkonzern AUDI. Verliehen wird der Preis vom UnternehmensForum, der Bundesvereinigung der Deut-schen Arbeitgeberverbände, der Bundesagentur für Arbeit und der Charta der Vielfalt.

Katrin Wiesner

Arbeiten trotz gesundheitlicher Einschränkungen: Jörg Stieglitz und Cornelia Arlt. Fotos: Harms

Mit einer neuen Thera-pie, die mit Licht und Farbstoff gezielt gegen

Bakterien vorgeht, könnten künf-tig chronische Wunden besser be-handelt werden. Ärzte hoffen auf die photodynamische Therapie (PDT), deren Wirkungsweise bei nichtheilenden Wunden derzeit in einer klinischen Studie dokumen-tiert wird. Die Hautklinik und das Zentrum für klinische Studien am SRH Wald-Klinikum Gera  haben mit der Behandlung der ersten Pa-tienten  begonnen, berichtet Chef-arzt Priv.-Doz. Dr. Martin Kaatz.

Beim Verfahren der PDT arbei-ten zwei Komponenten zusam-men: ein lichtempfindlicher Farb-stoff und Licht einer bestimmten Wellenlänge. Jede Komponente für sich ist wirkungslos. Das än-dert sich erst, wenn sie aufeinan-dertreffen. Wird der Farbstoff auf

die Wunde aufgetragen, dringt er nur in bestimmte Bakterien-arten ein, während Hautzellen ihn nicht aufnehmen. So können Ärzte ganz gezielt vorgehen: Die entsprechende Lichtfarbe aus dem Laser aktiviert den Farbstoff, der schließlich das Absterben der Bakterienzellen herbeiführt.

Das Prinzip ist bei der Behand-lung oberflächlicher Hauttumore und Krebsvorstufen bereits eta-bliert. Nun soll die Wirkungswei-se bei chronischen Wunden er-forscht werden, erklärt Dr. Kaatz. Die Ärzte erhoffen sich eine

„milde Behandlung ohne Neben-wirkungen, die auch betagte Pa-tienten mit Begleiterkrankungen vertragen“.  Ein Vorteil ist, dass die Anwendung lokal erfolgt,  also auf die direkt betroffenen Bereiche beschränkt bleibt.

Normalerweise ist es ein aus-geklügelter biochemischer Pro-zess, mit dem unser Körper auf Verletzungen reagiert. Zellen, Botenstoffe und andere Substan-zen arbeiten zusammen daran,  die offene Stelle schnellstmöglich zu schließen. Doch zunehmend gibt es Patienten, bei denen die

Wunde in einer bestimmten Phase verharrt, beobachtet Dr. Martin Kaatz. Gründe können Durchblutungsstörungen, Dia-betes, hoher Blutdruck oder eine Immunschwäche sein. Ist eine of-fene Stelle nicht binnen acht Wo-chen geschlossen, dann sprechen Ärzte von chronischen Wunden. Zumeist sind ältere Menschen betroffen. Ein typisches Beispiel  ist das „offene Bein“, ein von der Venenschwäche ausgelöstes, schlecht heilendes Unterschenkel-geschwür.

Fast immer sind bei einer Wundheilungsstörung Bakterien

im Spiel. Sie behindern die Hei-lung aktiv oder durch die Bildung eines Biofilms, eines feuchten Be-lages aus Bakterien und Pilzen. Auch gramnegative Bakterien, die oft resistent gegen Antibiotika sind, bremsen die Heilung, selbst ohne eine spürbare Entzündung auszulösen.

Vorerst sollen in Gera zehn Pa-tienten in die bundesweite Studie eingeschlossen werden. Jede Be-handlung ist mit einer präzisen Analyse und akribischen Doku-mentation verbunden. Die Kli-nik hat dafür mit dem Multipho-tonen-Lasertomographen beste technische Voraussetzungen. Das Gerät ermöglicht, bis in die obe-ren Hautschichten zu blicken, Zel-len darzustellen und ihre Verän-derung zu verfolgen, ohne dafür Gewebe entnehmen zu müssen.

Chronische Wunden sind ein ernsthaftes Problem, so Dr. Mar-tin Kaatz.  Sie belasten den Kör-per und das Immunsystem, sie schmerzen und schränken die Beweglichkeit ein, sie können zu Herden für gefährliche Entzün-dungen werden. Die Betroffenen empfinden zudem die ständigen Arztbesuche und die unansehnli-che Stelle als sehr belastend. Die Behandlung ist  langwierig und wird durch zunehmende Antibio-tika-Resistenzen erschwert, so Dr. Kaatz. „Wir erhoffen uns von der Photodynamischen Therapie nun endlich einen neuen Ansatz.“ Katrin Wiesner

Einfach mal abschalten und malen

Für werdende Mütter mit Risi-koschwangerschaften gibt es am SRH Wald-Klinikum während der oft langen Aufenthalte ein besonderes Angebot

„Kunst schreckt ab, naja, und das Wort Therapie auch.“ Mandy Voigt, die Kunsttherapeutin, lä-chelt. Wenn sie an die Kranken-zimmer der Geburtshilfe klopft und sich vorstellt, lädt sie deswe-gen auch erst einmal zu einer ganz persönlichen Auszeit ein. Die "Kunsttherapie", die kommt erst im nächsten Satz.

Jeden Mittwoch macht sich Man-dy Voigt mit Farbe und Pinsel, Schere, Leim und Filz auf den Weg in die Geburtshilfe. Zu wer-denden Müttern, die wegen ei-ner Risikoschwangerschaft oft mehrere Wochen im Kranken-haus verbringen müssen. Einige dürfen das Bett nicht verlassen. Dazu gehören auch die beiden Frauen, die die Kunsttherapeutin an diesem Mittwoch besucht. Auf dem Nachttisch stehen nebenei-nander: ein gefilzter Glückspilz, ein Häuschen als Windlicht, eine Geburtskerze, die noch nicht an-gezündet ist. „Das Gespräch mit Frau Voigt tut mir immer wieder gut, ich freue mich richtig dar-auf. Wenn man acht Wochen hier liegt, ist es auch schön, jemanden zu sprechen, der nicht direkt vom Krankenhaus ist.“ Sie sei ja nicht krank, sagt die Frau mit der kom-plizierten Schwangerschaft und zögert: „Aber eigentlich stimmt das ja auch wieder nicht.“

Heute verzieren die Frauen kleine Bilder mit geometrischen Mus-tern – die Kunst muss beherrsch-bar sein. „Ich kann ja auch gar nicht malen“, lacht die Bettnach-barin. Auch ihre Schwangerschaft läuft anders als erhofft. Acht Wo-chen soll das Ungeborene min-destens noch Zeit haben, sich im Mutterbauch zu entwickeln. Für die 39-Jährige ein Schwanken zwischen Hadern und Sich-Ge-dulden, zwischen Hoffen und Bangen. „Natürlich hören die Ge-danken nie auf, um das Ungebore-ne zu kreisen, aber der Fokus liegt in dieser Zeit ganz auf den Frau-en selbst“, sagt Mandy Voigt. Die junge Frau im Bett bestätigt: „Ich kann einfach mal abschalten, ich konzentriere mich nur auf unsere Bastelei – und das tut gut“.

Seit zwei Jahren gibt es das au-ßergewöhnliche Angebot in der Geburtshilfe, das keine Kranken-kasse trägt. Inzwischen hat es sich herumgesprochen und wird gut angenommen. Und so wird Man-dy Voigt auch nächsten Mittwoch wieder mit den Malutensilien in die Klinik kommen. Sie ist sich sicher: „Das Wohlbefinden, das während des kreativen Entde-ckens empfunden wird, beein-flusst positiv die Frau und damit auch das ungeborene Kind.“

Katrin Wiesner

Schonend, aber effektiv: Licht und Farbstoff sollen Wunden heilen helfen

Eine Studie erforscht die Wirksamkeit der photodynamischen Therapie bei der Behandlung chronischer Wunden. Ärzte des SRH Wald-Klinikum Gera sind beteiligt und hoffen auf einen neuen Ansatz.

Priv.-Doz. Dr. Martin Kaatz

So sieht es aus, wenn man mit einem modernen Lasertomographen von außen tief in die Haut blickt. Foto: Helene Fischer

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Jahrgang 2017 | Nr. 1AKTUELLES8

Der heiße Draht

Notaufnahme / RettungsstelleTel. 0365 828-2910Chefarzt Dipl.-Med. Ronald KämpfAnästhesiologie und IntensivmedizinChefarzt Priv.-Doz. Dr. med.Gerhard KuhnleTel. 0365 828-2801AugenheilkundeChefarzt Dr. med. Jörg SeewaldTel. 0365 828-4801Allgemein-, Viszeral- und KinderchirurgieChefarzt Prof. Dr. med. ThomasManger, Tel. 0365 828-3101Brustzentrum OstthüringenChefarzt Dr. med. Dirk-MichaelZahm, Tel. 0365 828-4151Frauenheilkunde und GeburtsmedizinChefarzt Dr. med. NormanKrause, Tel. 0365 828-4101Gastroenterologie, Hepatologieund Allgemeine Innere MedizinChefarzt Prof. Dr. med. Uwe WillTel. 0365 828-2401Hals-Nasen-Ohrenheilkunde/Plastische OperationenChefarzt Prof. Dr. med. AndreasMüller, Tel. 0365 828-2651Hautkrankheiten/AllergologieChefarzt Priv.-Doz. Dr. med.Martin Kaatz, Tel. 0365 828-7701Kardiologie und internistischeIntensivmedizinChefarzt Dr. med. Martin Win-terhalter,Tel. 0365 828-2101Kinder- und JugendmedizinChefarzt Dr. med. Lutz HempelTel. 0365 828-5151NeurologieChefarzt Dr. med. Roger SchubertTel. 0365 828-4501OrthopädieChefarzt Dr. med. Rando KarlWinter, Tel. 0365 828-3741Sprechstunde: 0365 828-3730PalliativmedizinChefarzt Prof. Dr. med. MichaelKretzschmarTel. 0365 828-7951Physikalische und rehabilitativeMedizinChefärztin Dr. med. Dörthe Meierhof,Tel. 0365 828-6501Pneumologie/Infektiologie,Hämatologie/Onkologie,DiabetologieChefärztin Prof. Dr. med. SusanneLang, Tel. 0365 828-2151Psychiatrie und PsychotherapieChefarzt Dr. med. Thomas JochumTel. 0365 828-4601Psychosoziale Beratungsstelle für Krebskranke und AngehörigeLeiterin Diplom-PsychologinFranziska JahrTel. 0365 828-2175RadiologieChefarzt Prof. Dr. med.Joachim BöttcherTel. 0365 828-6101SchmerztherapieChefarzt Prof. Dr. med.Michael KretzschmarTel. 0365 828-2941Strahlentherapie/RadioonkologieChefärztin Dr. med. Priska BankTel. 0365 828-7551Thorax- und Gefäßchirurgie/AngiologieChefarzt Priv.-Doz. Dr. med.Thomas Lesser,Tel. 0365 828-3151Unfallchirurgie/HandchirurgieChefarzt Prof. Dr. med. ReinerOberbeck, Tel. 0365 828-3601Urologie und KinderurologieChefarzt Priv.-Doz. Dr. med.Andreas SchlichterTel. 0365 828-7151Wirbelsäulenchirurgie und NeurotraumatologieChefarzt Dr. med. Jörg SilbermannTel. 0365 828-3701Zentrum für klinische StudienLeiter Priv.-Doz. Dr.med. MartinKaatz, Tel. 0365 828-7758

Warum uns die Haare ausgehenStumpfe Haare zeigen nicht selten ungünstige Lebensumstän-de an wie langanhaltenden Stress, Arbeitsüberlastung, Vitaminman-gel oder medikamentöse Neben-wirkungen. Übrigens kann auch falsche Pflege die Haare leiden las-sen – Haarausfall bewirkt das aber in der Regel nicht.

Diffuser Haarausfall durch Ekzeme (Kopfhautentzündung), nach den Wechseljahren, vor und nach einer Geburt. Schon wäh-rend der Schwangerschaft kann das Haar dünner werden und ausfallen. Auch kurze Zeit danach leidet manchmal noch die Haar-qualität. Aber das Haar erholt sich dann normalerweise rasch und wächst nach. Viele Schwangere berichten jedoch während ihrer Schwangerschaft auch über sehr dichtes Haar.

Haarausfall kann sich auch als Ne-benwirkung von Medikamenten zeigen, beispielsweise bei Chole-sterinsenkern, Mitteln zur Blut-verdünnung oder Betablockern gegen Bluthochdruck. Seltener wird Haarausfall durch eine Ver-giftung ausgelöst. In Einzelfällen kann hinter dem „Haarausfall“ auch eine psychische Erkran-kung stecken. Manche Menschen verspüren den Zwang, sich bei Anspannung Haare auszureißen. Diese Verhaltensstörung heißt Trichotillomanie.

Haarausfall und Stress – wie hängt das zusammen? Stress al-lein ist nie die Ursache für einen Haarausfall, meist liegt bereits eine andere Ursache vor, die durch Stress verstärkt werden kann. Die Haarwurzeln sind von einem eng-maschigen Nervennetz umgeben, Stressbotenstoffe werden zum Teil direkt in der Haarwurzel gebil-det. So kann Stress auf Dauer die haarproduzierenden Zellen be-einflussen und dabei nicht nur für eine Verfärbung sorgen, sondern ebenso akuten Haarausfall verur-sachen. Gleichzeitig ist auch ein

vermehrter Spiegel von Stresshor-monen (Adrenalin) ungünstig für das Haarwachstum. Stress für das Haar ist auch ein vermehrter Zug (Traktionsalopezie). Werden Haare intensiv geflochten oder durch Kunsthaar beschwert, kann ein Haarausfall auch befördert werden.

Kreisrunder Haarausfallist eine immunologisch bedingte Erkrankung unbekannter Ursa-che bei der Entzündungszellen den Haarfollikel angreifen, die auch durch Stress verstärkt wer-den kann. Extreme Formen gehen mit einem kompletten Haarverlust auch der Wimpern, Augenbrauen und Achsel einher. Meist sind zwar nur die Haare betroffen, es können

aber auch häufiger andere Auto-immunerkrankungen auftreten.

Anlagebedingter Haarausfall (androgenetische Alopezie): Bei manchen Männern und Frauen reagieren Haarwurzeln über-empfindlich auf das männliche Geschlechtshormon Dihydro-testosteron. Der Lebenszyklus des Haares verkürzt sich und es wächst immer spärlicher nach. Die Veranlagung wird vererbt, muss sich aber nicht durchsetzen.

Infektionen: Infektionen kön-nen ebenfalls eine wichtige Quelle für Haarausfall sein. Insbesondere bei den im Kindesalter nicht sel-tenen Pilzinfektionen ist auch eine Vernarbung möglich.

Dünner werdende Haarekönnen auch ein Zeichen für eine Schilddrüsenfunktionsstörung und/oder eine andere Störung der Hirnanhangsdrüse sein. Des-halb werden bei rasch dünner werdenden Haaren, die ihren Glanz verlieren, und gleichzeitig bestehendem Haarausfall auch die Schilddrüsenwerte mit be-stimmt. Dabei können sowohl Unter- als auch Überfunktion das Haarwachstum beeinflussen, er-klärt Priv.-Doz. Dr. Martin Kaatz, Chefarzt der Hautklinik am SRH Wald-Klinikum Gera. „Rein kli-nisch haben Patienten mit einer Schilddrüsenfunktionsstörungen jedoch noch viele andere Be-schwerden, die einen Hinweis auf eine Fehlfunktion geben.“

Seit 2010 leiten Sie die Geschicke des SRH Wald-Klinikums. Wie verflixt war das siebte Jahr, das gerade hinter Ihnen liegt?

Es war ein normales Jahr, das gut gelaufen ist, Herausforderun-gen hatte, aber nicht so schicksal-haft war, wie man es sich vorstellt. Wir sind modernes, medizinisch, pflegerisch und wirtschaftlich gut aufgestelltes Haus. Und die Auf-gabe der Geschäftsleitung ist es, die große Linie zu halten und zu

sagen, wo es hingeht und nach zu regulieren, wenn es notwendig ist.

Was waren Ihre wichtigsten Entscheidungen in den sieben Jahren?

Erstens nach Gera zu kommen und zweitens einen Führungsstil einzuführen, der davon ausgeht, dass es mit Motivation besser läuft als mit Zwang und Kontrolle. Eine wichtige Entscheidung war aber auch, Medizinische Versorgungs-zentren zu gründen, um Praxen zu erhalten. Das ist wichtig für Pati-enten, aber auch ein Angebot für unsere Ärzte.

Seit zwei Jahren führen Sie zwei Kliniken. Wie geht es Ihnen dabei?

Mir persönlich gut. Man muss natürlich entscheiden, was dring-lich und wichtig ist. Sonst wird es ein Spiel ohne Grenzen.

Was treibt Sie an?Vor allem die Möglichkeit, eine

persönliche Vorstellung umset-zen zu können. Das gelingt zwar nicht immer, aber oft eben doch: Wir haben eine Wirbelsäulenchi-rurgie aufgebaut, ein einzigartiges Schmerzzentrum gegründet, wir

Nicht nur des Aussehens wegen lohnt sich ein kritischer Blick auf das eigene Haar. Foto: Fotolia, Africa Studio

Unerwünschte Körper-behaarung betrifft vor allem Frauen – Männer leiden unter Haarausfall. Die meisten Fälle von lästigem Bartwuchs etc. treten im Zusammenhang mit der hormo-nellen Umstellung in den Wechsel-jahren auf und beim sogenannten Polyzystischen Ovarialsyndrom. Bei letzterem vergrößern sich die Eierstöcke und bilden Zysten. Auch beim „Cushing-Syndrom“, einer Störung der Nebennieren-funktion kann es bei Frauen zu starker Körperbehaarung kom-men. Man sollte diese Symptome auch wirklich ernstnehmen, da neben der Kosmetik auch massive andere Gesundheitsstörungen da-mit verbunden sein können.

Haare und Nägel: Diese bei-den sogenannten Hautanhangs-gebilde sind eng miteinander verwandt und bei vielen Erkran-kungen gleichzeitig betroffen, etwa bei der Knötchenflechte, der Schuppenflechte oder auch bei Ekzemen. Schwere Erkrankungen, Vitaminmangel oder Hormonstö-rungen können sich sowohl an Haut und Nägeln auswirken.

Fazit: Insbesondere bei plötzli-chem diffusen Haarausfall oder Haarausfall, der mit anderen Sym-ptomen vergesellschaftet ist wie Übergewicht, Muskelschwäche, Diabetes, sollte eine Ursachen-suche eingeleitet werden, die vor allem hormonelle Gründe, aber auch Mangelzustände, Infektio-nen oder in selten Fällen auch Tu-moren ausschließen sollte, emp-fiehlt Chefarzt Dr. Kaatz.

Katrin Wiesner

Gut zu wissen: Kürzlich wurde das Gen für das Ergrauen der Haare, bei der die Haare die Pigmentproduktion einstellen, entdeckt. Ob sich spä-ter ein Weißwerden verhindern lässt, ist jedoch noch nicht geklärt.

Nix mit verflixt – Rückblick nach sieben JahrenDr. Uwe Leder, Geschäftsführer des SRH Wald-Klinikums, über Führungsstil,

Motivation und soziale Netzwerke

haben ein klinisches Studienzen-trum ans Haus geholt, wir hatten die deutschlandweit erste Verein-barung mit einer Krankenkasse zur Behandlung adipöser Patienten. Da steckt immer eine ganz persön-liche Entscheidung dahinter.

Sie streifen gern durch die Stra-ßen der Stadt und schießen Fotos, die Sie dann in sozialen Medien veröffentlichen. Was be-deutet das für Sie?

Nach einem Tag konzentrierten Arbeitens versuche immer noch eine Runde zu drehen, die Ge-danken freizulassen, und finde ich dabei ein Fotomotiv – dann klack. Aber wer macht das schon gern allein für die heimische Festplatte? Also fing ich an, die Fotos in so-zialen Netzwerken hochzuladen. Ich hätte nie gedacht, dass das so gut läuft. Es macht Spaß und als Jenenser fühle mich dem Geraer verbunden. Wenn man viel unter-wegs ist und viele Leute kennen-lernt, gehört man ein Stück dazu.

Die Jungen Ärzte gibt es nicht nur im Fernsehen, sondern auch in der Realität. Selbstbewusst, gut be-zahlt und gern in Teilzeit. Sie sind

ja selbst Arzt – was ist dran am Klischee der neuen Generation?

Ich habe einen sehr guten Ver-gleich zu meiner Jugendzeit, da war man als junger Arzt schwer ausgenutzt, das Privatleben war nur im Tarnmodus möglich, mit drei Kindern war ich ein Exot. Das hat sich Gottseidank norma-lisiert. Und warum soll ein Arzt nicht normale Arbeitszeiten ha-ben? Wir sollten den Anschluss nicht verlieren an das, was wirk-lich wertvoll ist.

Gibt es ein wandelndes Selbst-verständnis auch in der Pflege?

Auf jeden Fall, das sehen wir an den Teilzeitbegehren – die kommen nicht von den Mittfünf-zigern, sondern den Jungen. Die Leute wollen ihr Leben leben.

Und wie haben sich die Erwar-tungen der Patienten geändert?

Das gibt es schon, dass der Ange-hörige dank Dr. Google über eine seltene Krankheit besser informiert ist als der Arzt. Aber das Vertrau-ensverhältnis zwischen Arzt und Patient hat sich nicht verändert. Wenn der Arzt einem Kranken eine Behandlung empfiehlt, dann

Wir kriegen graue Haare, wenn wir uns zu sehr sorgen. Uns stehen die Haare zu Berge, wenn wir entsetzt sind. Und Bibelfeste wissen, Simsons Kraft lag in seinen Locken. Wenn wir also über Haare reden, dann geht es nicht allein

ums Aussehen. Haare können etwas über unsere Gesundheit verraten.

vertraut der Patient ihm nach wie vor. Kein Patient will eine solche Entscheidung alleine treffen.

Wo sehen Sie sich, sagen wir, in sieben Jahren?

In Gera und Suhl.

Katrin Wiesner

Zur Person:Uwe Leder wächst in  Zella-Meh-lis  auf, studiert in Jena Medi-zin,  ist Facharzt für Kardiologie und hat sich als Hochschullehrer habilitiert. Mit 38  Jahren  wech-selt der Vater von 3 Töchtern von der Medizin ins Management ei-nes Uniklinikums und schließt ein Zweitstudium  der  Gesundheits-ökonomie  an.  2007  wird er  Ge-schäftsführer im St. Georg Klini-kum Eisenach, 2010, in der heißen Phase der Generalsanierung, übernimmt er die Leitung des SRH Wald-Klinikums Gera. 2015 kommt die Geschäftsführung im Schwesterhaus SRH Zentralklini-kum Suhl hinzu. Aus der anfäng-lichen Übergangslösung wird ein Doppelamt mit erfolgreicher Bilanz.