30
JPN Journal www.deinejpn.de Ausgabe 1* • Mai 2013 Magazin der Jungen Presse Niedersachsen Landesverband der Jugendpresse Deutschland

Journal 13-1

Embed Size (px)

DESCRIPTION

 

Citation preview

Page 1: Journal 13-1

JPN Journal

www.deinejpn.de

Ausgabe 1* • Mai 2013

Magazin der Jungen Presse NiedersachsenLandesverband der Jugendpresse Deutschland

Page 2: Journal 13-1

Impressum

Prolog

Junge Presse Niedersachsen e.V.Borriesstraße 2830519 Hannover

Fon (05 11) 83 09 [email protected]://jungepresse-online.de/

JPN-Journal 1/131. Quartal 2013

Herausgeberin & VerlagJunge Presse Niedersachsen e.V. (JPN)Borriesstraße 2830519 Hannover

Auflage30 Exemplare & Online

DruckSelbstdruck

Redaktion:Marvin UhdeRamona LienhopLuisa Meyer

Layout & Illustrationuhdebuff wuag

V.i.S.d.P.Marvin UhdeFindorffstr. 6828215 Bremen

BankverbindungKonto-Nr.: 7001-306Postbank HannoverBLZ: 250 100 30

ErscheinungsweiseEinmal pro Quartal

Luisa [email protected]

Petr LegkovIT & [email protected]

Nele HüpperJugendPresseTreff & [email protected]

Lukas PaapFoto & Regionalgruppe [email protected]

Kevin [email protected]

Eike Schrö[email protected]

Marvin [email protected]

Meret [email protected]

Patrick TölleFinanzen & Ö[email protected]

Ramona LienhopFinanzen & Ö[email protected]

Die namentlich gekennzeichneten Artikel geben nicht die Meinung der Redaktion bzw. des V.i.S.d.P. wieder.Für Mitglieder der JPN ist der Bezugs-preis im Mitgliedsbeitrag enthalten. Alle anderen können das JPN-Journal für EUR 10,- im Jahr abonieren. Be-stellungen bitte direkt an die JPN.

JPN Vorstand

Liebe Medienbegeisterte,ihr hattet die Wahl! Und das gleich mehrmals. Die Mitgliederversammlung hat beim Jugendmedientreffen einen neuen Vorstand gewählt: Nele Hüpper, Patrick Tölle, Ramona Lienhop, Eike Schröter, Luisa Meyer und Marvin Uhde. Die ers-ten beiden produktiven Vorstandssitzungen liegen schon hinter uns. Der gewählte Vorstand wählte vier Aktive, die als ko-optierte Vorstandsmitglieder in der JPN mitmischen: Meret Haack, Kevin Kraemer, Lukas Paap und Petr Legkov. Was die neuen Vorständler mögen und nicht mögen, erfahrt ihr auf den folgenden Seiten. Jeder von ihnen hat sich in das originelle JPN-Freundebuch eingetragen. Viel Vergnügen beim Kennenlernen!

Auch beim Landtagswahlreportageseminar hatten die Teilnehmer die Wahl – besser gesagt den Wal. Beim Tippspiel „Tipp den Wal“ lagen Juso-Landesvorsitzender Benjamin Köster und SPD-Politiker Stefan Schostok am nächsten am tatsächli-chen Wahlergebnis. Einen Playmobilwalfänger gewann der beste Tipper unter den Seminarteilnehmern. Hautnah erlebten die LaTaWaReSe-Leute das Geschehen im Landtag, quatschten mit prominenten Politikern und Journalisten und beobach-teten die Aufnahmen in den Wahlstudios.

Mit den Problemen von Geringverdienenden setzten sich die Teilnehmer des „Arm-trotz-Arbeit“-Seminars auseinander. Drogen standen im Mittelpunkt des Drogenseminars. Die Ergebnisse dieser Seminare könnt ihr euch hier durchlesen.

Außerdem ging die JPN unter (Tage). 760 Meter unter der Erde erkundeten wir die düsteren Schächte der Asse, nicht weit entfernt von den strahlend gelben Tonnen.

Und um es nochmal wie im Freundebuch zu sagen: In allen vier Ecken soll Liebe drin stecken!Habt Spaß beim Lesen, Durchscrollen, Zoomen und virtuellen Umblättern,eure JPN.

Page 3: Journal 13-1

Titelthema: LaTaWaReSe Der neue Vorstand! Arm trotz Arbeit

InhaltInhalt

Der neue Vorstand ..................................................... 4Das Landtagswahl-Reportageseminar ................... 14Wa(h)l-Fänger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .15Wahlkampf auf der Zielgeraden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .16Totalabsturz im Landtag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .17Nach der Wahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .18Erst Euphorie dann Enttäuschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .19Zwischen Zittern und Freibier . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .20Karla Kolumna lässt grüßen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .21

Rechercheseminar Arm trotz Arbeit ........................ 22Wenn Kassieren arm macht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .23Talfahrt am Arbeitsmarkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .24

Pause in der Asse ...................................................... 25

Page 4: Journal 13-1

Wie lange wir (die JPN und ich) uns schon kennen: seit September 2011Was ich dir, liebe JPN, wünsche: Geldregen und Gottes Segen Farbe

Das bin ich: Ramona Lienhop

Spitzname: habe keinen

Geburtsdatum: 11. März 1994

gerade: in der JPN-Stadt Journalistik studieren

Größe: 1,73 m

Lieblingsessen: Milchreis mit Pfirsich und Zucker und Zimt Lieblingsmusik: Country oder A-Cappella Lieblingsbuch: Das Affenhaus von Sara GruenLieblingstier: Findus, mein ehemaliges Pferd

Das würde ich auf eine einsame Insel mitnehmen: ein Pferd, ganz viele Postkarten, um meinen Lieben schreiben zu können… Und am liebsten würde ich meinen Familie, meine Freundinnen und meinen Freund mitnehmen. Einsam sein finde ich sowieso blöd.

Mein düsterstes Geheimnis: ich habe bei einem Ausflug auf unsere geheime Wiesteinsel in meiner Heimat Schleeßel mal meine Hose verloren und musste dann ohne nach Hause gehen.

Was ich mal werden will: Karla Kolumna

Mein Schwarm: ist der Größte im Vorstand

Über mich: Ich bin leicht begeisterungsfähig, habe ein Faible für Schinken und mein Lieblingssport ist Reiten, weil man da nicht selbst laufen muss. Ich hasse fast nichts mehr als Joggen, und wer behauptet, beim Joggen könne man so schön entspannen, erzählt den Rest des Satzes meinem Rücken. Seit kurzem lebe ich in einer gemütlichen Vorstands-WG am Königsworther Platz, von wo aus ich häufig zu Spaziergängen in den Georgengarten oder an der Leine aufbreche, um mir die Sonne auf das Gesicht scheinen zu lassen, wenn es angenehm kalt ist. Mein guter Vorsatz für das neue Jahr war, wer hätte das gedacht, mehr an die frische Luft zu gehen. Manchmal bin ich etwas altmodisch: ich pflege drei Brieffreundschaften, kaufe nicht im Internet und trage keine Leggins ohne dazugehörigen Rock. Meine Lieblingsfarbe ist braun, mein gesamter Kleiderschrankinhalt ist entweder braun oder mit braun kombinierbar. Ich komme aus dem schönsten Ort Niedersachsens, wo man lieber eben durch den Ort geht, statt zu anzurufen, vielleicht trifft man ja noch wen…

Page 5: Journal 13-1

Das bin ich: Petr Legkov

Was ich dir, liebe JPN, wünsche: Dass du genau so bleibst!

Spitzname: Petrushka

Geburtsdatum: 2. Mai 1992

gerade: Cognitive Science Studium

Größe: 1,87m

Lieblingsmusik: ElectroswingLieblingsbuch: Wächter der NachtLieblingstier: Kiwi

Das würde ich auf eine einsame Insel mitnehmen: Die besten Ausgaben von Man vs. Wild

Mein düsterstes Geheimnis: Mein Name ist Bond ...

Mein Vorbild: Steven Pinker

Mein Schwarm: Tja ...

Was ich mal werden will: Google Chef

Wie lange wir (die JPN und ich) uns schon kennen: Ach, wer weiß das so genau ?

Über mich: Was will ich erreichen? Die allgemeine IT-Situation der JPN drastisch verbes-sern. So wie es schon viele wollten. Aber ich werde es schaffen! Die Fahrt aus Osnabrück ist nicht allzu lang. Mein Wunsch ist, mehr moderne, vor allem technikrelevante Themen in der JPN zu bearbeiten und das eine oder andere Seminar dazu zu leiten.

Page 6: Journal 13-1

Das bin ich: Luisa Meyer

Was ich dir, liebe JPN, wünsche: Ich möchte einen äußerst kitschigen Poesiealbenspruch zitieren: Mögen niemals trübe Tage/deinen Lebenslauf durchzieh‘n,sondern Glück und heitre Freude/stets auf deinem Wege blühn.

über mich: Ich bin ein offener Mensch, immer bereit, etwas Neues auszuprobie-ren und zu wagen. Gerne investiere ich eine Menge Herzblut in Dinge, die mir wichtig sind. Zum Beispiel mein FSJ-Projekt, die Leitung einer Schülerredaktion beim Kirchentag.Nichts geht mir über eine heiße politische oder philosophische Diskussion. Dafür hasse ich Nachmittage, an denen ich nichts zu tun habe und treffe mich deshalb oft mit Freunden.Ich koche leidenschaftlich gerne und am liebsten ohne Kochbuch. Dabei entste-hen manchmal sehr exotische Sachen. Ich bin überzeugte Flexitarierin.Ich mag andere Sprachen, besonders Französisch und verreise richtig gerne. Mein Traum ist, einmal auf einer Weltkarte in jedem Kontinent – oder besser noch, in jedem Land – eine Stecknadel zu haben. Außerdem habe ich immer und überall etwas zu schreiben mit, die Anzahl meiner Notizbücher wächst stetig. Meine Kamera ist auch in den meisten Fällen mit von der Partie.

Spitzname: Ich besitze keinen flächendeckenden Spitznamen, sondern nur regional verbreitete.

Geburtsdatum: 16. Februar 1995

Sternzeichen: Wassermann

gerade: Freiwilliges Soziales Jahr Politik bei der Evangelischen Zeitung in Hannover. Nebenbei bin ich Autorin bei der Jugendseite ZiSH der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung.

Größe: 70.7 Inch, 5.9 Fuß oder 0.000971 nautische Meilen.

Mein Lieblingsessen: Gemüse ist mein Fleisch.

Das würde ich auf eine einsame Insel mitnehmen: Bücher. Ein Antihaiattackenspray. Ein Klavier. Eine Hängematte. Einen Bohrer für Kokosnüsse.

Lieblingsmusik: Soundtracks (Forrest Gump, Amélie, Sherlock Series) und ein paar Bands, die man irgendwie in die Schublade „Alternative“ stopfen könnte.Lieblingsbuch: Limit von Frank Schätzing. Die Bücherdiebin von Markus Zusak. Sakrileg von Dan Brown. Porträt in Sepia von Isabel Allende.Lieblingstier: Ovis orientalis aries

Mein düsterstes Geheimnis: Ich war früher mal ein Fan von High School Musical.

Mein Vorbild: Giovanni di Lorenzo, Jörg Schönenborn, Rosa Parks, Edward Hopper, René Magritte

Was ich mal werden will: Journalistin. Print, TV, Radio, Online – whatsoever!

Wie lange wir (die JPN und ich) uns schon kennen: Wir haben uns im Frühling 2012 in Prag kennengelernt. Von da an war ich Feuer und Flamme für die Junge Presse!

Page 7: Journal 13-1

Das bin ich: Eike Schröter

Über mich: Andere Leute behaupten von sich, sie hätten Fernweh. Ich habe Fernsucht. Wenn ich länger als einen Monat nicht unterwegs war, werde ich hibbelig und durchforste das Internet nach Reiseangeboten. Als nächstes stehen bei mir Istanbul und Island auf dem Zettel. Mein Traum ist es, mit der Transsibirischen Eisenbahn von Moskau aus bis nach Beijing zu fahren. Der Faible fürs Reisen liegt bei mir in der Familie. Ich habe eine große Schwester und einen kleinen Kater. Der Kater heißt Willi und ist getigert. Ich wohne in Hamburg in einer JPN-WG mit Patrick. Wenn ich nicht in Hamburg bin, bin ich bei meiner Freundin in Hannover, die auch in einer JPN-WG, nämlich mit Luisa, wohnt.

Spitzname: hab' keinenGeburtsdatum: 18. Februar 1989

Sternzeichen: Wassermann

gerade: Ich bin in der Abschlussphase meines Studiums

Größe: 193 cmMein Lieblingsessen: Pellkartoffeln mit Quark und Leinöl

Das würde ich auf eine einsame Insel mitnehmen: Irgendetwas, um ins Internet zu kommen. Ich kann nicht ohne!

Lieblingsmusik: Ziemlich viel eigentlich, im Moment 3 Doors Down und Jack JohnsonLieblingsbuch: Kein bestimmtes, alle möglichen Krimis und ThrillerLieblingstier: Katze. Miau.

Mein düsterstes Geheimnis: Sag ich nicht, dann wär's ja kein Geheimnis mehr :-P

Mein Vorbild: -

Mein Schwarm: Das ist mein düsterstes Geheimnis…

Was ich mal werden will: Flugzeug (also irgendwas, was mit Luftfahrt zu tun hat)

Was ich dir, liebe JPN, wünsche: Wenn dich böse Buben locken, so sitz' zu Hause und strick' Socken.

Page 8: Journal 13-1

über mich: Auch ohne Vorstandsamt wär mich die JPN nicht los geworden. Aber nur aus Liebe – zu Buchstaben. Kann ja schließlich niemand anderen im Journal rumpfu-schen lassen. Manchmal darf man nicht zu ernst nehmen, was ich sage. Manchmal aber doch. Dazwi-schen gibt es noch viel Unfertiges und Unpassendes.

Das bin ich: Marvin UhdeGeburtsdatum: 10. Mai 1993

Sternzeichen: Stier

gerade: Digitale Medien studieren in Bremen

Größe: 1,79m

Mein Lieblingsessen: ohne Tier

Das würde ich auf eine einsame Insel mitnehmen: was zum musikalisch rumspielen. Der Rest findet sich schon.

Meine Lieblingsmusik: 4/4 Mein Lieblingsbuch: Per Anhalter durch die GalaxisMein Lieblingstier: Schildkröte

Mein düsterstes Geheimnis: in tiefstem Herzen mag ich COmic Sans & ich bin Musiknazi

Mein Vorbild: habe nur Nachbilder

Mein Schwarm: mh

Was ich mal werden will: bin schon

Wie lange wir (die JPN und ich) uns schon kennen: Bewerbungsgespräch im Mai 2011

Was ich dir, liebe JPN, wünsche: §§ sind blöder als Spaß

Page 9: Journal 13-1

über mich:Ich hasse Vorstellungsrunden. Trotzdem rede ich viel zu viel und zu gerne. Also ich rede wirklich ganz schön viel! Ich kann so gut wie jeden an die Wand quatschen oder es zumindest versuchen. Ich bin eine ziemlich flippige Person, die auch mal gerne gebremst werden muss. Außerdem denke ich von mir selbst, ein ganz normaler Mensch zu sein. Oder so was in der Art. Ich kann aber auch sehr nervend/laut/wütend/traurig sein. Ich bin harmoniebedürftig, freundlich, höflich und total gewöhnlich ungewöhnlich :)Generell mag ich eigentlich alles und fast jeden. Außerdem mag ich, wenn einfach mal alles passt, was passen kann und alles gut läuft. Ich bin Vegetarierin aus voller Überzeugung, koche gerne (und auch ganz okay, es ist noch niemand aufgrund meines Essens gestorben). Und versuche mich am fotografieren – mehr schlecht als recht. Ich bin kein Morgenmuffel, habe morgens sogar oft ziemlich gute Laune, was mich oft zur Frühstücksma-cherin macht. Ich finde das gut. Eigentlich habe ich keine Ahnung von Vorstandsarbeit, denke aber, dass ich dieses Jahr gut überstehen werde. Genauso bin ich davon überzeugt, dass die JPN (hoffentlich) keine (großen) Schäden von meiner Amtszeit davontragen wird.

Was ich dir, liebe JPN, wünsche: ein tolles Jahr unter dem Vorstand, ganz viele tolle Seminare, ein tolles JMC - einfach ein ganz ganz ganz tolles Jahr!

Das bin ich: Nele Kristina Hüpper

Spitzname: habe ich bei der JPN Gott sei Dank keinen ! :)

Geburtsdatum: 27. Oktober 1993Sternzeichen: Skorpion

gerade: NOCH gehe ich zur Schule, mache im April mein Abi und hoffe, dann ein FSJ machen zu können.

Größe: 1,73m – an guten Tagen 1,75m !

Mein Lieblingsessen: Ratatouille oder Schokolade

Das würde ich auf eine einsame Insel mitnehmen: ganz viel Schokolade, Stifte & Zettel, Bücher zum Lesen, Musik und ein paar von den JPNlern

Lieblingsmusik: Mischmasch. Gerne Deutschrock und -Pop, aber auch Hip Hop oder Rap (Montreal, Samy Deluxe, Casper, die Ärzte, Madsen...)

Lieblingsbuch: Es gibt zu viele Lieblingsbücher. Aktuell: „Nele & Paul“ von Michel Birbæk

Lieblingstier: Pinguine

Mein düsterstes Geheimnis: Ich mag Pinguine...

Mein Vorbild: Meine Mami ^^

Mein Schwarm: Pssst! Sowas ist doch geheim... aber nur weil ihr's seid: Bela B. :)

Was ich mal werden will: Reich, oder reich. Vielleicht auch reich. Aber ganz bestimmt möchte ich reich wer-den. Oder Lehrerin. Am besten alles.

Wie lange wir (die JPN und ich) uns schon kennen: seit meinem ersten JugendMedienCamp 2011.

Page 10: Journal 13-1

über mich:Gerade konstatiere ich eine leichte Orientierungslosigkeit. Aber wahrscheinlich darf man das, wenn man grade das Abi gemacht und den heutzutage ja schon fast obligatorischen Auslands-aufenthalt in einem Entwicklungsland hinter sich gebracht hat. Orientierungslosigkeit ist aber eigentlich nicht das, was mich auszeichnet. Ich weiß schon, was ich will, oder zumindest weiß ich, was mich inspiriert und bezüglich der Willensfrage hilfreich sein könnte. Dazu gehören unter anderem: Theaterbesuche, Aktivitäten an der frischen Luft, Lesen (am liebsten Bücher), Gitarre spielen (leider viel zu selten), Kochen und der Verzehr der entsprechenden Mahlzeit und der ständige, lebendige, interaktive Austausch mit meinen Mitmenschen. Ja, ich rede wirklich sehr gerne.

Das bin ich: Meret Haack Spitzname: Merchen, Hippo, Es

Geburtsdatum: 22. November 1993

Sternzeichen: Skorpion

gerade: ein Praktikum bei der Bewegungsstiftung in Verden

Größe: 1,58m (in der Hoffnung die ma-gischen 1,60m doch noch zu knacken… irgendwann)

Mein Lieblingsessen: Indisch, aber nur von meinem Papa gekocht

Das würde ich auf eine einsame Insel mitnehmen: meine Stulpen

Lieblingsmusik: 70er: Simon&Garfunkel und die Dire StraitsLieblingsbuch: Stadt der Blinden, Ansichten eines Clowns, Die PestLieblingstier: Hippo

Mein düsterstes Geheimnis: das werde ich an dieser Stelle nicht preisgeben

Mein Vorbild: Mein Papa

Mein Schwarm: mu

Was ich mal werden will: Papa

Wie lange wir (die JPN und ich) uns schon kennen: seit Januar 2012

Was ich der JPN wünsche: Ich wünsche dir den Mut, liebe JPN, dich zu politischen Themen klar zu äußern. Jede deiner Aktivitäten ist und macht Politik und die Pressefreiheit ist nicht das Einzige wozu es sich lohnt, Farbe zu bekennen.

Page 11: Journal 13-1

über mich:Ich dachte, der Steckbrief hätte alle Fragen beantwortet, aber scheinbar muss ich auch noch selber texten... Ich bin ebenso wie Patrick Werbemensch aus Hamburg, zusammen haben wir ein kleines Unternehmen. In meiner Freizeit schaffe ich es im-mer weniger, auf meiner Gitarre zu klimpern und bin, wie viele andere im Vorstand, ebenfalls ein vielbeschäftigter Mensch. Im Vorstand bin ich nun zum ersten Mal und übernehme das Vorstandsreferat des Jugend Medien Camps Nord West, an dem ihr alle unbedingt teilnehmen müsst :)

Das bin ich: Kevin Kraemer

Spitzname: Gott sei Dank keinenGeburtsdatum: 14.03.1992

Sternzeichen: Fische

gerade: SelbstständigGröße: 1,83

Mein Lieblingsessen: Hmm, auf jeden Fall nicht Veggie :)

Das würde ich auf eine einsame Insel mitnehmen: Wilson :)

Lieblingsmusik: Richtung RockLieblingsbuch: Wenn ich mal Zeit zum Lesen hätte...Lieblingstier: Katze

Mein düsterstes Geheimnis: Ich wüsste gar nicht, wo ich anfangen soll...

Mein Vorbild: Habe keins

Mein Schwarm: Also, wirklich :)

Was ich mal werden will: erfolgreich

Wie lange wir (die JPN und ich) uns schon kennen: Ich würde mal sagen, 6 Jahre.

Was ich dir, liebe JPN, wünsche: das hier alles so toll bleibt, wie die letzten Jahre, wir tolle neue und alte Projekte verleben werden und wie immer mit Herz und Hirn bei der Sache sind :)

Page 12: Journal 13-1

Was ich dir, liebe JPN, wünsche: Weiterhin erfolgreiche Seminare, Aktionen und Veranstal-tungen sowie tolle Leute!

Das bin ich: Patrick Tölle

Spitzname: momentan keiner ;)Geburtsdatum: 20. Januar 1989

Sternzeichen: Steinbockgerade: Selbstständiger Überlebenskünstler

Größe: einsachtzig-undeinbisschen

Mein Lieblingsessen: das von Mama!

Das würde ich auf eine einsame Insel mitnehmen: Mamas Essen und meinen Laptop

Lieblingsmusik: Folk-Rock/-Metal und LiedermacherLieblingsbuch: hatte lange kein gutes Buch mehr!Lieblingstier: Katze

Mein düsterstes Geheimnis: sollte ich hier besser nicht erzählen ;-) Mein Vorbild: habe keines

Mein Schwarm: hm wer weiß ;-)

Was ich mal werden will: erfolgreich Wie lange wir (die JPN und ich) uns schon kennen: seit einigen Jahren... genau weiß ich das auch nicht mehr (Anm. d. Red.: Seit Ewigkeiten, zusammen mit Eike beim 1. Camp)

über mich:Nun sitze ich hier zum dritten Mal und schreibe eine Vorstellung für das Journal – Hallo, mein Name ist oben angegeben. Ich bin selbstständiger Werbemensch aus Hamburg und in diesem Jahr zu dritten Mal Mitglied des JPN-Vorstands. Diesmal habe ich die Referate Finanzen und Öffentlich-keitsarbeit übernommen, außerdem bin ich beim JugendMedienCamp dabei. Ich tue mich meistens ziemlich schwer mit Vorstellungstexten, daher kontrolliere ich gerade nach jedem Wort die Zeichenanzahl ;-) Wenn ich mal nicht bei der JPN oder in meinem kreativen Chaos bin, spiele ich Gitarre und versuche mich momentan am Keyboard – mit gemischtem Erfolg. Ich fotografiere gern, bin ein PC-Nerd und bin irgendwie immer beschäftigt, am Telefon oder unerreichbar. Sagen andere zumindest. Außerdem bin ich viel unterwegs – und das sage ich auch! Manchmal nervt das ständige Umhergefahre, aber im Großen und Ganzen ist es schön, ständig neue Leute zu treffen ;-) 934 Zeichen – ich denke, das war es nun, vielen Dank fürs Lesen und stellt Fragen, wenn ich was vergessen habe.

Page 13: Journal 13-1

Was ich dir, liebe JPN, wünsche: Natürlich motivierte Aktive und mehr Geld!

Das bin ich: Lukas Paap

Spitzname: Es gibt keinen, der sich durchgesetzt hat.Geburtsdatum: 9. Juni 1993

Sternzeichen: Zwillinge, wen zur Hölle interessiert das?

gerade: Politikwissenschaften studieren

Größe: Plus/minus 1,85m.Mein Lieblingsessen: Als Studi bin ich froh, überhaupt was zu Essen auf dem Teller zu haben. Hauptsache, es ist kein totes Tier drin.

Das würde ich auf eine einsame Insel mitnehmen: Hängematte, alles was ich für guten Kaffee brauche und haufenweise Bücher.

Lieblingsmusik: Verschiedene Metal-Stile.Lieblingsbuch: Vermutlich „Der Ekel“ von Sartre oder „1984“ von Orwell.Lieblingstier: Uhu

Mein düsterstes Geheimnis: Als Metal-Fan opfere ich natürlich kleine Kinder bei Vollmond auf dem Friedhof. Und: Ich war nur auf katholischen Privatschulen, mensch sieht, wie so was endet...

Mein Vorbild: Sehr schwierig, zwar keine Person, aber die EZLN als Ansatz gelebter Utopie.

Was ich mal werden will: Als Politikstudent natürlich Taxifahrer.

Wie lange wir (die JPN und ich) uns schon kennen: Seit 2010

über mich: Tja, was sollte mensch sonst noch so über mich wissen? Ich bin ein totaler Kaffee-Junkie und auf JPN-Seminaren gefühlt immer der, der als Erster aufsteht. Wenn ich nicht gerade studiere, bin ich meistens entweder bouldern oder fotografieren. Oder ich versuche, mit anderen auf außerparlamentarischer Ebene den Weg für eine bessere und freiere Gesellschaft, ohne solche widerlichen Dinge wie beispielsweise Rassismus oder Nationalismus zu ebnen. Und übrigens: Obwohl ich in Bremen lebe, fahre ich überhaupt nicht gerne Fahrrad. Allerdings gehe ich total gern auf längere Wandertouren. Eigentlich hätte ich diesen Text auch nicht schreiben können, da ich zu dem Zeitpunkt auf einer kleinen Mehrtagestour sein wollte. Blöderweise bin ich zwei Tage vorher so krank geworden, dass ich leider Wanderschuhe und Zelt gegen Wollsocken und Bett tauschen musste. Shit happens, aber so gibt’s wenigstens einen Vorstellungstext von mir ;)

fotos: marvin uhde

Page 14: Journal 13-1

JPN Journal 3–1214

Welche Partei verspricht was? Was wollen CDU, SPD, FDP, die Grünen und die anderen Parteien über-haupt verändern? Wie arbeiten politische Redakteur/innen? Wie kann ich meine journalistische Ar-beit verbessern? Und wie läuft ei-gentlich eine Landtagswahl ab?

Das waren die Fragen, die uns, 26 Jugendliche aus Niedersachsen, dazu bewogen hatten, am Wahlwo-chenende in Hannover am Land-TagsWahlReportageSeminar, oder abgekürzt: LaTaWaReSe 2013, teil-zunehmen.

Nach einem kurzen Kennlern-Spiel ging es auch sofort los: Par-teiprogramme wurden gewälzt und Podiumsdiskussionen nachgestellt und eine Seminarwahl veranstaltet. Auch wurden noch einmal einige Grundlagen des politischen Sys-tems der Bundesrepublik Deutsch-land gefestigt und Fragen zum Wahlrecht geklärt.

Bei Gesprächen mit dem SPD-Landtagsfraktionsvorsitzenden Stefan Schostok (MdL) sowie mit HAZ-Lokalredakteur Conrad von Meding hatten wir die Möglichkeit, kritische Fragen zum Thema Wahl-kampf und Wahlberichterstattung zu stellen.

Ein erster Höhepunkt des Se-minars war am Samstagabend die

„Elefantenrunde“, bei der wir die Gelegenheit hatten, mit Vertretern und Vertreterinnen der Jugend-organisationen aller Parteien zu diskutieren und vor allem jugend-relevante Themen zur Sprache zu bringen. Für die Jusos (Jungsozia-listen) stand Benjamin Köster, für die JuLis (Junge Liberale) Oliver Olpen und für die Grüne Jugend Carolin Jaekel im Ring. Von der Linksjugend (´solid) war Julian Schlichtholz dabei und die JuPis (Junge Piraten) waren durch Ken-ny Ehlers vertreten – einzig die JU (Junge Union) hatte keine/n Vertre-terIn geschickt.

Am Wahlsonntag ging es zuerst um das journalistische Schreiben. Schließlich war das Ziel ein eige-ner Artikel, und dafür ist neben Hartnäckigkeit und Fingerspitzen-gefühl auch einiges an journalis-tischem Werkzeug nötig, um die kostbaren Minuten mit der Promi-nenz aus Politik und Medien richtig verwerten zu können.

Am Nachmittag wurde dann der Ablauf des Wahlabends geplant. Auf den Wahlpartys der Partei-en und in den Wahlstudios der Medien im Landtag ging es dann endlich auf die Jagd nach stim-mungsvollen Bildern, Interviews mit PolitikerInnen oder Gesprä-

Das Landtagswahl-Reportageseminar – Den Dingen auf den Grund gehen!

von

alic

ia h

oné

und

mat

ti-léo

n kl

iem

e chen mit MedienvertreterInnen. Gegen 18.00 Uhr dann das abso-

lute Highlight des Wochenendes: Wir waren live im Landtag und bei den Wahlpartys dabei, als die ersten Hochrechnungen bekannt gegeben wurden und erlebten Be-stürzung, Überraschung und tau-melnde Freude bis hin zu Enttäu-schung und Resignation. Erst spät am Abend stand schließlich das vorerst amtliche und unglaublich knappe Ergebnis der Wahl fest: Es wird einen Regierungswechsel in Niedersachsen geben, die schwarz-gelbe Regierung wird von SPD und Grünen abgelöst und der neue Ministerpräsident heißt Stephan Weil. Für die WahlgewinnerInnen, aber auch für die WahlverliererIn-nen, war dies eine ungewöhnlich lange und emotionale Wartezeit – und wir waren mittendrin.

Der Wahlabend war die per-fekte Vorbereitung, um am Mon-tag Reportagen über die Wahl zu schreiben und das Seminar damit abzuschließen. Für uns war das Wochenende eine Möglichkeit, hinter die Kulissen einer Wahl zu schauen, die Berichterstattung der Medien unter die Lupe zu nehmen und dabei selber journalistisch zu arbeiten und aktiv zu sein!

LaTa

WaR

eSe

Page 15: Journal 13-1

LaTaWaReSe

15JPN Journal 3–12

Ein kleiner Jugendpresseverband hat derweil zur Vorabstimmung gebeten: Wer wollte, konnte das Er-gebnis des Wahltags tippen, als Sie-gesprämie sollte winken: ein Wal.

Die Reaktionen des Verkaufsper-sonals fielen konsterniert bis fas-sungslos aus. Dabei hatte ich mir den Gang zum Fischgeschäft erspart und war direkt in die Spielzeugabteilun-gen der Innenstadt gegangen.

Im Laufe solch einer Suche beginnt man, zu verstehen, warum Wale vom Aussterben bedroht sind. Schon im Kinderzimmer werden die Sym-pathiewerte anders verteilt. Es ist kein Problem, bei Karstadt, Kaufhof oder Fachgeschäften wie Idee+Spiel Plüschfische zu erstehen. „Tut es

Artikeln für die ganz kleinen, da gibt es einen Wal“, sagt sie. Und tatsäch-lich, das Wal-Quiz ist gerettet. Es ist ein niedlicher, schwarz-weißer Plastikwal in der unverschluckbaren Größe von etwa zehn Zentimetern. Man kann ihn allerdings nur im Pa-ket kaufen mit: einem Walfangschiff. Ausgerechnet.

Wa(h)l-Fänger

von conrad von meding

vielleicht auch ein Delfin?“, war die häufigste Gegenfrage. Auch Haie scheinen in Kinderzimmern beliebt zu sein, trotz scharfer Zähne und gezackter Flosse. Bei Karstadt gibt es sogar einen opulenten Kuschel-Graskarpfen – aber keinen Wal.

„Nein, ein Delfin hilft mir nicht, es ist schließlich nicht Delfinwochen-ende, sondern Wahlwochenende.“ Immerhin: Bei Kaufhof entdeckt die freundliche Mitarbeiterin im Schleich-Katalog, dass der Spezial-hersteller einen großen Hartplastik-Wal anbietet – leider erst ab Mai 2013. Das könnte also vielleicht die passende Siegerprämie für das Quiz zur Bundestagswahl werden. Auf die Frage nach einem aufblasbaren Walfisch fürs Meeresbaden gibt es überall skeptische Blicke: „Jetzt ist nicht die Saison dafür, kommen Sie im März wieder.“ Als ob es im Winter keine Ferienflieger in wärmere Ge-genden gäbe …

Die freundliche Dame an der Karstadt-Kasse hat schließlich die rettende Idee. „Bei den Playmobil-

„Guten Tag, ich brauche

kurzfristig einen Wal.“

Beim SPD-Stand am Kröpcke blasen Tuba und Trompete am Sonnabend noch einmal fröhlich den Marsch, beim benach-barten CDU-Stand wer-den Hände geschüttelt und warme Worte im Schneesturm verteilt. Auch Grüne, Linke, FDP und Piraten drehen in der Fußgängerzone und anderswo noch-mal kräftig auf. Ganz Hannover hat sich am Wochenende auf den Endspurt zur Wahl eingestimmt und dem Wählervotum entge-gengezittert.

Page 16: Journal 13-1

LaTa

WaR

eSe

JPN Journal 3–1216

Die pseudo-chinesische goldene Winkekatze trägt ein kleines T-Shirt mit der Aufschrift „3 Tage wach“. Un-ablässig winkt sie den Grünen zu, die um den voll gestopften Tisch herum sitzen und ein wenig apathisch auf ihre Laptop-Bildschirme starren und Wähler-Fragen beantworten. In drei Ecken stehen Kameras und filmen das Geschehen, ein Livestream im Internet sendet 72 Stunden alles, was in dem kleinen Raum passiert. Teller mit Essensresten stehen herum, eine Frau häkelt blitzschnell einen rosa-farbenen Schal. Eine Bierkiste steht auf dem Boden.

In der Landeszentrale der Grünen in Hannover-Mitte herrscht aufge-regte Stimmung. 20 politikbegeister-te Jugendliche quetschen sich in den ohnehin schon engen Raum, der ein bisschen die Atmosphäre einer Stu-dentenbude hat. Nachdem sie einen ganzen Tag lang über Wahlprogram-men gebrütet haben und mit Vor-sitzenden der Jugendverbände der Parteien, Politikern und Redakteu-ren diskutiert haben, recherchieren die Nachwuchsreporter der Jungen Presse Niedersachsen nun vor Ort.

Über zwölf Stunden vor Öffnung der Wahllokale in den Wahlkreisen haben die Grünen schon mehr als 3000 Anfragen zur ihrer Landespo-litik beantwortet. Fragen wie „Wa-rum fördert ihr nicht den Ausbau der Autobahnstrecken?“ oder „Wie ist eure Haltung zum bedingungs-losen Grundeinkommen?“ tauchen auf der Internetseite auf. Die Eh-renamtlichen haben alle Hände voll damit zu tun, die Wähler mit ihren Antworten zu informieren. So kurz vor der Wahl versuchen sie mit die-ser Aktion, letzte Unentschlossene zu einem Kreuz für ihre Partei zu gewinnen. Ein Jugendlicher sitzt mit seinem winzigen Netbook neben ei-nem älteren Grünen, der allein äu-ßerlich alle Klischees bedient: langer Bart, lange Haare, in der Hand eine Flasche Einbecker.

Bunte Gardinen hängen vor den Fenstern, neben der Winkekatze er-innern Sonnenblumen aus Holz an das Logo der Grünen. Ein Plakat mit einer persönlichen Widmung von Stephan Weil steht in einer Ecke, er war heute kurz zu Besuch. Alle hof-fen auf einen Regierungswechsel, auf eine Mehrheit für Rot-Grün.

Am anderen Ende der Stadt füllt sich eine kleine Privatwohnung. Die Schuhe stapeln sich bereits im Haus-

flur. Im Minutentakt klingeln Ge-stalten in weißen Kapuzenpullovern, die im Schneetreiben draußen kaum auszumachen sind. Bei genauerem Hinsehen fällt jedoch ein leuchtend gelber Aufdruck ins Auge: „Freiheit leben“. Auch das andere politische Lager versucht Wählerstimmen zu gewinnen und hat eine kleine Grup-pe junger Redakteure eingeladen. Das Konzept ist sehr ähnlich. Die letzten 24 Stunden vor dem alles entscheidenden Abend beantwor-ten auch die Jungen Liberalen, die Jugendorganisation der FDP, Fragen per Livechat. Böse Zungen mögen behaupten, dass die Liberalen dies auch dringend nötig haben, sahen doch die letzten Wahlprognosen die FDP nicht einmal bei sicheren fünf Prozent. Gleich die erste Frage be-zieht sich auf ein Kernthema der Partei: „Was tut die FDP gegen die kalte Progression?“. „Wer ist hier für Wirtschaft der Experte“, ruft Lasse Becker aus dem Bundesvorstand in den Raum. Schnell ist der Ansprech-partner unter den gut 30 Anwesen-den ausgemacht und setzt sich zu Lasse auf’s Sofa.

Charlotte Winkler, stellvertreten-de Vorsitzende der Julis in Nieder-sachsen prüft währenddessen das Kamerabild. Statt drei großer Ka-meras wie in der Landeszentrale der Grünen tut es hier ein kleines Hand-gerät. Das sendet auch nicht aus ei-nem Bürokomplex, sondern aus ei-ner Privatwohnung. Alles wirkt ein wenig improvisiert. Es gibt lediglich zwei Stühle und Spitzenkandidat

Stefan Birkner lächelt etwas schief vom Wahlplakat an der Wand. „Die Internetverbindung in der Landes-zentrale war zu schlecht, da sind wir kurzerhand hierher umgezogen“, erklärt Oliver Olpen, der Landesvor-sitzende. „Das ist bei uns so. Wir sind spontan und praktisch veranlagt, wir finden schnell Lösungen“, fügt ein anderer hinzu. Es sind nicht viele Fragen, die die Nachwuchspolitiker beantworten müssen. So bleibt Zeit, auch über andere Themen zu spre-chen. Zum Beispiel über das Online-angebot der öffentlich-rechtlichen Sender. Die JuLis fordern, Tatort und Co. dauerhaft ins Netz zu stellen, statt Formate nur für eine Woche online zu schalten. Nicht nur die Piraten haben das Internet für sich entdeckt. Auch die jungen FDPler werben kräftig in den sozialen Netzwerken. Neben dem Livebild werden Fotos auf Facebook veröffentlicht, Fragen können auch per Twitter an die Gruppe gestellt werden.

Beim Kommentieren ist aber vor allem eines wichtig – die richtige Rechtschreibung. Das bekommt auch gleich eine junge Liberale zu spüren, in deren Text sich drei Feh-ler geschlichen haben. Allerdings geht ihre Entschuldigung in einem Psssst-Konzert unter. Schließlich ist es schon nach 23 Uhr und die Nach-barn haben sich bereits beschwert. „Ihr wollt doch auch, dass wir wei-ter machen können“, kommentiert Lasse Becker. Ob er damit die Partei oder den Livestream-Abend meint, bleibt offen.

Wahlkampf auf der ZielgeradenZu Gast bei Grün und Gelb am Wahlvorabend

von

luisa

mey

er u

nd m

arie

bor

nick

el

Page 17: Journal 13-1

LaTaWaReSe

17JPN Journal 3–12

Ein graues, unscheinbares Hochhaus in Hannover. Es ist kalt in Nieder-sachsen – aber Menschen finden Zuflucht in warmen Wahllokalen. Auch die Landeswahlleiterin Ulrike Sachs hat heute, am Morgen der nie-dersächsischen Landtagswahl, ein Wahllokal in Hannover aufgesucht. Nun wartet sie lächelnd im Foyer des Niedersächsischen Innenministeri-ums. Sanft, aber bestimmt, geleitet sie die anwesenden Jungjournalisten in den Konferenzraum im obersten Stockwerk – in die „Spitze der Büro-kratie“, wie von einem der Besucher treffend bemerkt wird.

Das Innenministerium riecht wie ein Krankenhaus, nur dass Frau Sachs nicht in Weiß, sondern in ei-nem weichen Grauton gekleidet ist. Der Fahrstuhl ist kaputt, weshalb die gespenstische Ruhe im Ministerium nur von leisen Schritten unterbro-chen wird. Als die Landeswahllei-terin sich am Kopfende des großen Konferenztisches niederlässt, sieht man ihr die Anspannung nicht an – obwohl sie die Verantwortung für den reibungslosen Ablauf ei-ner Wahl mit über sechs Millionen Wahlberechtigten trägt. Trotz ihrer Bedeutung ist die Position der Lan-deswahlleiterin „nur“ ein Ehrenamt. Wenn keine Wahl stattfindet, fährt die gelernte Juristin und Pädagogin, wie sie selber bedauert, nicht in den Urlaub, sondern arbeitet als Refe-rentin im Innenministerium.

Die technologische Revolution ist auch am Wahlsystem nicht spurlos vorbeigegangen. Frau Sachs schil-dert mit leichter Begeisterung die Neuerungen in Niedersachsen: NI-WAS. Ein Internetsystem, das die Übermittlung der Wahlergebnisse nach Hannover durch Fax und Tele-fon ergänzt. Neben den Medien kön-nen sich auch normale Bürger über die Internetseite der Landeswahl-leiterin im Minutentakt über den Stand der Auszählung informieren. Frau Sachs hat dafür Sorge getragen, dass alle Rechner im Landtag in den vergangenen Tagen testweise hoch-gefahren wurden. „Das Schlimmste wäre, wenn die Technik nicht funk-tioniert“, betont sie. Die Systeme selbst seien alle „redundant“, das heißt die ins System eingegeben Da-ten werden einer „Plausibilitätskon-trolle“ unterzogen. Sogar das Not-stromaggregat im Landtag hat Frau

Sachs ein- und ausschalten lassen. „Es ist für alles gesorgt“, kündigt die Verwaltungsbeamtin zuversichtlich an.

Dass aber die gewissenhaftes-te Vorbereitung im Ernstfall doch nicht vor Schwierigkeiten schützt, zeigt der Wahlabend. „Totalabsturz aller Rechner“, so wurde bereits un-heilschwanger kurz nach 18 Uhr im Landtag gemunkelt. Die behördliche Beschreibung der Begebenheiten fiel nüchterner aus: Frau Sachs bestätig-te zwar technische Schwierigkeiten wegen einer Überlastung der Inter-netserver, schloss aber aus, dass dies die Auszählung der Stimmen selbst beeinflusst hätte. Die Männer und Frauen vor Ort, die für die Landes-wahlleiterin in den Wahlkreisen flei-ßig arbeiten mussten, schafften es trotz der misslichen Situation pro-blemlos, die Wahlergebnisse in die „Kommandozentrale“ im Landtag zu übermitteln. Die „Kommandozent-rale“ gleicht zwar nicht der Brücke eines Raumschiffs, punktet aber mit Transparenz: In einer behag-lichen Ecke vor dem Eingang zum Plenarsaal sitzen die Mitarbeiter der Landeswahlleiterin, die jedem interessierten Journalisten anbie-ten, die Ergebnisse aus bestimmten Wahlkreisen auf den Flachbild-schirmen anzuzeigen. Von Zeit zu Zeit lässt sich sogar beobachten, wie die E-Mails aus den ausgezählten Wahlkreisen langsam eintrudeln. Sorgfältig werden diese geöffnet, die

Tabellen und Zahlenkolonnen her-untergeladen und schließlich ausge-druckt, bevor der Papierkrieg an die Landeswahlleitung selbst weiterge-reicht wird.

Ihren großen Auftritt hat Frau Sachs aber ganz zum Schluss: Als alle Sender bereits mit der letzten Hochrechnung einen Sieg für Rot-Grün vorhersagen und langsam im Landtag und in den Sendestudios die Lichter ausgehen, warten ein paar hart gesottene Journalisten noch auf die offizielle Verkündung des vor-läufigen amtlichen Endergebnisses. Unvorstellbar, was los wäre, wenn es jetzt noch eine überraschende Ände-rung gäbe. Anspannung und Unge-duld steigen im Plenarsaal. „Sie muss sich noch die Haare kämmen!“, po-saunt ein Herr vom Innenministeri-um zur Beschwichtigung. Und in der Tat: Die Haare sitzen, der Gang ist leicht unsicher aber fest entschlos-sen. So tritt die Landeswahlleiterin ans Rednerpult, dort, wo eigentlich die niedersächsischen Volksvertre-ter ihre Reden halten. Man merkt, dass sie in ihrem Leben bisher nicht oft in die Verlegenheit kam, Reden in der Öffentlichkeit zu halten. Das verkündete Wahlergebnis entspricht letztlich doch den Hochrechnungen der Fernsehsender. Dennoch: Als Ul-rike Sachs das Wahlergebnis verle-sen und die letzten Fragen der Jour-nalisten beantwortet hat, beschreibt sie ihre innere Verfassung mit nur einem Wort: „Erleichtert!“

Totalabsturz im Landtagvon konrad m

aterne und krzysztof walczak

Page 18: Journal 13-1

LaTa

WaR

eSe

JPN Journal 3–1218

Wo ist denn jetzt Stephan Weil? Müsste er nicht gerade hier vorbei-gelaufen sein? Etwa ein Dutzend Menschen, Reporter und Body-guards bewegen sich vom ZDF-Stu-dio zu RTL. Tatsächlich, jetzt ist der Spitzenkandidat der SPD wieder aufgetaucht und steht schon vor dem nächsten Mikrofon. Die Moderato-rin stellt im Voraus ein paar Fragen, während eine Visagistin Weil das Gesicht frisch pudert. Alles bereit? Klappe zu, Kameras ab. Es ist nicht sein erstes, aber auch noch lange nicht sein letztes Interview in dieser Nacht.

Rund um den Plenarsaal des nie-dersächsischen Landtags haben alle namhaften und lokal bedeutsamen Fernsehsender, aber auch viele Ra-diosender ihre Wahlstudios aufge-baut. 1.200 akkreditierte Journalis-ten schwärmen durch den Landtag und über die umliegenden Wahl-partys. Allein die ARD hat 300 Mit-arbeiter vor Ort, ihr Studio ist seit Dienstag aufgebaut.

Die obere Etage im Landtag wird hingegen vom ZDF besetzt. Schon eine Stunde vor der Liveschaltung gehen die Moderatoren ihre Tex-te probeweise durch, die Kameras werden positioniert und interaktive Grafiken getestet. Schließlich soll al-les perfekt und reibungslos ablaufen. Kurz nach den ersten Wahlprogno-sen finden sich die Spitzenkandida-ten hier zusammen und geben erste Statements ab. Anschließend werden sie von den übrigen Journalisten in Empfang genommen und verteilen

sich auf unterschiedliche „Statio-nen“. H1, Radio Leinehertz – ffn ist es gelungen Aygül Özkan in ein Ge-spräch zu verwickeln.

Stephan Weil hat gerade sein In-terview mit RTL gemeistert. Vor ihm war schon Claudia Roth dort. Die Vorsitzende der Grünen musste sich extra auf einem Brett positionie-ren, um – nun ein paar Zentimeter größer - mit der freundlich nicken-den Moderatorin auf Augenhöhe zu sein. Weniger leicht zu erkennen ist dagegen Stefan Birkner. Erst als er seine Brille nach dem Pudern wieder aufsetzen kann, sieht man den FDP-Spitzendkandidaten vor sich stehen.

Wer ist das denn schon wieder? Diese Frage stellt sich häufiger an diesem Abend. Die kleinen Parteien haben mit Absicht darauf verzichtet, die Gesichter ihrer Spitzenkandida-ten auf ihren Plakaten abzubilden. Schließlich gehe es um Inhalte, be-kommt man auf Nachfrage zu hö-ren. Am Wahlabend ändert sich das schlagartig. Anja Piel, Stefan Wen-zel, Manfred Sohn – sie alle kommen nicht mehr darum herum sich in den Medien zu zeigen.

Einem von ihnen gelingt es den-noch auffallend lange, sich im Hin-tergrund zu halten. David McAllis-ter. Mehr als zwei Stunden lässt er sich nach der ersten Wahlprognose Zeit. Die Ergebnisse sind knapp. Ei-nen Sieg kann noch niemand für sich beanspruchen. Als die Koalition aus CDU und FDP in den Hochrechnun-gen wieder vorn liegt, taucht McAl-lister endlich auf. Seine erste Rede

hält er auf der Wahlparty seiner Par-tei, bedankt sich für die Unterstüt-zung und preist seine CDU als „die Nummer Eins“.

Als er den Saal verlässt, lächelt er zuversichtlich. Seine Hände bilden den „Merkelizer“, eine umgekehrte Pyramide, die typisch für die CDU-Kanzlerin ist. Die Geste soll angeb-lich sowohl Haltung als auch Kon-zentration stärken. Beides wird er benötigen, denn nun beginnt auch für ihn der Marathon durch die Stu-dios.

Nicht allen gelingt es, den ganzen Abend über ruhig zu bleiben. Innen-minister Uwe Schünemann steht für ein kurzes Interview auf dem Gang zur Verfügung. Auch gegen ein an-schließendes Foto hat er nichts ein-zuwenden. Aber als er posiert, klappt es einfach nicht mit dem Lächeln. Vielleicht ahnt er in diesem Moment schon, dass er sein Direktmandat verloren hat.

Knapp eine Stunde später findet man alle Spitzenkandidaten beim NDR wieder. Im Gegensatz zu Schü-nemann lächeln sie professionell entspannt, antworten brav auf alle Fragen. Von der Konkurrenz zwi-schen ihnen ist nicht viel zu spüren.

Während ihre Anhänger auf den Wahlpartys den nächsten Hochrech-nungen und vor allem dem amtli-chen Endergebnis entgegenfiebern, müssen die Gesichter der Parteien ihre politischen Ziele verteidigen, die Wahlergebnisse kommentieren und Einschätzungen abgeben.

Als der Abend sich dem Ende nä-hert, sieht man David McAllister durch den Landtag hasten. Er hat Tempo aufgenommen. Begleiter und Journalisten laufen ihm nach, die letzten müssen rennen, um nicht den Anschluss zu verlieren. „Wahl-schlepper“ sollen den Politikern hel-fen, alle Termine einzuhalten und immer zur rechten Zeit den rechten Ort zu finden. In diesem Moment ist es allerdings McAllister, der alle an-deren „mitschleppt“.

Nach der WahlDie lange Nacht der Interviews

von

sonj

a ba

kes

Page 19: Journal 13-1

LaTaWaReSe

19JPN Journal 3–12

Großer Jubel bei der CDU, als um 18 Uhr die erste Prognose veröffent licht wird. Die Partei ist mit 38 Prozent klar stärks te Kraft. Noch größerer Jubel dann aber, als das Ergebnis der FDP bekannt gegeben wird: Sie hat 9,5 Prozent der Stimmen bekom-men – dank Leihstim menkampagne. Sieht man sich die Ergebnisse näm-lich genauer an, so stellt man fest, dass die FDP nur 3,3 Prozent der Erststimmen erhalten hat. Das sind nur 0,2 Prozent mehr als Die Linke.

Es ist knapp, die Mehrheit im Landtag ist momentan von einem Sitz abhän gig. „Ich glaube, dass Schwarz-Gelb weiter regieren wird!“, „Wir haben eine grandiose Aufhol-jagd gestartet!“, so und ähnlich kom-mentieren viele CDU-Politiker das Wahlergebnis – noch liegt Schwarz-Gelb vorne. Auf die Frage, warum die Partei knapp sechs Prozent verloren hat, fällt immer nur ein Wort: FDP.

Auf der der CDU-Wahlparty im hannoverschen Veranstaltungszen-trum „Hangar No5“ herrscht ausge-lassene Stimmung. Und das, obwohl mit jeder Hochrechnung der Vor-sprung der Koalitionen aus CDU/FDP und SPD/Grüne wechselt oder sogar ein Patt errechnet wird, also die gleiche Anzahl von Sitzen im Land-tag. Egal ob jung oder alt, jeder hofft auf eine erneute Legislaturperiode unter David McAllister. Die wenigen, die daran gezweifelt hatten, dass die FDP die Fünf-Prozent-Hürde schaffen würde, sind jetzt ebenso in Feierlaune wie die optimistischeren Parteikollegen.

Ein Jubeln geht durch die Menge, als verkündet wird, dass nur weni-ge Prozent der Stimmen auf die Die Linke und die Piraten fallen und es somit keine der beiden Parteien in den Landtag geschafft hat. Dass man sich über ihr schlechtes Abschnei-den freut, daraus machen die CDU-Anhänger keinen Hehl. Insbesonde-re für die Piratenpartei, die hier als Eintagsfliege bezeichnet wird, fällt das Ergebnis schlecht aus. Hatten Sie es doch bereits in vier anderen Bun-desländern in den Landtag geschafft.

Allmählich melden sich die Partei- bzw. Fraktionsvorsitzenden zu Wort. Sie loben ne ben sich und ihrer Partei auch die um zwei Prozent gestiege-ne Wahlbeteiligung. Jeder Spitzen-kandidat äußert sich zum Ergebnis. Nur McAllister lässt sich weder im Landtag noch bei seinen Parteian-

Erst Euphorie dann Enttäuschung CDU stellt (doch) nicht die Regierung

von christian klein

hängern im Hangar No5 blicken. Ob er schon etwas ahnt?

Kurz vor Mitternacht gibt die Lan-deswahlleiterin Ulrike Sachs das amtliche Endergebnis bekannt. Die Gesichter werden länger und länger, jegliche Begeisterung ist verflogen. Jetzt steht es endgültig fest: Rot-Grün stellt in Zukunft die nieder-sächsische Regierung. Mit nur einem Sitz Mehrheit! Freude bei Stephan Weil und seinen Genos sen. Freude auch bei Stefan Wenzel, Anja Piel und ihren grünen Parteifreunden. Bei der FDP dagegen herrscht geteil-te Stimmung: Einerseits haben sie die Fünf-Prozent-Hürde klar über-wunden, ander seits hat die Koalition mit der CDU keine Mehrheit.

Die CDU aber ist der größte Verlie-rer des Abends. Haben sie durch die Leih stimmenkampagne nicht schon genug Stimmen eingebüßt, schaffen sie es jetzt nicht einmal, eine mehr-heitsfähige Regierung mit der FDP auf die Beine zu stellen. Das Ver-trauen in David McAllister, der sich immer als Gewinnertyp gegeben hat, ist weg. Muss er jetzt die Opposition anführen? Er selbst lehnt ab.

Nach einem schon fast demütigen Interview in den Tages themen ver-lässt McAllister die Wahlparty und steigt in seine schwarze Limousine. Wird er oder ein anderer in fünf Jahren die Chance nutzen, die CDU wieder an die Spitze der niedersäch-sischen Regierung zu bringen?

Page 20: Journal 13-1

LaTa

WaR

eSe

JPN Journal 3–1220

Was ist mit den Liberalen los? Muss-ten sie noch kurz vor der ersten Hochrechnung um den Einzug in das niedersächsische Parlament bangen, ist ihre Freude nun überschwänglich. Fast zehn Prozent. Sogleich werden Rufe nach Freibier laut. Ob es zur ab-soluten Mehrheit von Schwarz-Gelb tatsächlich reichen wird, wird sich aber erst im Laufe des Abends her-ausstellen.

Bis zuletzt haben auch die Jungen Liberalen (Julis), die Jugendorgani-sation der FDP, um Stimmen gewor-ben. Nachdem die Internetverbin-dung in ihrem Hauptquartier, der Landesgeschäftsstelle der Julis, zu-sammengebrochen war, mussten sie ihre 24-Stunden Chat-Aktion in eine Privatwohnung verlegen. Bei der

Aktion können Wähler Fragen über Politik und Wirtschaft stellen, die von den Nachwuchspolitikern mit Witz und Humor live beantwortet werden. Nun quetschen sich etwa 20 Jungliberale in eine kleine Einzim-merwohnung. Die Schuhe stapeln sich über die Wohnung hinaus bis in den Flur. Es gibt Bier und Chips, die Laune ist gut. Eine kurzfristig organisierte Kamera filmt das Ge-schehen. An der Wand hängen große Plakate vom Hoffnungsträger Stefan Birkner. „Wir haben eben Manager-qualitäten“, scherzt Oliver Olpen, Vorsitzender der Julis in Niedersach-sen, und ist stolz auf das Organisati-onstalent seiner Kollegen.

Himmelhoch

jauchzend…

Einen Tag später. Als um 18 Uhr die erste Prognose erscheint, sind Freu-de und Euphorie ungebremst. Mit fast zweistelligen Werten hat selbst auf der FDP Wahlparty in der BarCe-lona kaum jemand gerechnet. Doch beim großen Koalitionspartner CDU macht sich nach dem Jubel schnell Ernüchterung breit, denn es wird knapp werden. Das Ziel, 40 Prozent der Stimmen zu erreichen, wurde weit verfehlt und der FDP wird das Ergebnis fast nicht gegönnt. Ein ge-

Zwischen Zittern und Freibier

von

felix

mey

er

rauntes Wort macht die Runde: Leih-stimmen.

Den ganzen Abend hindurch wechseln in den Hochrechnungen die Mehrheiten. Als endlich das amt-liche Endergebnis bekannt gegeben wird, ist die Enttäuschung groß. Es wird eine neue Regierung in Nieder-sachsen geben, an der die FDP nicht beteiligt sein wird. So dicht können Freude und Enttäuschung in der Po-litik beieinander liegen.

Page 21: Journal 13-1

LaTaWaReSe

21JPN Journal 3–12

Ein bisschen fühlen wir uns wie Jä-ger. Am Wahlabend pirschen wir uns durch die verschiedenen Wahlpar-tys und bekommen so allerlei Wild vor die Linse. Unsere Politiker-Jagd beginnen wir im niedersächsischen Landtag. Hier bekommen wir ein goldenes Bändchen mit der Auf-schrift „ Landtagswahl 2013“, das uns als Journalisten ausweist. Nach einer kurzen Einführung mit den Worten „Guckt euch ruhig alles an, noch ein-mal kriegt ihr so eine Chance nicht!“ ziehen wir mit einem „Jetzt oder nie“-Gefühl los.

Die Studios der Fernsehsender ziehen unsere Aufmerksamkeit be-sonders an. Als wir das Hallo Nieder-sachsen-Studio bestaunen, baut sich ein großer, kräftiger Mann vor uns auf. Er mustert uns skeptisch und wir befürchten, gleich rausgeworfen zu werden. „Stellt euch mal ins Stu-dio und ich mach ein Foto von euch!“. Für einen kurzen Moment fühlen wir uns wie richtige Reporter. Solan-ge, bis die Aufnahmen für die hei-matlichen Fotoalben gemacht sind.

Aber irgendwie fehlt uns noch et-was: Die Politiker. Da ist diese innere Karla Kolumna in uns, die unbedingt raus will. Also geht es weiter. Neben einem kurzen Zwischenstopp bei der Wahlparty der FDP geht es gera-dewegs zu den Grünen. Dort treffen wir Daniel Holefleisch und Can Erdal wieder, die wir bereits am Abend zu-vor bei der „Drei Tage Wach“-Wahl-kampfaktion der Grünen kennen-

gelernt haben. Holefleisch, der bei den Grünen wegen seiner Ähnlich-keit mit Jürgen Klopp nur „Kloppo“ genannt wird, hatte versprochen: „Sollten die Grünen über 16 Prozent ergattern, springen Can und ich noch in der gleichen Nacht nackt in den Maschsee!“. Auch wenn die Grünen bei der ersten Hochrechnung in Fei-erlaune sind, ist klar: Das wird nichts mit dem nächtlichen Blankzieher.

Kloppo verschafft uns auch ein kurzes Interview mit Claudia Roth. Auf unsere Frage, was sie uns jun-gen Journalisten auf den Weg geben möchte, zitiert sie ihren Vater: „Me-ckere nicht! Wenn dir etwas nicht passt, dann versuche es zu ändern! Und wenn der Wind kalt weht, dann lerne, das durchzustehen! Bilde dir eine Meinung und stehe dazu, auch wenn du in der Minderheit bist!“ Mit diesen hektisch niedergeschriebe-nen Worten verlassen wir die Wahl-party der Grünen.

Weiter geht es zur Wahlparty der SPD. Dort betreten der SPD-Frak-tionsvorsitzende Stefan Schostok und der ehemalige Bundeskanzler Gerhard Schröder die Bühne. Ihre Reden werden von lauten „Ho, Ho, Ho“-Rufen begleitet. Als sie die Büh-ne verlassen, bahnen wir uns einen Weg in Richtung Schröder. Plötzlich stehen wir dem ehemaligen Bundes-kanzler direkt gegenüber. Um die-sen Moment gebührend genießen zu können, ignorieren wir einfach die Hände des Bodyguards, die sich

hartnäckig in unsere Seiten bohren. „Ähm, Herr Schröder! Könnten wir vielleicht. . .?“. „Nein, ich beantworte heute keine Fragen!“, sagt er mit ei-nem eisernen Kopfschütteln.

Um dem Trubel auf der SPD-Wahlparty zu entkommen, fahren wir wieder zu den Grünen. Erschöpft und überwältigt von all den Erlebnis-sen sinken wir tief in eine Sitzecke und sichten im Dämmerlicht über unsere Ausbeute. In diesem Moment – die Musik ist leise, im Nebenraum wird noch gefeiert – kommt ein Mann durch die Eingangstür. „Guckt mal, der Kerl sieht aus wie der Weil, oder?“ Schweigen. Dann werden wir überrollt von Fernsehteams. Offen-bar macht der angehende Minister-präsident Stephan Weil einen unan-gekündigten Spontanbesuch beim künftigen Koalitionspartner. Wir stehen auf, da auf unserem Tisch ein ZDF-Fernsehteam steht. Als wir zum Ausgang gehen, steht Weil plötzlich vor uns. Spontan sprechen wir ihn an: „Wir sind von der Jungen Presse Niedersachsen und wollen fragen ob wir ein Foto mit Ihnen machen kön-nen!“. Weil beginnt, langsam den Kopf zu schütteln. Als neben uns Presse und Fernsehteams die Kame-ras auf ihn richten, sagt er plötzlich: „ Klar, gerne. Da haben wir noch Zeit für!“

Zufrieden kehren wir ins Tagungs-haus zurück. Es dauert noch Stun-den, bis wir realisieren, was wir alles erlebt haben. Wir durften an etwas teilnehmen, was in die Geschichte Niedersachsens eingegangen ist. Wir waren vor Ort, als das Zittern und Bangen der Grünen bei der Hoch-rechnung in Triumph umschlug. Wir waren es, die nach der Verkündung des Endergebnisses, bewaffnet mit Block und Stift, die Politiker inter-viewten. Das hätten wir uns nie zu-vor träumen lassen!

Karla Kolumna lässt grüßenvon alina pleuß

Page 22: Journal 13-1
Page 23: Journal 13-1

LaTaWaReSe

23JPN Journal 3–12

Der Wahl-O-Mat ist ein Frage-Ant-wort-Tool. Die Bundeszentrale für politische Bildung stellt ihn auf sei-ner Homepage auf www.bpb.de be-reit.

Wie funktioniert der Wahl-O-Mat?

Eine Redaktion recherchiert The-men, die aktuell im Wahlkampf be-handelt werden und die politische Diskussion bestimmen, wie Energie, Integration oder Steuern. 38 Thesen fassen diese Themen zusammen, auf die mit „Stimme zu“, „Stim-me nicht zu“, „Neutral“ oder „These überspringen“ reagiert werden kann. Zum Beispiel „In Niedersachsen sol-len weiterhin Kohlekraftwerke ge-baut werden dürfen.“ Im Anschluss an die letzte These kann man seine Antworten gewichten, sodass sie im Gesamtergebnis mehr zählen als die anderen Antworten. Schon ist man fast am Ziel. Jetzt noch „Ergebnis an-zeigen“ klicken und es erscheint eine Aufstellung der Parteien, deren Po-sitionen am meisten mit der eigenen übereinstimmen. Das Beantworten der Wahl-O-Mat-Fragen kostet we-niger Zeit als die Tagesschau zu gu-cken.

Und das wähle ich jetzt?Die angezeigten Parteien sind kei-

ne Wahlempfehlungen, sondern sol-len vor allem das Interesse am Wahl-kampf wecken. Deswegen steht der Nutzer dann vor einer langen Tabelle und findet durch ein wenig Scrollen heraus, wie welche Partei zu einem Thema steht. Wer überraschender-weise hohe Übereinstimmungen mit einer unerwarteten Partei hat, infor-miert sich vielleicht, warum. Wem eine Partei angeboten wird, deren Abkürzung er nicht kennt, schaut vielleicht mal, wer das ist und wofür

die Partei steht. Für diese Informa-tionen kann man sich die Hinter-grundtexte der Parteien zu den The-sen durchlesen.

Hinter den KulissenWas für den Nutzer nur einige Mi-

nuten dauert, wird von einer Redak-tion an drei Tagen vorbereitet. Sie besteht hauptsächlich aus Jugend-lichen. Politikwissenschaftler, So-zialwissenschaftler, Statistiker und Pädagogen beraten sie dabei. Das Redaktionsteam trifft sich zu Work-shops, in denen die Thesen für den Wahl-O-Mat ausgesucht, formuliert und redigiert werden. „Wir hatten zweieinhalb Tage um uns die Thesen zu überlegen, die dann den Partei-en vorgelegt wurden. Anschließend noch einen halben Tag, um die aus-sagekräftigsten Thesen auszuwäh-len“, erzählt Sebastian Kabst. Er ist 23 Jahre alt und hat als Jungredakteur an der Redaktion des Wahl-O-Mat mitgewirkt. Über die Facebook-Seite der Bundeszentrale für politische Bildung hat er von der Redaktion er-fahren. „Man sollte in ungefähr 500 Zeichen erläutern, welches Interesse man an der Arbeit in der Redakti-on hat. Schwerpunkt lag natürlich auf dem Interesse an Landespolitik. Das war‘s schon“, erklärt er den Be-werbungsprozess. Sebastian sagt, dass die jugendliche Redaktion viel Einfluss auf die endgültige Form des Wahl-O-Mat hat: „Wir haben als Gruppen mit ca. drei bis vier Ju-gendredakteure und ein bis zwei Be-treuern die Thesen erarbeitet, später mit allen noch einmal überdacht und in den Kleingruppen dann weiter konkretisiert. Die Arbeit zwischen Redaktion und Betreuer erfolgte zu jeder Zeit auf Augenhöhe.“

Die Qual der Wahl: der Wahl-o-mat

von ramona lienhop

Politikbegeisterte Freunde posten den Link in sozialen Netzwerken, Lehrer treiben ihre Klassen in die Computerräume. Noch bevor die Wahlbenachrichtigungen die Briefkästen erreichen, ist es wieder so weit: Der Wahl-O-Mat ist online.

Page 24: Journal 13-1

Arm

tro

tz A

rbei

t

JPN Journal 3–1224

„Immer mehr Qualifizierte im Nied-riglohnsektor“, „Niedriglohn-Alarm in Deutschland“, „Armut in Deutsch-land wächst“ - So oder ähnlich titeln die größten deutschen Zeitungen immer wieder. Sie schreiben über Armut, über Menschen, die den gan-zen Tag arbeiten und am Ende des Monats trotzdem jeden Cent umdre-hen müssen oder über Akademiker, die sich trotz Studium ihr täglich Brot mit Minijobs verdienen.

Anfang 2013 wird nach drei Jahren der neue Armuts- und Reichtums-bericht der Bundesregierung mit den aktuellen Zahlen veröffentlicht. Zurzeit steht er im Diskurs, weil der Satz: „Die Privatvermögen in Deutschland sind sehr ungleich ver-teilt“ in einer überarbeiteten Fassung gestrichen wurde.

Laut einer Untersuchung vom Deutschen Institut für Wirtschafts-forschung sind die Löhne der Ge-ringverdiener zwar um zwei Prozent gestiegen, während die Gehälter der Oberschicht stagnierten. Damit ist die Kluft zwischen Arm und Reich zwar ein wenig geschrumpft, aber eine gerechte Verteilung des Geldes bewirkt das bei weitem nicht. Hinzu kommt, dass rund 80 Prozent der Menschen, die im Niedriglohnsektor beschäftigt sind, eine abgeschlosse-ne Ausbildung oder ein Studium vor-weisen können.

Doch wie konnte diese Situation in Deutschland überhaupt entstehen?

Noch vor rund 50 Jahren boomte in der Bundesrepublik das Wirt-schaftswunder unter Bundeskanz-ler Ludwig Erhard. Der VW-Käfer, seinerzeit das meistverkaufte Auto, symbolisiert diese Jahre des Wohl-stands noch heute. Den ersten Knick erhielt der Wirtschaftsboom jedoch mit der Ölkrise von 1973. Im Jom-Kippur-Krieg hatte Israel, mit ameri-kanischer und niederländischer Un-terstützung gegen die umliegenden Arabischen Länder gekämpft. Wegen dieser Hilfe stoppten die Öl-Staaten ihren Export in die USA. Dieser Ein-

bruch war auch in der Bundesrepub-lik zu spüren und führte sowohl zu einer neuen Energiespar-Politik als auch zu Kurzarbeit, Arbeitslosigkeit, höheren Sozialausgaben und Insol-venzen. Ähnliche Auswirkungen hatte die zweite Ölkrise sechs Jahre später.

1982 begann nach achtjähri-ger SPD-Regierung unter Helmut Schmidt die Ära Kohl. Dessen Politik konzentrierte sich vor allem auf die Verständigung in der Nahost-Politik mit dem Ende des Kalten Krieges. In Westdeutschland öffnete sich in dieser Zeit jedoch die Schere zwi-schen Arm und Reich weiter. Durch zunehmende Technisierung fielen leichte Tätigkeiten weg, wogegen der Bedarf an hochqualifizierten Arbeit-nehmern stieg. Gleichzeitig impor-tierte Deutschland mehr Waren und verlagerte somit mehr Produktion ins Ausland. Zur Jahrtausendwende hatten die Arbeitslosenzahlen mit 14 Prozent ein Rekordniveau erreicht. Die Niedrigqualifizierten mussten sich daraufhin nach neuen Tätigkei-ten umsehen und formten schließ-lich zu großen Teilen den neuen Niedriglohnsektor.

Dessen Anstieg erforderte ein Ein-greifen der Politik: die Agenda 2010. Dieses Konzept umfasste Änderun-gen in fast allen politischen Berei-chen. Für die Arbeitsmarktpolitik berief die Bundesregierung unter Gerhard Schröder 2001 eine Kom-mission aus Wirtschaftsvertretern, Politikern und Gewerkschaftern ein. Sie erarbeiteten die Grundlage für das Hartz-Konzept, das in den folgenden Jahren bis 2005 in vier Schritten umgesetzt wurde. Benannt sind die Gesetze nach Peter Hartz, Kommissionsmitglied aus dem Vor-stand der Volkswagen AG.

Mit den Hartz-Gesetzen durften Arbeitnehmer von geringfügigen Beschäftigungen beispielsweise mehr als 15 Stunden pro Woche ar-beiten. Außerdem lag die monatliche Verdienstgrenze nun nicht mehr bei

325, sondern bei 400 Euro. Zum 1. Ja-nuar 2013 wurde diese Grenze noch-mal auf 450 Euro angehoben.

Die Hartz-Gesetze schufen zusätz-lich Jobcenter, die Sozialhilfeemp-fänger bei der Weitervermittlung mit Jobangeboten und Weiterbildungs-möglichkeiten unterstützen. Das Arbeitslosengeld II und das Sozial-geld sollten von nun an Arbeitslose finanziell unterstützen. Bis dahin standen an dieser Stelle die Arbeits-losen- und die Sozialhilfe. Es änderte sich jedoch nicht nur der Name der Gelder, sondern auch die Bezugsbe-dingungen: Allein lebende Personen mussten nach den neuen Gesetzen deutliche Abstriche machen, wo-gegen alleinerziehende Elternteile mit Kind finanzielle Vorteile aus der Umstrukturierung zogen. Diese beiden Zuschüsse werden umgangs-sprachlich mit dem Begriff „Hartz IV“ zusammengefasst, da sie im Zuge des vierten und letzten Schrittes des Hartz-Konzeptes entstanden.

Nach der endgültigen Umset-zung der Hartz-Gesetze, konn-ten die Ämter 2006 den stärksten Rückgang der Arbeitslosenzahlen seit 1990 auf rund 4,5 Millionen verzeichnen. Die Bundesagentur für Arbeit sah darin den Erfolg des Hartz-Konzeptes. Dennoch hagelt seit jeher viel Kritik auf die Refor-men, da der Niedriglohnsektor im-mer noch wächst.

Und unabhängig davon, ob im anstehenden Armuts- und Reich-tumsbericht nun explizit von einer ungleichen Verteilung des Vermö-gens gesprochen wird oder nicht: Die Situation wird sich nicht von einem Tag auf den anderen Tag än-dern. Doch möglicherweise könnte eine Einführung des Mindestlohns ein Schritt in die richtige Richtung sein. Dann können die Zeitungen – zumindest in Bezug auf den Arbeits-markt – auch wieder mehr positive Schlagzeilen drucken.

Vom Wirtschaftswunder zum NiedriglohnsektorRechercheseminar Arm trotz Arbeit

von

ther

esa

krus

e

Page 25: Journal 13-1

Arm

trotz Arbeit

25JPN Journal 3–12

Die Armut kann jeden besu-chen, frei nach Lust und Laune. Was, wenn selbst ein Studium ihr den Zutritt nicht verwehrt? Was, wenn die einzige Chance, sie dann zu ertragen, ist, sie zu bewirten? Mit Kuchen. Nicht mit nur einem Stück und nicht mit nur einer Sorte.

 Ungeniert erzählt die studierte

Modedesignerin Sonja (35) aus Han-nover von dem unerwarteten Kurs, den ihre Karrierelaufbahn genom-men hat. Ihr pinkes zum Bob frisier-tes Haar wippt so selbstverständlich auf und ab, wie auch ihre insgesamt neun-jährige Ausbildung ihr gewiss nicht zusichert, als Designerin tätig sein zu können. „Ich war zu alt für diese Branche, als ich mein Diplom in der Tasche hatte.“ Sonja beißt sich auf die gepiercte Lippe.

Jobcenter seien nicht in der Lage Akademiker zu vermitteln. „Einmal sollte ich ein Seminar zum richtigen Verfassen eines Bewerbungsschrei-bens besuchen. Die Dinge, die mir vorgeschlagen wurden, waren völlig ab von meinem Kurs. Doch mir blieb nichts anderes übrig, um Geld zu be-kommen.“

Als die damals 28-Jährige sich auf Empfehlungen der Job-Center mangels Alternative in diversen Einzelhandelsketten bewarb, erhielt sie weit über 50 Absagen aufgrund ihrer Überqualifikation, aufgrund ihres flippigen Aussehens, aufgrund der Unverständnis der Arbeitgeber, eine Designerin an die Kasse setzen zu sollen.

So war Sonja nach ihrem Studium sechs Jahre arbeitslos und gezwun-gen, sich mit einer Vielzahl von Mi-nijobs über Wasser zu halten. Selten stieß ihre Arbeitslosigkeit auf Ver-ständnis. Das war der Grund, wes-halb Sonja in ein emotionales Loch fiel. „Warum nahm mich niemand? Womit hatte ich diese Ungerechtig-keit verdient? Als Studentin wurde mir sogar der Fashion-Award von Street-One verliehen. Ich war immer eine gute Schülerin.“

Vergangenen Februar bekam Sonja endlich die Chance, sich nach einem Vorstellungsgespräch zu bewähren. Mithilfe einer gründlichen Vorbe-reitung erkämpfte sie sich eine Teil-zeitanstellung im Einzelhandel. Zur Weihnachtszeit, „in der das Geschäft boomt“, arbeitet sie im Schnitt 170 Stunden pro Monat. Ihre Arbeits-

zeit ist höher als die einer Vollzeit-angestellten, ihr Stundenlohn dabei geringer. 8 Euro pro Stunde bringen am Ende jeden Wintermonats 1300 Euro Brutto, also 1050 Euro Netto. „Von dieser Bezahlung kann ich im Moment gerade so leben. Vergange-nen Sommer blieb mir jedoch nichts anderes übrig, als staatliche Unter-stützung zu beziehen.“, berichtet die zierliche Frau. „Dank meiner hand-werklichen Begabung weiß ich mir Gott sei Dank selbst zu helfen. Trotz-dem ist es alles andere als leicht.“

Heutzutage sind 7 Mio. Menschen geringfügig – also nicht Vollzeit – be-schäftigt. 63 Prozent von ihnen sind Frauen – wie Sonja. In den Berei-chen, in denen die Zahl der berufs-tätigen Frauen in den letzten Jahren anstieg, sank im Gegenzug die Zahl der Stunden, die jede Frau im Schnitt arbeitete.

Laut einer Statistik vom DGB wa-ren 2010 rund 23 Prozent aller 3,3 Millionen Vollzeit-Beschäftigten in  Niedersachsen im Niedriglohsektor tätig, 1995 waren es „nur“ 14,7 Pro-zent. Die Lohnschwelle liegt zurzeit bei 9,54 Euro.

8,1 Prozent aller Vollzeitbeschäf-tigten verdienen sogar unter 6 Euro, und damit noch weniger als Sonja, die selbst mit all ihren Überstunden nur knapp über die Runden kommt.

Außerdem ist sie lange nicht die einzige niedriglohnbeschäftig-te Akademikerin. 80 Prozent der im Niedriglohnsektor anstelligen Deutschen verfügen über eine abge-schlossene Berufsausbildung oder ein Studium. 2/3 davon sind Frauen. Wen wundert da noch, dass Frauen eine 60 Prozent niedrigere Renten beziehen als Männer.

Von Gleichberechtigung kann man da kaum sprechen, selbst wenn Männer und Frauen vor dem Gesetz gleich sind, auch wenn die britischen Näherinnen der Ford-Wagen Sitzbe-züge sich 1986 „equal pay“ erkämpf-ten, wie der Film „We want sex“ de-monstriert.

Begründet wird die niedrigere Be-zahlung von Frauen oft „politisch“. In Hinblick auf den Lebenslauf einer Frau bestehe eher die Notwendig-keit sich für Familienplanung und gegen Karriere zu entscheiden, heißt es.   Doch Fakt ist, dass die Zahl von Emanzipierten steigt. Dementspre-

chend ist die Aussage vollkommen überholt. Sonja beispielsweise kann es sich nicht leisten, Kinder zu be-kommen.  Zum einem fehlt das Geld, vielmehr aber noch fehlt die Zeit, Kitaplätze und ein Arbeitgeber, der Sicherheit gewährleistet.

Ebenso wenig kann sie leider ih-rer Leidenschaft, dem Modedesign, nachgehen. „Ich bin froh, wenn ich es schaffe, die Wohnung aufzuräumen oder kurz zum Sport zu gehen.“

Noch fehlt ihr das Startkapital, doch nach ihrer voraussichtlichen Festanstellung im Februar hofft sie, Geld sparen und ihrem Traum, Stück für Stück näher kommen zu können, zumindest „nebenbei selbstständig“ zu werden.

Joachim (48) ist selbstständig, sein Leben dafür proppenvoll. Wie auch Sonja lebt er trotz Philosophie-, Ita-lienisch- und Musik-Wissenschafts- Studium von einem minimalen Einkommen. Seit fast vier Jahren verlässt er jeden Tag nach einer Tasse Kaffee um 04.00 Uhr früh das Haus, um Abonnentenzeitungen zu vertei-len. Nach einem kleinen Frühstück gönnt der Musiker sich dann ein wenig freie Zeit um die Zeitung zu lesen. „Mein einziges Privileg als Zu-steller koste ich aus. In vollen Zügen.“ Danach steht die Verteilung der Wo-chenblätter auf seinem Programm. Insgesamt bescheren ihm diese bei-den Jobs 300-350 Euro im Monat.

Am Nachmittag kehrt Joachim nach Hause zurück, um seinen Un-terricht vorzubereiten. An diversen Waldorf – und Volkshochschulen in der Umgebung bietet der Hanno-veraner Nachhilfe- und Weiterbil-dungskurse in Latein, Italienisch und Musik an. „Um einen Kurs, sprich zwei Doppelstunden, vorzubereiten, plane ich für mich einen Vollzeit-Arbeitstag bzw. eine Nacht ein. Aus-gezahlt werden mir im Nachhinein rund 25 Euro pro Kurs exklusive An-fahrtskosten.“

Wenn Joachim nicht zur Schu-le fährt, gibt er in seinem eigenen Klavierstudio Musikunterricht. Am späten Abend steht ab und an Tisch-tennistraining auf dem Plan, sodass mit einer   Heimkehr um 00.30 Uhr zu rechnen ist. An allen Werktagen beginnt der nächste Morgen für Joa-chim um 03.45 Uhr, an einem Sams-tag darf er bis 5.00 Uhr ausschlafen.

Nebenbei betätigt er sich auch als freier Journalist. Mit einem 80-zei-

von

alin

a bu

xman

n

Wenn Kassieren arm macht

Page 26: Journal 13-1

Arm

tro

tz A

rbei

t

JPN Journal 3–1226

ligen Bericht verdient er 40 Euro. Unterm Strich stehen ihm am Ende jeden Monats 1000-1600 Euro zur Verfügung. „Je nachdem, wie es eben läuft. Ein sicheres Einkommen bezie-he ich nur aus dem Zeitungsverteilen. Mein Traum war und ist das nicht.“ Nachdenklich streichelt der Brillen-träger sich seinen Dreitagebart. Pri-vates bleibt oft auf der Strecke.

Neben all seinen Tätigkeiten schafft Joachim es allerdings im Gegensatz zu Sonja, seiner Leiden-schaft nachzugehen, mit ihr sogar Geld zu verdienen. Er komponiert, u. a. für das Kindermusiktheater sei-ner Tante. Joachims Leben ist – wie er selbst sagt – mannigfaltig. All seinen Beschäftigungen nachzugehen, ma-che ihn in keinem Fall unglücklich. Doch viel Schlaf werde ihm dabei nicht zuteil, weil er Geld verdienen muss. Nervös zappelt der Fuß des 48-Jährigen, stößt immer wieder gegen das Stuhlbein. Manchmal ver-schlafe er auch. Sein Körper müsse sich akkumulieren.

Festzuhalten ist, dass selbst ein Studium oder eine fundierte Aus-bildung hierzulande niemanden vor Arbeitslosigkeit bewahrt. Viele Menschen sind gezwungen, sich von zahlreichen Minijobs zerfasern und zerfressen zu lassen, um von ihrem eigens Verdienten leben zu können. Sozialhilfe zu beantragen, kratzt am Stolz zahlreicher Leute. Auch Sonja schämt sich im Sommer.

Die Einführung eines gesetzlich vereinbarten Mindestlohns würde der Lösung dieses Problems entge-genkommen. Sonja würde angemes-sen bezahlt werden und Joachim könnte ruhigen Gewissens eine Nacht durchschlafen.

Es ist ein düsterer Ausblick, den der Gewerkschaftler Dr. Patrick Schreiner (DGB) gibt: Kriminalität und psychische Probleme werden mehr und das Vertrauen in unsere Gesellschaft wird in Deutschland schwinden. Er bezieht sich hierbei auf die Studie von Wilkinson und Pickett „Gleichheit ist Glück“, wel-che sagt, wenn die Lohnungleichheit steigt, dann treten Probleme wie die oben genannten auf.

Doch warum steuert unsere Ge-sellschaft auf eine düstere Zukunft zu? Auf welche Fakte fußt eine sol-che Prognose? Und was ist die Ein-kommensungleichheit eigentlich?

In Deutschland ist der Niedrig-lohnsektor in den letzten zehn Jah-ren um 22 % angestiegen und der Reallohn um 2,5 % gesunken. Damit ist Deutschland das einzige OECD-Land, welches eine negative Real-lohnentwicklung hat, das heißt der Lohn ist nicht im gleichen Maße wie die Lebenserhaltungskosten gestie-gen. Viele Arbeiter sind zwar hoch-qualifiziert, arbeiten aber trotzdem für Stundenlöhne von teilweise we-niger als 6,50 € Brutto und das 40 Stunden in der Woche. Das trägt zur Lohnungleichheit bei, denn diese Arbeiter verdienen immer weniger, während die Löhne von anderen, zum Beispiel Managern massiv stei-gen. Warum aber wehrt sich keiner gegen diese Ungerechtigkeit? Wes-halb streiken die schlecht bezahlten Arbeiter nicht?

TalfahrtArbeitsmarkt

am

Ein Kommentar von Till Kammerlohr

Patrick Schreiner beantwortet uns auch diese Frage: „Es ist schwierig, die Arbeitnehmer im Niedriglohn-sektor zu organisieren, denn sie sind austauschbar und einen Grund jemanden zu entlassen findet sich immer. Das wissen sie.“ Außerdem seien die Arbeits- und Lebensum-stände in den Augen der meisten noch nicht so schlecht, dass sie sich wehren müssten.

Die Wirtschaftsleistung, die in Deutschland zurzeit steigt, wird unter anderem durch massive Un-terbezahlung von Arbeitskraft ge-schaffen. Die Firmen bauen dadurch ihre Gewinne aus, doch von diesem Reichtum bekommt ein wachsen-der Teil der Bevölkerung nichts ab. Ein Nebeneffekt ist, dass man be-fürchten muss, dass auch die Bin-nennachfrage in Deutschland sinkt, da die Bevölkerung kaum noch Geld hat. Wenn wir den Frieden und den Wohlstand in unserer Gesellschaft erhalten wollen, muss der Wille zum Gewinn der Verantwortung für eine intakte Gesellschaft weichen.

Page 27: Journal 13-1

Asse

27JPN Journal 3–12

Nur ein paar Kurven entfernt von Kammern voller Atommüllfässer stehen auf einem staubigen Tisch eine Kaffeekanne und drei Tassen. Vor vierzig Jahren fuhren hier Bag-ger entlang, den Frontlader voll mit diesen leuchtend gelben Fässern, um sie in eine Kammer zu bringen. Dort polterten sie den Hang herunter, ohne dass es jemanden kümmerte, ob sie dabei Schaden nahmen. Heu-te pausieren hier erschöpfte Berg-arbeiter, wischen sich den Schweiß von der Stirn, lehnen sich für einen Moment zurück von der Arbeit. Für Außenstehende wirkt der Pausen-tisch seltsam fehl am Platz, neben der riesigen Betonmaschine, vor Salzwänden voller Kabel und Ma-schinerie. Gefahrensymbole mit den gelben Strahlungs-Dreiecken gibt es zwar, aber sie sind unauffällig an-gebracht, zum Beispiel an Behältern mit Flüssigkeit, sodass man sie nicht auf den ersten Blick sieht. Trotzdem beschleicht den Besucher ein mul-miges Gefühl bei dem Gedanken daran, wie nah die Einlagerungen mit Atommüll sind. Die Anzahl der Fässer ist zwar genau bekannt, doch der Inhalt wurde damals nicht genau dokumentiert. Man wollte sich des Mülls so schnell wie möglich entle-digen.

JPN-ler müssen unter-

schreiben, dass sie nicht

strahlen

Bevor sich die Journalisten in die Tiefe begeben, müssen sie sich komplett in Bergarbeiterkluft wer-fen. In einzelnen Umkleidekabinen

liegt alles bereit: feste Schuhe mit Stahlkappen, leuchtend roter Helm, sogar eine gerippte Herrenunterho-se für beiderlei Geschlecht. Später bekommen sie die nötige technische Ausstattung: ein Geleucht an einem langen Kabel, eine fünf Kilo schwe-re Sauerstoffreserve – die zum Glück nicht zum Einsatz kommt – und ein Dosimeter, das die radioaktive Strahlung misst. Bevor und nach-dem die Journalisten einfahren, müssen sie unterschreiben, dass das Dosimeter tatsächlich auf null steht und dass sie sich einer Sicherheits-unterweisung unterzogen haben. Eine Mitarbeiterin der Asse, Heike Hegemann, führt uns durch das still-gelegte Salzbergwerk. Sie hat sich schon lange an die eigentümliche Kluft gewöhnt. Ihr Helm ist weiß, sie gibt das Kommando an. Hegemanns Brille gleicht eher einer Schutzbrille aus dem Chemieunterricht als einer Lesehilfe.

Auf drei verschiedene Arten wur-den die Fässer eingelagert. Anfangs stapelte man die Fässer noch hoch-kant aufeinander. Ein Bergarbeiter, der in den sechziger und siebziger Jahren in der Asse an der Einlage-rung beteiligt war, berichtet, dass der Untergrund nicht eben genug war, um die Fässer stabil aufzu-stellen. Darum fassten er und seine Kollegen des Öfteren direkt die un-tersten Fässer an, um sie zurecht-zurücken. Dabei kam er direkt mit der Strahlung in Berührung. Heute hat er Hautkrebs. Später ging man dazu über, die Tonnen waagerecht zu stapeln. Doch auch dies war kein ungefährliches Unterfangen. Als sich herausstellte, dass die Bergarbeiter auch bei diesem Verfahren lange Zeit Strahlung ausgesetzt waren, wurden

die Tonnen nur noch in die Hohl-räume des Salzbergwerks gekippt. Lokalredakteur Karl-Ernst Hueske von der Braunschweiger Zeitung verfolgt die Diskussion um die Asse seit ihrem Aufkeimen. Er stellt fest, dass es schwer ist, von Zeitzeugen zu erfahren, wie die genauen Umstände im Bergwerk waren: „Es gibt eine Art Schweigediktat. Die Mitarbeiter re-den kaum darüber“.

Mit einer Geschwindigkeit, die dem freien Fall entspricht, rast die Gruppe unter die Erde – in die Nähe der Einlagerungen. Eng ist es in dem Aufzug, der nur 1,20 mal 2,20 Meter misst. Die Steinwände verschwim-men bei der Geschwindigkeit vor unseren Augen, kalte Zugluft weht um die Ohren. Auf der ersten Sohle, bereits einen halben Kilometer un-ter der Erde ausgestiegen, ist es um einiges wärmer als oben. Die Luft riecht nach Staub. Vor die Salzwän-de sind Netze gespannt, sie sichern die Wände und verhindern, dass herabfallende Brocken Mitarbeiter verletzen. Mit roter Graffitifarbe sind mathematische Berechnungen, Zahlen und Kennzeichnungen an die Wände gesprüht. Tiefe Kerben und Risse durchziehen das Salz. Autos stehen in den Tunneln. Alle Fahr-zeuge und Maschinen müssen unter Tage zusammengebaut werden, denn der Aufzug ist wie ein Nadelöhr: zu klein, um die Maschinen im Ganzen zu transportieren. Riesige Betonmi-scher produzieren aus Salz, das extra herbeigeschafft wird, Füllung für die zahlreichen Hohlräume in der Asse. Die Hohlräume sind ein Relikt aus der Zeit, als in dem Salzstock noch Salz abgebaut wurde. Der gesamte Berg ist durchlöchert wie ein Schwei-zer Käse. Obwohl viele Hohlräume

Pause in der AsseEin Nachtrag aus der Asse

Die Schachtanlage und vermeintliches Atommüllendlager taucht in jeder Debatte um Entsorgung von Atommüll auf. Von 1967 bis 1978 hat der damalige Betreiber, die Gesellschaft für Strahlen-forschung, 125 000 Fässer mit schwach- und mittelradioaktiven Abfällen in 13 Kammern eingelagert. Eine kleine Gruppe Medien-macher der JPN hat im Januar die Asse erkundet und gleichzeitig eine Zeitreise in die 70er Jahre gemacht. In 750 Meter Tiefe haben sie sich ein Bild und viele Bilder davon gemacht, wie das Bundes-amt für Strahlenschutz unter Tage arbeitet – und erfuhren, wie lange es noch bis zur Rückholung dauern könnte.

von luisa m

eyer

Page 28: Journal 13-1

Ass

e

JPN Journal 3–1228

schon wieder mit Beton aufgefüllt wurden, machen die vielen Löcher den Salzstock instabil.

Nach dem technischen Kennt-nisstand der siebziger Jahre war es absolut legitim und sicher, den ra-dioaktiven Abfall in der Asse ein-zulagern. Ein Film der Gesellschaft für Strahlenforschung aus dem Jahr 1974 berichtet mit fröhlicher Musik im Hintergrund: „Die Struktur der Salzlagerstätten wird sich auch in Zukunft nicht ändern. Deshalb sind Salzbergwerke besonders geeignet, radioaktive Abfälle für alle Zeiten aufzunehmen, ohne dass daraus je eine Gefahr erwüchse“. Heute ist man schlauer. Sollte die Asse absaufen, also durch einen unkontrollierbaren Wassereinbruch volllaufen, ist es gut möglich, dass die radioaktiven Stoffe ins Grundwasser gelangen. Die Stof-fe sind zwar nur als schwach- und mittelradioaktiv klassifiziert, haben aber teilweise eine weitaus längere Halbwertszeit als hochradioaktive Stoffe.

Der Prozess der Rückholung ge-staltet sich schleppend langsam, das

Bundesamt für Strahlenschutz muss zahlreiche Auflagen berücksichti-gen. Noch ist der Betreiber dabei, Messungen zur Radioaktivität, dem Zustand der Fässer und der Kam-mern durchzuführen. Vor Kammer 7 ist ein klinisch sauberer Hochsi-cherheitstrakt mit Schleusen und eigenen Umkleidekabinen einge-richtet. Mit einer großen Maschine durchbohren die Arbeiter die vielen unterschiedlichen Schichten, mit de-nen die Kammer damals geschlossen wurde. In der Kammer, die dahinter liegt, wollen sie Messungen durch-führen und erfahren, in welchem Zustand sich die Fässer befinden. Normalerweise können diese 20 Me-ter Gestein an einem Tag durchbohrt werden. Das Bundesamt stieß bei der Bohrung auch auf nicht kalkulierte Probleme. Teermasse, die die Kam-mer schützen sollte, verklebte den Bohrer. Außerdem traf der Bohrer nicht wie kalkuliert den Hohlraum, sondern ging darüber hinweg. Auch die strengen Sicherheitsvorkehrun-gen verzögern die Rückholung.

Um die Asse ranken sich viele Gerüchte und Geschichten. So wird

gemunkelt, dass sogar die Asche von radioaktiv kontaminierten Lei-chenteilen in der Asse eingelagert wurde. Die Asche stammt angeblich von Technikern, die bei einem Reak-tor-Unfall verstrahlt wurden. Auch radioaktiv verseuchte Lappen aus Krankenhäusern sollen unter dem Abfall sein.

In Remlingen, dem nächstgelege-nen Ort zur Asse, wurden von 1971 bis 1978 bedeutend mehr Jungen als Mädchen geboren. Nach Angaben der Zeitung „Asse-Alarm“ wurden 110 Jungen, aber nur 78 Mädchen ge-boren. Dasselbe Phänomen bemerk-te man während der Katastrophe von Tschernobyl. Mittlerweile hat sich das Verhältnis wieder normalisiert. Doch die Geburtenraten zeigen, dass die Region während der Einlagerung vermutlich mit viel Strahlung belas-tet war.

Bis auch das letzte Fass aus der Asse geborgen ist, kann es noch lan-ge dauern. Die Betreiber haben ver-anschlagt, dass die Erprobung bis 2036 dauert. Erst dann kann mit der Rückholung begonnen werden.

Page 29: Journal 13-1

Genug gewählt! Jetzt müssen wir wieder ein halbes Jahr warten, bis wir bei der Bundestagswahl wieder Kreuzchen setzen dürfen. Auch dann wird es wieder ein Seminar geben – das BuTaWaReSe.Wir hoffen, ihr habt was dazugelernt, Eindrücke von den Semina-ren gewonnen und hattet nebenbei auch noch ein bisschen Ver-gnügen beim Lesen!Das nächste Journal riecht nicht mehr nach Computerbildschirm, sondern nach original Papier. Im Sommer dürft ihr wieder echte statt virtuelle Eselsohren machen und mit euren Fingern umblät-tern statt mit Maus oder Touchpad.Das Sommerjournal hat das Thema „Dorfsterben und Landflucht“. Wer Ideen und Anregungen hat oder gerne einen Text dafür schrei-ben möchte, ist willkommen und kann sich gerne bei uns melden.Bis zum nächsten Mal grüßt euch herzlich

eure JPN

Page 30: Journal 13-1

JugendMedienCamp NordWest8 . - 12 . Maiin Loxstedt/Bremerhaven

Unter dem Motto „Medienkunst – Medien und Kunst?“ beschäf-tigen wir uns bei diesem Camp damit, inwieweit Journalismus Kunst ist und werden in vielen spannenden Workshops versu-chen, den Künstler in uns selbst zu entdecken. Aber uns wird auch die Grauzone des kreativen Journalismus interessieren: Borderline-Journalismus, Fake-Dokus und gescriptete Reality-Shows sind solche kreativen Grenzgänger zwischen Fakten und Fiktion. Schaffen sie Denkanstöße oder wollen sie nur Aufmerk-samkeit erregen? In Gesprächsrunden mit Experten kannst du fleißig mitdiskutieren und deinen Standpunkt vertreten. Auch die Kreativität kommt nicht zu kurz – Theater, Poetry Slam und Graffiti stehen ebenso auf der Tagesordnung wie Jam Sessions oder unsere Open Stage. Fünf Tage buntes Rahmenprogramm, das sich nicht in diese Zeilen quetschen lässt.

Teilnahmebeitrag: € 45,- (€ 40,-)

Journalistisches Schreiben kurios24 . - 26 . Mai in Hannover

Wolltest du schon immer wissen, was ein Groomer macht? Oder was zur Arbeit eines Haustierbestatters gehört? Es gibt viele Angebote, über die man sich nur wundern kann. Ein Journalist hat die Aufgabe, sachlich darüber zu schreiben. Wie kann man aber diese kuriosen Inhalte geschickt darstellen? Wie beschreibt man die ganze Absurdität des Themas, ohne sich darüber lustig zu machen? Diese nicht ganz einfache Aufgabe wollen wir bei diesem Seminar lernen: Im Gespräch mit erfahrenen Journalisten werden wir Tipps bekommen, um anschließend selbst vor Ort zu recherchieren und natürlich zu schreiben!

Teilnahmebeitrag: € 25,- (€ 20,-)

Reportagefahrt Bosnien28 . Juli - 6 . Augustnach Bosnien-Herzegowina & Sarajevo

Vor 17 Jahren wurde der Krieg in Bosnien-Herzegowina beendet. Seitdem ist das Land in die Föderation Bosnien-Herzegowina und die Serbische Republik gespalten – und weiterhin tief zerstritten. Die drei Volksgruppen und die vier prägenden Religionsgemeinschaften teilen sich ein kleines Land, das gerade mal so groß ist wie Niedersach-sen. Krieg, Vertreibung und Völkermord haben ihre Spu-ren hinterlassen. Wir sprechen mit Journalisten, Politi-kern und engagierten jungen Menschen und recherchieren in Sarajevo, Srebrenica und Mostar.Bei Interesse und für weitere Infos bitte im JPN-Büro melden!

Reportagefotografie14 . - 16 . Juni in Hannover

Auch wenn die großen Magazine immer weniger Seiten dafür zur Verfügung stellen, so ist es der größte Traum vie-ler Fotografen, eine Reportage für GEO, Stern oder Sports Illustrated zu fotografieren. Die Reportagefotografie stellt aber hohe Anforderungen an den Fotografen: Er muss ei-nen Standpunkt beziehen, seine Geschichte soll Rhythmus und einen roten Faden haben, und sie soll in spannenden Bildern erzählt sein. An diesem Wochenende lernst du alles Wissenswerte zu Bildgestaltung und Technik, um deine Ideen gezielt fotografisch zu verwirklichen. In vielen praktischen Übungen kannst du das Erlernte ausprobie-ren. In den Bildbesprechungen mit Fotostudenten kannst du dir wertvolle Tipps zur Optimierung deiner Werke abholen oder über spannende Fotoreportagen professio-neller Fotojournalisten fachsimpeln.

Teilnahmebeitrag: € 25,- (€ 20,-)

APrIl MAi JuNI JulI AuGuST