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Universität zu Köln Seminar für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre und Produktionswirtschaft Univ.-Prof. Dr. H. Tempelmeier Kapazitätsplanung in Call Centern Hausarbeit zum Hauptseminar „Advanced Operations Management“ im Fach Produktionswirtschaft SS 2002 Betreuer: Dr. J. Antweiler angefertigt von: Tim Bartel (Matrikelnummer: 3130959) Sudetenstr. 54 50354 Hürth Tel.: (0 22 33) 98 58 58 E-Mail: [email protected]

Kapazitaetsplanung_in_Call-Centern

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Universität zu Köln Seminar für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre und Produktionswirtschaft

Univ.-Prof. Dr. H. Tempelmeier

Kapazitätsplanung in Call Centern

Hausarbeit zum Hauptseminar „Advanced Operations Management“

im Fach Produktionswirtschaft

SS 2002

Betreuer: Dr. J. Antweiler

angefertigt von: Tim Bartel (Matrikelnummer: 3130959)

Sudetenstr. 54 50354 Hürth

Tel.: (0 22 33) 98 58 58 E-Mail: [email protected]

Page 2: Kapazitaetsplanung_in_Call-Centern

I

Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis...........................................................................................................II

1 Einleitung ...................................................................................................................... 1

1.1 Aufgaben und Ziele von Call Centern..................................................................... 1

1.2 Komponenten von Call Centern.............................................................................. 2

1.3 Bedeutung der Kapazitätsplanung in Call Centern .................................................. 4

2 Kundenorientiertes Kapazitätsmanagement .................................................................... 5

2.1 Die Bedeutung des Servicelevels ............................................................................ 5

2.2 Mitarbeiterauslastung vs. Erreichbarkeit ................................................................. 5

2.3 Operative Personalplanung..................................................................................... 7

3 Prognose des Anrufvolumens......................................................................................... 8

3.1 Prognosemodelle .................................................................................................... 8

3.1.1 Zeitreihenmodelle........................................................................................... 8

3.1.2 Kausalmodelle.............................................................................................. 11

3.2 Verteilung des Arbeitsvolumens im Tagesverlauf................................................. 11

4 Personalbedarfsermittlung und Personaleinsatzplanung................................................ 13

4.1 Modellierung eines Call Centers als Warteschlangensystem................................. 13

4.2 Kritik am vorherrschenden Modell ....................................................................... 17

4.3 Schichtplanung und Personenzuweisung .............................................................. 18

5 Ausblick ...................................................................................................................... 20

Literaturverzeichnis ............................................................................................................. 21

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II

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Modellierung eines Call Centers als M/M/C-Warteschlangensystem…..……. 14 Abbildung 2: Geburts- und Sterbeprozess………………………………......………………. 15

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1

1 Einleitung

1.1 Aufgaben und Ziele von Call Centern

„Call Center sind Unternehmensabteilungen oder eigenständige Firmen, die unter Wahrung

von Unternehmens- und Marketingzielen und mit Hilfe modernster Informations- und Tele-

kommunikationstechnik einen serviceorientierten telefonischen Dialog des Unternehmens mit

Kunden, Interessenten und Lieferanten gewährleisten.“1

Man unterscheidet zwischen Inbound Call Centern, die nur extern eingehende Anrufe entge-

gennehmen, Outbound Call Centern, die ausschließlich von sich aus Personen kontaktieren

sowie Call Centern, in denen beide Formen gleichzeitig vorkommen. Die vorliegende Arbeit

beschäftigt sich mit reinen Inbound Call Centern.

Call Center können unterschiedliche Aufgaben erfüllen. Sie dienen zu Informationszwecken

(Produktinformationen, Helpdesks, etc.), Beschwerdemanagement, Auftrags- und Bestellan-

nahme (z.B. Versandhäuser, Ticket Services) oder auch als Notfall-Service (ADAC).

In einer Dienstleistungsgesellschaft reagieren Verbraucher zunehmend negativ auf ein

schlechtes Serviceangebot. Von einem Call Center wird erwartet, dass es einen Anruf inner-

halb einer kurzen Zeitspanne annimmt und ein Mitarbeiter den Anrufer durch fachkundige

Beratung o.ä. zufriedenstellt. Dies sicherzustellen ist die Aufgabe der Kapazitätsplanung in

Call Centern. Bei langen Wartezeiten oder Gesprächen, die den Erwartungen des Kunden

nicht genügen, muss mit dessen Abwanderung zu Mitwettbewerbern gerechnet werden.

1 WIENCKE und KOKE (1997), S. 11

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2

1.2 Komponenten von Call Centern

Die Arbeitsumgebung eines Call Centers ist im Allgemeinen ein Großraumbüro mit vielen

abgeteilten Arbeitsplätzen, an denen die Mitarbeiter (= Agenten) mit Headsets vor Computer-

Terminals sitzen und die Anrufer bedienen.

Im Folgenden werden die grundlegenden Komponenten von Call Centern kurz erläutert. • Agenten

Die Mitarbeiter des Call Centers, die die Telefongespräche mit den Anrufern führen, werden

als Agenten bezeichnet.

• PBX (Private [Automatic] Branch Exchange)

Eine Telekommunikationsanlage – PBX genannt – verbindet via Telefonleitungen das öffent-

liche Telefonnetz mit den Telefonen im Call Center.

• ACD (Automatic Call Distribution)

Zwischen der PBX und den Agenten befindet sich als Kernstück des Call Centers die ACD-

Anlage, die die Aufgabe hat, alle eingehenden Anrufe gleichmäßig auf die verfügbaren Agen-

ten aufzuteilen. Im Regelfall wird die Verteilung nach dem FIFO- („first in first out“) und

dem „longest idle“-Prinzip vorgenommen. Das bedeutet, dass der ankommende Anruf, der als

erster in der Telekommunikationsanlage registriert wurde, an denjenigen Mitarbeiter weiter-

geleitet wird, dessen letztes Gespräch am längsten zurückliegt. Es ist jedoch auch möglich

andere Verteilungsregeln festzulegen (z.B. Unterscheidung nach unterschiedlicher Priorität

der Anrufer, Verteilung bestimmter Rufnummern an bestimmte Mitarbeitergruppen, etc.).

Wenn kein Agent freisteht, um einen ankommen Anruf entgegenzunehmen, leitet die ACD

den Anrufer automatisch an eine Warteschlange (Queue) weiter – hier wird er von einer auf-

gezeichneten Stimme darum gebeten, solange zu warten, bis ein Mitarbeiter frei geworden ist,

der seinen Anruf entgegennehmen kann.

Neben der reinen Anrufverteilung ist eine weitere Aufgabe der ACD-Anlage die Erstellung

umfangreicher Statistiken, aus denen wichtige Kennzahlen gewonnen werden, die sowohl für

die Personalplanung als auch für die Steuerung der optimalen Auslastung eines Call Centers

genutzt werden. So wird beispielsweise die Anzahl der eingehenden, entgegengenommenen

Page 6: Kapazitaetsplanung_in_Call-Centern

3

und abgebrochenen Anrufe gespeichert, die zur Errechnung der Kenngröße „Erreichbarkeit“

dienen. Weiterhin wird die Zeit erfasst, die Anrufer in der Warteschlange auf Weiterleitung zu

einem Agent warten müssen – hieraus kann die Kenngröße „Servicelevel“ abgeleitet werden.

Die Gesamtdauer der einzelnen Anrufe ist abrufbar („Wie lange dauert eine durchschnittliches

Gespräch“) und etliche weitere Daten. Diese werden nicht nur zur nachträglichen Auswertung

genutzt, sondern können in der Regel auch „online“ eingesehen werden, so dass beispielswei-

se den Agenten im Call Center angezeigt wird, wie viele Anrufer sich momentan in der Queue

befinden.

• IVR (Interactive Voice Response)

Häufig verwenden Call Center eine IVR (Interactive Voice Response), die dazu dient, die

Agenten von Routineauskünften zu befreien sowie bestimmte Anfragen direkt an die richtige

Mitarbeitergruppe weiterzuleiten, und so den (fehleranfälligen) Weg der Weiterverbindung

durch einen Menschen einspart. Anrufer werden mit einer aufgezeichneten Begrüßung emp-

fangen und es werden Ihnen verschiedene Möglichkeiten angeboten, die per Tastendruck oder

Sprache ausgewählt werden können. Die IVR kann insbesondere bei häufig vorkommenden

Nachfragen nach bestimmten Informationen (z.B. Kontostandabfrage) ein Gespräch mit ei-

nem Agent komplett ersetzen.

• CTI (Computer Telephony Integration)

Ein CTI-System verbindet die PBX des Call Centers mit einem Computersystem. Ist der An-

rufer identifiziert – z.B. durch seine Telefonnummer oder die Eingabe seiner Kontonum-

mer/PIN ins IVR-System – so können sämtliche über den Kunden gespeicherten Daten am

Bildschirm des Agenten angezeigt werden. Der Agent kann nachvollziehen, was der Anrufer

mit anderen Mitarbeitern besprochen hat, ohne dass der Kunde seinen Wunsch erneut vortra-

gen bzw. der Agent mit seinen Kollegen Rücksprache halten muss. Dies hat eine erhebliche

Beschleunigung der Prozesse zur Folge.

Page 7: Kapazitaetsplanung_in_Call-Centern

4

1.3 Bedeutung der Kapazitätsplanung in Call Centern

Call Center haben eine sehr hohe Personalintensität. 60% bis 70% der anfallenden Gesamt-

kosten eines Call Centers sind Personalkosten.2 Dies zeigt die immense Wichtigkeit einer ef-

fektiven Personalbedarfs- und Personaleinsatzplanung, durch die sich weitreichende Einspa-

rungen erzielen lassen.

Die Aufgabe der Kapazitätsplanung ist es, die beiden Komponenten der Kapazität – Leistung

und Zeit – auf einem vorgegebenem Level zu halten. Auf die Qualitätsdimension Zeit ist be-

sonders zu achten, da diese durch den Kunden sofort als Kapazitätsengpass wahrgenommen

wird.3

Für eine sinnvolle Kapazitätsplanung sind umfangreiche Vergangenheitsdaten nötig – diese

stehen in vielen Dienstleistungsunternehmen nicht zur Verfügung.4 Im Call Center werden sie

durch den Einsatz einer ACD-Anlage automatisch erhoben und müssen nur noch entspre-

chend ausgewertet werden.

Bei Call Centern strebt das Verhältnis zwischen Nachfrage und zu errichtender Kapazität

deutlich stärker gegen eine Synchronisation, als gegen eine Emanzipation.5 Dies liegt daran,

dass die erbrachten Leistungen (Telefongespräche) nicht lagerfähig sind.6 Die Folge ist, dass

die Anzahl der benötigten Mitarbeiter pro Zeiteinheit stark fluktuiert. So müssen Schichten

festgelegt werden und für diese Anzahl, Menge, Zeiten und Mitarbeiterzahl ermittelt werden.

2 vgl. COHEN (1998), S. 119 3 vgl. MEIER (1997), S. 14 4 vgl. MEIER (1997), S. 18ff. 5 vgl. GÜNTHER und TEMPELMEIER (), S.156ff. 6 vgl. CORSTEN (1992), S.233

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5

2 Kundenorientiertes Kapazitätsmanagement

2.1 Die Bedeutung des Servicelevels

Die maßgebliche Größe zur Messung der Erreichbarkeit eines Call Centers ist der Servicele-

vel.7 Der Servicelevel drückt aus, wieviel Prozent der Anrufe innerhalb einer bestimmten Zeit

von einem Agenten entgegengenommen werden8. So bedeutet ein Servicelevel von 90/10,

dass 90 Prozent aller Anrufer weniger als 10 Sekunden warten müssen, bis sie zu einem Mit-

arbeiter verbunden werden. Als „Standard-Servicelevel“ wird in der Fachliteratur ein Wert

von 80/20 angegeben, bei dem der Großteil aller Kunden zufrieden gestellt wird. Dieser

„Standard-Servicelevel“ ist nur ein Richtwert – je nach Aufgabenschwerpunkten des Call

Centers und Kundenerwartungen kann er variieren.

Das folgende einfache Beispiel zeigt die unmittelbare Auswirkung einer Variation des Servi-

celevels auf den Personalbedarf.9

Bei einem Call Center mit der durchschnittlichen Gesprächsbearbeitungsdauer von 190 Se-

kunden (Gesprächsdauer von 180 Sekunden plus 10 Sekunden Nachbearbeitungszeit) und

einem gesamten Anrufvolumen von 350 Anrufen in der halben Stunde soll ein Servicelevel

von 80/20 sichergestellt werden. Dazu werden 42 Agenten benötigt, deren Auslastung bei

88% liegt. Möchte man bei gleichen Vorraussetzzungen nun einen Servicelevel von 90/15

erreichen, so werden bereits 45 Agenten benötigt mit einer Auslastung von 82%.

Zur Festlegung des optimalen Servicelevels muss ein Call Center den Punkt identifizieren, an

dem in einem vorgegebenen Rahmen die Personalkosten möglichst gering, aber die Kunden-

zufriedenheit möglichst groß ist.

2.2 Mitarbeiterauslastung vs. Erreichbarkeit

Die Erreichbarkeit des Call Centers ist unmittelbar von der Anzahl der eingesetzten Mitarbei-

ter abhängig. Werden zu viele Agenten eingesetzt, so spricht man von einer Überdeckung.

Die Überkapazitäten verursachen Mehrkosten; das Call Center arbeitet unrentabel. Neben der

Kostenkomponente führt eine Überdeckung zusätzlich zu einer Verschlechterung der Mitar-

beitermotivation, da diese unausgelastet sind.10

7 vgl. WIENCKE und KOKE (1997), S. 45 8 vgl. CLEVELAND (1998), S.198 9 Die Ergebnisse wurden mittels der Erlang C-Formel (vgl. Kapitel 4.1 – Formel 12) berechnet. 10 vgl. WIENCKE und KOKE (1997), S. 46

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6

Bei Einsatz zu weniger Agenten – einer Unterdeckung – verschlechtert sich hingegen die Er-

reichbarkeit und damit die Servicequalität des Call Centers vor allem beim Auftreten von

Nachfragespitzen. Anrufe, die aufgrund der Unterdeckung nicht angenommen werden können

(„lost calls“), revidieren die eingesparten Kosten im Personaleinsatz durch möglicherweise

entgangene Umsätze.

Die Mitarbeiterauslastung sinkt bei steigendem Servicelevel. Eine hohe Auslastung wird da-

durch erreicht, dass Agenten sehr schnell nach Beendigung eines Gespräches einen neuen

Anruf entgegennehmen, so dass zwischen diesen Anrufen nur eine sehr kurze oder keine Pau-

se liegt. Dies wird dadurch erreicht, dass die Anrufe in der Queue vorgehalten werden – dies

senkt allerdings den Servicelevel.11

Das Ziel eines Call Centers sollte es sein, einen möglichst hohen Servicelevel zu erreichen

und so die Zahl der Kunden, die in der Queue warten müssen, möglichst gering zu halten. Es

ist aber für ein wirtschaftlich arbeitendes Unternehmen nicht möglich, selbst in kurz auftre-

tenden Spitzenzeiten jeden Anruf direkt anzunehmen – die hohen Personalkosten wären nicht

zu tragen. Da die Agenten einen längeren Zeitraum arbeiten, würde nach den Spitzenzeiten

sofort eine Unterdeckung mit den oben genannten Problemen eintreten.

Eine rein kostenorientierte Personalausstattung führt zu einer hohen Mitarbeiterauslastung

aber ebenso auch zu einer Verschlechterung der Erreichbarkeit des Call Centers – besonders

zu den Spitzenzeiten. Dies kann zu Einbußen führen, da ein Teil der nicht bedienten Anrufer

möglicherweise auch zu einem späteren Zeitpunkt nicht mehr anrufen wird.

Bei der Kapazitätsplanung müssen die Kosten der Mitarbeiterauslastung gegen die „Warte-

kosten“, die dem Kunden mangels Erreichbarkeit des Call Centers entstehen, gegeneinander

abgewogen werden. „Nur unter Berücksichtigung der Wartekosten der Kunden kann das Ka-

pazitätsmanagement dem Zielspektrum markt- und kundenorientierter Unternehmen gerecht

werden.“.12

11 vgl. CLEVELAND (1998), S. 198 12 MEIER (1997), S. 12

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7

2.3 Operative Personalplanung

Die operative Personalplanung sieht in Call Centern im Regelfall wie folgt aus:

- Prognose des Anrufaufkommens je Zeitabschnitt

- Ermittlung der erforderlichen Anzahl von Agenten je Zeitabschnitt unter Berück-

sichtigung eines vorgegebenen Servicelevels

- Planung der erforderlichen Schichten

- Zuordnung der Agenten zu den Schichten

Hieran schließt sich eine Echtzeitplanung an, die es ermöglicht kurzfristige Verschiebungen

in der Planung vorzunehmen und so z.B. Toilettenpausen der Agenten oder Besprechungen zu

berücksichtigen.

Bei der operativen Personalplanung muss ein erhebliches Datenvolumen verarbeitet werden.

Diese Verarbeitung ist nur rechnergestützt sinnvoll möglich. Man nutzt hierzu sogenannte

„Workforce Management Systeme“.

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8

3 Prognose des Anrufvolumens

3.1 Prognosemodelle

3.1.1 Zeitreihenmodelle

Zeitreihenmodelle analysieren die in der Vergangenheit aufgetretenen/gemessenen Daten und

projizieren den Verlauf in die Zukunft. Sie liefern in der Regel sehr gute Prognosen für kurz-

fristige Zeiträume, aber die Prognosegüte lässt bei längerfristigen Zeiträumen schnell nach.

Unregelmäßige Abweichungen können durch Zeitreihen nicht erfasst werden.13

Das N-Perioden-Durchschnittsmodell ist ein sehr einfaches Zeitreihenmodell. Um eine

Prognose für einen Zeitpunkt zu erstellen wird der Mittelwert der jeweils N zuletzt gemesse-

nen Werte errechnet. Zum Zeitpunkt t lautet die Prognose für die kommende Periode:

∑+−=

+ =t

Ntiit x

Nx

11

1ˆ (1)

Dieses Modell liefert jedoch nur brauchbare Werte, wenn ein horizontaler Verlauf der Zeitrei-

he vorliegt und nur vereinzelt (irreguläre) Schwankungen auftreten. Die Prognose gewichtet

alle N Perioden gleich und berücksichtigt auch nur die Daten der N zurückliegenden Perio-

den.

Im Gegensatz dazu, werden bei der einfachen exponentiellen Glättung sämtliche bekannten

Daten verwendet und zusätzlich die Daten unterschiedlich gewichtet. Man geht davon aus,

dass die zuletzt beobachteten Werte bessere Rückschlüsse auf den zukünftigen Verlauf der

Zeitreihe zulassen, als Werte aus weiter zurückliegenden Perioden.

13 vgl. EFTHIMIOU (1998), S. 466

Page 12: Kapazitaetsplanung_in_Call-Centern

9

Das gewichtete Mittel tx errechnet sich rekursiv aus dem aktuell gemessenen Wert tx und

dem gewichtetem (bisherigen) Durchschnitt 1−tx . Der aktuell gemessene Wert wird mit dem

Glättungsparameter alpha ( 10 << α ) bewertet. Als Startwert für 1x wird 1x gewählt.

1)1( −⋅−+⋅= ttt xxx αα (2)

Das gewichtete Mittel tx wird als Prognose für die kommende Periode betrachtet.

Die bisher erläuterten Methoden haben den Nachteil, dass sie nicht anwendbar sind, wenn die

vorliegende Zeitreihe einen Trend, bzw. einen Saisonverlauf aufweist.

Holt und Winters haben die exponentielle Glättung jedoch so erweitert, dass die Prognose

auch bei Trend-/Saisonverlauf eingesetzt werden kann. Dies erreichen sie dadurch, dass – wie

bei der einfachen exponentiellen Glättung – aus den vorherigen Werten das gewichtete Mittel

errechnet wird. In das Ergebnis wird nun der zugrunde liegende Trend bzw. die Saisonvertei-

lung eingearbeitet:

)()1( 11 −− +⋅−+⋅= tttt txxx αα (3)

Der durchschnittliche Trend tt wird selber wieder durch Rekursion gebildet, in die der aktuel-

le Trend tt , durch 1−− tt xx geschätzt, und der bisherige durchschnittliche Trend 1−tt einge-

hen. Der aktuell gemessene Wert wird mit dem Glättungsparameter beta ( 10 << β ) bewertet.

Als Startwert für 1t wird 0 gewählt.

11 )1()( −− ⋅−+−⋅= tttt txxt ββ (4)

Man prognostiziert nun für die nächste Periode mit der Summe der gewichteten Vergangen-

heitsdaten und dem durchschnittlichen Trend:

ttt txx +=+1ˆ (5)

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10

Auf ähnlichem Wege lässt sich ebenfalls ein Saisonmuster (d.h. ein periodisch wiederkehren-

der Einfluß) in die Prognose einarbeiten.

ARIMA-Modelle werden aus zwei Komponenten gebildet: dem so genannten autoregressi-

vem Teil AR – das ist die gewichtete Summe der bisherigen Werte der Zeitreihe – und dem

moving average Teil MA – der gewichteten Summe vergangener Fehler.

ARIMA Modelle sind sehr allgemeine Modelle. Sie enthalten z.B. die einfache exponentielle

Glättung als Spezialfall. Die Spezifizierung eines ARIMA Modells ist aufwendig und wird

deswegen hier nicht näher behandelt.

Grundsätzliches ARIMA-Modell:

tqtqttptpttt bbbXaXaXaX εεεε ++++++++= −−−−−− ...... 22112211 (6)

Prognose mittels:

)1(121)1(1211 ......ˆ−−−−−−+ +++++++= qtqttptpttt bbbXaXaXaX εεε (7)

Box und Jenkins haben gezeigt, dass die Prognose eines ARIMA-Modells optimal ist14, d.h.

dass kein anderes univariates Modell eine Prognose mit kleineren mittleren Abweichungs-

quadraten15 liefern kann.

ARIMA-Modelle eignen sich gut für die Prognose des Anrufvolumens in Call Centern und

werden in der Praxis oft verwendet.16 Wie bei der Methode von Holt und Winter können

Trends- und Saisonmuster in die Vorhersage einbezogen werden. Zusätzlich bieten sie die

Möglichkeit der Berücksichtigung von externen Einflüssen wie Feiertagen oder Werbekam-

pagnen.

14 vgl. BOX und JENKINS (1976), S. 127ff. 15 Die Prognosegüte wird üblicherweise über die mittlere quadratische Abweichung gemessen. 16 vgl. PINEDO, SESHADRI und SHANTHIKUMAR (2000), S. 372

Page 14: Kapazitaetsplanung_in_Call-Centern

11

3.1.2 Kausalmodelle

Die Kausalmodelle gehen davon aus, dass neben dem zeitlichen Fortschreiben einer Reihe

andere Faktoren auf die zu ermittelnde Größe einwirken. Wenn sich diese Faktoren konkreti-

sieren lassen und sie auch in Zukunft bestehen werden, so können sie in ein Modell eingear-

beitet werden. Die Einfluss nehmenden Faktoren müssen identifiziert werden, und anhand der

Daten aus der Vergangenheit ist die Stärke ihres Einflusses festzustellen. Es werden beson-

ders multivariate Analysemethoden und Regressionsmodelle verwendet.17

Das Modell der linearen Regression sieht wie folgt aus:

nn XaXaXaaY ++++= ...22110 (8)

Hierbei hängt die zu prognostizierende Größe Y linear von n unabhängigen Einflussfaktoren

iX ( ni ,...,2,1= ) ab. Die entsprechenden Koeffizienten ia ( ni ,...,2,1= ) werden dazu aus den

vorliegenden Daten durch Regression geschätzt. Um gute Schätzwerte zu erhalten, müssen

große Mengen an Vergangenheitsdaten vorhanden sein.

Ist nun die Ausprägung der ermittelten Einflussfaktoren in der Zukunft (t+1) bekannt, kann

für diesen Zeitpunkt der Wert für die abhängige Variable prognostiziert werden.

So genannte ökonometrische Modelle sind deutlich komplizierter und werden in dieser Ar-

beit nicht weiter behandelt.

3.2 Verteilung des Arbeitsvolumens im Tagesverlauf

Die prognostizierten Anrufe gehen im Call Center nicht gleichmäßig über den Tagesverlauf

verteilt ein. Im Regelfall ist an Wochentagen mehr Betrieb zu erwarten als an Wochenenden

und vormittags treffen mehr Telefonate ein, als nachmittags – dies kann jedoch je nach Auf-

gabenschwerpunkt eines Call Centers variieren. Aufgrund dieser Unterschiede erfolgt die

Prognose des Anrufaufkommens in kleinen Zeitabschnitten von 15 bis 30 Minuten. Wie das

vorhergegangene Kapitel zeigt, eignen sich hierfür gut ARIMA-Prognoseverfahren.

17 vgl. EFTHIMIOU (1998), S. 466

Page 15: Kapazitaetsplanung_in_Call-Centern

12

Die auf diese Weise erhaltenen Daten reichen allerdings nicht dazu aus, das anfallende Ar-

beitsvolumen zu bestimmen. Die ursprüngliche Formel, die der Mathematiker Erlang für die-

ses Problem aufgestellt hat, sieht wie folgt aus18:

Arbeitsvolumen Sekunden

gszeitBearbeitunAnrufederAnzahla

3600

×= (9)

Erlang geht hier von Stunden-Intervallen aus.

Verallgemeinern lässt sich die Formel wie folgt (t = frei wählbares Zeitintervall in Sekunden):

t

SekundeninszeitearbeitungGesprächsbttldurchschnitproAnrufederAnzahla

] [. ] [ ×= (10)

Die Gesprächsbearbeitungszeit setzt sich aus der eigentlichen Gesprächszeit19 plus der Nach-

bearbeitungszeit, die für das Telefonat anfällt20 zusammen. Diese Daten können einfach aus

der Statistiken der ACD-Anlage ermittelt werden.

18 vgl. EFTHIMIOU (1998), S. 471 19 Die Gesprächszeit startet sobald ein Agent einen Anruf entgegennimmt und endet mit Beendigung desselben. 20 Dies kann beispielsweise das Eintragen von Kundeninformationen in eine Datenbank sein.

Page 16: Kapazitaetsplanung_in_Call-Centern

13

4 Personalbedarfsermittlung und Personaleinsatzplanun g

In der herkömmlichen Personalplanung entspricht das Arbeitsvolumen der Anzahl der einzu-

setzenden Mitarbeiter. Wiencke und Koke geben folgendes Beispiel an:

„Ein Call Center erhält in einem Zeitraum von 30 Minuten (= 1800 Sekunden) voraussichtlich

insgesamt 200 Anrufe, deren durchschnittliche Gesprächsbearbeitungsdauer 210 Sekunden

beträgt.“ 21

In die Formel (10) eingesetzt ergibt sich somit ein Arbeitsvolumen von ≈ 23,3. Bei der Perso-

nalplanung eines Call Centers kann man nun allerdings nicht davon ausgehen, dass eine Mit-

arbeiterzahl von 24 ausreichend wäre. So kommen die Anrufe im Intervall nicht gleichverteilt

an, und es wird weder der angestrebte Servicelevel berücksichtigt noch dass eine Auslastung

der Agenten zu 100% auf Dauer nicht durchzuhalten ist.

Um die erforderliche Mitarbeiterbesetzung besser zu bestimmen, bietet es sich an, das Anruf-

verhalten der Kunden durch einen statistischen Zufallsprozess darzustellen und die Vorgänge

im Call Center anhand eines Warteschlangemodells zu modellieren.

4.1 Modellierung eines Call Centers als Warteschlangensystem

Warteschlangemodelle können anhand einer a/b/c (/d/e/f)-Notation näher spezifiziert werden,

wobei a bis f jeweils für eine mögliche Ausprägung einer Warteschlangenkomponente ste-

hen.22

a) Die erste Position gibt die Verteilung der Zwischenankunftszeiten wieder, wobei die Aus-

prägung M bedeutet, dass die Zwischenankunftszeiten exponentialverteilt sind.

b) Die zweite Position gibt die Verteilung der Bedienzeiten wieder. Die Ausprägung M be-

deutet, dass exponentialverteilte Bedienzeiten vorliegen.

c) Die dritte Position gibt an, wie viele Abfertigungen parallel laufen können (Anzahl der

Agenten).

d) Die vierte Position gibt an welche Warteschlangendisziplin gilt.

e) Die fünfte Position gibt an ob die Systemkapazität begrenzt ist.

f) Die sechste Position gibt an ob der Input beschränkt ist.

21 WIENCKE und KOKE (1997), S. 58 22 vgl. TAHA (1992), S. 554ff.

Page 17: Kapazitaetsplanung_in_Call-Centern

14

Die letzten drei Positionen werden im Allgemeinen weggelassen, wenn für sie

d = FIFO, e = ∞ und f = ∞ gelten.

Der Ankunftsprozess in einem Call Center lässt sich (unter der Annahme einer unbeschränk-

ten Kundenmenge und einer unbeschränkten Warteschlange) durch eine Poissonverteilung

abbilden. Die Zwischenankunftszeiten seien exponentialverteilt mit der Rate λ. Die Bedien-

zeiten seien ebenfalls exponentialverteilt mit der Rate µ.

Gelten diese Voraussetzungen, so kann ein Call Center als M/M/c-Modell aufgefasst werden.

Dieses Warteschlangenmodell wird auch als Erlang C-Modell bezeichnet.23

Abbildung 1: Modellierung eines Call Centers als M/M/c-Warteschlangensystem

Möchte man Aussagen über die Auslastung des Call Centers bei einer bestimmten Mitar-

beiterbesetzung treffen, so muss der Ankunfts- und Bedienprozess gleichzeitig betrachtet

werden. Diese beiden Prozesse sind unabhängig voneinander.

Ein stochastischer Prozess tA gibt für jeden Zeitpunkt ,..., 10 ttt = die Anzahl der sich momen-

tan im Call Center befindlichen Anrufe an. Der Abstand T∆ zwischen den Zeitpunkten

,..., 21 tt soll gerade so groß sein, das zwischen zwei aufeinander folgenden Zeitpunkten maxi-

mal ein Anruf neu hinzukommt und maximal ein Anruf beendet wird. Befinden sich nun zum

Zeitpunkt xt genau k Anrufe im System ( ktx = ), dann können sich in Zeitpunkt 1+xt entwe-

der k, k-1 oder k+1 Gespräche im System befinden, d.h. dass nur Zustandsübergänge in be-

nachbarte Zustände möglich sind.

23 vgl. GROSSMANN, SAMUELSON, OH und ROHLEDER (2001), S. 73

Agenten µ µ µ

λ

Warteraum 1

2

c

Page 18: Kapazitaetsplanung_in_Call-Centern

15

Unter der Annahme, dass Ankunftsrate und Bedienrate vom jeweiligen Zustand, in dem sich

das System befindet, abhängig sind, beträgt die Wahrscheinlichkeit, dass ein neuer Anrufer

eintrifft, während k Anrufe im System sind, )( Tk ∆⋅λ . Allerdings wird gleichzeitig in diesem

Zeitraum mit der Wahrscheinlichkeit )( Tk ∆⋅µ ein Gespräch beendet. λ nennt man Geburtsra-

te und µ Sterberate.24 Stehen in einem Call Center c Leitungen zur Verfügung, so lassen sich

die Zustandsübergänge wie folgt in einem Geburts- und Sterbeprozess darstellen:

Voraussetzung für die Stabilität eines solchen Systems ist, das die Ankunftsrate der Anrufe

strikt kleiner ist als die Bearbeitungszeit aller Agenten zusammen, d.h. µλ c< . Andernfalls

würden im Durchschnitt mehr Telefonate ankommen, als beendet würden, so dass die Queue

immer voller und der Servicelevel auf 0 abfallen würde.

Definiert man das Arbeitsvolumen µλ=a ,

so folgt aus der vorhergegangenen Vorraussetzung, dass das Arbeitsvolumen strikt kleiner als

die Anzahl der Agenten sein muss, d.h. ca < .

Die Differenz von c und a ist die Überkapazität des Systems. Sie wird benötigt um die Varia-

tionen des Arbeitsvolumens aufzufangen.25 Diese Überkapazität wird zur Reduzierung der

Anrufer, die sich in der Queue befinden, benötigt.

Das System geht nach endlichen vielen Zustandswechseln in ein stationäres Gleichgewicht

über26. Das bedeutet, dass die Wahrscheinlichkeit, dass sich das System in einem bestimmten

Zustand befindet, nicht mehr vom Anfangszustand des Systems abhängt.

24 vgl. HEYMAN (2001), S. 681ff. 25 λ und µ sind Durchschnittswerte!

… 0 1 2 c-1 c+1 c

λ λ λ λ

2µ µ (c-1)µ cµ cµ

Abbildung 2: Geburts- und Sterbeprozess

Page 19: Kapazitaetsplanung_in_Call-Centern

16

Um anhand des Warteschlangenmodells Entscheidungen für die Kapazitätsplanung – genauer:

für die Personalbedarfs und Personaleinsatzplanung – zu treffen, werden folgende weitere

Kenngrößen benötigt:

)(WP Wahrscheinlichkeit, dass ein Anrufer warten muss

CA voraussichtliche Anzahl an Anrufern im Call Center (Queue + Bedienung)

QA voraussichtliche Anzahl an Anrufern in der Queue

CD durchschnittliche Aufenthaltsdauer eines Anrufers im Call Center (Queue + Ge-

sprächsbearbeitungsdauer)

QD voraussichtliche Wartezeit eines Anrufers27

Bei bekannten Zustandswahrscheinlichkeiten des Systems können diese Werte für den

Gleichgewichtszustand relativ einfach ausgerechnet werden. Im Folgenden sei nur kurz die

heute häufig verwendete Erlang C-Formel aufgeführt.

Die Erlang C-Formel gibt die Wartewahrscheinlichkeit wie folgt an:

ac

c

c

a

i

aac

c

c

a

WPeitcheinlichkWartewahrscc

n

i

c

−⋅+

−⋅

= ∑−= !

)!

(

!)( 1

0

(11)

Die Wahrscheinlichkeit )( tWP ≤ , d.h. die Wahrscheinlichkeit, dass die Wartezeit W nicht

größer als ein vorgegebener Wert t wird, kann dann wie folgt berechnet werden28:

tac

c

n

cn

c

e

ac

c

c

a

n

aac

c

c

a

tWP ⋅−−−

=

−⋅+

−⋅

−=≤ ∑ )(

1

0 !)

!(

!1)( µ (12)

Anhand der Erlang C-Formel wird in Personalbedarfsermittlungs- und Personalbedarfsein-

satzplanungs-Software der in Kapitel 2.1 näher beschriebene Servicelevel errechnet.

26 vgl. DOMSCHKE und DREXL (1995), S. 198ff. 27 in der Literatur häufig als ASA (Average Speed of Answer) bezeichnet 28 vgl. GROSS und HARRIS (1998), S. 69ff.

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4.2 Kritik am vorherrschenden Modell

Die Anwendung des Erlang C-Modells ist weit verbreitet.29 Die Annahmen, auf denen es ba-

siert, sind jedoch in der Realität vielfach nicht zutreffend.

• Begrenzte Geduld der Anrufer

Das M/M/c-Modell geht davon aus, dass die Anrufer beliebig lange in der Queue warten, bis

ein Agent ihren Anruf entgegennimmt. In der Realität wird der Anrufer nach kurzer Zeit auf-

legen.

• Begrenzter Warteraum

Es wird angenommen, dass der Warteraum unbegrenzt groß ist. In der Praxis ist die Anzahl

der Telefonleitungen des Call Centers aber begrenzt, so dass in Spitzenzeiten – bei Auslas-

tung aller Leitungen - Anrufer ein Besetztzeichen hören.

• Abnehmender Grenznutzen

Ab einem gewissen Servicelevel-Schwellenwert (80-90%) bringt der Einsatz zusätzlicher

Mitarbeiter nur noch marginale Verbesserungen der Erreichbarkeit.30 Dies wird als „Law of

dimishing returns“ bezeichnet.31

• Dynamische Ankunftsraten

Innerhalb des betrachteten Zeitraumes wird davon ausgegangen, dass die Anrufe zufallsver-

teilt eingehen. Tatsächlich entstehen aber Anrufspitzen durch externe Einflüsse, z.B. unmit-

telbar nach Ausstrahlung von Fernsehwerbung. Ein ARIMA-Vorhersagemodell berücksichtigt

dies zwar in der Vorhersage der Anzahl der Anrufe pro Zeitintervall, aber innerhalb des Zeit-

intervalls wird es im M/M/c-Modell nicht berücksichtigt.

• Sensitivität der Formel

Die Erlang C-Formel kann schon bei kleinen Variationen der Parameter λ, µ und c deutlich

unterschiedliche Ergebnisse erzielen. Dies ist besonders der Fall, wenn a nahe bei c liegt. Bei

Erreichen eines hohen Servicelevels und somit einer geringen Anzahl von „lost calls“ mini-

miert sich diese Tendenz.

29 vgl. GROSSMANN, SAMUELSON, OH und ROHLEDER (2001), S. 74 30 vgl. EFTHIMIOU (1998), S. 472 31 vgl. WIENCKE und KOKE (1997), S. 46

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• Unproduktivität

Pausenzeiten der Mitarbeiter werden nicht berücksichtigt.

Es hat sich gezeigt, dass diese Ungenauigkeiten in der Summe zu einer Überdeckung führen.

Es existieren bessere Warteschlangenmodelle, die jedoch nicht weit verbreitet sind.32 In zu-

nehmendem Maße werden stattdessen Simulationsprogramme eingesetzt.

4.3 Schichtplanung und Personenzuweisung

Es muss nun eine Schichteinteilung gefunden werden, die die in Kapitel 4.1 vorgegeben Be-

dingungen erfüllt.

Ein Call Center, das 24 Stunden am Tag erreichbar ist, teilt im Regelfall den Tag in 96

15-Minuten-Abschnitte ein, für die die Personalbelegung geplant wird.33 Eine Schicht wird

angegeben durch eine Start- und Endzeit sowie etwaige Pausen (bspw. 15-minütige Kaffee-

pausen und einstündige Mittagspausen). Die Pausen können bei Mitarbeitern einer Schicht

variieren bzw. kurzfristig verschoben werden um sicherzustellen, dass immer ausreichend

Agenten vorhanden sind um einen gewünschten Servicelevel sicherzustellen.

Der durch ein Warteschlangenmodell hergeleitete Mitarbeitereinsatz kann in der Regel nicht

deckungsgleich in einen Schichtplan umgesetzt werden. Über- und Unterkapazitäten werden

selbst mit einer „optimalen“ Prognose nie ganz vermieden – können aber minimiert werden.

Das Problem besteht darin, die Schichten so an das prognostizierte Mitarbeiterprofil anzupas-

sen, dass die Summe der absoluten Abweichungen minimal wird.

Die Lösung dieses Problems ist NP-hart. Das bedeutet, dass keine effizienten Algorithmen zur

Lösung bekannt sind. Aus diesem Grund muss auf Heuristiken zurückgegriffen werden, die

oftmals ausreichend schnell gute Lösungen liefern, aber meist schwer durchschaubar sind und

eben nicht garantieren, dass die Lösung optimal ist.

Als Heuristiken werden oft simulated annealing, tabu search und genetische Algorithmen

eingesetzt. Grossmann, Samuelson, Oh und Rohleder weisen darauf hin, dass weitere wissen-

32 vgl. GROSSMANN, SAMUELSON, OH und ROHLEDER (2001), S. 74 33 vgl. PINEDO, SESHADRI und SHANTHIKUMAR (2000), S. 376

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schaftliche Forschung in diesem Bereich von Nöten ist.34 Pinedo, Seshadri und Shanthikumar

teilen diese Meinung.35

Nach der Festlegung der Schichten werden die Mitarbeiter diesen zugeordnet. Hierbei müssen

feste Restriktionen (z.B. rechtliche Vorschriften36, Arbeitsverträge, etc.) eingehalten werden.

Ebenso sollten Präferenzen der Mitarbeiter (z.B. bevorzugte Arbeitstage, bevorzugte Arbeits-

länge, etc.) berücksichtigt werden.

Um kurzfristige Anrufschwankungen gut auffangen zu können, werden neben Vollzeitkräften

auch Teilzeitkräfte eingesetzt. Viele Call Center greifen hier gerne auf Studenten zurück, die

notfalls auch kurzfristig zur Verfügung stehen.37

Das Problem der Mitarbeiterzuordnung auf die einzelnen Schichten ist ebenfalls NP-hart. Ei-

ne sinnvolle Lösung ist ohne den Einsatz von Workforce Management Systemen nicht zu er-

zielen.

34 vgl. GROSSMANN, SAMUELSON, OH und ROHLEDER (2001), S. 75 35 vgl. PINEDO, SESHADRI und SHANTHIKUMAR (2000), S. 378 36 bspw. die Maximalarbeitszeit 37 vgl. WIENCKE UND KOKE (1997), S. 61ff.

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5 Ausblick

Eine Kapazitätsplanung ist für Call Center von wesentlicher Bedeutung, sowohl um ein vor-

gegebenes Serviceziel zu halten als auch um Kosten durch unnötigen oder falschen Personal-

einsatz einzusparen.

In der Realität ist das durch Einhaltung eines Servicelevels verursachte Auftreten von Über-

kapazitäten weniger problematisch als zunächst angenommen. So existieren in einem Call

Center nicht nur verkehrsabhängige Leistungen (z.B. die aktive Inbound-Call-Tätigkeit) son-

dern auch verkehrsunabhängige Leistungen (Bearbeitungszeiten) und Zusatzzeiten (z.B. Wei-

terbildungsmaßnahmen, Pausen). Dies ermöglicht, anhand von Kurzzeit-Prognosen den Be-

darf an verkehrsabhängigen Leistungen zu decken und den übrigen Agenten kurzfristig ver-

kehrsunabhängige Leistungen oder Zusatzzeiten zuzuordnen. Ebenso können bei prognosti-

zierten Anrufspitzen Mitarbeiter, die eigentlich für verkehrsunabhängige Leistungen einge-

plant oder der Nutzung von Zusatzzeiten zugeordnet waren, zu verkehrsabhängigen Leistun-

gen hinzugezogen werden.

Die Entwicklung der Call Center zu sogenannten Contact Centern (Call Center, die Kontakt-

aufnahme durch eine Vielzahl von Medien anbieten) unterstützt dies. So ist E-Mail im Gegen-

satz zum Telefon ein asynchrones Medium – der Kunde erwartet zwar auch hier eine schnelle

Antwort auf seine Frage – aber keine unmittelbare. So kann der Agent die Beantwortung zu-

rückstellen, wenn erhöhtes Telefonaufkommen herrscht.

Trotz allem ist der Einsatz einer Workforce Management Software für ein Call Center unver-

zichtbar. Die heute erhältlichen Systeme erlauben dem Benutzer bei der Prognose eine Viel-

zahl von Einflussfaktoren einzubeziehen und erzielen – bei korrekten Eingabedaten – ein Er-

gebnis, das in der Regel sehr nah am tatsächlichen Wert liegt. Eine gute Vorhersage des An-

rufaufkommens ist essentiell für eine sinnvolle Personalbedarfs- und Personaleinsatzplanung.

Die Aufstellung von Schichten und die Zuordnung der einzelnen Mitarbeiter sind Probleme,

die nicht effizient lösbar sind. Um eine gute Lösung zu erhalten, muss man sich der von

Workforce Management Systemen angebotenen Heuristiken bedienen.

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