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KALORIMETRISCHES VERFAHREN ZUR WIRKUNGSGRADBESTIMMUNG VON GETRIEBEN Wirkungsgradmessungen von Getrieben werden aktuell nach der Leistungsdifferenz- methode durchgeführt. Jedoch lassen sich aufgrund der begrenzten Genauigkeit dieses Verfahrens gewisse Fragestellungen in der simulativen Optimierung von Fahr- zeugen nicht mit ausreichender Präzision beantworten. Daher wurde am Institut für Kraftfahrzeuge der RWTH Aachen University ein neuartiges Verfahren zur direkten Verlustleistungsmessung entwickelt, das eine höhere Messgenauigkeit verspricht. AUTOREN DIPL.-ING. JEROME HOMANN ist Teamleiter für Konstruktion und Proto- typing Antrieb bei der Forschungsgesellschaft Kraftfahrwesen mbH Aachen (fka). UNIV.-PROF. DR.-ING. LUTZ ECKSTEIN ist Leiter des Instituts für Kraftfahrzeuge (ika) der RWTH Aachen University. | V O N E X P E R T E N A U S F O R S C H U N G U N D I N D U S T R I E B E G U T A C H T E T | D A S G Ü T E S I E G E L F Ü R W I S S E N S C H A F T L I C H E B E I T G E I N D E R A T Z PEER REVIEW EINGEGANGEN 28.03.2014 GEPRÜFT 20.05.2014 ANGENOMMEN 11.09.2014 FORSCHUNG GETRIEBE 68

Kalorimetrisches Verfahren zur Wirkungsgradbestimmung von Getrieben

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Page 1: Kalorimetrisches Verfahren zur Wirkungsgradbestimmung von Getrieben

KALORIMETRISCHES VERFAHREN ZUR WIRKUNGSGRADBESTIMMUNG VON GETRIEBEN

Wirkungsgradmessungen von Getrieben werden aktuell nach der Leistungsdifferenz-methode durchgeführt. Jedoch lassen sich aufgrund der begrenzten Genauigkeit dieses Verfahrens gewisse Fragestellungen in der simulativen Optimierung von Fahr-zeugen nicht mit ausreichender Präzision beantworten. Daher wurde am Institut für Kraftfahrzeuge der RWTH Aachen University ein neuartiges Verfahren zur direkten Verlustleistungsmessung entwickelt, das eine höhere Messgenauigkeit verspricht.

AUTOREN

DIPL.-ING. JEROME HOMANN

ist Teamleiter für Konstruktion und Proto-

typing Antrieb bei der Forschungsgesellschaft

Kraftfahrwesen mbH Aachen (fka).

UNIV.-PROF. DR.-ING. LUTZ ECKSTEIN

ist Leiter des Instituts für Kraftfahrzeuge (ika) der

RWTH Aachen University.

| VON EXPERTEN AUS FORSCHUNG UND INDUSTRIE BEG

UTAC

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|

DAS

GÜTE

SIEG

EL FÜR WISSENSCHAFTLICHE BEITRÄGE IN DER ATZPEER REVIEW

EINGEGANGEN 28.03.2014GEPRÜFT 20.05.2014ANGENOMMEN 11.09.2014

FORSCHUNG GETRIEBE

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Page 2: Kalorimetrisches Verfahren zur Wirkungsgradbestimmung von Getrieben

1 MOTIVATION

Ressourcenverknappung, steigende Rohstoffkosten und emissi-onsbedingte Umweltveränderungen verstärken den Bedarf an ent-sprechenden Weiterentwicklungen in der Automobilindustrie. Energieeffi zienz und Kraftstoffeinsparungen werden demnach zu zentralen Kaufargumenten bei der Fahrzeugauswahl. Aufgrund der inzwischen fortgeschrittenen Minimierung von Energieverlusten in Getrieben können auch geringe Veränderungen in der Wirkungs-gradoptimierung eine entscheidende Rolle spielen. Bei dieser Opti-mierung werden moderne CAx-Methoden und Simulationstools ein-gesetzt. Ihr Einsatz stellt hohe Anforderungen an die Genauigkeit der zugrunde gelegten Daten. So ist es für CFD-Simulationen zur Bestimmung des Kühlluftbedarfs durchaus von Bedeutung, ob ein Getriebe 200 oder 1200 W Verlustleistung abgibt. Auch die Beur-teilung des Erfolgs von Optimierungsmaßnahmen, wie der Einfl uss von reibungsoptimierenden Leichtlaufölen, stellt hohe Ansprüche an das Messverfahren. Häufi g liegt die erwartete Verbesserung des Wirkungsgrads in einer ähnlichen Größenordnung wie der Messfehler des eingesetzten Verfahrens. Da das etablierte Verfah-ren der Leistungsdifferenzmessung mittels Drehmomentmesswel-len diese Genauigkeitsanforderungen nicht immer erfüllen kann, soll hier im Folgenden das neuartige Messverfahren der Kurzzeit-kalorimetrie vorgestellt werden.

2 LEISTUNGSDIFFERENZMESSUNG

Wirkungsgrade von Getrieben lassen sich durch verschiedene Ver-fahren bestimmen. Hierbei sind vor allem Leistungsdifferenzmes-sung mit Drehmomentmesswellen oder die direkte Verlustleis-tungsbestimmung mittels Verspannprüfstand, pendelnder Getrie-beaufhängung und herkömmlicher Kalorimetrie zu nennen [1-3]. Die jedoch aktuell etablierte Form der Wirkungsgradbestimmung stellt die Leistungsdifferenzmessung mit Drehmomentmesswellen dar. Hierbei werden im Prüfaufbau alle Eingangs- und Ausgangs-wellen des Prüfl ings mit Drehmomentmesswellen verbunden. Das Verfahren der Leistungsdifferenzmessung ermöglicht die Bestim-mung des Wirkungsgrads η, indem der Quotient aus Getriebeaus-gangsmomenten MAMAM und Eingangsmomenten ME unter Berücksich-tigung der Getriebeübersetzung i gebildet wird:i gebildet wird:i

GL. 1 η =  MA_____=  _____=  ME ⋅i

Um den jeweiligen Betriebspunkt des Getriebes exakt einstellen zu können, ist zudem die Erfassung einer Drehzahl erforderlich. Ein beispielhafter Versuchsaufbau ist in ➊ dargestellt.

Im Rahmen ihrer Messgenauigkeit liefert diese Methode repro-duzierbare Ergebnisse. Wegen des grundlegenden Prinzips, die

Verlustleistung des Prüfl ings aus der Differenz von Eingangs- und Ausgangsleistung zu bestimmen, muss bei der Betrachtung der Messunsicherheit dieses Verfahrens allerdings davon ausgegangen werden, dass sich der Messfehler an jeder Messstelle addiert und somit mehrfach das Ergebnis verfälscht. Negativ ist darüber hin-aus, dass sich die Drehmomentmessfl ansche normalerweise an der Höhe der jeweils maximal zu messenden Momente orientieren und darüber hinaus überdimensioniert ausgewählt werden, um Beschädigungen durch auftretende Schwingungsphänomene aus-zuschließen. Der vom Messwellenhersteller angegebene maximale Messfehler bezieht sich als relativer Wert auf den Nennkennwert. Daher ist der Einfl uss des sich daraus ergebenden absoluten Feh-lers im Teillastbereich bei der Bestimmung von Wirkungsgradkenn-feldern am größten [4]. Entscheidender für die Messungenauigkeit der Leistungsdifferenzmessung ist allerdings die Problematik, dass die eigentlich benötigte Messgröße der Verlustleistung PVPVP nur indi-rekt gemessen werden kann:

GL. 2 PV = 2⋅V = 2⋅V π⋅ nA ⋅ MA -2⋅π⋅ nE ⋅ ME

In Gl. 2 entsprechen na der Drehzahl am Ausgang und ne der Dreh-zahl am Eingang. Durch den Umweg über diese Differenzmessung von hoher Eingangs- und Ausgangsleistung führt der prozentual vergleichsweise kleine Messfehler an den Messstellen zu einem größeren absoluten Messfehler bezogen auf den Wirkungsgrad.

Im Gegensatz zur Leistungsdifferenzmessung können bei der Verlustleistungsmessung die im Getriebe entstehenden Verluste direkt erfasst werden. Daraus resultiert der Vorteil, die Mess-genauigkeit durch ein auf die eigentliche Größe der Verlustleis-tung abgestimmtes Messmittel zu erhöhen. Selbst bei der Ver-wendung eines direkten Verfahrens mit höherem relativem Mess-fehler ergeben sich bei der Vermessung von Fahrzeuggetrieben genauere Ergebnisse als bei der Leistungsdifferenzmessung. Gerade bei Getrieben mit hohen Wirkungsgraden ergeben sich daher gegenüber indirekten Messverfahren Vorteile bei der direk-ten Erfassung der Verlustleistung [2, 3]. ➋ zeigt die theoreti-schen Verläufe der relativen Messfehler der Wirkungsgradbestim-mung für beide unterschiedlichen Verfahrensgruppen in Abhän-gigkeit des Getriebewirkungsgrads. Der relative Messfehler für Verfahren der Leistungsdifferenzmessung berechnet sich hierbei folgendermaßen:

GL. 3Δη___η = ı   Δ PE____

PE   ı + ı Δ PA____

PA ı

1 MOTIVATION

2 LEISTUNGSDIFFERENZMESSUNG

3 HERKÖMMLICHE KALORIMETRIE

4 KURZZEITKALORIMETRIE

5 ABSCHÄTZUNG DER GENAUIGKEIT

6 ZUSAMMENFASSUNG UND AUSBLICK

M MM(t) M(t)

Drehmomentmesswellen

Antrieb Zu prüfendes Getriebe Abtrieb

Drehzahlerfassung

➊ Leistungsdifferenzmessung mit Drehmomentmesswellen

11I2014 116. Jahrgang 69

Page 3: Kalorimetrisches Verfahren zur Wirkungsgradbestimmung von Getrieben

Mit PEPEP = Leistung am Eingang und PAPAP = Leistung am Ausgang. Für Verfahren der direkten Verlustleistungsmessung hingegen gilt:

GL. 4Δη___η = ( ı Δ PE____

PE ı + ı Δ PV____PV ı) ⋅ (1__η-1 )

Dabei wurde von einem Einzelfehler von

GL. 5 ı Δ PE____PE ı = ı Δ PA____

PA ı = 0,3 %

und von

GL. 6 ı Δ PV____PV ı = 3 %

ausgegangen. Trotz der Annahme des deutlich höheren Fehlers der Verlustleistungsmessung ergeben sich bei der Vermessung von Getrieben mit Wirkungsgraden über 85 % somit, nach dieser ver-einfachten theoretischen Betrachtung, höhere Genauigkeiten bei Verfahren zur direkten Bestimmung der Verlustleistung im Vergleich zur Leistungsdifferenzmessung mittels Drehmomentmesswellen.

3 HERKÖMMLICHE KALORIMETRIE

Aufgrund der theoretisch höheren Genauigkeit der Verfahren zur direkten Verlustleistungsmessung wird im Folgenden die ebenfalls bekannte herkömmliche Kalorimetrie beschrieben. Diese misst die vom Prüfgetriebe abgegebene Wärme zur Bestimmung des Wir-kungsgrads. Die mechanische Verlustleistung PvPvP wird bei konstan-ter Drehzahl vollständig und irreversibel in einen Wärmestrom umgewandelt [2]. Unter der Annahme einer gleichbleibenden Wärmeverteilung im Getriebe entspricht der an die Umgebung abgegebene Abwärmestrom der im Getriebe entstehenden Verlust-leistung.

Wie in ➌ dargestellt ist, kann das Getriebe durch eine ideali-sierte adiabate Hülle so von der Umgebung isoliert werden, dass der Verlustwärmestrom ausschließlich über ein zusätzliches Kühl-medium abgeführt werden kann. In der Literatur werden zwei verschiedene Vorgehensweisen beschrieben. Beim ersten Ver-fahren nach [4] wird das gesamte Getriebegehäuse mit einem Kühlwassermantel umgeben. Die zweite Variante nach [2] greift in den bestehenden Ölhaushalt des Getriebes ein und erweitert ihn um zusätzliche Pumpen, eine Heizung und einen Öl-Wasser-Wärmetauscher. In beiden Verfahren erfolgt die Bilanzierung der Verlustleistungsströme über die Enthalpiedifferenz ∆H des H des HKühlwassers:

GL. 7 ΔH H H = H = H H H H H H W zu - H H H W ab = V V VWVWV ⋅ W ⋅ W ϱW ⋅ W ⋅ W c p W ⋅ (ϑ W zu - ϑ W ab

 )

Mit V W = zugeführter Kühlwasservolumenstrom, ϱW = Kühlwasser-dichte, cpW

= spezifi sche Wärmekapazität des Wassers und ϑW = Eintritts- beziehungsweise Austrittstemperatur des Kühlwassers.

Residuale Wärmeverluste über Eingangs- und Ausgangswellen sowie die Getriebeaufspannung, die von der Wärmebilanzierung nicht erfasst werden können, werden genauso wie der Einfl uss von Umwälzpumpen (PPumpePPumpeP ) und Zuheizern (Q˙el) anschließend rech-nerisch kompensiert. Somit ergibt sich für die vom Getriebe abge-gebene Verlustleistung der Zusammenhang:

GL. 8 PV = ΔV = ΔV H H H - H - H Q Q Qel - PPumpe

= V V VWVWV ⋅ W ⋅ W ϱW ⋅ W ⋅ W c p W ⋅ (ϑ W zu - ϑ W ab ) - Q el - PPumpe

Der Wirkungsgrad des Getriebes berechnet sich bei diesem Ver-fahren zu:

GL. 9 η = 1 -  PV___= 1 -  ___= 1 -  PE

Der messtechnische Aufwand, der notwendig ist, um die abge-führte Kühlleistung exakt zu bestimmen, ist in den Verfahren nach [2] und [4] als gering zu bewerten. Dennoch sind die so gewonnenen Ergebnisse nicht vollkommen repräsentativ, da sie durch einige konzeptionelle Randbedingungen der Verfahren ver-fälscht werden. Bei der Vorgehensweise nach [4] besteht das Problem darin, dass die Temperaturverteilung des Getriebege-häuses nicht den realen Einsatzbedingungen entspricht. Das umgebende Kühlwasser kann durch einen höheren Wärmeüber-gangskoeffi zienten zwischen Gehäuse und Fluid und eine dadurch veränderte Wärmeverteilung am Gehäuse zu Deformati-onen führen. Diese wirken sich auf die Lage der Getriebewellen und somit auf die Wirkungsgrade aus. Auch bei einer Modifi zie-rung dieses Verfahrens durch Verwendung von Luft als Kühlme-

➋ Theoretische Messfehler der Wirkungsgradbestimmung nach [3]

Zu prüfendes Getriebe

MMM(t)

Antrieb

Drehmoment-messwelle

Kühlmittelströme AbtriebDrehzahl-erfassung

Wärmeisolierendes Gehäuse

➌ Wirkungsgradmessung mit der herkömmlichen Kalorimetrie

FORSCHUNG GETRIEBE

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Page 4: Kalorimetrisches Verfahren zur Wirkungsgradbestimmung von Getrieben

dium ergeben sich Probleme. Da die Wärmekapazität von Luft geringer ist als die von Wasser, wäre hierbei ein erhöhter Kühl-volumenstrom erforderlich, der sich bei höheren Strömungsge-schwindigkeiten turbulent verhält und so eine exakte Quantifi zie-rung des Kühlvolumenstroms verhindert [5].

Das Verfahren nach [2] besitzt den Nachteil, dass die Modifi zie-rung des Ölhaushalts Einfl uss auf das Wirkungsgradverhalten des Prüfl ings hat. Die ursprünglich im Getriebe vorhandene Ölmenge wird deutlich vergrößert. Bei einer Erwärmung dieses Ölvolumens steigt der Ölstand im Getriebe wesentlich stärker an. Dies verändert die Planschverluste der Verzahnungen, damit die drehzahlabhängi-gen Schleppmomente und somit die gemessenen Wirkungsgrade. Auch die Beeinfl ussung der Fluidströmung im Öl ist nur schwer abzuschätzen und kann die Messgenauigkeit verringern [5].

Bei beiden Varianten dieses Verfahrens sind die gemessenen Verlustleistungen hierbei zwar auf exakte Weise bestimmt worden, jedoch entsprechen sie nicht den auftretenden Werten des nicht modifi zierten Prüfl ings, da für beide Varianten Modifi kationen am Prüfgetriebe notwendig sind. Diese Veränderung der Charakteris-tik des Prüfl ings ist im Entwicklungsprozess eines Pkw-Getriebes nicht akzeptabel.

Eine abschließende Bewertung der hier vorgestellten Verfahren führt zu der Erkenntnis, dass die Leistungsdifferenzmessung mit-tels Drehmomentmesswellen zu Recht das aktuell etablierte Ver-fahren in der industriellen Antriebsstrangentwicklung ist. Jedoch genügt die hierbei erzielbare Genauigkeit dieses Verfahrens nicht immer den Anforderungen. Um auch dieser Forderung gerecht zu werden, wird im Anschluss die Entwicklung eines neuartigen kalo-rischen Verfahrens zur direkten Bestimmung der Verlustleistung beschrieben.

4 KURZZEITKALORIMETRIE

Wie bereits erwähnt wurde, zeigt das Verfahren der herkömmlichen Kalorimetrie ein hohes Potenzial, die Messgenauigkeit in der Wir-kungsgradbestimmung zu verbessern. Jedoch weisen die zwei vor-gestellten Varianten dieses Verfahrens den konzeptionellen Nach-teil auf, durch ihren Versuchsaufbau die Wirkungsgradcharakte-ristik des Prüfl ings zu beeinfl ussen. Daher wird nun ein neuartiges Verfahren vorgestellt, welches den Vorteil der hochgenauen Wir-kungsgradbestimmung der kalorimetrischen Verfahren besitzt, ohne den Prüfl ing in seinen wirkungsgradbestimmenden Eigen-schaften zu beeinfl ussen. Dabei ist es ebenso einfach handhabbar wie das Verfahren der Leistungsdifferenzmessung.

Zur Vermessung des Wirkungsgrads wird das Getriebe, abwei-chend von dem bei der herkömmlichen Kalorimetrie notwendigen Eingriff in den Kühl- und Schmierhaushalt, nur von einer luftge-füllten Isolierhülle umgeben. Diese thermisch isolierte Prüfzelle wird nicht aktiv gekühlt, sondern dient ausschließlich der Vermei-dung von Wärmeverlusten. Der grundlegende Aufbau dieses Ver-fahrens ist in ➍ dargestellt.

Bei dieser Variante der kalorischen Wirkungsgradmessung soll die beim Betrieb des Prüfgetriebes anfallende Verlustleistung hauptsächlich über die Ermittlung der Temperaturerhöhung in der thermisch isolierten Prüfzelle bilanziert werden. Die Temperatur wird hierbei an verschiedenen Messstellen in der Prüfzelle bestimmt. Der Grundgedanke dabei ist, dass unter adiabaten Bedingungen die Temperaturerhöhung ∆ϑ eines Körpers mit einer Wärmekapazität C proportional zur Zunahme der inneren Energie C proportional zur Zunahme der inneren Energie C∆U und somit zu der über einem Zeitintervall ∆U und somit zu der über einem Zeitintervall ∆U t eingebrachten t eingebrachten tVerlustleistung PVPVP ist [6]:

GL. 10 ΔU = ∫ U = ∫ U ϑ1

ϑ = ∫ ϑ = ∫ 2C dC dC ϑ = ∫ ϑ = ∫ ϑ t1t = ∫ t = ∫ 2PV dV dV t

Für die Verlustleistung PVPVP gilt somit im Zeitintervall ∆t = t2t2t -t1t1t :

GL. 11 Pv =  v =  vΔU____ =  ____ =  Δt =  C∙∆C∙∆C ϑ_____=  _____=   Δt

Ausgehend von diesen Grundüberlegungen ergibt sich daher der folgende Ablauf einer Messung:1. Das Getriebe wird auf eine defi nierte, möglichst gleichmäßige

Temperaturverteilung konditioniert.2. Nach Erreichen dieser gleichmäßigen Temperaturverteilung

wird am Getriebe der zu vermessende Betriebspunkt einge-stellt. Hierbei ist es von Bedeutung, die Prüfstandsmaschinen synchron zu beschleunigen, um das Getriebe zur Minimierung von unerwünschten Verlustleistungen möglichst lastfrei zu halten.

3. Mit dem Aufbringen des Lastmoments beginnt die eigentliche Vermessung des Wirkungsgrads. Dieser Betriebspunkt wird so lange gefahren, bis sich eine zuvor festgelegte Temperatur-erhöhung ∆ϑ im Ölsumpf eingestellt hat.

4. Nach Erreichen dieser Temperaturgrenze wird das Drehmoment heruntergefahren und die Prüfstandsmaschinen werden wieder synchron abgebremst.

5. Durch Abkühlung und Konditionierung des Getriebes wird erneut die gleichmäßige Temperaturverteilung für die nächste Messung hergestellt.

In einer anschließenden Auswertung wird unter Kenntnis der einzel-nen Bauteilmassen und ihrer Wärmekapazitäten aus der Temperatur-erhöhung in den Phasen 2 bis 4 die Energieänderung innerhalb des Systems ermittelt. Die mittlere Verlustleistung des Getriebes kann anschließend exakt bestimmt werden, da sich die Störeinfl üsse durch Schleppverluste in den Beschleunigungsphasen und residuale Wär-meverluste rechnerisch korrigieren lassen. Letztere entstehen durch eine konvektive Wärmeübertragung an den Antriebs- und Abtriebs-wellen, der Getriebeaufspannung und dem Isoliergehäuse selbst. Somit ergibt sich für den Wirkungsgrad der Zusammenhang:

GL. 12 η = 1 - ∫ η = 1 - ∫ η t1t = 1 - ∫ t = 1 - ∫ 2  

PVerl,korr (t)___________Pan (t) dt

MMM(t)

Zu prüfendes Getriebe

Antrieb

Drehmoment-messwelle

Abtrieb

Drehzahl-erfassung

Wärmeisolierendes Gehäuse

Temperaturmessstellen

➍ Wirkungsgradmessung mit dem Verfahren der Kurzzeitkalorimetrie

11I2014 116. Jahrgang 71

Page 5: Kalorimetrisches Verfahren zur Wirkungsgradbestimmung von Getrieben

Entscheidend für die Qualität der Wirkungsgradbestimmung ist hierbei neben der Genauigkeit der Temperaturmesswerterfassung die Kenntnis der thermodynamischen Kenngrößen des Systems. Zur Bestimmung der Verlustleistung werden hierbei die Wärmekapazitäten aller Bauteile innerhalb der isolierenden Hülle sowie die Wärmeverlustleistungskurve der Isolationshülle benötigt. Diese ist eine Funktion der Temperatur-differenz zwischen Innen- und Umgebungstemperatur.

Um während der anschließend durchgeführten Auswertung die Erhöhung der inneren Energie ∆U trotz eventuell im Getriebe auf-U trotz eventuell im Getriebe auf-Utretender Temperaturinhomogenitäten exakt bestimmen zu kön-nen, wird ein thermisches Simulationsmodell benötigt. Dieses berechnet zuerst aus den verschiedenen gemessenen Bauteiltem-peraturen die Temperaturen der rotierenden Wellen und die auf-tretenden Isolationsverluste und bestimmt daraus die Energiezu-nahme im Prüfaufbau. Unter Berücksichtigung der eigentlichen

Messdauer können so Verlustleistung PVPVP und Wirkungsgrad ηberechnet werden. ➎ zeigt den Aufbau des hierzu entwickelten Thermosimulationsmodells. Dieses Temperaturmodell wurde auf Basis des Simulationstools Dymola/Modelica aufgebaut und berücksichtigt neben den geometrischen Abmaßen des Getriebes und den thermischen Stoffeigenschaften der Bauteile auch die entsprechenden Wärmeübergänge zwischen diesen.

Die verschiedenen Bauteile des abgebildeten Prüfgetriebes werden in diesem Modell zu sinnvollen Temperaturgruppen zusammengefasst (zum Beispiel Tellerrad, Differenzialkäfi g und Ausgleichsräder) oder bei großen Bauteilen in mehrere thermische Punktmassen aufgeteilt (beispielsweise Getriebegehäuse vorne, hinten unten und hinten oben). Diese Aufteilung ist vor allem dann sinnvoll, wenn bei der rea-len Vermessung des Getriebes die Bauteiltemperatur aufgrund ihrer Größe an mehreren Stellen erfasst wird. Durch die Betrachtung der

Prüfgetriebe

Getriebegehäuse (Oberseite hinten)

Getriebegehäuse (vorne)

EingangswelleAbtriebsflansch

rechts

Luft im Getriebe

Luft in der Isolationshülle

Gelenkwelle Antrieb

Gelenkwelle Abtrieb rechts

Gelenkwelle Abtrieb links

Abtriebsflanschlinks

Getriebegehäuse (Unterseite hinten)

Öl im Zahn-

kontakt

Ölsumpf

Isolationshülle

Al-Reflektionsfolie

Prüfraum

SchaumglasPU-Schaum

MPX -Holz

Wärmestrahlung Konvektion Wärmeleitung

Teller-rad

➎ Schematischer Aufbau des Temperatursimulationsmodells

➏ Verteilung von ∆PV bei Verwendung der KurzzeitkalorimetrieV bei Verwendung der KurzzeitkalorimetrieV ➐ Verteilung von ∆PVPVP bei Verwendung der Leistungsdifferenzmethode

FORSCHUNG GETRIEBE

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Page 6: Kalorimetrisches Verfahren zur Wirkungsgradbestimmung von Getrieben

einzelnen Bauteile und Baugruppen als thermische Punktmassen wird diese Form der Modellbildung auch als 1D-Simulationsmodell bezeichnet. Die Abbildung der Wärmeströme zwischen den einzelnen Punktmassen hingegen bildet durch Berücksichtigung der entspre-chenden Oberfl ächen in der analytischen Abbildung dieser Vorgänge die räumlichen Gegebenheiten des Getriebes ab.

5 ABSCHÄTZUNG DER GENAUIGKEIT

Mithilfe einer Variation dieses Simulationsmodells ist es ebenfalls möglich, die Genauigkeit des Verfahrens der Kurzzeitkalorimetrie abzuschätzen. ➏ zeigt hier den maximal möglichen Fehler in der Bestimmung der Verlustleistung ∆PVPVP . Wie in [7] ausführlich her-geleitet wird, ist der Fehler in der Bestimmung der Änderung der inneren Energie ∆U nahezu unabhängig vom Betriebspunkt. Erst U nahezu unabhängig vom Betriebspunkt. Erst Udurch die Division mit der Messdauer ∆t nach Gl. 11, welche wie-t nach Gl. 11, welche wie-tderum direkt von der Höhe der abgegebenen Verlustleistung ∆PVPVPabhängt, entsteht der in ⑥ ersichtliche, leistungsabhängige Ver-lauf des Fehlers. Der maximale theoretische Fehler bei der Kurz-zeitkalorimetrie beträgt hierbei ∆PVPVP = 116 W und ist dabei je nach Messpunkt um den Faktor zwei bis zwanzig kleiner als bei der Verwendung der Leistungsdifferenzmessung. Bei einer Bilanzie-rung mit einer Messwelle vom Typ HBM T12 3 kNm (Bestelloption G) am Antrieb und jeweils einer Welle vom Typ HBM T12 5 kNm, ebenfalls mit erhöhter Genauigkeit, an den Abtriebswellen ergibt sich bei einer Messwellentemperatur von 48 °C bei der Vermes-sung des Punkts vmaxvmaxv ein Messfehler von:

GL. 13 ∆ PV = V = V ı ∆ PE ı + ı ∆ PA,links ı + ı ∆ PA,rechts ı = 1055,8 W

Die Verteilung des maximal möglichen Fehlers in der Bestimmung der Verlustleistung ∆PVPVP dieser Methode ist in ➐ dargestellt. Ein Vergleich beider Diagramme zeigt sehr deutlich, dass die Kurzzeit-kalorimetrie in weiten Bereichen des betrachteten Kennfelds gerin-gere Fehler als die Leistungsbilanzmethode aufweist.

6 ZUSAMMENFASSUNG UND AUSBLICK

Da das etablierte Verfahren der Leistungsdifferenzmessung mit-tels Drehmomentmesswellen die Genauigkeitsanforderungen nicht immer erfüllen kann, wurde das neuartige Messverfahren der Kurz-zeitkalorimetrie entwickelt. Dieses zeigt eine erheblich geringere Fehlerquote als die Leistungsbilanzmethode.

Ausgehend von der in Kapitel 4 vorgestellten Konzeptidee und der positiven Prognose für die zu erwartende Messgenauigkeit wird die praktische Umsetzung des Verfahrens daher weiterverfolgt. Hierzu wurden bereits auf Teilkomponenten und physikalische Randbedingungen ausgerichtete Vorversuche durchgeführt. Aktu-ell fi ndet die Realisierung eines vollständigen Prüfstandsaufbaus zur Vermessung von Achsgetrieben statt. Der Entwurf dieses Auf-baus ist in ➑ dargestellt.

In ⑧ ist die zur Vermessung eines Achsgetriebes notwendige Drei-Maschinen-Konfi guration zu erkennen. ➒ zeigt die dabei ver-wendete Thermoisolationshülle im Detail. Alle Prüfstandsmaschi-nen verfügen über Drehmomentmesswellen vom Typ HBM T12, um während der Messungen einen Abgleich der Messergebnisse von Kurzzeitkalorimetrie- und Leistungsdifferenzmethode zu ermöglichen. Die nun folgenden Versuche dienen der Kalibrierung dieser Messmethode sowie der systematischen Untersuchung ver-

bleibender Fehlerquellen. Hierzu werden spezielle, mit elektri-schen Heizpatronen präparierte Versuchsgetriebe verwendet. Bei diesen Prüfl ingen kann die auftretende Verlustleistung zusätzlich durch die elektrisch eingebrachten Verluste beeinfl usst werden. Da sich die elektrisch zugeführte Heizleistung hochgenau messen lässt, können die Ergebnisse der thermischen Vermessung mit diesem Wert abgeglichen werden. Ziel dieser Versuchsreihe ist es, die Leistungsfähigkeit des Verfahrens der Kurzzeitkalorimetrie auch im Versuch nachzuweisen.

LITERATURHINWEISE[1] Thiel, E.: Messung der Verlustleistung von Kraftfahrzeug-Schalt- und Achs-getrieben. Stuttgart, Universität, Dissertation, 1983[2] Mierswa, D.: Entwicklung eines hochgenauen, normfähigen Verfahrens zur Wirkungsgradbestimmung an Antriebselementen. In: FAT-Schriftenreihe, Nr. 53, Frankfurt a. M.: Forschungsvereinigung Automobiltechnik e. V., 1986[3] Umezawa, K.; Inoh, T.; Katoh, H.: Power Loss of Automotive Transmission with Exact Measurement of Total Heat Rejection. International Symposium on Gearing & Power Transmissions, Tokyo, 1981[4] Schicker, R.; Wegener, G.: Drehmoment richtig messen. Darmstadt: Hottin-ger Baldwin Messtechnik GmbH, 2002[5] Goebbelet, J.; Mierswa, D.; Weck, M.: Wirkungsgradmessung an Getrieben und Getriebeelementen. In: FAT-Schriftenreihe, Nr. 29, Frankfurt a. M.: For-schungsvereinigung Automobiltechnik e. V., 1982[6] Lucas, K.: Thermodynamik: Die Grundgesetze der Energie- und Stoffum-wandlungen. Berlin/Heidelberg/New York: Springer, 2008[7] Homann, J.: Konzepterstellung eines neuartigen kalorischen Verfahrens zur Wirkungsgradbestimmung. In: Innovative Automobiltechnik, IV, Göttingen: Cuvil-lier, 2013, S. 81-100

➑ Konzept des fi nalen Prüfstandsaufbaus

➒ Aufbau der Isolationshülle

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