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17 - 20
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In diesem Heft
Sprung ins kalte Wasser:
Christian Fromm, Neuzugang beim VfB
Friedrichshafen, hechtet in den Bodensee.
Foto: Conny Kurth
Titelfoto:
Kreativität im Trainingsbetrieb
Defensive vor Offensive
Kinder
Rubriken
volleyball-training
Kinder
Qutdoor
Indoor
Beach- Turnier des TV Mesum
Ein Dorf spielt verrückt
Nach der DM und EM
Halle versus Beach
DVV-Frauen:
EM-Check - Kader - Spielplan
DVV-Männer bei der EM
Das Warten auf Edelmetall geht weiter
Sebastian Schwarz: Die Entdeckung
Europameister Polen:
Ein Land steht Kopf - EM-Statistik
Service: Produktneuheiten
Vorschau - Termine - Impressum
Flash: Spieler des Monats - News
"Welch ein Sommer!" So
hatten wir Sie im Editorial
der letzten Ausgabe begrüßt
und dann all die Erfolge auf
gelistet, die deutsche Volley
baller in den letzten Mona
ten eingeheimst hatten.
Nun folgt die Fortsetzung.
Sara Goller und Laura Ludwig gewannen Silber
bei der Beach-EM im russischen Sochi. Und die
Männer-Nationalmannschaft verdrängte die Ent
täuschung über das Verpassen einer EM-Medaille
durch die Qualifikation für die Weltliga 2010.
Das Volleyball-Sommermärchen geht also weiter
und das mit erfreulichen Nebenwirkungen: Bei
den Recherchen für das 40-seitige Bundesliga
Special, das erneut in Kooperation mit der Deut
schen Volleyball-Liga entstanden ist, war bei unse
ren Gesprächspartnern in den Klubs eine fast
schon euphorische Stimmung zu spüren, aus
gelöst von den Nationalteams.
So verbreiten unsere weltmeisterlichen Junio
rinnen, die für fünf Erstligisten ans Netz gehen,
goldenen Glanz bei den Frauen. Und auch in der
Männer-Liga dürfen wir uns auf jede Menge
Spielerpersönlichkeiten freuen. Generali Haching
kann gleich fünf Nationalspieler aufbieten. Trainer
Mihai Paduretu verkündet im Brustton der Über
zeugung: "Wir wollen Meister werden." Gut so,
den Mutigen gehört die Welt.
Erlauben Sie noch eine Anmerkung zu unserem
Titelbild: In Friedrichshafen gab es Bedenken, die
Spieler für ein Fotoshooting nicht nur an, sondern
sogar in den Bodensee zu schicken. Dadurch - so
die Sorge - werde der Eindruck erweckt, dem
Rekordmeister drohe der Untergang. Wir sa.gen:
Immer schön locker bleiben, wahrscheinlich wird
der VfB mal wieder Meister und hat seinen Fans
obendrein noch diese außergewöhnlichen Fotos
gegönnt. Als schöner Blickfang machen sie
Appetit auf die Saison. Es kann also losgehen.
Ihr Klaus Wegener
Die Vorfreude steigt
Wenn der heimische Turnverein zum Sandplatz ruft,
steht im westfälischen Mesum für zwei Tage alles still.
Dann wollen die Einwohner nur eins: Volleyball spielen
Ein Dorf spieltverrücktDas Ortseingangsschild "Mesum" scheint frisch geputzt. Ein strahlen
des Schmuckstück, doch heute bemerkt das keiner. Die Straßen sind
wie leer gefegt, selbst vor der Mesumer Dorfkirche herrscht um elf
Uhr seltsam gedämpfter Betrieb. Der Grund dafür ist geschätzte 100
Meter vom Gotteshaus zu finden - auf dem Beachvolleyball-Platz. Für
zwei Tage ist dieser Ort die Pilgerstätte der Mesumer, denn dort findet
der jährliche Dorfpokal satt.
88 Teams haben sich für das Event angemeldet. Zwei Tage Party, Sand
und Sport für ein ganzes Dorf. "Das ist nach Schützenfest, Karneval
und Kirmes unsere vierte Jahreszeit", sagt Chef-Organisator Martin
Kraken. Seine Stimme hört sich an wie die von Joe Cocker nach drei
Konzerten und mehreren Flaschen Whiskey. "Wir haben Samstag
nacht gebührend gefeiert", gibt Kraken zu und freut sich, dass die
Courts und die Zuschauerplätze auch am zweiten Turniertag aus allen
Nähten platzen.
Kegelklubs, Handballer, Hausfrauen, Schüler oderdie Feuerwehr - hier darf jeder mitschmettern
Zum zwölften Mal veranstaltet der Volleyball-Abteilungsleiter des TV
Mesum mit seinen Helfern dieses Event. Auf drei Sand plätzen. Die sind
übrigens nicht von beauftragten Handwerkern gebaut worden, son
dern von ortsansässigen Volleyballsympathisanten. "Unsere Beach
anlage hat für das ganze Dorf einen hohen Wiedererkennungswert",
sagt Kraken: "Dadurch sind wir als Einwohner noch enger zusammen-
gerückt." Nun freut sich der Organisationschef, dass er mit seinem
Dorfpokal etwas zurückgeben kann.
Die Mesumer nehmen das Angebot dankend an. Kegelclubs, Tennis
vereine, Fußballer, Handballer, Schüler, Hausfrauen - sie alle sind
gekommen und zeigen ihr Können im feinkörnigen Sand. Dabei ist der
Begriff Können relativ - die Spiele haben teilweise wenig mit Volley
ball zu tun. "Es geht uns nicht darum, jeden Fehler zu sanktionieren.
Die Leute sollen Spaß haben und gemeinsam spielen", sagt Kraken.
Bei Unfällen jeglicher Art gehört ein kühles Pilszu den wichtigsten ärztlichen Sofortmaßnahmen
Und das tut jeder nach seinen Möglichkeiten: Ein Spieler des Teams,
das als Schlägertruppe aufläuft, sucht den direkten Zweikampf mit
dem Netz und verliert ihn mit einer Fast-Erdrosselung. Anschließend
gibt es viele helfende Hände, reichlich Bier und Gelächter für den Fein
motoriker mit dem in Mitleidenschaft gezogenen Hals. Ähnlich dra
matisch ist die Szene mit der Spielerin der Mannschaft Talentfrei
beim Versuch, einen Schmetterball mit dem Gesicht abzuwehren. Der
Rettungsdienst zögert keine Minute und behandelt die leicht blutende
Frau umgehend. Auch in diesem Fall ist ein kühles Bier die am
schnellsten wirkende Medizin.
"Wenn ich mich zurückerinnere, kann ich gar nicht glauben, was aus
unserer Dorfpokal- Idee entstanden ist", sagt Dietmar Gehling, der
bisher an jedem Mesumer Happening teilgenommen hat. "Begonnen
haben wir mit einem Dutzend Teams. Das
waren reine Volleyball-Cracks." Ganz ent
gegen der heutigen Vielfalt mit Männer-,
Frauen-, Mixed- und Kinderteams. Letztere
sind zwar erst zum zweiten Mal dabei, dafür
aber mit ganz besonderem Elan. In jedem
Kinderteam darf ein Erwachsener mitspielen,
jedoch wird davon kaum Gebrauch ge
macht. Der Nachwuchs bleibt lieber
unter sich, spielt aber schon wie die
Großen. So wie das Team Die Maden,
eine Jungenmannschaft, die eigentlich
Fußball spielt. Selbst in den Pausen
stürmen die Jungs aufs Feld und ver
suchen, den Ball über das Netz zu
dreschen.
Die pure Begeisterung herrscht auch
bei den Spielern, die extra für das
Turnier angereist sind: Aus Hamm,
Impressionen einer tollen
Veranstaltung: Wenn in
Mesum gebaggert wird,
steht das ganze Dorf Kopf
Münster, Emsdetten oder Dortmund. "Eigent
lich ist das Turnier für die Mesumer", sagt
Kraken, "aber mittlerweile kriegen wir von
überall Anfragen." Viele Absagen muss der
Macher erteilen, die Kapazitäten sind restlos
ausgeschöpft. Schon die Anmeldung ist ein
kleines Kuriosum und - wie sollte es anders
sein - eine Party. Die Teilnahme
berechtigung kann nur per
sönlich vergeben
werden. An einem bestimmten Abend pilgern
die Mesumer zum Beachvolleyball-Platz und
treten nacheinander an den Tisch, um ihre
Anmeldung bekanntzugeben. "Dadurch bleibt
das Turnier in Mesumer Hand und keiner aus
einer anderen Stadt macht hier jemandem
die Teilnahme streitig", erklärt Kraken.
Zudem werden keine semi-professionellen
Teams zugelassen. "Das hier ist reiner Ama
teurbereich", sagt Kraken und verweist auf
die Sieger-Preise: Gutscheine, die in Mesu
mer Kneipen oder Geschäften eingelöst wer-
den können. Gerüchte besagen, dass der
Organisator persönlich am Samstag
abend die Einlösung des lOO-Euro-Knei
pengutscheins des Sieger-Teams bei
den Männern überwachte.
Was hingegen mit dem 30-liter-Fass
geschah, das als Spaßpokal an Mesums
Feuerwehrkapelle ging, bleibt unbe
antwortet. Sicher ist, dass sich die
Musiker diesen Preis redlich verdient
haben. Mit Pickelhauben - bei 36
Grad und brennender Sonne - unter
brachen die Blasehasen immer ~
wieder das Turnier, um zum Marsch quer über
die Felder zu animieren. Johlen, klatschen,
tanzen. "Sensationell, was die hier für eine
Stimmung erzeugt haben", sagt Kraken. Ganz
nebenbei überzeugte die Feuerwehrkapelle
auch sportlich: Platz drei beim Mixed-Turnier.
Vom Erfolg des Dorfpokalsprofitiert auch derTV Mesum
"Ich hoffe, dass unser Turnier für andere Dör
fer ein Beispiel ist", sagt Kraken. Der Abtei
lungsleiter weiß, wie viel Begeisterung das
und geht wie ein Galeeren-Kapitän auf Men
schenfang. Trommelnd und rufend belustigt
er die am Spielfeldrand stehenden Massen.
"Unser Sport lebt auch von der Geselligkeit",
weiß Kraken. Sein Appell: "Wir sollten auf
hören, uns hinter anderen Sportarten zu ver
stecken und endlich offensiv vorangehen. Es
wird doch angenommen."
Tatsächlich berichten die meisten Besucher,
sie seien nicht zum ersten Mal dabei: "Wir
kommen schon seit Jahren hierher - und im
nächsten bestimmt auch wieder", sagt Sina
Schulze vom Team Alkohol schwimmt immer
Während Kindermassen auf der Hüpfburg auf
und nieder wippen, stehen die Erwachsenen
lachend und redend beieinander. "Hier trifft
man das ganze Dorf", sagt Norbert Brink von
der Schlägertruppe. "Das ist hier auch Sehen
und Gesehen werden", ergänzt Gehling.
Die Mesumer sind dankbar, dass Martin Kra
ken und sein Team eine Institution kreiert ha
ben und fortleben lassen, die sie als Bereiche
rung für ihr Dorf empfinden. "Wir planen teil
weise bis zu einem halben Jahr an diesem
Event", berichtet Kraken: "Und jährlich haben
wir neue Rekorde zu verzeichnen."
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Die schönen Seiten des Mesumer Dorfpokals: Eswird gespielt, gejubelt, gefeiert und zwischen den Vorstellungen im Sand musiziert
Dorfpokal-Wochenende vor allem beim Nach
wuchs erzeugt. Und davon profitiert auch der
Sportverein. "Letztes Jahr konnten wir nach
dem Turnier bei den Mädchen neue Mann
schaften bei der E- und der D-Jugend aufma
chen. Zudem sind 19 Jungs neu in unserer
Abteilung aufgenommen worden." Für Kraken
sind solche Zahlen der Beleg, dass er auf dem
richtigen Weg ist: "Wir haben mittlerweile
Anmeldelisten bis ans Ende der Welt."
Er -selbst heizt den Boom mit an. Wenn die
Blasehasen eine Verschnaufpause benötigten,
schnappt sich Kraken kurzerhand eine Trom
mel, die die Hälfte seines Körpers bedeckt,
oben. Und Jennifer Geier vom Finalisten SC
Sprakel ergänzt: "Eins ist sicher: Das wird
hier nicht unser letzter Auftritt in Mesum ge
wesen sein."
Bis ZU einem halben Jahr planen
die Organisatoren am Event
Genauso wenig wie für die Hüpfburg, die für
die vielen Kinder aufgebaut wird. "Das ist hier
mittlerweile eine Institution. So können sich
die Eltern mal um ihre Bedürfnisse kümmern,
während sich die Kids austoben", weiß der
Dorfpol<al-Routinier Gehling.
So viele Teams, so viele Zuschauer, so viele
getrunkene Liter Bier, so viele vertilgte Grill
würstchen wie in diesem Jahr sind beim Dorf
pokal noch nie gezählt worden. Wobei Kraken
genau weiß, dass das Wetter eine entschei
dende Rolle spielt. Dieses Jahr durfte sich
Mesum über zwei Tage strahlende Sonne und
brütende Hitze freuen.
Sonntagabend, als die Wettkämpfe ihr Ende
erreichten, war der 8400-Einwohner-Ort noch
immer wie leergefegt. Niemand - aber wirk
lich niemand - erfreute sich am glänzenden
Ortseingangsschild. Und der Kirchplatz war
weiter verwaist. Rafael Buschmann.