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[14f.] 351 [329]. Von Mar$u+ Herz. 7. April 1789. Verehrung+würdiger Mann Unvergeßlicer Lehrer Herr Salomon Maymon, der Ihnen mit der fahrenden Po# ein Manus$ript zu¥i%t, welce+ ¥arf@nnige Re³exionen über da+ Kanti¥e Sy#em enthält, ersuct mic seinen gegenwartigen Brief mit einer Empfehlung an Sie zu begleiten; und ic sehe die Gelegenheit die er mir ver¥a>t, meinen unvergeßlicen Lehrer, wiederum einmal meiner Hocactung ver@cern zu können, al+ eine sehr erwün¥te an. Leider bin ic Ihrer Scule so entartet, daß ic die er#e be#e solce Gelegenheit aufgreifen muß, und nict im Stande bin öfter durc Au+übung der Seelenkräfte die Sie so tre³ic in mir anlegten, Ihnen zu zeigen, daß ic e+ auc würdig bin Sie hoc zu ac- ten! Ic bin in der prakti¥en Sphäre, die @c täglic mehr und mehr um mic erwei- tert ganz ver#ri%t, und @e mact mir e+ leider phy@¥ und morali¥ unmöglic, an jenen süßen erhabenen Spekulationen, mit denen Sie jezo die Welt so sehr beglüken, die den Men¥en so ganz @c und seinen Werth fühlen la<en, und die für mic den mäctig#en Rei{ haben, so rect warmen Antheil zu nehmen! Sie #ehen be#ändig mir vor Augen Ihre un#erblicen Werke, ic lese fa# täglic darin, unterhalte mic ³eißig mit meinen Freunden darüber; aber da+ Sy#em so ganz zu umfa<en, e+ zu durcdrin- gen, dazu hat mic leider mein prakti¥e+ Leben vö§ig unfähig gemact, und, Ihnen kann ic e+ ge-[15]#ehen, der Gedanke an dieser Unfähigkeit trübt mance Stunde meine+ Leben+. Herr Salomon Maymon, ehedem einer der rohe#en polni¥en Iuden, hat @c seit einigen Iahren durc sein Genie, seinen Scarf@n und Fleiß auf eine außeror- dentlice Weise in fa# a§e höhere Wi<en¥a>ten hineingearbeitet, und vorzüglic in den le{ten Zeiten Ihre Philosophie oder wenig#en+ Ihre Art zu philosophiren so ei- gen gemact, daß ic mit Zuverläßigkeit mir zu behaupten getraue, daß er einer von den sehr sehr wenigen von den jezigen Bewohnern der Erde i#, die Sie so ganz ver#anden und gefaßt. Er lebt hier sehr kümerlic, unter#üzt von einigen Freunden, ganz der Spekulation. Er i# auc mein Freund, und ic liebe und ¥ä{e ihn ungemein.

Kant Briefwechsel Marcus Herz

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letter exchange of immanuel kant and marcus hertz from 1789

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Page 1: Kant Briefwechsel Marcus Herz

[14f.]

351 [329].

Von Mar$u+ Herz.

7. April 1789.

Verehrung+würdiger Mann

Unvergeßlicer Lehrer

Herr Salomon Maymon, der Ihnen mit der fahrenden Po# ein Manus$ript

zu¥i%t, welce+ ¥arf@nnige Re³exionen über da+ Kanti¥e Sy#em enthält, ersuct

mic seinen gegenwartigen Brief mit einer Empfehlung an Sie zu begleiten; und ic

sehe die Gelegenheit die er mir ver¥a>t, meinen unvergeßlicen Lehrer, wiederum

einmal meiner Hocactung ver@cern zu können, al+ eine sehr erwün¥te an. Leider

bin ic Ihrer Scule so entartet, daß ic die er#e be#e solce Gelegenheit aufgreifen

muß, und nict im Stande bin öfter durc Au+übung der Seelenkräfte die Sie so

tre³ic in mir anlegten, Ihnen zu zeigen, daß ic e+ auc würdig bin Sie hoc zu ac-

ten! Ic bin in der prakti¥en Sphäre, die @c täglic mehr und mehr um mic erwei-

tert ganz ver#ri%t, und @e mact mir e+ leider phy@¥ und morali¥ unmöglic, an

jenen süßen erhabenen Spekulationen, mit denen Sie jezo die Welt so sehr beglüken,

die den Men¥en so ganz @c und seinen Werth fühlen la<en, und die für mic den

mäctig#en Rei{ haben, so rect warmen Antheil zu nehmen! Sie #ehen be#ändig mir

vor Augen Ihre un#erblicen Werke, ic lese fa# täglic darin, unterhalte mic ³eißig

mit meinen Freunden darüber; aber da+ Sy#em so ganz zu umfa<en, e+ zu durcdrin-

gen, dazu hat mic leider mein prakti¥e+ Leben vö§ig unfähig gemact, und, Ihnen

kann ic e+ ge-[15]#ehen, der Gedanke an dieser Unfähigkeit trübt mance Stunde

meine+ Leben+.

Herr Salomon Maymon, ehedem einer der rohe#en polni¥en Iuden, hat @c

seit einigen Iahren durc sein Genie, seinen Scarf@n und Fleiß auf eine außeror-

dentlice Weise in fa# a§e höhere Wi<en¥a>ten hineingearbeitet, und vorzüglic in

den le{ten Zeiten Ihre Philosophie oder wenig#en+ Ihre Art zu philosophiren so ei-

gen gemact, daß ic mit Zuverläßigkeit mir zu behaupten getraue, daß er einer von

den sehr sehr wenigen von den jezigen Bewohnern der Erde i#, die Sie so ganz

ver#anden und gefaßt. Er lebt hier sehr kümerlic, unter#üzt von einigen Freunden,

ganz der Spekulation. Er i# auc mein Freund, und ic liebe und ¥ä{e ihn ungemein.

Page 2: Kant Briefwechsel Marcus Herz

- 2 -

E+ ge¥ah auf meine Veranla<ung, daß er diese Aufsä{e die er zum Dru% be#immt,

vorher Ihnen zur Durc@ct über¥i%t. Ic nahm e+ über mic Sie zu bitten, die

Scrift anzusehen, ihm Ihre Meynung darüber mitzutheilen, und wenn Sie @e de+

Dru%e+ würdig |nden, in einigen Zeilen e+ der Welt zu sagen. Ic kenne die Drei#-

heit dieser Bitte in ihrem ganzen Umfange: aber Gottlob ic kenne auc den Mann den

ic bitte.

Wie leben Sie verehrung+würdiger Mann? wie #eht e+ mit Ihrer Gesund-

heit? Strengen Sie auc in Ihrem Alter Ihre Kräfte nict zu sehr an? Gott wenn ic

doc in diesem Leben de+ Glü%e+ noc einmal theilhaft werden könnte, diese und noc

unzählige andere Fragen mündlic von Ihnen beantwortet zu hören. Ic verharre

Meine+ unverge<licen Lehrer+

Berlin den 7t April ganz ergeben#er Diener

1789. Mar$u+ Herz

Page 3: Kant Briefwechsel Marcus Herz

- 3 -

[15-17]

352 [330].

Von Salomon Maimon.

7. April 1789.

Verehrung+würdiger Mann!

Durcdrungen von der Ehrfurct, die man einem Manne ¥uldig i#, der die

Philosophie u. vermittel# derselben, jede andre Wißen¥aft, reformirt hat; war e+ ein-

zig, Liebe zur Wahrheit, durc die ic drei# gnug haben werden können, mic Ihnen zu

nähern. _ Scon durc Geburth be#immt, die be#en Iahre meine+ Leben+ in den

litthaui¥en [16] Wäldern, entblößt von jedem Hülf+mittel zur Erkenntniß der Wahr-

heit, zu verleben, war e+ Glük genug für mic endlic nac Berlin zu gelangen, ob¥on

zu spät. Hier bin ic durc die Unter#ü{ung einiger edelge@nnten Männer in den

Stand gese{t worden, den Wißen¥aften obzuliegen; und e+ war, dünkt mic, natürlic,

daß in dieser Lage, die eifrige Begierde meinen Hauptzwek, d ie Wahrhe i t zu

erreicen, mic jene Untergeordneten al+: Sprackenntniß, Methode u: s: w: einiger-

maaßen hintanse{en ließ. Daher durfte ic e+ lange nict wagen, der je{igen im

Ge¥mak so di>icilen Welt etwa+ von meinen Gedanken ö>entlic vorzulegen, ob¥on

ic besonder+ mehrere Sy#eme der Philosophie gelesen, durcdact, u. zuweilen etwa+

Neue+ drinn gefunden habe. Endlic war mir da+ Glük noc aufbehalten, Ihre

un#erblice Werke zu sehen, zu #udiren, und meine ganze Denkung+art nac dieselben

umzubilden. Ic habe mic äußer# bemühet die le{te Resultate au+ diesen Werken zu

ziehen, @e meinem Gedäctniß einzuprägen, dann die Spuren de+ drinn herr¥enden

Ideengange+ aufzusucen, um so gleicsam in den Gei# de+ Verf: einzudringen. Ic

habe mir zu diesem Zweke, die Resultate, so wie ic @e mir begrei³ic gemact habe,

¥riftlic aufgese{t, u. einige Anmerkungen hinzugefügt, die hauptsaclic nur folgende

Punkte betre>en.

1.) den Unter¥ied den Sie zwi¥en den analyti¥en und Syntheti¥en Sä{en

angeben, u. die Realitaet der Le{ren.

2.) Die Frage Quid Jur i s? Diese Frage war durc ihre Wictigkeit eine+

Kant+ würdig; u. giebt man ihr die Au+dehnung die Sie ihr selb# gege-

ben, fragt man: Wie läßt @c mit Gewißheit etwa+ a priori auf etwa+ a po-

#teriori appliciren? So i# die Beantwortung oder Deduction die Sie un+ in

Page 4: Kant Briefwechsel Marcus Herz

- 4 -

Ihren Scriften gegeben, wie die eine+ Kant+ seyn kann, vö§ig befriedi-

gend. Wi§ man aber die Frage weiter au+dehnen, fragt man: Wie läßt @c

ein Begri> a priori auf eine An¥auung ob ¥on auf eine An¥auung a

priori, appliciren? So muß die Frage freylic den Mei#er noc einmal er-

warten, um befriedigend beantwortet zu werden.

3.) Eine neue bemerkte Art von Ideen, die ic Ver#ande+ Ideen nenne, und

die ebenso auf die mat er ie l l e Tota l i ta e t hindeuten, wie die von

Ihnen bemerkte Vernunf t+ Idee n auf die [17] forme l l e Tota l i t ae t .

Ic glaube hiedurc eine neue Au+@ct zur Beantwortung der erwähnten

Frage Quid Jur i s? erö>net zu haben.

4.) Die Frage Quid f ac t i ? _ Diese ¥einen Sie blo+ berührt zu haben; da

e+ mir doc de+ Hume¥en Zweifel+ wegen wictig ¥eint, @e befriedigend

zu beantworten.

Diese Anmerkungen macen nun kürzlic den Innhalt de+ Ms$pt+ au+, da+

ic Ihnen vorzulegen wage. Meine zu gütigen Freunde dringen ¥on lange in mic

diese Scrift bekannt zu macen, a§ein nie wo§te ic ihnen hierin wi§fahren, ohne @e

Ihrem mir un¥ä{baren Urtheil unterworfen zu haben. Findet @e ein Kant seiner

Bemühung nict ganz unwürdig; so wird er gewiß dem der @c ihm ehrerbietig nähert

nict veracten. Er wird ihm antworten, wird ihn belehren, wo er geirrt, oder ihm sei-

nen Beyfa§ bezeigen, wenn er ihn deßen würdig |nden so§te, u. ihn dadurc doppelt

glüklic macen.

Ihr ganz ergebener Diener

Berlin den 7t. April 1789. u. Verehrer

Salomon Maymon

Page 5: Kant Briefwechsel Marcus Herz

- 5 -

[48]

361 [339].

An Salomon Maimon.

24. Mai 1789.

Euer Wohledelgeboren Verlangen habe ic so viel, al+ für mic thunlic

war, zu wi§fahren gesuct, und wenn e+ nict durc eine Beurtheilung Ihrer ganzen

Abhandlung hat ge¥ehen können, so werden Sie die Ursace dieser Unterla<ung au+

dem Briefe an Herrn Herz vernehmen. Gewiß i# e+ nict Veractung, die ic gegen

keine ern#lice Be#rebung in vernünftigen und die Men¥heit interes@renden Nacfor-

¥ungen, am wenig#en aber gegen eine solce, wie die Ihrige i#, bey mir hege, die in

der That kein gemeine+ Talent zu tief@nnigen Wi<en¥aften verräth.

Page 6: Kant Briefwechsel Marcus Herz

- 6 -

[48-55]

362 [340].

An Mar$u+ Herz.

Koenigsberg d. 26 May. 1789.

Ic empfange jeden Brief von Ihnen, Werthe#er Freund, mit wahrem

Vergnügen. Da+ edle Gefühl der Dankbarkeit, für den gringen Beytrag, den ic zu

Entwi%elung ihrer vortre³icen Naturanlagen habe thun können, unter¥eidet Sie

von den mei#en meiner Zuhörer; wa+ kan aber, wenn man nahe daran i#, diese Welt

zu verla<en, trö#ender seyn, al+ zu sehen, daß man nict umson# gelebt habe, weil man

einige, wenn gleic nur wenige, zu guten Men¥en gebildet hat.

Aber wo denken Sie hin, lieb#er Freund, mir ein große+ Pak der subtil#en

Nacfor¥ungen, zum Durclesen nict a§ein, sondern [49] auc zum Durcdenken,

zuzu¥i%en, mir, der ic in meinem 66#en Iahre noc mit einer weitläuftigen Arbeit

meinen Plan zu vo§enden (theil+ in Lieferung de+ le{ten Theil+ der Critik, nämlic

dem der Urthe i l + k ra f t , welcer bald herau+kommen so§, theil+ in Au+arbeitung

eine+ Sy#em+ der Metaphy@k, der Natur sowohl al+ der Sitten, jenen $riti¥en

Foderungen gemäß,) beladen bin, der überdem durc viele Briefe, welce spe$ie§e Er-

klärungen über gewi<e Pun$te verlangen, unaufhörlic in Athem erhalten werde, und

oben ein von immer wankender Gesundheit bin. Ic war ¥on halb ent¥lo<en da+

Ms$rpt so fort, mit der erwähnten ganz gegründeten Ent¥uldigung, zurük zu ¥i%en;

a§ein ein Bli%, den ic darauf warf, gab mir bald die Vorzüglickeit de+selben zu er-

kennen und, daß nict a§ein niemand von meinen Gegnern mic und die Hauptfrage so

wohl ver#anden, sondern nur wenige zu dergleicen tiefen Untersucungen soviel

Scarf@nn be@{en möcten, al+ Hr. Maymon und diese+ bewog mic, seine Scrift bi+

zu einigen Augenbli%en der Mu<e zurük zu legen, die ic nur je{t habe erlangen kön-

nen, und auc diese nur, um d ie zwey e r#e Abscni t t e durczugehen, über welce

ic je{t auc nur kurz seyn kan.

HEn Maymon bitte ic diesen Begrif zu communiciren. E+ ver#eht @c, wie

ic denke, von selb#, daß er dazu nict ge¥rieben sey, um im Dru%e zu er¥einen.

Wenn ic den Sinn derselben rictig gefaßt habe, so gehen @e darauf hinau+,

zu beweisen: daß, wenn der Ver#and auf @nnlice An¥auung (nict blo+ die empi-

ri¥e, sondern auc die a priori) eine gese{gebende Beziehung haben so§, so mü<e er

Page 7: Kant Briefwechsel Marcus Herz

- 7 -

selb# der Urheber, e+ sey dieser @nnlicen Formen, oder auc sogar der Materie dersel-

ben, d. i. der Obie$te, seyn, weil son# da+ qvid iuris nict Gnugthuend beantwortet

werden könne, welce+ aber nac Leibnizi¥-Wol|¥en Grundsä{en wohl ge¥ehen

könne, wenn man ihnen die Meynung beylegt, daß Sinnlickeit von dem Ver#ande gar

nict spe$i|¥ unter¥ieden wären, sondern jene al+ Welterkentni+ blo+ dem

Ver#ande zukomme, nur mit dem Unter¥iede de+ Grade+ de+ Bewu#seyn+, der in der

er#eren Vor#e§ung+art ein Unendlic-Kleine+, in der zweyten eine gegebene (endlice)

Größe sey und daß die Synthe@+ a priori nur darum obje$tive Gültigkeit habe, weil

der Göttlice Ver#and, von dem der unsrige nur ein Theil, oder, nac seinem Au+-

dru%e, mit dem unsrigen, obzwar nur auf einge¥ränkte Art, einerley sey, d.i. selb#

[50] Urheber der Formen und der Möglickeit der Dinge der Welt (an @c selb#) sey.

Ic zwei³e aber sehr, daß diese+ Leibni{en+ oder Wolf+ Meynung gewesen

sey, ob @e zwar wirklic au+ ihren Erklärungen von der Sinnlickeit im Gegensa{e de+

Ver#ande+ gefolgert werden könnte und die, so @c zu jener Männer Lehrbegrif beken-

nen, werden e+ ¥werlic zuge#ehen, daß @e einen Spinozi+m annehmen; denn in der

That i# Hrn. Maymon+ Vor#e§ung+art mit diesem einerley und könte vortre³ic dazu

dienen die Leibnizianer ex conces#is zu wiederlegen.

Die Theorie de+ Hrn. Maymon i# im Grunde: die Behauptung eine+ Ver-

#ande+ (und zwar de+ men¥licen) nict blo+ al+ eine+ Vermögen+ zu denken, wie e+

der unsrige und vielleict a§er er¥a>enen Wesen i#, sondern eigentlic al+ eine+ Ver-

mögen+ anzu¥auen, bey dem da+ Denken nur eine Art sey, da+ Mannigfaltige der

An¥auung (welce+ unserer Scranken wegen nur dunkel i#) in ein klare+ Be-

wu#seyn zu bringen: dagegen ic den Begr i f von e inem Obie $ te überhaupt (der

im klär#en Bewu#seyn unserer An¥auung gar nict angetro>en wird) dem

Ver#ande, al+ einem besonderen Vermögen, zu¥reibe, nämlic die syntheti¥e Einheit

der Apper$eption, durc welce a§ein da+ Mannigfaltige der An¥auung (deren

j ede+ ic mir be sonder+ immerhin bewu# seyn mag) in ein vereinigte+ Bewu#-

seyn, zur Vor#e§ung eine+ Obie$t+ überhaupt, (de<en Begrif durc jene+ Mannigfalti-

ge nun be#immt wird) zu bringen.

Nun frägt Hr. Maymon: Wie erkläre ic mir die Möglickeit der Zusam-

men#immung der An¥auungen a priori zu meinen Begri>en a priori, wenn jede ihren

spe$i|¥ ver¥iedenen Ursprung hat, da dieselbe zwar al+ Factum gegeben, aber ihre

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Rectmäßigkeit oder die Nothwendigkeit der Uberein#immung zweener so heterogenen

Vor#e§ung+arten nict begrei³ic gemact werden kan und umgekehrt, wie kan ic

durc meinen Ver#ande+begrif z. B. der Ursace, de<en Möglickeit an @c doc nur

problemati¥ i#, der Natur, d. i. den Obie$ten selb#, da+ Gese{ vor¥reiben, zule{t

gar, wie kan ic selb# von diesen Fun$tionen de+ Ver#ande+, deren Daseyn in demsel-

ben auc blo+ ein Fa$tum i#, die Nothwendigkeit beweisen, die doc vorau+gese{t wer-

den muß, wenn man ihnen Dinge, wie @e un+ immer vorkommen mögen, unterwerfen

wi§.

Hierauf antworte ic: die+ a§e+ ge¥ieht in Beziehung auf ein [51] un+ un-

ter diesen Bedingungen a§ein möglice+ Erfahrung+-Erkentni+, also in subie$tiver

Rü%@ct, die aber doc zugleic obie$tiv gültig i#, weil die Gegen#ände nict Dinge an

@c selb#, sondern bloße Er¥einungen @nd, mithin ihre Form, in der @e gegeben wer-

den, auc von un+, nac dem wa+ an ihr subie$tiv, d. i. da+ Spe$i|¥e unserer An¥au-

ung+art i#, einerseit+, und der Vereinigung de+ Mannigfaltigen in ein Bewu#seyn,

d. i. dem Denken de+ Obie$t+ und der Erkentni+ nac andererseit+, von unserem Ver-

#ande abhängen, so daß wir nur unter diesen Bedingungen von ihnen Erfahrung

haben können, mithin, wenn An¥auungen (der Obie$te al+ Er¥einungen) hiemit

nict zusammen #immeten, @e für un+ nict+, d. i. gar keine Gegen#ände der

Erk enntn i+ , weder von un+ selb#, noc von anderen Dingen, seyn würden.

Auf solce Weise läßt @c gar wohl darthun: daß, wenn wir syntheti¥e

Urtheile a priori fä§en können, diese+ nur von Gegen#änden der An¥auung al+

bloßen Er¥einungen angehe, daß, wenn wir auc einer inte§e$tue§en An¥auung

fähig wären (z. B., daß die unendlic-kleinen Elemente derselben Noumena wären) die

Nothwendigkeit solcer Urtheile, nac der Natur unsere+ Ver#ande+, in dem ein solcer

Begrif, al+ Nothwendigkeit i#, angetro>en wird, gar nict #att |nden könnte; Denn e+

würde immer nur bloße Warnehmung seyn, daß z. B. in einem Triangel zwey Seiten

zusammengenommen größer seyn al+ die dritte, nict daß diese Eigen¥aft ihm

nothwendig zukommen mü<e. Wie aber eine solce @nnlice An¥auung (al+ Raum

und Zeit) Form unserer Sinnlickeit oder solce Fun$tionen de+ Ver#ande+, al+ deren

die Logik au+ ihm entwi%elt, selb# möglic sey, oder wie e+ zugehe, daß eine Form mit

der Andern zu einem möglicen Erkentni+ zusammen#imme, da+ i# un+

¥lecterding+ unmöglic weiter zu erklären, weil wir son# noc eine andere

Page 9: Kant Briefwechsel Marcus Herz

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An¥auung+art, al+ die un+ eigen i# und einen anderen Ver#and, mit dem wir unse-

ren Ver#and vergleicen könnten und deren jeder die Dinge an @c selb# be#immt

dar#e§ete, haben müßten: wir können aber a§en Ver#and nur durc unseren Ver#and

und so auc a§e An¥auung nur durc die unsrige beurtheilen. Aber diese Frage zu

beantworten i# auc gar nict nöthig. Denn wenn wir darthun können, daß unser

Erk entn i+ von Dingen selb# da+ der Erfahrung nur unter jenen Bedingungen

a§ein möglic sey, so @nd nict a§ein a§e andere Be-[52]gri>e von Dingen (die nict

auf solce Weise bedingt @nd) für un+ leer und können zu gar keinem Erkentni<e die-

nen, sondern auc a§e data der Sinne zu einer möglicen Erkentni+ würden ohne @e

niemal+ Obie$te vor#e§en, ja nict einmal zu derjenigen Einheit de+ Bewu#seyn+ ge-

langen, die zum Erkentni+ meiner selb# (al+ obie$t de+ inneren Sinne+) erforderlic

i#. Ic würde gar nict einmal wi<en können, daß ic @e habe, folglic würden @e für

mic, al+ erkennende+ Wesen, ¥lecterding+ nict+ seyn, wobey @e (wenn ic mic in

Gedanken zum Thier mace) al+ Vor#e§ungen, die nac einem empiri¥en Gese{e der

A<o$iation verbunden wären und so auc auf Gefühl und Begehrung+vermögen Ein-

³u+ haben würden, in mir, meine+ Daseyn+ unbewu#, (gese{t daß ic auc jeder einzel-

nen Vor#e§ung bewu# wäre, aber nict der Beziehung derselben auf die Einheit der

Vor#e§ung ihre+ Obie$t+, vermittel# der syntheti¥en Einheit ihrer Apper$eption,)

immer hin ihr Spiel regelmäßig treiben können, ohne daß ic dadurc in minde#en

etwa+, auc nict einmal diesen meinen Zu#and, erkennete. _ E+ i# mi+lic, den

Gedanken, der einem tiefdenkenden Manne obge¥webt haben mag und den er @c

selb# nict rect klar macen konnte, zu errathen; gleicwohl überrede ic mic sehr, daß

Leibni{ mit seiner Vorherbe#immten Harmonie (die er sehr a§gemein macte, wie

auc Baumgarten in seiner Cosmologie nac ihm) nict die Harmonie zweyer Ver¥ie-

denen Wesen, nämlic Sinnen und Ver#ande+wesen, sondern zweyer Vermögen eben

de<elben Wesen+, in welcem Sinnlickeit und Ver#and zu einem Erfahrung+erkennt-

ni<e zusammen#immen, vor Augen gehabt habe, von deren Ursprung, wenn wir ja

darüber urtheilen wo§ten, obzwar eine solce Nacfor¥ung gänzlic über die Grenze

der men¥licen Vernunft hinau+ liegt, wir weiter keinen Grund, al+ den Gottlicen

Urheber von un+ selb# angeben können, wenn wir gleic die Befugni+, vermittel# der-

selben a priori zu urtheilen, (d. i. da+ qvid iuris) da @e einmal gegeben @nd, vo§-

kommen erklären können.

Page 10: Kant Briefwechsel Marcus Herz

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Hiebey muß ic mic begnügen uud kan wegen der Kürze meiner Zeit nict

in+ detail gehen. Nur bemerke ic, daß e+ eben nict nöthig sey, mit Hrn. Maimon

Ver#ande+ ideen anzunehmen. In dem Begri>e einer Cirkellinie i# nict+ weiter

gedact, al+ daß a l l e gerade Linien von demselben zu einem einzigen Pun$te (dem

Mittelpun$t) gezogen einander gleic seyn: die+ i# eine bloße logi¥e Fun$tion der

[53] A§gemeinheit de+ Urtheil+, in welcem der Begrif einer Linie da+ Subie$t

au+mact und bedeutet nur so viel, al+ e ine j ede Linie, nict da+ All der Linien,

die auf einer Ebene au+ einem gegebenen Pun$t be¥rieben werden können; denn son#

[würde] jede Linie mit eben demselben Recte eine Ver#ande+idee seyn, weil @e a§e

Linien al+ Theile enthält, die zwi¥en zweyen in ihr nur denkbaren Pun$ten, deren

Menge gleicfal+ in Unendlice geht, gedact werden können. Daß @c diese Linie in+

unendlice theilen la<e i# auc noc keine Idee denn e+ bedeutet nur einen Fortgang

der Theilung, der durc die Größe der Linie garnict be¥ränkt wird, aber diese Un-

endlice Theilung nac ihrer Totalität und @e mithin al+ vo§endet anzusehen, i# eine

Vernunftidee von einer Absoluten Totalität der Bedingungen (der Zusammense{ung)

welce an einem Gegen#ande der Sinne gefodert wird, welce+ unmöglic i#, weil an

Er¥einungen da+ Unbedingte gar nict angetro>en werden kan.

Auc i# die Möglickeit eine+ Cirkel+ nict etwa vor dem pra$ti¥en Sa{e:

einen Cirkel durc die Bewegung einer geraden Linie um einen fe#en Pun$t zu

be¥reiben, blo+ prob lemat i sc , sondern @e i# in der De|nition de+ Cirkel+ g ege -

ben , dadurc, daß dieser durc die De|nition selb# $on#ruirt wird, d. i. in der An-

¥auung zwar nict auf dem Papier (der empiri¥en) sondern in der Einbildung+kraft

(a priori) darge#e§t wird. Denn ic mag immer au+ freyer Fau# mit Kreide einen

Cirkel an der Tafel ziehen und einen Pun$t darinn se{en, so kan ic an ihm eben so

gut a§e Eigen¥aften de+ Zirkel+, unter Vorau+se{ung jener (so genannten) Nominal-

de|nition, welce in der That real i#, demon#riren, wenn er gleic mit der durc die

Herumtragung einer Geraden an einem Pun$te beve#igten Linie be¥riebenen, gar

nict zusammenträfe. Ic nehme an: daß @e, die Pun$te de+ Umkreise+, gleic weit vom

Mittelpun$te ab#ehen. Der Sa{: einen Cirkel zu be¥reiben i# ein pra$ti¥e+

Coro§arium au+ der De|nition (oder so genannte+ Po#ulat), welce+ gar nict

gefodert werden könnte, wäre die Möglickeit, ja gar die Art der Möglickeit der

Figur, nict ¥on in der De|nition gegeben.

Page 11: Kant Briefwechsel Marcus Herz

- 11 -

Wa+ die Erklärung einer geraden Linie betrift, so kan diese nict wohl durc

die Identität der Rictung a§er Theile derselben ge¥ehen; denn der Begrif der Ric-

tung (al+ einer Geraden L in ie , durc welce die Bewegung, ohne Rü%s ict

auf ih re Größe , unter-[54]¥ieden wird) se{t jenen Begrif ¥on vorau+. Doc da+

@nd Kleinigkeiten.

Herren Maymon+ Scrift enthält übrigen+ so viel ¥arf@nnige Bemerkun-

gen, daß er @e nict ohne einen für ihn vortheilhaften Eindruk, immer hätte in+ Pu-

bli$um ¥i%en können, auc ohne im minde#en mir hiedurc zuwieder zu handeln, ob

er gleic einen ganz anderen Weg nimmt, al+ ic; denn er i# doc darinn mit mir ei-

nig, daß mit der Fe#se{ung der Prin$ipien der Metaphy@k eine Reform vorgenommen

werden mü<e, von deren Nothwendigkeit @c nur wenige wo§en überzeugen la<en.

A§ein, wa+ Sie werther Freund verlangen, die Herau+gabe diese+ Werk+ mit einer

Anpreisung meiner seit+ zu begleiten wäre nict wohl thunlic, da e+ doc großentheil+

auc wieder mic gerictet i#. _ Da+ i# mein Urtheil, im Fa§ diese Scrift

herau+gekommen wäre. Wo§en @e aber meinen Rath in Ansehung de+ Vorhaben+, @e

so, wie @e i#, herau+zugeben; so halte ic dafür, daß, da e+ Hr. Maymon vermuthlic

nict gleicgültig seyn wird, vö§ig ver#anden zu werden, er die Zeit, die er @c zur

Herau+gabe nimmt, dazu anwenden möge, ein Ganze+ zu liefern; in welcem nict blo+

die Art, wie er @c die Prin$ipien der Erkentni+ a priori vor#e§t, sondern auc wa+

darau+ zur Au³ösung der Aufgaben der reinen Vernunft, welce da+ Wesentlice vom

Zwe%e der Metaphy@k au+macen, nac seinem Sy#eme gefolgert werden könne, deut-

lic gewiesen werde: wo denn die Antinomien der r. Vernunft einen guten Probir#ein

abgeben können, die ihn vielleict überzeugen werden, daß man den men¥licen

Ver#and nict für spe$i|¥ einerley mit dem Göttlicen und nur durc Ein¥ränkung,

d. i. dem Grade nac, von diesem unter¥ieden annehmen könne: daß er nict, wie die-

ser, al+ ein Vermögen anzu scauen , sondern nur zu denken , mü<e betractet wer-

den, welce+ durcau+ ein davon ganz ver¥iedene+ Vermögen (oder Re$eptivität) der

An¥auung zur Seite, oder be<er zum Sto>e, haben mü<e, um Erkentni+ hervorzu-

bringen und daß, da die le{tere, nämlic die An¥auung, un+ blo+ Er¥einungen an

die Hand giebt und die Sace selb# ein bloßer Begrif der Vernunft i#, die Anti-

nomien, welce gänzlic au+ der Verwecselung beyder entspringen, niemal+ aufgelöset

Page 12: Kant Briefwechsel Marcus Herz

- 12 -

werden können, al+ wenn man die Möglickeit syntheti¥er Sä{e a priori nac meinen

Grundsä{en deducirt.

Ic beharre unveränderlic Ihr treuer Diener und Freund

I Kant.

[55]

Ein Pa% in Grün Wac+tuc, welce+ Hrn. Maymon+ M#crpt. enthält, i#

unter der Signatur: H. D. M., an Sie addres#irt den 24#en May von mir auf die Fah-

rende Po# gegeben worden.

Page 13: Kant Briefwechsel Marcus Herz

- 13 -

[68f.]

370 [347].

Von Salomon Maimon.

Iuli 1789.

Verehrung+würdiger Mann!

Wenn ic e+ gewagt habe, Ihnen einige Bogen zur Beurtheilung

zuzu¥iken, die Untersucungen über Gegen#ände enthalten, die Sie in Ihren un#erb-

licen Werken abgehandelt haben; so ge¥ah e+ keine+wege+ au+ einer fal¥en Besorg-

niß, al+ würde ic Ihnen zuwiederhandeln, wenn ic diese Untersucungen der Welt

ö>entlic vorlegte, ohne @e zuvor Ihrem Urtheil unterworfen zu haben, selb# al+denn

nict, wenn @e Punkte enthielten in denen ic meine Denkung+art der Ihrigen nict

ganz anpaßen konnte. Ic bin mir bewu#, daß nict+ al+ Liebe zur Wahrheit mic zu

Untersucungen dieser Art anspornet, u. weiß, daß diese den großen Mann zu keiner

Zeit und unter keiner Ge#alt beleidigen kann. Bloße Vor@ct und gerecte Scüctern-

heit war e+, die mic Ihr Urtheil über meine Gedanken vor ihrer ö>entlicen Bekannt-

macung hat erbitten laßen, und ic glaubte so meiner Scrift den größren Theil ihre+

Zweke+ @cren zu müßen, damit @e denn ihr fernere+ Sciksal ruhig abwarte. Indeßen

hat Ihre äußer# gütige Zu¥rift an mic sowohl, al+ die mir durc HE D: Herz

mitgetheilten Anmerkungen, a§e+ übertro>en, wa+ ic mir je ¥meiclen durfte. Daß

ein Kant einige Augenblike seiner der Welt so wictigen Zeit auf die Versuce eine+

nac Wahrheit for¥enden, der @c be#rebt die Ideen de+ großen Manne+ den

Seinigen anzupaßen anwendet, daß er @e seine+ Beyfa§+ nict ganz unwürdig |ndet,

u. ihrem Verfaßer sogar da+ Zeugni+ giebt, in den Sinn de+ großen Manne+

eingedrungen, ihn ver#anden zu haben, u. daß er endlic @c noc der Mühe

unterziehet, ihn durc Anmerkungen u. Lehren zu unterweisen; a§e+ di+, ic wiederhole

e+, hat auc meine gespannte#e Ho>nung übertro>en. Ic fühle mic nun mit neuen

[69] Kräften ge#ärkt, der Wahrheit naczufor¥en, nacdem ic die Ver@crung de+

großen Manne+ für mic habe, daß meine er#e Be#rebungen nict ganz fructlo+

gewesen.

Innliegende wenige Zeilen so§en die Sünde deren ic mic gegen die Welt

¥uldig gemact habe, indem ic @e eine+ Theil+ Ihrer Zeit beraubt habe keine+wege+

vergrößren. Sie enthalten einige Gedanken über die mir durc HE D: Herz mitge-

Page 14: Kant Briefwechsel Marcus Herz

- 14 -

theilte Anmerkungen, u. ic wage nict+ für @e zu bitten, al+ daß Sie dieselben anzuse-

hen würdigen, wenn einmal ein Augenblik @c |ndet, den Ihre unermüdete Thätigkeit,

mit keiner wictigern Be¥ä>tigung au+fü§en wi§.

Ihr ergebner Diener und Scüler

S: Majmon.

Berlin den July 1789.

Page 15: Kant Briefwechsel Marcus Herz

- 15 -

[112-117]

394 [371].

Von Johann Gottfried Carl Chri#ian Kiesewetter.

15. De$. 1789.

Theuer#er Herr Profe<or,

Ic muß mic in der That ¥ämen, daß ic er# je{t Ihren lieben Brief be-

antworte, der mir außerordentlic viel Freude gemact hat, weil er mir einen untrüg-

licen Bewei+ gab, daß Sie mic Ihrer Freund¥aft nict unwerth halten; aber eine

Menge Ge¥äfte haben mic vom Screiben abgehalten.

Meine Lage i# so gut, al+ ic @e nur immer wün¥en kann; meine Vorle-

sungen über die Logik und über die Crit. d. p. V. werden ziemlic #ark besuct, so daß

ic in der er#ern ungefähr 20, in der le{tern 25 Zuhörer habe, und ob gleic nict a§e

bezahlen, so denke [113] ic doc, daß mir beide Co§egia zusammen 100 Thlr. einbrin-

gen werden. Logik lese ic über eigene Di$tata, Crit. über de+ Herrn Prof. Buc, da+

diesen Gegen#and abhandelt. So viel ic weiß, i# man mit meinem Vortrage zufrieden

und di+ muß mir um so angenehmer sein, da ic mehrere Ge¥äft+männer zu Zuhö-

rern habe. Ferner lese ic der Oberhofmei#erin der Prinzes@n Augu#e, der Barone<e

von Bielefeld täglic von 8 bi+ 9 Uhr Anthropologie; und eben diese Vorlesungen halte

ic 4 Stunden wöcentlic dem Sohn de+ Buchändler Ni$olai, dem Scwiegersohn d.

H. C. G. R. Klein. Auc gebe ic täglic eine Stunde Unterrict in der Mathematik

und lese endlic mit C. G. R. Mayer noc den Xenophon. _ Sie sehen hierau+,

theuer#er Herr Profe<or, daß ic über Mangel an Ge¥äfte nict zu klagen habe und

daß ic mir auc meinen Unterhalt ver¥a>e; aber ic fürcte nur, daß ic e+ bei mei-

nem ¥wäclicen Körper nict lange werde au+halten können, und ic habe daher auf

Mittel gedact, mir den Erwerb meine+ Unterhalt+ zu erleictern. Durc die Barone<e

von Bielefeld, die bei Hofe viel gilt, denke ic mit dem Hofe selb# in nähere Verbin-

dung zu treten, und vie§eict Lehrer der Prinzes@n Augu#e zu werden. Diese Ste§e

i# um so wictiger, da mit ihr eine leben+länglice Pen@on verknüpft i#. Ferner hat

mir der Kanzler von Ho>mann, der O. C. R. v. Irrwing, die Barone<e von Bielefeld

versprocen, bei der er#en Va$anz einer Feldprediger#e§e in Berlin ihr ganze+ Anse-

hen für mic zu verwenden. Wie ic mit dem Mini#er von Wö§ner #ehe? fragen Sie.

Ic habe ihn gesprocen, und er hat mic seiner Gnade in den prunkvo§#en

Page 16: Kant Briefwechsel Marcus Herz

- 16 -

Au+drü%en ver@cert, aber diese Ver@cerung ge¥ah so geläu|g, daß ic fürcten muß,

daß er @e jedem, der ihm aufwartet, thut. Man warnte mic, mic in meinen Vorlesun-

gen in Act zu nehmen, weil man mir au³auern laßen würde, ob ic etwa+ gegen die

Religion vorbräcte, und rieth mir, beiläu|g zu erinnern, die kanti¥e Philosophie sei

dem Chri#enthum nict zuwider. Diesen Wink nu{te ic in der er#en Vorlesung über

die Crit. d. pra$t. V., und nannte unter den Titeln der ganzen Vorlesung auc die

Ueberein#immung de+ formalen Gese{e+ mit den Lehren de+ Chri#enthum+. Wirklic

war ein junger Men¥ gegenwärtig, der wörtlic meinen ganzen Vortrag nac¥rieb,

und durc seine em@ge Aeng#lickeit die Aufmerksamkeit a§er auf @c zog; und der

auc nict wieder kam. _ Der O. C. R. von Irrwing gilt viel bei Wö§ner, und dieser

ver@cert [114] mic, er sei mein Freund. Durc den Kanzler von Ho>mann kann ic

weniger bei ihm au+ricten, denn ob @e gleic äußerlic in einem guten Vernehmen zu

#ehen ¥einen, so i# doc di+ wirklic der Fa§ nict, weil Ho>mann Vertrauter de+

Prinzen Heinric i# und Heinric Wö§ner haßt.

Sehr unangenehm war e+ mir, al+ ic in dem Briefe eine+ Mini#er+

(Wö§ner+) an den König, (den wie man hier a§gemein sagt, Zedli{ ge¥rieben hat)

die Ste§e la+, die Sie und Ihre Anhänger betrift. Da ic mit Wahr¥einlickeit

vorau+se{en kann, daß Sie da+ Buc gelesen haben, so se{e ic die Ste§e nict her.

So§ten Ew. Wohlgebohrn aber da+ Buc noc nict gelesen haben und e+ in Kö-

nig+berg auc nict erhalten können, so dürfen Sie nur befehlen und ic werde e+ Ih-

nen mit er#er Po# ¥i%en. _ Wö§ner+ Ansehen so§ nict mehr so ganz fe# #ehen,

doc werden wir bei einer Veränderung nict viel gewinnen, wenn, wie e+ doc sehr

wahr¥einlic i#, der Geheimerath Lamprect seine Ste§e erhält. _ Zedli{ se{t eine

reice Erb¥aft, die er ganz unverhoft gethan hat, in den Stand ganz unabhängig zu

leben; ic muß ge#ehen, daß e+ mir äußer# wehe that, al+ ic erfuhr, daß er seine Di-

mis@on verlangt hatte, denn ic bin überzeugt, daß er mir wohlwo§te. Er wi§ nac

England reisen, hat aber da+ Unglü% gehabt in einem Anfa§ von Epilep@e @c eine

gefährlice Wunde am Kopfe zu ¥lagen.

Der Geheimerath Oelric+ hat mic dem Mini#er Herzberg vorge#e§t, der

mic sehr gnädig aufnahm, zur Tafel zog, und sehr viele+ zu Ihrem Lobe sagte.

Wa+ die Si{ungen de+ O[ber]S[cul]C[o§egium] betrift, so i# bi+ je{t we-

nig vorgenommen, man hat @c fa# a§ein damit be¥äftigt, zu be#immen, bi+ auf

Page 17: Kant Briefwechsel Marcus Herz

- 17 -

welce Lehrer man da+ Gese{ au+dehnen könne, daß die Kinder der Scullehrer vom

Soldaten#ande befreit sein so§ten. Ew. Wohlgebohrn können leict denken, daß ic

a§e+, wa+ ic bei dem Kanzler vermag, anwenden werde, um da+ durczuse{en, wa+

Sie in Ansehung der könig+bergi¥en Sculen wün¥en.

Der Prof. Herz hat mir aufgetragen, Ihnen in seinem Namen ein verbind-

lice+ Compliment zu macen. Ic bin gewöhnlic de+ Freitag+ bei ihm zum Thee und

zum Abende<en und ic muß ge#ehen, daß ic bei ihm viele Freuden genieße. Er i#

gewiß einer Ihrer [115] wärm#en Verehrer. Maimon habe ic bei ihm kennen gelernt.

Sein äußere+ versprict nict viel, um so mehr, da er wenig und ¥lect sprict. Ic

habe seine Tran+$endentalphilosophie zu lesen angefangen, bin aber noc nict weit

fortgerü%t; doc bin ic ¥on gleic Anfang+ nict seiner Meinung; auc mangelt ihm,

wie e+ mir ¥eint, sehr oft Prä$i@on.

Über HE Reinhold+ Theorie de+ Erkenntnißvermögen+ i# da+ hie@ge Pu-

blikum getheilt, ein Theil lobt da+ Buc außerordentlic, ein anderer Theil |ndet meh-

rere+ daran zu tadeln. Ic kann immer noc nict so viel Zeit gewinnen da+ Buc zu

Ende zu lesen, doc bin ic mit dem Verfa<er nict übera§ einerlei Meinung, und oft

¥einen mir auc seine Beweise mangelhaft. Di+ le{tere i# z. B. der Fa§, bei dem

Beweise, den er Seite 282 von dem Sa{e gegeben hat, Mannig fa l t ig ke i t i# da+

Cri t er ium de+ Sto f+ der Vor#el lung . Er sagt nämlic, in der vom Subje$t

zu unter¥eidenden Vor#e§ung muß @c etwa+ unter¥eiden laßen, und da+jenige in

ihr, wa+ @c unter¥eiden läßt, kann nur der Stof sein, und a§e+ wa+ in der

Vor#e§ung Stof i#, muß @c unter¥eiden laßen, d. h. mannigfaltig sein. Mir i# die-

ser Bewei+ äußer# unver#ändlic und läßt wie ic glaube mehrere Einwürfe zu; HE

Reinhold der über mance andere Dinge von weit geringerer Wictigkeit @c so

er¥re%lic weitläuftig au+gebreitet hat, i# hier kurz u. dunkel. Mir ¥eint folgender

Bewei+, den ic Ew: Wohlgebohrn zur Prüfung vorlege, leicter und ver#ändlicer zu

sein. Ieder Stof, wenn er Vor#e§ung werden so§, muß durc mein Vor#e§ung+ver-

mögen Form erhalten, diese Form i# nict+ ander+ al+ Verknüpfung, Verknüpfung

se{t Mannigfaltige+ vorau+, wa+ verknüpft werden kann, folglic muß in jeder Vor-

#e§ung Mannigfaltige+ enthalten sein. _ HE Reinhold nimmt @c bei diesem Buce

etwa+ sonderbar; unter andern hat er an D. Bie#er ge¥rieben, er möcte @c doc da+

Buc kaufen, e+ lesen und e+ gegen die Re$. die in der A. D. Bibl. davon er¥einen

Page 18: Kant Briefwechsel Marcus Herz

- 18 -

könnte, in Scu{ nehmen. Ic würde di+ kaum glauben, wenn e+ D. Bie#er mir nict

selb# erzählt hätte. Auc weiß ic, daß er unzufrieden darüber gewesen i#, daß Sie ihm

über di+ Buc noc nict+ ge¥rieben haben.

Ic habe je{t durc meine Vorlesungen von neuem Gelegenheit gehabt, über

die Lehre vom R[aum] und Z[eit] naczudenken, und da i# e+ mir vorgekommen, al+

wenn man @c durc folgenden Gang [116] im Beweise die Sace sehr erleictern

könnte. Ic unter¥eide die Vor#e§ung vom Raum, und Raum selb#, @e @nd un-

ter¥ieden, wie Vor#e§ung und Vorge#e§te+. Zuer# also die Frage, wa+ i# die

Vor#e§ung vom Raum? _ An¥auung oder Begrif muß @e sein. Begrif kann @e nict

sein, weil au+ ihr syntheti¥e Sä{e ³ießen, @e i# also An¥auung. Nun frage ic fer-

ner, i# @e a pr[iori] oder a po+[eriori]? A po+. kann @e nict sein, weil @e nothwendig

i#, und die Sä{e die au+ ihr hergeleitet werden, apodi$ti¥e Gewi+heit bei @c führen.

Sie i# also reine An¥auung a priori. Wa+ i# nun aber der Raum? Ein Ding an @c,

oder eine obje$tive Be¥a>enheit der Dinge an @c kann er nict sein, denn son# wäre

die Vor#e§ung von ihm empiri¥; die Vor#e§ung von ihm muß also in der

subje$tiven Be¥a>enheit unsere+ Erkenntnißvermögen ihren Grund haben; da @e

An¥auung i#, muß @e in der Sinnlickeit gegründet sein, und da @e @c nur bei den

Gegen#änden de+ äußern Sinne+ |ndet, durc den äußern Sinn gegeben sein. Unser

Erkenntnißvermögen giebt un+ a priori nur die Form, nict Materie, folglic i# der

Raum die Form de+ äußern Sinne+. _ Wo§te[n] Sie, theuer#er Mann, wohl die

Güte haben, mir über diesen Gang Ihre Meinung zu sagen.

Da+ Manipuliren mact hier gewaltige+ Aufsehen; au+ beiliegendem

Aufsa{e werden Ew. Wohlgebohrn sehen, wie weit die Sace ¥on gegangen i#. Die

Bekannt¥aft de+ Pred. Scleemü§er ver¥aft mir Gelegenheit selb# Versuce

anzu#e§en, und ic habe auc di+, wie Sie |nden werden, ¥on gethan. Betrügerei

#e%t o>enbar dahinter; nur von wem der Betrug au+gegangen i#, i# ¥wer zu

entde%en. Prof. Se§e ¥eint e+ mir nict zu sein; vielleict der Pen@onär Lohmeier;

oder vielleict gar eine andere vornehme Person, die an unserm Hofe keine unbe-

träclice Ro§e spielt und die ein Mitglied der #ra+burgi¥en magneti¥en Gese§-

¥aft i#; wenig#en+ hat er selb# Anleitung zum bequemen Magneti@ren ertheilt. _

Ic habe meine Versuce ohne Se§e+ Vorwi<en ange#e§t und daher darf ic nict+

davon publi$ werden laßen, weil son# Scleemü§er $ompromittirt werden könnte. _

Page 19: Kant Briefwechsel Marcus Herz

- 19 -

Wenn e+ Ihnen gefä§ig wäre, mir einige Versuce vorzu¥lagen, die ic an#e§en

könnte, so würden Sie mic außerordentlic verbinden. Vorzüglic wictig i# mir die

Frage: Giebt e+ Criterien, woran man erkennen kann, ob jemand ¥läft oder @c nur

so #e§t? und wenn e+ dergleicen giebt, welce+ @nd [117] @e? aber ic glaube, daß e+

dergleicen unbezweifelte Criterien nict giebt.

Verzeihen Sie, innig#geliebter und verehrter Mann, wenn ic Ihnen durc

mein Ge¥wä{ ein halbe+ Stündcen geraubt habe; e+ i# mir eine unbe¥reiblice

Wonne, mic, wenn gleic je{t nur ¥riftlic, mit einem Manne unterhalten zu können,

der mein ganze+ Herz be@{t und den ic über a§e+ liebe. Ic denke nie, ohne die in-

nig#e Rührung an da+ Glü%, da+ ic in Ihrem Umgange genoß, und rufe unendlic oft

die Vergangenheit in mein Gedäctniß zurü%; und wenn ic Ihnen doc nur einmal so

ganz sagen könnte, wa+ ic für Sie emp|nde, und wie sehr ic e+ zu ¥ä{en weiß, wa+

ic Ihnen verdanke. _ Ihrem verehrung+würdigen Freunde, HE Prof. Krause mein

wärm#e+ Compliment; sagen Sie ihm, daß ic #olz darauf sein werde, wenn er mir

seine Actung und Freund¥aft ¥enkt. _ Ihrer Liebe und Ihrem Wohlwo§en

empfehle ic mic auf da+ be#e und bin unveränderlic

Ihr

aufrictig#er Verehrer

Berlin den 15t November 1789. J G C Kiesewetter.

N. S. Hierbei erfolgen die Dru%fehler in der Crit. der pra$t. Vernunft.

Den 17t November. Der Kanzler von Ho>mann, den ic soeben gesprocen

habe, läßt @c Ihnen rect sehr empfehlen.

Page 20: Kant Briefwechsel Marcus Herz

- 20 -

[171]

427 [403].

Von Salomon Maimon.

9. Mai 1790.

Wolgeborner, Wolgelahrter,

Höc#zuehrender Herr Profes#or!

Ew. Wolgeb: werden mir gewiß verzeihen, daß ic mir abermal+ erlaube ge-

genwärtige Zu¥rift an Dieselben zu ricten. Ic habe vor nict langer Zeit Bakont+

Scri>ten erhalten und gelesen; diese+ hat mic veranlaßt eine Vergleicung zwi¥en

Bakont+ und Ew. Wolgeb: Bemühungen um die Philosophie anzu#e§en, und dieselbe

in dem Berlini¥en Journal für Aufklärung abdru%en zu laßen. Da ic aber besorge

hierinn entweder zu viel oder zu wenig gethan zu haben, so erbitte ic mir hierüber

Ew: Wohlgeb: gütige+ Urtheil, welce+ mir gültiger und angenehmer seyn wird, al+

da+ irgend eine+ eifrigen Anhänger+, oder Gegner+. Daß man bei Dar#e§ung der

Gedanken eine+ etwa+ alten Scrift#e§er+ nict behutsam genug verfahren kann, um

von der einen Seite dem Vorwurfe der Ver#ümmelung, und von der andern, dem de+

Unter¥ieben+ neuerer Gedan%en au+zuweicen, weiß ic sehr wol; daher ic auc Ew:

Wolgeb: in der Ho>nung einer gütigen Erfü§ung meine+ gethahenen Gesuc+ zugleic

ergeben# um die gütige Erlaubniß bitte, daß ic Dero Beurtheilung in dem gedacten

Journal darf abdru%en laßen. Mit dem Gefühl der innig#en Hocactung habe ic die

Ehre zu seyn

Ew: Wolgeb:

Berlin ergebener Diener

am 9ten May Salomon Maimon

1790

Page 21: Kant Briefwechsel Marcus Herz

- 21 -

[174-176]

430 [405].

Von Salomon Maimon.

15. Mai 1790.

Wohlgeborner Herr

Insonder+ hoczuehrender Herr Profe<or

Für da+ mir gütig# übersandte Ge¥enk Ihrer Scrift, der Kritik der

Urtheil+kraft, worau+ ic Ew Wohlgeborn freund¥aftlice Ge@nnung gegen mic er-

sehe, welce mir sehr theuer i#, und worauf ic #olz zu seyn Ursace habe, sage ic Ih-

nen den a§erverbindlic#en Dank. Ic habe zwar noc nict Zeit gehabt, diese+ wic-

tige Werk durczulesen, oder wie die+ erforderlic i#, durczudenken, sondern e+ er#

blo+ durcblättern können. Gleicwol aber bin ic durc den Beyfa§, welcen Sie dem

H[of] R[ath] Blumenbac ertheilen, veranlaßt worden, deßen vortre³ice kleine Scrift

zu lesen: und hiedurc i# bey mir ein Gedanke rege gemact worden, der, wiewol er

nict neu i#, doc paradox genug ¥einen mag, nähmlic die Realität der Weltseele

be#immen zu wo§en, wovon ic mic erdreu#e Ew Wohlgeborn den Plan zur Prüfung

vorzulegen. Ic kann zwar nict ganz genau be#immen, wa+ die Alten hiemit für ei-

nen Begri> verknüpften; ob @e darunter Gott selb#, oder etwa+ wa+ außer demselben

i#, ver#anden. Demohngeactet denke ic mir diesen Begri> folgendermaßen: Die

Weltseele i# eine der Materie überhaupt (dem Sto> a§er ree§en Obje$te) beywoh-

nende und auf dieselbe würkende Kraft, deren Würkung nac der ver¥iednen Modi-

|$ierung der Materie ver¥ieden i#. Sie i# der Grund der besondern Art der

Zusammense{ung in jedem (auc unorgani@rten), der Organisation in jedem or-

gani@rten Körper, de+ Leben+ im Thier, de+ Ver#ande+ und der Vernunft im

Men¥en u sw ; kurz @e gibt die Formen a§er Dinge nac Be¥a>enheit ihrer Mate-

rie, so daß @e durc die eine Form die Materie zur Annehmung einer andern Form

von einer höhern Ordnung, ge¥i%t mact. Und da die Materie unendlice

Modi|$ation annehmen kann, so kann diese Entelecie auc unendlic ver¥iedne For-

men liefern. Sie i# also der Grund a§er möglicen Würksamkeit.

Ic sehe nict ein, wa+ die neuern Philosophen habe bewegen können, diese

Meinung gänzlic zu verwerfen. So§te e+ deßhalb ge¥ehen seyn, weil man von dieser

Weltseele, al+ Objekt keinen Begri> hat? Wir haben [175] aber von unsrer eignen

Page 22: Kant Briefwechsel Marcus Herz

- 22 -

Seele eben so wenig einen Begri>. Oder fürctet man hier Spinozi+mu+; so dünkt mic

i# nac obiger De|nition demselben genugsam zuvorgekommen. Denn dem Spinozi+-

mu+ zufolge i# Gott und die Welt ein und ebendieselbe Sub#anz. Iener Erklärung

aber zufolge i# die Weltseele eine von Gott er¥a>ne Sub#anz. Gott wird al+ intelli-

gentia pura extramundana vorge#e§t. Diese Weltseele hingegen, wird zwar al+ eine

Inte§igenz, aber al+ eine solce, welce mit einem Körper (der Welt) in Verbindung

#eht, folglic einge¥ränkt und den Gese{en der Natur unterworfen i#, vorge#e§t. Al+

Ding an s ic kann man eben so wenig behaupten, daß e+ mehrere Sub#anzen, al+

daß e+ nur eine einzige in der Welt gäbe. Al+ Phänomene hingegen glaube ic au+

guten Gründen für da+ le{tere ent¥eiden zu können. Denn a) die gänzlice Unterbre-

cung der Würksamkeit der sogenannten Sub#anzen z E de+ Denken+ im Sclafe u sw

muß gegen die Sub#anzialität derselben ein Mißtrauen erregen. Lo%e behauptet; die

men¥lice Seele denke nict be#ändig, und führt jene Unterbrecung al+ Beyspiel an.

Leibni{ nimmt dieserwegen zu den dunkeln Vor#e§ungen seine Zu³uct, und suct

derselben Realität au+ der Verbindung der auf die Unterbrecung folgenden Vor#el-

lungen mit den ihr vorhergehenden zu beweisen. Wa+ @nd aber diese dunkle Vor#el-

lungen ander+, al+ bloße Di+po@tionen und zurü%gelase[ne] Spuren der die Ideen

begleitenden Bewegungen in den Organe[n]. Nac dem Begri> einer Weltseele

hingegen läßt @c dieser Zusammenhang auf eine faßlice Art erklären. Iede Bewe-

gung in den Organen wird von einer derselben entsprecenden Vor#e§ung begleitet,

wozu aber ein gewißer Grad der Inten@tät gehöret. Während de+ Sclafe+ aber läßt

diese Inten@tät nac. Diese Weltseele kann also al+dann keine Vor#e§ungen bewürken.

Beym Erwacen aber nimmt diese Inten@tät wieder zu, so daß jene Bewegungen von

denen ihnen entsprecenden Vor#e§ungen begleitet werden. Und da die auf den Sclaf

folgenden Bewegungen mit den vor demselben hergehenden und während deßelben

fortdauernden Bewegungen, nac den Gese{en der Natur, in genauen Zusammenhang

#ehen, so muß die+ auc bey den, diesen Bewegungen entsprecenden Vor#e§ungen,

#att|nden. b) Auc ¥einet die Natur der objektiven Wahrheit, die a§e Men¥en

vorau+se{en, die Idee einer Weltseele nothwendig zu erfordern; worau+ @c die Iden-

tität der Formen de+ Denken+ bey a§en denkenden Subjekten, und die [176] Ueberein-

#immung in den dieser Form gemäß gedacten Objekten erklären läßt. c) Die Lehre

von den Zwe%en in der Natur (Teleologie) ¥eint diese Vor#e§ung auc zu erfordern.

Page 23: Kant Briefwechsel Marcus Herz

- 23 -

Ic glaube nähmlic, daß ein Zwe% nict hervorgebract, sondern durc etwa+ ¥on

Hervorgebracte+ erreict wird. Die Formen halte ic daher für Zwe%e der Natur,

welce durc die, auf eine be#immte Art, nac mecani¥en Gese{en, hervorgebracte

Objekte erreict werden. Die+ beweiset also nothwendig da+ Daseyn eine+ a§gemeinen

Grunde+ der Verbindung dieser Formen untereinander al+ besondere Zwe%e zu einem

Hauptzwe%, und der Ueberein#immung der nac den Naturgese{en hervorgebracten

Objekte mit diesen Formen überhaupt: so daß man in diesem Betract die Formenge-

bende Inte§igenz mit der Gese{gebenden, und die mecani¥en Gese{e der Natur mit

der vo§ziehenden Mact eine+ wohleingericteten Staat+ vergleicen kann.

Die+ @nd ohngefähr mit kurzen Worten meine Gründe, welce ic Ew

Wohlgeborn zur Beurtheilung vorzulegen wage. Mit Ungeduld erwarte ic Dero

Ent¥eidung hierüber, und habe die Ehre zu verharren

Ew Wohlgeborn

Berlin gehorsam#er Diener

den 15t. May Salomon Maimon

1790.

Page 24: Kant Briefwechsel Marcus Herz

- 24 -

[258]

471 [440].

Von Karl Philipp Mori{ und Salomon Maimon.

14. Mai 1791.

Hocgelahrter Herr!

Hoczuehrender Herr Profe<or!

Wir haben da+ Vergnügen, Ihnen da+ 1te Stü% 9ten Bande+ de+ Magazin+

zur Erfahrung+seelenkunde, da+ wir gemein¥aftlic herau+geben, zu über¥i%en, und

wün¥en nict+ mehr al+ daß e+ ihre+ Beyfa§+ würdig seyn, und Sie un+ dan und

wan mit einigen Beyträgen dazu beehren möcten.

Wir verbleiben mit a§er Hocactung

Berlin Ihre ergeben#e Diener

den 14ten May Mori{.

1791 . Maimon

Page 25: Kant Briefwechsel Marcus Herz

- 25 -

[285-287]

486 [455].

Von Salomon Maimon.

20. Sept. 1791.

Wohlgebohrer Herr,

Hoczuehrender Herr Profe<or!

Ic wei+, wie ungerect derjenige i#, der Ihnen da+ minde#e von Ihrer,

der Welt so ¥ä{baren Zeit raubet, wei+, daß e+ für Sie kein wictigere+ Ge¥äft ge-

ben kann, al+ Ihren so fe# gegründeten Werken die höc#e Vollkommenheit zu geben;

doc konnte ic nict umhin, diese+ einzigemal Sie mit meinem Screiben zu belä#igen.

Ic habe mir seit einiger Zeit vorgenommen, außer Ihren Werken, nict+

mehr zu lesen. Von dem ©epti¥en Theil Ihrer Kritik bin ic vö§ig überzeugt; der

dogmati¥e kann auc hypotheti¥ angenommen werden, und ob¥on ic durc eine

psycologi¥e Dedukzion die Kathegorien und Ideen nict dem Ver#ande und der

Vernunft, sondern der Einbildung+kraft beilege; so kann ic doc, da+ er#e zum wenig-

#en problemati¥ zugeben; und auf diese Art kann ic mit der Kritik rect gut fertig

werden.

Da aber Herr Reinhold, (ein Mann den ic wegen seine+ ungemeinen

Scarf@nne+, nac Ihnen, am mei#en ¥ä{e) in seinen Scriften vorgiebt; nict nur

Ihrem Sy#eme die fo rme l le Vo l l#änd ig ke i t gegeben, sondern auc, da+ e inz i -

ge a l lgeme ingül t i g e und a l lgeme inge l tende (@ diis placet) Prinzip, worauf

diese+ aufgeführt werden kann, gefunden zu haben; so zog diese+ meine ganze Aufmerk-

samkeit auf @c. Nac genauer Untersucung aber fand ic mic in meiner Erwartung

betrogen. Ic scä{e ein jede+ Sy#em nac seiner forme l l en Vol l#änd ig k e i t ;

kann e+ aber nur nac seiner ob j e k t iv en Real i tä t g e l t en la s s en , und nac dem

Grade seiner Fructbarke i t anpre i s en .

Nun |nde ic zwar Herrn Reinhold+ Theorie de+ Vor#e§ung+vermögen+,

in Ansehung ihrer sy#emati¥en Form unverbe<erlic. Hingegen kann ic diese+ so

hoc gepriesene a§gemeingültige und a§gemeingeltende Prinzip (den Sa{ de+ Be-

wußtseyn+) keine+wege+ zugeben, und noc viel weniger mir von seiner Fructbarkeit

große Erwartungen macen. [286]

Page 26: Kant Briefwechsel Marcus Herz

- 26 -

Ic läugne geradezu, daß in jedem Bewußseyn (auc einer An¥auung und

Emp|ndung wie @c Herr Reinhold darüber erklärt) die Vor#e§ung durc da+ Sub-

jekt, vom Subjekt und Objekt unter¥ieden, und auf beide bezogen wird. Eine An¥au-

ung wird meiner Meinung nac, auf nict+ außer @c selb# bezogen; und nur dadurc

daß @e mit andern An¥auungen in eine syntheti¥e Einheit gebract, wird @e zur

Vor#el lung , und beziehet @c al+ Be#andtheil einer Synthe@+ auf dieselbe, da+

heißt, auf ihr Objekt. Die be#immte Synthe@+, worauf die Vor#e§ung bezogen wird,

i# da+ vorg e#e l l t e Obje k t ; eine jede unbe#immte Synthe@+, worauf die

Vor#e§ung bezogen werden kann, i# der Begri> eine+ Obje k t+ überhaupt . Wie

kann also Herr Reinhold, den Sa{ de+ Bewußtseyn+ für ein a§gemeingültige+ Prinzip

au+geben? Da, wie ic gezeigt habe, er nur von Bewußtseyn einer Vor#e§ung, da+

heißt, auf eine Synthe@+ al+ Be#andttheil bezogener An¥auung gelten kann. Ia! sagt

Herr Reinhold, man i# @c freilic diese Beziehung der An¥auung auf da+ Subjekt

und Objekt nict immer bewußt, @e i# dennoc immer in derselben anzutre>en. Aber

woher wei+ er diese+? Wa+ in der Vor#e§ung nict vorge#e§t wird, gehört nict zur

Vor#e§ung. Wie kann er also diese+ Prinzip al+ Faktum de+ Bewußtseyn+ für

a§gemeingeltend au+geben? Da e+ ein Anderer au+ seinem eigenen Bewußtsein gera-

dezu läugnen kann. Daß man eine jede An¥auung auf irgend ein Sub#ratum bezie-

het, i# eine Täu scung der t ran s$ endent en Einbildung+kra f t die, au+ Ge-

wohnheit, eine jede An¥auung al+ Vor#e§ung auf ein ree§e+ Objekt (eine Synthe@+)

zu beziehen, endlic auf gar kein ree§e+ Objekt, sondern auf eine an seiner Ste§e un-

terge¥obene Idee beziehet.

Da+ Wort Vor#e§ung hat viel Unheil in der Philosophie ge#iftet, indem e+

mance veranlaßt hat, @c zu einer jeden Seelenmodi|kation, ein objektive+

Sub#ratum hinzuzudicten. Leibni{ vergrößerte noc da+ Unheil, durc seine Lehre,

von den dunke ln Vor#e l lungen . Ic muß ge#ehn daß e+ in der Antropologie

keine wictigere Lehre geben kann. Aber in einer Kritik de+ Erkenntnißvermögen+

taugt @e gewiß nict+. Die dunkeln Vor#e§ungen @nd keine Modi|kation der Seele,

(deren Wesen im Bewußtsein be#ehet) sondern vielmehr de+ Körper+. Leibni{ bedie-

net @c derselben, blo+ um die Lü%en in der Sub#antialität der Seele au+zufü§en.

Ic glaube aber nict, daß [287] irgend ein Selb#denker, @c im Ern#e einfa§en la<en

wird, dadurc diese Lü%en wir%lic au+fü§en zu können. Die dunkeln Vor#e§ungen

Page 27: Kant Briefwechsel Marcus Herz

- 27 -

@nd blo+ die Brü%en, worüber man von der Seele zum Körper, und wiederum von

diesem zu jener übergeht, (ob¥on Leibni{ gute Ursacen gehabt hat, diesen Durcgang

zu verwehren.)

Sogar mit Herrn Reinhold+ Erklärung der Philosophie kann ic nict zu-

frieden seyn. Er begreift unter Philosophie überhaupt wa+ Sie mit Rect unter dem

besondern Nahmen Trans$endentalphilosophie (die Lehre von den Bedingungen der

Erkenntniß eine+ ree§en Objekt+ überhaupt.)

Ic wün¥e hierüber, wie auc etwa+ über mein Wörterbuc (da+ a§em

An¥eine nac entweder gar nict, oder ¥lect re$en@rt werden wird) Ihre Meinung

zu vernehmen. In Erwartung dieser verharre ic, Ehrfurct+vo§

Euer Wohlgebohren

Berlin den 20ten ganz ergeben#er

September 1791. Salomon Maimon

Page 28: Kant Briefwechsel Marcus Herz

- 28 -

[305-309]

497 [465].

Von Johann Benjamin Erhard.

Jena d. 6. 9br 1791.

Theur#er Lehrer!

Innig liebte und verehrte ic Sie da ic e+ noc nict wagen durfte Sie mir

unter einen andern Namen zu denken, aber viel hat [306] diese Liebe und Actung an

frohen Genuße für mic und an Ein³uß auf mein Leben gewonnen, seitdem mir da+

Glü% zu Theil wurde, Sie auc meinen Freund nennen zu dürfen.

Meine Reise von König+berg hieher, wo ic bloß meine Freunde Sci§er

und Reinhold in de<en Hause ic nun wohne besuce und dann meine Reise meinen

Plan gemäß weiter fortse{e, macte ic ohne a§en widrigen Zufa§ und mit den see-

lig#en Rü%erinnerungen. In Berlin fand ic bey Prof. Herz eine sehr gute Aufnahme

und macte durc ihn viele angenehme Bekannt¥aften. Er selb# hat zwar keine Zeit

mehr @c eigentlic mit Philosophie zu be¥äftigen, aber er hat dafür sehr gute Köpfe

um @c gesammelt. Ein gewi<er BenDavid versprict mir darunter sehr viel für die

Zukunft. Maimon lernte ic nict persönlic kennen ic sucte ihn ein paarmal auf und

fand ihn nict, aber da ic nun sein philosophi¥e+ Wörterbuc sah, so bedaure ic e+

nict im gering#en, denn diese+ veräthe wa+ ic am wenig#en leiden mag, ¥reklicen

Hang zum Tief@nn _ ohne a§en tiefen Sinn.

Eine meiner werthe#en Bekannt¥aften macte ic am Kammergerict+rath

Klein. Dieß i# einer von den seltnen Männern deren Enthu@a+mu+ ihrer Ein@ct un-

tergeordnet i#, ohne erkaltet zu seyn. Der vorzüglic#e Gegen+tand unserer Unterhal-

tung war da+ Criminalrect. Ic wi§ die Hauptpunkte in denen wir übereinkamen

Ihnen zu Ihrer Prüfung, die Sie mir wohl nict versagen? vorlegen.

1) Die Uebertrettung der Gese{en nict der Scaden der Gese§¥aft be#immt

die Größe de+ Verbrecen+.

2) Eigentlic Verbrecen (Crimina) können, da da+ morali¥e Gese{ nict be-

dingt, unter Drohung eine+ gewißen Verlu#e+ gebietet, auc nict bedingt

verbothen seyn, so nehmlic, daß durc die Erduldung der Stra>e a§ein,

ohne Bu<e der Verbrecer wieder eben so morali¥ al+ vor den Verbrecen

anzusehen sey.

Page 29: Kant Briefwechsel Marcus Herz

- 29 -

3) Da da+ Gese{ absolut gebietet, so kan auc die Strafe nict al+ ein Mittel

zu einen andern Zwe%, sondern einzig zur Heiligung (nict zur Erfü§ung

auf eine andere Art) de+ Gese{e+ gebrauct werden

4) Sie i# also etwa+ verwirkte+ da+ ohne a§e andere Erwartung oder Ab@ct

erduldet werden muß.

5) Aber da nict Genugthuung de+ Scaden+, noc Be<erung noc Beyspiel die

Ab@ct der Stra>e seyn kan, so kan man auc nict [307] sagen daß @e die

Erduldung eine+ phy@¥en Übel, al+ solce+, wegen eine+ morali¥en Ver-

gehen+ sey, sondern @e i# da+ Symbol der Strafwürdigkeit einer Handlung,

durc eine denen Recten die der Verbrecer verwirkt hat, entsprecende

Kränkung de>elben.

6) Die Be#ra>ung se{t die Ein@ct der Verbindlickeit morali¥ zu handeln,

die Mündigkeit de+ Verbrecer+ vorau+, Unmündige können nur gezüctigt

werden.

7) Die Be#ra>ung se{t die Fähigkeit der Re³exion während der Handlung

vorau+, im Fa§e diese bey dem Verbrecer nict #att fand, kan er auc nict

ge#raft werden, sondern er i# der Recte der Mündigkeit verlu#igt und

wird gezüctigt.

8) Meinen Recten i# ihrer Gültigkeit entweder durc die Gese§¥aft a§ein

ge@cert, oder auc eine+theil+ durc mic selb#, obgleic meine Mact nict

immer Hinlänglic i#. Im er#en Fa§ mact @c der Verbrecer dieser Gül-

tigkeit verlu#igt, und im andern Fa§e ersezt die Gese§¥aft meine phy@¥e

Mact, und behandelt den Verbrecer nac den Rect da+ er mir durc seine

Beleidigung über ihn gab. Z. B. der Dieb, mact @c seine+ Eigenthum+

verlu#igt. Der Mörder hätte dürfen von mir umgebract werden, ehe er

seine Ab@ct au+führte, die Gese§¥aft übt also mein Rect über ihn au+.

9) Da+ morali¥e Gese{ giebt mir nict a§ein die Vor¥rift wie ic andere

behandeln so§, sondern auc wie ic mic von andern so§ behandeln la<en,

e+ verbietet mir so wohl, den Mi+brauc anderer Men¥en, al+ die Erdul-

dung de>elben, die Wegwerfung meiner Selb#.

10) E+ i# mir daher eben so wohl befohlen kein Unrect zu leiden al+ keine+ zu

thun, aber er#ere+ i# mir a§ein ohne Hülfe zwar im Vorsa{ aber nict in

Page 30: Kant Briefwechsel Marcus Herz

- 30 -

der Au+führung möglic, und dadurc i# mir und a§en Men¥en die Auf-

gabe gemact, ein Mittel zu |nden durc welce+ meine phy@¥en Kräfte

meinen morali¥en Forderungen gleic würden. Hierau+ entspringt der

morali¥e Trieb und die Verbindlickeit zur Gese§igkeit.

11) Durc die Gese§¥aft wird nun da+ Erlaubte zum Rect. und die Über-

trettung der Sittengese{e zum Verbrecen. Nur nac der Entwi%lung der

Recte, läße @c die Verbrecen rictig ihrer Größe nac be#imen. [308]

12) Die Gese§¥aft in so fern @e den Scu{ der Recte und die Be#ra>ung der

Verbrecen zur Hauptab@ct hat hei# bürgerlice Gese§¥a>t. Sie i# daher

nict bloß nüzlic sondern heilig.

13) Veractung und Zer#örung der bürgerlicen Gese§¥aft Hocverrath i# da-

her da+ größte Verbrecen, und seine Strafe darf durc keine andere irgend

eine+ Verbrecen+ übertro>en werden.

Ic bleibe hier #ehen weil ic einige Anmerkungen über diese 13 Sä{e

beyfügen wi§. Die Ordnung in der ic @e #e§te mag wohl nict die be#e seyn, aber ic

folgte meinen Ideengang der immer halb analyti¥ und halb syntheti¥ i#. Dann

macte e+ mir auc einige Mühe aufrictig zu seyn, weil ic hier ¥on den Anfang

eine+ Aufsa{e+ meine+ Freunde+ über die Prin$ipien de+ Naturrect+ la+, worinnen

ic mance Begri> viel be<er entwi%elt und au+gedrü%t fand, al+ @e bey mir waren da

ic mit Klein sprac, und ic Ihnen doc unsere gemein¥aftlicen Grundsa{e vorlegen

wo§te. Der 13 Sa{ gehört auc eigentlic nict mehr hinzu aber ic fügte ihn bey, weil

er mir eine Be#ättigung meiner Liebling+-Hypothese ¥eint, daß die Men¥en nie

etwa+ hervorbracten, glaubten liebten oder verab¥eueten wo zu @c nict eine Ver-

anla<ung in den edlern Theil ihrer Natur |ndet. Ihre Verirrungen kommen imer

daher daß @e ihre eigenen Ge¥öpfe für ihre Götter ansehen. Ic #e§e mir die Sace

so vor. Bey der Philosophie (worunter ic hier a§e+ ver#ehe wa+ @c auf da+ mo-

rali¥e Intere<e der Men¥en bezieht, auc die Theologie) i# e+ nict wie mit andern

Wi<en¥aften und Kün#e, deren Sto>e @c nur nac und nac darbieten deren Be-

obactung oft Werkzeuge erfordert, sondern a§er Sto> der Philosophie war von je her

dem Men¥en ganz gegeben, und von seiner Kraft und Wi§en hieng e+ ab, wie viel er

zum klaren oder deutlicen Bewußtseyn davon bracte. Für den de<en reine Moralität

ihn fähig macte in @c zu kehren, waren diese Kenntniße, da+ wa+ @e @nd, Entdekun-

Page 31: Kant Briefwechsel Marcus Herz

- 31 -

gen de+ edlern Theil de+ Men¥en, und keine außer un+ hypo#a@rte Ideale, aber für

den der diese Entde%ungen nict selb# macte, waren @e etwa+ daß der Erkenntniß die

einen obje$tiven Sto> fordert, ganz analog war, und @e se{ten einen erdicteten obje$-

tiven Sto> vorau+, ja selb# die er#en Entde%er konnten, da @e oft ¥on in Rük@ct

anderer Erkenntniße zu dieser Verfahrung+art gewöhnt waren, endlic selb# in Rü%-

@ct auf ihre eigene Lehren in diesen Irrthum verfa§en. War nun einmal [einmal] ein

Hypo#a-[309]@rti+ Ideal angenomen, so wurde e+ da ihm kein Obje$t $orrespondirte

und doc jeder eine neue Entde%ung daran macen wo§te, zum Phantom, und in dieser

Ge#alt blieb e+ den Scarf@ctigen und Bo+haften nict mehr heilig genug um nict

zu betrügeri¥en Ab@cten gebrauct zu werden. Ein gleice+ Sciksaal hatte auc der

Begri> von Hocverrath und seine gerecte#e Be#ra>ung die Act+erklärung.

Gleice+ Sciksaal werden a§e philosophi¥e Kenntni<e noc immer haben,

biß @c die Men¥en an dem behutsamen Gei# de+ philosophiren+ a§gemein gewöh-

nen, den Sie ihnen zeigten. Ic weiß nict ob ic mic deutlic über meine lezte Mei-

nung au+drü%en konnte, ic zwei³e selb# daran, aber ic ho>e daß Ihre Erinnerung

mir dazu verhelfen werden.

Leben Sie noc lange wohl

Ihr

Sie innig# verehrender

Jo. Benj. Erh.

N. S. Meine Addreße i# an HE. Franz Paul Baron von Herbert in Clagenfurth.

Page 32: Kant Briefwechsel Marcus Herz

- 32 -

[389-394]

548 [515].

Von Salomon Maimon.

Berlin 30 Nov.

1792:

Würdig#er Mann!

Ob¥on ic auf meine lezte zwei Briefe keine Antwort von Ihnen erhalten

habe, so so§ diese+ mic doc nict abhalten, jezt da ic bloß Bel ehrung von Ihnen

erwarte, die Feder auf+ neue zu ergrei>en. Denn au<erdem daß Ihr Verfahren

hierinn @c durc Ihr ehrwürdige+ der Welt so ¥äzbare+ Alter, und Ihren überhauf-

ten wictigen Ge¥äften, Ihre un#erblicen Arbeiten, der kriti¥en Forderungen ge-

mäß, zu vo§enden [erklärt], so vermuthe ic noc eine Art de+ Mi+fa l l en+ an

mein[em] Verfahren, die ic mir er# jezt begrei³ic macen kann.

Der er#e Brief betraf die von mir ange#e§te Vergleicung zwi¥en

Ba%on+ und Ihren un#erblicen Bemühungen um die Reformat ion der Wis -

s en scaf t en . Ic g laube nict nur, sondern bin vö§ig überzeugt , daß ic hierinn

unpar te i sc verfahren bin; ob¥on diese Vergleicung selb# in mancer Rü%@ct,

genauer und au+ führ l icer hätte ange#e§t werden konnen. Ic bemerke darinn

daß beide Methoden zwar an @c einander entgegenge se zt , daß aber beide zur

Voll#ändigkeit unsrer wi<en¥aftlicen Erkenntniß unentbehr l ic @nd. Die Eine

nähert @c immer, durc eine imer [390] vo l l#änd ig ere Indukz ion zu den

durcgängig be#immten nothwendigen und a§gemeingültigen Prinzipien, ohne @c

Hofnung zu macen @e auf diesem Wege, vö§ig zu erreicen.

Die Andere suct diese Prinzipien in der ursprünglicen Einrictung unsre+

Erkenntni+vermögen+, und #e§et @e zum künftigen Gebrauc auf; gleicfal+ ohne @c

Hofnung zu macen, diesen Gebrauc bi+ auf empyri¥en Objekten (al+ solcen)

au+zudehnen.

Die kriti¥e Philosophie i#, meiner Ueberzeugung nac (H . Re inho ld

mag sagen wa+ er wi§) durc Sie, so wohl al+ eine re ine Wi s s en scaf t an @c, al+

eine angewendte Wis s en scaf t (wie weit @c ihr Gebrauc er#re%et) ¥on

vo l l end t .

Page 33: Kant Briefwechsel Marcus Herz

- 33 -

Die Methode der Indukzion hingegen wird, bei a§ ihre Wictigkeit im

prakti¥en Gebrauc nie al+ Wi<en¥aft vo§endt werden.

In meinem zweiten Brief au<erte ic ein Mi+fa§en an da+ Verfahren de+

H. Pr. Re inho ld . Dieser ¥arf@nnige Philosoph suct übera§ zu zeigen, daß Ihre

Prinzipien nict durcgäng ig be#immt und vö l l ig entwi%e l t @nd, und muß

@c durc seine Bemühungen diesem vermeinten Mangel abzuhelfen, im be#änd igen

Zirk e l herumdrehen.

Sein Saz de+ Bewu#seyn+ sezt ¥on Ihre Dedukzion vorau+, kann

folglic nict al+ ein ur sprüng l ice+ Faktum unsere+ Erkenntni+vermögen+, die-

ser Dedukzion zum Grunde gelegt werden; wie ic diese+ (Magazin zur Erfah-

rung+seelenkunde 9 Band. 3. Stü%) gezeigt habe. Auc jezt da ic den zweiten Theil

seiner Briefe gelesen habe, bemerke ic, daß sein Begrif von dem fre ien Wil len auf

da+ a§erunerklärbar#e Indete rmin i+mu+ führe.

Sie sezen die Fre ihe i t de+ Wil len+ in der hypotheti¥ angenommene

Kau sa l i t ä t d er Vernunft . Nac ihm hingegen wäre die Kausa l i tä t der Ver -

nun f t an @c Naturnothwend ig k e i t . Er erklärt daher den fre i en Wil len al+

„ein Vermögen der Person @c selb#, in Rü%@ct auf die Befriedigung oder

Nictbefriedigung de+ eigennüzigen Trieb+, der Forderung de+ Uneigennüzigen g e -

mäß oder derselben zuwider zu be#immen." Ohne @c um den Be#immung+ -

grund im Mind#n zu bekümmern. Aber ic wi§ Sie hiemit nict länger aufhalten.

Mein jeziger Wun¥ gehet bloß dahin, eine Be l ehrung von Ihnen zu er-

halten, über den wictigen Punkt ihrer tran+zendenta len [391] Ae#ät i k , näm-

lic über die Dedukzion der Vor#e§ungen von Zeit und Raum. A§e+ wa+ Sie darinn

gegen die dogmat i sce Vor#e§ung+art anführen, hat mic vö§ig überzeugt. E+ kann

aber, wie ic dafür halte, noc eine s k ept i sce , @c auf psycologi¥en Gründen

#üzende Vor#e§ung+art gedact werden, die auc von der Ihrigen in etwa+ abweict,

ob¥on die darau+ zu ziehenden Re su l ta te vieleict von den Ihrigen nict

ver¥ieden seyn möcten.

Nac Ihnen @nd die Vor#e§ungen von Zeit und Raum Formen der

Sinnl icke i t d. h. nothwendige Bedingungen von der Art wie @nnlice Objekte in

un+ vorge#e§t werden.

Page 34: Kant Briefwechsel Marcus Herz

- 34 -

Ic behaupte hingegegen (au+ psycologi¥en Gründen) daß diese+ nict

a l lg eme in wahr sey. Die einartigen @nnlicen Objekte werden von un+ unmittelbar

weder in Zeit noc in Raum vorge#e§t. Diese+ kann nur mit te l bar durc Verglei-

cung derselben mit den ver sc ied enart igen Objekten, mit welcen @e eben durc

Zeit und Raum verknüpft @nd, ge¥ehen. Zeit und Raum @nd also keine Formen der

Sinnl icke i t an s ic , sondern bloß ihrer Ver sciedenhe i t . Die Er¥einung

de+ Rothen oder de+ Grünen an @c wird, so wenig al+ irgend ein Ver#and+begrif an

@c, in Zeit oder Raum vorge#e§t. Dahingegen da+ Rothe und da+ Grüne mit einan-

der vergliecn, und in einer unmit te lbarn Koexi#enz oder Sukze@on auf einander

bezogen, nict ander+ al+ in Zeit und Raum vorge#e§t werden können.

Zeit und Raum @nd also keine Vor#e§ungen von den Be¥a>enheiten und

Verhältni<en der Dinge an @c, wie ¥on die kr i t i sce Philosophie gegen die dog -

mat i sce bewießen hat. Sie @nd aber eben so wenig Bedingungen von der Art wie

s innl ice Obje k te an s ic vor ihrer Vergleicung unter einander in un+

vorge#e§t werden, wie ic ¥on bemerkt habe. Wa+ @nd @e also? Sie @nd Bed in -

gungen von der Mögl icke i t e iner Vergl e icung zwi scen den s inn l i -

cen Obje k t en , d. h. eine+ Urtheil+ über ihr Verhältniß zu einander. Ic wi§ mic

hierüber näher erklären.

1.) Ver¥iedene Vor#e§ungen können nict zu gleicer Zeit (in eben dem-

selben Zeitpunkt) in eben demselben Subjekt koexi#irn.

2.) Ein jede+ Urtheil über da+ Verhältniß der Objekte zu einander sezt die

Vor#e§ung eine+ jeden an @c im Gemüthe vorau+. Diese+ vorau+ge¥i%t, so ergiebt

@c diese wictige Frage: wie i# e in Urthe i l über e in Verhä l tn iß der Ob-

j e k t e zu e inander mög l ic? [392] Ic nehme diese+ an @c so evidente Urtheil

z . B. da+ Rothe i# vom Grünen ver scieden . Diesem müßte die Vor#el-

lung de+ Rothen und de+ Grünen an @c im Gemüthe vorau+ gehen. Da aber diese

Vor#e§ungen in eben demselben Zeitpunkt, in eben demselben Subjekt einander

au+¥ließen, und da+ Urtheil @c doc auf beide zugleic bezieht und beide im

Bewu#seyn vereinigt, so kann die Möglickeit de<elben auf keinerlei Weiße begrei³ic

gemact werden. Die Zu³uct die einige Psycologen hier zu den zurü%ge laßenen

Spuren nehmen, kann zu nict+ helfen. Denn die zurü%gelaßenen Spuren

Page 35: Kant Briefwechsel Marcus Herz

- 35 -

ver¥iedener Vor#e§ungen konnen eben so wenig al+ diese Vor#e§ungen selb# (wenn

@e nict in eine einzige zusammen³ießen so§en) zugleic im Gemüthe #at |nden.

Diese+ Urtheil i# also nur durc die Vor#e§ung einer Ze it fo lge möglic.

Ze it fo lge i# ¥on an @c ohne Beziehung auf die darinn vorge#e§ten

Objekten, eine E inhe i t im Manig fa l t igen . Der vorhergehende Zeitpunkt i#,

a l+ e in so lcer , vom Folgenden unter sc ied en . Sie @nd also nict analyt i sc

e iner le i , und doc konnen @e nict ohne einander vorge#e§t werden; d. h. @e macen

zusammen eine synthet i sce E inhe i t au+. Die Vor#e§ung einer Zeitfolge i# also

eine nothwendige Bedingung, nict von der Möglickeit der (wenn auc @nnlicen)

Obje k t en an s ic , sondern der Möglickeit e ine+ Urthe i l + über ih re Ver -

sc iedenhe i t , welce ohne Zeitfolge kein Gegen#and unsrer Erkenntniß seyn kann.

Von der andern Seite aber i# widerum die ob je k t ive Ver sc iedenhe i t

eine Bedingung von der Möglickeit einer Ze i t fo lge , nict bloß al+ Gegen#and

unsrer Erkenntniß, sondern auc al+ Objekt der An¥auung an @c (indem Zeitfolge

nur dadurc daß @e Gegen#and unsrer Erkenntniß wird, an @c vor#e§bar i#). Die

Form der Ver sciedenhe i t (wie auc die ob je k t ive Ver sc ied enhe i t s e l b#)

und die Vor#e§ung einer Ze it f o lg e #ehen also in einer wecselseitigen Verhältniß

zu einander. Wäre da+ Rothe nict vom Grünen, al+ Er¥einung an @c, v er sc ie -

den , so konnten @e von un+ nict in einer Ze i t f o lge vorge#e§t werden. Hätten wir

aber nict die Vor#e§ung einer Ze it fo lg e , so konnten immer da+ Rothe und da+

Grüne ver¥iedene Objekte der An¥auung se yn , wir konnten aber @e nict, al+

solce, er kennen . [393]

Eben diese+ Verhältniß |ndt auc #at zwi¥en der Form der Ver scie -

denhe i t und der Vor#e§ung de+ Aus se re inander s eyn+ im Raume. Diese kann

ohne daß jene in den Objekten anzutre>en i#, nict #at |nden. Iene i# ohne diese für

un+ nict e r k ennbar .

Die Ver¥iedenheit der au s s er en Er¥einungen wird nur al+dann in

Zeit vorge#e§t, wenn @e in Raum nict vorge#e§t wird, und so auc umgekehrt. Eine

und eben dieselbe @nnlice Sub#anz (dieser Baum z. B.) wird nict im Raume, son-

dern in der Zeit, al+ von s ic s e lb# ver scieden (verändert) vorge#e§t.

Ver¥iedene @nnlice Sub#anzn werden a l+ so lce nict in der Zeit (indem da+

Page 36: Kant Briefwechsel Marcus Herz

- 36 -

Urtheil über ihre Ver¥iedenheit @e in eben demselben Zeitpunkt zusammenfa>t) son-

dern im Raume vorge#e§t.

Die Form der Zeit kömmt also nict a§en Objektn der au<ern An¥auung

ohne Unter¥eid zu, sondern nur solcen die nict in Raum vorge#e§t werden, und so

auc umgekehrt, die Form de+ Raum+ kömmt nur denjenigen au<ern Objekten zu die

nict in Zeit (in einer Ze i t fo lge , denn da+ Zugleicseyn i#, wie ic dafür halte, keine

po s i t ive Zeitbe#immung, sondern bloß Verne inung e iner Ze i t fo lge ) vorge-

#e§t werden

Diese Betractungen gränzen an meiner Erörterung der tran+zenden -

ta l l en Tau scungen (philosophi¥e+ Wörterbuc Art. Fi k z ion .) deren Beurthei-

lung ic von Ihnen mit dem grö#en Verlangen erwarte, womit ic Sie aber hier nict

länger aufhalten wi§.

Würdig#er Mann! Da die von Ihnen zu erwartende Beantwortung diese+

Screiben[+] mir von der au<er#en Wictigkeit i#, indem @e mir die s k ept i scen

Hinderni s s e im Fort¥ritt de+ Denken+ benehmen, und eine be#imte Rictung

ver¥a>en wird; da ic mein ganze+ Leben bloß der Erfor¥ung der Wahrheit widme,

und so§te ic auc zuweilen auf Abwege gerathen, so @nd doc wenig#en+ meine Fehler

einer Zurectweißung werth; so bitte ic Sie ergeben#, ja ic be¥wöre Sie bei der

He i l ig ke i t Ihrer Mora l mir diese Beantwortung nict zu verweigern. In deren

Erwartung ic verbleibe mit den Ge@nnungen der grö#en Hocactung und innig#n

Freund¥aft

Ihr Ergeben#er

Salomon Maimon [394]

P. S. So§te Ihre Beantwortung auc nict au+führlic ge¥ehen, so @nd mir doc ei-

nige Fingerzeige von Ihnen wictig genug.

Ihr Brief kann gradezu an mic adres@rt werden.

Page 37: Kant Briefwechsel Marcus Herz

- 37 -

[448-450]

589 [555].

Von Georg Wilhelm Bartoldy.

Berlin den 18ten September 1793.

Höc#zuverehrender Herr Profe<or!

Mein Freund, Herr Salomo Maimon, hielt e+ für seine P³ict, Ihnen ein

Exemplar von der mit seinen Anmerkungen herau+gekommenen, von mir besorgten,

Überse{ung de+ Neuen Organon zuzu¥i%en. Da er aber von der einen Seite glaubte,

daß er selb# in einem Briefe an Sie @c nict de+ Polemi@ren+ würde gänzlic enthal-

ten können, und von der andern zu viel Actung für Ihre Ge¥äfte und für Ihr hohe+

Alter hat, um Sie mit Einwürfen behe§igen zu wo§en, die er vielleict bei weiterem

For¥en selb# für nictig erklären wird; so hat er mir den Auftrag zur Übersendung

dieser Scrift und zur Ver@cerung seiner fortdauernden innig#en Hocactung gegen

Sie gegeben. Für mic war derselbe de#o angenehmer, da er mir die läng# gewün¥te

Gelegenheit darbietet, Ihnen den herzlic#en Dank für die Verdien#e [449] zu bezeu-

gen, welce Sie @c auc um meine morali¥e und inte§e$tue§e Bildung erworben

haben. Arbeiten de+ Gei#e+ haben keinen süßeren Lohn, al+ die Überzeugung, selb#

errungene Grundsä{e in fremden Gei#ern keimen zu sehn, dadurc einen neuen Ver-

muthung+grund für ihre A§gemeingültigkeit und für ihre ewige Wirksamkeit unter

unserm Ge¥lecte zu erhalten, und @c auf diese Weise der edel#en Art von

Un#erblickeit zu ver@cern. Oft habe ic mic seit einigen Jahren darüber gefreuet,

daß Ihnen dieser Lohn in immer höherem Maße zu Theil wird, und ic wün¥e von

ganzer Seele, daß Sie noc viele Jahre unter un+ zubringen möcten, um immer meh-

rere von den segenvo§en Frücten der Reife nahen zu sehn, die ic von der a§gemeinen

Annahme Ihre+ Sy#em+ für die Men¥heit erwarte. Diese Erwartung i# bei mir so

uner¥ütterlic, daß ic, seitdem ic mit dem Gei#e de>elben vertraut zu seyn glaube,

e+ mir zu dem höc#en Zwe% meine+ Leben+ gemact habe, a§e meine Kräfte zur

a§gemeineren Verbreitung eine+ Lehrgebäude+ zu verwenden, in welcen ic endlic

die Beruhigung gefunden habe, die ic bei den übrigen so ganz vergeben+ sucte, daß

ic, vor dem Lesen der Kritik der reinen Vernunft, im Begri>e war, neue Gründe für

den dogmati¥en S$epti$i+m aufzusucen, den ic noc für da+ haltbar#e der

bi+herigen Sy#eme hielt, und den Streit zwi¥en der spe$ulativen und prakti¥en

Page 38: Kant Briefwechsel Marcus Herz

- 38 -

Vernunft für einen gordi¥en Knoten zu erklären, der wohl zerhauen, aber nict gelö-

set werden könnte. Vielleict hat mic aber mein Eifer für da+ Sy#em im Ganzen in

die Gefahr gese{t, hie und da in dem Einzelnen etwa+ zu übersehen oder mißzu-

ver#ehen, und so wider Wi§en Irrthum verbreiten zu helfen. Von dieser Besorgniß

bin ic nict gänzlic frei, ob ic mir gleic die Gerectigkeit wiederfahren la<en muß,

daß ic nict+ nieder¥rieb, wa+ ic nict nac meinem Vermögen durcdact, und wo-

von ic mic nict vö§ig überzeugt gefunden hätte. Und hierin liegt die Ent¥uldigung

der Freiheit, die ic mir nehme, Maimon+ Auftrag zu über¥reiten, indem ic Ihnen,

außer Ba$on’+ Organon, zugleic sec+ Stü%e von dem Journal für Gemeingei#

über¥i%e, in welcem ic den Versuc gemact habe, einige Sä{e der prakti¥en Phi-

losophie zu populari@ren. So§ten Sie einmahl Zeit und Lu# haben, meine Abhand-

lungen über Wesen und Au+dehnung de+ Gemeingei#e+, und über die Märtyrer, so

wie meine Fragmente von Alminar und Cesario durczulesen; so würden diese, zu-

sammengenommen mit meiner Vorrede [450] zum Ba$o, Ihnen leict zeigen können,

in wie fern ic mit dem Gei#e Ihre+ Sy#em+ vertraut bin, oder wo ic etwa densel-

ben verfehlt haben könnte, und Sie würden mic unendlic verbinden, wenn Sie mic

durc einen Wink zurectweisen wo§ten, vorau+gese{t, daß Sie nict weitläuftige Er-

klärungen nöthig |nden, die ic nict mit gutem Gewi<en von Ihnen verlangen kann,

da Sie die übrige Zeit Ihre+ Leben+ noc zu vielen, nict für ein Individuum, sondern

für da+ ganze men¥lice Ge¥lect wictigen, Arbeiten benu{en können. Sie werden

au+ der Vorliebe für die prakti¥e Philosophie, die in meinen Arbeiten @ctbar i#,

weil ic die Bearbeitung und Verbreitung derselben für ein höc# dringende+ Be-

dürfni+ unser+ Zeitalter+ halte, leict die Sehnsuct abnehmen können, womit ic Ihre

Metaphy s i k d er Sit t en erwarte, deren Vollendung, wie mic Herr Ficte bei sei-

ner Durcreise ver@certe, nict mehr fern seyn so§.

Verzeihen Sie der ungemeinen Actung für Sie, wovon ic seit den le{ten

sec+ Iahren, daß ic mic mit der kriti¥en Philosophie be¥äftige, #et+ durcdrungen

gewesen bin, die Miene von alter Bekannt¥aft, und fa# fürcte ic von Zudring-

lickeit, die ic in meinem Briefe |nde, da ic ihn je{t überlese! Halten Sie e+ eben

dieser Emp|ndung zu Gute, daß ic einem Manne, de<en überwiegenden Werth ic oft

im Sti§en bewundere, keine wortreicen Complimente mace, und seyn Sie überzeugt,

Page 39: Kant Briefwechsel Marcus Herz

- 39 -

daß die lange und glü%lice Fortdauer Ihrer hie@gen Exi#enz einer der wärm#en und

innig#en Wün¥e i# bei

Ihrem

treuen Verehrer

George Wilhelm Bartoldy, wohnhaft in

der Kur+ra<e im Durieux¥en Hause.

Page 40: Kant Briefwechsel Marcus Herz

- 40 -

[470f.]

606 [572].

Von Salomon Maimon.

2. De$. 1793.

Durcdrungen von der Ihnen ¥uldigen Hocactung und Ehrerbittung, die

ic nie au+ den Augen gelaßen habe, und mir meiner un¥i%licen Zudringlickeit

bewu#, konnte ic doc nict umhin, mir die+mal die Freiheit zu nehmen, an Sie zu

¥reiben, und Ihnen beiliegende+ Exemplar einer kleinen Scrift zur Beurtheilung zu

über¥i%en.

Durc Sie, würdiger Mann! überzeugt, daß a§en unsern Erkenntni<en eine

Kritik de+ Erkenntni+vermögen+ vorhergehen muß, müßte e+ mic nict wenig befrem-

den, daß seit der Er¥einung dieser Kritik, und einiger Versuce besondere Wi<en¥af-

ten den Forderungen dieser Kritik gemäß zu bearbeiten, keine Logik den Forderungen

einer solcen [471] Kritik gemäß, bearbeitet, zum Vor¥ein gekommen i#. Meiner

Ueberzeugung nac, kann @c selb# die Logik, al+ Wi<en¥aft, der Kritik nict ent-

ziehen. Die a l lgeme ine Logik muß zwar von der Tran+zendenta len getrennt,

aber mit Rü%@ct auf diese, bearbeitet werden.

Ic glaube in dieser kleinen Scrift die Nothwendigkeit und Wictigkeit ei-

ner solcen Behandlung der Logik genugsam gezeigt zu haben.

Die Logik i#, meiner Ueberzeugung nac, nict bloß einer Ber ict igung ,

sondern auc einer Erwe i t erung und sy#emat i scen Ordnung fähig. Beric-

tigt wird die Logik dadurc, daß man die logi¥en Formen nict (wie e+ vermuthlic

die er#en Logiker, selb# Ari#otele+ nict au+genommen, gethan haben) von ihrem Ge-

brauce ab#rah ir t , wodurc ihnen etwa+ Fremdartige+ noc immer anklebt, sondern

vielmehr durc Ref le x ion über da+ Erkenntni+vermögen, zu be#immen und vo§zäh-

lig zu macen suct. Erwe i t er t kann @e dadurc werden, daß man Methoden angiebt,

a§e möglice zusammengesezten in die einfacen Formen aufzulößen. Die s y#ema-

t i sce Ordnung aber kann @e dadurc erhalten, daß man die sogenannten Operatio-

nen de+ Denken+ und die logi¥en Formen nict i so l ir t , sondern nac ihrer wecsel-

seitigen Abhäng ig k e i t von einander abhandelt. Diese+ würde einen logi¥en

Stammbaum abgeben, den man mit Rect, Baum der Erkenntniß nennen

konnte.

Page 41: Kant Briefwechsel Marcus Herz

- 41 -

Ic bin jezt damit be¥äftigt, eine Logik dieser Idee gemäß, au+zuarbeiten;

werde mic also glü%lic ¥äzen, wenn ic Ihre Meinung, so wohl über den Plan, al+

über die [die] möglice Au+führbarkeit de<elben erhalten, und zum Rict¥nur meiner

Arbeit macen konnte. In Erwartung de<en verbleibe ic wie immer mit a§er

Hocactung und innig#en Freund¥aft

Ew. Wohlgeborn

Berl in Ergeben#er Diener

2 ten Dezember S. Maimon

1793

Page 42: Kant Briefwechsel Marcus Herz

- 42 -

[483f.]

613 [579].

Von Carl Friedric Fi¥er.

25. De$. 1793.

Wohlgeborner HE.

Hoc#geerte#er HE Profe<or!

Nict mir sondern meinem Verleger Oemigke mü<en Ewr Wohlgeboren e+

zu¥reiben, daß die Ankündigung der neuen Au³age Ihrer Disputation eher er¥ien

al+ ic von Ewr Wohlgeboren die scr i f t l ice Erlaubniß dazu erhalten hatte.

Sobald nemlic HE Friedlaender mir die Ver@crung ertheilt hatte daß Sie meine

gehorsam#e Bitte erfü§en wolten, so eilte Oemigke dem Publico e+ zu verkündigen, um

dadurc zuvorzukommen daß nict ein Andrer, vielleic gänzlic ohne Ihr Wi<en, wie

e+ der Fa§ bei Ihren kleinen Scriften war, ein Wer% an @c ri<e, welce+ da+

gelehrte Publi%um mit Sehnsuct erwartet. _ Aber di+ habe ic verhindert, daß auc

nict eine Zeile abgedru%t werden solte, bi+ ic Ihre eigenhändige Einwi§igung dazu

erhalten hätte. _ Da Ewr Wohlgeboren au+ Gründen, die ic verehren muß, diese

mir verweigert haben, so kann die Ankündigung für nictig angesehen werden. _

ic hatte ¥on mit meinem Freunde HE Bartholdy, den kommenden Som-

mer, wo wir gemein¥aftlic einen Garten beziehen werden, dazu be#imt, die

Di+putation zu übersezzen und mit Anmerkungen zu begleiten, welce die Momente

de+ Unter¥iede+ der ehemaligen und gegenwartigen Dar#e§ung der Resultate der

kriti¥en Philosophie enthalten solten, wozu HE Maimon Beyträge un+ liefern wolte;

_ wir sahen dieser Arbeit mit Entzü%en entgegen, _ und nun i# unsre Hofnung

vereitelt; ein Verdruß der un+ tief kränkt, und über den wir nur un+ beruhigen kön-

nen, wenn Ew Wohlgeboren @c dieser Arbeit selb# unterziehen, oder ge¥i%tern Hän-

den @e anvertrauen wo§en. _ Di+ i# e+, worum ic Sie im Namen de+ Sie und Ihre

Philosophie ehrenden Publikum+ in#ändig# bitte.

Da+ gütige Urtheil welce+ Ew Wohlgeboren über meine Abhandlung ge-

fält haben, wird mic gewiß mit noc mehrern Eifer beleben, die [484] dunkeln Wege

der kriti¥en [Philosophie] mit de#o mehr Sorgfalt zu wandeln, um, wenn nac meh-

rern Jahren ic e+ wage al+ Ihr Commentator aufzutreten, die Lükken au+gefült zu

sehen, welce ic je{t ¥on in ihr entde%te.

Page 43: Kant Briefwechsel Marcus Herz

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Befreien Sie mic nur bald von dem mic äußer# beunruhigenden Gedan-

ken, den Unwi§en eine+ Manne+ erregt zu haben, de<en Wohlwo§en zu be@zzen mein

höc#er Wun¥ immer war; oder zeigen Sie mir be#imt einen Weg auf dem ic da+

welce+ diesen Unwi§en erregte, auf eine Art vernicten kann, wo meine Ehre vor dem

Publiko nict compromittirt wird.

In der ¥meicelhaften Hofnung diese Bitte bald erfü§t zu sehen verharre

ic hocactung+vo§

Ew Wohlgeboren

Berlin gehorsam#er Diener

den 25 Xbr 93. Fischer

Page 44: Kant Briefwechsel Marcus Herz

- 44 -

[494-496]

620 [585].

An Carl Leonhard Reinhold.

28. März 1794.

Verehrung+würdiger Herr

Theure#er Freund!

Mit dem herzlicen Wun¥e, daß Ihre Ent¥ließung, den Pla{ der Ver-

breitung Ihrer gründlicen Ein@cten zu verändern, Ihnen selb# eben so ersprie+lic

und für a§e Ihre Wün¥e so befriedigend seyn möge, al+ @e gewiß denen seyn wird, zu

welcen Sie übergehen, verbinde ic noc denjenigen, auc mit mir nict unzufrieden zu

seyn, obzwar ic dazu, dem An¥ein nac, Ursace gegeben habe; wegen Nicterfü§ung

meine+ Versprecen+, die Aufforderung betre>end, Ihre vortre³ice mir angezeigte

Briefe, vornehmlic die Prin$ipien de+ Naturrect+ angehend (al+ mit denen ic im

Wesentlicen mit Ihnen überein#imme) durczugehen und Ihnen mein Urtheil dar-

über zu eröfnen. Daß diese+ nun nict ge¥ehen i#, daran i# nict+ geringere+ Sculd,

al+ mein Unvermögen! _ Da+ Alter hat in mir, seit etwa+ mehr al+ drey Iahren,

nict etwa eine sonderlice Veränderung im Mecani¥en meiner Gesundheit, noc auc

eine große (doc merklice) Ab#ufung der Gemüth+kräfte, den Gang meine+ Nacden-

ken+, den ic einmal nac einem gefaßten Plane einge¥lagen, fortzuse{en, sondern

vornehmlic eine mir nict wohl erklärlice Scwierigkeit bewir%t, mic in die Verket-

tung der Gedanken e ine+ Anderen hineinzudenken und so de<en Sy#em bey bey-

den Enden gefa>t r e i f l ic beurtheilen zu können, (denn mit a§gemeinem Beyfa§

oder Tadel i# doc Niemanden gedient). Die+ i# auc die Ursace, we+wegen ic wohl

a§enfa§+ [495] Abhandlungen au+ meinem eigenen Fond+ herau+spinnen kann: wa+

aber z. B. ein Maimon mit seiner Nacbe s s erung der $riti¥en Philosophie (der-

gleicen die Juden gerne versucen, um @c auf fremde Ko#en ein Ansehen von Wic-

tigkeit zu geben) eigentlic wo§e, nie rect habe fa<en können und de<en Zurectwei-

sung ic Anderen überla<en muß. _ Daß aber auc an diesem Mangel körperlice

Ursacen ¥uld seyn, ¥ließe ic darau+: daß er @c von einer Zeit her datirt vor etwa+

mehr al+ drey Jahren da ein Wocenlang anhaltender Scnuppen eine ¥leimigte Ma-

terie verrieth, die, nacdem jener aufgehört hat, @c nun auf die zum Haupt führende

Gefäße geworfen zu haben ¥eint, de<en #ärkere Absonderung, durc da<elbe Organ,

Page 45: Kant Briefwechsel Marcus Herz

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wenn ein glü%lice+ Niesen vorher geht, mic so gleic aufklärt, bald darauf aber durc

seine Anhäufung wiederum Umneblung eintreten läßt. Son# bin ic für einen 70 jäh-

rigen ziemlic gesund. _ Die+ Bekenntni+, welce+, einem Arzt gethan, ohne Nu{en

seyn würde, weil er wieder die Folgen de+ Alter+ nict helfen kann, wird mir ho>ent-

lic in Ihrem Urtheile über meine wahrhaftig freund¥aftlic-ergebene Ge@nnung den

gewün¥ten Dien# thun,

Und nun noc etwa+ von unseren Freunden. _ Wa+ i# au+ unserem ge-

mein¥aftlicen Freunde, D. Erhard au+ Nürnberg, geworden? Denn ohne Zweifel

wird Ihnen nict a§ein sein Abentheuer sondern, woran mir vornehmlic gelegen i#

e+ zu erfahren, vermuthlic auc der Au+gang de>elben bekannt geworden seyn. _ In

der Mitte de+ Februar+ erhielt ic einen Brief dd. Wür{burg den 31 Januar. 94 von

einem (mir son# unbekannten) Hrn. Baur, de+ dortigen Stift+ Vikar, welcer der

Hauptsace nac folgende+ enthielt: Daß ein gewi<er @c Williams nennender Englän-

der im Octobr. 93 @c in Nürnberg bey Hr. Erhard eingefunden und von diesem,

sammt seiner Frau und Scwe#er, (beyde+ ¥önen Weibern) in sein Hau+, unter dem

Vorwande da+ Engli¥e von ihnen zu pro|tiren, aufgenommen worden: Daß D. E. so

viel Zutrauen auf jene+ seine vorgezeigte Dokumente bewiesen, ihm auf einen Wecsel

nac London 2500 ³. zu geben: daß Williams mit Bewi§igung der Ganzen Famil[i]e

dem D. E. eine Regiment+-Ober-cirurgu+-#e§e zu 6000 ³. in Amerikani¥en

Dien#en (vorgeblic) ver¥a>te, und dieser im April 94 Europa zu verla<en und nac

Philadelphia reisen zu wo§en an Hrn Baur den 22 Dec 93 ¥rieb: daß W. eine Reise

auf kurze Zeit vor¥ü{te und den E bewog [496] mitzureisen, da @e dann zusammen

nac Müncen abgiengen: daß 14 Tag nacher der Betrug @c durc einen Brief de+

W. an seinen Bruder in Wien und in welcem er @c Anton Simmon unter¥rieben

hatte, welcer Brief, da le{terer in W—n nict anzutre>en war, o>en nac Nbg

zurü%lief, entde%te: daß der au+ge#e§te Wecsel al+ fal¥ zurük kam: daß endlic, ob-

gleic ihm die nacge¥i%te Stekbriefe auf die Spuhr gekommen, er doc nict hat ein-

geholt werden können und nun seine je{t ¥wangere, dem zweyten Kinde entgegen

sehende Frau und ihre Familie diesen ¥räklicen Vorfa§ beweinen und, da E. in ei-

nem Briefe au+ Sal{burg den 20#en geäußert habe, mic besucen zu wo§en, ic auf-

gefordert werde, so bald ic etwa+ von seinem Aufenthalt erfahre, e+ zu bericten. Herr

Page 46: Kant Briefwechsel Marcus Herz

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Baur glaubt: daß dieser „Philosoph“ durc Verliebung so grob bethört und zu so uner-

hörter Untreue verleitet worden.

Wenn Ihnen Theuer#er Freund etwa+ von dem Au+gang dieser Ge¥icte

bekannt wird, so erbitte mir davon, wie auc von den litteräri¥en Merkwürdigkeiten

Ihre+ je{igen Aufenthalt+ gütige Nacrict, imgleicen ver@cert zu seyn, daß Niemand

mit mehr Hoc- und Werth¥ä{ung Ihnen ergeben seyn kann, al+

Ihr

König+berg treuer Freund und Diener

den 28 Mart. 1794 I Kant